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25 Plötzliche Sehverschlechterung 4.1 Glaukomanfall – schnelles Handeln rettet das Augenlicht – 26 4.2 Augeninfarkt – gefürchteter Gefäßverschluss – 28 4.3 Netzhautablösung – dunkler Schatten – 31 4.4 Glaskörpereinblutung – wenn die Netzhaut blutet – 32 4.5 Diagnose: Sehnerventzündung – 33 4 B. Hartmann, W. Goertz, Augen-Sprechstunde, DOI 10.1007/978-3-642-35896-8_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Augen-Sprechstunde || Plötzliche Sehverschlechterung

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Plötzliche Sehverschlechterung

4.1 Glaukomanfall – schnelles Handeln rettet das Augenlicht – 26

4.2 Augeninfarkt – gefürchteter Gefäßverschluss – 28

4.3 Netzhautablösung – dunkler Schatten – 31

4.4 Glaskörpereinblutung – wenn die Netzhaut blutet – 32

4.5 Diagnose: Sehnerventzündung – 33

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B. Hartmann, W. Goertz, Augen-Sprechstunde,DOI 10.1007/978-3-642-35896-8_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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Makula (Netzhautmitte, gelber Fleck) und Sehnervkopf (Papille) sind entscheidend für das Sehen, die hohe Dichte an Sinneszellen in der Makula ermöglicht das scharfe Sehen. Der Sehnerv leitet alle Seh-informationen aus dem Auge zum Gehirn weiter. Dort werden sie dann zu Bildern weiterverarbeitet. Durchblutungsstörungen im Be-reich von Makula oder Sehnerv, eine Abhebung der Makula (Netz-hautablösung) und plötzlich auftretende Trübungen von Glaskörper oder Hornhaut können Ursachen für die akute Sehverschlechterung sein (. Abb. 4.1).

4.1 Glaukomanfall – schnelles Handeln rettet das Augenlicht

z Woran erkennt man einen Glaukomanfall, und warum verschlechtert sich das Sehen plötzlich?

Beim Glaukomanfall kommt es durch den Verschluss des Kammer-wasserabflusses zu einem massiven Augendruckanstieg auf Extrem-werte um 60  mmHg (normal: 14–21  mmHg). Diese hohen Augen-druckwerte führen zu einer ausgeprägten Hornhautschwellung, der Durchblick geht verloren, man sieht plötzlich schlechter. Das betrof-fene Auge ist stark gerötet und schmerzt meist stark. Übelkeit, Er-brechen und Kopfschmerzen sind weitere Symptome. Wird der Au-gendruck nicht schnell gesenkt, führen massive Veränderungen am Sehnerv zur Erblindung. Zusätzlich können sich Gefäße verschließen.

z Wie kommt es zu einem Glaukomanfall?Das Auge ist ein Fließkreislaufsystem (7 Abb. 2.2). Die »Quelle« nennt man Ziliarkörper, hier wird ständig neues Kammerwasser gebildet. Das Trabekelwerk im Kammerwinkel ist der Hauptabfluss. Verände-rungen im Kammerwinkel können einen guten Abfluss behindern, sodass der Augendruck steigt. Beim Glaukomanfall kommt es zum vollständigen Verschluss. Hauptursache ist ein angeborener enger Kammerwinkel. Durch die Verdickung der Regenbogenhaut (Iris) bei weiter Pupille, die Zunahme der Linsendicke beim grauen Star oder durch Verklebungen kann es zu einem Totalverschluss, dem Winkel-block, kommen.

Klassische Situationen für eine weite Pupille sind vorausgegange-ne Augenarztbesuche (medikamentöse Pupillenweitstellung), Angst-zustände und Dämmerungssehen. Sie können bei entsprechend en-gem Kammerwinkel einen Winkelblock auslösen. Natürlich ist in diesem Fall auch das Partnerauge gefährdet.

Verklebungen im Kammerwinkel entstehen durch entzündlich verändertes Kammerwasser. Auch Operationen und Unfälle kommen als Ursache für Veränderungen im Kammerwinkel infrage.

