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UNTERNEHMEN REGION Ausgabe 3|2012 Organische Elektronik aus Dresden

Ausgabe 3|2012 UNTERNEHMENREGION · 2017. 11. 17. · ben“, sagt Professor Jürgen Popp. Der Leiter des Instituts für Physikalische Chemie an der Friedrich-Schiller-Universität

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UNTERNEHMENREGIONAusgabe 3|2012

Organische Elektronik aus Dresden

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Impressum

HerausgeberBundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)Referat „Regionale Innovations initiativen; Neue Länder“11055 Berlin

BestellungenPublikationsversand der BundesregierungPostfach 48 10 0918132 RostockE-Mail: [email protected]

Tel.: 01805 77 80 90Fax: 01805 77 80 94(14 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz, Mobilfunk max. 42 Cent/Min.)Internet: www.bmbf.de

Redaktion und GestaltungPRpetuum GmbH, Mü[email protected]

Bildnachweis© klug – Panthermedia (Titel, S. 42-43), © 2012 WISTA-MANAGEMENT GMBH – www.adlershof.de (S. 2, 24-25, 29, 34), PRpetuum GmbH (S. 3, 59), Fraunhofer COMEDD (S. 3), www.youtube.com/watch?v=YNSNulqBqhE – Screenshot (S. 4), InnoProfile-Transfer LSEM Leipzig (S. 4), Weber, Analytik Jena AG (S. 4), Zentrum für Produkt-, Verfahren- und Prozessinnovation (ZPVP) GmbH Magdeburg (S. 5), Rene Tatarin/Christian Tonn (S. 8), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg/Zentrum für Material-wissenschaften (S. 10), © Marcus Klepper – Fotolia (S. 11), © csart – Fotolia (S. 24-35), Silke Reents/SOLON (S. 27), FBH/schurian.com (S. 28), Kerstin Kühl, MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung (S. 33), Heike Zappe (S. 33), Humboldt-Universität zu Berlin (S. 34), Stefan Krüskemper (S. 34), © Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz (S. 44), © istockphoto/Heliatek GmbH (S. 45), © Neale Cous land/He lia tek GmbH (S. 45), Novaled (S. 46), © Tim Deussen / Heliatek GmbH (S. 48/49), in Anlehnung an: Heliatek GmbH, 2012 (S. 49), Frauhofer COMEDD (S. 50), Photography courtesy of Plastic Logic, © mood-board – Jupiter Images (S. 55), Z_punkt The Foresight Company (S. 55), Stephan Peschel/ Hochschule Lausitz (S. 56), alle anderen Fotos: BMBF/Unternehmen Region – Thilo Schoch, Berlin

DruckereiGrafisches Centrum Cuno GmbH und Co. KG, Calbe

Bonn, Berlin 2012

„Unternehmen Region“ erscheint 3-mal im Jahr und wird unentgeltlich abgegeben.

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Inhalt

Rundblick

Einblick

RundblickSeite 6Außen hui, innen nuBau!Wie Weimarer Forscher das Renaissanceschloss Ponitz digital vermessen

Seite 10Ein Speicher voller IdeenDer „Super-Kondensator“ aus Halle (Saale) empfiehlt sich als Energiespeicher der Zukunft

EinblickSeite 12TU IlmenauZwischen Campusfamilie, Matrix und Servicerobotern

Seite 20 Springen oder Schublade?Mit zellkleinen Kügelchen in die Selbstständigkeit Seite 24Good Bye, Lenin!Eine Sightseeing-Tour durch Berlin-Adlershof, „Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“

Seite 36Blech schweißen statt redenEin Tag im Leben der Doktorandin Ina Sasse

Durchblick

Durchblick

Seite 54Die Welt im Umbruch – Wert-schöpfungsperspektiven 2030Eine Außenansicht von Klaus Burmeister

Seite 56Wissenschaft ist kinderleichtDr. Peter Schierack erklärt den „Biochip“

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Rubriken

Rubriken

Seite 2Impressum

Seite 3Editorial

Seite 4Panorama

Seite 53Zahlen bitte!

Seite 57eingeORTnet

Seite 58Mein Schreibtisch + ich

Prof. Dr. Michael Hecker

Seite 61Ansprechpartner

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E d i t o r i a l

Schwerpunkt

SchwerpunktOrganische Elektronik aus Dresden

Seite 42Die Vorreiter-RolleBiegsame Displays, futuristische OLED-Lampen und transparente Solarzellen aus Europas größtem Organic-Electronics-Cluster

Seite 45Organische Elektronik – Fakten

Seite 48Die organische Solarzelle – nicht einfach, aber genial!

Grußwortvon Annette Schavan

Liebe Leserinnen und Leser,

Innovationen sind der Schlüssel für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten gemeinsam daran, die Innovationsfähigkeit unseres Landes zu stärken – insbesondere in den ostdeutschen Regionen.

Für Innovationen gibt es kein Patentrezept. Doch es gibt Faktoren, die den Anstoß geben können:

Innovationen brauchen Visionen. Aus so einer Vision heraus hat sich der Wissenschaftsstandort Berlin-Adlershof binnen zwei Jahrzehnten zum größten Technologiepark Europas entwickelt.

Innovationen brauchen Mut. Drei Jahre lang haben zwei junge Männer mit sich gerungen, bevor sie mit ihren optoelektronischen Sensorsystemen den Sprung in die Selbstständigkeit wagten.

Innovationen brauchen neue Formen der Zusammenarbeit. Wie die aussehen können, zeigt die Technische Universität Ilmenau, die aus einer Kleinstadt heraus regelmäßig vordere Plätze in Hochschulrankings belegt.

Diese und weitere Innovationsgeschichten finden Sie in der aktuellen Ausgabe von „Unternehmen Region“. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.

Bundesministerin für Bildung und Forschung

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P a n o r a m a

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Earthbook vs. Weltuntergang

Mensch: „Wären 2 Grad okay für dich?“, Erde: „Für den Anfang … ;)“ – Kommunikation auf „Earthbook“ .

Mit mehreren hunderttausend Clicks auf das Video „Earthbook“ haben die Macher der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ (HFF) und des Potsdam-Instituts für Klimafolgen for-schung (PIK) nicht gerechnet. Aber die Nut-zer im Netz haben verstanden: Erde, Saurier, Mensch und Mars „posten“ ständig Nach-richten, die atemberaubend sind – für uns alle. Entstanden ist „Earthbook“ in der

Climate Media Factory (CMF). Diese Fabrik von Medienmachern und Klima forschern schmiedet bereits weitere Produkt muster: „Wimmelwelt Ener gie“ – eine App für Kinder oder „Urban Seed“ – die Story vom unaufhaltsamen Guerilla-Gärtner im Großstadtdschungel. Nächs ter CMF-Coup, übrigens Gewinner des „CleanTechAward“, wird die „Green Film-Initiative“ für eine klimafreundliche Film- und TV-Produktion.

Clouds und Apps für die Logistik

Besseres Logistikmanagement: Diese Applikation haben die Leipziger Wirtschaftsinformatiker für ein Kurierunternehmen entwickelt.

Ein Drittel der Energie und die Hälfte des Personals, das in Rechenzentren benötigt wird, können durch Cloud Computing gespart werden. Statt auf Festplatten spei -chert der Nutzer seine Daten in einem fer-nen Netzwerk, wo sie jederzeit abrufbereit sind. Wie virtuelle Wolken mehr Transparenz in Transportprozesse bringen können, disku-tierten im September rund 100 Teilnehmer auf der Leipziger „innoLOGIST 2012“.

Professor André Ludwig und sein Team vom InnoProfile-Transfer-Vorhaben „Logistik Ser -vice Engineering und Mana gement (LSEM)“ hatten die Logistikkonferenz organisiert – und nutz ten die Plattform, um dem Fach pu bli kum ihre neue Logistik-App vorzustellen. Wäh rend momentan der Weg der Waren mit tragbaren Computern gespeichert wird, könnten künftig Smart phones zum Einsatz kommen. Die Leipziger Anwendung ist bereits bei einem regionalen Kurierdienst im Einsatz.

3-D-Beschichtungen gegen Bakterien

Bereits ein Jahr nach dem Start gibt es beim Thüringer Wachstumskern „BASIS“ vielver-sprechende Ergebnisse. Die 20 Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft konnten die antibakterielle Wirkung von 3-D-Hydrogelen auf Implantaten nachgeweisen. Die drei-dimensionalen Polymere auf Wasserbasis können Mikroorganismen erkennen und ihre Vermehrung hemmen. Außerdem konnte das Wachstum der Knochenzellen und die An haftung der Implantate verbessert werden.

Hydrogele sollen künftig auch für DNA-Schnelltests mit mobilen Geräten eingesetzt werden. Dafür muss die Oberfläche der Be -schichtung sehr groß sein – ein Ziel, das die BASIS-Partner mithilfe spezieller 3-D-Poly-mer strukturen erreicht haben. An den neuen Metho den für medizinische Analysen ist auch das Zentrum für Molekulare Diagnostik und Bioanalytik (ZMDB) in Berlin interes-siert. Mit dem Zentrum haben die Thürin ger nun eine erste überregionale Kooperation gestartet.

Mit Hydrogelen in 3-D-Strukturen – wie dieser „Schwarz’schen P-Fläche“ – will der Thüringer Wachstumskern „BASIS“ bald mobile DNA-Tests ermöglichen.

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P a n o r a m a

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Neue Länder gewinnen fünf „Forschungscampus“

Mehr als 90 Initiativen, zehn Gewinner – und fünf davon aus den Neuen Län dern. Als Bundesforschungs minis terin Annette Scha van am 25. September die Sieger der Förderinitiative „For schungs campus“ be -kannt gab, war die Freu de in Berlin, Mag -deburg und Jena groß. An den dortigen Hochschulen sollen insgesamt fünf neue öffentlich-private Part nerschaften entste-hen, die For schungs aktivitäten zu neu en Themen un ter einem Dach bündeln. „Die Basis unseres Erfolges waren die Kom-peten zen, die wir uns auch in den Unter-neh men-Region-Initiativen er arbeitet ha -ben“, sagt Professor Jürgen Popp. Der Leiter des Instituts für Physi kalische Chemie an der Friedrich-Schil ler-Universität Jena ist einer der Koordi natoren des Forschungs -campus „INFEC TO GNOSTICS“, der an hocheffizienten Vor-Ort-Nachweisen von Infektions er re gern forscht. Für jeden Forschungs cam pus stellt das Bundesminis-terium für Bildung und Forschung (BMBF) bis zu 15 Jahre lang jährlich bis zu zwei Millio nen Euro zur Verfügung.

250 Gäste auf „Zwanzig20“-Onlinekonferenz

Mit dem Förderprogramm Zwanzig20 geht das BMBF neue Wege – auch in der Kommunikation.

Die erste Online-Konferenz des Bundes-minis teriums für Bildung und Forschung (BMBF) zum neuen Programm „Zwanzig20“ ist auf großes Interesse gestoßen. 250 Besu-cher nutzten die Eröffnung des virtuellen Marktplatzes am 6. November 2012, um sich mit Broschüren, Videos oder beim Stand-personal über die sich formierenden Konsor -tien zu informieren. Jeweils über 200 Gäste verfolgten den einführenden Video vortrag und stellten im Live-Chat Fragen an die bei-den Experten aus dem BMBF und vom Projektträger PtJ.

Das mit bis zu 500 Mio. Euro ausgestattete Programm Zwanzig20 zielt auf neue, vielfach grenzüberschreitende Formen der Zusam-men arbeit, in denen Konsortien zentrale Zu -kunfts themen identifizieren und konkrete Lösungen für wirtschaftlich interessante Märkte entwickeln sollen. Gleichzeitig geht das BMBF dabei selbst neue Wege: Den Eingang zum virtuellen Marktplatz, eine Partnerdatenbank und alle weiteren Infor-mationen finden Sie unter: www.ur-zwanzig20.de Bewerbungsschluss ist der 3. April 2013.

Wasser hat Kraft!

Wasserkraft- und Photovoltaikanlagen speis- ten 2011 mit rund 19 Gigawattstunden die an nähernd gleiche Energiemenge ins Netz. Während die Investitionen in Wasser kraft im Jahr 2009 nur 70 Mio. Euro betrugen, wur den in Photovoltaikanlagen aber rund 20 Mrd. Euro investiert. Dass Wasserkraft im Zuge der deutschen Energiewende an Be deu tung gewinnen wird, darüber war man sich beim Innova tions forum „FLUSS-STROMPLUS“ in Mag de burg einig. Diskutiert wurden aber keine neuen Staudämme, sondern innovative, smarte An lagen. Sie gewinnen ihre Energie mit Schau felrad, Propeller oder Turbine aus Flüssen mit mehr als 1,5 Metern Fließ ge - s chwindigkeit pro Sekunde. Dazu zählen

etwa das schwimmende For schungslabor „Vector 1“ auf der Elbe bei Mag deburg oder auch sein kleiner Bruder „River Rider“, der an der Tal sperre Wen defurth seine Testphase absolviert. Die Vorteile dieser Kleinkraftwerke lä gen auf der Hand, meint Netzwerk-Mana-

ger Mario Spiewack: „Kontinuierliche Strom-er zeugung für Abnehmer vor Ort, Fernsteue-rung via Internet, standardisiertes Baukasten- system, niedrige Kosten.“ Mit vier Stadtwerken laufen erste Einsatzplanungen.

