Augsburg unterm Hakenkreuz - alfred.dhausmann.de unterm Hakenkr… · NSDAP-Führung in München, mit Ausnahme Hitlers, auf seine Positionen festzulegen; auch die Nürnberger Gruppe

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  • Augsburg unterm Hakenkreuz

    Ich mchte mit einem Bild aus der Augsburger Umgebung in unser Thema einsteigen.

    Wahrscheinlich kann niemand ausmachen, wo wir hier sind. Es knnte jeder beliebige Vorort sein. Aber er hat einen besonderen Bezug zur frhen Geschichte der NSDAP Augsburg.

    Es ist das Dickelsmoor nordstlich des Autobahnsees, zu Derching und damit Friedberg gehrend.Welchen Bezug gibt es zu unserem Thema? Der Name geht zurck auf Otto Dickel, dessen Idee und Initiative zur Grndung dieser Siedlung im Jahr 1922 fhrten.

    Otto Dickel war Biologie- und Sportlehrer am Realgymnasium, dem heutigen Peutinger Gymnasium. Dickel verffentlichte mehrere Bcher, in denen er seine Weltsicht darlegte: eine Mischung aus Nationalismus, Antisemitismus, lebensreformerischen Ideen (zurck zur Natur, dem Arbeiter eine eigene Scholle), wirtschaftsreformerischen Gedanken (Abschaffung der Zinsen und des Geldes). Gleichgesinnte scharte er um sich in der Deutschen Werkgemeinschaft. Man grndete in der besagten Moosgegend eine Laubenkolonie, aus der sich spter die Massivhaussiedlung entwickelte. Was hat das alles mit Hitler zu tun? berraschend viel! Die Dickelsche Werkgemeinschaft war nicht nur eine Ernst zu nehmende Konkurrentin der NSDAP in Augsburg, auch Dickel wuchs nach seinem Eintritt in die NSDAP zu einem fr Hitler gefhrlichen innerparteilichen Gegner heran, dem es 1921 sogar gelang, Hitler als Parteivorsitzenden kurzzeitig zu entmachten. Was ist bis zu diesem Ereignis ber Hitlers politische Laufbahn erwhnenswert? Im Herbst 1919 tritt der ber den verlorenen Krieg malos enttuschte und frustrierte 30jhrige einer der zahlreichen rechtsextremen Mnchner Splittergruppen bei. Sie nennt sich Deutsche Arbeiterpartei. Im Hinterzimmer des Sternecker Bru im Tal war Hitler als 7. Mitglied vom Vorsitzenden Anton Drechsler, Schlosser bei der Reichsbahn geworben worden. Hitler kann sich mit seinem Rednertalent rasch an die Spitze der Gruppe setzen, die fast nur aus Kollegen des Vorsitzenden besteht. Im Januar 1920 fhrt er seine erste grere Veranstaltung im Hofbruhaus durch, die bereits 2000 Zuhrer anzieht. Bei dieser Gelegenheit verkndet er eigenmchtig , dass der Parteiname in Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei umgendert sei. Etwa zu dieser Zeit ist Dickel in die Hitlerpartei eingetreten. Es gelingt ihm im Sommer 1921 die NSDAP-Fhrung in Mnchen, mit Ausnahme Hitlers, auf seine Positionen festzulegen; auch die Nrnberger Gruppe der Deutschen Sozialistischen Partei unter Julius Streicher holt er ins Boot. Hitler erklrt unter Protest seinen Parteiaustritt. Die Vorstandschaft will ihren besten Redner nicht verlieren, schwenkt um und schliet nun Dickel aus der Partei aus. Man bertrgt Hitler den Vorsitz und stattet ihn, wie er es fordert, gem dem Fhrerprinzip mit diktatorischen Vollmachten aus. Wie erging es Dickel? 1934 wurde er im Rahmen der Mordaktion gegen die SA-

  • Fhrer verhaftet, wegen Hochverrats angeklagt, verurteilt, nach 10 Monaten entlassen, unterrichtete wieder an seiner Schule, wurde dann nach Hof versetzt und beging im Juni 1944 Selbstmord, als ihm wieder die Verhaftung durch die Gestapo drohte. Zurck zu Augsburg: Am 21. Januar 1921 sprach Hitler das erste Mal in Augsburg im Cafe Maximilian in der Maxstrae ber das Thema Der Arbeiter im Staat der Zukunft. Dickel war unter den Zuhrern und widersprach Hitler mehrmals. Die Ehre des Besuchs Hitlers verdankt Augsburg sicher einem frhen Frderer des Fhrers in unserer Stadt.

    Diese gut brgerliche Erscheinung war der Apotheker und lmhlenbesitzer Gottfried Grandl, auch Besitzer der Pfladermhle, lteste Mhle Sddeutschlands und lteste und noch bestehende Firma Augsburgs aus dem 13. Jahrhundert. Heute stellt die Firma Grandl Wellnessprodukte her. Der Grovater des heutigen Firmenchefs organisierte 1920 fr Hitler ein Flugzeug, das ihn vom Augsburger Flugplatz nach Berlin zum Kapp Putsch brachte. Zur Erinnerung: Teile der Reichswehr und Freikorps hatten geputscht, Kapp zum Reichskanzler erklrt, die Reichsregierung war nach Stuttgart ausgewichen und hatte die Bevlkerung zum Generalstreik aufgerufen. Da dieser befolgt wurde, brach der unblutig verlaufene Putsch nach vier Tagen zusammen und die Republik war gerettet, wenigstens fr die nchsten 13 Jahre.1920 kaufte Hitler fr die NSDAP einen Zeitungsverlag, in dem er den Vlkischen Beobachter herausbrachte, fr die Splitterpartei ein finanzielles Abenteuer. Wer gab die Kredite? Abermals fhrt die Spur nach Augsburg zu Dr. Grandl. Er bernahm eine Brgschaft fr seinen Parteivorsitzenden. In Augsburg war im Mai 1921 die NSDAP-Ortsgruppe gegrndet worden, die aber unter dem Einfluss Dickels stand. Deshalb wurde spter stets von der NSDAP der 27. Oktober 1922 als Grndungsdatum genannt und gefeiert und als Grndungsort das Cafe Pelikan in der Jakobervorstadt. Ab diesem Tag war die Partei unter dem Einfluss Hitlers und die Dickelsche Vorgeschichte wurde totgeschwiegen. Ab Herbst 1922 waren die Auftritte der Partei von Provokationen und Schlgereien mit Kommunisten begleitet. Zwei Erfahrungen der Augsburger Nazis im November 1922 fhrten zur Grndung einer SA-Gruppe. Zu einer ersten Veranstaltung hatte man noch Saalschutz (40 bis 50 Mann) aus Mnchen angefordert, die nach der Versammlung singend mit Fahnen zum Bahnhof zogen. Die Augsburger Linken drohten, sich dieses Gastspiel kein zweites Mal bieten zu lassen. Zwei Wochen spter belegten SPDler frhzeitig den Saal der Nationalsozialisten und nahmen per Abstimmung dem Versammlungsleiter sein Amt aus der Hand. Daraufhin wurde die Augsburger SA gegrndet. Am 2. Mrz 1923 bestand sie (Originalton!) ihre Feuertaufe im Ludwigsbau.

    Der Ludwigsbau stand dort, wo heute die Kongresshalle ist, ein schner in historisierender Architektur ausgefhrter Bau von Otto Holzer. 1965 wurde er wegen Einsturzgefahr der Kuppel abgebrochen. Nach Sprengung der Wnde lag die Kuppel als Ganzes am Boden. Im Ludwigsbau hinderten damals 1923 Kommunisten den NS-Redner am Sprechen, gegen 9 bewarfen sich die Lager mit Bierkrgen, bevor eine allgemeine Schlgerei entstand. Die Polizei rumte den Saal, im Garten gingen die Schlgereien weiter, die sich bis zum Knigsplatz ausbreiteten.

  • Am 29. Mai 1922 sprach Hitler zum zweiten Mal in Augsburg in der Sngerhalle.

    Die Sngerhalle lag stlich vom Ludwigsbau, heute wre das der freie Platz vor der Kongresshalle. Am 1. Mai 1933 sollte dort die groe Maifeier der NSDAP stattfinden. Die Halle war geschmckt mit unzhligen Hakenkreuzfahnen. In den frhen Morgenstunden brannte die Halle vllig nieder. Razzien und Verhaftungen in den Armenquartieren und Kommunistenvierteln erfolgten. Tter konnten nicht ausgemacht werden. Augsburg hatte seinen Reichstagsbrand im Kleinen. Unterschied: Im Gegensatz zu Berlin kann man davon ausgehen, dass die Nazis nicht die Tter waren. Ob technischer Defekt oder Tat eines Einzeltters oder von Gegnern es bleibt im Dunkeln. Zurck zum Jahr 1923. Im November wollten Hitler und seine Leute Ngel mit Kpfen machen. Man beabsichtigte gegen die bayerische Regierung Kahr zu putschen, die aus nationalgesinnten Mnnern bestand, und 1920 durch ein Komplott und ein Ultimatum gegen den sozialdemokratischen Ministerprsidenten Hofmann an die Macht gekommen war. Kahr und seine Regierung hatten Bayern zu einer Ordnungszelle gemacht. Die Ordnung bestand allerdings in einer Bekmpfung aller linken Bestrebungen und einer Untersttzung selbst rechtsradikaler Mordbanden wie die Organisation Consul, der Matthias Erzberger und Walter Rathenau zum Opfer fielen. Hitler wollte die Regierung Kahr, die selbst schon einen Marsch auf Berlin plante, absetzen, aber auch zur Mitarbeit gewinnen. Er plante mit der bayerischen Armee in Berlin einzumarschieren, die Regierung abzusetzen und die nationale Revolution auszurufen. Ludendorff konnte fr den aberwitzigen Plan gewonnen werden, der wie man wei, scheiterte, weil das in Bayern regierende Triumvirat um Kahr nicht mitspielte und seine Landespolizei gegen die marschierenden Braunhemden einsetzte. An der Feldherrnhalle starben vier Polizisten und 13 alte Kmpfer im Kugelhagel.