Kapitel 4 • Plötzliche Sehverschlechterung

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Gelber Fleck und Sehnervkopf sind entscheidend für das Sehen

Die Ursache für den Glaukomanfall: Das Kammerwasser kann nicht mehr abfließen

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z Was muss man zur Soforthilfe tun, wie wird behandelt?Schon beim Verdacht auf einen Winkelblock sollte man so schnell wie möglich die nächste Augenklinik aufsuchen. Dies ist keine Er-krankung, deren Behandlung bis zum nächsten Tag Zeit hat, da der Augendruck möglichst rasch gesenkt werden muss, um eine Erblin-dung zu verhindern.

Behandlungsziel ist die schnelle Augendrucksenkung. Drucksen-kende Augentropfen, Tabletten und Infusionen kommen zum Einsatz. Operativ wird ein Loch in die Regenbogenhaut geschnitten und so ein zusätzlicher Abfluss für das Kammerwasser geschaffen (. Abb. 4.2). Da unsere Augen »Zwillinge« sind, muss diese Operation zur Vorbeu-gung meist auch am Partnerauge durchgeführt werden. Bei heller Iris und klarer Hornhaut ist dieser Eingriff auch mit dem Laser möglich.

z Wie kann der Augenarzt vorbeugen, was sieht er im Kammerwinkel?

Im Rahmen der empfohlenen jährlichen Vorsorgeuntersuchungen kann der Augenarzt erkennen, ob eine Veranlagung für eine solche bedrohliche Situation vorliegt. Mithilfe eines Kontaktglases, welches auf das Auge aufgesetzt wird, ist die genaue Inspektion des Kammer-winkels (Gonioskopie) möglich.

Ein weiter Kammerwinkel erlaubt den Blick auf die sogenann-te Schwalbe-Linie, das Trabekelwerk, den Skleralsporn und den Zi-liarkörper. Ist nur die Schwalbe-Linie sichtbar, so handelt es sich um einen sehr engen Kammerwinkel: Es besteht ein Verschlussrisiko. Bei einem Winkelblock ist keine dieser Strukturen erkennbar. Manchmal bleibt ein Winkelblock auch unentdeckt, wenn sich der Kammerwin-kel spontan wieder öffnet.

. Abb. 4.1 Mögliche Ursachen für eine plötzliche Sehverschlechterung

Glaukomanfall

Schlaganfall

Augeninfarkt• Arterien-verschluss

• Venen-verschluss

Sehnerv-erkrankung

• Entzündung• Durchblutungsstörung

Migräne

Netzhautablösung

Glaskörper-einblutung

Vergiftung

Makula-erkrankung

• Blutung• Schwellung (Ödem)

Ursachenfür eine plötzlicheVerschlechterung

des Sehens

. Abb. 4.2 Operativ angelegtes zusätzliches Loch in der Regenbogen-haut bei engem Kammerwinkel zur Vermeidung eines Glaukomanfalls

4.1 •  Glaukomanfall – schnelles Handeln rettet das Augenlicht4

Notfall Glaukomanfall – sofort in die nächste Augenklinik!

Inspektion des Kammerwinkels

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4.2 Augeninfarkt – gefürchteter Gefäßverschluss

z Wie kommt es zur Sehverschlechterung?Unsere Sehschärfe hängt entscheidend von der Stelle des schärfsten Sehens (Makula) ab. Gefäßverschlüsse in diesem Bereich sind die Ursache für eine plötzliche, schmerzlose Sehverschlechterung. Je nach Größe des betroffenen Blutgefäßes handelt es sich um einen Zentral- oder Astverschluss.

z Mit dem Risiko leben – welche Risikofaktoren kennen wir?Unser Gefäßsystem enthält Arterien und Venen. Arterien führen das sauerstoffreiche Blut vom Herzen weg zu den Organen. Venen leiten das »verbrauchte« Blut zum Herzen zurück. Von dort wird es zur Lunge gepumpt und wieder mit Sauerstoff aufgeladen.

