20
Auf einen Blick 1 Wer liest schon Einleitungen? S. 1 2 Funktion und Interaktion von Zellen S. 15 3 Membranpotenzial und Signalübertragung in Zellverbänden S. 59 4 Muskulatur S. 97 5 Das Herz S. 133 6 Das Kreislaufsystem S. 173 7 Blut: Ein flüssiges Organsystem S. 223 8 Atmung S. 257 9 Säuren-Basen-Haushalt S. 315 10 Die Funktion der Nieren S. 329 11 Salz- und Wasserhaushalt S. 383 12 Funktion des Magen-Darm-Trakts, Energiehaushalt und Ernährung S. 415 13 Temperaturregulation und Wärmehaushalt S. 499 14 Endokrines System S. 515 15 Sexualfunktionen, Schwangerschaft und Geburt S. 563 16 Leistungsphysiologie S. 595 17 Das zentrale Nervensystem Grundlage bewussten Menschseins S. 623 18 Somatoviszerale Sensibilität S. 643 19 Hören und Sprechen: Kommunikation des Menschen S. 675 20 Gleichgewichts-, Lage- und Bewegungssinn S. 695 21 Sehsystem und Augenbewegungen S. 707 22 Geschmack und Geruch S. 741 23 Sensomotorische Systeme: Körperhaltung und Bewegung S. 757 24 Neurovegetative Regulation S. 799 25 Integrative Funktionen des Gehirns S. 815 26 Wachheit und Schlaf: Rhythmen des Gehirns im EEG S. 849 27 Blut-Hirn-Schranke, Liquor cerebrospinalis, Hirndurchblutung und Hirnstoffwechsel S. 865 28 Altern und Tod S. 877 Maßeinheiten S. 887 Normalwerte S. 899 Sachverzeichnis S. 905 Abkürzungsverzeichnis S. 939

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Auf einen Blick

1 Wer liest schon Einleitungen? S. 1

2 Funktion und Interaktionvon Zellen S. 15

3Membranpotenzial und Signalübertragungin Zellverbänden S. 59

4 Muskulatur S. 97

5 Das Herz S. 133

6 Das Kreislaufsystem S. 173

7 Blut: Ein flüssiges Organsystem S. 223

8 Atmung S. 257

9 Säuren-Basen-Haushalt S. 315

10 Die Funktion der Nieren S. 329

11 Salz- und Wasserhaushalt S. 383

12Funktion des Magen-Darm-Trakts,Energiehaushalt und Ernährung S. 415

13 Temperaturregulation und Wärmehaushalt S. 499

14 Endokrines System S. 515

15Sexualfunktionen, Schwangerschaftund Geburt S. 563

16 Leistungsphysiologie S. 595

17Das zentrale Nervensystem –Grundlage bewussten Menschseins S. 623

18 Somatoviszerale Sensibilität S. 643

19Hören und Sprechen:Kommunikation des Menschen S. 675

20 Gleichgewichts-, Lage- und Bewegungssinn S. 695

21 Sehsystem und Augenbewegungen S. 707

22 Geschmack und Geruch S. 741

23Sensomotorische Systeme:Körperhaltung und Bewegung S. 757

24 Neurovegetative Regulation S. 799

25Integrative Funktionendes Gehirns S. 815

26Wachheit und Schlaf:Rhythmen des Gehirns im EEG S. 849

27Blut-Hirn-Schranke, Liquor cerebrospinalis,Hirndurchblutung und Hirnstoffwechsel S. 865

28 Altern und Tod S. 877

Maßeinheiten S. 887Normalwerte S. 899Sachverzeichnis S. 905Abkürzungsverzeichnis S. 939

Physiologie

Herausgegeben vonRainer Klinke, Hans-Christian Pape,Armin Kurtz und Stefan Silbernagl

Mit Beiträgen von

Rosemarie BaumannBernhard BrennerGerhard BurckhardtAndreas DraguhnHeimo EhmkeUlf EyselJoachim FandreyMichael GekleAxel GödeckeUlrike KämmererMalte KelmRainer KlinkeChristoph KorbmacherMichael KühlArmin Kurtz

Wolfgang KuschinskyHeiko J. LuhmannHeimo MairbäurlKarl MeßlingerHans OberleithnerHans-Christian PapeRalf PaschkePontus B. PerssonLorenz RiegerJürgen SchraderStefan SilbernaglDominique SingerKarlheinz VoigtBarbara Walzog

Illustrationen vonRüdiger Gay undAstried Rothenburger

6., vollständig überarbeitete Auflage

825 Abbildungen68 Tabellen

Georg Thieme VerlagStuttgart · New York

Illustrationen und Umschlaggrafik:Atelier Gay + Rothenburger, Sternenfels

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diesePublikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 19942. Auflage 1996/20003. Auflage 20014. Auflage 20035. Auflage 20051. italienische Auflage 19991. russische Auflage nach der 4. dt. Aufl. 2004

© 1994, 2010 Georg Thieme Verlag KGRüdigerstraße 1470469 StuttgartDeutschlandTelefon:+49/(0)711/89 31-0Unsere Homepage: www.thieme.de

Printed in Germany

Umschlaggestaltung: Thieme VerlagsgruppeSatz: Druckhaus Götz GmbH, 71636 Ludwigsburg

gesetzt in 3B2, Version 9.1, UnicodeDruck: Mohn media / Gütersloh

ISBN 978-3-13-796006-5 1 2 3 4 5 6

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizinständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und kli-nische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbeson-dere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbe-langt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eineApplikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf ver-trauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorg-falt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wis-sensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht.

Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applika-tionsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr über-nommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durchsorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Prä-parate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezia-listen festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung fürDosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationengegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine sol-che Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendetenPräparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebrachtworden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt aufeigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellie-ren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkei-ten dem Verlag mitzuteilen.

Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht be-sonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchenHinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sichum einen freien Warennamen handelt.

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheber-rechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engenGrenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmungdes Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesonderefür Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungenund die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischenSystemen.

IV

Vorwort zur 6. Auflage

Mitten in den Vorbereitungen zu dieser Auflage unseresLehrbuchs ist Prof. Dr. Rainer Klinke verstorben. Seit derersten, 1994 erschienenen Auflage war er Mitautor undMitherausgeber dieses Werks. Seine jahrzehntelange Lehr-erfahrung, seine herausragenden didaktischen Fähigkeitenund sein großer Enthusiasmus haben es entscheidend mit-geprägt. Wir haben mit ihm einen von uns menschlich wiefachlich äußerst geschätzten Kollegen verloren. Dies giltebenso für den 2007 verstorbenen Prof. Dr. Rainer Greger,der über mehrere Auflagen der anfangs noch jungen Zell-physiologie ihren herausragenden Platz in diesem Buch ver-schaffte. Beiden Kollegen werden wir ein ehrendes Anden-ken bewahren.

Ein Teil unserer bisherigen Autoren hat sich vor allemaus Altersgründen aus der Mitarbeit zurückgezogen. Anihrer statt konnten jüngere profilierte Kolleg(inn)en zurMitarbeit gewonnen werden. Unseren ausgeschiedenen Ko-autoren, Christian Bauer, Gerrit ten Bruggencate, NorbertDieringer, Peter Gaehtgens, Hans-Christian Gunga, ClausJessen, Andreas Karschin, Karl Kirsch, Peter Scheid, HobeSchröder und Horst Seller, danken wir nochmals ganz herz-lich für ihre langjährige Kooperation.

Das neue Erscheinungsbild dieser Auflage spiegelt eineneue Kapitelgliederung und eine neue Abbildungsgestal-tung wider. Zur Einstimmung beginnt jetzt jedes Kapitelmit einer anschaulichen Einleitung aus der Klinik oderdem Alltag. Die schon bisher von uns gepflegte Orientie-rung des Stoffangebotes auf seine klinische Anwendbarkeitwurde in dieser Auflage weiter verstärkt. Dezente blaue

Markierungen im Text weisen auf klinische Relevanz hin,ohne den Lesefluss zu stören oder den Leser abzulenken.Prägnante Zusammenfassungen am Ende größerer Ab-schnitte ermöglichen die Wiederholung der wichtigsten In-halte.

Die Texte berücksichtigen in allen Kapiteln die aktuellenErkenntnisse und bieten so dem Leser die Grundlagen fürfunktionelles Denken und ärztliches Handeln. Bei alldemhaben wir uns wieder um eine klare Darstellung bemüht,gepaart mit informativen, systematisch aufgebauten unddamit besonders gut verständlichen Abbildungen.

Hierfür danken wir insbesondere unseren Grafikern,Frau Astried Rothenburger und Herrn Rüdiger Gay, die un-sere didaktischen Ziele kenntnisreich umgesetzt haben. DerVerlag hat das Buch wiederum mit Entgegenkommen undTatkraft gefördert. Hier gilt unser Dank vor allem Frau Ma-rianne Mauch, Frau Simone Claß und Herrn Manfred Leh-nert. Für die sorgfältige Erstellung des Registers danken wirFrau Katharina Völker.

Damit übergeben wir das Werk unseren Leserinnen undLesern und wünschen ihnen Freude und Erfolg in Studiumund Beruf.

