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60 M AX P LANCK F ORSCHUNG 3/2008 ASTRONOMIE UND KERNPHYSIK 3/2008 M AX P LANCK F ORSCHUNG 61 I m lockeren Turnus von vier Jahren treffen sich die Staubforscher zu einer solchen Tagung, auf der es um alle Aspekte dieses eminent wich- tigen Ingrediens im Universum geht. Woher kommt der Staub im All? Wie verteilt er sich in den Galaxien? Was verrät Kometenstaub über die Ent- stehung unseres Sonnensystems? Das sind einige der Fragen, denen die Wissenschaftler nachspüren. In diesem Jahr fand die Tagung erstmals in Deutschland statt. Die Veranstalter hätten hierfür keinen geeigneteren Ort als Heidelberg fin- den können. Das Max-Planck-Insti- tut für Astronomie hat sich seit jeher der astronomischen Beobachtung im infraroten Spektralbereich verschrie- ben. Hier studiert man insbesondere Staub in Sternentstehungsgebieten. Das Max-Planck-Institut für Kern- physik wiederum genießt weltweit einen hervorragenden Ruf in der Analyse von Meteoriten und Mond- gestein; seit Langem baut es Staub- detektoren für Raumsonden wie Giotto (Komet Halley), Galileo (Jupi- ter) und Cassini (Saturn). Wenn Staub durch nahe Sterne er- wärmt wird, gibt er Infrarotstrahlung ab. Aus deren Intensität lässt sich die Gesamtmasse ableiten. Doch je wei- ter eine Galaxie entfernt ist, desto schwieriger wird der Nachweis. Es galt deswegen als großer Durch- bruch, als es vor wenigen Jahren ge- lang, Staub in den entferntesten be- kannten Quasaren zu messen – den extrem hellen Zentralgebieten von Galaxien, in denen ein schwarzes Loch umgebendes Gas erhitzt und zum Leuchten anregt. Aus einem Ge- biet, das etwa so groß wie unser Son- nensystem ist, kommt Strahlung, die mehrere tausend Mal heller sein kann als die von allen Sternen in unserer Milchstraße zusammengenommen. Deswegen lassen sich diese Himmels- körper bis in viele Milliarden Licht- jahre Entfernung beobachten. Der bislang entfernteste Quasar mit der Bezeichnung SDSS J1148+5251 sandte das heute von ihm empfan- gene Licht aus, als das Universum 870 Millionen Jahre alt war. Astro- physiker schauen hier gewissermaßen in die Kinderstube des Universums, dessen Alter heute mit 13,7 Milliar- den Jahren angenommen wird. Wie Fabian Walter vom Max-Planck-Ins- titut für Astronomie berichtete, lie- ßen sich in diesem Quasar gewaltige Staubmengen von mehreren hundert Millionen Sonnenmassen nachwei- sen. Das ist etwa so viel wie in der gesamten Milchstraße. Der Staub wird nicht nur von dem heißen Quasar zum Leuchten ange- regt, sondern auch von vielen jungen Sternen, die in dem Staub entstehen. Abschätzungen kommen auf eine Geburtenrate von jährlich 3000 Ster- nen mit der Masse unserer Sonne. In der Milchstraße entstehen heute ge- rade einmal Sterne mit insgesamt etwa fünf Sonnenmassen. DER URKNALL PRODUZIERTE NUR LEICHTE STOFFE Auch bei mehreren anderen Qua- saren im jungen Universum fand sich zum Erstaunen der Astrophysi- ker Staub in dieser Größenordnung. Nach heutiger Kenntnis sind im Ur- knall nämlich fast ausschließlich die leichtesten Elemente Wasserstoff und Helium entstanden. Diese flüchtigen Stoffe können aber keine Staubteil- chen bilden. Dafür sind schwerere Substanzen nötig, wie Kohlenstoff, Sauerstoff oder Silizium. Diese müs- sen also vor dem Aufflammen der Quasare in enormen Mengen produ- ziert worden sein. Hierfür kommen im Grunde nur Supernovae, also ex- plodierende Sterne, in Frage. Modellrechnungen zufolge müsste jede Supernova durchschnittlich etwa eine Sonnenmasse an Staub liefern, um die beobachteten Mengen in den Quasaren erklären zu können. Auf der Tagung sahen mehrere Astrophy- siker darin ein Problem, wie zum Bei- spiel Isabelle Cherchneff von der ETH Zürich demonstrierte. ® FOTO: NASA/JPL-CALTECH/K. SU (UNIVERSITY OF ARIZONA) Geplagte Hausfrauen und Hausmänner fragen sich immer wieder, warum das Wohn- zimmerregal schon wieder voller Staub ist, obwohl sie es erst eine Woche zuvor sorgfältig geputzt haben. Astrophysiker fragen sich, wie der Staub überhaupt ins Uni- versum kam und welchem Zweck er hier dient. Über diese Themen diskutierten im Herbst mehr als 300 Wissenschaftler aus aller Welt in Heidelberg auf der Tagung „Kosmischer Staub nah und fern“. Organisiert hatten dieses interdisziplinäre Treffen die dort ansässigen MAX-PLANCK-INSTITUTE FÜR ASTRONOMIE und FÜR KERNPHYSIK. Staubiges Weltall Staubiges Weltall Einer kosmischen Blüte gleicht der Helixnebel. Erzeugt hat diese Wolke ein Stern, der sich am Ende seines Lebens zum Riesen aufblähte. Im Infrarotlicht erscheint der Staub (grün eingefärbt) besonders deutlich.