Bluthochdruck und Zuckerkrankheit sind die entscheidenden Ri-sikofaktoren für Gefäßverschlüsse im gesamten Körper. Nicht nur der Augeninfarkt (. Abb. 4.3), auch Herzinfarkt und Schlaganfall können die Folge sein. Nikotin und hormonelle Verhütungsmittel (Pille) ver-stärken diese krank machende Gefäßwirkung.

Der Augenhintergrund ist die einzige Stelle des menschlichen Körpers, an der man die Blutgefäße perfekt und ungehindert sehen und beurteilen kann. Das Gefäßbild erlaubt eine genaue Risikoein-schätzung. Die Behandlung und Vermeidung von Risikofaktoren ist wichtig – nicht nur fürs scharfe Sehen.

z Wie kommt es zum Arterienverschluss, und was sind die Folgen?

Kleine Blutklumpen, die durch Herzrhythmusstörungen, Entzündun-gen oder Verengungen im Blutgefäßsystem entstehen, werden ange-schwemmt und führen an anderer Stelle zum Verschluss einer Arterie. Man spricht von einer Embolie.

Durch einen Arterienverschluss wird die Zufuhr von sauerstoff-reichem Blut unterbrochen. Es kommt zu einer grau-weißlichen Schwellung der Netzhaut und nach 90 min zu einer bleibenden Schä-digung.

z Was ist zu tun?Eine Massage des Augapfels kann auch vom Laien als Sofortmaßnah-me versucht werden. Hierbei drückt man im Liegen bei geschlosse-nem Auge mit Blick nach unten den Augapfel langsam in die Augen-höhle, hält den Druck für etwa 5  s, um dann plötzlich loszulassen. Wenn man Glück hat, löst sich der Gefäßverschluss auf. Diese Massa-ge sollte aber nicht länger als 10 min lang durchgeführt werden.

In der Augenklinik ist eine schnelle Augendrucksenkung zur Durchblutungsförderung die 1. Behandlungsmaßnahme. Blutverdün-nende Medikamente zur Auflösung des Verschlusses werden ebenfalls eingesetzt, bleiben jedoch meist erfolglos.

. Abb. 4.3 Verschluss der Zentral-arterie. Die Netzhaut wird nicht mehr durchblutet und ist daher hell und geschwollen

Kapitel 4 • Plötzliche Sehverschlechterung

Risikofaktoren: Zuckerkrankheit und Bluthochdruck

Ursachen für einen Arterien - verschluss sind Herzrhythmus-störungen, Entzündungen und Verengungen

Soforthilfe: Massage des Augapfels

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Den wichtigsten Stellenwert haben die Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiografie), der Halsgefäße (Carotis-Doppler-Sonografie) und die Überprüfung der Blutgerinnung. Hierdurch kön-nen zwar bereits eingetretene Schäden nicht beseitigt werden; man kann aber mögliche Risiken für weitere Gefäßverschlüsse erkennen und durch gezielte Behandlung verringern.

Patienten mit Herzrhythmusstörungen erhalten zur Vorbeugung gegen Blutklumpenbildung blutverdünnende Medikamente (Aspirin, Marcumar). Höhergradige Verengungen im Bereich der Halsschlag-ader (Carotisstenose) können vom Gefäßchirurgen beseitigt werden, ein Schlaganfall (Apoplex) wird so verhindert.

z Welche Rolle spielt eine vorübergehende Erblindung (Amaurosis fugax)?

Diese schmerzlose, meist nur wenige Minuten andauernde Erblin-dung ist Folge eines kurzfristigen Verschlusses, der sich spontan wie-der auflöst. Die Netzhaut kann sich wieder erholen. Diese Beschwer-den können Vorbote von Augeninfarkt, Schlaganfall oder Herzinfarkt sein. Eine gründliche Diagnostik (Blutgerinnung, Herzuntersuchung, Ultraschall der Halsschlagadern) zum Ausschluss möglicher Risiko-faktoren ist auch hier unbedingt erforderlich.

z Wie entstehen Venenverschlüsse, und welche Folgen haben sie?