    Augsburger waren nicht dabei, auch nicht unter den berlebenden. Denn die Augsburger SA, die damals etwa 90 Mitglieder hatte bei ca. 200 Parteigenossen war zwar nach Mering befohlen worden, ohne zu wissen warum und wartete dort auf einen weiteren Einsatzbefehl. Als der nicht kam, fuhr man im Morgengrauen zurck nach Augsburg und ihr Chef Karl Wahl (der sptere Gauleiter) beeilte sich ohne Versptung an seinen Schreibtisch in der Stadtverwaltung zu kommen, wie es sich fr einen verbeamteten Revolutionr gehrt. Bei dem im Mrz 1924 stattfindenden Prozess gegen Hitler und Ludendorff bot man Hitler eine Bhne fr seine Agitation und verurteilte ihn zu fnf Jahren, von denen er nur neun Monate unter gerade luxurisen Bedingungen in Landsberg absitzen musste. Die Zeit nutzte er zum Schreiben von Mein Kampf. Die NSDAP wurde verboten, so dass bis 1925 auch in Augsburg tote Hose war, natrlich wich man in Tarnorganisationen aus, die berwachung des Verbots war entsprechend lasch. Ende Februar1926 wurde die NSDAP wieder gegrndet und schon Anfang Mrz folgte die Augsburger Ortsgruppe, deren Fhrung jetzt Karl Wahl bernahm.

    Am 1. Oktober 1928 stieg Wahl zum Gauleiter der NSDAP Schwaben auf. Sein Nachfolger als Fhrer der Augsburger NSDAP wurde der Baufhrer Gallus Schneider. Er blieb bis 1945 Kreisleiter der NSDAP und bis zu seinem Tod 1975 berzeugter Nationalsozialist. Dass die NSDAP bis Ende der Zwanziger Jahre noch ein berwiegend bayerisches

  • Phnomen war, zeigt das Ergebnis der Reichstagswahl von 1928. 2,6 % der Stimmen im Reich waren ein marginales Ergebnis, in Augsburg waren es immerhin schon 7 %. Bei den Kommunalwahlen 1929 zog die NSDAP zum ersten Mal in den Augsburger Stadtrat ein: von 50 Sitzen errang sie drei. Neben Schneider saen Hans Rehm, Metzger und spter Vorsitzender der Industrie- und Handelskammer und der Verwaltungsbeamte Josef Mayr, der sptere Augsburger Oberbrgermeister im Rat.Von 1930 bis Ende 32 hat sich die Zahl der NSDAP-Mitglieder in Augsburg auf rund 1800 verdreifacht. Damit war sie nach der SPD zur zweitstrksten Mitgliederpartei geworden. Vom Erwerbslosen bis zum Grobrger waren alle Schichten vertreten. Die strkste Ortsgruppe war das Sdend (Bismarckviertel, Hochfeld), die schwchste Lechhausen. Seit 1929 gab es in Augsburg auerdem eine Schutzstaffel (SS), deren Grndung der Reichsfhrer SS Himmler whrend eines Zugaufenthalts in Augsburg angeordnet hatte. Anfangs bestand sie aus zehn Mann, zu Beginn des Jahres 1933 waren es knapp 500. 1931 bernahm der berchtigte Hans Loritz die SS-Fhrung.

    Die Krisenjahre am Ende der Weimarer Republik fhrten bekanntlich zu einer politischen Radikalisierung. Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise, die Entmachtung des Reichstags durch die Prsidialkabinette ohne parlamentarische Mehrheiten, die permanenten Wahlkmpfe des Jahres 1932 fhrten zu einem ungeheuren Ausma an politisch motivierter Gewalt. Der Schlssel zur Macht im Staat sei, so steht es in einer Jubilumsschrift der SA, der Besitz der Strae. Durch Aufmrsche in allen Stadtvierteln suchte sie sich den zu sichern. Geordnet in Braunhemden im Gleichschritt marschierend begleitet vom klingenden Spiel des Musikzuges, auch wenn das Repertoire aus einem einzigen Marsch bestand, die Standarte voraus tragend, die man auf dem Weimarer Parteitag aus der Hand des Fhrers erhalten hatte, so gehrte die SA in Augsburgs Straen schon fast zum alltglichen Bild. Zur Schau gestellt wurde neben diesem Bild uerer Ordnung eine aggressive, hasserfllte Gewaltbereitschaft, die Mischung aus Antikommunismus, Antisozialismus, Antisemitismus und Republikfeindlichkeit. So kam es in diesem Jahr zu unzhligen Saal- und Straenschlachten zwischen SA einerseits und kommunistischem Rotfrontkmpferbund und Eiserner Front der republikanischen Parteien SPD, Zentrum und Demokraten andererseits. Die Aufzeichnungen der Einstze der Polizei lassen erkennen, welchen sprunghaften Anstieg die politischen Auseinandersetzungen genommen haben. Von 1930 bis 32 waren es in Augsburg 440 ffentliche Versammlungen und Demonstrationen. Im Januar 33 sei ein NS-Propagandamarsch durch das rote Lechhausen gezogen, berichtete ein Augenzeuge. Jemand warf mit Benzin gefllte Christbaumkugeln in den Fackelzug. Es kam zwar zu keiner Katastrophe aber zu chaotischen Tumulten. SA, SS und berittene Polizei schlugen auf Passanten ein. Der Augenzeuge weiter: in unserer Strae flogen Blumentpfe auf die Uniformierten. Ein Sprechchor ertnte: Arbeiter, lasst Blumen sprechen. Fr solche Einstze bekam der SA-Mann neben den Heilsversprechungen des Fhrers ein System von Betreuungs- und Untersttzungsmanahmen: Hilfe bei der Arbeitssuche, Untersttzung bedrftiger Mitglieder und Kameradschaft in den SA-Sturmlokalen und Suppenkchen. Der seit 1930 amtierende Augsburger Polizeidirektor Dr. Ernst Eichner mahnte noch am 23. Januar 1933 eine hrtere Gangart gegenber den Nationalsozialisten an. Es sei, so schrieb er klar sehend, unmglich, dass die Polizei die Naziaufmrsche schtzen msse, weil angeblich durch sie die ffentliche Sicherheit nicht gestrt

  • werde. In Wahrheit aber so Eichner handele es sich um Trutzmrsche, die zeigen sollten, dass man sich gegenber der Staatsgewalt die Strae erkmpft habe. Die Polizei msse am Vorabend eine Kundgebung schtzen, in der die Regierung angegriffen werde und sei dabei einer tzenden und zersetzenden Agitation ausgesetzt. Eichner erwhnt auch die Taktik der Nazis bei Schlgereien, die die Polizei mit dem Schlagstock zu unterbinden sucht, die Deutschlandhymne zu singen. Die Polizisten mussten dann sofort stramm stehen und salutieren. Der Bericht wurde Eichner zum Verhngnis. Im Mrz 33 trat er zwar als sog. Mrzgefallener der NSDAP bei und machte zunchst Karriere sogar bis ins Reichsinnenministerium, bis sein Dossier vom Januar 33 ans Licht kam. Selbst der Fhrer habe sich aufgeregt, berichtete der oberbayerische Gauleiter, dass dieser ehr- und charakterlose Gesinnungslump noch im Staatsdienst sei. Er kam nach Dachau in sog. Schutzhaft, wurde aber doch nach wenigen Tagen entlassen.Am 30. Januar 33 war Hitler am Ziel. Nach Wahlerfolgen vom September 1930 (18,3 %) bis zum Juli 1932 mit 37,3 %, dem hchsten Ergebnis vor 1933, ging der Stimmenanteil im November 32 auf 33,1 % zurck, 2 000000 Stimmen weniger. Goebbels notiert in sein Tagebuch: das Jahr 1932 war eine richtige Pechstrhne. Die Zukunft ist dunkel und trb, alle Hoffnungen und Aussichten vollends geschwunden. In dieser Situation berief der greise Reichsprsident unter dem Einfluss seines Sohnes und anderer stehend Hitler zum Reichskanzler. Er stellte ihm zwar konservative Minister zur Seite, so dass das Kabinett nur drei Nationalsozialisten enthielt, aber die hatten als Reichskanzler, Innenminister (Frick) und Goehring als Innenminister Preuens die Macht ber die Polizei und damit die wichtigsten Positionen inne. Die Rechnung von der Einrahmung Hitlers durch konservative Minister erwies sich als Illusion. Hitler wurde malos unterschtzt. Dass dies kein Regierungswechsel wie andere vorher war sondern dass sich die Zerschlagung des Staates von Weimar durch eine revolutionre Umwandlung in eine neue Staatsform anbahnte, war noch nicht klar zu sehen. Als es ersichtlich war war es zu spt. In Augsburg feierten die Nazis wie im ganzen Reich mit Fackelzgen und Aufmrschen. Am 1. Februar schrieb die Augsburger Nationalzeitung: Die braunen Soldaten haben den Sieg ihres Fhrers gefeiert, indem sie diesen Abend noch die Straen eroberten, die bisher durch die Bannmeile verschlossen waren. Mit klingender Musik ziehen in langen Reihen die braunen Scharen die Hermanstrae, Hallstrae, Maximilianstrae, Moritzplatz, Brgermeister-Fischer-Strae, Knigsplatz, Fuggerstrae. Zum ersten Mal erklang in diesen Straen der Schritt der Hitlerbataillone.Abgesehen von diesem symbolischen Spektakel geschah zunchst nichts. Die Erwartung vieler SA-Mnner, dass nun nach den Jahren des Kampfes der Tag der Abrechnung gekommen sei erfllte sich noch nicht. Die NS-Fhrung verfolgte weiterhin ihren Legalittskurs. Bis zum letzten Wahlsieg bei den Reichstagswahlen am 5. Mrz wollte sie die Fassade der Verfassungsmigkeit noch aufrecht erhalten. Die groe Abrechnung wurde aufgeschoben. Zwei Tage nach den Fackelzgen, am 3. Februar wurde der Reichstag aufgelst und Neuwahlen fr den 5. Mrz festgesetzt. Die Koalition aus NSDAP und Deutschnationalen hatte nmlich keine parlamentarische Mehrheit, nur 247 Stimmen, 292 wren die Mehrheit gewesen. Im Wahlkampf zogen die Nazis alle Register: Rundfunk, Presse, zum ersten Mal wurde das Flugzeug in den Dienst des Wahlkmpfers Hitler gestellt. Auch an Geld fehlte es nicht. Zwei Dutzend Industrieelle wurden von Ghring ins Reichsprsidentenpalais eingeladen. Hjalmar