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ASTRONOMIE UND KERNPHYSIK

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Im lockeren Turnus von vier Jahren treffen sich die Staubforscher zu

einer solchen Tagung, auf der es um alle Aspekte dieses eminent wich-tigen Ingrediens im Universum geht. Woher kommt der Staub im All? Wie verteilt er sich in den Galaxien? Was verrät Kometenstaub über die Ent-stehung unseres Sonnensystems? Das sind einige der Fragen, denen die Wissenschaftler nachspüren.

In diesem Jahr fand die Tagung erstmals in Deutschland statt. Die Veranstalter hätten hierfür keinen geeigneteren Ort als Heidelberg fi n-den können. Das Max-Planck-Insti-tut für Astronomie hat sich seit jeher der astronomischen Beobachtung im infraroten Spektralbereich verschrie-ben. Hier studiert man insbesondere Staub in Sternentstehungsgebieten. Das Max-Planck-Institut für Kern-physik wiederum genießt weltweit einen hervorragenden Ruf in der Analyse von Meteoriten und Mond-gestein; seit Langem baut es Staub-detektoren für Raumsonden wie Giotto (Komet Halley), Galileo (Jupi-ter) und Cassini (Saturn).

Wenn Staub durch nahe Sterne er-wärmt wird, gibt er Infrarotstrahlung ab. Aus deren Intensität lässt sich die Gesamtmasse ableiten. Doch je wei-ter eine Galaxie entfernt ist, desto schwieriger wird der Nachweis. Es galt deswegen als großer Durch-bruch, als es vor wenigen Jahren ge-lang, Staub in den entferntesten be-kannten Quasaren zu messen – den extrem hellen Zentralgebieten von Galaxien, in denen ein schwarzes Loch umgebendes Gas erhitzt und zum Leuchten anregt. Aus einem Ge-biet, das etwa so groß wie unser Son-nensystem ist, kommt Strahlung, die mehrere tausend Mal heller sein kann als die von allen Sternen in unserer Milchstraße zusammengenommen. Deswegen lassen sich diese Himmels-körper bis in viele Milliarden Licht-jahre Entfernung beobachten.