Blutklumpen, die am Ort ihrer Entstehung zum Gefäßverschluss füh-ren, nennt man Thromben. Gefäßwandveränderungen durch Blut-hochdruck und Diabetes sind auch hier die Hauptursache. Aber auch schlechte Blutflusseigenschaften (»zu dickes Blut«) oder ein zu hoher Augendruck (z. B. beim Glaukomanfall) können Auslöser von Venen-verschlüssen sein.

Durch den Verschluss wird das sauerstoffarme Blut gestaut. Prall gefüllte Adern, streifige Blutungen und die Schwellung von Netzhaut-mitte (Makula) und Sehnerv sind die Folge (. Abb. 4.4).

z Welche anderen Ursachen kann eine Makulaschwellung (Ödem) haben?

Die altersbezogene Makuladegeneration (AMD) kann ebenfalls zur plötzlichen Schwellung der Netzhautmitte (Makula) führen. Nach Operation des grauen Stars (Katarakt) kann die Makula sogar noch nach 10  Wochen mit einer Schwellung auf die OP reagieren. Zum Glück kommt es hierbei in 95 % der Fälle zu einer spontanen Rück-bildung ohne bleibende Sehverschlechterung. Ähnlich ist der Verlauf bei der Makulaschwellung durch Stress (Chorioretinopathia centralis serosa). Sie trifft meist junge Männer und führt in beruflichen Stress-situationen zu einer Sehverschlechterung. Die Betroffenen werden somit von den Augen zu einer Pause gezwungen.

4.2 •  Augeninfarkt – gefürchteter Gefäßverschluss4

Warnsignal: Vorübergehende Erblindung (Amaurosis fugax)

Die plötzliche Schwellung der Netzhautmitte (Makulaödem)

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z Welche Komplikationen können durch Gefäßverschlüsse entstehen?

Bleibt eine einseitige Sehverschlechterung unbemerkt und liegt zum Beispiel ein Venenverschluss vor, so entsteht eine Minderdurchblu-tung (Ischämie) in Teilen der Netzhaut. Mögliche Folge: krankhafte Gefäßneubildungen an Netzhaut und Regenbogenhaut (Iris). Wird der Kammerwasserabfluss durch solche Irisgefäße behindert, entsteht eine Augendruckerhöhung.

Ursachen für eine plötzliche Sehverschlechterung ist meist ein Gefäßverschluss der Netzhautmitte (Makula). Es kann sowohl eine Netzhautarterie als auch eine Netzhautvene betroffen sein. Beim Ar-terienverschluss kommt es zu einer mangelnden Durchblutung der Netzhaut in den betroffenen Bezirken. Die Folge ist eine Netzhaut-schwellung (Ödem). Beim Verschluss einer Vene kann das Blut nicht mehr abfließen. Es kommt zu einem Rückstau ins umliegende Ge-webe. Blutungen in die Netzhaut entstehen. Gefäßverschlüsse von Gefäßen der Randbereiche bleiben häufig unbemerkt oder sind Zu-fallsbefunde bei einer Routinekontrolle.

z Wie behandelt man Gefäßverschlüsse?Die Ursache muss zunächst in Zusammenarbeit mit Hausärzten, In-ternisten und Kardiologen behandelt werden.

Bei Venenverschlüssen kann der Augenarzt anhand einer Fotose-rie vom Augenhintergrund feststellen, ob es sich um eine mangelnde Durchblutung (Ischämie) handelt. In diesem Fall muss man die Netz-haut vorbeugend lasern, um krankhafte Gefäßneubildungen, die zu Blutungen führen würden, zu vermeiden.

