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Ausblick Die heutige Jugend ist mit einem großen Laboratorium vergleich- bar. Gegenstand der zahlreichen unterschiedlichen Experimente ist die Jugend selbst in ihrer Suche nach Identität und ihrem Ringen um ein friedliches Leben in Gegenwart und Zukunft. In diesem Labora- torium erscheint alles erlaubt. Experimentiert wird mit Stilen und Ausdrucksformen, Lebensweisen und neuen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, mit Kunst und Musik, Konsumgütern und geistigen Werten der unterschiedlichsten Ausprägung. Neue Werte entstehen aus Bedürfnissen, Interessen, Erfahrungen, sie verbinden sich mit traditionellen Elementen der europäischen Kultur, Philoso- phie oder Kunst. Neue Synthesen ergeben sich zum Teil in der Be- gegnung mit der eigenen Geschichte oder bei der Suche nach meta- physischer Sinngebung in neuen Formen der Religiosität. Erprobt und gelebt werden alle möglichen Formen menschlicher Beziehungen. Dabei treten tradierte gesellschaftliche Normen und Konventionen in den Hintergrund. Bestand hat, was den eigenen Ge- fühlen und Überzeugungen entspricht, was von innen heraus bejaht wird und was dem Test der Wahrhaftigkeit standhält. Die Jugend sucht ihren Weg nicht mehr in großen theoretischen Auseinanderset- zungen über die Gültigkeit dieser oder jener Ideologie. In erster Li- nie wird an der Bewältigung konkreter Probleme in der alltäglichen Wirklichkeit gearbeitet. Die Jugend in der Bundesrepublik ist mit ihrem Lebensgefühl, ih- ren Werten, Verhaltensweisen und Einstellungen fest in der westli- chen Kultur verankert. Das bedeutet nicht, daß man nicht fasziniert auch in den anderen Teil Deutschlands schaut, den man kennenler- nen möchte, um ihn als Teil einer einheitlichen deutschen Identität zu entdecken. Aber der Glaube an eine Wiedervereinigung der Sy- steme in einem dritten Weg, einer Synthese von Kapitalismus und Sozialismus, wird nur von einer winzig kleinen, meist intellektuel- len, Minderheit vertreten. 222

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Ausblick

Die heutige Jugend ist mit einem großen Laboratorium vergleich­bar. Gegenstand der zahlreichen unterschiedlichen Experimente ist die Jugend selbst in ihrer Suche nach Identität und ihrem Ringen um ein friedliches Leben in Gegenwart und Zukunft. In diesem Labora­torium erscheint alles erlaubt. Experimentiert wird mit Stilen und Ausdrucksformen, Lebensweisen und neuen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, mit Kunst und Musik, Konsumgütern und geistigen Werten der unterschiedlichsten Ausprägung. Neue Werte entstehen aus Bedürfnissen, Interessen, Erfahrungen, sie verbinden sich mit traditionellen Elementen der europäischen Kultur, Philoso­phie oder Kunst. Neue Synthesen ergeben sich zum Teil in der Be­gegnung mit der eigenen Geschichte oder bei der Suche nach meta­physischer Sinngebung in neuen Formen der Religiosität.

Erprobt und gelebt werden alle möglichen Formen menschlicher Beziehungen. Dabei treten tradierte gesellschaftliche Normen und Konventionen in den Hintergrund. Bestand hat, was den eigenen Ge­fühlen und Überzeugungen entspricht, was von innen heraus bejaht wird und was dem Test der Wahrhaftigkeit standhält. Die Jugend sucht ihren Weg nicht mehr in großen theoretischen Auseinanderset­zungen über die Gültigkeit dieser oder jener Ideologie. In erster Li­nie wird an der Bewältigung konkreter Probleme in der alltäglichen Wirklichkeit gearbeitet.

Die Jugend in der Bundesrepublik ist mit ihrem Lebensgefühl, ih­ren Werten, Verhaltensweisen und Einstellungen fest in der westli­chen Kultur verankert. Das bedeutet nicht, daß man nicht fasziniert auch in den anderen Teil Deutschlands schaut, den man kennenler­nen möchte, um ihn als Teil einer einheitlichen deutschen Identität zu entdecken. Aber der Glaube an eine Wiedervereinigung der Sy­steme in einem dritten Weg, einer Synthese von Kapitalismus und Sozialismus, wird nur von einer winzig kleinen, meist intellektuel­len, Minderheit vertreten.

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Angesichts der akuten Bedrohungen, denen sich die Jugend in Ost und West gleichermaßen gegenübergestellt sieht (Umweltver­schmutzung, Hochrüstung und Fortbestehen des Ost-West­Konfliktes, strukturelle Arbeitslosigkeit und Gefährdung der sozia­len Sicherheit) verliert die Frage nach dem System an Bedeutung. Im Vordergrund stehen die Probleme der hochindustrialisierten Ge­sellschaft, die sich im real-existierenden Sozialismus genauso ab­zeichnen wie in den kapitalistischen Ländern. Die "Ich-bin-Ich­Generation" in Ost und West bestimmt ihr politisches Engagement weit mehr durch das subjektive Empfinden und die persönlichen Be­dürfnisse als durch ideologische Grundsatzdebatten. Die Diskus­sion über die "Ismen" wird mehr und mehr belächelt.

Verzicht auf einen Dritten Weg heißt nicht, daß man den gegen­wärtigen Zustand Europas in der internationalen Politik als letztes Wort der Weltgeschichte betrachtet. Ob die Form des westlichen Bündnissystems, das in der Phase des Kalten Krieges konzipiert wurde, noch voll den Interessen der Bundesrepublik und Westeuro­pas in einer gewandelten internationalen Lage entspricht, wird be­zweifelt. Diesen Zweifel hat die Jugend vor allem in dem oft harten Urteil über die Vereinigten Staaten verdeutlicht. Diese Kritik ent­spricht im Kern derjenigen General de Gaulles am System der atlan­tischen Verteidigung vor zwanzig Jahren.

Der Gedanke an ein Vereinigtes Europa begeistert die Jugend im Augenblick nicht sonderlich. Den andauernden europäischen Strei­tigkeiten um Quoten und Preise kehrt man angewidert den Rücken. Erstrebt wird die Erweiterung von Handlungsspielräumen auf allen Ebenen: größere Selbständigkeit für das Individuum, die Region, die Bundesrepublik und Europa. In diesem Bereich gibt es bei der Jugend keine klaren Konzepte, aber auch keine Tabus. Die Vereinig­ten Staaten sind keine "heilige Kuh" mehr und die Sowjetunion ist nicht mehr "das Reich des Bösen".