Der bislang entfernteste Quasar mit der Bezeichnung SDSS J1148+5251

sandte das heute von ihm empfan-gene Licht aus, als das Universum 870 Millionen Jahre alt war. Astro-physiker schauen hier gewissermaßen in die Kinderstube des Universums, dessen Alter heute mit 13,7 Milliar-den Jahren angenommen wird. Wie Fabian Walter vom Max-Planck-Ins-titut für Astronomie berichtete, lie-ßen sich in diesem Quasar gewaltige Staubmengen von mehreren hundert Millionen Sonnenmassen nachwei-sen. Das ist etwa so viel wie in der gesamten Milchstraße.

Der Staub wird nicht nur von dem heißen Quasar zum Leuchten ange-regt, sondern auch von vielen jungen Sternen, die in dem Staub entstehen. Abschätzungen kommen auf eine Geburtenrate von jährlich 3000 Ster-nen mit der Masse unserer Sonne. In der Milchstraße entstehen heute ge-rade einmal Sterne mit insgesamt etwa fünf Sonnenmassen.

DER URKNALL PRODUZIERTE

NUR LEICHTE STOFFE

Auch bei mehreren anderen Qua-saren im jungen Universum fand sich zum Erstaunen der Astrophysi-ker Staub in dieser Größenordnung. Nach heutiger Kenntnis sind im Ur-knall nämlich fast ausschließlich die leichtesten Elemente Wasserstoff und Helium entstanden. Diese fl üchtigen Stoffe können aber keine Staubteil-chen bilden. Dafür sind schwerere Substanzen nötig, wie Kohlenstoff, Sauerstoff oder Silizium. Diese müs-sen also vor dem Auffl ammen der Quasare in enormen Mengen produ-ziert worden sein. Hierfür kommen im Grunde nur Supernovae, also ex-plodierende Sterne, in Frage.

Modellrechnungen zufolge müsste jede Supernova durchschnittlich etwa eine Sonnenmasse an Staub liefern, um die beobachteten Mengen in den Quasaren erklären zu können. Auf der Tagung sahen mehrere Astrophy-siker darin ein Problem, wie zum Bei-spiel Isabelle Cherchneff von der ETH Zürich demonstrierte. ®

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Geplagte Hausfrauen und Hausmänner fragen sich immer wieder, warum das Wohn-

zimmerregal schon wieder voller Staub ist, obwohl sie es erst eine Woche zuvor

sorgfältig geputzt haben. Astrophysiker fragen sich, wie der Staub überhaupt ins Uni-

versum kam und welchem Zweck er hier dient. Über diese Themen diskutierten im Herbst

mehr als 300 Wissenschaftler aus aller Welt in Heidelberg auf der Tagung „Kosmischer

Staub nah und fern“. Organisiert hatten dieses interdisziplinäre Treffen die dort

ansässigen MAX-PLANCK-INSTITUTE FÜR ASTRONOMIE und FÜR KERNPHYSIK.

Staubiges WeltallStaubiges WeltallEiner kosmischen Blüte gleicht der Helixnebel. Erzeugt hat diese Wolke ein Stern, der sich am Ende seines Lebens zum Riesen aufblähte. Im Infrarotlicht erscheint der Staub (grün eingefärbt) besonders deutlich.

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KONGRESSBERICHT

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Die ersten Sterne können nur aus Wasserstoff und Helium bestanden haben. Modelle sagen voraus, dass sie deswegen wesentlich schwerer waren als die heutigen Sterne und bis zu 300 Sonnenmassen beinhalte-ten. Sie erbrüteten im Innern durch Kernfusion schwere Elemente und gaben diese an die Umgebung ab, als sie explodierten. Da die Lebensdauer der Sterne mit zunehmender Masse stark abnimmt, wurden die Giganten der ersten Generation nur wenige Millionen Jahre alt.

„Nach zwei Jahren war die Tempe-ratur in der Explosionswolke so weit gesunken, dass sich die ersten Mole-küle bilden konnten“, sagt Cherchneff. Bis zu einem Drittel der gesamten Sternmasse sammelt sich in einfachen Verbindungen wie Kohlenmonoxid (CO), molekularem Sauerstoff (O2) oder Siliziumoxid (SiO). Bei Zusam-menstößen bleiben diese Moleküle dann aneinander haften und wachsen langsam zu Staubteilchen heran.

und von schnellen Atom-kernen, welche die Stoß-front mit sich reißt, bom-bardiert.