. Abb. 4.4 Verschluss eines Venenastes mit Netzhautblutungen. Die hellen Flecken zwischen den Blutungen sind nicht durchblutete Netzhautbezirke, so-genannte Cotton-Wool-Herde

Cotton-Wool-Herd

Kapitel 4 • Plötzliche Sehverschlechterung

Bei mangelnder Durchblutung sollte die Netzhaut vorbeugend gelasert werden

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4.3 Netzhautablösung – dunkler Schatten

z »Plötzlich ist ein dunkler Schatten aufgetaucht« – wie kommt es zu diesen Beschwerden, was ist die Ursache?

Netzhautlöcher oder -risse können zur Ablösung der Netzhaut von ihrer Unterlage, dem retinalen Pigmentepithel, führen (. Abb. 4.5). Die Netzhaut liegt diesem nur wie eine Tapete an. Kommt es durch einen Netzhautriss zum Flüssigkeitsstrom unter die Netzhaut, so ent-steht eine Abhebung. Schreitet dieser Prozess weiter fort, so kann sich auch die Netzhautmitte (Makula) abheben. Eine erhebliche plötzliche Sehverschlechterung ist die Folge.

Risikofaktoren für eine Netzhautablösung sind: 5 Kurzsichtigkeit (Myopie) 5 vorangegangene Netzhautablösung am Partnerauge (20 %) 5 Fälle von Netzhautablösung in der Familie 5 degenerative Netzhautveränderungen (dünne Stellen) 5 Netzhautrisse

Degenerative Netzhautveränderungen wurden nach ihrem Aussehen benannt: Man findet Schneckenspuren, Gitterlinien und Rundlöcher. Kommen Zugkräfte auf den Glaskörper hinzu, kann es zu Netzhaut-rissen und zur Ablösung kommen. Durch eine Laserbehandlung kann man verdächtige Netzhautveränderungen umstellen und so in den meisten Fällen eine Netzhautablösung verhindern.

. Abb. 4.5 Bei der Netzhautablösung trennt sich die Netzhaut vom Pigmentepi-thel. Durch ein Netzhautloch kann Flüssigkeit zwischen Netzhaut und Pigment-epithel fließen, es kommt zur Netzhautablösung

Linse

Hornhaut

Netzhaut

Netzhautablösung

Netzhautriss

Flüssigkeitseinstrom

Aderhaut

Pigmentepithel(Teil der Netzhaut)

Glaskörper

Lederhaut

Sehnerv

4.3 •  Netzhautablösung – dunkler Schatten4

Risikofaktoren für eine Netzhautablösung

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Hauptsymptome dieser Zugkräfte und Vorboten einer Netzhaut-ablösung sind Lichtblitze, Rußflocken und schwarze Mücken. Ein sich senkender Vorhang und Gesichtsfeldausfälle sind typische Symptome einer bereits bestehenden Netzhautablösung.

z Welche anderen Erkrankungen können zu einer Netzhautablösung führen?

Ausgeprägte Veränderungen im Rahmen einer Zuckerkrankheit kön-nen zu Gefäßneubildungen, Glaskörpersträngen und zur Netzhaut-ablösung führen. Auch die Frühgeborenennetzhaut und Venenver-schlüsse führen über den gleichen Mechanismus zur Ablösung. Ver-letzungsfolgen und Tumorbildung können ebenfalls eine Abhebung der Netzhaut verursachen.

z Was ist entscheidend für die Sehschärfe?90 % der Netzhautablösungen werden heute auch Dank der gründ-lichen Vorsorgeuntersuchungen erfolgreich vermieden. Verschleppte Netzhautablösungen sind die Ausnahme, können aber zu Komplika-tionen mit Membranbildungen und einer bleibenden Sehverschlech-terung führen. Entscheidend für die Sehschärfe nach der Operation ist auch hier die Netzhautmitte. Ist die Makula zu lange von ihrer Versorgungsschicht, dem Pigmentepithel, abgehoben, erholt sich die Netzhaut nicht mehr vollständig. Die Sehverschlechterung bleibt be-stehen.