Hans-Christian Pape, Armin Kurtz, Stefan Silbernagl

Münster, Regensburg und Würzburgim Oktober 2009

Vorwort zur 6. Auflage V

Anschriften

Prof. Dr. Rosemarie BaumannInstitut für Physiologie, NWF III,Universität RegensburgUniversitätsstraße 3193053 Regensburg

Prof. Dr. Bernhard BrennerAbt. Molekular- u. Zellphysiologie,Medizinische HochschuleCarl-Neuberg-Str. 130625 Hannover

Prof. Dr. Gerhard BurckhardtZentrum Physiologie undPathophysiologie,Universitätsmedizin GöttingenHumboldtallee 2337073 Göttingen

Prof. Dr. med. Andreas DraguhnInstitut für Physiologie undPathophysiologie, Ruprecht-Karls-Universität HeidelbergIm Neuenheimer Feld 32669120 Heidelberg

Prof. Dr. Heimo EhmkeInst. für Vegetative Physiologie u.Pathophysiologie desUniversitätsklinikumsHamburg-EppendorfMartinistr. 5220246 Hamburg

Prof. Dr. Ulf EyselInstitut für Physiologie derRuhr-Universität BochumUniversitätsstr. 15044801 Bochum

Prof. Dr. med. Joachim FandreyUniversität Duisburg-Essen,Institut für PhysiologieHufelandstraße 5545122 Essen

Prof. Dr. Michael GekleUniversität Halle-Wittenberg,Institut für PhysiologieMagdeburger Str. 606112 Halle (Saale)

Prof. Dr. Axel GödeckeInstitut für Herz- undKreislaufphysiologie der UniversitätDüsseldorfUniversitätsstr. 140225 Düsseldorf

PD Dr. Ulrike KämmererFrauenklinik der Universität WürzburgJosef-Schneider-Str. 497080Würzburg

Prof. Dr. Malte KelmKlinik f. Kardiologie, Uni-KlinikumDüsseldorf, Gebäude 13.54Moorenstr. 54025 Düsseldorf

Prof. Dr. Rainer KlinkeProf. Klinke ist im September 2008verstorben

Prof. Dr. Christoph KorbmacherInst. für Zelluläre und MolekularePhysiologie der UniversitätErlangen-NürnbergWaldstr. 691054 Erlangen

Prof. Dr. Michael KühlInstitut für Biochemie und MolekulareBiologie, Universität UlmAlbert-Einstein-Allee 1189081 Ulm

Prof. Dr. Armin KurtzInstitut für Physiologie, NWF III,Universität RegensburgUniversitätsstraße 3193053 Regensburg

Prof. Dr. Wolfgang KuschinskyInstitut für Physiologie &Pathophysiologie,Ruprecht-Karls-Universität HeidelbergIm Neuenheimer Feld 32669120 Heidelberg

Prof. Dr. Heiko J. LuhmannInstitut für Physiologie undPathophysiologie, Universitätsmedizin,Universität MainzDuesbergweg 655128 Mainz

Prof. Dr. Heimo MairbäurlUniversitätsklinikum Heidelberg ,Innere Medizin VII (Sportmedizin)Im Neuenheimer Feld 41069120 Heidelberg

Prof. Dr. Karl MeßlingerInst. für Physiologie u. Pathophysiologie,Univ. Erlangen-NürnbergUniversitätsstr. 1791054 Erlangen

Prof. Dr. Hans OberleithnerInstitut für Physiologie II, WestfälischeWilhelms-Universität MünsterRobert-Koch-Str. 27a, Innenhof48149Münster

Prof. Dr. Hans Christian PapeInstitut für Physiologie I, WestfälischeWilhelms-Universität MünsterRobert-Koch-Str. 27a48149Münster

Prof. Dr. Ralf PaschkeMedizinische Klinik u. Poliklink III,Universität LeipzigLiebigstr. 2004103 Leipzig

Prof. Dr. Pontus B. PerssonInstitut für Vegetative Physiologieder CharitéTucholskystr. 210117 Berlin

PD Dr. Lorenz RiegerFrauenklinik der Universität WürzburgJosef-Schneider-Str. 497080Würzburg

Prof. Dr. Jürgen SchraderInstitut für Herz- und Kreislaufphysiologieder Universität DüsseldorfUniversitätsstr. 140225 Düsseldorf

Prof. Dr. Stefan SilbernaglPhysiologisches Institut der UniversitätWürzburgRöntgenring 997070Würzburg

Prof. Dr. Dominique SingerUniversitätsklinikum Hamburg- Eppendorf,Sektion Neonatologie u. PädiatrischeIntensivmedizinMartinistr. 5220246 Hamburg

Prof. Dr. Karlheinz Voigtper Adresse Prof. Paschke

Prof. Dr. Barbara WalzogInst. f. Kardiovaskuläre Physiologieim Walter-Brendel-Zentrum f.Experimentelle Medizin,LMU MünchenSchillerstr. 4480336München

AnschriftenVI

Die Herausgeber

1936 in Schlesien geboren, nach dem Krieg in Franken aufgewachsen,verheiratet, zwei Kinder. Studium der Medizin in Erlangen, Wien undHeidelberg. Nach der Medizinalassistentenzeit, dem späteren AiP, wis-senschaftliche Tätigkeit an den Physiologischen Instituten in Erlangenund an der FU Berlin; dort Habilitation und 1971 Ernennung zumProfessor. Forschungsaufenthalt in England, 1977 Berufung nachFrankfurt/M. Leiter des Physiologischen Institutes II, langjähriger Ge-schäftsführender Direktor des Zentrums der Physiologie, Gründungs-mitglied und Sprecher der abgeschlossenen Sonderforschungsbereiche45 „Vergleichende Neurobiologie des Verhaltens“ und 269 „Molekula-re und zelluläre Grundlagen neuronaler Organisationsprozesse“. Mit-herausgeber mehrerer Fachzeitschriften, seit 1972 Mitarbeiter an denwichtigsten deutschsprachigen Lehrbüchern der Physiologie. Mitgliedzahlreicher wissenschaftlicher Fachgesellschaften, Ehrenmitglied derDeutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, ausgezeich-net mit der Purkyně-Medaille der Tschechischen Akademie der Wis-senschaften. Seit Sommersemester 2004 emeritiert.

Bei Studienantritt war ich mir über mein Berufsziel keineswegs imKlaren. Die Medizin bietet vieles, so in der Physiologie ein Betäti-gungsfeld für biologisch Interessierte. Die Erforschung von Körper-funktionen bringt Erkenntnisse über viele Grundeigenschaften desLebens. Mich hat über Jahre insbesondere die Funktion des Ohresund die zentralnervöse Verarbeitung von Schallsignalen gefesselt, be-ruht doch auf Sprache und Gehör die zwischenmenschliche Kom-munikation und damit unsere Kultur. So war es mir auch ein Anliegen,ein kultiviertes und ästhetisch ansprechendes Lehrbuch zu schaffen,das meine Erfahrungen als Hochschullehrer und Lehrbuchautor zu-sammenfasst, das sich einer klaren Sprache bedient und das der Lese-rin und dem Leser die Überzeugung vermittelt, dass man die Physio-logie „packen“ kann und dass deren Verständnis die Grundlage ärzt-lichen Handelns ist.

In Bad Oeynhausen geboren (1956) und aufgewachsen. Nach Studiumder Biologie an der Ruhr-Universität Bochum Wechsel an die Medizi-nische Fakultät der Universität Essen und Promotion in der Abteilungfür Neurophysiologie (Prof. U. T. Eysel). Anschließende Forschungs-tätigkeit an der State University of New York (Stony Brook), der Stan-ford University und der Yale University. 1989 Rückkehr an die Ruhr-Universität Bochum, dort Habilitation im Fach Physiologie. Berufung(1994) zum Direktor des Physiologischen Instituts der Otto-von-Gue-ricke-Universität Magdeburg, dort Sprecher des Sonderforschungs-bereichs 426 „Limbische Strukturen und Funktionen“ und Mitbegrün-der des Hauptstudiengangs „Neurobiologie/Neurowissenschaften“ derMedizinischen und der Naturwissenschaftlichen Fakultät. Seit Dezem-ber 2004 Direktor des Instituts für Physiologie I (Neurophysiologie)der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Lokaler Koordinatordes transregionalen SFB „Mesiale Temporallappen-Epilepsie“. Spre-cher des SFB „Furcht, Angst, Angsterkrankungen“.1990 Bennigsen-Foerder-Preis des Landes Nordrhein-Westfalen, 1993 Heisenberg-Sti-pendium und 1999 Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Förderpreis der DFG.Senator und Mitglied des Hauptausschusses der DFG (1999-2005).2007 Max-Planck-Forschungspreis.

Sehr gut erinnere ich mich, dass ich als Schüler ein unbändigesInteresse an den Naturwissenschaften – insbesondere an den Grund-lagen des Lebendigen – entwickelte, und dass diese Begeisterung –

weil zu oft mit der Vernachlässigung anderer Fächer verbunden –

nicht immer auch auf eine Begeisterung seitens der Lehrerschaft ineinem neusprachlichen Gymnasium stieß. Im Studium zogen mich dieNeurowissenschaften, und hier vor allem die Fragen nach den Mecha-nismen der höheren Hirnfunktionen, in ihren Bann. Wo besser ließsich dieses Interesse umsetzen als in der Physiologie, in der die natur-wissenschaftliche Analyse in medizinischen Fragestellungen zur An-wendung kommt und damit die traditionellen Grenzen der Fachgebie-te und Teildisziplinen aufgebrochen werden. Ich denke, nur durchdieses Miteinander der Disziplinen ist der menschliche Organismusin Funktion und Dysfunktion zu begreifen, sind neue Formen derDiagnose und Therapie zu entwickeln, und die Diskussion von Gehirnund Geist sinnvoll zu führen. Ich denke auch, ein erstes Verständnisfür diese moderne, ebenenübergreifende Physiologie muss in klarerSprache und mit Hilfe übersichtlicher Illustrationen vermittelt werden– und genau das ist der Inhalt dieses Buchs.