  • Schacht sammelte nach Hitlers Rede mit dem Hut die Schecks ein. 3 000 000 lagen darin. Auf Grund der Notverordnung zum Schutz des deutschen Volkes wurden alle KPD-Veranstaltungen verboten und ihre Presse unterdrckt. Auch der SPD ging es kaum anders. Die Augsburger Schwbische Volkszeitung im Besitz der SPD wurde verboten und durfte ab dem 10. Mrz nie mehr erscheinen. Im Wahlkampf wurden 21 Hitlergegner ermordet, die NSDAP behauptete 18 ihrer Leute htten den Tod gefunden. In Preuen setzte Ghring als Ministerprsident 50 000 SA-, SS- und Stahlhelm-Mnner als Hilfspolizisten ein.Am 27. Februar brannte der Reichstag. Ein verwirrter, den Kommunisten nahe stehender Einzeltter wurde verhaftet und spter hingerichtet. Fest steht, dass das grte Interesse am Brand bei der NSDAP lag. Auf Grund einer neuen Notverordnung wurden jetzt die Grundrechte auer Kraft gesetzt. Unter der Vorwand der inneren Sicherheit wurden 4000 Funktionre der Links- und Mittelparteien verhaftet. Aber trotz des Terrors stimmten die Deutschen am 5. Mrz bei den letzten, noch halbwegs freien Wahlen mehrheitlich gegen Hitler. 44 % waren das hchste Ergebnis, das er jemals bei einer echten Wahl erreichen konnte. Mit den 52 Stimmen der Deutschnationalen hatte die Regierung eine schmale Mehrheit von 18 Sitzen. Aber von der 2/3 Mehrheit, mit der Hitler mit Zustimmung des Reichstags legal eine Diktatur errichten wollte, war er weit entfernt. In Augsburg sah es fr die Nazis sogar noch schlechter aus. Nur 32 % der Augsburger whlten sie. Nur in den braunen Hochburgen, wie dem Sdend (Hochfeld, Bismarckviertel, Antons-, Thelottsviertel) sowie im Spickel und in Hochzoll erreichten sie Ergebnisse ber 40 %. Die demokratischen Parteien SPD und BVP hatten zusammen eine deutliche Mehrheit. Am 9. Mrz, vier Tage nach der Reichstagswahl hissten Hans Loritz mit vier SA und SS-Mnnern um vier Uhr morgens die Hakenkreuzfahne auf dem Perlachturm. In den Morgenstunden besetzte dann Gauleiter Wahl das Rathaus, in dem er selbst als Kanzleisekretr beschftigt war und lie vom Balkon ebenfalls die Parteifahne, die wei-blaue und die schwarz-wei-rote aufziehen, als Symbol fr die nationalsozialistische Revolution. Brgermeister Bohl und ltestenrat protestierten dagegen, aber dabei belieen sie es. Keine Anzeige wegen Hausfriedensbruch, kein Verstndigen der Polizei! Die Fahnen blieben. Damit hatten die Feinde der Weimarer Republik die Machtprobe in Augsburg gewonnen. Auch wenn sie die Personalverhltnisse zunchst nicht antasteten, begann doch ab jetzt allmhlich der Terror auf die Stadtregierung berzugreifen. Am Abend geiferte Gauleiter Wahl vom Rathausbalkon in Anspielung an die Revolution 1918: Hier sind sie gestanden, diese Schurken, und haben alles in den Kot gezogen. Die heutige Kundgebung wird den Herren zum Ausdruck bringen, dass ihre Zeit ein fr alle Mal vorbei ist und dass ihr System mit Stumpf und Stiel ausgerottet wird. Die Idee des Marxismus und die elenden verbrecherischen Fhrer mssen weggefegt werden.

    Am Abend dieses Tages (etwa gleichzeitig mit der Kundgebung in Augsburg) setzte Reichsinnenminister Frick durch ein Telegramm den bayerischen Ministerprsidenten Dr. Heinrich Held (BVP) ab und auf Grund der Reichstagsbrand-Notverordnung zur Gewhrleistung von Sicherheit und Ordnung General Ritter von Epp zum Reichskommisar in Bayern ein. Auf einer Kundgebung auf dem Marienplatz wird der Verfassungsbruch gefeiert und bejubelt. Die

  • Augsburger Nazis strickten eifrig an der Legende, die nationalsozialistische Revolution sei in Bayern von Augsburg ausgegangen wegen der ersten Flaggenhissung auf einem Rathaus. Tatschlich war der Plan zur Entmachtung der bayerischen Regierung in Berlin und Mnchen ausgeheckt worden. Weder Wahl noch die Fahne auf dem Perlachturm spielten dabei eine Rolle. Der Mythos von der Fhrungsrolle Augsburgs sollte den Bestand des relativ kleinen Schwabengaues, der lange gefhrdet war, sichern helfen. Am 9. Mrz wurden SA und SS zur Hilfspolizei erklrt, in Augsburg 30 SS- und 70 SA-Leute. Die Drangsalierung der politischen Gegner konnte nun aus hoheitlicher Stellung erfolgen. Damit war einer beispiellosen Terrrorwelle der Boden bereitet. Vier Tage spter, am 13. Mrz, ging das nchste Spektakel ber die Bhne. Am Siegesdenkmal im Fronhof verbrannte man die schwarz-ro-goldenen Fahnen der Republik. Brgermeister Bohl, viele Vertreter des ffentlichen Lebens und der Regierung von Schwaben und Neuburg waren als geladene Gste anwesend. Durch die von ihnen zur Schau gestellte Komplizenschaft bekamen die Nazis, wie ihre Zeitung jubelte, die staatliche Sanktion. Und das zu einer Zeit, wo die Mehrheitsverhltnisse in Stadtrat und Stadtregierung noch zu Gunsten der demokratischen Parteien waren. Von den 12 berufsmigen Stadtrten gehrten zwei der BVP an, einer war der erste Brgermeister Bohl, einer war Sozialdemokrat, der zweite Brgermeister Ackermann, drei waren Mitglieder der liberalen DDP, einer war Deutschnationaler, fnf parteilos, noch keiner gehrte der Nazi-Partei an. Der nationalsozialistische Terror konnte sich nach der Machtergreifung in Bayern staatlicher Machtmittel bedienen. Ein Mann wie der zweite Brgermeister Friedrich Ackermann war hier fehl am Platze. Verhindern konnte er nichts mehr, schuldig werden wollte er nicht. Ab 17. Mrz blieb er seinem Amt fern. Wenig spter sa er dann ebenso in Schutzhaft wie die drei KPD-Stadtrte. Am 20. Mrz kam der Befehl des bayerischen Innenministers und Gauleiters von Oberbayern Adolf Wagner, alle sozialdemokratischen und kommunistischen Brgermeister zu entlassen. Das Ttigkeitsverbot betraf auch alle kommunistischen Stadtrte, was im Fall der Augsburger wegen ihrer Inhaftierung ohnehin hinfllig war.Brgermeister Bohl erwies sich als willfhriges Werkzeug der Nazis. Die SPD-Stadtrte schnitt er von allen Informationen, Akteneinsicht usw. ab. Die unrechtmigen Anweisungen ergingen in formal korrekter Form und stellte die Weichen in eine gnzlich andere Ordnung.

    Sehen wir uns die Zusammensetzung des Augsburger Stadtrates an. Noch im Januar 33 waren von 50 Stadtrten nur drei NSDAP Vertreter und drei Deutschnationale. Im Mai 33 waren es immer noch 20 Demokraten gegen 16 Rte der Hitlerkoalition, wenn sich die BVP nicht htte vereinnahmen lassen. Ab September sitzen dann nur noch 34 Nationalsozialisten im Rat. Wie brachte man das zu Wege?

    Am 31. Mrz lste dann wieder formal legal das vorlufige Gesetz zur Gleichschaltung der Lnder mit dem Reich die Kommunalparlamente auf und schrieb vor, sie nach dem Reichtstagswahlergebnis vom 5. Mrz neu zu besetzen. In Augsburg hatte die NSDAP 32,3 % errungen, was angesichts von 43,1 % in Bayern und 43,9 % im Reich eine Schlappe war. BVP und SPD waren in Augsburg mit 27,1 bzw. 23 % fast stabil geblieben und hatten gemeinsam immer noch die absolute Mehrheit, nmlich 11 und 9 Sitze gegenber 14 fr die Nazis und 2 fr

  • die Deutschnationalen. Aber der Graben verlief nicht zwischen Demokraten und Extremen, sondern die Bayerische Volkspartei und ihr Brgermeister kooperierten mit den Nationalsozialisten. Die BVP, Bayerischer Arm des katholischen Zentrums hatte anders als das Zentrum immer eine zwiespltige Haltung zur Republik eingenommen. Bohls Antrittsrede vom 25. April triefte von Loyalittsbekundungen. Er dankte dem ausgeschiedenen 3. Brgermeister Pfaff von den Deutschnationalen in einer Laudatio, whrend er Ackermann, der der Stadt 14 Jahre als Brgermeister gedient hatte, mit keiner Silbe erwhnte. Der Initiative Ackermanns verdankt die Stadt Augsburg die Freilichtbhne am Roten Tor und die Grndung der Stdtischen Wohnungsbaugesellschaft. Als die SPD-Fraktion dagegen protestierte, dass sie bei der Besetzung der Ausschsse leer ausgegangen war, bekam sie vom NSDAP-Fraktionsfhrer Kellner die Antwort: Sie, meine Herrn von der SPD, geben hier nur eine Gastrolle und mssen uns stndlich danken, dass sie berhaupt noch hier sitzen. Wir dulden sie auch nur, weil wir wissen, dass sie uns nicht mehr schaden knnen. Kurze Zeit spter forderte der stellvertretende NSDAP-Fraktionsfhrer Hans Rehm die SPD-Rte auf, den Sitzungssaal zu verlassen und das Rathaus nicht mehr zu betreten und drohte unverhohlen mit Gewalt. Der Jurist und Brgermeister Bohl wusste sehr wohl, dass dieses Vorgehen gegen die Gemeindeordnung verstie, die er einst selbst mit ausgearbeitet hatte. Unter dem Deckmantel formal korrekter Verwaltungsakte brach er permanent das Recht, um seinen Posten zu retten und sich fr eine schwarz/braune Koalition anzudienen. Doch mit den braunen Mchten war kein ewiger Bund zu flechten.Als Nachfolger Ackermanns setzte die NSDAP ihr Mitglied Josef Mayr als zweiten Brgermeister ein. Der bekam damit die Verfgung ber das stdtische Personal einschlielich der Polizei. Bohl hatte mit Mayr eine Abmachung getroffen, die nichts anderes als Korruption war. Fr den Fall seines Verzichts auf das Amt des Oberbrgermeisters sollte er mit dem Posten des Kurdirektors in Bad Kissingen entschdigt werden, fr den die Stadt ber die Hessing-Stiftung das Besetzungsrecht hatte. Ab dem 21. Juni rollte eine Verhaftungswelle gegen den politischen Katholizismus durch Bayern und erfasste sechs Augsburger Stadtrte. Sie kamen frei, als sie den Verzicht auf ihr Mandat erklrt hatten. Bohl lie sich nun beurlauben und trat seinen Posten in Bad Kissingen an. 1973 wurde die Bayerstrae in Pfersee durch Stadtratsbeschluss in Brgermeister-Bohl-Strae umbenannt. Fr mich unverstndlich. Es hat bis zum Jahr 2010 gedauert, bis mehrere Straen auf dem Sheridan-Gelnde nach Widerstandskmpfern benannt wurden, die ihr Leben opferten. Am 3. August 33 wurde Stoeckle Oberbrgermeister, 1 Jahre spter dann Mayr. Er hatte die Kompetenzen aller drei Brgermeister vor ihm zusammen. Da Bohl neuer Job erheblich schlechter datiert war, bekam er fr seinen Verzicht das Brgermeistergehalt weiter bezahlt. Die Stadt leistete es sich, das Gehalt des Stadtoberhauptes zwei Mal auszugeben, und das in einer Zeit, wo sie am Rande der Zahlungsunfhigkeit stand. Es war der Preis fr Mayrs Macht. Der konnte nun unumschrnkt herrschen, u. a. weil der Stadtrat beschlussunfhig war. Denn mehr als die Hlfte seiner Mitglieder sa in Schutzhaft. Als Ersatz-Stadtrat fungierte ein Ferienausschuss von sechs NSDAP-Stadtrten, die alle der Gauleitung angehrten und Mayrs Vorlagen abnickten. Als am 3. August der Stadtrat wieder zusammentrat, um den Rechtsanwalt und Brgermeister von Lindenberg Dr. Edmund Stoeckle zum Oberbrgermeister zu whlen, waren die frei gewordenen Ratssitze mit Parteigenossen besetzt. Nun war man unter sich. Mayr