4.4 Glaskörpereinblutung – wenn die Netzhaut blutet

Neben dem Bluthochdruck ist die Zuckerkrankheit (Diabetes mel-litus) eine weitere Hauptursache für eine plötzliche Sehverschlech-terung. Dabei kommt es ebenfalls zu Gefäßveränderungen. Kleine Aussackungen, Punktblutungen und Fettablagerungen an Netzhaut-gefäßen sind hier typisch. Im schlimmsten Fall führen unkontrollierte Gefäßneubildungen zur Blutung in Vorderkammer und Glaskörper-raum (. Abb. 4.6) und somit auch zur plötzlichen Sehverschlechte-rung.

Ist solch eine Blutung erst einmal entstanden, so kann der Augen-arzt die Netzhaut mit dem Augenspiegel nicht mehr beurteilen, da das Blut den Durchblick verhindert (der Patient kann nicht raus- und der Augenarzt kann nicht reingucken). Die Ultraschalluntersuchung ist die Rettung. Sie ermöglicht eine Aussage, ob die Netzhaut hinter der Blutung anliegt. Bei anliegender Netzhaut ist Abwarten erlaubt. Hat man Glück, so löst sich die Blutung langsam auf, und man kann lasern (7 Geschichtliches: Prof. Dr. Gerd Meyer-Schwickerath – der Erfinder der Lichtkoagulation). Im anderen Fall ist eine operative Entfernung des Glaskörpers (Vitrektomie) mit Laserbehandlung notwendig. Mögli-che Komplikation kann ein Augendruckanstieg durch Gefäßneubil-

Kapitel 4 • Plötzliche Sehverschlechterung

Gefäßveränderungen bei Zuckerkrankheit können zur Blutung in den Glaskörperraum führen

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dungen an der Regenbogenhaut sein. Der Augendruck muss regel-mäßig kontrolliert werden.

z Was wird bei einer Glaskörperentfernung (Vitrektomie) genau gemacht?

Bei der Vitrektomie wird der Glaskörper, der das Auge wie ein Gel ausfüllt, herausgeschnitten, bestehende Gewebestränge werden ent-fernt und das Auge wird meist mit Silikonöl oder Gas aufgefüllt um eine Netzhautablösung zu vermeiden. Zusätzlich wird die Netzhaut gelasert, um Gefäßneubildungen zu verhindern.

4.5 Diagnose: Sehnerventzündung

Bei der Sehnerventzündung kann der vordere oder der hintere An-teil des Sehnervs betroffen sein. Bei der vorderen Sehnerventzün-dung (Papillitis) ist der Sehnerv geschwollen, weiß-gelblich verfärbt und unscharf begrenzt. Bei ungünstigem Verlauf kommt es durch Schwund (Atrophie) des Sehnervs zur Erblindung.

Ursachen für die vordere Sehnerventzündung können multiple Sklerose oder Infekte der oberen Luftwege (besonders bei Kindern) sein. Zur Diagnostik sollte daher immer auch eine Untersuchung beim Internisten, Neurologen und HNO-Arzt erfolgen. Mit der Kern-

. Abb. 4.6 Gefäßneubildungen mit Vorderkammer- und Glaskörpereinblutung

Blut

Hornhaut

Sehnerv

Netzhaut

Glaskörper

Aderhaut

Linse

Lederhaut

Gefäßneubildung

Regenbogenhaut

Blut

4.5 •  Diagnose: Sehnerventzündung4

Sehnerventzündung: Internist, Neurologe, HNO-Arzt

und Augenarzt sollten zusammenarbeiten

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spintomografie (MRT) lassen sich mögliche Entzündungsherde, die bei der multiplen Sklerose vorkommen, entdecken.