Die Herausgeber

Rainer Klinke (†) Hans-Christian Pape

VII

1939 in Berlin geboren, aufgewachsen im Allgäu. Studium der Elektro-technik und dann der Medizin in München. Staatsexamen, Promotion,Heirat, Medizinalassistentenzeit, dann Haus- und Notarzt in München.Seit 1968 Physiologieausbildung in München, danach in Innsbruck,dort 1974 Habilitation und 1979 a.o. Professor. 1976 Geburt einesSohnes (radfahrend auf S. 9 zu sehen). Berufung nach Würzburg,dort Vorstand am Physiologischen Institut (1981 – 2004), Dekan(1987 – 1989, 2002 – 2004) und Studiendekan (1996 – 2002) der Me-dizinischen Fakultät. Mitglied der Gründungskommission der Medizi-nischen Fakultät der Technischen Universität Dresden (1991 – 1994)und Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereiches 176 „MolekulareGrundlagen der Signalübertragung und des Stofftransportes in Mem-branen“ (1988 – 1999) in Würzburg; Ehrenmitglied der DeutschenPhysiologischen Gesellschaft.

Beides, mein naturwissenschaftlich-technisches Interesse undmeine Neigung zur Medizin, ließ sich in der Physiologie vereinen.Themen meiner wissenschaftlichen Arbeit in Würzburg und bei regel-mäßigen Forschungsaufenthalten in den USA sind vor allem die Nie-renfunktion, insbesondere der tubuläre Transport, der renale Stoff-wechsel und die Pathomechanismen der Nephrotoxizität sowie dieEpithel- und Zellphysiologie. Meine langjährigen Erfahrungen ausdem studentischen Unterricht sind in die Lehrbücher eingeflossen, indenen ich (mithilfe kompetenter Zeichner) versuche, die Körperfunk-tionen nicht nur möglichst klar zu beschreiben, sondern sie auch bild-lich darzustellen. Ich möchte physiologische Vorgänge trotz all ihrerKomplexität eindeutiger und vor allem einprägsamer und damitmerkbarer machen. Als einer, dem „erschaubare“ Kunst wie Malereiund Architektur sehr nahe liegt und der gerne selbst künstlerischfotografiert, schließe ich dabei ein wenig von mir auf andere.

In Straubing geboren (1955) und in Bayern aufgewachsen. Nach demStudium der Medizin an den Universitäten Regensburg und Münchenab 1981 Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent im PhysiologischenInstitut der Universität Regensburg. Dort 1982 Promotion zum Dr.med. 1984 bis 1991 Wechsel an das Physiologische Institut der Uni-versität Zürich, unterbrochen von einem Forschungsaufenthalt (1987)am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen.1987 Habilitation für das Fach Physiologie an der Universität Zürich.1991 Berufung auf einen Lehrstuhl für Physiologie an der UniversitätRegensburg, seit 2001 Direktor des Institutes. An der Universität Re-gensburg Dekan (1999– 2001), Prorektor (2004 – 2009) und seit 2006Sprecher des Sonderforschungsbereiches 699 „Strukturelle, physiolo-gische und molekulare Grundlagen der Nierenfunktion“. Seit 2007Fachkollegiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Mitglied imEditorial Board verschiedener wissenschaftlicher Fachzeitschriften.

Zum Ende meiner Schulzeit kristallisierten sich mit Physik undMedizin zwei Hauptinteressensgebiete heraus. Bei beiden Gebietenfaszinierten mich die dem Alltäglichen zu Grunde liegenden Fun-damentalfragen, z.B. wie wir durch die Gravitationskraft auf denBoden gezogen werden oder wie das Gehirn funktioniert. Ich ent-schied mich dann für ein Studium der Humanmedizin, durchaus mitder ernsten Absicht später als Arzt tätig zu sein. Jedoch führte meinWeg auch durch Zufälligkeiten nach dem Staatsexamen in die Physio-logie als ideales Querschnittsfach der Naturwissenschaften innerhalbder Medizin. Es wurde mir schnell klar, dass hinter dem in Lehr-büchern niedergeschriebenen aktuellen Kenntnisstand der Funktions-abläufe des menschlichen Körpers noch ein Universum spannenderund unbeantworteter Fragen schlummert. Eine zunächst frustrierendeaber mit zunehmender Erfahrung faszinierende Erkenntnis war, dassSchlüsselexperimente, die für Detailfragen die definitiven Antwortenerbringen sollen, immer wieder einen Strauß neuer Fragen eröffnen.Aus diesem Blickwinkel heraus sehe ich das Lehrbuch für Physiologieauch nicht als Bibel, die es gilt auswendig zu lernen, sondern alserfahrenen Führer in das Verständnis der Funktion des menschlichenKörpers und als anregende Quelle für weitergehende bislang unbe-antwortete Fragen.

Die Herausgeber

Stefan Silbernagl Armin Kurtz

VIII

Inhaltsverzeichnis

1 Wer liest schon Einleitungen? 2

Stefan Silbernagl

1.1 Woher weiß man, was in diesem Buch steht? 21.2 Ob Zelle oder Organismus: ein offenes System

mit innerem Milieu 7

2 Funktion und Interaktion von Zellen 16

Christoph Korbmacher mit einem Beitrag vonBernhard Brenner

2.1 Zelluläre und molekulare Physiologie 162.2 Subzelluläre Komponenten und Funktionen 162.3 Transportwege durch die Zellmembran 232.4 Ionale Zusammensetzung von Intra- und

Extrazellulärflüssigkeit 342.5 Homöostatische Mechanismen 362.6 Hormone und Mechanismen der

Signaltransduktion 382.7 Zellverbände und Zell-Zell-Kontakte 442.8 Kommunikation benachbarter Zellverbände 502.9 Zelluläre Motilität 52

Bernhard Brenner

3 Membranpotenzial und Signalübertragungin Zellverbänden 60

Andreas Draguhn

3.1 Wozu ein Membranpotenzial? 603.2 Ionengradienten, Umkehrpotenziale und

Ruhemembranpotenzial 613.3 Aktionspotenziale 653.4 Synaptische Übertragung 763.5 Elektrische Kopplung 913.6 Elektrophysiologische Messverfahren 92

4 Muskulatur 98

Bernhard Brenner

4.1 Skelettmuskulatur 984.2 Glatte Muskulatur 1194.3 Herzmuskulatur 127

5 Das Herz 134

Jürgen Schrader, Axel Gödecke, Malte Kelm

5.1 Klinische Bedeutung und Systematik vonHerzerkrankungen 134

5.2 Bedeutung des Herzens für den Kreislauf 1345.3 Druck-Volumen-Veränderungen während des

Herzzyklus 1365.4 Regulation der Koronardurchblutung 1405.5 Beziehungen zwischen Energiestoffwechsel

und Herzfunktion 143

5.6 Elektrophysiologische Grundlagen 1465.7 Elektromechanische Koppelung 1505.8 Regulation der Pumpleistung des Herzens 1515.9 Erregungsausbreitung am Herzen 1575.10 Grundlagen der Elektrokardiographie 1615.11 Aussagemöglichkeiten des EKG 1665.12 Molekulare Ursachen von Herz-

Kreislauferkrankungen 170

6 Das Kreislaufsystem 174

Heimo Ehmke

6.1 Funktion des Kreislaufsystems 1746.2 Das Gefäßsystem 1776.3 Hämodynamik: Physik des Kreislaufs 1836.4 Stofftransport in Austauschgefäßen 1926.5 Kreislaufregulation 1976.6 Kreislauffunktion unter Belastung 2096.7 Der Lungenkreislauf 2166.8 Kreislauffunktion und Lebensalter 219

7 Blut: Ein flüssiges Organsystem 224

Barbara Walzog und Joachim Fandrey

7.1 Eigenschaften und Funktionen des Blutes 2247.2 Zusammensetzung und Volumen des Blutes 2257.3 Zelluläre Bestandteile des Blutes 2287.4 Abwehrmechanismen des Körpers 2347.5 Blutstillung, Blutgerinnung und Wundheilung 247

8 Atmung 258

Rosemarie Baumann und Armin Kurtz

8.1 Funktionelle Anatomie der Lunge 2588.2 Der konvektive Transport der Atemgase in der

Lunge, Lungenvolumina und Ventilation 2628.3 Diffusion der Atemgase O2 und CO2 über die

alveoläre Membran 2728.4 Der Transport von Sauerstoff im Blut 2758.5 Der Transport von Kohlendioxid im Blut 2828.6 Durchblutung der Lunge 2858.7 Die mechanischen Eigenschaften von Lunge

und Thorax 2928.8 Atemarbeit in Ruhe und bei Belastung 3018.9 Obstruktive und restriktive Störungen 3018.10 Grundlagen der künstlichen Beatmung 3018.11 Die Atemregulation 3028.12 Störungen der Sauerstoffversorgung: Hypoxie 3088.13 Atmung unter besonderen

Umweltbedingungen 312

Inhaltsverzeichnis IX

9 Säuren-Basen-Haushalt 316

Gerhard Burckhardt

9.1 Protonen, pH, Säuren und Basen 3169.2 Puffer 3189.3 Säuren-Basen-Status im arteriellen Blut 3209.4 Säuren-Basen-Gleichgewicht 3219.5 Intrazellulärer pH 326

10 Die Funktion der Nieren 330

Stefan Silbernagl

10.1 Überblick 33010.2 Renale Clearance 33310.3 Die Nierendurchblutung 33510.4 Die Filtration des Primärharns 33910.5 Aktive Na+-Resorption und die Folgen 34410.6 Harnkonzentrierung und Diurese 35510.7 Tubulärer Transport organischer Stoffe 35910.8 Phosphat-, Calcium- und Magnesium-

Ausscheidung 36610.9 Die Niere im Dienst des Säure-Basen-

Haushalts 37010.10 Renin und Nierenhormone 37510.11 Nierenstoffwechsel 37710.12 Nierenversagen und künstliche Niere 378

11 Salz- und Wasserhaushalt 384

Hans Oberleithner

11.1 Die Zelle und ihr Mantel 38411.2 Körperwasser 38511.3 Die Natriumbilanz 38811.4 Die Wasserbilanz 39511.5 Die Säurebilanz 39911.6 Die Kaliumbilanz 40211.7 Die Calcium- und Phosphatbilanz 40611.8 Die Magnesiumbilanz 411