  • triumphierte:Der Sieg ist vollkommen, erobert ist das Reich, erobert das Land, erobert auch die Stadt. Es gibt keine noch so unbedeutende Regung des stdtischen oder staatlichen Lebens, keine Erscheinung des ffentlichen oder privaten Wirkens, keine Ttigkeit auf wissenschaftlichem oder knstlerischem Gebiet, die nicht von der Totalitt der nationalsozialistischen Idee erfasst und in den Rahmen der nationalsozialistischen Macht eingespannt werden wrde. Die Stadtverwaltung Augsburg kennt nur mehr eine Idee, die nationalsozialistische; sie ist in einer geschlossenen Hand, der nationalsozialistischen. Treffender kann man Totalitarismus nicht beschreiben. Werfen wir nun einen Blick auf die zu dieser Zeit lngst im Gang gewesene

    Verfolgung

    Genaue Angaben ber die Anzahl der verhafteten Augsburger gibt es nicht. Rechnet man Familienangehrige hinzu, so waren bestimmt einige Tausend von politischer Verfolgung betroffen. Dazu kommen noch die aus rassischen und religisen Grnden Verfolgten. Das Ergebnis der Reichstagswahl vom Mrz zeigte den Nazis, dass doch mehr als die Hlfte der Augsburger Whler gegen sie waren, dass es ein bedeutsames Potential an Gegnerschaft gab. Schon in der Nacht zum 10. Mrz begannen, wie Gauleiter Wahl angekndigt hatte, Verhaftungen zur Ausrottung des Marxismus. Sie betrafen 63 Personen. Am Morgen standen unter der berschrift Wer in Augsburg stellt sich gegen Hitler Deutschland? die Namen von 203 Kommunisten und 64 Sozialdemokraten mit Geburtsdaten und Adressen in der Zeitung, verbunden mit der Drohung, sich vor der Faust der deutschen Revolution in Acht zu nehmen. Diese Bekamen im Mrz 315 Verhaftete in Augsburg und 584 in Schwaben zu spren. Immer wieder standen lange Listen von Verhafteten in der Zeitung unter zynischen berschriften, wie Roter Parteitag im Katzenstadel, Hochkonjunktur im Katzenstadel. Katzenstadel steht fr das Gefngnis an der Strae zum Katzenstadel. Es befand sich oberhalb des heutigen Eisstadions. Heute steht da ein Verwaltungsgebude der Stadt, vorher war die LVA dort untergebracht. Eine Gedenktafel am Eingang erinnert an die unschuldig Inhaftierten. Das Gefngnis wurde in der Bombennacht 1944 zerstrt.Ende Mrz tauchen in den Listen der Verhaftungen auch BVP-Mitglieder und Juden auf. Der Katzenstadel war berfllt, die Hftlinge wurden auf die Gefngnisse Aichach, Donauwrth, Eichsttt, Kaisheim, Landsberg und Neuburg verteilt. Gab es Platz, kam eine neue Razzia. So wurde am 10. April die Vorstadt links der Wertach, eine KPD-Hochburg von Polizei und Hilfspolizei neun Stunden lang vollstndig abgeriegelt, Wohnungen durchsucht und 36 Menschen verhaftet, 16 in Schutzhaft genommen. Nach der gleichen Methode wurde in Deuringen vorgegangen. Dieses Dorf hatte am 5. Mrz nur 29 NSDAP Stimmen bei 240 Whlern abgegeben. 43 Deuringer kamen nach der Schutzhaft im Katzenstadel in die Strafanstalt Eichsttt und einige vier bis neun Monate nach Dachau. Vom Frhjahr bis in den Herbst hinein gingen die Verhaftungswellen. Ende April wurde Dachau als erstes KZ erffnet. Sofort wurden die ersten 160 Augsburger eingeliefert. Unter ihnen war der KPD-Stadtrat Leonhard Hausmann. Er war einer der ersten Todesopfer des KZs. Der Mrder, der SS-Mann Karl Ehmann, kam ebenfalls aus Augsburg und kannte Hausmann. Er hatte ihn in eine Fichtenschonung zum Arbeitseinsatz befohlen und dort wegen eines angeblichen Fluchtversuchs erschossen. Zu dieser Zeit gab es noch eine gerichtsrztliche Untersuchung, die ergab, dass der Schuss aus 30 cm Entfernung abgegeben

  • worden war. Ein mutiger Staatsanwalt stellte Strafantrag. Aber erst 1950 wurde Ehmann vor Gericht gestellt und wegen Mordes und mehrerer schwerer Krperverletzungen zu acht Jahren verurteilt.

    Loge Augusta

    An diesem Ort mchte ich kurz auf die Geschichte der Loge Augusta in dieser Zeit eingehen. Sie haben genauere Kenntnisse als ich. Ich kann mich nur auf die Jubilumsschrift 125 Jahre Freimaurerloge Augusta Augsburg von Otto Heiligensetzter beziehen. Danach beschlossen die Brder der Loge Augusta in einer auerordentlichen Generalversammlung am 18. April 1933 die Liquidation der Loge, da sie auf Grund mehrere Gesetze zur Einziehung kommunistischen, volks- und staatsfeindlichen Vermgensenteignung, Auflsung und Verbot befrchten mussten. Das Logenhaus wurde am 3. Juli fr 45 000 RM an den Kreisleiter der NSDAP Gallus Schneider verkauft, der aber den Kaufpreis nicht entrichtete in sicherer Erwartung einer Enteignung, die dann knapp ein Jahr spter erfolgte. Zu Beginn des Jahres 1935 wurden dann auch die Logenakten, Ritualgegenstnde und die wertvolle Bibliothek mit 2890 Bnden beschlagnahmt, sowie bei entwrdigenden Hausdurchsuchungen beim Schatzmeister Bargeld und Wertpapiere konfisziert. Die Mitglieder wurden zum Magistrat bestellt, verhrt und vor weiteren Treffen gewarnt. Das Logenhaus kam in die Verfgung der NS-Frauenschaft in Person der Gaufrauenschaftsleiterin Magda Danner. Sie wollte das Freimaurersymbol im Eingangsbereich entfernen lassen, worauf ihr der Hausmeister erklrte: Mehr als drauf rumtreten knnen sie wohl nicht. Frau Danner, 1888 in Wrzburg geboren, stammte aus einer gut brgerlichen Familie mit Hausbesitz, der Bruder war Apotheker, der Ehemann ein aus einer Offiziersfamilie stammender Leutnant. Die junge Familie siedelte whrend des Ersten Weltkriegs nach Mnchen ber. Dort hrte das Ehepaar Danner schon 1919 eine Rede Hitlers und zhlte seitdem zu seinen Anhngern. 1925 zog man nach Augsburg. Julius Danner trat, ebenso seine Frau, in die NSDAP ein. Er wurde Kreispropagandaleiter und 1933 Ratsherr und zum Regierungsrat befrdert. Magda Danner wurde 1930 Leiterin der ersten NS-Frauenschaftsgruppe in Schwaben und 1932 Graufrauenschaftsleiterin. Hier war es ihre Aufgabe, mglichst viele NS-Frauenschaftsgruppen in Schwaben zu grnden. 1938 war bei ihr Marie Hamsun, die Frau des norwegischen Dichters und Literaturpreistrgers zu einer Teestunde mit ausgewhlten Frauen in Augsburg zu Gast. 1945 wurde Danner verhaftet und ins Lager Gggingen gebracht. Bis 1947 blieb sie interniert. Das Spruchkammerverfahren endete mit der Einstufung als Minderbelastete. Sie erhielt ein Jahr auf Bewhrung und 6000 RM Wiedergutmachungbue. 1970 starb sie 82jhrig in Mnchen. Ein Bild von ihr war nicht zu finden.

