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Aus dem Archiv: «Netzkultur: Umgangsformen im Internet»

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«Als man noch von Netiquette sprach...» Aritkel im SJW-Heft «Internet» aus dem Jahr 1998. Schweizer Jugendschriftenwerke.

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Netzkultur: Umgangsformen im Internet

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Das Netz entstand in den sechziger Jahren alsForschungsprojekt der Armee in den VereinigtenStaaten von Amerika (USA) und wurde anschlies-send zur Kommunikation unter den Wissenschaftlernund Wissenschaftlerinnen an den amerikanischenUniversitäten eingesetzt. Es waren also vor allemForscherInnen aus den Computerwissenschaften,der Physik, Mathematik und so weiter, die via Internetuntereinander Kontakt hatten und das Netz be-wohnten. ForscherInnen sind dafür bekannt, dass siegenau und logisch denken können. Die Verhal-tensregeln aus der Anfangszeit des Netzes beruhendaher vor allem auf logischen Schlüssen. So wusstenzum Beispiel die Netzmenschen der ersten Stunde,dass die Menge der Informationen (Daten), die überdas Internet transportiert werden kann, beschränktist. Je mehr Daten über das Netz transportiertwerden, desto langsamer wird daher das Netz alsGanzes. Damit nun alle NetzbenutzerInnen zu jederZeit angenehm, das heisst schnell genug, miteinanderkommunizieren können, sollten die Leitungen nichtmit unnötigen Informationen belastet werden. Einverschwenderischer Umgang mit unnötigen Informa-tionen wird daher auch heute noch von deralteingesessenen Netzgemeinschaft bemängelt oderabgelehnt. Sie sprechen dann von der sogenanntenBandbreitenverschmutzung. 15

Netzkultur:Umgangsformen im InternetMarc Böhler und Jan Freitag

Bandbreitenverschmutzungbedeutet, dass die Kabel durchunnötige Informationen belastetwerden, welche dadurch dieGeschwindigkeit im gesamten Netz beeinträchtigen.

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Die Netiquette verlangt deshalb, dass sich die kom-munizierenden Menschen immer auf das Nötigstebeschränken.Diese Beschränkung bedeutet auch, dass grosse In-formationsmengen auf kluge Art und Weise organi-siert werden sollten. Das heisst zum Beispiel, dasslange Texte aus vielen kurzen Einzelteilen bestehensollen, die untereinander verknüpft sind. Auf dieseWeise können die NetzbenutzerInnen dann selberentscheiden, welchen Knoten sie folgen möchten undwelche Informationen sie beziehen wollen odernicht.Eine weitere Regel aus der Netiquette lautete:«Sag offen, was du sagen willst, und zensiere nie.»Hauptsache, man war offen und ehrlich. Dadurchentstanden die sogenannten Flames, die einenwichtigen Stellenwert in der Netzkultur einnehmen,aber immer weniger akzeptiert werden. Denn dieheutige Netiquette besteht im Gegensatz zuderjenigen aus der Anfangszeit des Netzes auch ausVerhaltensregeln, die nicht nur wegen der Techno-logie entstanden sind, sondern von unseren allge-meinen Umgangsregeln entlehnt sind. Zum Beispielgilt inzwischen auch im Netz der sogenannte kate-gorische Imperativ, der vorschreibt, keinem anderenanzutun, was du nicht willst, das man dir antut. Somitsoll man auch niemandem eine Flame senden, dennniemand erhält gerne böse E-Mails.

Englisch, die NetzspracheDie Sprache, mit der kommuniziert wird, spielt aucheine wichtige Rolle. Im Netz ist die wichtigsteSprache Englisch. Nur ungefähr vier Prozent allerWeb-Seiten sind Deutsch, obwohl Deutsch diezweitwichtigste Sprache im Internet ist. Aber keineAngst. Das Netzlisch entspricht nicht dem Englischder alten Dichter. Beim Chatten spielt es keine Rolle,ob man fehlerfrei schreibt oder nicht. Hauptsache,deine Sätze sind verständlich und machen Sinn. Bei E-Mails ist es jedoch wichtig, einigermassen fehlerfrei zuschreiben. Grobe Fehler machen hier keinen gutenEindruck. Da jedoch bei vielen E-Mail-Programmen16

Netiquette –zusammengesetzt aus Net für Netz und Etiquette für

Benimmregeln. Die Netiquetteändert sich laufend.

Flame – englisch fürFlamme. Bezeichnet

unfreundliche oder sogarbeleidigende E-Mail. Der Name

entstand, weil die Sender vonFlames den Empfängern

einheizen möchten.

«Netzlisch» bedeutetEnglisch im Netz, eine besondereArt von Englisch, vom Stil her wiegesprochene Sprache, aber voller

Abkürzungen und Emoticons(siehe Seite xy).

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eine Rechtschreibeprüfung eingebaut ist, lassen sichsolche Fehler leichter vermeiden.Neben der grösseren Freiheit bezüglich Recht-schreibung besteht auch beim Schreibstil ein Unter-schied zum traditionellen Brief. Im Gegensatz zuBriefen auf Papier sind die E-Mails oft in der Um-gangssprache geschrieben. Es wird einfach geschrie-ben, was einem gerade in den Sinn kommt. Für dieKommunikation in Chatboxen und auch via E-Mail istes daher wichtiger, im mündlichen Englisch gut zusein.