12 Funktion des Magen-Darm-Trakts,Energiehaushalt und Ernährung 416

Michael Gekle

12.1 Allgemeingültiges zumMagen-Darm-Trakt 416

12.2 Mundhöhle und Mundspeicheldrüsen 42812.3 Ösophagus und Schlucken 43112.4 Magen 43212.5 Pankreas 44312.6 Dünn- und Dickdarm: Flüssigkeits- und

Elektrolyttransport 44812.7 Dünn- und Dickdarm: Nährstoffverdauung

und -absorption 45412.8 Motorik von Dünn- und Dickdarm 46712.9 Physiologie der Leber 46912.10 Die Anforderungen des Organismus an die

Ernährung 479

12.11 Energiehaushalt und Kontrolle desKörpergewichts 483

12.12 Regulation der Nahrungsaufnahme 489

13 Temperaturregulation und Wärmehaushalt 500

Michael Gekle, Dominique Singer

13.1 Was heißt Konstanz der Körpertemperatur? 50013.2 Wärmebildung 50213.3 Wärmetransfer im Körper 50213.4 Wärmeaustausch mit der Umwelt 50313.5 Aktive Regulation 50513.6 Physiologie und Umwelt 50913.7 Hyperthermie, Hypothermie und Fieber 511

14 Endokrines System 516

Ralf Paschke, Karlheinz Voigt

14.1 Allgemeine Endokrinologie:Was sind Hormone, wozu dienen sie und wowerden sie gebildet? 516

14.2 Hypothalamus-Hypophysen-System 52914.3 Wachstumshormon

(STH = Somatotropes Hormon,GH = Growth hormone) 533

14.4 Prolactin 53614.5 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-

System:Mineralo- und Glucocorticoide 537

14.6 Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-System 547

14.7 Der Inselapparat des Pankreas: Insulin undGlucagon 554

15 Sexualfunktionen, Schwangerschaftund Geburt 564

Lorenz Rieger, Ulrike Kämmerer, Dominique Singer

15.1 Physiologie der weiblichen Geschlechtsorgane 56415.2 Physiologie der männlichen

Geschlechtsorgane 57015.3 Sexualität, Befruchtung und Implantation 57115.4 Plazentafunktion 57615.5 Physiologie des Fetus 57915.6 Physiologie der Schwangeren 58315.7 Physiologie der Geburt und Laktation 58515.8 Anpassung des Neugeborenen an das

extrauterine Leben 588

16 Leistungsphysiologie 596

Heimo Maibäurl

16.1 Die Bedeutung von körperlicher Aktivität 59616.2 Muskel-Aufbau 59616.3 Energiebereitstellung 60016.4 Atmung bei Belastung 605

InhaltsverzeichnisX

16.5 Kreislaufregulation bei Belastung 60616.6 Blut-/Plasmavolumen und Sauerstofftransport

bei Belastung 60916.7 Thermoregulation und Flüssigkeitshaushalt 61116.8 Ernährung im Sport 61316.9 Leistungsdiagnostik 61516.10 Doping 61816.11 Sport im Alter 61816.12 Sport in Prävention und Rehabilitation 61816.13 Sport in großer Höhe 619

17 Das zentrale Nervensystem – Grundlagebewussten Menschseins 624

Rainer Klinke

17.1 Grundfunktionen des Nervensystems 62417.2 Nerven- und Gliazellen 62517.3 Initiale Schritte der Informationsverarbeitung

– Objektive Sinnesphysiologie 62917.4 Reizverarbeitung in neuronalen Netzwerken 63617.5 Wahrnehmungen und Empfindungen 638

18 Somatoviszerale Sensibilität 644

Karl Meßlinger

18.1 Grundbegriffe der somatoviszeralenSensibilität 644

18.2 Mechanische Oberflächensensibilität 64718.3 Thermosensibilität 65018.4 Tiefensensibilität und Propriozeption 65218.5 Viszerale Sensibilität 65318.6 Nozizeption und Schmerz 65518.7 Spinale sensorische Systeme 65918.8 Zerebrale sensorische Systeme 66418.9 Schmerz und Schmerzhemmung 669

19 Hören und Sprechen: Kommunikationdes Menschen 676

Rainer Klinke

19.1 Schall 67619.2 Hörempfindungen 67719.3 Aufgaben des Mittelohres 67819.4 Funktion des Innenohres 68019.5 Kodierung im Hörnerv 68419.6 Klinisch wichtige Innenohrpotenziale 68619.7 Zentralnervöse Verarbeitung von Schallreizen 68619.8 Hörschäden und Hörprüfungen 68819.9 Der periphere Sprechapparat 691

20 Gleichgewichts-, Lage- und Bewegungssinn 696

Rainer Klinke

20.1 Aufgaben des Gleichgewichtssystems 69620.2 Physiologie des peripheren Vestibularorgans 69620.3 Das zentrale vestibuläre System 70020.4 Störungen des vestibulären Systems 704

21 Sehsystem und Augenbewegungen 708

Ulf Eysel

21.1 Visuell-visuomotorisches System 70821.2 Auge und optische Abbildung auf der

Netzhaut 70821.3 Okulomotorik 71421.4 Die Netzhaut: primäre sensorische Prozesse

und neuronale Signalverarbeitung 71821.5 Das zentrale Sehsystem 727

22 Geschmack und Geruch 742

Andreas Draguhn

22.1 Die Bedeutung der Chemosensibilität 74222.2 Der Geschmackssinn 74322.3 Der Geruchssinn 749

23 Sensomotorische Systeme: Körperhaltungund Bewegung 758

Heiko J. Luhmann

23.1 Sensomotorik im Überblick 75823.2 Rückenmark: Struktur, Funktion, Symptome 76123.3 Supraspinale Kontrolle spinaler

Verschaltungen 77523.4 Sequenzielle Aktivierung von Kortexarealen

bei zielmotorischen Bewegungen 77823.5 Motorische Areale des zerebralen Kortex 77923.6 Basalganglien: Struktur, Funktion, Symptome 78623.7 Kleinhirn: Struktur, Funktion, Symptome 792

24 Neurovegetative Regulation 800

Pontus B. Persson

24.1 Das Vegetativum 80024.2 Organeffekte 80324.3 Funktionen des Rückenmarks 80724.4 Vegetative Kerngebiete in der Medulla

oblongata 81024.5 Hypothalamus und limbisches System –

homöostatische Regulationen undemotionelle Verhaltensweisen 811

25 Integrative Funktionendes Gehirns 816

Hans-Christian Pape

25.1 Grundlage kognitiver Funktionen 81625.2 Organisation des Cortex cerebri 81825.3 Kognition versus Emotion –

Das limbische System 82125.4 Motivation – Belohnung und Abhängigkeit 82625.5 Lernen und Gedächtnis 82825.6 Lernabhängige synaptische Plastizität 83325.7 Hirnentwicklung: Entwicklungs- und

erfahrungsabhängige Plastizität 837

Inhaltsverzeichnis XI

25.8 Linkes Gehirn/Rechtes Gehirn – Sprache 84225.9 Nicht-invasive Verfahren zur Messung von

Hirnfunktionen 845

26 Wachheit und Schlaf:Rhythmen des Gehirns im Musterdes Elektroenzephalogramms 850

Hans-Christian Pape

26.1 Das Elektroenzephalogramm 85026.2 Wachheit und Schlaf 85526.3 Der zirkadiane Rhythmus 86026.4 Schlafstörungen 862

27 Blut-Hirn-Schranke, Liquor cerebrospinalis,Hirndurchblutung und Hirnstoffwechsel 866

Wolfgang Kuschinsky

27.1 Blut-Hirn- und Blut-Liquor-Schranke 86627.2 Hirndurchblutung und Hirnstoffwechsel 871

28 Altern und Tod 878

Michael Kühl

28.1 Was ist Altern? 87828.2 Physiologische Veränderungen im Alter 87928.3 Ursachen des Alterns 88028.4 Menschliche Progerie-Erkrankungen 88428.5 Der Tod 885

29 Maßeinheiten, Kurven undein wenig Mathematik 888

Stefan Silbernagl

29.1 Messgrößen und Maßeinheiten 88829.2 Potenzen und Logarithmen 89529.3 Graphische Darstellung von Messdaten 896

30 Normalwerte 900

Zusammengestellt von Stefan Pummer undStefan Silbernagl

Sachverzeichnis 905

Abkürzungsverzeichnis 939

InhaltsverzeichnisXII

1 Wer liest schon Einleitungen? Stefan Silbernagl

1.1 Woher weiß man, was in diesem Buch steht? ... 21.1.1 Beobachtung, Hypothese, Experiment, Deutung,

Theorie und die Fallen ... 31.1.2 Zu kompliziert? ... 5

1.2 Ob Zelle oder Organismus: ein offenes Systemmit innerem Milieu ... 7

1.2.1 Die Autonomie der Zelle ... 71.2.2 Das Meer in uns: Milieusicherung durch

Spezialisierung ... 81.2.3 Ungeregeltes Leben gibt es nicht ... 81.2.4 Rückkopplung kann negativ

oder positiv sein ... 10Zusammenfassung Kap. 1 ... 12

1

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1 Wer liest schon Einleitungen? Stefan Silbernagl

Physiologie: Funktion des Lebendigen

Ein Virus hat bereits eine Art von Leben, eine Amöbe, ein Baum,ein Hund, ein Mensch, sie alle leben. Die Physiologie versucht,die physikalischen und chemischen Faktoren aufzuklären, diefür die Entstehung, die Entwicklung und den Erhalt dieses Le-bens verantwortlich sind. Dabei ist die Frage, was vor sich geht,nur der Ausgangspunkt für die Frage, wie es passiert. So fragtein Physiologe etwa: Wie gelangen Ionen durch die Zellmemb-ran, und mit welchen Signalen kommunizieren Zellen miteinan-der? Wie überlebt ein Fisch im Süßwasser, wie einer im Salz-wasser? Warum muss eine Wüstenratte nichts trinken undwarum kühlt der Pinguin nicht aus, wenn er jahraus, jahreinauf antarktischem Eis steht? Wie wird unser Blutdruck geregelt?Wie arbeiten unsere Nieren, unsere Muskeln, unsere Augen, jasogar (und das fragt des Physiologen eigenes Gehirn!): Wiefunktioniert unser Gehirn?