    Das Schicksal der Augburger Juden

    Der Hass und Neid auf die Juden sind lter als der Nationalsozialismus. Doch er setzte sie mit allen Mitteln des totalitren Staates gegen sie ein. Nach der Propaganda waren sie eine minderwertige, ja die schlechteste aller Rassen, die an Elend, Ausbeutung, Krieg und Revolutionen Schuld waren. Viele lieen sich von der Hetze anstecken und ersparten sich eine rationale Sicht auf die Ursachen von

  • Krisen. 1933 lebten 1033 Brger jdischen Glaubens in Augsburg, 0,6 % der 176 000 Einwohner. 4/5 davon, also ber 800 konnte man zur Augsburger Mittel- und Oberschicht rechnen. Die meisten fanden ihren Lebensunterhalt im Produktionsbereich und im Gro- und Einzelhandel. Es gab etwa 175 Unternehmen mit jdischen Eigentmern. Der Anteil an freien, akademischen Berufen war bemerkenswert. Als Albert Dann, Kommerzienrat und ehemaliger Synagogenkommisar, 1944 in Palstina seine Erinnerungen niederschrieb, erzhlte er zwar auch von Ungerechtigkeiten und Widerwrtigkeiten, die an Glaubensgenossen und ihre Kinder herangetragen wurden, aber als sein Resmm steht doch folgender Satz: Man kann sich kaum mehr vorstellen, welch behagliches Leben die Juden Augsburgs gefhrt haben. Ich denke Albert Dann will in diesem Satz zusammenfassen,

    1. - dass die Juden seit zwei, drei Generationen, insbesondere seit 1919 gleichberechtigt leben konnten,

    2. - dass die groe Mehrheit von ihnen in gesunden wirtschaftlichen Verhltnissen lebte,

    3. - dass sie aktiv am kulturellen und sozialen Leben der Stadt teilnahmen, so im Vereinsleben und auch in der Kommunalpolitik,

    4. - dass sich die meisten als deutsche Staatsbrger jdischen Glaubens sahen, wie es auch im 1917 eingeweihten Synagogenbau zum Ausdruck kommt. Dort findet sich im Eingangsbereich die vereinten Symbole von Davidstern und Zirbelnuss. Auch im Ersten Weltkrieg zeigten sich die Juden als patriotische Deutsche. Auf der Gedenktafel in der Synagoge stehen die Namen von 24 Shnen der Gemeinde.

    Das alles zhlte nichts mehr nach dem 30. Januar 33. Unter den etwa 600 ersten Festgenommenen, berwiegend Angehrige der Arbeiterbewegung, waren auch schon einige Juden, die als Sozialdemokraten gleich doppelt dem Feindbild entsprachen. Im Augsburger eher konservativen und liberalen Judentum waren Sozialdemokraten aber selten. Vier jdische Rechtsanwlte wurden in Schutzhaft genommen, wahrscheinlich weil sie viele Sozialdemokraten unter ihren Mandanten hatten. Einer von ihnen war Dr. Ludwig Dreyfuss, 1945/46 Oberbrgermeister von Augsburg. Unter den Verhafteten war auch Dr. Julius Nrdlinger, der Kolonnenarzt des Reichsbanners. In Haft genommen wurden auch: der Obersekretr des Stadttheaters Guido Nora, der Geschftsfhrer des Kaufhauses Landauer (spter Zentralkaufhaus) Max Gift, der Bruder der Schauspielerin Therese Giese. Von ihr wissen wir, dass er nach der Haftentlassung nach Sdamerika floh und dort starb.

    Aus den Vereinen und Verbnden wurden die jdischen Mitglieder in vorauseilendem Gehorsam in den ersten Wochen nach der Machtergreifung ausgeschlossen. Am 1. April 33 fand der erste organisierte Boykott der jdischen Geschfte berall in Deutschland statt. In einem Flugblatt wurden die Augsburger aufgerufen, keines der 43 aufgefhrten Geschfte zu betreten. SA-Posten machten den Besuch der Lden, Arztpraxen und Anwaltskanzleien zu einer Mutprobe. Um jede kritische Berichterstattung zu unterbinden, war die Neue Augsburger Zeitung vom 30. Mrz bis zum 4. April verboten. Die Redaktion hatte sich im Vorfeld geweigert, bei Werbeanzeigen den Zusatz christliches Geschft abzudrucken. Nach dem offiziellen Boykott setzte sich ein schleichender fort, der zur Schlieung zahlreicher Geschfte fhrte. Anfang 1934 musste das Kaufhaus

  • Landauer in der Brgermeister-Fischer-Strae, Schwabens grtes Kaufhaus, 114 Angestellte entlassen. Julius Landauer verkaufte im Sommer 34 an den Augsburger Albert Golisch, der das Zentral-Kaufhaus bis zum Verkauf an Galeria Kaufhof fhrte.Eine legale Form der Verfolgung bot das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 33. Alle Beamte jdischer Abstammung konnten ebenso entlassen werden, wie politisch Unzuverlssige. Meist gengte schon ein jdischer Groelternteil, um seine Stellung zu verlieren. Das musste z. B. der Rechts- und Staatswissenschaftler Dr. Heinz Hohner, Assesor bei der Stadt, trotz seiner Zugehrigkeit zur kath. Kirche erfahren. Nach 1945 war Hohner als CSU Mitglied ber ein Jahr lang Oberbrgermeister.1935 schrieben die Nrnberger Gesetze fr jedermann in den Zeitungen nachlesbar den Ausschluss der Juden aus der Volksgemeinschaft fest und machten sie zu Brgern zweiter Klasse. Die jdische Gemeinde reagierte auf die Entrechtung mit relativ geringer Auswanderung. Bis Anfang 1938 hatten 180 Juden Augsburg verlassen. Aber in den neu gegrndeten Ausbildungssttten wurden junge Gemeindeglieder fr die Ansiedlung in Palstina vorbereitet. Im Haus der Pioniere Bet Chaluz, dem grten in Bayern, lebten 30 bis 40 junge Leute aus ganz Deutschland in einer Wohngemeinschaft, zuerst in der Friedberger Strae, dann in der Armenhausgasse zusammen. Sie lernten Hebrisch und wurden in landwirtschaftlichen und handwerklichen Arbeiten ausgebildet. Dem selben Zweck dienten die Ausbildungssttten im Gut Bannacker und in Fischach. Eine grere Auswanderungswelle setzte erst 1938 ein, als die Suberung der Wirtschaft offen betrieben wurde und den Juden das Leben immer unertrglicher gemacht wurde, so dass die Auswanderung einer Vertreibung gleich kam. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brachen SA- und SS-Mnner, wie berall im Reich, auch die Augsburger Synagoge auf, verwsteten sie und steckten sie in Brand. Da sich in unmittelbarer Nachbarschaft eine Tankstelle und Huser in nichtjdischem Besitz befanden, musste die Feuerwehr lschen. Nur diesem Umstand ist es zu verdanken, dass eine der prchtigsten Synagogen Deutschlands, ein Juwel des Jugendstils, wenigstens in ihrer Bausubstanz erhalten blieb. Etwa 100 Augsburger Juden wurden im Zuge der Reichsprogromnacht ihrer Freiheit beraubt und nach Dachau gebracht. Entlassen wurden sie nur, wenn sie sich verpflichteten, zu emigrieren. Die alten Menschen des Altersheims in der Frohsinnstrae 21 mussten innerhalb weniger Stunden ihre Wohnungen verlassen. Das Haus wurde beschlagnahmt. Ab 1941 war es dann den Juden verboten auszuwandern. Bis dahin konnten 560 jdische Augsburger ins Ausland flchten. In den Osten deportiert und in Auschwitz, Piasti, Riga und Theresienstadt ermordet wurden mehrere Hundert jdische Augsburger. Die Zahlenangaben schwanken zwischen 458 und 613. In der Gedenksttte im Rathaus sind die Namen von ca. 700 Ermordeten aufgefhrt. Der letzte Vorkriegsvorsitzende der jdischen Gemeinde Dr. Eugen Strauss schrieb 1956 im amerikanischen Exil ber die Progromnacht: Jetzt hatte ich mich und hatten wir alle uns nicht mehr zu fragen: Wir gehrten nicht mehr dazu. Aber wir gehrten auch nicht zu all dem Infamen und Niederen, das heraufkam. Wir gehrten zu dem, was in Deutschland verschttet wurde, was wir, die vertriebenen Juden aber in uns, mitnehmen konnten: die klassische humanistische Bildung, mit der wir in Deutschland aufgewachsen waren. Thomas Mann drckte es 1933 bei seiner Ankunft in Amerika hnlich aus: Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir.

  • Noch nicht geschrieben ist die Geschichte derjenigen Augsburger, die sich fr ihre jdischen Mitbrger eingesetzt, sie untersttzt und sie vor Deportation und Tod bewahrt haben.

    Anna Prll

    Anna Nolan stammte aus einer Pferseer Arbeiterfamilie. Der Vater hatte sich traumatisiert von Kriegserlebnissen der KPD angeschlossen. Beide Eltern sind im Frhjahr 1933 verhaftet. Tglich steht die 17jhrige Anna vor dem berfllten Gefngnis am Katzenstadel und ruft zum Zellenfenster ihrer Mutter hinauf. Hier trifft sie auch die Tchter und Shne der anderen politischen Hftlinge. Sie wird die Seele eines jugendlichen Widerstandskreises des kommunistischen Jugendverbandes. Sie bringen Klebezettel mit revolutionren Parolen in der Wertachvorstadt an. Damals haben wir damit gerechnet, dass jeder verhaftet oder sogar umgebracht wird, erzhlte sie spter. Die Gruppe wird am 1. September 33 aufgerollt. Bei der Gestapo sieht Anna einen ihrer Kampfgefhrten wieder. Die Beamten hatten festgestellt, dass der jungen Frau der Anblick misshandelter Gefangener sehr zusetzte. Man zeigte ihr einen Genossen aus Friedberg. Sein Kopf war verschwollen und blutunterlaufen. Sie erkannte ihn fast nicht. Auf die Frage Kennst du sie? schttelte er langsam den Kopf. Anna kommt nach mehreren Monaten Einzelhaft frei, dann wird sie wieder, ebenso ihr Vater, verhaftet. Karl Nolan kommt nach Verbung der Haftstrafe nach Dachau, wo er 1937 stirbt. Seine Tochter wird 1934 zu 21 Monaten Gefngnis verurteilt, die sie zum Teil in Dunkelarrest und bei Wasser und Brot verbringt. Nach der Haft kommt sie 1936 ins Frauen-KZ Mohrungen. 1937 wird sie entlassen und kann zurck nach Augsburg, muss sich aber tglich bei der Gestapo melden. In dieser Zeit lernt sie Josef Prll kennen. Der Arbeiter aus dem Stadtbachquartier gehrt zu den etwa 400 Augsburger Kommunisten, die gleich im Sommer 33 nach Dachau gebracht wurden. Fast drei Jahre war er dort. 1938 heiraten die beiden. Zum Standesamt fahren sie ohne Blumen, um die Gestapo nicht aufmerksam zu machen. 1939 kommt ein Sohn zur Welt. Bei Kriegsbeginn wird Josef Prll sofort verhaftet und sein Leidensweg durch die Kzs Natzweiler, Dachau und Buchenwald beginnt. Auch zwei Brder von Josef Prll waren in Konzentrationslagern. Alois Prll wird 1933 fr 23 Monate in Dachau festgehalten. 1942 stirbt er an den Folgen der Haft. Fritz Prll, Jahrgang 1915, wird nur 29 Jahre alt. Neun davon verbringt er in Gefngnissen und Konzentrationslagern. Josef und Fritz Prll sind zeitweise in den gleichen Lagern. Fritz war auch im Lager Dora bei Nordhausen, wo in unterirdischen Stollen die V I und V II Raketen gefertigt werden mussten im Widerstand. Als seine Gruppe verraten wird und seine Verhaftung bevorsteht, nimmt sich Fritz Prll das Leben. Er befrchtet gefoltert zu werden und Kameraden zu verraten. Sein Bruder Josef wird von Bruno Apitz literarisch verewigt. In dem Roman Nackt unter Wlfen erzhlt er die wahre Geschichte eines Kindes, das ein Pole an den Wachen vorbei ins Lager Buchenwald bringt. Die Hftlinge, unter ihnen Josef Prll, der Leiter der Effektenabteilung, verstecken den Buben unter dem Boden einer Baracke, ernhren ihn, obwohl sie selbst kaum zu essen haben. Das Kind berlebt. Diese Augsburger Familie Prll/Nolan hat in den 12 Jahren des Tausendjhrigen Reichs allein 35 Jahre KZ erlitten. Drei Familienmitglieder verloren ihr Leben.