Die deutsche Jugend braucht Verständnis: die verständige Solida­rität der Erwachsenen und die unvoreingenommene Offenheit der Deutschland umgebenden Länder. Dabei spielt Frankreich als wich­tiger Bezugspunkt für die deutsche Jugend eine herausragende Rolle. Einzelne französische Medien haben in den letzten Jahren teilweise vorbildlich unvoreingenommen über die Bundesrepublik und auch die Probleme der deutschen Jugend informiert. Das Spek­trum reicht von einigen Rundfunk- und Fernsehsendern über ein-

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flußreiche Wochenmagazine bis hin zu großen Tageszeitungen in der Provinz.

Unter der Überschrift: "Müssen wir Angst vor den Deutschen haben?" erfaßt ein scharfsinniger französischer Beobachter die Pro­blematik der Jugend im heutigen Deutschland im Kern: "Alterna­tive, Grüne, Pazifisten, alle Komponenten der ,Friedensbewegung', haben dem üblichen Protest der jungen Generation eine derartige Breite und eine derartige politische Kraft gegeben, daß unter unse­ren Augen gerade ein wahrhaft neues Deutschland geboren wird. Ein neues Deutschland, das die Stereotypen des Wirtschaftswunders der 60er Jahre zurückweist ... und neue Lebensformen predigt. In allen Happenings der Friedensbewegung haben die jungen Men­schen vor allem eine neue Identität gesucht. Eine Identität, die beide Deutschland miteinander verbindet, wenn sie schon nicht wieder­vereinigt werden können" (Jacques Julliard).

Gerade in der Zeit, als die Friedensbewegung Millionen junger Deutscher mobilisierte, konnte man in vielen französischen Me­dien, in Büchern und Zeitschriften aber auch andere Töne über Deutschland und seine Jugend hören. Da wurde das Bild einer Ju­gend gezeichnet, die keine Lust mehr hat, sich und ihr Land zu ver­teidigen. Die Friedensbewegung erschien vielen als verlängerter Arm Moskaus. Man versuchte den Eindruck zu erwecken, die deut­sche Jugend wünsche nichts sehnlicher als die Neutralisierung Deutschlands und die Finnlandisierung Europas. Vorwürfe und Mißverständnisse gipfelten in dem Schlagwort des, ,nationalen Neu­tralismus". Das Gespenst einer Wiedergeburt nationalistischer Ziel­vorstellungen, diesmal in öko-pazifistischem Gewand, geisterte durch die Medien. All das zeigte ein erschreckendes Maß an Un­kenntnis und Uninformiertheit über die wirklichen Beweggründe der heutigen deutschen Jugend.

Kritik aufgrund von Mißverständnissen und unberechtigte Vor­würfe können verheerende Folgen haben. Sie werden nicht in Lern­prozessen rational verarbeitet, sondern führen zu emotionalen Ge­genreaktionen. Junge national orientierte Menschen aus dem kon­servativen Lager entwickeln gerade Frankreich gegenüber Minderwertigkeitskomplexe. Sie empfinden Unverständnis gegen­über der Tatsache, daß andere Völker den Deutschen ein National­gefühl verwehren, während sie selbst ihren Nationalstolz ungehin­dert zur Schau stellen. Vor diesem Hintergrund kann die Gefahr be-

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stehen, daß die Suche der meisten Jugendlichen nach einer neuen deutschen Identität in eine Art "Protest'~ oder "Trotznationalis­mus" umschlägt.

Solche Reaktionen können von außen hervorgerufen werden. Sie sind jedoch dem Wesen der großen Mehrheit deutscher Jugendlicher fremd. Diese Jugend sucht deutsche Identität jenseits der traditio­nellen nationalstaatlichen Denkfiguren. Sie knüpft in ihrem Denken an universalistisch-weltbürgerlichen Traditionen deutscher Kultur­und Geistesgeschichte an, wie sie vor der Entstehung des deutschen Nationalstaates entwickelt wurden. Das ermöglicht den Jugendli­chen eine unbefangenere Haltung zu den heiß diskutierten Proble­men der sogenannten "deutschen Frage".

Deutschland in den Grenzen von 1937 ist für die Jugend der Bun­desrepublik kein Thema mehr. Die Spaltung Deutschlands wird als Realität hingenommen. Engagement für die Wiedervereinigung Deutschlands ist nur bei einer konservativen Minderheit bundes­deutscher Jugendlicher anzutreffen. Ausganspunkt ihres Denkens sind weder überkommene völkerrechtliche Positionen noch traditio­nelle nationalstaatliche Zielvorstellungen. Der Jugend geht es in er­ster Linie um das konkrete Leben der Menschen auf dem Territo­rium beider deutscher Staaten. Wenn diese Menschen, vor allem in der DDR, freier leben und freizügig in den Westen reisen dürften, würde die große Mehrheit der Jugendlichen eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR mit allen Konsequenzen akzeptieren. Was würde passieren, wenn die Deutschlandpolitiker in Bonn von den unbefangenen und unbelasteten Vorstellungen der bundesdeutschen Jugend lernen würden?

Der endgültige Verzicht auf Wiedervereinigung würde die Politik der Bundesrepublik von einer schweren Hypothek befreien. Beide deutsche Staaten könnten ihren Handlungsspielraum und ihren Ein­fluß in den jeweiligen Bündnissystemen erweitern und verstärken. Als freie Bündnispartner könnten beide deutschen Staaten in den je­weiligen Blöcken eine Mittlerrolle übernehmen, die ihrer geopoliti­schen Lage, historischen Verantwortung und der existentiellen Be­drohung ihrer Menschen entspräche. Nach einem Verzicht auf Wie­dervereinigung könnte die Bundesrepublik exemplarische Bezie­hungen zum anderen deutschen Staat entwickeln und so vor aller Welt die Möglichkeit einer fruchtbaren Koexistenz zwischen Län­dern mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen deutlich machen.

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Diese Entwicklung würde im Endeffekt nur völkerrechtlich die Spaltung Deutschlands vertiefen. Der Verzicht auf Wiedervereini­gung richtet sich in keiner Weise gegen das Zusammengehörigkeits­gefühl der Deutschen. Nicht staatliche Einheit verbindet die Deut­schen, sondern die gemeinsamen kulturellen, historischen und geo­graphischen Grundlagen und Gegebenheiten, die gemeinsam empfundene Bedrohung sowie die daraus resultierende gemeinsam zu tragende Verantwortung. Befreit von der Last unrealistischer Wiedervereinigungsrethorik könnten sich die Menschen aus der DDR und der Bundesrepublik sehr viel unbefangener, häufiger und intensiver begegnen.

Die heutige Jugend sucht ihre deutsche Identität außerhalb der na­tionalstaatlichen Begrenzung. Damit verabschiedet sie sich von ei­ner wichtigen Phase der Geschichte, die Europas Aufstieg und Nie­dergang mitbegründet hat: der Epoche der großen europäischen Na­tionalstaaten. Das ist ein originärer Beitrag dieser Generation zur Geschichte der deutschen und europäischen Gesellschaft.