Inhalt dieses Buches ist die Physiologie des Menschen.Dabei muss man sich aber vor Augen halten, dass der Großteilder Kenntnisse über die Funktionen unseres Körpers nicht vonBeobachtungen am Menschen, sondern von Experimenten anEinzelzellen im Reagenzglas, an Zellkulturen, an isolierten Orga-nen und an Tieren gewonnen wurde. Am meisten weiß mandaher über die Mechanismen, die sich in der Evolution bereitsseit Hunderten von Millionen Jahren bewährt haben und daher

allen tierischen Zellen mehr oder weniger gemeinsam sind.Relativ viel ist auch noch bekannt über die Funktion derjenigenunserer Organe und Organsysteme, die sich von denen andererSäuger nur unwesentlich unterscheiden. Darm- und Nierenfunk-tion, Atmung, Blutdruckregulation, Säure-Basen-Haushalt sindeinige Beispiele dafür.

Anders ist das bei höheren Gehirnfunktionen, doch könnenuns da unter Umständen Beobachtungen an Patienten weiter-helfen. Vergleicht man ihre Symptome mit den Befunden beigesunden Probanden, kann man unter Umständen auf Funk-tionsmechanismen schließen. Die (immer noch spärlichen)Kenntnisse über die spezifischen Funktionen unseres Großhirnsz.B. stammen großteils von Beobachtungen an Patienten, beidenen umschriebene Gehirnbezirke etwa durch Verletzungenoder Tumoren zerstört worden sind. Umgekehrt ist die Physio-logie des Menschen, sind die Kenntnisse über die normaleFunktion unseres Körpers natürlich unverzichtbare Grundlage,wenn der Arzt Fehlfunktionen des Körpers, also Krankheiten,erforschen und kausal oder zumindest symptomatisch behan-deln will. Auf Aspekte der Pathophysiologie, des Grenzgebietszwischen Physiologie und klinischer Medizin, wird daher in allenKapiteln dieses Buches immer wieder eingegangen werden.

1.1 Woher weiß man, was in diesemBuch steht?

Schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts war in einemLehrbuch der Physiologie kein Platz mehr, den experimen-tellen Hintergrund des behandelten Lehrstoffes zu schil-dern.

Adolph Fick (1829–1901) schrieb 1860 in seinem „Com-pendium der Physiologie des Menschen“ (10): „Der nächste[wichtigste] Zweck dieses Buches ist, dass es den MedicinStudirenden in Stand setze, mit möglichst geringer An-strengung sich diejenigen physiologischen Kenntnisse an-zueignen, welche ein billiger [vernünftiger] Examinatorvon ihm verlangen muss… habe ich mich – eingedenk desersten Zweckes – durchweg vorwiegend an die Resultategehalten und sie mit einiger Ausführlichkeit dargestellt …

das Resultat ist das Wichtigste und Interessante, und, wennman es einmal sicher hat, d.h. jederzeit einen strengen Be-

weis führen kann, so kümmert man sich nicht mehr um dieMethode seiner ursprünglichen Auffindung.“

Allerdings war Adolph Fick noch in der Lage, seinen Stu-denten dann wenigstens in der Vorlesung diejenigen Ver-suche zu zeigen, mit denen er das Gelehrte belegen konnte.Das ist heute nicht mehr möglich, da sich das Wissen in derPhysiologie seither, grob geschätzt, verhundertfacht hat.Das heißt, auch in der Vorlesung bleibt heute praktischkeine Zeit mehr, die Wege zu schildern, an deren Endeunser (mehr oder weniger) „gesichertes Wissen“ steht.Das birgt die Gefahr in sich, dass der Student das „Wissen“des Lehrbuchs (und der spätere Arzt oder Biologielehrerden Inhalt einer Fachzeitschrift) ohne Bedenken als festste-hende Tatsache übernimmt. Kritikfähigkeit in dieser Bezie-hung setzt aber voraus, dass er oder sie wenigstens prinzi-piell die Wege naturwissenschaftlich-medizinischer und-biologischer Wissensfindung mit all ihren Klippen kennt.Sie sollen uns daher im Folgenden kurz beschäftigen.

1 Wer liest schon Einleitungen?2

1.1.1 Beobachtung, Hypothese, Experiment,Deutung, Theorie und die Fallen

Die Gegenprobe

Humanphysiologie ist ein Fach der Medizin, doch als For-scher ist der Physiologe Naturwissenschaftler; er geht beiseiner Forschung daher prinzipiell genau so vor wie der„reine“ Naturwissenschaftler, also etwa der Physiker, Astro-nom oder Chemiker (Abb. 1.1): Er stellt Beobachtungen an,zieht seine Schlüsse daraus und stellt auf deren Basis eineHypothese auf. Diese Hypothese muss überprüfbar sein.Eine unüberprüfbare Hypothese ist wertlos, weil sie nichtviel mehr wert ist als eine schlichte Behauptung. Mit Über-prüfen ist hier vor allem gemeint, dass der Wissenschaftlerseine Hypothese in Frage stellen (falsifizieren; 5) muss, d.h.,ein überaus wichtiges Prinzip seines Arbeitens muss derZweifel sein. Wichtiger als die Probe ist die Gegenprobe!Ein einfaches Beispiel: Vor einigen Jahrzehnten konnte im Elsass be-obachtet werden, dass der Rückgang der Geburtenrate sehr eng mitdem Rückgang der Anzahl der dort nistenden Störche korreliert.Bringt also der Storch die Babys? Eine Bestätigung dieser Hypothesewäre gewesen, wenn der Beobachter anschließend nach Franken ge-fahren wäre und dort eine ähnliche Korrelation vorgefunden hätte(Probe). Eine mögliche Gegenprobe (Entfernung eines der korrelieren-

den Phänomene) wäre hingegen gewesen herauszufinden, ob ein Landexistiert, wo es gar keine Störche gibt und trotzdem Babys auf die Weltkommen…

Korrelation und Kausalität

Wir lächeln über das Beispiel mit den Störchen, weil wirwissen, wie Kinder auf die Welt kommen. Bei der Beobach-tung noch nicht erforschter Phänomene ist das anders.Trotzdem ist ein häufiges Zusammentreffen zweier odermehrerer Phänomene oder gar eine enge quantitative Kor-relation natürlich eine wichtige Beobachtung, sei es in derAstronomie, in der Physiologie oder in der praktischen Me-dizin. Über die Kausalität sagt eine Korrelation, wie wir anobigem Beispiel gesehen haben, allerdings nichts aus. DieKausalität kann hier nur Hypothese sein, die es zu über-prüfen, in Zweifel zu ziehen gilt.

Beobachtung versus Experiment

Zur Überprüfung seiner Hypothese greift der Wissenschaft-ler zum Experiment. Er „experimentiert“ nicht „herum“,sondern stellt eine Frage, von der er hofft, dass sie durchdas Ergebnis seines Experiments beantwortet werden kann.

1.1 Woher weiß man, was in diesem Buch steht?

Abb. 1.1 Von der Beobachtung zur Theorie: Der Weg experimen-teller Forschung. Zum Beispiel entdeckte Ernest Basil Verney (1894–1967, Foto) zusammen mit E. H. Starling in den zwanziger Jahren,dass eine isolierte Niere, die künstlich durchströmt wird, keinen kon-zentrierten Urin erzeugen kann (17,19) (Beobachtung im Experi-ment). Aufgrund dieser und anderer Beobachtungen stellten sie fol-gende Hypothese auf: „Wir schlagen daher vor, dass irgendeineSubstanz oder Substanzen mit einer Pituitrin-(Hypophysenextrakt-)ähnlichen Wirkung normalerweise im intakten Säuger vorhanden sindund dazu dienen, die Niere in ihrer wichtigen Funktion der Wasser-und Chloridausscheidung zu regulieren“ (17). Zur Überprüfung der

Hypothese setzten sie dem Nierenperfusat einen Hypophysenhinter-lappenextrakt zu (Experiment) mit dem Ergebnis, dass sich die Was-serausscheidung dadurch normalisierte. Schließlich wies Verney auchnach, dass das Blut durch den Kopf des Versuchstiers fließen muss,bevor es anschließend in der Niere antidiuretisch wirken kann. DieserEffekt blieb aus, wenn vorher der Hypophysenhinterlappen entferntworden war (18). Damit war bewiesen, dass die Konzentrierungs-fähigkeit der Niere vom Hypophysenhinterlappen abhängt (Theorie).Heute wissen wir, dass dort Adiuretin als steuerndes Hormon sezer-niert wird.

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Den Unterschied zwischen Beobachtung und Experimenthat der französische Physiologe Claude Bernard (1813–1878) so ausgedrückt: „Beobachtung ist die Erforschungnatürlicher Phänomene, das Experiment ist die Erforschungeines Phänomens, das durch den Forscher verändert wor-den ist“ (1). Diese Veränderung, dieses Eingreifen in dennatürlichen Ablauf ist es, was das Experiment einerseitszum machtvollsten Werkzeug naturwissenschaftlicher For-schung macht, andererseits aber auf Irrwege, zu Artefaktenführen kann (s.u.). Beobachtung und Experiment sind nichtganz zu trennen. Eine „gezielte“ Beobachtung, etwa die Vo-raussage einer Beobachtung, ist bereits eine Art Experi-ment. Umgekehrt kann der Wissenschaftler bei einem Ex-periment eine Beobachtung machen, nach der er ursprüng-lich gar nicht gefragt hat.Die Entdeckung der antibiotischen Wirkung des Penicillins (1928)durch den britischen Bakteriologen Sir Alexander Fleming (1881–1955) ist ein berühmtes Beispiel dafür. Seine Bakterienkulturenwaren ihm unprogrammgemäß verschimmelt. Er hat sie sich trotzdemgenau betrachtet (die „Neugierde des Forschers“), und ihm fiel auf,dass die Bakterien sich im Bereich des Schimmelpilzes (Penicilliumar-ten) nicht vermehrt hatten. Seine daraus abgeleitete Hypothese, dassder Schimmel einen antibakteriellen Stoff produziert, bewahrheitetesich, und das Antibiotikum Penicillin trat wenige Jahre später seinenSiegeszug um die Welt an.