  • Clemens Hgg

    Clemens Hgg war in der Weimarer Zeit die herausragende Persnlichkeit der schwbischen SPD. 1915 wurde er in den Landtag gewhlt, war Brgermeister von Neu-Ulm und bersiedelte 1922 nach Augsburg, wo er Bezirkssekretr der schwbischen SPD wurde. Ihm war der Aufstieg der SPD in den folgenden zehn Jahren zu verdanken. Als schwbischer Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt grndete er in Mickhausen ein Erholungsheim fr Kinder. 1933 muss er erleben, wie es enteignet, zu einem HJ-Heim gemacht wird und den Namen Adolf Hitler Heim bekommt. Im Juni 33 schossen zwei SS-Leute, die Hgg nicht in seine Wohnung in der Pferseer Metzstrae einlie, durch die Wohnungstr und trafen ihn an der Hand. Verletzt wurde er nach Dachau gebracht und ein Jahr inhaftiert. Dann fand er Arbeit als Vertreter einer Seifenfabrik, was ihm Kontakte zu seinen Genossen, auch denen um Bebo Wager, ermglichte. 1939 wurde er erneut verhaftet und kam ins KZ Sachsenhausen. Dort war zu dieser Zeit Hans Loritz Kommandant. Der kannte Hgg aus gemeinsamen Augsburger Zeiten und rchte sich in niedrigster Weise an ihm. Hgg wurde in einen Betonbunker in Einzel- und Dunkelhaft genommen, wo er nach 28 Monaten erblindete und ihm ein Bein amputiert werden musste. Kurz vor der Befreiung lie die SS Hgg nach Bergen-Belsen bringen, wo er mit Josef Wagner wieder mit einem Augsburger als Kommandant zu tun hatte. Im Mrz 1945 starb der aufrechte Demokrat in Bergen-Belsen. Auer Hgg kann man aus dem sozialdemokratischen Umfeld nennen: Bebo Wager aus Kriegshaber und seine Mitstreiter der Revolutionren Sozialisten, hervorgegangen aus der Jugend der SPD. Fast 10 Jahre arbeiteten sie im Untergrund, verteilten oppositionelle Schriften und schickten alles unter Lebensgefahr Berichte an die Exil-SPD in Prag. Die Gruppe wurde 1942 verraten und flog auf; Wager und drei Mitverschwrer zum Tod verurteilt und hingerichtet.Josef Felder, 1932 jngster Reichstagsabgeordneter, Vorsitzender der Augsburger SPD. Am 23. Mrz stimmte er wie die gesamte SPD-Fraktion gegen Hitlers Ermchtigungsgesetz. Seiner Verhaftung entging er zunchst durch Flucht nach Wien und Prag. Er kehrte aber zurck, wurde verhaftet und zwei Jahre in Dachau festgehalten. Von 1957 bis 69 war er Mitglied des deutschen Bundestags. Im Jahr 2000 starb er 100jhrig.Valentin Baur wurde Ende Mai 33 aus der Schutzhaft entlassen, floh in die Schweiz, von wo er die illegale Arbeit seiner Genossen in der Heimat untersttzte, bis er dort 1940 interniert wurde. Nach dem Krieg war er Landtags- und Bundestagsabgeordneter.Karl Wernthaler, seit 1905 im Stadtrat, lange Zeit Fraktionsvorsitzender, 1933 verhaftet, KZ Dachau, von 1945 bis 48 wieder im Stadtrat.

    Hans Adlhoch

    Als Beispiel fr mutigen Widerstand aus dem kath. Lager whle ich Hans Adlhoch. An seinem frheren Wohnhaus in der Peutingerstrae am Dom steht auf einer Gedenktafel: Er starb in Treue zur Kirche und Arbeiterschaft im KZ Dachau. Hans Adlhoch vertrat die Bayerische Volkspartei im Augsburger Stadtrat, ab 1933

  • war er auch Reichstagsabgeordneter. Die Leitung der kath. Arbeitervereine in der Dizese lag ebenfalls in seinen Hnden. Als politisch engagierter kath. Laie geriet er schnell ins Visier der Nationalsozialisten. Im Juni 33 wurde er erstmalig, im August zum zweiten Mal verhaftet. Nach dem Abschluss des Konkordats 193 war Adlhoch nicht bereit, die Arbeitervereine als unpolitische, rein seelsorgerliche Vereine zu fhren und widersprach damit der offiziellen Politik der Kirche. 1935 sprach er auf einer Versammlung in Hochzoll, auerhalb der genehmigten Tagesordnung, ffentlich an, dass er von April bis Oktober im KZ Dachau gewesen sei und bereits fnf Verhaftungen hinter sich habe und dass ihm dies eine Ehre bedeute. Abermals wurde er fr Jahr nach Dachau gebracht und brutal misshandelt. Insgesamt musste er 15 polizeiliche Verhre, 10 Hausdurchsuchungen und 9 Verhaftungen ber sich ergehen lassen. Noch mit 56 Jahren zog man ihn zur Front ein, um ihn dann im September 44 ein letztes Mal nach Dachau zu verschleppen, wegen des Verdachts Kontakt zu Widerstandskreisen um Pater Alfred Delpp und Franz Reisert, einem Augsburger Rechtsanwalt, zu haben. Ende April 45 wurde er wie 7000 andere Gefangene auf Befehl Himmlers auf den Todesmarsch nach Tirol geschickt. Vier Tage schleppte er sich, an Tbc erkrankt und von Schlgen angetrieben, vorwrts bis er bei Waakirchen am Tegernsee zusammenbrach. Amerikanische Soldaten fanden ihn und brachten ihn in ein Lazarett nach Mnchen, wo er am 21. Mai 45 starb. Als Augsburger Widerstndler aus den Reihen der kath. Kirche knnte man auch nennen:die Berufschulrektorin Franziska Wiedemann, wiederholt in Schutzhaft und aus dem Lehrerberuf gejagt,Dr. Hans Rost aus Westheim, Journalist und Verfasser einer mutigen Schrift Christus nicht Hitler. Er schreibt darin u. a., ein Christ knne unmglich Nationalsozialist sein. Natrlich wird die Schrift verboten, Rost fr vier Wochen in Schutzhaft genommen und mit Berufsverbot belegt, Alfons Satzger, Jugendseelsorger der Dizese Augsburg, 1939 aus Bayern, sterreich und dem Sudetenland fr immer ausgewiesen, Pfarrer Max Josef Metzger, Militrpfarrer im Ersten Weltkrieg, ab 1928 in Meitingen, verfasste Artikel gegen die Judenverfolgung und den Krieg. Er wurde mehrmals verhaftet und schlielich von Richter Roland Freisler zum Tod verurteilt. Sein Kommentar zu dem Urteil: Ich wusste, dass es keine Schande sondern eine Ehre war, von einem solchen Gericht ehrlos erklrt zu werden. 1968 wurde er nach Meitingen berfhrt, seit 1973 steht eine Stele fr Pfarrer Metzger vor dem Augsburger Dom.

    Hans Loritz

    Ein Augsburger hat bei den Nazis eine unbeschreibliche Verbrecherkarriere gemacht. Hans Loritz, 1895 als Sohn eines Polizisten in der Jakobervorstadt geboren, erlernt das Bckerhandwerk, meldet sich 1914 als Freiwilliger, wird verwundet, bewirbt sich 1920 bei der Augsburger Stadtpolizei, bekommt eine feste Anstellung, heiratet 1922, wohnt in der Bismarckstrae und verfgt als Polizist ber eine sichere Stellung, die er aber durch seine eigenwilligen Eskapaden verliert. So fhrt er z. B. mit dem Dienstmotorrad zum Oktoberfest, beleidigt Kollegen, setzt Zeugen zugunsten eines Freundes unter Druck und meldet sich stndig krank. Nach mehreren Diziplinarverfahren wird er aus dem

  • Polizeidienst entlassen, aber weiter bei der Stadtverwaltung als Gaszhlerableser und Einkassierer weiter beschftigt. Seinen Dienst als Polizist sah Loritz nicht als Auftrag seines demokratischen Dienstherrn sondern als Ermchtigung gegen jene vorzugehen, die nicht seinen Vorstellungen des anstndigen Menschen entsprachen. 1930 tritt er in die NSDAP ein und beantragt seine Aufnahme in die SS-Standarte 29 (Augsburg). Dort steigt er stetig einen Dienstgrad nach dem anderen nach oben. Er war auch der Anfhrer der Flaggenhissung auf dem Perlachturm und dokumentierte sie mit seinem Eintrag im Gstebuch. Im Januar 34 bewirbt sich Loritz aus freien Stcken bei Himmler um den Dienst in der Konzentrationslager-SS: Ich habe zufllig erfahren, dass im Konzentrationslager von Herrn Oberfhrer Eicke (Dachau) ein Sturmbannfhrer gesucht wird und bitte Herrn Reichsfhrer, mich dorthin zu versetzen. Ich glaube, dass ich diesen Dienst, der sich mit den Gefangenen abwickelt, krperlich und auch auf Grund meiner frheren Polizeizugehrigkeit leicht versehen kann. Wenige Monate spter ernennt ihn der Reichsfhrer SS zum Kommandanten des KZ Esterwegen. In den folgenden Jahren stand der Augsburger als Kommandant an der Spitze folgender KZs: von 1934 - 36 KZ Esterwegen, 1936 - 39 Dachau, 1940 - 42 Sachsenhausen. 1942 wurde er als SS- und Polizeifhrer nach Norwegen versetzt, nachdem ihm persnliche Bereicherungen in seiner Stellung vorgeworfen wurden.