In der Bundesrepublik hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine Entwicklung von historischer Bedeutung vollzogen: die stille Revo­lution zur Demokratie. Die heutige Jugend ist der überzeugendste Ausdruck dieser Revolution. Was keine politische Bewegung, kein Ereignis, keine historische Persönlichkeit zuwege gebracht hat, wird in der heutigen Jugend sichtbar: die Deutschen in der Bundes­republik sind zu Demokraten im westlichen Verständnis des Wortes geworden. Die autoritär-patriarchalischen Strukturen der tradtio­nellen deutschen Gesellschaft sind zerstört. Der blinde Glaube an die alles weise regelnde, von Gott eingesetzte Obrigkeit ist ge­schwunden.

Über Sinn und Unsinn, Auswüchse und Fehlentwicklungen des politischen Systems in Bonn wird in der Jugend heiß gestritten. Viele ignorieren auch, was dort passiert. Aber über die Demokratie westlicher Prägung als Staats- und Lebensform herrscht unter den Jugendlichen ein fast vollständiger Konsens. Außerdem bringt die Jugend in die deutsche Politik ein für unser Land und für jede De­mokratie wichtiges Element ein: die Verbindung von privater Sphäre und politisch-gesellschaftlichem Engagement. Diese beiden Sphären waren insbesondere im 19. Jahrhundert, in der Epoche des entstehenden deutschen Nationalstaates, strikt getrennt. Das hat die Erziehung von Demokraten in Deutschland erschwert und verzö-

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gert. Der Übergang vom passiven Bürger zum aktiven Staatsbürger hat sich in Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg vollzogen. In der heutigen Jugend kommt diese Entwicklung zum Tragen.

Sicher: Die stille Revolution der Demokratie in der Bundesrepu­blik ist nicht das Verdienst der heutigen Jugend allein, sondern das Ergebnis eines historischen Prozesses. Insbesondere Adenauer, Schumacher, Heuß und andere Politiker der 50er Jahre haben in Zu­sammenarbeit mit den Westmächten die Weichen gestellt. Aber -und das ist das Entscheidende: Die heutige Jugend hat die Sache der Demokratie zu ihrer eigenen gemacht. Für die Erhaltung der Demo­kratie kämpfen die Jugendlichen, demonstrieren sie, mobilisieren sie ihre Phantasie und Kreativität. Demokratie ist für die Deutschen zu einer Existenzfrage geworden.

Ein weiterer Beitrag der Jugend zur Entwicklung der Gesellschaft begleitet ihr demokratisches Engagement: Menschlichkeit als zen­trales Anliegen dieser Generation. Auch das ist neu in der deutschen Geschichte. Es geht nicht um abstrakte, romantische Menschheitsi­deale, denen die Jugend nacheifert, sondern um die Menschlichkeit im alltäglichen Leben. Das bedeutet Verzicht auf Ideologien, ge­schlossene Systeme und Weltanschauungen, die dem Menschen nur eine bessere Welt versprechen, ihn aber letztlich zum Instrument ih­rer vermeintlich rationalen Zwänge machen.

Menschlichkeit im täglichen Leben bedeutet auch Aufgabe der Feindbilder, welche die Gesellschaft in ihrer jeweiligen Entwick­lungsphase hervorbringt. Deutschland hat immer mit Feindbildern gelebt. Das waren im 19. Jahrhundert in erster Linie die Franzosen. Anfang des 20. Jahrhunderts waren es alle großen Mächte, die dem Deutschen Reich seinen Platz in Europa und der Welt streitig ma­chen wollten. Der Fanatismus des Nationalsozialismus richtete sich gegen Juden, Freimaurer, Homosexuelle und kranke Menschen im Inneren sowie gegen die Nachbarstaaten, an erster Stelle zunächst wieder gegen Frankreich, später gegen die Sowjetunion, den Bol­schewismus und die anglo-amerikanische Plutokratie. In der Ära Adenauer wurde der Antikommunismus systematisch kultiviert. La­tente Feindbilder in der Gegenwart, insbesondere der mancherorts geschürte Ausländerhaß, werden gerade von Jugendlichen am schärfsten bekämpft.

Auch der Abschied der Jugend von typisch deutschen Eigenschaf­ten wie Disziplin, Gehorsam, Fleiß, Arbeitseifer, Staatshörigkeit,

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Gründlichkeit ist letztlich Ausdruck für die Sehnsucht nach mehr Menschlichkeit in den persönlichen Beziehungen, im Umgang mit der Arbeit und den Arbeitskollegen, in der stärkeren Berücksichti­gung von Gefühlen und Empfindungen in allen Bereichen des gesell­schaftlichen Lebens.

Menschlichkeit im Spannungsfeld zwischen Goethe und Aus.ch­witz: darin suchen junge Deutsche ihre Identität. Sie sind sich des­sen häufig bewußt. Goethe ist Symbol deutscher Kultur und eines universalistisch ausgerichteten Humanismus. Auschwitz steht für Nihilismus und Barbarei, bezeichnet in einem Wort die zynische Menschenverachtung der Nationalsozialisten und die grausamste Tötungsmaschinerie aller Zeiten. In nahezu allen Gesprächen mit Jugendlichen wird auf die beiden Pole der deutschen Geschichte Be­zug genommen, allerdings in sehr unterschiedlicher Weise. In ihrer spürbar verstärkten Suche nach deutscher Identität versucht die Mehrheit der Jugendlichen heute immer noch, das spezifisch deut­sche Erbe zu verdrängen. Man will mit den Verbrechen des Natio­nalsozialismus nichts zu tun haben. Deshalb fällt es auch schwer, eine unbefangene Beziehung zur deutschen Kultur zu entwickeln.

Wohl nur eine Minderheit junger Deutscher erfaßt langsam, daß zwischen Goethe und Auschwitz ein Zusammenhang besteht. Diese Jugendlichen begreifen, daß es keine Aneignung der deutschen Kul­tur ohne das Bekenntnis zur gesamten deutschen Geschichte in ih­rem unerschöpflichen Reichtum und ihren barbarischen Auswüch­sen gibt.

Jede Prognose über die Jugend ist ein Wagnis und ein Stück Glau­bensbekenntnis. Kein Mensch kann die Zukunft Deutschlands vor­aussagen. Die deutsche Geschichte kennt viele Unsicherheiten, Kehrtwendungen, Widersprüche. Der Blick auf die deutsche Jugend von heute in der Bundesrepublik und in der DDR erlaubt jedoch bei aller kritischen Distanz einen vorsichtigen Optimismus.

