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Der Internist 5·99 | M 137 Mitteilungen BDI Wir müssen Strukturen schaffen, die uns nicht beim Kampf behindern! Die Einteilung der internistischen Wei- terbildung in Teilgebiete ist wichtig. Überträgt man diese aber starr auf die Tätigkeit in der Praxis, so müssen ernst- hafte Probleme auftreten. Im ländlichen Bereich benötigt der Facharzt-Internist ohne Hausarzttätigkeit ein breiteres Ar- beitsspektrum als im Ballungsbereich. Nur durch teilgebietsübergreifende Tä- tigkeit bleibt er betriebswirtschaftlich überlebensfähig. Der hausärztlich tätige Internist ergänzt sein Versorgungsspek- trum durch das des spezialisierten Inter- nisten. Beide sind notwendig, für die Sicherstellung der Patientenversorgung unverzichtbar. Der Facharzt-Internist bietet sich somit als Bindeglied für die übergreifende Kooperation mit den Kol- legen in den Kliniken und im hausärztli- chen Versorgungsbereich an.Insofern ist die Idee der Nutzung gegenseitiger Res- sourcen durchaus diskussionswürdig. Den spezialisierten Facharzt-Internisten ausschließlich ins Krankenhaus zu ver- lagern, würde die Versorgungsmöglich- keiten selbst unter Berücksichtigung aller vermeidbaren Untersuchungen in Praxis und Klinik drastisch reduzieren und ein Defizit in der flächendeckenden und ortsnahen Versorgung ergeben. Bei- de Seiten sollten dabei beachten, daß Ge- ben und Nehmen in der Partnerschaft zusammengehören. Facharzt-Internisten und Teilgebiets-Internisten müssen auch im Interesse der klinischen Weiterbil- dung ihre betriebswirtschatfliche Exi- stenz bewahren können. Ein Konkur- renzkampf zwischen Spezialisten in der Praxis und ermächtigten Ärzten bzw. meinsamer Umsetzung modernerer Strukturen, setzt prinzipielle Bereit- schaft zum Umdenken voraus.Statt einer Öffnung der Krankenhäuser mit Polikli- niken sollten Strukturen für eine stärke- re Wiedereingliederung der spezialisiert tätigen Internisten in Form eines koope- rativen Belegarzt-Systems auch an voll- stationären Abteilungen geschaffen wer- den. Nur dies würde die Möglichkeit be- inhalten, daß auch am Krankenhaus täti- ge Ärzte zumindest partiell im Rahmen des Belegsystems und in Form des Job- Sharings in Praxen spezialisierter Inter- nisten mitwirken könnten. Weitere Maßnahmen zum Erhalt freiberuflicher Tätigkeit: Honorarverteilungen müssen bun- desweit einheitlich geregelt werden. Übernahme des bayerischen Mo- dells der Regelleistungsvolumina und Strukturverträge. Überarbeitung der falschen Kosten- strukturen. Die Förderung sich selbst regulieren- der Strukturmechanismen wie Ko- operation und Überweisung; Be- schränkung des Qualitätsmanage- ments auf gesicherte und pragma- tisch umsetzbare Erkenntnisse. Der neue EBM der KBV muß Akzente setzen, die eine sachgerechte Hono- rierung gewährleisten. In der Vielfalt seiner Tätigkeit steht der Internist bedrängt durch Fachgruppen- zwist und Rot-Grüne-Reformpolitik jetzt auf dem Scheideweg. Dr. med. P. Schmied Dr. Sattler Straße 1 D-96224 Burgkunstadt Klinik-Ambulanzen ist ausschließlich kontraproduktiv. Dazu einige grund- sätzliche Überlegungen. Welche Rolle muß dem Qualitätsmanagement zugedacht werden? Die Bedeutung eines Qualitätsmanage- ment für Praxis und Klinik bleibt unbe- stritten, darf jedoch nicht über das Maß des Sinnvollen und Notwendigen ausge- dehnt werden. Wer die Forderungen an Qualitätssicherung immer höher schraubt, muß wissen, daß diese Forde- rungen ihn sehr leicht selbst knebeln könnten. Die Entwicklung des Qualitäts- managements darf somit nicht der Kli- nik und anonymen Fachgesellschaften allein als Aufgabe überlassen bleiben. Während in den USA in einem Zeit- raum von 5 Jahren gerade eben 19 Richt- linien verabschiedet worden sind, sind es in der BRD ca. 500. Damit geben diese Richtlinien unnötigerweise breiten Raum für meist fragwürdige Schadens- ersatzforderungen. Die Gleichheit der Speere im täglichen Konkurrenzkampf ist eine der Regeln im fairen Umgang miteinander, die Definition von akzepta- blen Versorgungsstandards und Maß- nahmen des Qualitätsmanagement auch unter Praxisbedingungen sind weitere. Ermächtigung und Kooperation von Klinikern und Spezialisten in Praxis und Belegabteilung Das jetzige System der Ermächtigung nutzt bei ungleicher Kostensituation nur die Kapazitäten der Klinik. In den mei- sten Fällen profitiert nur der Träger ei- ner Institution. Die Bereitschaft zu ge- Mit einem Eckpunktepapier zur Ge- sundheitsreform geht die Koalition jetzt in die Diskussion mit den Akteu- ren im Gesundheitswesen. Die Bundesgesundheitsministerin kündigt dazu an, im Gesundheitswe- Ausführungen zu den einzelnen Teil- bereichen der gesundheitlichen Ver- sorgung analysiert, muß Zweifel ha- ben, ob die neue Gesundheitspolitik ihren eingangs formulierten Zielen ge- recht wird. sen nur noch Rahmenbedingungen gesetzlich regeln zu wollen; die ge- sundheitliche Versorgung selbst soll durch die Selbstverwaltung von Kran- kenkassen und Leistungserbringern gesteuert werden. Wer allerdings die M.Weller Auch nach den Koalitionsrunden bleiben Fragen offen