Fürchtet der Arzt die Gegenprobe?

Da wohl die meisten Leserinnen und Leser dieses BuchesÄrzte werden wollen, hier auch ein kurzes Wort zur kli-nisch-medizinischen Forschung. Obwohl auch schon derPhysiologe, der ja oft an Lebewesen forschen muss, nichtso frei experimentieren kann wie etwa der Chemiker, sinddie experimentellen Möglichkeiten des Arztes natürlichnoch viel mehr eingeschränkt. Er kann sich bei seiner kli-nischen Forschung oft nur auf rückschauende (retrospekti-ve) oder, was das bessere „Experiment“ ist, auf voraus-schauende, vorhersagende (prospektive) Beobachtungenan seinen Patienten stützen. Diese Beschränkung darf abernicht dazu verleiten, die Gegenprobe, das Experimentumcrucis, etwa in Form einer sog. Doppelblindstudie, zuscheuen1. Claude Bernard sagt dazu: „Es ist das post hoc,ergo propter hoc2 der Mediziner, zu dem wir uns sehr leichtverleiten lassen, besonders wenn das Ergebnis eines Expe-rimentes oder eine Beobachtung unsere vorgefasste Mei-nung bestätigt“ (1). (Auch der Autor dieser Einleitung istMediziner).

Kein Experiment ohne Kontrolle

Ein Experiment führt zu einem Ergebnis, also zu einerReihe von Messwerten, aus denen der Wissenschaftler

seine Schlüsse zieht. Zieht er die richtigen? Angenommen,ein Versuchstier, etwa eine Ratte, wird narkotisiert, dieNiere wird freigelegt und ein bestimmtes Medikamentwird in die Nierenarterie injiziert. Einen Tag später steigtbei der Ratte die Natriumausscheidung im Urin. Was ist derGrund dafür? Das Narkosemittel? Der Operationsstress?Oder wirklich die injizierte Substanz? Hier ist, wie beijedem Experiment, ein Kontrollexperiment notwendig, indiesem Fall eines, bei dem zwar narkotisiert und operiert,aber nur das Lösungsmittel, in dem das Medikament gelöstwar, injiziert wird. Außerdem genügt natürlich nicht eineinziges Paar von Experimenten, da die Höhe der Natrium-ausscheidung im Einzelfall genauso gut ein Zufall seinkönnte. Erst eine Reihe gleichartiger Versuche und Kontroll-experimente und deren statistische Auswertung kann klä-ren, ob das Versuchsergebnis (mit mehr oder wenig hoherWahrscheinlichkeit) kein Zufall war (6).

Das Ergebnis?

Hat der Wissenschaftler aus dem Ergebnis des Experimentsden richtigen Schluss gezogen, und ist damit seine Fragebeantwortet? Oder ist das Ergebnis vieldeutig und damitnicht interpretierbar? Oder kommt gar jedesmal etwas an-deres als Ergebnis heraus? Dann war vielleicht das Experi-ment von vorneherein schlecht geplant, oder es war zwargut konzipiert, aber schlecht durchgeführt; oder war etwadas Versuchsobjekt zu komplex, um eine einfache Antwortzu erhalten? Lag es daran, muss der Physiologe sich nacheinem einfacheren Experimentalobjekt für die Beantwor-tung seiner Frage umtun (s.u.). Bringt ihn auch das nichtweiter, ist die Frage, zumindest vorläufig, unbeantwortbar.Diese Tatsache muss der Forscher allerdings erkennen.

Der englische Zoologe Peter B. Medawar (1915 – 1987,Nobelpreis für Physiologie oder Medizin 1960) schreibtdazu in der Einleitung seines Buches „Die Kunst des Lös-baren“: „Kein Wissenschaftler wird bewundert, dass es ihmnicht gelungen ist, Probleme zu lösen, die er mit ihm zurVerfügung stehenden Mitteln überhaupt nicht lösen konn-te… Gute Wissenschaftler nehmen normalerweise solcheProbleme in Angriff, die sie für wichtig und lösbar halten.Denn schließlich ist es ihre Aufgabe, Probleme zu lösen, undnicht bloß, mit ihnen zu ringen… Und das ist genau derGrund, warum einige der wichtigsten biologischen Proble-me bisher noch nicht auf der Tagesordnung unserer For-schungsvorhaben erschienen sind…“ (4).

Passt das Ergebnis des Versuchs zur Hypothese, gewinntsie an Substanz, doch muss ihre Gültigkeit (und auch ihreAllgemeingültigkeit) unter allen möglichen Bedingungen –

auch von anderen Wissenschaftlern – weiterhin strengüberprüft werden. Wenn dann immer noch alles zusam-menpasst, wird die Hypothese zur Theorie. Sie findetdann, gewöhnlich nach einer Latenzzeit von vielen Jahren,Eingang in die Lehrbücher. Das sichert ihr zwar ein relativlanges Leben, doch sind alle Theorien, auch diejenigen, aufdie dieses Buch aufbaut, nicht davor sicher, irgendwann

1 Wer liest schon Einleitungen?

1 Von einer Doppelblindstudie spricht man dann, wenn z.B. beimVergleich der Wirksamkeit zweier Medikamente (oder eines Medi-kaments mit einem wirkungslosen Stoff, einem Plazebo) weder derArzt noch der Patient weiß (beide sind „blind“), welche Tablettewelche Substanz enthält.

2 Danach und daher dessentwegen.

4

vielleicht doch einmal vom Sockel gestürzt zu werden. Dog-men gibt es in der Wissenschaft nicht.

Zeitigt das Experiment ein klares Ergebnis, das nicht zurHypothese passt, muss sie verworfen oder zumindest revi-diert werden. Das gilt für alle Ergebnisse des Experiments.Nur die zur Hypothese „passenden“ Antworten herauszusu-chen, ist zwar verführerisch, hat aber nichts mehr mit Wis-senschaft zu tun.

Es passiert auch immer wieder, dass ein Versuchsergeb-nis völlig unerwartet ist (Beobachtung beim Experiment, s.oben) und auch nach Befragung der Literatur beim Wis-sensstand der Zeit nicht einzuordnen ist – sozusagen einPuzzlestück ohne Puzzle. Trotzdem wird es der Wissen-schaftler, wenn er sich seiner Sache sicher ist, veröffent-lichen. Irgendwann, nach Monaten oder Jahrzehnten, findetsich das Puzzle dazu. Bis dahin ist das Faktum eines solchenVersuchsergebnisses allerdings wertlos, da „…es seinenWert nur durch die Idee bekommt, mit der es verbundenist oder durch die Antwort, die es liefert“ (1).

1.1.2 Zu kompliziert?

Lebendiges, auch eine einzige Zelle, besteht aus unzähligenKomponenten, Reaktionen und Interaktionen. Ist es also einhoffnungsloses Unterfangen, dieses Knäuel zu entwirren?Offenbar nicht ganz, wie die folgenden Kapitel dieses Bu-ches zeigen. Wie seine anderen biologisch-experimentellarbeitenden Kollegen vereinfacht der Physiologe das Sys-tem, an dem er experimentieren will, und zwar auf ganzverschiedenen Wegen.

Modell und Experiment der Natur

In Säugetieren sind Nervenfasern höchstens 0,015mm dick.Das machte elektrophysiologische Versuche an ihnen bisvor kurzem äußerst schwierig. Der Tintenfisch hingegenbesitzt ein Riesenaxon mit dem 60fach größeren Durch-messer von etwa 1mm (Abb. 1.2). Diese Modellnervenfasererlaubte es schon sehr früh, die grundsätzlichen Vorgängebei der Nervenerregung mit relativ einfachen Methoden zuklären (9,11,12,15). Auch der Mechanismus einfacher Lern-vorgänge (Habituation und Sensitisierung bei polysynapti-schen Reflexen, Kap. 23.2.3, S. 767) hat sich am Modellgan-glion einer Meeresschnecke (Seehase, Aplysia californica)mit seinen großen Nervenzellkörpern und seinen wenigen,gut bekannten Schaltverbindungen viel unkomplizierterklären lassen (13,14) (Abb. 1.3) als am hoch komplexen Zen-tralnervensystem eines Säugetiers mit seinen Milliardenvon Nervenzellen.

Genetische Defekte, also etwa das Fehlen eines Hormonsoder eines Enzyms, stellen ebenfalls eine Vereinfachungdar, da eine physiologische Funktion ja auch durch ihr Feh-len charakterisiert werden kann. Moderne Methoden derMolekularbiologie haben es sogar möglich gemacht, durchGenmanipulation die Aminosäurensequenz eines Enzymsoder Rezeptors gezielt zu verändern (site-directed mutage-nesis), um herauszufinden, welche Anteile der Aminosäu-

rensequenz und der Proteinfaltung z.B. an der Substrat-bzw. Hormonbindung beteiligt sind. Auch das experimen-telle Entfernen oder Abschalten eines Gens („Knock out“),das Einschleusen eines fremden Gens (Transgen) in dieKeimbahn und weitere Methoden der Genetik und der Mo-lekularbiologie können dazu dienen, die Funktion des je-weiligen Genprodukts, z.B. bei der Lernfähigkeit (16) oderder Entstehung des Bluthochdrucks (21) aufzuklären.