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Methodisch-bibliographische Anmerkungen

1. Die wichtigsten Quellen

Unsere wichtigste Quelle sind 50 qualitative Interviews bezie­hungsweise Einzelgespräche mit jungen Deutschen. Sie entstanden im Rahmen verschiedener Seminare über deutsche Identität, die ich mit Frau Sabine von Oppeln in den Jahren 1982-1984 an der Freien Universität Berlin durchgeführt habe.

Die Interviews wurden auf der Grundlage eines Leitfadens mit of­fenen Fragen durchgeführt. Die Interviewpartner wurden vorab ge­beten, sich so lange und ausführlich wie möglich zur Ausgangsfrage zu äußern: "Was bedeutet es für Dich Deutsche (r) zu sein?". Durch die Möglichkeit, ihre Aussagen allein zu strukturieren, berührten eine Reihe von Jugendlichen viele der Problembereiche des Leitfa­dens von selbst. In anderen Interviews hatte er eine Hilfsfunktion.

Im ersten Problembereich des Leitfadens "Die Deutschen -Deutschsein" ging es unter anderem um die Unterschiede zwischen Deutschen und Menschen anderer Völker, um die Existenz oder Nichtexistenz bestimmter deutscher Werte, Ideale, Eigenschaften, um die Frage, ob der Interviewpartner schon einmal stolz gewesen sei, Deutscher zu sein, oder ob er sich dessen schon einmal ge­schämt habe.

Bei dem Komplex "Wiedervereinigung" wurde unter anderem gefragt, was die Teilung für die Interviewperson persönlich bedeute, ob sie sich zu Lebzeiten eine Wiedervereinigung vorstellen könne, wie die Beziehungen zwischen beiden Deutschlands in Zukunft aus­sehen sollten und ob die Bereitschaft bestünde, für die Wiederverei­nigung Deutschlands Opfer zu bringen.

Die Fragen zur Bundesrepublik wurden knapp gehalten, weil hierzu in den einschlägigen Studien reiche Informationen über die Einstellungen Jugendlicher vorliegen. Im Leitfaden ging es um eine

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allgemeine Einschätzung der Bundesrepublik, um die wichtigsten Probleme, mit denen sich die Politiker in der Bundesrepublik heute befassen sollten und um die Frage, ob sich der Jugendliche von den Parteien im Bundestag gut vertreten fühle.

"Wenn Du von Deutschland, dem deutschen Volk und der deut­schen Nation sprichst, meinst Du dann auch die DDR?" war die Ausgangsfrage in einem weiteren Komplex des Leitfadens. Jugendli­che wurden nach ihren positiven und negativen Eindrücken über die DDR befragt, ob sie die DDR als Ausland ansehen würden und ob ihnen die Menschen im anderen Teil Deutschlands näher stünden als Menschen anderer europäischer Staaten.

Der letzte Komplex behandelte persönliche Probleme und Per­spektiven. Unter anderem ob es irgendeine Sache, einen Wert, ein Ideal oder eine Situation gäbe, für die der Jugendliche bereit sei, sein Leben aufs Spiel zu setzen; was das Problem sei, das ihn in der Gegenwart am meisten beschäftige und schließlich, was der Jugend­liche in seinem Leben erreichen möchte.

Bei der Auswahl der Interviewpersonen haben wir darauf geach­tet, ein möglichst breites Spektrum zu erfassen. Wir interviewten Jugendliche aus den verschiedensten Teilen der Bundesrepublik von Bayern bis Schleswig-Holstein. Sie kamen aus kleinen Dörfern und großen Städten. Sie haben die unterschiedlichsten Schulen besucht, leisteten ihre Wehrpflicht in der Bundeswehr ab oder waren als Kriegsdienstverweigerer im Zivildienst tätig. Wir wählten Jugendli­che aus allen politischen Lagern: Christliche und Sozialdemokra­ten, Grüne und Liberale, Kommunisten und Nationaldemokraten. Trotz unserer Bemühungen um Ausgewogenheit haben wir damit natürlich keinen repräsentativen Querschnitt erreicht. Alle quantita­tiven Aussagen beziehen sich also auf andere Quellen, vor allem AI­lensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1978-1983, Vol. VIII, Hg. von Elisabeth Noelle-Neumann und Edgar Fiel, München, New York, London, Paris, Saur 1983. Aber auch den großen Studien des Ju­gendwerks der Deutschen Shell und des Sinus-Instituts verdanken wir zahlreiche repräsentative Umfragen unter Jugendlichen zu den verschiedenen Aspekten unseres Buches.

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2. Grundlegende Bücher zur deutschen Jugend

Die bibliographischen Hinweise beschränken sich auf diejenigen meist grundlegenden Werke, die teils direkt, teils indirekt dieses Buch beeinflußt haben. Literaturangaben mit dem Hinweis, ,Biblio" verweisen auf umfassende Bibliograph1en.

Eine kritische Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Proble­men der Jugendforschung findet sich bei Baethge, M., Schomburg, H., voskamp, u., Jugend und Krise. Krise aktueller Jugendfor­schung, Frankfurt am Main, Campus 1983, 250 S. (Biblio). - Ein wichtiger, alle Aspekte der Jugend berührender wissenschaftlicher Überblick: Schäfer, Bernhard, Soziologie des Jugendzeitalters. Eine Einführung, Opladen, Leske 1982, 232 S. (Biblio). - Die neueren Studien des Jugendwerks der Deutschen Shell haben viel Aufsehen erregt. Sie gehen neue Wege in der Jugendforschung. Jugendliche kommen darin ausführlich zu Wort: Jugend 81. Lebensentwürfe, Alltagskulturen, Zukunftsbilder, Hg. Jugendwerk der Deutschen Shell, Bde. 1 und 2 in einem Band, Opladen Leske 1982, 1050 S.; Näherungsversuche Jugend 81. Eine Studie. Eine Tagung. Reaktio­nen, Hg. Jugendwerk der Deutschen Shell, Opladen, Leske 1983, 590 S. - Eine Fortsetzung dieser Arbeit ist das Buch Jugend vom Umtausch ausgeschlossen. Eine Generation stellt sich vor, hg. vom Jugendwerk der Deutschen Shell, Reinbek, Rowohlt 1984, 346 S. Hier drücken Jugendliche ihre Empfindungen, Ängste, Sehnsüchte und Perspektiven zu existenziellen Fragen ihres Lebens in beein­druckender Offenheit aus. Eine Fundgrube für jeden an Jugendfra­gen Interessierten ist die neue, ,Shell-Studie" Jugendliche und Er­wachsene '85: Generationen im Vergleicht Arthur Fischer; Werner Fuchs; Jürgen Zinnecker. Hg. vom Jugendwerk d. Dt. Shell, Opla­den, Leske und Budrich 1985, 5 Bände. - Das gewandelte Verhält­nis der Jugend zur Arbeit und die neuen Einstellungen in den menschlichen Beziehungen analysiert: Die verunsicherte Genera­tion. Jugend und Wertewandel, Ein Bericht des Sinus-Instituts im Auftrag des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit, Opladen, Leske und Budrich, 1983, 168 S. Eine wichtige Analyse und Dokumentation enthält Jugendprotest im demokratischen Staat. Zwischenbericht 1982 der Enquete-Kommission des 9. Deutschen Bundestages, Hg. Deutscher Bundestag, Presse- und Informations-