Kleinkraftwerke wie der „River Rider“ verursachen wenig Kosten und lassen sich auch via Internet steuern.

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R u n d b l i c k n u B a u

Mit Schweifgiebeln auf dem Dach und einem großen Kulturangebot darunter bezaubert das Renaissanceschloss im thüringischen Ponitz. Doch Feuchtigkeit, Schimmel und Insekten haben dem Bauwerk in den letzten vier Jahr­hunderten zu schaffen gemacht – genau richtig für die Experten der InnoProfile­Initiative „nuBau“, die hier ihre Methoden der nutzer­orientierten Bausanie­rung erproben können.

Außen hui …

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R u n d b l i c k n u B a u

... innen nuBau!

Ein Laserstrahl tastet die Fassade von Schloss Ponitz ab. Im Vergleich zu her - köm mlichen Messmethoden liefert der Laser scan in kurzer Zeit hochpräzises Daten material. Das Ergebnis ist die Basis für das von den nuBau-Forschern ent-wickelte digitale Gebäudemodell.

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-Die schlosseigene Wetterstation (links) misst alle relevanten meteorologischen Werte und überträgt sie laufend an den stationären Computer im Dachgeschoss (rechts). Temperatur, Luftdruck, Luft-feuchtigkeit oder Windgeschwindigkeit sind eine wichtige Daten-basis, um Prozesse im Gebäudeinneren verstehen zu können.

Käfer, Hautflügler und andere Insekten haben die Holzbalken des Schlosses durchbohrt, ausgehöhlt und zum Teil verdaut. Mit Holzer gänzungsmörtel haben die nuBau-Forscher den nicht mehr tragfähigen Bereich des Balkens ergänzt und so sein ursprüngliches Profil rekonstruiert. Der Spezial-mör tel haftet sehr gut am Holz, kann übermalt werden und sogar Nägel halten in ihm. Aktuell untersuchen die nuBau-Forscher die statische Belastbarkeit des Holz-Mörtel-Verbundes und suchen nach weiteren Möglichkeiten zur Mörtel-optimierung.

nuBauDas InnoProfile-Vorhaben „nuBau – Methoden und Baustoffe zur nutzerorientierten Bau sanierung – Weimar“ wird seit 2008 und noch bis 2013 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Die Nachwuchs forschungs gruppe leitet Dr.-Ing. Conrad Völker von der Fakultät Bauingenieur-wesen an der Bauhaus-Universität-Weimar.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter www.nubau.de oder www.unternehmen-region.de

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n u B a u R u n d b l i c k

Im Dachgeschoss (links) sollen bald Kunstausstellungen stattfinden können. Damit die nötige Sanierung zu den Wünschen der späteren Nutzung passt und dem Denkmal-schutz gerecht wird, sammeln die nuBau-Forscher mit ihren Messungen eine Vielzahl von Daten. Dazu zählen Temperaturprofile, Luftströmungen, Eigenschaften der Bau stoffe oder auch die Luftfeuchtigkeit, die mit Sensoren gemessen wird (rechts).

Nach seiner Restaurierung im Jahr 2000 erstrahlt der Festsaal in alter Pracht. Doch um herauszufinden, ob Konzerte unter der über 400 Jahre alten Kassettendecke auch prächtig klingen, muss der Kunstkopf mit seinen beiden Mikrofon-Ohren anrücken: Nach jeder Tonaufnahme wird er von Nachwuchsforscher Albert Vogel an einen anderen Sitz-platz des Auditoriums getragen. Später werden Probanden mit Kopf-hörern den Klang und somit die Sanierung akustisch bewerten können, ohne selbst nach Ponitz zu reisen.

Das digitale, dreidimensionale Gebäudemodell wird auf der Basis Millionen einzelner Punkte erstellt. In das Modell integrieren die nuBau-Forscher die Daten verschiedener Untersuchungsmethoden und schaffen damit eine innovative Verknüpfung von Bauwerks-geometrie, Messpositionen und -ergebnissen. Hier wurde die Dichte eines Holzträgers mit dem taktilen Ultraschall-Transmis -sions verfahren zerstörungsfrei bestimmt.

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Ein Speicher voller Ideen

Ein Forscherteam der Martin­Luther­Universität Halle­Wittenberg hat für den Markt nach der Energiewende eine neue Speicher möglichkeit für erneuerbare Energien entwickelt. Zwar ist der neue Super­Kondensator nach zweijähriger wissenschaft­licher Arbeit noch kleiner als eine Streichholzschachtel, doch jetzt soll der große Sprung vom Labor in die Produktion gelingen.

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R u n d b l i c k S u p e r - K o n

Wenn er einmal groß ist, soll der neuentwickelte Kondensator (oben) vor allem Energie aus regenerativen Quellen (rechts) speichern.

Ein Kondensator ist eine feine Sache. Da jeder sein Funktions­prinzip im Physikunterricht gelernt hat, muss es hier nicht weiter erklärt werden. Oder doch?

Die einfachste Form eines Kondensators besteht aus zwei gegen­überliegenden Metallplatten. Dazwischen befindet sich ein Di elek­tri kum, das als Isolator keine elektrische Verbindung zwischen den Metallplatten zulässt. Legt man an einen Kondensator eine elektrische Spannung an, so entsteht zwischen den beiden metal­lischen Platten ein elektrisches Feld. Hier kann elektrische Energie gespeichert werden. Wird sie aber bisher kaum. Weil bei der Speicherung von Elektroenergie klar der Akkumulator als Batterie die Nase vorn hat.

Akkumulatoren – kurz: Akkus – sind wiederaufladbare Energie­speicher. Sie bestehen aus zwei Materialien, die als Elektrode dienen und in ein Elektrolyt getaucht sind. Beim Laden wird einem Akku elektrische Energie zugeführt, die in chemische Ener gie umgewandelt wird. Beim Entladen wird einem Akku elektrische Energie entzogen. Dabei wird die chemische Energie wieder in elektrische Energie umgewandelt.

Akkus stoßen an ihre Leistungsgrenze

Allerdings haben die zurzeit verfügbaren Akkus längst ihren Leistungshorizont erreicht. Mit Blick auf die avisierte Energie­menge, die schon heute und vor allem künftig aus Windrädern und Photovoltaikanlagen durch die Stromkabel rauschen wird, sind sie am technischen Limit. Schon heute glühen die Akkus, wenn die Ladezyklen immer schneller werden. Häufiger Über­lastbetrieb geht zulasten der Lebensdauer; der sichere Betrieb dieser Energiespeicher ist kaum aufrechtzuerhalten.

Wie also soll eine kontinuierliche Stromversorgung gelingen, wenn die Grundenergiemenge aus Atom­ und Kohlekraft werken immer weiter reduziert wird und im Gegenzug unser Strom in Zukunft aus der Energiekraft des Winds und der Sonne kommen soll? Fast ist es eine geflügelte Behauptung geworden, die allemal wahr ist: Nicht immer und überall gleich weht der Wind und scheint die Sonne. Manchmal stürmt es, dass sich die Bäume bie­gen, oft ist es nachts sogar stockfinster.

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Massive Schwächen heutiger Kondensatoren

„Eine Antwort auf diese Situation kann die Idee des ‚Super­Kon‘­Energiespeichers werden“, zeigt sich Dr. Hartmut S. Leipner über­zeugt. Seit 2010 führte er vom Interdisziplinären Zentrum für Materialwissenschaften der Universität Halle aus das vom BMBF geförderte ForMaT „Super­Kon“. Zusammen mit Professor Stefan Ebbinghaus vom Institut für Chemie und Professor Horst Beige vom Institut für Physik hat er die bisher am Markt eingesetzten Kondensatoren analysiert. Ihre Schwächen seien vor allem die viel zu geringen Energiedichten, das spröde und schwer zu verar­beitende Material bei keramischen Kondensatoren, die sehr geringe und die Speicherkapazität reduzierende, elektrische Dielektrizitätskonstante von Polymer­Folienkondensatoren oder auch der arg begrenzte Temperaturbereich bei Doppelschicht­kondensatoren, war sich das Team bald einig.

In einem Innovationslabor, das von der Materialwissenschaftlerin Dr. Alexandra Buchsteiner geleitet wurde, ging es nun darum, diese massiven Schwächen durch noch nicht gedachte Ideen zu überwinden. Um diese Ideen schneller an ein Ziel zu führen, holte man die Diplom­Kauffrau Kristin Suckau an Bord. Sie musste den Chemikern, Physikern und Materialwissenschaftlern einen Weg zeigen, der zu einer tatsächlichen Verwertung der wissenschaftlichen Ergebnisse führen kann.

Komposit: Aus zwei mach eins

Schon bald wurde klar: Der neuartige Super­Kondensator sollte aus Verbundwerkstoffen bestehen: „Wir hatten die Hoffnung, so die positiven Eigenschaften von Keramiken und von Polymeren zu vereinen“, beschreibt Alexandra Buchsteiner die Situation. In ihrem Innovationslabor ging es nun so richtig rund: Drei Arbeits­gruppen untersuchten und versuchten zusammen und parallel, wie es gelingen könnte, das nicht elektrisch leitende Dielektrikum zwischen den Metallplatten im Kondensator mithilfe der Komposit­Idee so richtig auf Trab zu bringen.

Buchsteiner beschreibt die vielfältigen Versuche so: „Wir haben Nanopartikel von neuen Materialien, aber auch von etablierten Dielektrika, wie zum Beispiel Barium­Titanoxid, in eine Matrix eingebettet.“ Dieses Oxid gilt schon seit einigen Jahren als neues Wunderspeichermedium in der Computerbranche. Seine Kapazi­tät würde ausreichen, um mit einem Gerät von der Größe eines iPods 300.000 Jahre Musik abspielen zu können, ohne dass ein Stück sich wiederholen würde.

Das Labormodell funktioniert

Mit Blick auf die herausragenden dielektrischen Speichereigen­schaften dieses Stoffes lag die Verwendung seiner Nanopartikel nahe. Dünne Mini­Metallelektroden kontaktieren die Matrix elek­trisch. Und tatsächlich: Die in die Matrix eingebetteten Ver bund­werkstoffe ermöglichten eine drastische Steigerung der speicher­baren elektrischen Ladung. „Unser erster Sieg!“, strahlt Alexandra Buchsteiner noch heute. Projektleiter Hartmut S. Leip ner bringt die wichtigsten Vorteile des neuen Speichers auf den Punkt: „Der von uns neu entwickelte Kondensator ist robust und hat eine hohen Lebensdauer. Die Ladespannungen liegen deutlich über zehn Volt, Betriebstemperaturen über 60 Grad Celsius sind kein Problem und der Kondensator muss nicht gekühlt werden. Er realisiert schnelle Lade­ und Entladezyklen mit einem hohen Wirkungsgrad. Außerdem ist seine Herstellung und Wartung im Vergleich zu den klassischen Batterien sehr kostengünstig.“

Ein erster Prototyp hat bereits das Licht der Welt erblickt. Auch wenn der neue Super­Kondensator aus der Händelstadt Halle (S.) noch in eine Streichholzschachtel passt, auf der „Materialica“ in München, einer der europäischen Leitmessen für Produktinno­vationen, erregte er erste Aufmerksamkeit: „Das Gerät funktio­niert!“, lautet das wichtigste Fazit von Hartmut S. Leipner nach der Präsentation in München. Jetzt wird es ernst: Der „Super­Kon“ macht sich auf den langen Weg vom Labor in die Produktion. Gute Reise! n

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TU Ilmenau

„Über allen Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch; die Vögel schweigen im Walde. Warte nur, balde ruhest du auch.“

Auf dem Kickelhahn schrieb Johann Wolfgang von Goethe einst diese Verse. In dem kleinen Tal unterhalb des Ilmenauer Hausbergs ist es heute, mehr als 230 Jahre später, alles andere als ruhig. Die TU Ilmenau, die einzige Technische Universität Thüringens, hat sich zu einer international bekannten Bildungs stätte entwickelt. In deutschen Hochschulrankings belegt sie regelmäßig obere Plätze.

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„Made for it“ heißt die Kunstinstallation auf dem zentralen Platz des Campus vor dem Humboldtbau, in dem das Audimax der Universität untergebracht ist.

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„Ich mach’ das, weil es mir Spaß macht und weil ich den Kontakt zu den jungen Leuten halten will.“

Prof. Dr. Peter Scharff, Rektor der TU Ilmenau, hat seine Lehrtätigkeit nicht auf-gegeben. Die individuelle Betreuung der Studenten ist ihm wichtig. Neben einer hohen Ausbildungsqualität kann Thüringens einzige Technische Universität damit punkten.