Wie viele der Staubpar-tikel dieses Inferno über-stehen, ist Gegenstand der Forschung. Nach Modell-rechnungen von Takashi Kozasa von der Universi-tät Hokkaido werden alle Teilchen mit Durchmes-

sern bis zu 0,05 Mikrometern (tau-sendstel Millimetern) vollständig zer-stört. Nur die größeren überleben. Das Ausmaß der Zerstörung wächst mit dem Bombardement der Atomkerne und damit der Dichte des Gases, in dem sich der Staub befi ndet.

Da weder die Größenverteilung der Staubteilchen noch die Gasdichten bekannt sind, liefern die Modellsi-mulationen eine entsprechend breite Lösungsvielfalt. Simone Bianchi vom Astrophysikalischen Institut in Flo-renz kommt zu dem Schluss, „dass

Wie effektiv dieser Vor-gang ablief, war Gegen-stand heftiger Diskussi-onen. Modellrechnungen mehrerer Theoretiker sa-gen voraus, dass zwi-schen einem und 20 Pro-zent der Sternmasse zu Staub werden – ausrei-chend, um die großen Mengen in den ersten Quasaren zu erklären.

Allerdings wird der größte Teil der Partikel später zerstört. Denn bei der Explosion eines Sterns rast eine Stoß-welle ins All hinaus, die das umge-bende Gas aufheizt und komprimiert. Dies führt dazu, dass dieses Gas selbst eine Stoßfront aussendet, die zu dem explodierten Stern zurückläuft. Ver-einfacht gesagt wird die Stoßfront der Supernova am umgebenden Gas re-fl ektiert und durchquert mehrere zehntausend Jahre nach der Explosi-on die Staubwol ken. Die darin enthal-tenen Teilchen werden stark erhitzt

nicht einmal zehn Prozent des ent-standenen Staubs die Rückwärts-Stoßwelle übersteht“. Supernovae sind also sehr effektive Staubfab-riken, aber der größte Teil ihres Pro-dukts hat eine für kosmische Maß-stäbe kurze Haltbarkeitsdauer. Nur wenn die Mehrzahl der ersten Sterne wirklich sehr viel schwerer waren als ihre heutigen Nachfahren, könnten sie das junge Universum mit dem nötigen Staub angereichert haben.

In absehbarer Zukunft wird es nicht möglich sein, den von der ers-ten Sterngeneration produzierten Staub direkt zu beobachten. Dafür sind diese Himmelskörper viel zu lichtschwach. Es ist bereits außeror-dentlich schwierig, Staub in nahen Supernova-Wolken aufzuspüren. Das gelang erstmals 1987 in der rund 163 000 Lichtjahre entfernten Gro-ßen Magellan'schen Wolke.

Die Astronomen verfolgten, wie ein Jahr nach der Supernova 1987A in der Gaswolke der erste Staub ent-

stand. Doch schon ein weiteres Jahr später endete diese Phase. „Für die Staubentstehung steht nur ein sehr enges Zeitfenster zur Verfügung“, sagt Chechneff. Der Grund erscheint einleuchtend: In der sich ausdehnen-den Explosionswolke muss die Tem-peratur auf etwa 1200 Grad Celsius gesunken sein, damit sich feste Teil-chen bilden können. Doch im wei-teren Verlauf der Expansion ver-dünnt sich die Materie immer mehr, sodass die Partikel schließlich kaum noch zusammenstoßen und weiter anwachsen können.