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zentrum 1982 sowie der Schlußbericht 1983. - Wer verstehen will, wie sich jugendliches Bewußtsein in der Bundesrepublik entwickelt und von den fünfziger Jahren bis heute gewandelt hat, kann sich an zwei "klassischen" Werken orientieren: Schelsky, Helmut, Die skeptische Generation. Eine Soziologie der deutschen Jugend, Düs­seldorf, Köln 1963,409 S. (Biblio); Mehnert, Klaus, Jugend im Zeit­bruch. Woher - wohin? Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt 1976, 512 S. (Biblio).

3. Wiederbelebung der deutschen Frage

Wer die deutsche Frage in ihrer Tiefe aus deutscher Sicht verste­hen will, kommt an drei klassischen Werken nicht vorbei: Fichte, Jo­hann Gottlieb, Reden an die deutsche Nation, Leipzig, Reclam 1945, 282 S.; Meinecke, Friedrich, Weltbürgertum und Nationalstaat, Stu-' dien zur Genesis des deutschen Nationalstaats, München und Berlin 1907 (Neuausgabe von Hans Herzfeld, München, Oldenbourg 1962, Friedrich Meinecke, Werke, Bd. V); Plessner, Helmuth, Die ver­spätete Nation, Frankfurt/M., Suhrkamp 1974, 196 S. - Einen sehr guten Überblick über die verschiedenen Facetten der Diskussion zur deutschen Identität gibt ein Sammelwerk, an dem auch ausländische Autoren mitgearbeitet haben: Weiden/eid, Werner, Hg., Die Identi­tät der Deutschen, Bonn, Bundeszentrale für Politische Bildung 1983, 355 S. - Eine Reihe interessanter Aufsätze der wohl bedeu­tendsten Meinungsforscherin der Bundesrepublik enthält Noelle­Neumann, Elisabeth, Eine demoskopische Deutschstunde, Zürich, Ed.lnterform, Osnabrück, Fromm 1983, 147 S. - Den Glauben an die eine deutsche Nation und die Notwendigkeit eines geläuterten deutschen Nationalismus vertritt exemplarisch Willms, Bernard, Die Deutsche Nation. Theorie, Lage, Zukunft, Köln, Hohenheim­Verlag 1982, 324 S. - In dem Buch von Venohr, Wolfgang, Hg., Die deutsche Einheit kommt bestimmt, Bergisch-Gladbach, Lübbe 1982, 192 S., kommen Autoren der unterschiedlichsten politischen Couleur zu Wort. Der konservative Universitätsprofessor Hellmut Diwald ist ebenso vertreten wie Peter Brandt, der Sohn von Willy Brandt. - Sicher ist es kein Zufall, daß die beiden ersten "Ständi­gen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der DDR" sich be-

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sonders intensiv mit der Deutschlandproblematik beschäftigt haben. Das Ergebnis sind zwei viel beachtete Bücher: Gaus, Günter, Wo Deutschland liegt - eine Ortsbestimmung, Hamburg, Hoffmann & Campe 1983, 288 S.; Bölling, Klaus, Die fernen Nachbarn. Erfah­rungen in der DDR, Hamburg, Gruner + Jahr, Stern-Buch 1983, 304 S. - Ein oftmals provozierender Vordenker deutscher Politik und einer der Architekten der deutschen Ostpolitik: Bahr, Egon, Was wird aus den Deutschen? Fragen und Antworten, Reinbek, Ro­wohlt 1982, 237 S. - Aus liberaler Position die Meinung des Staats­ministers im Auswärtigen Amt zur Zeit der sozialliberalen Koalition Anfang der siebziger Jahre: Moersch, Karl, Sind wir denn eine Na­tion? Die Deutschen und ihr Vaterland, Stuttgart, Verlag Bonn ak­tuell 1982, 126 S. - Überragend im konservativ-liberalen Lager sind die Auseinandersetzungen des derzeitigen Bundespräsidenten mit deutscher Geschichte, Politik und den Perspektiven der deut­schen Nation: Weizsäcker, Richard von, Die deutsche Geschichte geht weiter, Berlin, Severin u. Siedler 1983, 318 S.

4. Zu einzelnen Kapiteln

1. Kapitel: Eins der wichtigsten Bücher zum Verständnis von Poli­tik und Gesellschaft in Deutschland ist Greiffenhagen, Martin u. Sylvia, Ein schwieriges Vaterland. Zur politischen Kultur Deutsch­lands, Frankfurt, Fischer 1981, 484 S. (Biblio) - Wie sich Wert­orientierungen vom Kaiserreich bis in die Gegenwart der Bundesre­publik gewandelt haben und welche Vorstellungen sich die Deut­schen von der wünschenswerten Gesellschaft machen, zeigt Pross, Helge, Was ist heute deutsch. Wertorientierungen in der Bundesre­publik. Reinbek, Rowohlt 1982, 158 S. (Biblio). - Das Verhältnis der Jugend zur deutschen Geschichte ist immer noch ein heißes Thema. Einerseits herrscht bei Jugendlichen über die Zeit des Na­tionalsozialismus eine erschreckende Uninformiertheit gemischt mit Vor- und Fehlurteilen. Das wird deutlich in Bossmann, Dieter, Hg., "Was ich über Adolf Hitler gehört habe ... ", Folgen eines Ta­bus: Auszüge aus Schüleraufsätzen von heute, Frankfurt, Fischer 1982, 356 S. Auf der anderen Seite beschäftigen sich mehr und mehr Jugendliche intensiv mit dem Nationalsozialismus in der eigenen

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Umgebung: Galinsnki, Dieter/Herbert, Ulrich/Lachauer, Ulla, Hg., Nazis und Nachbarn. Schüler erforschen den Alltag im Natio­nalsozialismus. Erlebnisse, Erfahrungen, Anregungen. Reinbek, Rowohlt 1982, 328 S.