    In allen Konzentrationslagern setzte sich unter Loritzens Leitung eine massive Verschlechterung der Haftbedingungen ein. Mit gezielter Hrte ging er gegen die Hftlinge vor. Ein ehemaliger Hftling aus Sachsenhausen sagte aus: Die absolute Rechtlosigkeit, die unser Leben vllig entwertete und nur noch von Zufllen abhngig machte, kam uns nie so stark zum Bewusstsein wie unter dem Regime Loritz. Fr die unbeschreiblichen Grausamkeiten ist Loritz nicht nur als Kommandant verantwortlich, er beteiligte sich auch persnlich daran. Zeugenaussagen gibt es zur Genge.

    In Sachsenhausen wurden 1941 etwa 12000 sowjetische Kriegsgefangene in einer Genickschussanlage ermordet. Loritz war der Erfinder und Initiator dieser Anlage. Eine Baracke war als medizinischer Untersuchungsraum getarnt. Hinter einer Messlatte zur Bestimmung der Krpergre verbarg sich ein Loch in der Mauer, durch das den Gefangenen ins Genick geschossen wurde. Mehr als 30 SS-Leute wurden von Loritz zu den Erschieungen herangezogen. Zur Erholung wurden sie anschlieend nach Italien in den Urlaub geschickt. 1935 lie sich das Ehepaar Loritz scheiden und Loritz heiratete die Augsburgerin Lore Muschweck. Beide wohnten im Kommandantengebude in Dachau. 1938 kaufte Loritz ein Grundstck in St. Gilgen am Wolfgangsee. Von Dachauer Hftlingen lie er sich dort ein Landhaus bauen. Es steht heute noch. Im Sommer 1942 wurden die Korruption und die Bereicherungen des Dachauer Kommandanten Himmler gesteckt und Loritz darauf hin nach Norwegen versetzt, aber auch dort war er Leiter eines Lagers fr jugoslawische Gefangene. Als der Krieg, auch fr Loritz ersichtlich, verloren ging, floh er Mitte April 45 mit geflschten Papieren nach Schweden. Er wurde von der schwedischen Grenzpolizei aufgegriffen und an Deutschland ausgeliefert und ins Internierungslager Neu-Mnster Gardeland gebracht. Dort erhngte er sich in der Nacht zum 31. Januar 46 mit seinem Grtel. Lore Loritz hatte bei Kriegsende alles aus ihrem Besitz vernichtet, was auf den KZ-Kommandanten hinweisen konnte. Sie musste St. Gilgen verlassen und kam mit ihren Shnen (Jahrgang 37 und 40) bei ihrer Schwester in Hochzoll unter. Die beiden Shne leben noch in Augsburg. Zehn Jahre nach Kriegsende richtete sich

  • Lore Loritz wieder eine eigene Wohnung ein. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt als Untermeisterin in der Textilindustrie. 1948 stellte sie einen Antrag auf Verschollenenrente, da ihr der fr eine Witwenrente notwendige Totenschein nicht vorlag. Weil ihr Mann bis 1940 bei der Stadt Augsburg in Dienst stand und fr seine hoch bezahlte SS-Zeit nur frei gestellt war, standen ihr fr 20 Jahre Rentenansprche zu, allerdings nur dann, wenn weder sie noch ihr Mann als Hauptschuldige im Entnazifizierungsverfahren eingestuft wurden. Lore Loritz war laut Urteil vom Entnazifizierungsgesetz nicht betroffen, also freigesprochen. Sie htte zumindest als Nutznieerin eingestuft werden mssen. 1951 wollte Frau Loritz einen Spruchkammerbescheid fr ihren Mann. Die Hauptkammer Mnchen stufte Loritz als Hauptschuldigen ein. Damit war der Pensionsanspruch verwirkt. Nicht so die Verschollenenrente, die von September 52 1962 bezahlt wurde. Bis diese eindeutige Fehlentscheidung berichtigt, die Zahlungen eingestellt und zurckgefordert wurden. Dagegen wehrte sich die Witwe und bekam Recht, da der Fehler beim Augsburger Versorgungsamt gelegen hatte. Dieses Urteil wurde 1968 unterschrieben von Dr. Eduard Stckle, dem ersten braunen Oberbrgermeister (1933/34). Eben der, der Loritz vom stdtischen Dienst frei gestellt und somit seine Pensionsansprche gesichert hatte. Loritz gehrte zu den 11 ersten KZ-Kommandanten zwischen 1933 und 36. Karl Koch (Kommandant von Sachsenhausen und Buchenwald) und Loritz sind die einzigen dieser 11, die auch noch bis 1942 ein KZ leiteten. Sie sind also die Dienstltesten dieser Riege.Augsburg hat leider noch einen zweiten KZ-Kommandanten hervorgebracht: Josef Kramer, Adjudant in Esterwegen, Mauthausen und Auschwitz-Birkenau, Kommandant in Natzweiler und Bergen-Belsen. Er wurde im Dezember 1945 hingerichtet.

    Karl Wahl

    1954 hat der ehemalige Gauleiter Karl Wahl sein Rechtfertigungsbuch Es ist das deutsche Herz verffentlicht. Dort vertritt er die These vom guten Augsburger Nationalsozialismus, den er und andere verkrpert htten. Auch wenn die Motive des Urhebers der These auf der Hand liegen, war es doch in Augsburg lange Zeit weit verbreitet von einer vergleichsweisen harmlosen Form des Nationalsozialismus in der Fuggerstadt zu sprechen. Wie kam es zu dieser wohlwollenden Beurteilung? Wahl zhlt sicher nicht, sieht man ihn in einer Reihe mit seinen Gauleiterkollegen wie Streicher (Nrnberg), Sauckel (Thringen), Wagner (Mnchen), oder Helmut (Wrzburg) zu den harmlosesten, weniger fanatischen und brutalen Typen. Hinzu kommt, dass er bei der Einnahme Augsburgs durch die US-Armee, ebenso wie OB Mayr, sich Bestrebungen die Stadt kampflos zu bergeben, nicht entgegen stellte. Das war trotz der vllig aussichtslosen militrischen Lage nicht so selbstverstndlich. So lie z. B. der Augsburger Polizeiprsident noch am 28. April, als die Amerikaner schon in Augsburg waren, in Mering noch einen Brger erschieen, weil der die Nazi-Herrschaft fr beendet erklrt hatte. Schlielich traten bei Wahls Spruchkammerverfahren Scharen von Entlastungszeugen auf, darunter einer im Auftrag des Bischofs. Direkte persnliche Schuld an einem Verbrechen war Wahl nicht nachzuweisen, so dass er schlielich als Aktivist eingestuft wurde, was nur die zweithchste Stufe der Belasteten darstellt. 3 Jahre Arbeitslager, worauf 40

  • Monate Internierungshaft angerechnet wurden und Vermgenseinzug lautete das Urteil. Wahl sah sich als zu Unrecht verfolgter Idealist, der immer nur das Beste fr sein Volk gewollt und bewirkt habe. Von Verbrechen habe er erst nach Kriegsende erfahren. Seine Todesanzeige 1981 trug das Wort der Bergpredigt: Selig sind die Verfolgung leiden. Auf seinem Grabstein im Ggginger Friedhof steht: Werdet nicht mde das Gute zu tun. In seinen Bchern beklagt er sich ber die gesellschaftliche Ausgrenzung, die er und andere ehrliche, anstndige Nationalsozialisten immer noch erfhren. Aus seiner Bewunderung fr Hitler macht er aber auch 1975 kein Hehl. Einer greren Persnlichkeit sei er nie begegnet, ein gottbegnadetes Genie und er ist davon berzeugt, sein Fhrer habe nicht gewusst, was die Verbrecher in seinem Umfeld (Bormann und Himmler) angestellt htten. Einige Schlaglichter zu Wahls Lebenslauf: 13. Kind einer armen Familie auf der Schwbischen Alb, Vater Heizer, spter Lokomotivfhrer, nach der Volksschule Schlosserlehre, Kriegsteilnehmer als Sanitter, 1922 Sekretr bei der Stadtverwaltung Augsburg, 1921 Eintritt in die NSDAP, 1931 grndet er die erste braune Zeitung Augsburgs, 1928 wird er Gauleiter der NSDAP, ab 1934 kommt das Staatsamt des Regierungsprsidenten dazu, auch nach 1945 nennt er sich Regierungsprsident a. D. Oder gelegentlich Schriftsteller.In seinen Reden und Schriften war Wahl keineswegs so gemigt, wie er es nach 1945 darstellte. Er hetzte durchaus gegen politische Gegner und Juden, z. B. in seinem Vorwort zu Eduart Gebeles Pamphlet Die Juden in Schwaben. Dort heit es aus der Feder von Karl Wahl: Wenn auch heute der Kampf gegen Juden und Judenknechte in Deutschland zu Gunsten des deutschen Volkes ein fr alle Mal entschieden ist, so soll doch die Volksaufklrung ber das verbrecherische Treiben dieser unverbesserlichen Volksschdlinge mit allen Mitteln fortgesetzt werden. Auch wenn er an Verbrechen nicht unmittelbar beteiligt war, in den Spruchkammerverfahren ging es ja um die Frage, in wieweit der Angeklagte die nationalsozialistische Gewaltherrschaft gefrdert hat. Wie htte bei einem ehemaligen Gauleiter die Antwort anders ausfallen knnen als Ja, er ist ein Belasteter, wenn auch kein Hauptschuldiger. Wahl sieht darin bitteres Unrecht. Doch letztlich lastet auf ihm als ranghchstem Nationalsozialisten Schwabens die Verantwortung fr die Manahmen der Partei im Gau. Seine Selbstdarstellung als Befehlsempfnger, der nichts ndern konnte, veranlasste einen Leser seiner Bcher, folgende Fragen an Wahl zu richten: Sie konnten nichts dagegen tun. Haben sie alles getan, was sie dagegen tun konnten? Sie haben nichts gewusst. Aber warum haben sie nichts gewusst? Haben sie nichts wissen wollen? Und sie haben es nicht gewollt. Haben sie es damals wirklich von ganzem Herzen nicht gewollt? Oder wollen sie es nur heute nicht mehr wahrhaben?Wahl steht fr andere Augsburger, die wie er nach dem Zusammenbruch hnliche Einstellungen bezogen: OB Josef Mayr, Kreisleiter Schneider oder der Schriftsteller Richard Euringer.