Seit der Supernova 1987A ist es nur in sehr wenigen Fällen gelungen, Staub in anderen Explosionswolken nachzuweisen. Der jüngste Erfolg glückte einem Astronomenteam um Jeonghee Rho vom California Insti-tute of Technology in Pasadena. Es fand Ende 2007 Jahres mit dem Welt-raumteleskop Spitzer Staubwolken in dem etwa 11 000 Lichtjahre ent-fernten Supernova-Überrest Cassio-

peia A sowie bei zwei weiteren Ob-jekten. Wie Rho berichtete, beträgt die gesamte Staubmasse in den drei Objekten jeweils einige hundertstel Sonnenmassen. Das ist mehr als eine Zehnerpotenz weniger, als die Theo-retiker von der ersten Sterngenerati-on erwarten.

Entweder waren die ersten Super-novae die ergiebigeren Staubfab-riken, was in ihrer mutmaßlich hö-heren Masse begründet sein könnte, oder es gab im jungen Universum doch noch andere Staubquellen. „Vielleicht spielten die schwarzen Löcher in den Zentren der Quasare hierbei eine noch unbekannte Rolle“, spekuliert Isabelle Cherchneff.

Im heutigen Universum gibt es noch eine zweite bedeutende Staub-quelle: Sternwinde. Massereiche Sterne blähen sich am Ende ihres Le-bens zu Riesen auf und stoßen Teile ihrer äußeren Hülle ins All ab. „Schon in geringer Entfernung vom Stern bilden sich Staubteilchen, die

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Die großen Schwaden im Adlernebel (links) sind der Rohstoff für neue Sterne. In den mittleren vier Bildern des Superno-va-Überrests Cassiopeia A kennzeichnen die Farben unterschiedliche Bestand-teile (blau: Siliziumgas, grün: Argongas, rot: Staub). Rechts umgibt der Sanduhrnebel den Riesen-stern Eta Carinae, der in ferner Zukunft als Super-nova explodieren wird.

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KONGRESSBERICHT

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dann vom Druck des Sternlichts ins All hinausgetrieben werden“, erklär-te Susanne Hoefner von der Univer-sität Uppsala. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist der 7700 Lichtjahre ent-fernte Eta Carinae, der möglicher-weise massereichste und leuchtkräf-tigste Stern in der Milchstraße.

Wenn ein solcher Stern später als Supernova explodiert, was die For-scher bei Eta Carinae erwarten, dann wird die Stoßwelle einen großen Teil des vorher produzierten Staubs wie-der vernichten. Doch masseärmere Sterne wie unsere Sonne blähen sich im Endstadium als Rote Riesen auf, produzieren Staub und verglühen am Schluss einfach als Weißer Zwerg. Ihre Staubwolken können sich unge-stört ausbreiten und gelangen so ins interstellare Medium. „Im heutigen Universum spielen die masseärmeren Sterne mit zwei bis fünf Sonnenmas-sen die dominierende Rolle in der Staubproduktion“, fasste Eli Dwek vom Goddard Space Flight Center der NASA den heutigen Wissens-stand zusammen.

Die ersten Sterne konnten das je-doch nicht, weil ihre äußere Hülle nur aus Wasserstoff und Helium bestand. Sie mussten zunächst die schweren Elemente herstellen und ins All abge-ben, wo sie als Rohstoff für die nach-folgenden Generationen dienten.

Hat sich der Staub aus dem Schwe-refeld seines Sterns gelöst, dann be-wegt er sich frei durch den interstel-laren Raum. Gerät er in einen der

laufen, abgekommen und mit der Erde zusammengestoßen sind. Auch Kometenstaub befi ndet sich schon seit Jahrzehnten in irdischen Labora-torien. Partikel der Schweifsterne ge-raten in die Hochatmosphäre, werden dort abgebremst und schweben lang-sam zu Boden. Die jährliche Gesamt-masse schätzen die Forscher auf 30 000 Tonnen. Mit speziell ent-wickelten Fanggeräten lassen sich solche Partikel mit Höhenfl ugzeugen einsammeln. In diesen Fällen weiß man jedoch nicht, von welchem Ko-meten die Teilchen stammen.