2. Kapitel: Einen wichtigen Überblick über den Stand der For­schung geben Hille, Barbara/Jaide, Walter, Einstellungen Jugendli­cher zur deutschen Frage. Im Spiegel sozialwissenschaftlicher For­schung, in: Die Frage nach der deutschen Identität. Ergebnisse einer Fachtagung der Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn 1985, S. 23-44. - Eine differenzierte Einschätzung der DDR und die ins­gesamt positive Bewertung der Menschen im anderen Teil Deutsch­lands zeichnet sich bereits deutlich ab in der Studie von Becker, Klaus-Christian/Lucke, Dieter, Das Bild der DDR und ihrer Bürger bei Hamburger Volks- und Realschülern, in: Jaide, Walter/Hille, Barbara, Hg., Jugend im doppelten Deuschland, Opladen, West­deutscher Verlag IfJ77, 320 S. Dieses grundlegende Werk stellt erst­mals systematisch auf empirischer Grundlage und thematisch breit gestreut Vergleiche zwischen der Jugend in beiden Teilen Deutsch­lands dar. - Ungewöhnlich und aufregend sind folgende Bücher: Kelbling, Michaeli Schneider, Axel, Hg., Was hat Thüringen mit Nordhessen zu tun? Eine Spurensicherung diesseits und jenseits der Grenze, Frankfurt am Main, Verlag Jugend und Politik 1982, 156 S.; Eine Reise nach Thüringen, Hg. Arbeitskreis Thüringen und Hes­sen, Reinheim, Verlag Jugend und Politik 1984, 102 S. Sie beschrei­ben die Begegnung Jugendlicher aus der Bundesrepublik mit dem "Nachbarkreis" im anderen Teil Deutschlands. Diese Jugendlichen entdecken erstaunlich viele Gemeinsamkeiten über die Grenze hin­weg. - Nationalismus und Patriotismus waren in Deutschland tradi­tionell von der Rechten besetzt. Ammon und Brandt versuchen, ei­nem linken Patriotismus zum Durchbruch zu verhelfen. Sie greifen das Konzept einer Konföderation als Zwischenschritt zur deutschen Einheit wieder auf und entwickeln es weiter: Ammon, Her­bert/ Brandt, Peter, Hg., Die Linke und die nationale Frage. Rein­bek, Rowohlt 1981, 380 S. - Ein interessantes Beispiel für den Denk- und Diskussionsprozeß der Alternativen zur Deutschlandpo­litik mit vielen Widersprüchen und unausgegorenen Ideen: Paktfrei­heU für beide deutsche Staaten oder bis daß der Tod uns eint? 0.0. (Berlin), Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz, 0.1. (1983?), 149 S.

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3. Kapitel: Wie sich wirtschaftliche Wertvorstellungen weit über die Jugend hinaus in der bundesrepublikanischen Gesellschaft ge­wandelt haben, beschreiben exemplarisch Klipstein, Michael von, Strümpel, Burghard, Der Überdruß am Überfluß. Die Deutschen nach dem Wirtschaftswunder, München, Olzog 1984, 212 S. - Eine grundsätzliche Reflexion über Jugendarbeitslosigkeit von brennen­der Aktualität entstand bereits Mitte der siebziger Jahre: Laturner, Sybille, Schön, Bernard, Hg., Jugendarbeitslosigkeit. Materialien und Analysen zu einem neuen Problem, Reinbek, Rowohlt 1975, 217 S. - Eine fundierte aktuelle Analyse über, ,Jugend ohne Arbeit" befindet sich auch in der oben zitierten Sinus-Studie von 1983: Die verunsicherte Generation. - Die umfassendste Studie über das Ver­hältnis der Deutschen zur Technik stammt von Renn, Ortwin, Wahr­nehmung und Akzeptanz technischer Risiken, 6 vol., Spezielle Be­richte der Kernforschungsanlage (KFA) Jülich, Nr. 97, Januar 1981.

4. Kapitel: Das Verhältnis der Jugendlichen zur Politik wird oft mit Schlagworten wie Partei- und Politikverdrossenheit belegt. Wie kompliziert dieses Verhältnis in der Wirklichkeit gesehen werden muß, zeigen zwei Bücher: ßflsmund, Klaus, Hg., Jugendliche. Neue Bewußtseinsformen und politische Verhaltensweisen, Stuttgart, Klett 1982, 251 S.; Politische Bildung mit Jugendlichen, Beiträge ei­ner Fachtagung, Hg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1983, 235 S. - Daß sich eine Minderheit von Jugendlichen aktiv und karrierebewußt für Politik im traditionellen Rahmen interes­siert, zeigt das Buch von Farin, Klaus, Müller, Leo A., Die Wende­Jugend, Reinbek, Rowohlt 1984, 253 S. Das Buch analysiert kritisch die Jungen Christdemokraten und Jungen Liberalen mit ihren politi­schen Perspektiven. - Aus der unübersehbaren Literatur bietet sich als Einführung und umfassender Überblick über die verschieden­sten Aspekte der Friedensbewegung an: Pestalozzi, Hans A., Schle­gel, Ralf, Bachmann, Adolf, Hg., Frieden in Deutschland. Die Frie­densbewegung: wie sie wurde, was sie ist, was sie werden kann, München, Goldmann 1982, 376 S. - Zwei Sammelwerke mit zahl­reichen kompetenten Autoren geben Einblick in die komplizierte Szene des Rechtsradikalismus: Benz, Wolfgang, Hg., Rechtsradika­lismus. Randerscheinung oder Renaissance? Frankfurt, Fischer 1980, 283 S.; Lersch, Paul, Hg., Die verkannte Gefahr. Rechtsradi­kalismus in der Bundesrepublik, Hamburg, Spiegel-Verlag 1981, 2'ifl S. Beide Bücher haben die Tendenz, den Rechtsradikalismus in der

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Bundesrepublik zu überschätzen. Das gleiche gilt für die Studie mit dem provozierenden Titel: 5 Millionen Deutsche: "Wir sollten wie­der einen Führer haben ... " Die Sinus-Studie über rechtsextremisti­sche Einstellungen bei den Deutschen, Reinbek, Rowohlt 1982, 140 S. - Die beste Information über die marginale Bedeutung rechtsex­tremistischer und neonazistischer Gruppen in der Bundesrepublik enthält der offizielle VerJassungsschutzbencht 1984, Hg. Der Bun­desminister des Innern, Bonn 1985. - Rechts- und Linksextremis­mus analysiert ebenfalls Noelle-Neumann, Elisabethl Ring, Erp, Das Extremismus-Potential unter jungen Leuten in der Bundesrepublik Deutschland 1984, Institut für Demoskopie, Allensbach.