Auch nach den Koalitionsrunden bleiben Fragen offen

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Der Internist 5·99 | M 137

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Wir müssen Strukturen schaffen, die uns nicht beimKampf behindern!

Die Einteilung der internistischen Wei-terbildung in Teilgebiete ist wichtig.Überträgt man diese aber starr auf dieTätigkeit in der Praxis, so müssen ernst-hafte Probleme auftreten. Im ländlichenBereich benötigt der Facharzt-Internistohne Hausarzttätigkeit ein breiteres Ar-beitsspektrum als im Ballungsbereich.Nur durch teilgebietsübergreifende Tä-tigkeit bleibt er betriebswirtschaftlichüberlebensfähig. Der hausärztlich tätigeInternist ergänzt sein Versorgungsspek-trum durch das des spezialisierten Inter-nisten. Beide sind notwendig, für dieSicherstellung der Patientenversorgungunverzichtbar. Der Facharzt-Internistbietet sich somit als Bindeglied für dieübergreifende Kooperation mit den Kol-legen in den Kliniken und im hausärztli-chen Versorgungsbereich an.Insofern istdie Idee der Nutzung gegenseitiger Res-sourcen durchaus diskussionswürdig.Den spezialisierten Facharzt-Internistenausschließlich ins Krankenhaus zu ver-lagern, würde die Versorgungsmöglich-keiten selbst unter Berücksichtigungaller vermeidbaren Untersuchungen inPraxis und Klinik drastisch reduzierenund ein Defizit in der flächendeckendenund ortsnahen Versorgung ergeben. Bei-de Seiten sollten dabei beachten,daß Ge-ben und Nehmen in der Partnerschaftzusammengehören. Facharzt-Internistenund Teilgebiets-Internisten müssen auchim Interesse der klinischen Weiterbil-dung ihre betriebswirtschatfliche Exi-stenz bewahren können. Ein Konkur-renzkampf zwischen Spezialisten in derPraxis und ermächtigten Ärzten bzw.

meinsamer Umsetzung modernererStrukturen, setzt prinzipielle Bereit-schaft zum Umdenken voraus.Statt einerÖffnung der Krankenhäuser mit Polikli-niken sollten Strukturen für eine stärke-re Wiedereingliederung der spezialisierttätigen Internisten in Form eines koope-rativen Belegarzt-Systems auch an voll-stationären Abteilungen geschaffen wer-den. Nur dies würde die Möglichkeit be-inhalten, daß auch am Krankenhaus täti-ge Ärzte zumindest partiell im Rahmendes Belegsystems und in Form des Job-Sharings in Praxen spezialisierter Inter-nisten mitwirken könnten.

Weitere Maßnahmen zum Erhalt freiberuflicher Tätigkeit:

● Honorarverteilungen müssen bun-desweit einheitlich geregelt werden.Übernahme des bayerischen Mo-dells der Regelleistungsvolumina undStrukturverträge.

● Überarbeitung der falschen Kosten-strukturen.