Diese Situation änderte sich grund-legend, als im Jahr 2006 die Raum-sonde Stardust zur Erde zurückkehrte. Sie hatte zuvor im Schweif des Kome-ten Wild 2 Staub eingesammelt. Ins-gesamt gelangten auf diese Weise rund 10 000 Teilchen mit Größen zwi-schen einem und 300 Mikrometern und einer Gesamtmasse von einem tausendstel Gramm zur Erde.

In Heidelberg präsentierte der Star-dust-Projektleiter Don Brownlee von der Universität Seattle Fotos und Mess ergebnisse dieser kostbaren Staubkörnchen. Obwohl deren Unter-suchung noch am Anfang steht, gab es bereits einige sehr überraschende Ergebnisse. Ein Großteil des Materials besteht aus silikatischen Mineralen wie Olivin und Pyroxen. Sie besitzen in etwa jene Element- und Isotopen-häufi gkeit, wie sie in der Sonne vor-liegt. In einigen Körnchen fanden sich aber deutlich abgegrenzte Minerale

wie Forsterit (Mg2SiO4) und Enstatit (MgSiO3) so-wie kalzium- und alumi-niumreiche Einschlüsse.

Diese Stoffe entstehen aber bei Temperaturen von 1100 Grad Celsius und mehr. Das war absolut überra-schend, weil man bis dahin annahm, die Kometen wären weit von der Son-ne entfernt bei Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt entstanden. Wie also kamen diese Hochtempera-turphasen in den Kometen?

Eine eindeutige Antwort hierauf haben die Forscher noch nicht. Brownlee zitierte die Arbeit seines Kollegen Frank Shu von der Univer-sität Berkeley: Nach dessen Theorie verursachte intensive Röntgenstrah-lung der jungen Sonne in der umge-benden Scheibe einen Teilchenwind, der Material in die Außenbereiche wehte. Demzufolge bildeten sich die Hochtemperaturmineralien sehr nahe an der Sonne, wurden dann bis hinter die Bahn des Mars transportiert und dort in die entstehenden Kometen-körper eingebaut. Von der weiteren Analyse der Stardust-Teilchen erhof-fen sich die Forscher weitere Auf-schlüsse über die erstaunliche Zu-sammensetzung der Kometenmaterie.

In einem beeindruckenden Vortrag schilderte schließlich Peter Hoppe vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, wie sich die Entstehungsge-schichte von Meteoriten und den in der Hochatmosphäre eingefangenen

Am besten untersucht sind Silizi-umkarbidteilchen, die neben dem Hauptbestandteil SiC auch viele an-dere Elemente und deren Isotope enthalten. Mittlerweile unterscheiden die Forscher mehrere Typen von SiC-Teilchen, deren Herkunft sich anhand der Isotopenverhältnisse bestimmen lässt, wie Hoppe demonstrierte. So lassen sich anhand der Stickstoff- (14N/15N) und Kohlenstoff-Isotopen-verhältnisse (12C/13C) sowie der Isoto-penverhältnisse weiterer Elemente eindeutig Riesensterne mit ein bis drei Sonnenmassen sowie Super-novae und Novae als Quellen iden-tifi zieren. Auch Graphitkörnchen verraten durch spezielle Kohlenstoff-Isotopenverhältnisse ihre Herkunft.

Trägt man die gemessenen Isoto-penverhältnisse in einem Diagramm auf, so treten die Fingerabdrücke der Quellen deutlich zu Tage. Auf diese Weise hinterlassen längst ver-gangene Sterne ihre Spuren in dem Staub, aus dem dann unser Sonnen-system und mit ihm die Erde ent-standen ist.