5. Kapitel: Das 5. Kapitel verdankt wesentliche Anregungen den Forschungsergebnissen der verschiedenen oben zitierten Studien des Jugendwerkes der Deutschen Shell. - Das Buch von Bollstein, Walter, Die gespaltene Generation. Jugendliche zwischen Aufbruch und Anpassung, Berlin, Bonn, Dietz Nachf. 1983, 144 S. macht in seinen verschiedenen Kapiteln deutlich, wie schwierig es ist, die Ju­gend in einem Begriff zusammenzufassen. - Die Angst der Jugend vor der Zukunft hat tiefgehende gesellschaftliche Ursachen: Leine­mann, JÜrgen. Die Angst der Deutschen. Beobachtungen zur Be­wußtseinslage der Nation, Hamburg, Spiegel-Verlag 1982, 192 S. -Musik ist für viele Jugendliche eine Möglichkeit, den Sorgen des Alltags zu entfliehen. Ein Blick in Rock-City Berlin 1983/84, Das aktuelle Handbuch der Berliner Musikszene, Berlin, Frieling & Partner 1983, 432 S., zeigt das in den letzten Jahren erheblich ge­wachsene Angebot an Life-Musik für junge Deutsche. - Zahlen und Analysen zur Drogenproblematik enthält DHS (Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren), Informationsdienst, Nr. 1/2, Oktober 1985, 38. Jg. - Zur Rolle der Kirchen, Sekten und Reli­gionsgemeinschaften: Feige, Andreas, Erfahrungen mit der Kirche. Daten und Analysen einer empirischen Untersuchung über Bezie­hungen und Einstellungen junger Erwachsener mit der Kirche, Han­nover, Lutherisches Verlagshaus 1982, 620 S.; "Jugendsekten" und Psychokulte, Hg. Der Senator für Schulwesen, Jugend und Sport, Berlin 1983, 118 S.

6. Kapitel: Ein Standardwerk, das die Bewegung des Jugendpro­tests der 80er Jahre im historischen Zusammenhang analysiert, ist Langguth, Gerd, Protestbewegung. Entwicklung, Niedergang, Re­naissance. Die Neue Linke seit 1968, Köln, Verlag Wissenschaft und

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Politik 1983, 374 S. - Die Zeit der Hausbesetzungen wird mit Tex­ten, Bildern und Dokumenten festgehalten in dem spannenden Buch von Scheer, Joseph, Espert, Jan, Deutschland, Deutschland, alles ist vorbei. Alternatives Leben oder Anarchie? Die neue Jugendrevolte am Beispiel der Berliner ,Scene', München, Bernard & Graefe 1982, 167 S. - Eins der wichtigsten Bücher zum Verständnis der Alterna­tivbewegung, ihrer historischen Ursprünge und gegenwärtigen Strukturen: Brand, K.-w., Büsser, D., Rucht, D., Aufbruch in eine andere Gesellschaft. Neue soziale Bewegungen in der Bundesrepu­blik, Frankfurt am Main, Campus 1983, 300 S. - Daß die Diskus­sionen um alternative Lebensformen keine Modeerscheinungen der 80er Jahre sind, sondern langfristige gesellschaftliche Ursachen ha­ben, zeigt BoUstein, Walter, Die Gegengesellschaft. Alternative Le­bensformen, Bonn, Verlag Neue Gesellschaft 1981, 198 S. - Beson­ders informativ ist die knappe Skizze zur Entstehung, Struktur und Bedeutung der Alternativbewegung: Zur alternativen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland, Informationsdienst der Hessischen Landeszentrale für Politische Bildung, Nr. 'öl, Wiesbaden 1981, 36 S. - Eine Kernfrage für das politische System der Bundesrepublik ist die Entwicklung bei den Grünen. Zwei Bücher mit Autoren ver- . schiedener politischer Couleur, Wissenschaftler, Journalisten und Politiker beschäftigen sich mit dieser Problematik: Mettke, Jörg R., Hg., Die Grünen. Regierungspartner von morgen? Hamburg, Spiegel-Verlag 1982, 272 S.; Bickerich, Wolfram, Hg., SPD und Grüne. Das neue Bündnis? Hamburg, Spiegel-Verlag 1985, 283 S. -Protest, Zorn, Verzweiflung und Resignation werden beein­druckend offen meist von Jugendlichen selbst ausgedrückt in dem Text-Bild-Band Null Bock auf euer Leben. Momentaufnahmen aus der Jugendszene, authentisch, drastisch, direkt, Inge Kramer u.a. , Braunschweig, Westermann 1983, 226 S. Das genaue Gegenteil da­von bietet das von dem ehemaligen Vorsitzenden der Jungen Union herausgegebene Sammelwerk verschiedener Autoren: Wissmann, Matthias, Hg., Einsteigen statt aussteigen. Geschichten, Erfahrun­gen, Perspektiven. Stuttgart, Thienemann 1983, 200 S. - Einen auch methodisch aufschlußreichen Überblick über Forschungsstand und verschiedene Facetten des Wertewandels enthält Stiksrud, Arne, Hg., Dokumentation über den 5. workshop "Politische Psycholo­gie" (BDP-IAPP), Jugend und Werte, Nov. 1983, FU Berlin 1984.

7. Kapitel: Für jedes Thema über die DDR findet man die wich-

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tigsten Informationen im DDR-Handbuch, 3. Aufl., 2 Bände, Hg. vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Köln, Ver­lag Wissenschaft und Politik 1985, 1660 S. - Einen knappen, sehr informativen Überblick über die Jugend enthält Wilhelmi, Jutta, Ju­gend in der DDR. Der Weg zur , ,sozialistischen Persönlichkeit", Berlin, Holzapfel 1983, 141 S. - Daß sich auch in der DDR Punks, Aussteiger und Alternative offen zu ihrem Protest bekennen, zeigen Büscher, Wolfgang, Wensierski, Wolfgang, Null Bock auf DDR. Aussteigerjugend im anderen Deutschland, Hamburg, Spiegel­Verlag 1984, 189 S. und Haase, Norbert, Reese, Lothar, Wensierski, Peter, VEB Nachwuchs. Jugend in der DDR, Reinbek, Rowohlt 1983,250 S. - Ansätze einer originellen Umwelt- und Alternativbe­wegung waren schon Anfang der 80er Jahre in der DDR erkennbar: Wensierski, Peter, Büscher, Wolfgang, Beton ist Beton. Zivilisa­tionskritik aus der DDR, Hattingen, Scandia 1981, 223 S. - Unter ungleich komplizierteren Bedingungen als in der Bundesrepublik entstand auch in der DDR eine Friedensbewegung mit beachtlichen Aktivitäten und Wirkungen: Ehring, Klaus, Dallwitz, Martin, Schwerter zu Pflugscharen. Friedensbewegung in der DDR, Rein­bek, Rowohlt 1982, 281 S. - Nicht hoch genug eingeschätzt werden kann die Bedeutung der Rockmusik in ihren verschiedenen Aus­drucksformen. Eine detaillierte Darstellung liefert Leitner, Olaf, Rockszene DDR. Aspekte einer Massenkultur im Sozialismus, Reinbek, Rowohlt 1983, 508 S.