Die Entschlüsselung der etwa 20 000 bis 25 000 mensch-lichen Gene (Genom) ist in den letzten Jahren praktischvollständig gelungen. Diese genetische Information wirdvon der Zelle in die jeweilige m(essenger-)RNA umgeschrie-ben (Transkription), die wiederum zur Synthese der ent-sprechenden Proteine (Translation) benutzt wird. Durch al-ternatives mRNA-Splicing und posttranslationale Modifika-tion der Primärproteine können aus ein und demselbenGen zahlreiche verschiedene Proteine entstehen. Insgesamtrechnet man beim Menschen mit über einer halben Millionunterschiedlicher Proteine. Die Gesamtheit der Proteinez. B. in einer Zelle oder in einem Lebewesen unter definier-ten Bedingungen und zu einem bestimmten Zeitpunkt wirdProteom genannt, dessen Entschlüsselung im Mittelpunkt

1.1 Woher weiß man, was in diesem Buch steht?

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Abb. 1.2 „Modell der Natur“: Riesenaxon des Tintenfisches Loligo.Während beim Menschen und bei den meisten Tieren die Nervenfa-sern weniger als 0,02mm dick sind, hat das Riesenaxon einenDurchmesser von etwa 1mm. Dies erlaubt das Einführen einer Sil-berdraht-Elektrode ins Innere des Axons (Innenelektrode) und er-möglichte es bereits Ende der 1930er-Jahre, die grundsätzlichen Me-chanismen der Fortleitung von (hier mit „Reizelektroden“ ausgelös-ten) Impulsen in Nervenfasern aufzuklären (9,11). Im lebenden Tin-tenfisch gewährleistet die Dicke des Axons eine sehr rasche Impuls-fortleitung und damit eine relativ synchrone Aktivierung der Mantel-muskulatur. Diese Muskeln erzeugen den Wasserstoß, der den Tin-tenfisch bei Überraschungen rückwärts treibt (aus 2 nach 15 und aus12).

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der gegenwärtigen biomedizischen Forschung steht. Im Ge-gensatz zum Genom ist die Zusammensetzung des Pro-teoms ständigen Änderungen unterworfen. Dazu kommt,dass viele dieser Proteine miteinander interagieren. Gleiche

Lokalisation der Proteine ist Voraussetzung für eine solcheInteraktion. Proteinspezifische Anfärbung mit Immun-Fluo-reszenzfarbstoffen unterschiedlicher Farbe und deren injeder Zellschicht scharfe Abbildung, z. B. mit konfokalen La-serscanning-Mikroskopen, erlauben es, solche Kolokalisa-tionen zu zeigen (s. Abb. 1.4).

Zerlegen vereinfacht

Der Physiologe isoliert z.B. ein Organ aus dem zu komple-xen Organismus, eine Zelle aus dem Organ, bestimmte Or-ganellen (z.B. Mitochondrien oder Stücke der Zellmem-bran) aus der Zelle. Will er nur ein bestimmtes Protein,etwa ein Enzym oder einen Ionenkanal der Zellmembran,untersuchen, so reinigt er das Protein von allen anderenZellbestandteilen. Das Enzym kann er dann im Reagenzglasoder in der Photometerküvette untersuchen, das Kanalpro-tein in eine künstliche Lipidmembran einsetzen und dortdie Kanaleigenschaften (s. Kap. 2.3.4, S. 24) studieren. Hierarbeitet er also in vitro (im Glas) und nicht mehr in vivo (imlebenden Organismus). Ist das Organ vom Körper, die Zellevom Organ oder die Zellmembran von der Zelle isoliert,kann die Flüssigkeit, mit der das Organ künstlich durch-strömt wird bzw. in der die Zelle oder die Membranschwimmt, vom Experimentator vorgegeben werden. Dasist deswegen eine Vereinfachung, weil dadurch die vielenunbekannten Variablen, z.B. die zahlreichen Komponenten

1 Wer liest schon Einleitungen?

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Abb. 1.3 „Modell der Natur“: das Ganglion des Seehasen Aplysia.Wird der Siphon der Mantelfalte dieser Meeresschnecke durch ir-gendetwas berührt, so verkleinern sich die Kiemen reflektorisch aufdie rot gestrichelte Größe. An diesem Rückziehreflex sind 24 senso-rische Neurone, 6 Motoneurone sowie 1 inhibitorisches und 2 exzita-torische Interneurone beteiligt. Die geringe Anzahl dieser Kom-ponenten, die Kenntnis ihrer genauen Lokalisation und die Tatsache,dass sie relativ groß sind, machen den Seehasen zu einem idealenModell für einfachste Lernvorgänge: Wenn der Reiz z.B. mit Schmer-zen verbunden ist, wird die Reflexantwort verstärkt (Sensitisierung),oder aber, wenn der Reiz sich z.B. als unschädlich herausstellt, wirddie Antwort abgeschwächt (Habituation). Durch Einstich einer Reiz-(und Ableit-)Elektrode in eines der beteiligten sensorischen (SN) undeiner Ableitelektrode in eines der motorischen Neurone (L 7) kann dieHabituation auf Einzelneuron-Ebene registriert werden: Auf den ReizNr. 1 (violette Kurve, obere Reihe von Registrierungen) erfolgt diemaximale Reflexantwort (rote Kurve). Wird der Reiz alle 10 s wieder-holt (Reiz Nr. 2 bis 15), so wird die motorische Antwort zunehmendkleiner. Auch noch 15min nach diesem „Training“ hat Reiz Nr. 1 (un-ten) einen kleineren Effekt als Reiz Nr. 1 im „untrainierten“ Zustand(oben). Das Neuron SN hat „gelernt“, weniger Transmitter freizuset-zen: akute Habituation. Bei chronischem Training (Tage bis Wochen)vermindert sich außerdem die Anzahl der sensorischen Neurone, diezu den Motoneuronen synaptischen Kontakt haben. Damit steht eineinfaches, gut definiertes Modell zur Verfügung, mit dem auch diemolekularen Mechanismen eines solchen Lernvorgangs untersuchtwerden können (nach 13,14).

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Abb. 1.4 Nachweis der Kolokalisation zweier Proteine in einerZelle. Das Aktinzytoskelett in Säugerzellen ist an einer Vielzahl fun-damentaler Prozesse wie z. B. der Zellmigration und Zelladhäsion be-teiligt. Dabei wird die zielgerichtete Bildung der Aktinfasern durchandere Proteine reguliert. Eines davon ist VASP (Vasodilator-stimula-ted phosphoprotein). Die Abbildung zeigt zwei immunfluoreszenzmi-kroskopische Aufnahmen desselben Mausfibroblasten (70 μm Durch-messer), wobei an VASP ein grün fluoreszierender (A) und an Aktinein rot fluoreszierender (B) Ligand gekoppelt ist. Im Bild C sind dieBilder A und B übereinander gelegt. Die Gelbfärbung einiger Zell-bestandteile in C zeigt an, dass VASP und Aktin dort gleichzeitiglokalisiert sind, was deren Interaktion nahe legt (Aufnahmen: PeterBenz).

6

des Bluts, eliminiert und durch die bekannten Eigenschaf-ten der gewählten Lösung ersetzt werden. Es können also z.B. der pH-Wert, die Osmolalität, die K+-Konzentration undder Sauerstoffpartialdruck als Konstanten vorgewählt wer-den, während eine andere Größe, etwa das Zellpotenzial,z.B. in Abhängigkeit von der Ca2+-Konzentration gemessenwird.

Das Modell Zellkultur

Aus dem intakten Organismus isolierte Zellen können invitro weitergezüchtet werden (Primärkultur), doch ver-ändern sie dabei oft ihre Eigenschaften und sterben dannab. Will man über Monate und Jahre an Zellen mit weit-gehend konstanten Eigenschaften forschen, bedient mansich Zelllinien, die unsterblich (immortal) sind, d.h. diesich immer wieder teilen, ohne dabei wesentlich zu „al-tern“. Solche Zellkulturen entstammen bestimmten Tumo-ren oder wurden durch Virusinfektion immortalisiert. Ob-wohl allein schon diese Immortalität zeigt, dass sich dieSumme ihrer Eigenschaften von der einer „normalen“ Le-ber-, Nerven- oder Muskelzelle unterscheidet (und daherdie Übertragbarkeit der experimentellen Ergebnisse hierbesonders sorgfältig geprüft werden muss), können an sol-chen Zellen viele prinzipielle Fragen der Zellphysiologie ge-klärt werden.

Passen die Rädchen schließlich zusammen?

Lesen wir nochmals bei Claude Bernard nach: „…wenn maneinen lebenden Organismus auseinander nimmt, indemman seine verschiedenen Teile isoliert, tut man das nurzur Erleichterung der experimentellen Analyse und keines-wegs, um sie getrennt zu verstehen. In der Tat, will maneiner physiologischen Eigenschaft ihren Wert und ihrewirkliche Bedeutung zumessen, muss man sie immer aufdas Ganze beziehen und darf endgültige Schlussfolgerungennur im Zusammenhang mit ihren Wirkungen auf das Ganzeziehen…“ (1). Das war also das ursprüngliche Ziel der Wahleines Modells, der Griff zur Zellkultur, der Untersuchung invitro. Je größer allerdings, besonders in letzterem Fall, dieVereinfachung war, desto weiter hat sich der Physiologevom lebenden Organismus entfernt und desto vorsichtigermuss er sein, die Einzelergebnisse auf ihn zu übertragen. Jegrößer der Eingriff des Experimentators war, desto mehrbesteht die Gefahr, dass er nur die Folgen seines Eingriffs,also Artefakte misst, die mit der gesuchten physiologischenFunktion gar nichts zu tun haben. Auf der anderen Seitebesteht keinerlei Chance, die eigentlichen zellulären undmolekularen Mechanismen des Körpers, und das schließtauch so komplexe geistige Leistungen wie etwa das Ge-dächtnis mit ein, am intakten Organismus zu klären. InZukunft wird es die größte Herausforderung für die Physio-logie werden, die unendlich vielen Daten, die auf zellulärer,subzellulärer und molekularer Ebene gewonnen werden,wieder zu einer Gesamtschau der Physiologie des Men-schen zusammenzusetzen.