Über den Gipfeln ist keineswegs Ruh

Professor Peter Scharff mag Goethes Gedicht. Von seinem Schreibtisch aus hat er einen herrlichen Blick auf den Kickel­hahn. Doch Zeit, die Aussicht zu genießen, gibt es nur selten. Der engagierte Niedersachse wurde 1999 nach Ilmenau berufen, seit 2004 ist er Rektor der Technischen Universität. Eine stürmi­sche Entwicklung habe die Uni in den letzten 20 Jahren genom­men, sagt Scharff. Gerade vor Kurzem fanden die Feierlichkeiten zum Jubiläum statt. Die Universität kann zwar schon auf eine viel längere Geschichte zurückblicken, doch erst 1992 erhielten die Ilmenauer den Status einer Technischen Universität. Seit­dem hat sich einiges getan. Allein die Zahl der Studierenden ist von weniger als 3.000 auf über 7.000 gestiegen. Darunter sind mehr Westdeutsche als Ostdeutsche, was allerdings auch mit dem Geburtenknick in den Neuen Ländern nach der Wende zu tun hat. Der Ausländeranteil unter den Studenten liegt mittlerweile bei 17 Prozent. „Wir haben es offenbar geschafft, die TU Ilmenau weit über die Grenzen Thüringens hinaus bekannt zu machen“, freut sich Peter Scharff.

Eine große Familie

Wie kommt es, dass immer mehr junge Leute in dem kleinen 26.000­Einwohner­Städtchen im tiefsten Thüringen studieren wollen? Der hohe Freizeitwert und die Nähe zur Natur sind sicher Kriterien. Wer Vogelgezwitscher und frische Waldluft Großstadtlärm und Auspuffdämpfen vorzieht, ist hier richtig. Ilmenau ist jedoch kein verschlafenes Wanderparadies. Die stu­dentischen Aktivitäten gehen weit darüber hinaus. Peter Scharff kann die Vereine gar nicht alle aufzählen, so viele sind es. Einer davon ist das Team StarCraft e. V., das zur internationalen Formula Student gehört. Weltweit designen und bauen Studenten hier Formel­Rennwagen, die einmal im Jahr auf der berühmten Formel­1­Strecke in Silverstone getestet werden. Auch die Ilmenauer waren schon dabei. Außerdem gibt es auf dem stetig wachsenden, modernen Campus einen großen Sportplatz zur körperlichen Ertüchtigung. Und auch in Sachen

Medien sind die Ilmenauer weit vorn. Die TU hat das älteste Studentenradio Deutschlands sowie ein eigenes Studenten­fernsehen.

Das Studium an einer so kleinen Universität hat aber noch andere Vorzüge. Hier sind Studenten keine Nummern, sondern die Professoren kennen sie mit Namen. „Individualuniversität“ nennt das Professor Scharff. Die Lehrkräfte in Ilmenau seien hoch motiviert, ihren Lehrauftrag empfänden sie nicht als Belastung. Selbst der Rektor lehrt jede Woche noch vier Stunden, obwohl er das nicht müsste. „Ich mach’ das, weil es mir Spaß macht und weil ich den Kontakt zu den jungen Leuten halten will“, sagt Scharff mit seinem optimistischen Lächeln. Mensch­licher Kontakt ist überhaupt sehr wichtig an der TU Ilmenau. Deshalb gibt es hier auch die Idee der Campusfamilie. Keiner

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T U I l m e n a u E i n b l i c k

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soll nur auf sich allein gestellt sein, man kümmert sich umein­ander. Jeder kann Beratung und Unterstützung bekommen, wenn er sie braucht. Dabei geht es nicht nur um wissenschaft­liche Probleme. Im Campus­Familienbüro gibt es Ansprech­part ner für jedes Anliegen – von der Schwangerenberatung bis zur Hilfe bei der Wohnungssuche. Auch für die Kinderbetreuung ist in Ilmenau gesorgt. Die Uni hat auf dem Campus eine eigene Kinder krippe und ein Kontingent in einem städtischen Kinder­garten. Außerdem gibt es Sonderstudienpläne für Allein er­ziehen de, damit Kinder und Studium vereinbar sind. Das ist zwar nicht ausschließlich, aber gerade für die weiblichen Studierenden interessant, deren Anteil auf mehr als 26 Prozent gestiegen ist. Für eine Technische Universität ist das ganz ordentlich. Gleichstellung von Frauen wird hier gelebt, sie exis­tiert nicht nur auf dem Papier.

„Wir nutzen die technologi­schen Ressourcen der Uni und können die Fachkräfte von der

Uni bei uns integrieren.“

Für Olaf Mollenhauer, Geschäftsführer der TETRA GmbH in Ilmenau, ist das ein Geben und Nehmen. Hightech-Unternehmen wie seines würden ohne die Universität an diesem Standort nicht existieren.

Auch wer statt Kindern zunächst seine Karriere im Kopf hat, muss sich in Ilmenau nicht sorgen. Die Zeitschrift „Wirtschafts­woche“ hat die Personalchefs der größten deutschen Unterneh­men gefragt, von welchen Universitäten sie Absolventen ein­stellen würden. Die TU Ilmenau gehörte zu den Top 10. „Wir haben im Moment durchschnittlich 11 Angebote für einen Absolventen“, weiß Peter Scharff. „Für jemanden, der bei uns studiert hat, ist die berufliche Zukunft gesichert.“

Die Universität als Wirtschaftsfaktor

Die Angebote kommen jedoch nicht nur von den großen Firmen außerhalb Thüringens, sondern auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Region. Viele Absol ven­ ten starten dort ihre Karriere, Fachkräftemangel ist hier ein Fremdwort. Einige gründen nach dem Studium selbst eine Firma. Über 100 Unternehmen in und um Ilmenau sind von ehemaligen Studenten der TU ins Leben gerufen worden. Oft sind das kleine Hightech­Unternehmen, die weltweit agieren. „Hidden Champions“ werden sie genannt. Diese heimlichen Gewinner sind der Öffentlichkeit zwar weitgehend unbekannt, mit ihren sehr spezialisierten Produkten haben sie jedoch Spitzenpositionen auf dem Weltmarkt.

Einer dieser Hidden Champions ist die TETRA GmbH, die 1991 von Dr. Andreas Karguth und Olaf Mollenhauer gegründet wurde. Auch sie waren Absolventen der TU Ilmenau. In ihrer Firma entwickeln sie hochpräzise mechatronische Sensor sys­teme und beschäftigen sich mit bionisch inspirierter Robotik. Daran hat auch die Uni Interesse. Olaf Mollenhauer kommt gera­de aus einer Besprechung mit Professor Andreas Schober. Der Leiter des Fachgebiets Nanobiosystemtechnik an der TU Il me nau will eine spezielle Vorrichtung zum Strukturieren von Kunst ­stoffen kaufen. Die Uni ist einerseits Kunde bei der Firma, be ­kommt aber auch Entwicklungsaufträge vom Unternehmen. Für Mollen hauer eine Win­win­Situation: „Wir nutzen die technolo­

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gischen Ressourcen der Uni und können die Fachkräfte von der Uni bei uns integrieren.“ Bei TETRA arbeiten 15 Ingenieure in der Entwicklungsabteilung, die meisten kommen von der TU Ilmenau. Oft waren sie schon als Studenten da, haben ihre Master­ oder Bachelorarbeit hier abgeschlossen. Die Aufgaben­stellungen und die Finanzierung kommen aus dem Unterneh­men, wissenschaftlich betreut werden die jungen Leute an der Universität.

Die enge Zusammenarbeit mit der TU sichert Mollenhauer und seinem Kompagnon aber nicht nur Fachkräfte. „Die Kooperation mit der Uni ist immer in die Zukunft gerichtet“, erläutert Olaf Mollenhauer. „Es geht um technologische Lösungen für die nächsten fünf bis zehn Jahre und die strategische Entwicklung des Unternehmens.“ Nur so können die mittelständischen Fir­men in der Region auch in Zukunft als Erste mit neuen Pro­dukten auf dem Markt sein. Große Kooperationsprojekte, wie der vom BMBF geförderte Thüringer Wachstumskern BASIS, unterstützen dies. Hier entwickelt die TETRA GmbH mit ande­ren regionalen Unternehmen und Forschungseinrichtungen neue Materialien und Beschichtungen für Sensoren und Implan tate. Solche Projekte sind auch für die TU Ilmenau von Bedeutung. „Es ist Teil unserer Philosophie, die Innovationskette vollständig zu erhalten: von der Grundlagenforschung, die zu ­nächst einmal zweckfrei ist, bis hin zu einem verkaufbaren Produkt“, betont Rektor Peter Scharff. „Und den letzten Schritt können wir nur zusammen mit Firmen gehen.“

„Es geht nicht mehr um einzelne Themen, sondern um Systeme, um das Zusammenspiel von Materialien und Technologien für spezielle Applikationen.“

Die Ilmenauer Matrix

In Ilmenau ist eine solche Zusammenarbeit mit Unternehmen völlig unkompliziert. Im Gegensatz zu den starren Strukturen anderer Universitäten gibt es hier eine flexible und interdiszi­plinäre Matrix. Das klingt nach Science Fiction, ist aber eher Science in Action. Matrixstruktur bedeutet, dass die fünf Fakultäten der Universität vertikale Achsen bilden, die durch fakultätsübergreifende Institute, die horizontalen Achsen, ver­bunden werden. Eine dieser Einrichtungen ist auch das IMN, das Institut für Mikro­ und Nanotechnologien MacroNano®. Hier arbeiten Maschinenbauer, Elektrotechniker, Mathematiker und Informatiker zusammen. Insgesamt sind vier Fakultäten und 39 Fachgebiete am IMN vereint. Das Institut ist 2006 aus dem Zentrum für Mikro­ und Nanotechnologien (ZMN) hervor­gegangen und hat eine Vorreiterrolle an der TU Ilmenau. Die Hürden zwischen den verschiedenen Disziplinen sind hier ex ­

trem niedrig. Ideen können gemeinsam entwickelt werden, Kooperationen spontan entstehen. Eine moderne technologi­sche Plattform steht allen Wissenschaftlern zur Verfügung. Das erleichtert ihre Arbeit genauso wie die unkomplizierte und bewegliche Administration. „Wir haben eine eigene Projekt ver­waltung und sind dadurch in der Lage, sehr schnell ein Pro jekt anzuschieben oder auf Anfragen zu reagieren“, erläutert Pro­fessor Jens Müller, Chef des IMN. „Das macht es auch einfacher für uns, mit Firmen und Forschungspartnern zu kooperieren“, ergänzt Professor Martin Hoffmann, Leiter des Fachgebiets Mikromechanische Systeme.

Hoffmann spricht aus Erfahrung. Er gehört zu den Initiatoren des Thüringer Kompetenzdreiecks Optische Mikrosysteme. Das Projekt wird im Rahmen des BMBF­Programms „Spitzen for­schung & Innovation in den Neuen Ländern“ gefördert. Ziel ist es, neue optische Mikrosysteme für die Bereiche Gesundheit, Umwelt und Energie zu entwickeln. Ohne interdisziplinäres Arbeiten wäre das nicht möglich. „Es geht nicht mehr um ein­zelne Themen, sondern um Systeme“, sagt Hoffmann, „um das Zusammenspiel von Materialien und Technologien für spezielle Applikationen.“

Solche strategisch neu ausgerichteten Projekte sind auch durch die Gründung des Zentrums für Innovationskompetenz – ZIK MacroNano® möglich geworden. Das vom BMBF innerhalb des Programms „Unternehmen Region“ finanzierte ZIK startete 2005 an der TU Ilmenau. Jens Müller war einer der ersten Arbeits­ gruppenleiter dort. „Damit haben wir Lücken geschlossen und neue Forschungsbereiche eröffnet, die sonst nicht möglich

Die TU Ilmenau – gestern und heute

1894 eröffnete die private Bildungsein-richtung „Thüringisches Technikum“ zur Ausbildung von Ingenieuren des Maschinenbaus und der Elektro-technik.

1926 wurde das Neue Technikum gebaut und die Einrichtung zur „Ingenieur-schule Ilmenau“ umbenannt.

1950 erfolgte die Umwandlung in die staatliche „Fachschule für Elektro-technik und Maschinenbau“.

1992 erhielt die inzwischen zur Hoch schule aufgestiegene Einrichtung den Status einer Technischen Universität. Durch eine grundlegende Neuorganisation entstanden die fünf aktuellen Fakul-täten für Elektrotechnik und Infor - ma tions technik, für Informatik und Automa tisierung, für Maschinenbau, für Mathematik und Naturwissen-schaf ten und für Wirtschaftswissen-schaften.

1996 ergänzten u. a. drei Medienstudien-gänge das Angebot.

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„Es geht nicht mehr um einzelne Themen, sondern um Systeme, um das Zusammenspiel von Materialien und Technologien für spezielle Applikationen.“

1999 wurde der Campus mit zahlreichen Neubauten umgestaltet.