    Gauforum

    Seitdem am 1. Mai 1934 die Sngerhalle abgebrannt war, fehlte in Augsburg ein groer Versammlungsbau. 1935 schrieb die Stadt einen Architektenwettbewerb aus. Den ersten Preis bekam der Entwurf des jungen Augsburger Architekten Thomas Wechs. Wechs hat nach dem Krieg viele Augsburger Kirchen gebaut, z. B.

  • Hl. Geist in Hochzoll, St. Thaddus in Kriegshaber, Maria Hilf in Stadtbergen und Don Bosco im Herrenbach. Wechs's Plan sah einen mordernen Bau mit 19 schmalen, hohen Fenstern im Wittelsbacher Park vor, dort wo heute der Hotelturm steht. Hitler, dem der Entwurf vorglegt wurde, uerte sein Mifallen und zeichnete in Anwesenheit des Architekten seine Vorstellungen mit Rotstift in den Entwurf: einen wesentlich massiveren Bau. 1937 teilte Hitler Wahl und OB Mayr mit er wolle die Gauhauptstadt Augsburg mit einem gnzlich neuen groen Gauforum ausstatten. Mit der Planung beauftragte er seinen Lieblingsarchitekten Hermann Giesler, einen geborenen Sonthofner, dessen Werk auch die Ordensburg Sonthofen war. Das geplante Gauforum sollte an einer 48 m breiten Prachtstrae liegen, die am Stadttheater ihren Anfang nahm und ber den Knigsplatz und die heutige Konrad Adenauer Allee bis zum Theodor Heuss Platz fhren sollte. Das eigentliche Zentrum bestand aus einer riesigen Versammlungshalle fr 20000 Menschen, einem Flachbau von 165 auf 75 m, einem gigantischen Aufmarschplatz in den Maen 165 mal 140 m, der von Arkaden abgeschlossen war und schlielich einem Gauhaus der Partei mit zwei Innenhfen und vier 43 m hohen Ecktrmen. Ein 116 m hoher Glockenturm sollte alle Trme der Stadt berragen. Die monstrsen Bauwerke sollten sdlich des Knigsplatzes, westlich der Konrad Adenauer Allee/Schiegrabenstrae entstehen. Das gesamte Beethovenviertel wre abgebrochen worden, also auch das Haus, in dem wir uns im Moment befinden, und selbstverstndlich die Synagoge. Ebenso wre der kath. Friedhof berbaut worden. Die Bestattungen mussten 1938 eingestellt werden. Das ganze Projekt atmete in seiner aufdringlichen Protzigkeit die pseudoreligise Staats- und Parteivergtzung der Nazis. Sie sprengte Augsburger Mastbe bei weitem. Die Stadt musste fast 100 Grundstcke erwerben, 66 Gebude sollten abgebrochen werden. Dicht an dicht stehen im Beethovenviertel Bauten des Jugendstils und Historismus. Im Sden Augsburgs wren durchaus Flchen zur Verfgung gestanden, die man ohne Kulturvandalismus htte bebauen knnen. Die Idee war, parallel zur Prachtstrae der Renaissance zwischen Ulrich und Dom eine Prachtstrae der Hitlerra zu bauen, die die historische an Masse und Hhe in den Schatten stellen sollte. Das Bodenniveau lag von Natur aus schon hher, sollte aber noch knstlich aufgeschttet werden. Der Turm mit einer Neo-Renaissance-Haube sollte alle Trme der Achse Ulrich Perlach Dom deutlich berragen. Kreisleiter Schneider gab in seinem Bericht an den Gauleiter zu, dass engstirnige Brger alles Neue ablehnen, andere wren als Schwaben einverstanden, wenn die Steuheifa uns nix koschte tten. Allgemein herrschte die Meinung vor, dass die Stadt Wohnungen dringender bentigte als die monstrsen Palste. Im Herbst 39 sollte der Grundstein gelegt werden. Der Ausbruch des Krieges stoppte alle hochfliegenden Plne. In der Fuggerstrae hatte man bereits die Vorgrten und die Alleebume beseitigt. Sie fehlen bis heute. Die letzte Kostenplanung ging von 166 Millionen RM aus. Das in einer Zeit, wo man fr 10000 RM bereits ein Huschen bauen konnte. Rechnet man die notwendige Verlagerung des Bahnhofs und das Fernwrmeheizwerk dazu, so htten wohl 200 Millionen nicht gereicht. Die Plne waren Luftschlsser, die niemals verwirklicht werden konnten. Aber da sie unter dem besonderen Schutz Hitlers standen, trieben sie die Stadtverwaltung zu ungeheurer Arbeitsmotivation an und bedeuteten natrlich einen Prestigegewinn fr den kleinen Schwabengau. In hnlicher Weise wurden nur Weimar und Hamburg und evtl. noch Mnchen von Hitler protegiert. Hitler hatte offensichtlich einen Narren an Augsburg gefressen. So wirkte er an den Plnen fr den Umbau des Stadttheaters 1938 persnlich mit.

  • Und wenn es tatschlich zum Bau des Gauforums gekommen wre? Die Arbeiten htten ausgemergelte Zwangsarbeiter aus allen Ecken Europas ausgefhrt, eingepfercht in den Lagern rund um Augsburg, wie es sie whrend des Krieges zur Genge gab. Voraussetzung fr die teuren Reprsentationsbauten war die Ausplnderung der eroberten Lnder und ihrer Menschen, waren Raub- und Zwangsarbeit. Bezahlt worden wre mit immens viel Geld, dem Verlust wertvoller historischer Bauten und vor allem mit Menschenleben. Am Ende blieben von den grenwahnsinnigen Trumen nur Trmmer. Damit sind wir beim

    Luftkrieg

    Schon im Oktober 1939 erreicht der Luftkrieg zum ersten Mal Augsburg. Doch erst im April 1942 gelingt den britischen Bombenflugzeugen der erste schwere Schlag gegen die Augsburger Rstungsindustrie. Acht britische Lancasters greifen die MAN an, die wichtigste Produktionssttte fr U-Boot-Dieselmotoren. In Augsburg herrscht Verwunderung und Beschmung, dass die Geburtsstadt des angeblich besten Jagdflugzeugs der Welt in der Nachbarschaft eines Flugplatzes die feindlichen Angriffe wehrlos hinnehmen musste. Das in Verbindung mit der ersten Meldung von 12 Toten war ein psychologischer Schock, der nur teilweise ausgeglichen wurde durch die Meldung wenige Wochen spter, dass die MAN wieder so viele Motoren produziert wie vorher. Das ganze war ein Vorspiel zu dem, was knapp zwei Jahre spter ber die Stadt kommen sollte. Am Freitag, den 25. Februar 1944, einem kalten Tag, tauchten 200 US-Bomber um 14.00 Uhr am klaren Winterhimmel auf und griffen die Messerschmittwerke an. 110 Menschenleben waren zu beklagen, darunter ganze Familien in den benachbarten Siedlungshusern und etwa 50 KZ-Hftlinge. Das Werk wurde zu 60 % zerstrt. Um ca. 22.00 Uhr heulten die Sirenen abermals. 248 britische Bomber nahmen die Innenstadt zum Ziel. Es kam ein 40mintiges Inferno aus Luftminen, Huserknackern und Brandbomben, die das Trmmerfeld zustzlich in ein Flammenmeer verwandelten. Eine Stunde spter, um 23.30 Uhr kam die dritte Angriffswelle. Weiter 290 britische Bomber schtteten abermals 45 Minuten lang ihre tdliche Fracht in das brennende Chaos. Die Innenstadt (bes. Karls-, Ludwigstrae und die Gegend um's Wertachbrucker Tor) aber auch die Jakobervorstadt, Lechhausen und Haunstetten waren am strksten betroffen. Die Bomben tteten allein in dieser Nacht 730 Menschen, darunter 285 Frauen und 78 Kinder. Zu den Opfern gehrten auch 27 Personen, die in einem verschtteten Keller ertranken, als ihn ein Lechkanal berflutete. Rechnet man die 145 um's Leben gekommenen alliierten Flieger und die Toten vom Nachmittag hinzu, so steigt die Bilanz der Totesopfer auf nahezu 1000. ber 80 000 Augsburger wurden obdachlos. Die meisten von ihnen flohen in der Nacht oder am nchsten Tag aus ihren brennenden Stadtvierteln.

    Kriegsende

    Ende April 45 kam dann das Kriegsende fr die Stadt, als sich die 7. US-Infanteriedivision von Westen her ber Wertingen Augsburg nherte. Auf Flugblttern waren die Augsburger aufgefordert worden, weie Fahnen zu hissen. Erspart eurer alten Stadt und ihren Bewohnern den Regen an Stahl, der

  • Augsburg zu vernichten droht. Dass es nicht so weit kam ist der Einsicht des Gauleiters und des OB und den Aktionen einer etwa zwlfkpfigen Widerstandsgruppe zu verdanken. Stadtkommandant General Fehn hatte noch 800 Mann zur Verfgung und lehnte eine Kapitulation ab. An Brcken und Unterfhrungen lie er Barrikaden errichten. Wertach- und Lechbrcken sollten gesprengt werden. OB Mayr gab aber den Befehl fr die vorbereiteten Sprengungen nicht mehr weiter. Die Widerstandsgruppe um Dr. Rudolf Lang, einem Oberarzt am Augsburger Hauptkrankenhaus, hatte die kampflose bergabe der Stadt vorbereitet, mit Gauleiter, OB und General Fehn verhandelt und Kontakte zu den Amerikanern aufgenommen. Franz Hesse war mit dem Fahrrad nach Westheim gefahren und hatte die bergabe abgesprochen. In den Morgenstunden fhrte er etliche Panzer und Jeeps in die Stadt zum Befehlsbunker im Riedingerhaus am Hohen Weg. Auf diesem Platz steht heute das Stadtwerkehaus. Vor dem Riedingerhaus warteten weitere Angehrige der Freiheitsaktion. Ein kleiner Trupp US Soldaten drang in den Bunker vor, stellten Fehn ein Ultimatum, das verstrich, und nahmen ihn fest, ebenso Wahl Mayr. Damit war fr Augsburg der Krieg am Morgen des 28. April zu Ende. Der amerikanische Kampfbericht dieses Tages wrdigt die Initiativen der Freiheitsaktion, deren Rolle Wahl nach dem Krieg herunter spielte, um seine um so leuchtender erscheinen zu lassen. Augsburg wurde von der vlligen Zerstrung, wie sie ber Aschaffenburg, Wrzburg, Heilbronn, Nrnberg und Ulm kam, weitgehend Dank einer einzigartigen revolutionren Bewegung bewahrt, die den Einmarsch der amerikanischen Truppen wesentlich erleichterte.