Kann Leben am Computer erforscht werden?

Ja und nein. Ja, weil er riesige Datenmengen auswertenkann, zu deren Bearbeitung unsere Lebensspanne oft nichtausreichen würde. Ja, weil mit ihm sehr rasch viele Kom-binationen bekannter Einzelfunktionen des Organismustheoretisch „ausprobiert“ werden können. Das heißt, mitihm lassen sich aus einzelnen Beobachtungen und experi-mentellen Befunden hypothetische Vorhersagen machen. Erkann also Bekanntes (Gespeichertes) neu kombinieren undbeim Experimentieren am lebenden Organismus helfen,große Datenmengen rasch zu erfassen und zu übersicht-lichen Zahlen zu kondensieren. Was er natürlich nichtkann, ist bekannte oder unbekannte Fakten, die nicht ge-speichert sind, berücksichtigen. Die Wirkung einer erst-malig aus dem Blut isolierten Substanz z.B. oder eines neu-artigen chemischen Stoffes auf die Zelle oder den Gesamt-organismus kann nur im Experiment an der Zelle bzw. amTier eruiert werden, nicht am Computer.

1.2 Ob Zelle oder Organismus: einoffenes System mit innerem Milieu

1.2.1 Die Autonomie der Zelle

Die Grenze zwischen Ordnung und Unordnung

Schon für einen Einzeller, also etwa eine Amöbe (Abb. 1.5)gilt es, zwei für sein Überleben notwendige, aber prinzipiellgegensätzliche Anforderungen zu erfüllen: Einerseits musser die „Ordnung“ dessen, was Leben ausmacht, gegen die„Unordnung“ der unbelebten Umgebung abschotten, ande-rerseits ist er als – sowohl im thermodynamischen als auchim kommunikativen Sinn – „offenes System“ auf den Aus-tausch von Wärme, Sauerstoff, Nahrungs- und Abfallstoffensowie von Informationen mit seiner Umgebung angewie-sen. Für das Abschotten sorgt die Zellmembran, deren hy-drophobe Eigenschaften die wässrigen Lösungen außerhalbund innerhalb der Zelle vor der tödlichen Vermischung be-wahren. Für die „Durchlässigkeit“ der Membranbarrieresorgen vor allem in ihr eingebaute Proteinmoleküle: zumeinen die sog. Rezeptoren, die dem Empfang und der Wei-tergabe von Informationen aus der Umwelt dienen; zumanderen besitzt die Membran Transportproteine, also Po-ren, Carrier und „Pumpen“ (Kap. 2.3, S. 23ff.). Die Durchläs-sigkeit der Membran ist selektiv und häufig geregelt. Sowerden viele für den Zellstoffwechsel wichtige Substrate,z.B. D-Glucose und L-Aminosäuren, aktiv in die Zelle trans-portiert; mit L-Glucose und D-Aminosäuren hingegen kanndie Zelle wenig anfangen; konsequenterweise werden sol-che inerten Stoffe meist auch nicht durch die Zellmembrantransportiert. Auch Ionenkanäle, -pumpen und -carrier sindmeist hoch spezifisch und, je nach Bedarf der Zelle, mehroder weniger aktiviert.

1.2 Ob Zelle oder Organismus: ein offenes System mit innerem Milieu 7

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Die Umwelt des Einzellers

In einem See oder im Ozean umgibt den Einzeller ein weit-gehend gleich bleibendes Milieu; es verändert sich prak-tisch nicht, wenn er sich daraus versorgt und nicht mehrVerwertbares dorthin abgibt. Solange er überhaupt lebt,d.h. die Ordnung von Struktur und Funktion (Synthese-und Energiestoffwechsel, Ionengradienten etc.) aufrecht-erhalten kann, ist er autonom. Ja, er ist mittels seiner Re-zeptoren und seiner Beweglichkeit (Pseudopodien, Geißeln)sogar in der Lage, auf Änderungen der Umwelt, z.B. derNährstoffkonzentration, mit gezielten Bewegungen zu rea-gieren bzw. ein geeigneteres Milieu aufzusuchen. Diese Au-tonomie der Einzelzelle geht im vielzelligen Organismusmit seinen spezialisierten Organen weitgehend verloren.Was dafür gewonnen wird, ist eine größere Leistungs-und Überlebensfähigkeit sowie ein erhöhter Aktionsradius.Augenfälligstes Beispiel dafür ist die Entwicklung von Lebe-wesen, die das Meer verlassen konnten und zu Landbewoh-nern geworden sind.

1.2.2 Das Meer in uns: Milieusicherung durchSpezialisierung

Auch jede der etwa 70 Billionen Zellen unseres Körpers istauf ein Milieu mit weitgehend konstanten Eigenschaftenangewiesen. Ganz im Gegensatz zur Situation des Einzellersim Wasser ist aber das Volumen der extrazellulären Flüssig-keit, in der unsere Zellen „schwimmen“, nicht nur nichtunendlich größer, sondern sogar deutlich kleiner als dasGesamtvolumen dieser Zellen (Kap. 11.2, S. 385 ff.). Ange-sichts der ununterbrochenen Inanspruchnahme dieser Flüs-sigkeit für die Ver- und Entsorgung der Zellen bedarf esdaher großer Anstrengungen, dieses innere Milieu zu erhal-ten. Beteiligt an dieser Milieusicherung oder Homöostasesind fast alle Organe und Organsysteme, von denen diesesBuch handelt (Abb. 1.6). Gleichzeitig haben Organe die Ab-schottungs- und Austauschfunktionen gegenüber bzw. mitder Umwelt übernommen. Den großen Vorteilen eines sol-chen Staates von spezialisierten Zellgruppen, also u.a. dergroßen Unabhängigkeit nach außen, steht als ein wesentli-cher Nachteil die gegenseitige Abhängigkeit der Organeund Organsysteme gegenüber. Fällt ein wichtiges davonaus, ist der ganze Organismus vom Tode bedroht.

1.2.3 Ungeregeltes Leben gibt es nicht

Integration durch Infrastruktur

Sinnvoll kooperieren können die spezialisierten Organe desKörpers nur, wenn ihre Funktionen aufeinander abge-stimmt sind. Als Infrastruktur stehen dazu vor allem dasNervensystem und das Kreislaufsystem zur Verfügung. Dierasche Kommunikation über Nervensignale wird dabei er-gänzt durch die langsamere Übermittlung humoraler Sig-nale auf dem Blutweg. Dieser ist darüber hinaus auch derVerkehrsweg für den An- und Abtransport unzähliger ande-rer Substanzen, seien es Nahrungs- oder Abfallstoffe, Roh-oder Fertigprodukte der zellulären Synthese oder der fastüberall benötigte Sauerstoff. Um z.B. ihn auch unter wech-selnder Belastung (etwa der Skelettmuskulatur) in ausrei-chender Menge (aber ohne gleichzeitige Energieverschwen-dung) anzuliefern, bedarf es der funktionellen Integrationeiner ganzen Palette von Einzelfunktionen: Atemtiefe,Atemfrequenz, Blutvolumen, Blutdruck (mit den Einzel-komponenten Herzschlagvolumen, Herzfrequenz und Ge-fäßweite), Erythrozyten- und Hämoglobinkonzentrationim Blut sind die wichtigsten davon. Schon dieses eine Bei-spiel zeigt, dass Leben (übrigens auch das des Einzellers)ohne Steuerung und darüber hinaus auch ohne Regelungnicht existieren kann (8,20).

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Mit Steuerung ist das gemeint, was ein Seemann macht,wenn er den Hafen verlassen hat: Er steuert das Schiff indie Himmelsrichtung, in der sein Ziel liegt. Wenn Karte undKompass sehr präzis sind, das Schiff unterwegs auf keine

1 Wer liest schon Einleitungen?

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Abb. 1.5 Versorgung und Entsorgung der Zelle. Ein Einzeller wiedie Amöbe lebt im Wasser (manche auch als Parasiten in der wäss-rigen Umgebung des menschlichen Darms: Amöbenruhr!); er nimmtdaraus Sauerstoff und Nahrung auf und gibt dorthin seine Abfallstoffeab. Das Milieu, in dem er lebt, ändert sich dadurch praktisch nicht, daes unendlich viel größer ist als er selbst. Im Gegensatz dazu sind dieZellen im menschlichen Körper von einem Extrazellulärraum umge-ben, der sogar kleiner als das Volumen dieser Zellen ist (Kap. 11.2,S. 385 ff.). Hier übernehmen Organe die Funktion der Sauerstoff- undNahrungsaufnahme und der Ausscheidung (s. auch Abb. 1.6) und er-halten so das „innere Milieu“ (1). Beim genaueren Hinsehen erkenntman auch schon in der Amöbe spezialisierte Zellorganellen, wie z.B.eine Nahrungsvakuole, in die größere Nahrungspartikel per Endozy-tose aufgenommen werden und aus der Unverdauliches per Exozyto-se wieder abgegeben wird, beides Mechanismen, die viele Zellen desmenschlichen Körpers zur Aufnahme bzw. Abgabe von Eiweißmole-külen benützen (Abb. 2.5, S. 21). Durch Ausstülpen von Pseudopodienkann sich der Einzeller auch bewegen, was Fibrozyten, die in eineWunde einwandern, oder Leukozyten, die sich auf eingedrungeneBakterien zubewegen, im Körper ebenfalls tun.

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