2002 entstand das Zentrum für Mikro- und Nanotechnologien (ZMN) als erste fakultätsübergreifende Einrichtung.

2012 ist die TU Ilmenau nach wie vor die einzige Technische Universität Thürin gens. Mehr als 7.000 Studenten prägen das Leben in der 26.000- Einwohner-Stadt Ilmenau.

Nanotechnologien mit Mikrosystemen zu verbinden, ist für

Prof. Dr. Jens Müller (links) und seinen Kollegen Prof. Dr. Martin Hoffmann eines

der wichtigsten Forschungsziele. Nano-Effekte könnten sogar bei der Lösung globaler Probleme helfen, meinen sie.

gewesen wären“, sagt er. Einer dieser neuen Bereiche ist die 3­D­Nanostrukturierung. Erst im letzten Jahr wurde die gleich­namige Nachwuchsforschungsgruppe etabliert. Die Wissen­schaft ler wollen Nanotechnologien in Mikrosysteme integrie­ren. Ein Vorhaben, das am IMN schon seit Jahren konsequent verfolgt wird und international Beachtung findet. „Das ist wichtig, wenn wir in Richtung Medizintechnik und Life Science gehen wollen“, meint Martin Hoffmann. „Das ZIK hat uns die Möglichkeit gegeben, das auszubauen.“ Jens Müller nickt. Selbst eine Professur für Photovoltaik gehört mittlerweile zum IMN MacroNano®. „Wir können uns den Megatrends nicht verschlie­ßen“, erklärt Müller. „Neben Life Science sind das Energieeffizienz, Umweltaspekte und Mobilität.“

Neue Mobilitätskonzepte aus Thüringen

Das sieht Professor Klaus Augsburg genauso. Er ist Prorektor für Wissenschaft und Sprecher des größten Forschungsprojekts in der Geschichte der TU Ilmenau, des Thüringer Innovations zen­trums Mobilität, kurz ThIMo. Es wird von zwei Landesministerien gefördert, dem Wirtschafts­ und dem Wissenschaftsministerium sowie von der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH. Im letzten Jahr startete ThIMo. „Grundlagenforscher und Indus­trie ziehen an einem Strang. Das ist neu, das hat es so noch nicht gegeben“, meint Augsburg. Ihre Ziele sind die Entwicklung effi­zienter Elektroautos, optimierter Verbrennungsmotoren, und neuer Kunststoffe für den Leichtbau sowie die Verbindung von Antriebs­ und Informationstechnik im Auto. „Die Motiva tion war, dass wir in einem Bundesland, in dem die Automobil indus­trie von allen Branchen die höchste Wertschöpfung hat, die

Inno vationsfähigkeit der Unternehmen stärken“, erläutert Klaus Augsburg. Dafür wurde an der TU ein Institut für Automobil­ und Produktionstechnik ins Leben gerufen, an dem mittlerwei­le 30 Professoren aus den verschiedensten Fachbereichen, vom Marketing bis zur Regelungstechnik, zusammenarbeiten.

Die TU Ilmenau ist wie geschaffen für ein solches Projekt, denn Interdisziplinarität ist eine ihrer großen Stärken. „Ein Auto ist per se ein komplexes, nur interdisziplinär zu bearbeitendes System“, sagt Augsburg. „Deswegen sind wir im technischen Bereich auch ganz gut aufgestellt für Autos.“ Im ThIMo betrei­ben die Ilmenauer Grundlagenforschung, aus der sie Folgepro­jekte für die Auftragsforschung generieren wollen. „Ziel ist es, ThIMo zu verstetigen. Wenn die Förderung 2015 ausläuft, müs­sen wir auf eigenen Beinen stehen.“ Deshalb sind die Mobilitäts­konzepte auch auf den demografischen Wandel ausgerichtet, der in Deutschland zu den dringendsten Zukunftsproblemen zählt. Nahfeldmobilität heißt das Projekt bei ThIMo. Mit neuar­tigen Assistenzsystemen sollen ältere und behinderte Menschen in ihrem näheren Umfeld mobil bleiben können.

Der Roboter – dein Freund und Helfer

Für Mobilität sorgt auch Tweety, ein quietschgelber Roboter mit freundlichen blauen Augen. Er kann Senioren mit Gedächtnis­ und Turnübungen auf Trab halten, erinnert sie an die Einnahme ihrer Medikamente und registriert ihren Gesundheitszustand über Blutdruck­ und Pulsmessungen. Vorsichtig rollt Tweety zwischen Couchgarnitur und Fransenstehlampe durch das Modellwohnzimmer am Institut für Neuroinformatik und

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Kognitive Robotik an der TU Ilmenau. Dr. Christof Schröter ge hört zu den Entwicklern dieses „Serviceroboters für die Gesund heitsassistenz“, wie Tweety korrekterweise genannt wird. Dass die Ergebnisse seiner Arbeit direkt in die Praxis gelangen, motiviert den Informatiker sehr. „Beim anwendungs­bezogenen Arbeiten sehen wir einfach mehr, als wenn wir nur am Rechner sitzen und Algorithmen entwickeln“, meint er. Sein Doktorvater, Professor Horst­Michael Groß, nickt. „Wir wollen frühzeitig raus aus dem akademischen Elfenbeinturm in die Praxis, weil die die spannendsten Fragen stellt“, ergänzt er. Deshalb hat Tweety das Versuchswohnzimmer inzwischen ver­lassen und rollt jetzt durch ein Seniorenwohnheim der AWO in Erfurt. Hier soll der Roboter die ersten Praxistests bestehen, um in ein paar Jahren zur Marktreife zu gelangen.

Konrad und Suse haben das schon hinter sich. Die beiden sind ebenfalls Assistenzroboter, an deren Entwicklung Christof Schrö ter im Rahmen seiner Doktorarbeit mitgearbeitet hat. Während eines Pilotprojekts sind sie durch einen Baumarkt gerollt und haben den Kunden gezeigt, wo sie Schrauben, Bohrmaschinen oder Tapeten finden. Auch in großen öffent­lichen Verwaltungsgebäuden können die sprechenden Begleiter zum Einsatz kommen. Sie leiten Besucher vom Eingang bis zum gesuchten Raum und zurück. Das ist nicht nur Zukunftsmusik, sondern Realität. Die Firma MetraLabs GmbH, ein Spin­off­Unternehmen der TU Ilmenau, hat bereits 80 solcher Assistenz­roboter weltweit verkauft. Horst­Michael Groß plant aber noch weiter: Mit einem Thüringer Kompetenzzentrum für Robotik will er das Know­how der Ilmenauer Informatiker gemeinsam mit regionalen Industriepartnern noch stärker in die Praxis bringen. So profitieren Nutzer wie die Bewohner des Altenheims in Erfurt nicht erst in ferner Zukunft von der Grundlagenforschung der Ilmenauer Informatiker, sondern schon heute.

Noch trainiert der freundliche Roboter Tweety seinen Einsatz im Modellwohnzimmer der Neuro-Informatiker an der TU Ilmenau. Künftig soll er Senioren in Altenheimen Gesellschaft leisten.

Immer in Bewegung

Es ist viel Dynamik, viel Eigeninitiative zu spüren an der TU Ilmenau. „Innovativ, klein und fein“, so beschreibt Rektor Peter Scharff „seine“ Universität. Und genauso empfindet das auch Maik Rosenberger. Der promovierte Maschinenbauer kam 1999 zum Studium an die TU. Heute arbeitet er an digitalen Bildver­arbei tungsverfahren der nächsten Generation. Seit vier Jahren

leitet Rosenberger die Forschungsgruppe des vom BMBF geför­derten InnoProfils „QualiMess“. Momentan orientiert sich sein Team neu. Gemeinsam mit Industriepartnern entwickeln sie Bildverarbeitungsmethoden mit Multispektral­ und 3­D­Techno­logien. „Es gibt Projekte in Richtung Biotechnologie zur schnel­len Analyse von Bakterien und Viren“, verrät Rosen berger. Ziel ist eine schnelle und sichere Untersuchung von Lebensmitteln.

Biologische Methoden, die heute zum Einsatz kommen, neh­men sehr viel Zeit in Anspruch. Um die Mikroorganismen nach­zuweisen, müssen sie zunächst kultiviert werden. Das bedeutet, es können Tage vergehen, bis infizierte Lebensmittel gefunden und aus dem Verkehr gezogen werden. „Mit QualiMess haben wir grundlegende Forschungsergebnisse, die diese Prüfverfahren revolutionieren werden“, dessen ist sich Professor Gerhard Linß, Mentor und Supervisor von Rosenberger, sicher. Mit einem neuen Verfahren, das sich Fluoreszenz­Imaging nennt, können zum Beispiel Salmonellen innerhalb weniger Minuten entdeckt und gezählt werden. Die Methode könnte auch für Trinkwasser­untersuchungen eingesetzt werden, um Legionellen ausfindig zu machen, die eine gefährliche Lungenentzündung hervorrufen.

Um seine Ergebnisse schnell in die Praxis zu bringen, arbeitet auch Rosenbergers Team eng mit regionalen Firmen zusam­men. „Wir haben ganz kurze Wege zu den Unternehmen und können mit ihnen jederzeit über die aktuelle Projektentwicklung sprechen“, sagt er. Die Wirtschaftspartner wissen Maik Rosen­bergers Arbeit zu schätzen. Deshalb mussten sie auch nicht lange gebeten werden, als es darum ging, die Stiftungs professur „Industrielle Bildverarbeitung“ über fünf Jahre mitzufinanzie­ren. Danach soll sie von der TU Ilmenau verstetigt werden. Gemeinsam mit Thüringer Unternehmen will Maik Rosenberger es schaffen, dass Ilmenau als Zentrum der digitalen Bildverar­beitung wahrgenommen wird – nicht nur in Deutschland, son­dern weltweit. Sein Chef Gerhard Linß unterstützt dieses Ziel nach Kräften: „Meine Vision ist, dass jeder, der über Bildverar­beitung redet, sofort Ilmenau im Kopf hat.“

Ideen gibt es offenbar noch viele an dieser kleinen, feinen Universität im Süden Thüringens. Bereits in den letzten 20 Jah­ren haben die Professoren, Studenten und Mitarbeiter hier Weitblick bewiesen. Wie es aussieht, wird das auch so bleiben. „Ich wünsche mir, dass wir mit unseren Kompetenzen dazu beitragen können, die Probleme, die die gesamte Menschheit in den nächsten Jahrzehnten beschäftigen werden, zu lösen“, meint Professor Peter Scharff. Freundlich lächelt ihm dabei Johann Wolfgang von Goethe zu. Er hängt als Bleiglasfigur im Fenster des Rektors. Von des Dichters viel gepriesener Ruhe ist hier, am Fuße des Kickelhahns, längst nichts mehr zu spüren. Und das ist auch gut so. n

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SPRINGEN

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oder

Schublade?Colibri Photonics hat ein System aus zellkleinen Kügel­chen entwickelt, das an bisher unerreichbaren Stellen den Sauerstoffgehalt messen kann. Doch Elmar Schmälzlin und Marvin Stolz vom Potsdamer Campus Golm wissen, dass technologisches Know­how allein für unternehmerischen Erfolg nicht ausreicht.

Grünes Licht für geniale Ideen: Marvin Stolz und Elmar Schmälzlin (kleines Bild, v.l.n.r.) entwickeln Systeme zur optischen Bestimmung von molekularem Sauerstoff (großes Bild).

„Und, was machst du so?“ Wer die übliche Frage nach dem Beruf des Gegenübers mit Standards wie „Ich bin in der Werbung“ beantwortet, sorgt selten für nachhaltige Wirkung. Einen völlig verstörten Gesprächspartner erzeugt man hingegen mit der Antwort: „Ich habe ein Gerät entwickelt, das mit Mikrosonden Signale für den Sauerstoffgehalt auswertet, ohne das lebende System zu stören.“

So geht es Elmar Schmälzlin und Marvin Stolz ab und zu schon mal. Aber wie die meisten Menschen, die für ein Thema bren­nen, können sie mit einem Lächeln darüber hinwegsehen. Ihre Leidenschaft gilt dem Projekt, an dem sie gerade arbeiten – und dass es anderen schwer fällt, ihnen zu folgen, sind sie gewohnt. „Ich sage dann eben, dass ich Kaufmann bin und an der Uni arbeite", erklärt der große, dunkelhaarige Marvin Stolz, Baujahr 1981. Und wer sich nicht mit ein oder zwei Sätzen abspeisen lässt? Dem erklärt Stolz den, dass er ein Unternehmen gegrün­

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det habe und erläutert ihm den Geschäftszweig: optoelektroni­sche Sensorsysteme zur Messung von Sauerstoff. „Das sind elektronische Geräte, die optische Signale verarbeiten, die man mit Sensoren erfasst. Man hat einen Kasten, und man hat Sen­soren, die kleiner sind als ein Salzkorn. Und mit diesem Kasten kann man die Messungen vornehmen, aus einer Distanz bis zu einem Meter, ohne Kabel. Vom Format ist das wie ein CD­Player oder Verstärker, nur ein bisschen teurer", sagt Stolz und zeigt ein Foto auf seinem Tablet­PC, wie andere die Bilder des jüngsten Nachwuchses aus der Tasche ziehen.