Die hintere Sehnerventzündung tritt meist einseitig auf und zeigt bei der Untersuchung keinen Befund. Der Patient sieht auf dem be-troffenen Auge schlecht, aber der Augenarzt findet keine erkennba-re Ursache. Typische zusätzliche Beschwerden sind ein Druckgefühl und Schmerzen bei Augenbewegungen.

z Welche Ursachen kommen infrage?Die multiple Sklerose (MS) ist eine schleichende, entzündliche Er-krankung des Nervensystems. Es kommt zu Entmarkungsherden in Gehirn und Rückenmark. Die Folgen: Schwäche und Taubheitsgefühl in den Beinen sowie Sehstörungen. 30 % der Betroffenen bekommen im Verlauf dieser Erkrankung eine Sehnerventzündung. Auch Dop-pelbilder durch Störungen der Augenbeweglichkeit kommen vor.

Bei Kindern sind virale Erkrankungen der oberen Luftwege häu-fige Ursache. Eine Untersuchung beim HNO-Arzt sollte immer er-folgen.

Auch Vergiftungsschäden durch Tabak und Alkohol sind als Ursa-che möglich. Hier treten die Sehstörungen jedoch meist beidseitig auf. Eine Entzündung nach Zeckenbiss (Borreliose) oder Infektio-nen wie Tuberkulose und Syphilis sind möglich, heute aber selten. Sicherheitshalber sollte man diese aber durch eine Labordiagnostik ausschließen.

z Was ist die Riesenzellentzündung (Hortonsche Erkrankung), welche Beschwerden treten auf, und wie gefährlich ist diese Erkrankung?

Schläfenkopfschmerz, Kauschmerzen, Leistungsschwäche, Fieber, Gewichtsverlust und plötzliche massive Sehverschlechterung auf zu-nächst einem Auge sind die klassischen Beschwerden, die diese tü-ckische Erkrankung hervorruft. Es handelt sich um eine Entzündung der Blutgefäße im gesamten Körper. Behandelt man zu spät, so kann es innerhalb weniger Stunden zur Erblindung beider Augen kommen.

Die Lichtkoagulation wurde in den 1950er-Jahren durch Prof. Dr. Gerd Meyer-Schwickerath an der Universitätsklinik Bonn erfunden und in Essen weiterentwickelt. Auch heute noch wird nach seinem Prinzip be-handelt. Glaskörpereinblutungen kann vorgebeugt werden, indem man die Netzhaut lasert, Netzhautnarben produziert und so den Sauerstoff-bedarf der Netzhaut senkt. Der so reduzierte Sauerstoffbedarf verhindert die Entstehung von krankhaften Gefäßneubildungen und Glaskörperein-blutungen.

Geschichtliches: Prof. Dr. Gerd Meyer-Schwickerath – der Erfinder der Lichtkoagulation

Kapitel 4 • Plötzliche Sehverschlechterung

Hortonsche Erkrankung: Schläfenkopfschmerz, Kauschmerz, Gewichtsverlust, Sehverschlechterung

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z Welche genaue Ursache hat diese Form der Erblindung?Durch die Entzündung der Blutgefäße kommt es zu Wandverän-derungen in den Schlagadern des Sehnervs. Mögliche Folgen: eine plötzliche, drastische Durchblutungsstörung und eine bleibende Seh-nervschädigung. Gesichtsfeldausfälle, meist der unteren Hälfte, sind typisch.

z Welche Behandlung hilft?Eine hochdosierte Kortisonbehandlung ist das Mittel der Wahl. Pa-rallel sollte man jedoch die infektiösen Formen der Sehnerventzün-dung durch Blutuntersuchungen ausschließen. Schon beim Verdacht auf diese Erkrankung wird mit Kortison behandelt. Dies geschieht nicht, um die Sehschärfe am erkrankten Auge zu verbessern, sondern um das Partnerauge zu retten. Ohne Behandlung erkrankt es in 40 % der Fälle. Eine genaue Diagnostik muss sich natürlich anschließen. Hierbei sind die Untersuchung der Blutsenkungsgeschwindigkeit und eine feingewebliche Untersuchung der Schläfenarterie (Temporalis-biopsie) entscheidend.

4.5 •  Diagnose: Sehnerventzündung4

Die Kortisonbehandlung rettet das Partnerauge