● Die Förderung sich selbst regulieren-der Strukturmechanismen wie Ko-operation und Überweisung; Be-schränkung des Qualitätsmanage-ments auf gesicherte und pragma-tisch umsetzbare Erkenntnisse.

● Der neue EBM der KBV muß Akzentesetzen, die eine sachgerechte Hono-rierung gewährleisten.

In der Vielfalt seiner Tätigkeit steht derInternist bedrängt durch Fachgruppen-zwist und Rot-Grüne-Reformpolitikjetzt auf dem Scheideweg.

Dr. med. P. SchmiedDr. Sattler Straße 1D-96224 Burgkunstadt

Klinik-Ambulanzen ist ausschließlichkontraproduktiv. Dazu einige grund-sätzliche Überlegungen.

Welche Rolle muß dem Qualitätsmanagement zugedacht werden?

Die Bedeutung eines Qualitätsmanage-ment für Praxis und Klinik bleibt unbe-stritten, darf jedoch nicht über das Maßdes Sinnvollen und Notwendigen ausge-dehnt werden. Wer die Forderungen an Qualitätssicherung immer höherschraubt, muß wissen, daß diese Forde-rungen ihn sehr leicht selbst knebelnkönnten. Die Entwicklung des Qualitäts-managements darf somit nicht der Kli-nik und anonymen Fachgesellschaftenallein als Aufgabe überlassen bleiben.

Während in den USA in einem Zeit-raum von 5 Jahren gerade eben 19 Richt-linien verabschiedet worden sind, sindes in der BRD ca. 500. Damit geben diese Richtlinien unnötigerweise breitenRaum für meist fragwürdige Schadens-ersatzforderungen. Die Gleichheit derSpeere im täglichen Konkurrenzkampfist eine der Regeln im fairen Umgangmiteinander, die Definition von akzepta-blen Versorgungsstandards und Maß-nahmen des Qualitätsmanagement auchunter Praxisbedingungen sind weitere.

Ermächtigung und Kooperationvon Klinikern und Spezialistenin Praxis und Belegabteilung

Das jetzige System der Ermächtigungnutzt bei ungleicher Kostensituation nurdie Kapazitäten der Klinik. In den mei-sten Fällen profitiert nur der Träger ei-ner Institution. Die Bereitschaft zu ge-

Mit einem Eckpunktepapier zur Ge-sundheitsreform geht die Koalitionjetzt in die Diskussion mit den Akteu-ren im Gesundheitswesen.

Die Bundesgesundheitsministerinkündigt dazu an, im Gesundheitswe-

Ausführungen zu den einzelnen Teil-bereichen der gesundheitlichen Ver-sorgung analysiert, muß Zweifel ha-ben, ob die neue Gesundheitspolitikihren eingangs formulierten Zielen ge-recht wird.

sen nur noch Rahmenbedingungengesetzlich regeln zu wollen; die ge-sundheitliche Versorgung selbst solldurch die Selbstverwaltung von Kran-kenkassen und Leistungserbringerngesteuert werden. Wer allerdings die

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Auch nach den Koalitionsrunden bleiben Fragen offen

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Höchste Priorität mißt die Koali-tion der Verzahnung von ambulanterund stationärer Versorgung zu. ZurÜberwindung der sektoralen Schrankenscheint die neue Politik noch am ehe-sten bereit zu sein, Krankenkassen undLeistungserbringern Flexibilisierungs-spielräume für neue Vertragsformeneinzuräumen. Einzel- und Gruppenver-träge sollen jedenfalls dort möglichsein, wo eine integrative Versorgungs-form angeboten wird. Für erheblichenZündstoff dürfte die beabsichtigte Öff-nung der Krankenhäuser für weite Teileder fachärztlichen Versorgung sorgen.Neben der hochspezialisierten Medizinsollen die Krankenhäuser auch für dieambulante Betreuung von Schwer- undchronisch Kranken generell zugelassenwerden. Die Möglichkeiten zur vor- und nachstationären Behandlung sollenausgeweitet werden. Der Verschiebungvon Patienten aus der ambulanten in diestationäre Versorgung soll damit vorge-beugt werden, daß Krankenhäuser nichtnotwendige Einweisungen durch ambu-lante Behandlung (offenbar zu Lastender Kassenärztlichen Vereinigungen) er-bringen dürfen. Als Ausgleich für die Öffnung der Krankenhäuser sollenZusammenschlüsse von VertragsärztenVersicherte auch kurzstationär behan-deln können. Allerdings ist hierzu einVersorgungsvertrag mit den Kassennotwendig.