Sensoren für Medizin, Zellforschung und Lebensmitteltechnik

Und was heißt das konkret? „Optische Sauerstoffsonden sind Farbstoffe, die ihre Phosphoreszenz­Eigenschaften in Abhängig­keit von der Sauerstoffkonzentration in ihrer Umgebung än dern. Aufgrund seiner besonderen elektronischen Struktur ist mole­kularer Sauerstoff in der Lage, die Triplettemission zu löschen.“ Also je höher der Sauerstoffgehalt, desto länger die Leuchtzeit? Stolz lächelt: „Kürzer.“ Na gut, es ist kein leichtes The ma. „Ein dreidimensionales Bild der Sauerstoffverteilung entsteht – und das ist interessant für Mediziner oder alle anderen, die etwas wissen müssen über den Sauerstoffgehalt in einem Zellverband.“ In Kooperation mit dem Fraunhofer­Institut für angewandte Polymerforschung (IAP) und der Universität Potsdam entwi­ckelt Colibri Photonics Sensorsysteme in vielfältigen Bauformen, die sich für verschiedenste Anwendungs bereiche eignen: von der Zellforschung über die Gewebezucht und die Medizin bis hin zur Lebensmittel­ und Verpackungs technik. Dabei sind die optischen Sauerstoffsonden im Gegen satz zu traditionellen elektro chemischen Messfühlern unbegrenzt miniaturisierbar, brauchen keine Anschlussdrähte und verbrauchen die zu analy­sierenden Stoffe nicht. Zudem sind sie für Sauerstoff­Messungen in Gasen und Flüssigkeiten gleichermaßen gut geeignet.

Je höher der Sauerstoffgehalt, desto kürzer ist die Leuchtzeit der Mikrosonden.

Das gute, alte Risiko

Colibri Photonics wurde Ende 2010 gegründet, und dass eine Unternehmensgründung viel Rennerei nach Geld und Inves­toren bedeutet – davon kann Marvin Stolz ein Lied singen. „Wir haben versucht, Investoren zu finden. Dabei hatten wir drei Optionen: Venture­Capital, die Ansprache von Business Angels – oder der klassische Weg, für den wir uns dann entschieden haben: Wir sind zur guten, alten Bank gegangen, verbunden allerdings auch mit dem guten, alten Risiko.“ Aber es hat ja alles funktioniert, oder? Stolz atmet tief ein: „Volles Risiko, aber es läuft so, wie wir es geplant haben. Auch wenn so ein Businessplan nur eine Prognose darstellt, die einen manchmal etwas unsanft mit der Realität konfrontiert, ist es mittlerweile so, dass wir Angebote erstellen, und dass es Leute gibt, die das Gerät dann auch kaufen wollen“, freut er sich. „Wir haben auch einen Part­ner in Süddeutschland, der mit uns kooperiert.“

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft

Physikochemiker Elmar Schmälzlin kommt aus Süddeutschland, Stolz ist Berliner und hat BWL studiert. Wie sind sie denn zusammen gekommen? Eine glückliche Fügung: Marvin Stolz’ Familie ist seit 60 Jahren selbstständig und führte ein Familien­unternehmen in Berlin­Charlottenburg. „Ich kenne das Unter­neh merleben von Kindheit an und wusste schon immer, dass ich etwas Eigenes machen will“, sagt Stolz heute. „Während des Studiums in Frankfurt/Oder und in Potsdam habe ich dann über einen Studienkollegen erfahren, dass es im Golmer Wissen­schaftspark ein Projekt gibt, das einen Kaufmann sucht. Da habe ich mich dann beworben.“ Im ForMaT­Programm war die Kon­stellation Wissenschaftler plus Betriebswirtschaftler vorgege­ben, und so haben sich auch Schmälzlin und Stolz kennenge­lernt – und dann drei Jahre in einem Büro zusammengearbeitet.

„Komm, wir springen!“

Irgendwann kam dann der Punkt, an dem sich das Duo ge fragt hat: Was machen wir jetzt? Ins kalte Wasser springen, oder ab mit den Ergebnissen in die Schublade? „Da hat Elmar gesagt: Komm, wir springen!“, erinnert sich Marvin Stolz. Nachdem Stolz und Schmälzlin ihre GmbH gegründet hatten, konnten sie das Gerät über einen Unterauftragnehmer zu einem funktions­fähigen, fertigen Produkt weiterentwickeln. „Wir haben es dann unseren Kontakten aus der Uni­Zeit vorgeführt und die haben uns bestätigt, dass sie das für eine tolle Sache halten“, sagt Stolz. Parallel dazu haben die beiden einen Fördermittelantrag beim Land Brandenburg gestellt, der schließlich bewilligt wurde. „Der positiv begutachtete Förderantrag und die erfolgreiche Entwick­lungsarbeit an der Uni haben geholfen, die Bank zu überzeugen,

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dass wir eine gute Grundlage haben“, erklärt Stolz. „Unser Unter nehmen beruht also tatsächlich auf einer BMBF­Förderung, dem ForMaT ‚InnoLaserSensor‘. So fing alles an.“

Der Aspekt, zu scheitern, ist immer da

Marvin Stolz ist schon stolz, wenn man ihn auf seinen Erfolg in so jungen Jahren anspricht. Doch er ist auch klug genug, bescheiden zu sein und sämtliche Risiken einzuschätzen, die ein solches Unternehmen mit sich bringt: „Wir hatten eine gewisse Durststecke, und bevor wir den Bankkredit aufgenommen haben, haben wir uns aus eigener Tasche finanziert. Die Ergebnisse, die wir an der Uni Potsdam generiert hatten, hatten uns aber so überzeugt, dass wir innerhalb eines Jahres auch wirklich ein Produkt haben wollten.“

Doch ein technologisch gutes Produkt alleine reicht nicht. Es muss auch immer so attraktiv sein, dass es dem Kunden gefällt: „Der Anwender muss das Gerät auspacken, an sein Mikroskop anstecken und dann sofort damit arbeiten können“, sagt Stolz. Deshalb bietet Colibri Photonics auch den vollen Service an: Forscher erklärt Colibri, was er braucht; Colibri erklärt Forscher, wie er das am effizientesten erreichen kann. Und auch, wenn die Golmer nicht die Einzigen sind, die optische Sauerstoffmess­geräte anbieten, sind sie sich sicher, dass sich ihr Produkt auf­grund seiner Alleinstellungsmerkmale am Weltmarkt behaup­ten wird. „Wir haben in letzter Zeit zwar mehr Mietangebote

erstellt als Verkäufe getätigt, aber das ist okay.“ Wenn man ein Gerät für 10.000 bis 20.000 Euro kaufen will, sollte man es vor­her testen dürfen, findet der 31­Jährige und wirkt dabei bemer­kenswert gelassen. Trotzdem: „Der Aspekt, zu scheitern, ist immer da“, gibt er zu. „Doch ich behaupte mal: Wir werden nicht scheitern. Der Glaube an ein attraktives, nützliches Produkt kann Berge versetzen. Aber wir wissen ebenfalls, was zu tun ist, wenn wir unsere Ziele nicht erreichen.“

„Mit diesem Kasten kann man die Messungen vornehmen, aus einer Distanz bis zu einem Meter, ohne Kabel“, erklärt Marvin Stolz sein Produkt – das in Wirklichkeit doch ein wenig komplizierter ist.

Zukunftsmusik

Und was rät Marvin Stolz anderen Gründern? „Man muss damit rechnen, seinen Businessplan mehrmals umzustellen. Er war­tungen müssen überwiegend nach unten korrigiert werden und man muss darauf achten, nicht betriebsblind zu werden!“ Außerdem: „Nicht entmutigen lassen.“ Das A und O für die Gründung ist jedoch das Team: „Einigkeit ist fördernd“, lächelt Stolz. „Das ist bei uns aber auch nicht so schwer, weil wir nur zu zweit sind.“ Daher übernimmt der zehn Jahre ältere Elmar Schmälz lin dann auch die Aufgaben, die Marvin Stolz nicht als sein größtes Talent ansieht, „zum Beispiel bei der Präsentation unseres Produktes. Da kann der Elmar eine richtige Show draus machen“, gesteht Stolz, „das kann ich nicht.“ Wenn der Unter ­neh mer sich etwas wünschen könnte, dann wäre es ein Assistent. „Unser Ziel ist Umsatz“, sagt Stolz selbstbewusst. „Und dafür brauchen wir im administrativen Bereich langsam etwas Entlastung“. n

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Good Bye, Lenin!

1990 besiegelte die Deutsche Einheit das Ende der Akademie der Wissenschaften und des DDR­Fernsehens. Damit stand auch der Wissenschafts standort Berlin­Adlershof vor dem Aus. Seitdem ist im Südosten der Hauptstadt der bedeutendste Medienstandort Berlins und einer der 15 größten Techno ­ lo gie parks der Welt entstanden. Eine Städtereise in die Geschichte und die Zukunft Adlershofs

Quartiere: Kommunales Zentrum Universitäts-Campus Wohngebiet Wissenschafts- und Technologiepark Stand: 27.01.2012

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Groß-Berliner Damm

Adlergestell (B96a)

Dörpfeldstraße

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Wegedornstraße

Johannes-Sasse-Ring

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Straße

Alexander-von-Humboldt-Weg

Kroneck

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Hermann-Dorner-Allee

North-W

illys-Straße

Georg-Schendel-Straße

Bendemannstraße

Teltowkanal

Teltowkanal

Natur- und Landschaftspark

„WohnenAm

Landschaftspark“

„Wohnenam

Campus“

Sportplatz

Kinder-spielplatz

Bolzplatz

Dirt-Bike-Parcour

Skaterbahn

ParkAerodynamischer

bodenfilteranlageRetentions-

Kita

Kita

Kita

Forum

Beach-volleyball

Naturerfahrungsraum Grillplatz

MarktplatzAdlershof

Kulturzentrum„Alte Schule“

Innenstadt

Innenstadt

InnenstadtFlughafen Berlin-Schönefeld / BER

Flughafen Berlin-Schönefeld / BER

Ausfahrt Adlershof

Ausfahrt Stubenrauchstraße

Good Bye, Lenin!

1. Der Medienstandort 2. Die Solarindustrie 3. Die Betreibergesellschaft 4. Die Forschungseinrichtungen 5. Die Hightech-Firma 6. Der Kern von Adlershof 7. Das Start-up 8. Die Humboldt-Universität 9. Der Aerodynamische Park 10. Wohnen der Zukunft

Medienstadt Gewerbegebiet Business-Zentrum

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Aberdeen, Abu Dhabi, Abruzzen, Ägypten … Ägypten? Wo ist denn bitte Adlershof? Der gut sortierte Buchhändler in der Münchner Innenstadt blickt fragend über seine Lesebrille. Adlershof? Nie gehört. Der traditionelle und bewährte Ansatz, sich mit der Lektüre eines Reiseführers auf eine Städtereise vor­zubereiten, versagt beim Reiseziel Berlin­Adlershof.

Dabei ist die selbsterklärte „Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“ mit 4,2 Quadratkilometern doppelt so groß wie das Fürstentum Monaco. Im Südosten der Hauptstadt haben sich elf außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, sechs In sti tu te der Humboldt­Universität und mehr als 900 Unter­nehmen angesiedelt. 15.000 Menschen erwirtschaften einen Jahresumsatz von über 1,6 Mrd. Euro und machen Berlin­Adlers hof zum größten Wissenschafts­ und Technologiepark Europas.

Gleichzeitig ist Adlershof ein Quartier mit Geschichte, mit einer wechselhaften obendrein: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts star­teten und landeten hier Propellermaschinen auf dem ersten Motorflugplatz Deutschlands. Die letzten Minuten des DDR­Staatsfernsehens wurden aus Adlershof gesendet. Der Standort ist aber auch Symbol für die Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) und ihre Abwicklung zu Beginn der 90er­Jahre. Daneben ist der Name Adlershof eng mit der Photovoltaik­Branche verknüpft – und wurde so zum zentralen Schauplatz des spektakulärsten Aufstiegs und zumindest vorübergehenden Niedergangs in der jüngeren deutschen Industriegeschichte.

Glänzende Erfolge und klägliches Scheitern, kleine Schritte und große Pläne, Wissenschaft von Weltrang, integrierte Forscher­teams, zupackende Unternehmensgründer und mutige Medien­macher – Adlershof hat eine Vielzahl spannender Ge schich ten zu erzählen, die man sich am besten vor Ort an hört. Wer dafür auf das Flugzeug und auf eine der beiden größten deutschen Fluggesellschaften, Lufthansa und airberlin, zurückgreift, lan­det in Tegel. Von dort sind es handgestoppte 67 Minuten über die morgendlich­verstopfte Stadtautobahn bis zur Adresse „Am Studio 20A“, der ersten von zehn Stationen auf einer Sightseeing­Tour der besonderen Art.