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Kleine Philosophie des NetzesUm beschreiben zu können, was Netzkultur ist, muss man erst einmalfragen: Was ist ein Netz? Ein Netz besteht aus mehreren Teilen, einFischernetz zum Beispiel aus vielen Schnüren. Ausserdem müssendiese Teile in einer bestimmten Art und Weise miteinander verbundenwerden. Sie werden untereinander «organisiert», das heisst verknüpft.Ohne die Knoten hat man kein Fischernetz, sondern eine MengeSchnüre. Das Netz, mit dem wir es hier zu tun haben, ist gleichzeitigauf zwei unterschiedliche Weisen geknüpft:Es besteht einerseits aus vielen grösseren Computern, die immer Teildes Netzes sind, und ungezählten Computern zu Hause oder in Büros,die ab und zu Teil des Netzes sind. Das Computernetz ist eine Art derVerknüpfung.Andererseits besteht es auch aus Buchstaben, Sätzen, Texten, Bildern,Tönen und Animationen (kurzen Videoclips), die unter sich ebenfallsein Netz bilden. In diesem Zeichennetz sind die Verknüpfungen sovielfältig, dass keine davon alle anderen enthalten kann. BeimBeispiel des Fischernetzes enthält die Verknüpfung der Schnüre amRand alle anderen. Das Zeichennetz hingegen hat keinen Rand undauch keinen Anfang und kein Ende. Man gelangt durch viele Zugängehinein, von denen keiner der Hauptzugang ist. (Du kannst deinenHauptzugang zum Netz selber auswählen.) Weil sie nicht von einemstarren Rahmen zusammengehalten werden, verändern die Zeichenständig ihre Beziehung zueinander und damit auch ihre Bedeutung.Das ist die andere Art, wie dieses Netz geknüpft ist. Sie istgleichbedeutend mit Netzkultur. Das heisst, dass die Art und Weise,wie die Menschen im Netz miteinander umgehen und kommunizieren,geprägt ist von der Art und Weise, wie die Zeichen, die sie dazubenötigen, untereinander organisiert sind.

KN

KNOTENNET

KNOTENNETZ

TEZN

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Abkürzungen und Emoticons, die Netzzeichen

Ein weiteres Merkmal der Kultur im Netz sindzahlreiche Abkürzungen, zum Beispiel CU oder TTYL.CU steht für «see you» und heisst «wir sehen uns».TTYL heisst «talk to you later» und bedeutet «wirsprechen uns später». Eine der meistverwendetenAbkürzungen ist ROTFL = «rolling on the floorlaughing». Auf Deutsch bedeutet dies «sich lachendauf dem Boden wälzen» und ist ein Zeichen für eingrosses Gefühl der Freude, ebenso wie LOL(«laughing out loud» = «laut lachen»).Um im Netz Gefühle auszudrücken, werden auchSymbole verwendet, die mit den Sonderzeichen wieDoppelpunkt, Klammern, Bindestrich etc. getipptwerden. Diese Symbole haben die BezeichnungEmoticons. Davon ist der Smiley :-) das häufigste.Es gibt ihn auch in Kurzform :) oder gespiegelt (-:Anstelle des ROTFL kann der Smiley auch in derSteigerungsform :-)))))))) dargestellt werden. Eben-falls populär ist der Twinkey ;-) Dieses Emoticon stelltein Augenzwinkern dar und bedeutet, dass man esnicht ganz ernst gemeint hat. Weitere Beispiele sindder skeptische Smiley :-/ und der Kuss :-*Den schreiende Smiley :-@ sieht man selten. Häufigerwerden GROSSBUCHSTABEN verwendet, umjemanden ANZUSCHREIEN. In der Netiquette stehtjedoch geschrieben, DASS HÄUFIGES RUM-SCHREIEN NICHT GERN GESEHEN WIRD!!!!Heute wird trotzdem sehr viel rumgeschrien.Wie aufeinem Jahrmarkt versuchen alle Unternehmen mitdem Netz Geld zu verdienen und Ramsch zuverkaufen. Zum Glück muss niemand hinhören, deroder die nicht will. Somit bleibt die Netzkultur auchin Zukunft wegen der eingefleischten Netizensbestehen. Wer hingegen offen auf seinen Gewinnabzielt und Geld in den Vordergrund stellt, hat Mühein diese Netzgemeinschaft aufgenommen zu werden,denn ein Grundsatz aus der Anfangszeit des Netzesexistiert noch heute: «Kommunizieren ist gut, Geldverdienen nebensächlich.»

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Emoticons – aus Emotions für Gefühle und

Icons für Symbole. Beispiele:Smiley :-) Twinkey ;-)

unglücklicher Smiley :-(

Netizens sind dieBürgerInnen des Netzes(zusammengesetzt aus

den englischen Wörtern Net und Citizen).

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