Neue Rolle für Hausärzte

Besonderen Raum nimmt im Eck-punktepapier die Stärkung der haus-ärztlichen Versorgung ein. Das Kon-zept der AOK, kompetenten Hausärz-ten die Lotsenfunktion im Gesund-heitswesen zu übertragen, scheintFrüchte zu tragen. Die Selbstverwal-tung soll angehalten werden, die be-reits im Gesetz verankerten Vorgabenzur Strukturierung der ambulanten

Keine Details zu Globalbudget

Das Eckpunktepapier zeigt überall dortSchwächen, wo es um die konkreteFixierung von Einsparmöglichkeitenim Gesundheitswesen geht. Überzeu-gen können dagegen die Passagen, diesich detailliert mit der Verbesserungder Qualität der gesundheitlichen Ver-sorgung befassen. Fraglich ist dort nur,warum dafür neue Institutionen ge-schaffen werden müssen.

Wer detaillierte Aussagen über dieAusgestaltung des Globalbudgets er-wartet hatte, wird vom Papier ent-täuscht. Das Bundesgesundheitsmini-sterium übt sich an der Quadratur desKreises. Es vermag den Antagonismusnicht zu lösen, daß im gegenwärtigenOrdnungssystem die Krankenkassendie Verantwortung für den Beitrags-satz tragen, ihre Verbände – zum gro-ßen Teil einheitlich und gemeinsam –über regionale Vertragspolitik dieAusgaben determinieren. Folglich istdas Globalbudget denn auch kaummehr als eine stärkere Fixierung desGrundsatzes der Beitragssatzstabilität.Ob dies ausreichen wird, sprunghafteAusgabenentwicklungen zu vermei-den, wie sie bisher immer im zeitli-chen Zusammenhang mit Gesund-heitsreformen zu beobachten waren,ist fraglich.

Bei einer kursorischen Bewertungdes Eckpunktepapiers zur Gesundheits-reform 2000 bleiben Zweifel, daß derBoden für eine umfassende Strukturre-form bereitet ist. Zwar werden die wich-tigsten Fehlsteuerungen im deutschenGesundheitswesen benannt, Ineffizien-zen und Qualitätsmängel jedoch nichtkonsequent beseitigt.

Michael WellerReferent für Gesundheitspolitikim AOK-Bundesverband

Versorgung stringenter zu verfolgen.Die Bundesgesundheitsministerin wür-de gerne den Versicherten einen Anreizzur Wahl eines Hausarztes über ein Bo-nussystem geben. Jedenfalls sollennach einigem Hin und Her Anreize ge-prüft werden. Die Erfahrungen derAOK, daß die weitaus überwiegendeZahl der Versicherten bereits heute ei-nen Hausarzt gewählt hat und diesenauch weitgehend als Koordinator inAnspruch nimmt, werden ebenso ne-giert wie gesetzliche Hindernisse, daßsparsames Verhalten der Hausärztesich auch tatsächlich in sinkendenAusgaben der Krankenkassen nieder-schlägt. Schutzzäune um Krankenhäu-ser und die pharmazeutische Industrieverhindern nämlich die Erschließunggrößerer Wirtschaftlichkeitsreserven beiärztlich veranlaßten Leistungen.

Erfreulich: Eckpunkte zur Arzneimittelversorgung

Erfreulich lesen sich auch die Passagenzur Verbesserung von Qualität undWirtschaftlichkeit der Arzneimittelver-sorgung. Das Festbetragssystem ver-dient den Vorzug als primäres Preis-steuerungsinstrument gegenüber Preis-verhandlungen zwischen Kassen undHerstellern.

Weniger überzeugend erscheinendie Passagen zur Neuordnung der sta-tionären Versorgung. Quantitativ undqualitativ werden sie den Struktur- undFinanzproblemen in diesem Versor-gungsbereich nicht gerecht. Kranken-kassen sollen zwar künftig Investitio-nen finanzieren und „irgendwie“ auchan der Planung beteiligt sein.WirksameSteuerungsinstrumente zum Abbau vonÜberkapazitäten werden ihnen jedoch– ebenso wie im ambulanten Sektor –nicht an die Hand gegeben.

Überaus erfreulich ist der politi-sche Wille, Gesundheitsförderung wie-der im Leistungskatalog der GKV zuverankern und die Kassen zur regelmä-ßigen Evaluation und Qualitätssiche-rung zu verpflichten. Der Gesetzgebersollte sich allerdings hüten, hier denKassen Spielräume zu nehmen, die An-reize zum Engagement vor Ort bieten.