Die Heidelberger Tagung hat ge-zeigt, wie spannend Forschung an kosmischem Staub ist. Sie ist auch deswegen interessant, weil hier As-trophysiker, Chemiker, Geologen und Mineralogen ihre Ergebnisse beitra-gen. Eine Zusammenarbeit zwischen diesen Disziplinen ist keineswegs selbstverständlich. Diese zu fördern war auch eine der Aufgaben dieser Tagung. THOMAS BÜHRKE

Spiralarme der Milchstraße, so sam-melt er sich dort an. Diese Arme sind nämlich Störungen im allgemeinen Schwerefeld der Galaxis, in denen die Materie abgebremst wird. Spiral-arme kann man sich wie einen inter-stellaren Stau vorstellen, in dem sich Staub ansammelt und zu großen Wolken verdichtet.

BEGEHRTES MATERIAL AUS DER GEBURTSPHASE

Überschreitet eine solche Wolke eine bestimmte Größe, so zieht sie sich un-ter dem Einfl uss der eigenen Schwer-kraft zusammen. Mit abnehmender Größe rotiert sie immer schneller; schließlich zieht sie die Fliehkraft zu einer fl achen Scheibe auseinander. Im Zentrum entsteht ein Stern, und in der umgebenden Scheibe verdichten sich große Planeten sowie kleinere Astero-iden und Kometenkörper.

In Kometen und Meteoriten ist die Materie aus der Entstehungsphase des Sonnensystems zum Teil unverändert erhalten geblieben – ein faszinie-render Aspekt. Das Gestein der Pla-neten hingegen, insbesondere auf der Erde, wurde von Wind und Wetter und Plattentektonik stark verändert. Doch wie kommen die Forscher an das begehrte Urmaterial heran? Hier-für gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum einen fi nden sich auf der Erde zahlreiche Meteorite. Sie sind Bruch-stücke von Asteroiden, die von ihren ursprünglichen Bahnen, die überwie-gend zwischen Mars und Jupiter ver-

Links: Isotopendiagramm von präsolaren SiC-Teilchen. Schwarz und grün markiert sind Riesensterne mit 1,5 bis 3 Sonnenmassen und unterschiedlicher chemischer Zusam-mensetzung, hellblau entspricht Supernovae und eventuell Novae, rot kohlenstoffreichen Sternen.

Unten: Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen von präsolaren Staubteilchen, die in Meteoriten gefunden wurden.

interplanetaren Staubteil-chen rekonstruieren lässt. Diese enthalten kleine Mengen an Staub, der be-reits vor der Bildung un-seres Sonnensystems in der Umgebung längst

verstorbener Sterne entstanden ist. Die unterschiedlichen Staubquellen, vor allem Supernovae und Riesenster-ne, hinterlassen ganz charakteristi-sche Fingerabdrücke, sogenannte Iso-topenverhältnisse.

Isotope sind unterschiedliche Vari-anten eines Elements. Das Element Sauerstoff etwa ist durch acht Pro-tonen im Kern gekennzeichnet. Es gibt jedoch drei Sauerstoff-Isotope mit je-weils acht, neun oder zehn Neutronen im Kern. Chemisch verhalten sich Iso-tope gleich, physikalisch jedoch nicht.

GRAPHITKÖRNCHEN VERRATEN IHRE HERKUNFT

Im solaren Urnebel lagen diese Isotope in bestimmten Häufi gkeitsverhältnis-sen vor, die sich in der Materie der Sonne und im größten Teil der Meteo-rite widerspiegeln. Man fi ndet aber im Meteoritengestein kleine Kris talle, in denen diese Isotopen verhältnisse ganz erheblich vom solaren Wert abwei-chen. Ursache sind die unterschied-lichen Herkunftsquellen, die Isotope in unterschiedlichen Verhältnissen produzieren. Die von Theoretikern in aufwändigen Computersimulationen berechneten Isotopenverhältnisse fi n-den sich in den Staubteilchen wieder.

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Falschfarbenaufnahme eines 9 mal 9 Mikrometer kleinen Bereichs in dem Meteoriten Acfer 094. Das präsolare Körnchen tritt deutlich durch ein ungewöhnliches Verhält-nis der Sauerstoff-Isotope 17O und 16O hervor.

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