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Abnormitaten aus meiner ornithologischen Sammlung. 9t ieh eine Alpenbraunnelle (.4 c c e n t o r a 1l) in u s B e e h s t.) erhalten, die ganz wie mit Russ tibertii~,.eht war, die Kehle zeigte keine sehwarzen Fleeken, sondern war einf~irbig grau, und die Seiten stark dunkelbraun. Bei der nitehsten Mauser wurde sie ganz normal gefitrbt. Eine m el a n o t i s e h e H a u s e n t e war in mehrfaeher Hinsieht interessant, weshatb ich tiber sie ausftthriicher beriehtet habe. Variet~tten in Farbe und Zeichnung. Ausser der abnormen Farbung der V(iget durch Albinismus und Melanismus, giebt es aueh Variet~tten in Zeiehnung oder Far- benvertheihmg. Doeh ist dies sehr selten der Fail und mir kamen erst folgende vor: Pious mc~.]or L. Ieh habe einen grossen Buntspeeht, bei welchem die beiden sehwarzen I-Ialsstreiien auf der Brust dutch einige rothe Federn verbunden sind, ganz ~ihnlielb wie es bei P. crue7~tatus Antin. besehrieben wird.*) F,ringilla carduelis L. Auf dem Markte sah ieh einen Distelfinken, dessen rothe Zeiehnung des Gesichtes unter dem Sehnabel nieht znsammenging, sondern ein weisses Feld often liess. Aus meinen Beobaehtungsnotizen. Von Pfarrer Karl. Miiller. Am 3. 5Iai dieses Jahres (1869) maehte ieh auf einem Beob- aehtungsgang dutch das Getreidefeld in einem Thale nahe bei Staden in der Wetterau. dem Wohnorte meines Vaters, eine Ent- deekung, wetehe mieh ibrer Neuheit wegen sehr tiberrasehte und befriedigte, Das Thal, dureh welches ieh dem Walde zusehritt, der sieh liings demselben hinzieht~ wird ,tier See" genannt und tr~tgt noeh heute die Spuren eines grossen Teiehes in zwei hohen D~tmmen. Uebrigens ist. ringsum alles troeken gelegt nnd yon sumpfigen Stellen niehts wahrzunehmen; nur auf einer grossen, an sich troeken Iiegenden Wiese~ welehe den G~tnsen des Naeh- barodes zm" Weide dient, ist ein ziemlieh grosses Bassin an- gebi'aeht. Letzterem gegentiber, ungefithr : 200. Sehritte davon enffernt, hart am :Wage, -traf mein Ohr pliStz!ieh tier Gesang eines Sumpfsehilfsi~ngers (Calamoherpe Tahtst.rls), des t~[eisters i:*) Naumannia, Bd. YL

Aus meinen Beobachtungsnotizen

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Page 1: Aus meinen Beobachtungsnotizen

Abnormitaten aus meiner ornithologischen Sammlung. 9t

ieh eine Alpenbraunnelle (.4 c c e n t o r a 1 l) i n u s B e e h s t.) erhalten, die ganz wie mit Russ tibertii~,.eht war, die Kehle zeigte ke ine sehwarzen Fleeken, sondern war einf~irbig grau, und die Seiten stark dunkelbraun. Bei der nitehsten Mauser wurde sie ganz normal gefitrbt.

Eine m el a n o t i s e h e H a u s e n t e war in mehrfaeher Hinsieht interessant, weshatb ich tiber sie ausftthriicher beriehtet habe.

Var i e t~ t t en in F a r b e und Ze ichnung .

Ausser der abnormen Farbung der V(iget durch Albinismus und Melanismus, giebt es aueh Variet~tten in Zeiehnung oder Far- benvertheihmg. Doeh ist dies sehr selten der Fail und mir kamen erst folgende vor:

P i o u s mc~.]or L. Ieh habe einen grossen Buntspeeht, bei welchem die beiden sehwarzen I-Ialsstreiien auf der Brust dutch �9 einige rothe Federn verbunden sind, ganz ~ihnlielb wie es bei P. crue7~tatus Antin. besehrieben wird.*)

F , r i n g i l l a c a r d u e l i s L. Auf dem Markte sah ieh einen Distelfinken, dessen rothe Zeiehnung des Gesichtes unter dem Sehnabel nieht znsammenging, sondern ein weisses Feld often liess.

Aus meinen Beobaehtungsnotizen. Von

Pfarrer Karl. Miiller.

Am 3. 5Iai dieses Jahres (1869) maehte ieh auf einem Beob- aehtungsgang dutch das Getreidefeld in einem Thale nahe bei Staden in der Wetterau. dem Wohnorte meines Vaters, eine Ent- deekung, wetehe mieh ibrer Neuheit wegen sehr tiberrasehte und befriedigte, Das Thal, dureh welches ieh dem Walde zusehritt, der sieh liings demselben hinzieht~ wird , t i e r See" genannt und tr~tgt noeh heute die Spuren eines grossen Teiehes in zwei hohen D~tmmen. Uebrigens ist. ringsum alles troeken gelegt nnd yon sumpfigen Stellen niehts wahrzunehmen; nur auf einer grossen, an sich troeken Iiegenden Wiese~ welehe den G~tnsen des Naeh- barodes zm" Weide dient, ist ein ziemlieh grosses Bassin an- gebi'aeht. Letzterem gegentiber, ungefithr : 200. Sehritte davon enffernt, hart am :Wage, -traf mein Ohr pliStz!ieh tier Gesang eines Sumpfsehilfsi~ngers (Calamoherpe Tahtst .rls) , des t~[eisters

i:*) Naumannia, Bd. YL

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92 Kar l MUller:

unter den Sp(ittern. Kaum meinem Ohre trauend, begab ich reich in tier Furche des Weizenackers, woher tier Gesang er- t(inte, in die ~ahe des herrlichen Sangers, der auf einem Korn- halme sass, welcher sich vom Gewichte des V~gelchens beugte. Singend flog dieses yon einem zum anderen Kornhalme, deren viele aus dem noch nieht in Halme g'eschossenen Weizen empor- gewachsen waren. Alsbald entdeckte ich auch das Weibchen, welches sich jedoch im dichten WeizengebUsch meinen Augen vorsichtig entz,)g. Ich konnte leider nur eine oberfliichliche Un- tersuchung des Weizens vornehmen, um das zNest zu finden, welches ohnfehlbar um diese Zeit schon yon dem Paare, wenn auch nicht fertig, doch zum gr~issten Theil erbaut sein musste. Um dem Getreide nicht allzu sehr zu schaden, musste ich meine Bemiihungen einstellen. Jedoch beobachtete ich die Thierchen noch zwei Tage lang, um aus ihrem Betragen und Verbleiben die gleich anfangs yon mir kanm bezweifelte Gewissheit zu ge- winnen, dass Calamo]~erpe Talustrls in der That auch im Getreide nistet. Ich stellte auch Fangversuche an den Platzen an, wo das M~tnnchen vorzugsweise gerne sang. In Kornhalmen klemmte ich mehrere Mehlwiirmer ein, und auf einen im Weizen fi'eigemachten Platz am Boden stellte ich das Schlaggarnchen, allein diessmal blieben meine an andern 0rten mit Erfolg gekrSnten Versuche, den Sumpfschilfsiinger zu fangen, vergeblich. Zu meinem Be- dauern musste ich Tags darauf abreisen, und Niemand aus der Gegend war mir zur Hand, welehen ich mit dem kufsuchen und Beobachten der Brut der Sanger fur die Folge h~ttte beauf- tragen k(innen. Wie interessant ware es, zu erfahren~ welche Stoffe die Thierchen im Getreide zum Nestbau wahlen. Sicher- lich keine andern, als Stoffe vom Getreide selbst und Halmen, nameutlich Weizenbliitter, wie ich mir gemiiss der charakteristi- schen Neigung dieses Sangers Uberhaupt schon vorstellen kann. Yielleicht liisst sich das Nest beim Schneiden des Weizens aus- findig machen.

II. Nach wiederholter genauer und taglich fortgesetzter Beob-

achtung eines Kohlmeisenpaars (Parus major) bin ich zu dem v(illig sicheren Resultale gelangt, d a s s da s ~I~innchen w e d e r bauen , noch a u c h . b r U t e n hi l f t . Das Weibchen wird, (~thn- lich wie beim Stieglitz- und Hanflingpaare) yore Miinnchen be- gleitet~ wenn es Baustoff sucht. Sobald ersteres Stoff in die H(ihle

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getragen hat und wieder ausschlttpft, fliegt ihm das in der N~he der Nistst~itte wartende Miinnchen eiligst nach und kommt mit dem mit Baustoff beladenen Weibchen in gleicher Weise zurtick. W~hrend das M~nnchen auf das bauende Weibchen wartet, raft es 5fters: ,,bitis" vier bis sechs Mal und ,wisdii." Kommt ein Staar in die Niihe des Nestes oder ein Sperling, so zankt das K(ihlermitnnchen im tiefen ,,Wiiwiiw~twiiwii" und dem bekannten scharfkIingenden Schreckton. Ueberhaupt {st das M~nnchen treuer Wiiehter tiber Nest and Weibchen. Ist tier Bau vollendet und weilt das Weibchen in der H(ihle, so ruff das Miinnchen: ,dis- dispinkpinkpinkpink" neben dem ,bitis." Den ganzen Tag triigt das sorgsame Miinnchen glatte und aueh b e h a a r t e Raupen seinem Weibchen in das ~est, aber nie sah ieh es Koth des- selben entfernen. Die brtitende Gattin verl~tsst den Tag tiber tifter, als ich fl'iiher glaubte, die Eier~ um sich auszuspannen und einen Leckerbissen aufzusuchen. Wohl schlUpft in solchen Au- genbli~ken das M~innchen manchmal in die Hiitfle, kommt aber naeh Verlaufvon hiichstens ether halben Minute wieder zum Vor- schein. Be{ FUtterung der Jungen betheiligen sich be{de Eltern eros{g, und jedesmal tragen sie die z~hen Brocken des Abgangs derselben eine Strecke welt im Schnabel dutch die Luft uud lassen sie dann {allen. Die Jungen stud kaum 5---6 Tage aus- geflogen, so beginneu die klten schon mit der zweiteu Brut. Das Weibcheu benutzt gerne dieselbe Hiihle wieder und tr~gt zum alten :Neste nur neue Ausftitterungsstoffe in geringer Menge hin- ein. Wahrend dessen wird alas eine oder andere uoeh hilfbe- dUrftige Junge zuweilen geftittert.

Eine merkwttrdige Entdeckung machte ich in diesem Frtih- jahre an einem Neste der weissen Bachstelze, l]lotacilla alDa. Es stand oder hint vielmehr zwischeu zwei neben einander gespannten Seilern fret auf einem Boden unmittelbar unter dem Dach, wo die Thierchen dureh eineu defekten Ziegel einschlUpften. Sie hatten erst Strohhalme quer ttber die Seilern gelegt uud nun in diese das Nest gehlingt. Ein Beweis vo~ Anbequemung an die zeitweilige Oertlichkeit~ yon Verstandestbiifigkeit.

Das Schlupfioeh war UblSgens wieder ein Beweis f~r- die Treue der EigenthUmlichkeit dieser H~hlenbrUter.