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Der Medienstandort – attraktiv, aber inhaltsarm

Berlin­Adlershof, 1. Januar 1992, mittags: Harald Becker friert. Es ist der Tag eins, nachdem der Deutsche Fernsehfunk seinen Sendebetrieb zum Jahreswechsel eingestellt hat – und die Heizung in den Studioanlagen funktioniert nicht mehr. Für den Chefregisseur von „Elf 99“ kein Grund, sich aufzuregen. Seit im September 1989 die erste Ausgabe der Jugendsendung im DDR­Staatsfernsehen lief, um die Jugend mit viel Geld, Videoclips und cooler Attitüde wieder auf Parteilinie zu bringen, wurde Harald Becker beschimpft, bedroht und zweimal entlassen – ohne jede Wirkung. „Elf 99“ nutzte die politische Wendezeit für eigenmächtige Enthüllungsberichte. Reportagen wie die aus der Waldsiedlung Wandlitz, in der die SED­Führung von der Öffentlichkeit abgeschottet in Saus und Braus lebte, sorgten für Skandale, trugen zum Revoluzzer­Image von „Elf 99“ bei – und verhalfen Harald Becker und Kollegen 1989 zum „Bambi“.

Auf Adlershof selbst färbte dieses positive Image indes kaum ab, zu deutlich wehte noch der muffige Hauch der „Aktuellen Kamera“ oder der Polit­Propaganda von „Der Schwarze Kanal“ durchs Quartier. Es sah nicht so aus, als könnte Adlershof im föderalen Rundfunksystem der Bundesrepublik seinen Platz finden. Heute, 20 Jahre später, ist Adlershof der größte Medien­standort Berlins.

Salonfähig dank Schröder und Stoiber

„Wir waren mit dem von uns selbst produzierten Format nach 1991 zwar nicht mehr so erfolgreich“, sagt Harald Becker heute, „aber wir haben den Leuten hier Mut gemacht.“ Im Dunstkreis der Elf 99­Medienproduktion und Vermarktung GmbH siedel­ten sich Dekorationsbaufirmen, Kostümschneidereien und andere Kunsthandwerker an, die bis heute eine der drei Säulen des Medienstandorts Adlershof bilden. Die zweite Säule sind technologieorientierte Gründer wie die TV+SYNCHRON Berlin GmbH, ein Spezialist für Synchronisation und Geräuschpro­duktion.

Dritte Säule und Schwergewicht am Standort ist seit 1994 das „Studio Berlin“. Mit 150 festen und rund dreimal so vielen freien Mitarbeitern betreibt „Studio Berlin“ mittlerweile zehn Studios mit rund 12.500 Quadratmetern Fläche. Hier entstehen Unter­haltungs­ und Informationsformate wie „Good Bye, Lenin!“, „hart aber fair“ und „The Voice of Germany“– oder auch alle bisherigen Fernsehduelle der Kanzlerkandidaten. „Schröder ge ­

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gen Stoiber hat uns 2002 endgültig wieder salonfähig ge macht“, sagt Gründungsgeschäftsführer Harald Becker. Auch die Über­tragung des WM­Finales 2006 und weiterer Fußball groß­ereignisse polierten den Ruf von Unternehmen und Standort. Mit ihm ist Harald Becker, der sich Ende 2011 in die zweite Reihe zurückzog, sehr zufrieden – aber nicht wunschlos glücklich. „Wir haben über Jahre erfolglos versucht, eine Dachmarke für den Medienstandort aufzubauen und ein monatliches 45­minütiges Magazin zu etablieren“, bedauert Becker. „Dann kämen endlich auch wieder die Inhalte aus Adlershof!“ Doch der fast revolutio­näre Elan der Wendezeit scheint versiegt. Heute steht der Medienstandort Adlershof in erster Linie für Produktions anlagen und Dienstleistungen – eine attraktive, aber inhalts arme Hülle.

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Die Solarindustrie – Gras über der Krise?

Fünf Gehminuten südöstlich des „Studio Berlin“ stößt man auf die nächste attraktive Hülle. Es ist die 27.000 Quadratmeter große Unternehmenszentrale des Solarmodul­ und ­kraft­werksherstellers SOLON, der Mitte der Nullerjahre mit dreistel­ligen Millionenumsätzen für Furore sorgte. Den 47 Millionen Euro teuren Prunkbau mit Grasflächen auf und loftartigen Büros unterm Dach hatte SOLON zur Einweihung Mitte 2009 stolz als „Arbeitswelt der Zukunft“ präsentiert. Die Zukunft währte nicht einmal drei Jahre, dann eröffnete SOLON die

Insolvenzwelle in der deutschen Photovoltaik industrie; die Standortnachbarn Soltecture und Global Solar folgten. Der einstmalige Erfolg war an der Finanz­ und Wirt schaftskrise, am schwindenden technologischen Vorsprung und am erschlagen­den Preisdruck asiatischer Konkurrenten zerbröselt.

Von der "Arbeitswelt der Zukunft" in die Insolvenz - und zurück? Die Unternehmenszentrale des Solarmodulherstellers SOLON

Mangelware Industrie

Seit März 2012 fallen wieder zarte Sonnenstrahlen auf SOLON. Unter einem indisch­arabischen Investor und in neuer Rechtsform entwickeln, verwalten und produzieren heute wie­der über 400 Mitarbeiter in Adlershof. Doch der Preisverfall setzt sich auch auf den neu erschlossenen Märkten fort. Ohne neue Impulse wird es nicht gehen – die auch aus Adlershof selbst kommen sollen. So entwickelt das Kompetenzzentrum Dünnschicht­ und Nanotechnologie für Photovoltaik Berlin (PVcomB) mit Unternehmenspartnern industrienahe Techno­logien; das BMBF fördert PVcomB im Rahmen des Programms „Spitzenforschung und Innovation in den Neuen Ländern“. Zusätzlich entsteht bis 2013 und genau 1.500 Meter Luftlinie von SOLON entfernt das 8.000 Quadratmeter große „Zentrum für Photovoltaik und erneuerbare Energien“. Für den Standort Adlershof ist das Überleben der Solarbranche besonders wich­tig, weil industrielle Produktionsarbeitsplätze trotz Spitzen­forschung und mehr als 900 Unternehmen nach wie vor Mangelware sind.

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Die Betreibergesellschaft – mit Verstand und Glück

Hardy Schmitz empfindet die Insolvenzen der drei großen Adlers hofer Solarunternehmen als „besonders bitter, weil ein Großteil des Erfolgs gerade auf den Synergien des Standorts beruhte!“ Schmitz ist Geschäftsführer der WISTA­Management GmbH, die den Wissenschafts­ und Wirtschaftsstandort Adlers­hof seit 1991 – damals noch unter anderem Namen – betreibt. In seinem Büro an der Adlershofer Lebensader, der Rudower Chau ssee, redet Schmitz offen über die Schwierigkeiten des Standorts. Doch die WISTA kümmert sich nicht nur um mittler­weile sechs Technologiezentren, die Flächenvermarktung, Grün­derberatung und Projektentwicklung, sondern auch um Kom­mu n ikation und Standortmarketing. Deshalb erzählt „Mister WISTA“ Hardy Schmitz (siehe auch S. 29) besonders gerne von den positiven Entwicklungen, die etwa auch prototypisch für die Verwandlung des Alt­Flughafens Tegel in einen Technologiepark sein sollen – und die im Jahr 1990 kaum jemand für möglich gehalten hätte.

Zehn Punkte für Adlershof

Auf Basis des Einigungsvertrags soll in Adlershof bis zum Jahres ende 1991 neben dem DDR­Fernsehen auch die „Akade­mie der Wissenschaften der DDR“ (AdW) abgewickelt werden. Von den rund 6.000 Beschäftigten wird in Adlershof nur ein Viertel eine Stelle in den neugegründeten Einrichtungen des

gesamtdeutschen Wissenschaftssystems finden. Dennoch fällt am 12. März 1991 die politische Entscheidung für die „Entwick­lung des Standortes Adlershof zu einer integrierten Techno­logielandschaft“. Das Zehn­Punkte­Programm wird zur Grün­dungs ur kunde des modernen Wissenschafts­ und Wirtschafts­standorts. Punkt 2 verlangt die umgehende Gründung einer Projektentwicklungsgesellschaft, die seit 1994 als WISTA die Geschicke des Standorts lenkt und zu 99 Prozent dem Land Berlin gehört.

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Die Forschungseinrichtungen – gelungene Integration

Spitzenklasse: Prof. Günter Tränkle (links) lobt die „synergetische Zusammenarbeit“ mit Adlershofer Partnern. Das von ihm geleitete Ferdinand-Braun-Institut ent-wickelt unter anderem Klasse-S-Verstärker für die Mobilkommunikation (rechts).

In Sichtweite der WISTA liegt eine der Forschungseinrichtungen, die auf der „Konkursmasse“ der AdW­Zentralinstitute aufge­baut haben. Seit seiner Neugründung am 1. Januar 1992 ist das Ferdinand­Braun­Institut als Leibniz­Institut für Höchst­frequenz technik (FBH) in eine der nationalen Wissenschafts­gemeinschaften integriert. In Adlershof entwickelt das FBH Schlüsseltechnologien für innovative Anwendungen in der Mikrowellentechnik und Optoelektronik.

„Gerade auf dem Feld optischer Technologien hat sich hier in Adlershof eine synergetische Zusammenarbeit entwickelt“, sagt Professor Günter Tränkle. Der gebürtige Württemberger leitet das FBH seit 1996 und freut sich besonders über die enge Zusammenarbeit zwischen außeruniversitären Forschungsein­

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rich tungen, Universität und Hightech­Unternehmen. Dadurch haben Wissenschaftler des FBH und der Humboldt­Universität, etwa auf dem Gebiet optischer Präzisionsmessungen, eine fachli­che Kompetenz erarbeitet, die international ihresgleichen sucht.

Mister WISTA im Gespräch Seit zehn Jahren ist Hardy Schmitz Geschäftsführer der Adlershofer Betreibergesellschaft WISTA-MANAGEMENT GmbH.

Mister WISTA im Gespräch

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Seit zehn Jahren ist Hardy Schmitz Geschäftsführer der Adlershofer Betreibergesellschaft WISTA-MANAGEMENT GmbH.

Was macht den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof aus?

Zunächst einmal natürlich seine Größe und sein stetiges Wachs­tum an Unternehmen, Mitarbeitern und Umsatz. Bewährt hat sich auch unser Konzept mit einem Universitätscampus und Forschungseinrichtungen im Zentrum und Technologie­ und Gründer zentren ganz in der Nähe. Außerdem haben wir ein klares Profil, das auf Spitzenforschung in der Optik, Mikrosystemtechnik, Photovoltaik und Analytik beruht. Und schließlich verfolgen wir ein städtebauliches Konzept und arbeiten mit Hochdruck an einer echten Urbanität.

W elche Bedeutung hat Adlershof für Berlin?

Heute haben wir mehr als 900 Firmen in Adlershof, davon etwa 400 Hightech­Unternehmen. Viele davon sind Ausgründungen aus den Berliner Hochschulen und beschäftigen sich mit unseren Kernthemen – die ja gleichzeitig Zukunftsthemen sind. Adlershof wird auf diese Weise zur Keimzelle neuer Industrie und ist ja auch erklärtes Vorbild für den Technologiepark „TXL – The Urban Tech Republic“, der auf dem Alt­Flughafen Tegel entstehen wird.

Die ganz Großen haben Sie so aber noch nicht anlocken können …

Jein. Mit Nokia, Bruker, Jenoptik, Siemens oder seit Kurzem Corning haben wir schon einige echte Schwergewichte, die aber zum Teil nur mit kleinen Entwicklungsabteilungen vertreten sind. Unsere Stärke ist ganz klar die stetige Zunahme kleiner und mitt­lerer, technologieorientierter Unternehmen und deren Wachstum. Da lässt es sich auch verschmerzen, dass die industrielle Groß­ se rien fertigung mit ganz wenigen Ausnahmen noch keine Adlers hofer Stärke ist.

Seit dem spektakulären Scheitern der Adlershofer Solarfirmen gilt das umso mehr …

Gerade die SOLON­ und Soltecture­Insolvenz waren tragisch, denn prinzipiell stellen wir uns das genauso vor: Gründung am Standort, Wachstum im Technologiezentrum, Errichtung der eige­nen Großfertigung. SOLON arbeitet aber bereits wieder. Es ist daher noch gar nicht sicher, ob diese schweren Havarien unser Wachstum tatsächlich aufhalten können.

Wer zahlt eigentlich?