8. Kapitel: Welche Bedeutung in Politik, Wirtschaft und Kultur Deutschland und Frankreich in einem langen historischen Zeitraum füreinander haben, zeigen Poidevin, Raymond, Bariety, Jacques, Les relations franco-allemandes 1815-1975, Paris, Colin 1977, 373 S. - Die wichtigste Bilanz der gegenwärtigen Beziehungen mit infor­mativen Hintergrundanalysen bedeutender Experten beider Länder enthält Picht, Robert, Hg., Das Bündnis im Bündnis. Deutsch­französische Beziehungen im internationalen Spannungsfeld, Ber­lin, Severin und Siedler 1982, 260 S. - Das Buch von Sieburg , Frie­drich, Gott in Frankreich? Ein Versuch, Frankfurt, Societäts-Verlag 1929 (Neuauflage 1955), 342 S. - so problematisch es in einzelnen Aussagen sein mag - hat in Deutschland viel zur Faszination Frankreichs beigetragen. - Wer heute , ,Verdun" verstehen will, muß sich in den Geist der Zeit vor 1914 zurückversetzen. Besonders empfohlen sei dazu Christadler, Marieluise, Kriegserziehung im Ju-

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gendbuch. Literarische Mobilmachung in Deutschland und Frank­reich vor 1914, 2. Aufl., Frankfurt am Main, Haag + Herchen 1979, 477 S. - 1935, in der Emigration, entstand der erschütternde Ro­man eines Augenzeugen: Zweig, Arnold, Erziehung vor Verdun, Roman, Frankfurt am Main, Fischer 1981, 370 S. - Seither hat sich viel geändert. Methodisch und inhaltlich von großem Interesse ist Tiemann, Dieter, Frankreich- und Deutschlandbilder im Wider­streit. Urteile französischer und deutscher Schüler über die Nach­barn am Rhein, Bonn, Europa Union Verlag 1982, 407 S. - Das große Interesse junger Bundesbürger an Frankreich dokumentiert eindrucksvoll die im Auftrag des Deutsch-Französischen­Jugendwerks durchgeführte Repräsentativumfrage: Die 15-24 Jähri­gen und der deutsch-französische Jugendaustausch. Bad Honnef, DFJW 1986. - Klare Vorstellungen über die Chancen und Möglich­keiten einer deutsch-französischen Symbiose sind selten. Beein­druckende Gedanken zu dieser Problematik hat der langjährige Kor­respondent von Antenne 11 in Bonn entwickelt: Meyer, Michel, Le mal franco-allemand, Paris, Denoel 1979, 270 S.

5. Französische Bücher über Deutschland

Der interessierte Leser findet in den folgenden Fachzeitschriften qualifizierte Analysen und zahlreiche bibliographische Angaben über Probleme der deutschen Gesellschaft, u.a. auch der Jugend: Allemangnes d'aujourd'hui, Revue fran<;aise d'information sur les deux Allemagnes, Paris; Documents, Revue des questions alleman­des, Paris; Pariser Kurier, Paris; Revue d~llemagne, Strasbourg. -In bemerkenswerten Sonderausgaben haben die drei wichtigsten französischen Nachrichtenmagazine die Deutschlandproblematik analysiert. Sie machen beispielhaft die hohe Qualität der Berichter­stattung französischer Medien deutlich: Le Nouvel Observateur, 10. - 16. fevrier 1984: Faut-il avoir peur des Allemands?; L'Express, 19. - 25. octobre 1984: Special Allemagne. Une Nation dans ses Etats; Le Point, 6. - 12. mai 1985: Allemagne: La Dechirure. - Das beste und wichtigste Buch, um Politik, Gesellschaft und Wirtschaft der Bundesrepublik aus französischer Sicht zu verstehen, ist Grosser, Alfred, Das Deutschland im Westen. Eine Bilanz nach 40 Jahren,

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München, Wien, Hanser 1985, 384 S. (Biblio). - Das Sammelwerk von'Baumier, Jean, u.a., Les Allemands sans miracle. Ouvrage pu­blie sous la direction de Gerard Sandoz, Paris, Colin 1983, 2'67 S. ist ein fundiertes Buch über die bundesdeutsche Gesellschaft der Ge­genwart (mit einem Extrakapitel über die Jugend). Mit großem Ver­ständnis und intimer Kenntnis schreibt Brigouleix, Bernard, Les AI­lemands aujourd'hui, Paris, Balland 1984, 285. In sympatischer Un­voreingenommenheit bemüht sich der langjährige Deutschlandkorrespondent von Le Monde, Klischees gegenüber den Deutschen abzubauen. - Gegen diese Klischees zieht auch Henri Menudier zu Felde in seinem Buch Das Deutschlandbild der Franzosen in den 70er Jahren. Gesammelte Aufsätze 1973-1980, Bonn, Europa Union Verlag 1981, 262 S. Das Buch bemüht sich um Entmystifizierung als Voraussetzung für das gegenseitige Verständ­nis zwischen beiden Völkern. - Wie intensiv und kompetent Fran­zosen an der Debatte um die deutsche Frage und die deutsche Identi­tät teilnehmen, zeigt Fritsch-Bournazel, Renata, Brigot, Andre, Cloos, Jim, Les Allemands au coeur de l'Europe, Paris, Strategique 1983 (Les Cahiers de la Fondation pour les etudes de Defense natio­nale, No 28),273 S. - Das wichtige Buch von Rovan, Joseph, L 'AI­lemagne du Changement, Paris, Calmann-Levy 1983, 235 S., eines der bedeutendsten langjährigen französischen Deutschlandexper­ten, ist geprägt von der Sorge um bestimmte Entwicklungen in der Bundesrepublik. - Wie eine Mischung aus Krimi und Science Fic­tion Roman liest sich Picaper, Jean-Paul, Vers le IVe Reich. La con­testation revolutionnaire en Allemagne federale: du gauchisme aux "cellules rouges" et au "mouvement vert", Paris, La Table ronde 1983, 276 S. Der langjährige Dozent für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und derzeitige Deutschlandkorrespondent des, ,Figaro" in Bonn stellt seine umfassenden Kenntnisse über die Bundesrepublik nicht in den Dienst einer differenzierten Informa­tion über unser Land. - Anders das Buch von Sauzay, Brigitte, Le vertige allemand, Paris, Ed. Olivier Orban 1985, 261 S., ein brillian­ter, zum Teil provozierender Essay. Hier mischen sich starkes Ein­fühlungsvermögen und spürbare Faszination mit manchen Vor- und Fehlurteilen über Deutschland und über die Deutschen (deutsche Übersetzung: Die rätselhaften Deutschen. Die Bundesrepublik von außen gesehen, Stuttgart, Bonn aktuell 1986, 285 S.).

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