„Die Zusammenarbeit in integrierten Teams ist so eng, dass ich manchmal nicht weiß, wer welchen Mitarbeiter eigentlich bezahlt – wir oder die Universität“, schmunzelt Günter Tränkle. Die Kooperation mit Adlershofer Großunternehmen stellt

Tränkle indes nicht zufrieden. Der Grund: Es gibt kaum welche. „Es ist für Adlershof ganz entscheidend, ob wir in Zukunft mehr Schwergewichte anlocken können – so wie Corning“, sagt Tränkle. Das amerikanische Großunternehmen für Spezialglase hat im September 2012 ein neues Technologiezentrum in Adlershof eröffnet; es könnte sich zum Brückenkopf in Europa entwi­ckeln. „Natürlich hat es da im Vorfeld Gespräche gegeben“, erzählt Tränkle. Aber eine tiefgreifende Kooperation müsse sich erst noch entwickeln. „Wir ergänzen uns gut mit unseren Kompetenzen, aber zusätzlich braucht es Einsatz, Geduld und Zeit.“

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Eine ganze Reihe davon hat das FBH von 2007 bis 2011 in das vom BMBF geförderte InnoProfil „Hybride Diodenlaser­Systeme“ investiert. In diesem Rahmen entstanden weltweit einzigartige hochbrillante Laserstrahlquellen, deren Entwick­lung nun in der InnoProfile­Transfer­Initiative „FaBriDi“ wei­tergetrieben wird. Das dabei entwickelte Know­how fließt aber zugleich in weitere Anwendungen, wie etwa anspruchsvolle Diodenlaser­Module für Weltraumanwendungen. Und auch eine andere, ebenfalls im Rahmen von Unternehmen Region geförderte Initiative war erfolgreich: Das WK­Potenzial „SysLasDiode“, in dem das FBH mit fünf Berliner Unternehmen Komponenten für Laserstrahlsysteme mit Einzeldiodenlasern entwickelte. Drei der Firmen sitzen in Adlershof, eine von ihnen ist Lumics – die fünfte Station unserer Adlershof­Tour.

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Die Hightech-Firma – Kooperation und Vernetzung

Nils Kirstaedter findet seinen Arbeitsplatz gut; nicht auf diesel­be Weise wie die Popband „No Angels“ und diverse „Tatort“­Teams, die das „Zentrum für Photonik und optische Technolo­gien“ als architektonisch spektakulären Drehort schätzen. Interessant findet der Gründer und Geschäftsführer der Lumics GmbH vielmehr die standardmäßige Kaltwasser­, Stickstoff­ und Druckluftinstallation, die Vorreinigung der Luft für seine Reinräume oder auch die gute Verkehrsanbindung – und natür­lich die geografische Nähe zu vielen seiner Kooperationspartner.

Das „Zentrum für Photonik und optische Technologien“ (oben)

ist ein beliebter Drehort für Musikclips – und der Arbeitsplatz

von Dr. Nils Kirstaedter (unten). Die von ihm gegründete

Lumics GmbH entwickelt Dioden-laser, die wesentlich robuster und effizienter sind als herkömmliche

Faserlaser (Mitte).

„Wir haben es nie bereut, dass wir uns bei der Gründung vor zwölf Jahren für Adlershof entschieden haben“, erzählt der 45­jährige Physiker, der an der TU Berlin promovierte. Heute entwickelt und produziert Lumics mit 22 Mitarbeitern Dioden­

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laser für die Telekommunikation, Entfernungs­ und Temperatur­messung und für die Medizin. Diodenlaser sind wesentlich kleiner, robuster und effizienter als herkömmliche Faser laser und haben nur einen kleinen Nachteil: „Sie sind unglaublich schwer zu entwickeln!“, weiß Kirstaedter, der mehr als ein Viertel des Umsatzes in die Entwicklung investiert. „Dennoch funktioniert unser Geschäftsmodell nur deshalb, weil wir hier in Adlershof – von der Miethöhe einmal abgesehen – perfekte Bedingungen haben.“

Wafer auf Adlershof-Tour

Die ersten beiden (und sehr teuren) Schritte in der Fertigung der Halbleiterscheiben (Wafer) hat Lumics ins Ferdinand­Braun­Institut für Höchstfrequenztechnik ausgelagert; bei der benach­

barten Jenoptik Diode Lab GmbH wachsen dann die Wafer heran. Zudem stellen verschiedene kleine Firmen wie die RTG Mikroanalyse GmbH Analysetechnik zur Verfügung; und Werkstätten wie die Astro­ und Feinwerktechnik Adlershof GmbH lösen weitere Teilprobleme. Rund zwei Drittel der gesam ten Lumics­Wertschöpfung entstehen auf diese Weise in Adlershof.

Gemeinsam mit anderen Unternehmen und dem FBH hat Nils Kirstaedter den Wachstumskern „BrightLas“ auf die Beine gestellt, der sich derzeit in der Bewilligungsphase befindet und im Jahr 2013 starten soll. Mehrere Strahlungsquellen sollen dann zu 4­Kilowatt­Direktdiodenlasern kombiniert werden – mit einer Strahlqualität, die bisher nur Faserlaser erreicht haben. „Als Hightech­Mittelständler kann man nur erfolgreich sein, wenn man immer in Bewegung bleibt und mit anderen Unter­nehmen eng zusammenarbeitet“, fasst Kirstaedter zusammen.

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Der Kern von Adlershof – feste arbeiten statt Feste feiern

Meist beschäftigen sich die „heads shifting“ mit sich selbst. In ihrer übrigen Zeit blicken die Kunst-stoffköpfe über das Forum – einem der wenigen Orte der Muße in Adlershof.

Nie stehen bleiben – immer in Kontakt bleiben: Das Motto moderner Wissenschaft lässt sich ganz plastisch auf dem „Forum Adlershof“ erfahren. Dort, im geografischen Kern des Wirtschafts­ und Wissenschaftsparks, drehen sich auf stähler­nen Stelen zwei überdimensionale Kunststoffköpfe um ihre Hochachse, wenden sich einander zu und voneinander ab – und verändern dabei selbst ihre Gestalt. Wenn sie sich nicht gerade mit sich selbst beschäftigen oder auf den weitläufigen Campus der Humboldt­Universität blicken, können die „heads shifting“ die Adlershofer Belegschaft beim Mittagessen in der „esswirt­

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schaft“ beobachten. Das kleine Bistro auf dem Forum bietet eine der wenigen Gelegenheiten in Adlershof, die Arbeit mal für einen Moment ruhen zu lassen, etwa für eine Pause auf einer der Sitzbänke; denn tatsächlich sind die 4,2 Quadratkilometer der Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien eine fast bank freie „No­sit­Area“.

Zwischen Infrastrukturparadies und Geisterstadt

Nach den ersten sechs Stationen verfestigt sich ein Eindruck: Adlershof bietet eine ausgezeichnete Infrastruktur: S­Bahn­, Tram­ und Autobahnschluss, ein Blockheizkraftwerk, einige Läden, ein Ärztehaus, zwei Kindertagesstätten und ein Kinder­garten, zwei Hotels – kurz: alles, was man zum Arbeiten braucht. Doch jeden Tag nach 20 Uhr verwandelt sich Adlershof in eine Geisterstadt, die großzügigen Gehsteige sind verwaist. Zur ech­ten Stadt fehlt Adlershof eine große Portion urbanes Leben, „zum Beispiel einfach eine Kneipe, um den Feierabend ab und an mit den Kollegen ausklingen zu lassen“, sagt Kolja Bailly, bei dem wir nun Station machen.

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Das Start-up – Enorm profitable Nachbarn

„Zum Glück gibt es ja regelmäßige Adlershof­Treffen und das große Sommerfest der WISTA!“, freut sich Kolja Bailly vor der altmodischen Pinnwand in seinem Büro. Doch der erste Eindruck täuscht: Partys sind nicht der Lebensinhalt des 30­jäh­rigen Berliners, die Pinnwand fast ein Anachronismus in seiner

innovativen IT­Welt. Mit dem Start­up „SOTA Solutions“ ent­wickelt Bailly seit 2010 intelligente Steuerungssysteme für Biogasanlagen. Etwa 7.000 davon gibt bis heute allein in Deutsch land, die fast immer „nach Gefühl“ betrieben werden, sagt Bailly. „Wir hingegen kombinieren Methoden der künst­lichen Intelligenz und Hunderte mathematischer Verfahren“, erklärt Bailly seine Software, deren Prototyp er einst für die Personaleinsatzplanung eines Campingplatzes entwickelt hat. „Dadurch können wir alle Einflussgrößen einbeziehen und lie­gen mit unseren Prognosen in 19 von 20 Fällen richtig.“

Eine Pinnwand als Anachronismus: Mit seiner Firma SOTA Solutions ent-wickelt Kolja Bailly eine selbstlernende Steuerungssoftware für Biogasanlagen.

Selbstlernende Biogasanlagen

Richtig sei im Rückblick auch die Entscheidung gewesen, sich 2010 in Adlershof niederzulassen, sagt Bailly. Der Umzug ins kernsanierte „Zentrum für IT und Medien“ hat die Arbeits­bedingun gen für die sieben SOTA­Mitarbeiter nochmals ver­bessert, ebenso wie die seit vier Monaten laufende Finanzierung durch den Hightech­Gründerfonds. Gleich geblieben seien die Standortvorteile: „Als Technologielieferant profitieren wir natürlich enorm von den Kontakten zu unseren Nachbarn, seien es Anlagenbauer, Biotech­Firmen oder Forschungsgruppen zu erneuerbaren Energien“, sagt Bailly. Im nächsten Jahr will er mit der „SOTA Box“ eine Nachrüstlösung für bestehende Biogasanlagen auf den Markt bringen, in Zukunft dann ein selbstlernendes System, bei dem Hunderte von SOTA Boxen miteinander kommunizieren. „Das ist unser Traum: ein einzig­artiger, ganzheitlicher Ansatz!“

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Die Humboldt-Universität – Exzellenz des Standorts

Den „ganzheitlichen Ansatz“ lobt auch Professor Jan-Hendrik Olbertz, wenn er über das IRIS Adlershof spricht. Der Präsident der Berliner Humboldt-Universität (HU) ist stolz auf das „Integrative Research Institute for the Sciences“, das erst vor Kurzem sein neues Quartier Zum Großen Windkanal 6 bezogen hat. Das IRIS Adlershof forscht fächerübergreifend an neuarti-gen hybriden Materialien und hat entscheidend zur Auszeich-nung der HU als Exzellenz-Universität beigetragen.

In einer neuen, schlanken Integrationsform kombiniert das IRIS Adlershof Elemente eines Entwicklungslabors und eines Forschungsinstituts und vernetzt die HU mit außeruniversitä-ren Einrichtungen sowie Hightech-Unternehmen. Genau diese schlanken Strukturen beobachtet Jan-Hendrik Olbertz vor Ort immer wieder: „Übliche bürokratische Hürden werden über-wunden, weil inhaltliche Bedürfnisse der Zusammenarbeit domi- nieren; das ist vorbildlich in Adlershof.“ Das gehe so weit, dass die HU gemeinsam mit dem Adlershofer Helmholtz-Zen trum für Materialien und Energie Elektronenmikroskope für eine siebenstellige Summe angeschafft hat. „Und manchmal“, sagt Olbertz – und klingt dabei wie FBH-Direktor Günter Tränk le – „weiß man gar nicht, welche Kollegen welcher Institu tion ange-hören, weil sie sich mehr über ihre Forschungs schwer punkte definieren als über ihre strukturelle Zugehörig keit.“

Liebe auf den zweiten Blick

Was der HU-Präsident heute als „außerordentlich produktive Symbiose“ von universitärer, außeruniversitärer und privater Forschung beschreibt, war keine Liebe auf den ersten Blick. Obwohl viele Gebäude der mathematisch-naturwissenschaft-lichen Fakultäten in Berlin-Mitte in schlechtem Zustand waren,

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begleiteten Proteste den Umzug an den südöstlichen Stadtrand. „Raus in die Pampa – nein, danke!“ wurde zum Schlachtruf der Informatiker, die 1998 als erste HU-Vertreter nach Adlershof kamen. Die Institute für Chemie, Geographie, Mathematik, Physik und Psychologie folgten. Heute ist der Campus Adlershof hochmoderner Arbeits- und Lernort für rund 1.000 HU-Ange-stellte und 7.000 -Studierende und die Umzugsängste vergessen – zumindest fast: Die geografische Entfernung macht den Brückenschlag zwischen den Geisteswissenschaftlern in Berlin-Mitte und den Naturwissenschaftlern in Adlershof schwierig. Deshalb kombinieren Cluster wie „Bild Wissen Gestal tung. Ein interdisziplinäres Labor“ ganz gezielt kunst-, kultur- und natur-wissenschaftliche Themen und versuchen so, die räumliche Dis tanz durch inhaltliche Nähe zu verkürzen.

Im Exzellenzcluster „Bild Wissen Gestaltung. Ein inter-

disziplinäres Labor“ der Humboldt-Universität arbeiten Partner aus

22 Disziplinen zusammen, darunter auch das Institut für Physik (rechts).

Gemeinsam forschen sie unter anderem an ungewöhnlichen

Materialien, zu denen etwa Tiefsee-organismen aus der Klasse der

Glasschwämme gehören (links).

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Der Aerodynamische Park – ein Jahrhundert Wissenschaftsgeschichte

Die wechselhafte Adlershofer Historie ist an fast jeder Ecke prä-sent; ob im IRIS Adlershof, das eine der kernsanierten Kasernen des Stasi-Wachregiments „Felix Dzierzynski“ bezogen hat; oder bei Kolja Baillys SOTA Solutions, die sich im aufgestockten ehe-maligen Ärztehaus des DDR-Fernsehens und der AdW nieder-gelassen hat; oder auch in der „esswirtschaft“, die auf dem Forum in einem der denkmalgeschützten Gebäude der frühe-ren Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt bezogen residiert.

Gerade die mehr als hundertjährige Geschichte als Luftfahrt -standort zieht den Adlershof-Besucher in seinen Bann. Zwar ist vom 1909 eröffneten „Motorflugplatz Johannisthal-Adlershof“, dem ersten seiner Art in Deutschland, nichts mehr über außer einem Natur- und Landschaftspark inklusive geschütztem

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Wie ein steingewordenes Reptil krümmt sich der Große Windkanal heute im „Aerodynamischen Park“.

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Im „Aerodynamischen Park“ wird Adlershofs mehr als hundertjährige Geschichte als Luftfahrtstandort greifbar. Die historische Kulisse aus Großem Windkanal, der seine Besucher zu verschlingen scheint, und dem Trudelturm ergänzt seit 2006 die Klanginstallation „AIR BORNE“ (von oben links im Uhrzeigersinn).

Biotop und Skater-Parcours. Doch in Sichtweite des IRIS Adlers-hof liegen drei denkmalgeschützte Relikte aus den 20er- und 30er-Jahren, in denen Adlershof zum zentralen Standort der deutschen Luftfahrtforschung ausgebaut wurde. Wie ein stein-gewordenes Reptil krümmt sich der Große Windkanal heute im „Aerodynamischen Park“. Nur wenige Meter entfernt reckt sich das Betoniglu des Trudelturms bis in 20 Meter Höhe. In seinem Innern wurden ab 1936 bahnbrechende Versuche zur Entsteh-ung und Verhinderung des gefürchteten Torkelns führerloser Flugzeuge durchgeführt.

Die historische Kulisse, die ein schallgedämpfter Motoren-prüfstand komplettiert, wirkt so surreal, dass man noch die Flugzeugmotoren längst vergangener Tage zu hören glaubt. Doch der Eindruck täuscht nicht: Seit 2006 entströmen 15 him-beerroten, curlingsteingroßen Objekten die Klänge rumpelnd startender Doppeldecker oder knackender Funkgespräche. Aller dings gibt sich die Installation „AIR BORNE“ dabei so dezent, dass sich die 2.200 neuen Nachbarn nicht gestört fühlen werden.

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Wohnen der Zukunft – Adlershof auf dem Weg zur echten Stadt?

Nur wenige Schritte hinter dem geschichtsträchtigen Aero-dynami schen Park soll auf 140.000 Quadratmetern Adlershofs urbane Zukunft beginnen. Im neuen Quartier „Wohnen am Campus“ werden bis 2015 über 1.000 Wohneinheiten und Häuser entstehen. Stadtvillen, Townhouses, Etagenwohn un gen und Studentenappartements sollen den unterschiedlichsten Bedürf-nissen gerecht werden.

Eines der Highlights soll das Projekt „Future Living Berlin“ wer-den, das auf 7.600 Quadratmetern generationenübergreifendes Wohnen mit einem Informationszentrum verbinden will. 30 Wohnungen werden mit assistiver Technik ausgestattet, von Sturzsensoren bis hin zu Haushaltsrobotern, und sollen so auch älteren Menschen ein sicheres und selbstständiges Leben ermöglichen.

Kern des Projekts ist eine 1.600 Quadratmeter große Aus-stellungs fläche mit Seminarräumen und Gastronomie: Hier sollen Forschungseinrichtungen und Unternehmen ihre inno-vativen Anwendungen in einem realen Wohnumfeld ausstellen und Besuchern so einen Einblick in die Zukunft des Wohnens geben.

Bilanz einer Reise

Hier, auf der heute noch grünen Wiese, findet die Sightseeing-Tour durch Adlershof ihr Ende. Leicht hätte man die doppelte Zeit investieren können, etwa um den fast stadiongroßen Teilchenbeschleuniger Bessy II oder andere Sehenswürdigkeiten zu erkunden. Doch der Eindruck wäre derselbe gewesen: Die Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien Adlershof über-wältigt zuallererst durch ihre schiere Größe. Obwohl er damit zusammenhängt, offenbart sich Adlershofs metaphysischer Kern erst auf den zweiten Blick: Dank vieler neuer, frischer Ideen von außen hat Adlershof heute ein völlig neues Gesicht als vor zwei Jahrzehnten – durchaus eine Parallele zu Berlin selbst. Spitzenforschung, gepaart mit vielfädriger Vernetzung und unbürokratischer Zusammenarbeit entfaltet in Adlershof eine Sogwirkung, der sich eine wachsende Zahl innovativer Gründer nicht entziehen kann. Eine ähnliche Wirkung entfacht der Standort auf die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen technologieorientierter Unternehmen – nicht allerdings auf Industriebtriebe.

Und die Zukunft als echte, lebendige Stadt? Da ist FBH-Direktor Günter Tränkle skeptisch: „Adlershof ist ein atmosphärisch angenehmer Arbeitsort, der allerdings vom sonstigen Leben relativ stark entkoppelt ist. Und ich bin nicht überzeugt, ob sich das für einen großen Teil der Leute ändern wird – und ob sie das überhaupt wollen.“ Als Schauplatz des „sonstigen Lebens“ emp-fiehlt sich zum Beispiel das gründerzeitlich geprägte Alt-Adlershof auf der anderen Seite des Bahndamms – mit histori-schem Ortskern, kleinen Läden und einer Reihe von Kultur- und Freizeitangeboten. Aber das ist eine andere Welt ... n

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Blech schweißen statt redenIhre Bleche sind genauso strukturiert wie ihr Arbeitsstil. Ina Sasse forscht in Cottbus an laserbearbeiteten, wabenartigen Blechen für die Automobil­ und Luftfahrtindustrie. „Unternehmen Region“ hat die Doktorandin da ­bei einen Tag lang nicht aus den Augen gelassen.

E i n Ta g i m L e b e n E i n b l i c k

8.30 Uhr

Pitschnass haben sich graue Herbst wolken auf den Campus der BTU Cottbus gelegt. Unaufhörlich fallen Nanotröpf chen vom Himmel. Um Punkt halb neun taucht Ina Sasse aus dem Nieselregen auf, wünscht mit einem angenehmen Hände druck ei ­nen Guten Morgen und macht sich an die Arbeit – was sonst? Die im nieder säch si­schen Emsland aufgewachsene Neu­Lausitzerin ist ein typisches Beispiel für den Menschentyp, den man auf den ers­ten Blick leicht unterschätzt. Sachlich und unaufgeregt, mit wenig Hang zur Selbst­darstellung, dabei aber mit einem Über­raschungs paket an Talenten ausgestattet, das uns noch zum Staunen bringen wird.

9.00 Uhr

Mit seiner geschwungenen Lochblech­Fassade und dem vorspringenden roten Erker taucht das „Panta Rhei“ wie ein Ufo aus dem Wolkennebel auf. Das 2001 gegründete interdisziplinäre For schungs­zentrum für Leichtbauwerkstoffe zählt zu den Perlen auf dem Cottbusser Uni­Campus. Der lichtdurchflutete Innen­raum erweist sich als ein einziges Groß­raumlabor. Ina Sasse geht ohne Um ­schwei fe ans Werk. Das heißt für sie heute: Laserbearbeitungszentrum. In dem weinroten Würfel können Hightech­Roboter mit einem 15.000 Watt starken Hochleistungsfaserlaser schweißen und schneiden; dank einer Zoom­Optik auch aus einer Entfernung von bis zu einem Meter zwischen Laserspitze und Material­ fläche.

Mit geübter Hand startet die Doktorandin den Rechner des modernsten Laser be ­ ar bei tungszentrums, das zurzeit an einer deutschen Universität existiert. An schlie­ßend geht sie ins Würfel­Innere. Sorg sam sucht sie ein Probestück des strukturier­ten Blechs aus, spannt es millimetergenau in eine Vorrichtung, die sie mit einem Techniker zusammen entwickelt hat, prüft den Versuchsaufbau gründ lich und ohne jegliche Hektik, hält kurz inne und schließt dann die Tür zum Laserbearbei­tungszentrum.

9.30 Uhr

Wie die Steuerfrau auf der Brücke steht sie nun am Pult der Computeranlage, den Steuerhebel zwischen Daumen und Zeigefinger. Ihr Blick geht nach oben zu einem Monitor, der gestochen scharfe Bilder aus dem Inneren liefert. Gleißend hell blitzt der weiße Laserstrahl auf. Ina Sasse steuert ihn konzentriert durch die Hügellandschaft der Blechoberfläche und schneidet das Werkstück damit sauber durch. Es gibt Arbeitstage, da wiederholt sich dieser Vorgang wieder und wieder. „Na klar ist das nicht nur purer Spaß, wenn man hier viele Stunden steht“, gibt sie unumwunden zu.

Doch zum Glück wird mit dem Laser nicht nur auseinandergeschnitten, son­dern auch zusammengeschweißt, bis das Blech glüht. Schließlich will Ina Sasse mit ihrer Arbeit nachweisen, welche Schweißverbindungen am besten und am stabilsten funktionieren. Denn ob ­wohl die Industrie bereits seit 100 Jahren strukturierte Bleche einsetzt, ist die Grundlagenforschung zu Design und Verarbeitung erstaunlich mau. Das wun­dert Ina Sasse – und sie will es ändern.

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Verspätung gibt es nicht in ihrem Ar ­beits alltag. Pünktlich hat Ina Sasse die Maschinen abgestellt. Nur ein paar Trep­penstufen weiter trifft sie im Panta Rhei­Besprechungsraum auf die Nachwuchs­forscher des InnoProfils „Innostructure“. Obwohl sie ringsherum fast ausschließ­lich in Männergesichter schaut, kommt sich Ina Sasse überhaupt nicht als Exotin vor. Wahrscheinlich besteht genau darin auch eine gewisse Herausforderung: sich Respekt durch Kompetenz und Leistung zu erarbeiten, nicht durch äußerlichen Schnickschnack.

Unter Leitung von Dr. Ralf Ossenbrink arbeiten die sieben „Inno structure“­Wis­senschaftler und Mitarbeiter noch bis 2013 an der bisher viel zu wenig erforsch­ten Weiterverarbeitung von strukturier­ten Blechen.

Als Mitglied der Graduiertenklasse DESTRUKT (Fertigungsgerechtes Design mit strukturierten Halbzeugen) an der BTU und durch ihre Diplomarbeit zur „Flexiblen Laserstrahlmaterial bearbei­tung strukturierter Bleche“ ergab sich die Zusammenarbeit mit den Nach wuchs­forschern fast zwangsläufig. Die befinden sich mitten im Finale ihrer fast fünfjähri­gen Arbeit und wollen jetzt liefern: Fakten, Fakten, Fakten.

Das gefällt Ina Sasse – ein stilles Lächeln huscht über ihr oft nachdenkliches Gesicht. Sie hat sich kurze Notizen ge ­macht, faltet das Papier nun präzise in der Mitte – und schaut zuerst etwas skeptisch bei der Information von Ralf Ossenbrink: Bei den Vorlesungen im Wintersemsester zähle man auch auf ihre Mitarbeit. Doch ihr kurzes Nicken zeigt: Sie ist dabei.

12.30 Uhr

„Sport ist nicht so mein Ding“, behauptet Ina Sasse. Obwohl man das beim Blick auf ihren vegetarischen Nudelteller und das stille Wasser beim Mittag in der Mensa kaum glauben will. Und als wolle sie die­sen Verdacht ein bisschen bestätigen, kommt tatsächlich ein neues Talent zum Vorschein: Die Ingenieurin hat neben Blech noch eine andere Leiden schaft: Zumba. Das Fitness­Programm kom bi ­niert Tanz­ und Aerobicelemente und ver bindet dabei lateinamerikanische Tänze wie Samba, Salsa oder Merengue mit Hiphop, Kampfkunst und einigen Bollywood­Bewegungen. „Bei dem lecke­ren Eis im ‚Da Capo‘ am Altmarkt, wo ich gern mal Pause mache, musste ich eine Station zum Abarbeiten finden. Und Zumba ist für mich ein großer Spaß – wenigstens einmal in der Woche“, schmunzelt Ina Sasse zufrieden mit sich und der Welt.

Allerdings war das in Cottbus nicht immer so. Sorgsam hatte sie sich die Auswahl des zukünftigen Studienortes

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Blech schweißen statt reden: Ina Sasses Arbeitstag zwischen Steuerhebel, Teambesprechung und Schreibtisch

überlegt, hatte Vor­ und Nachteile präzi­se nebeneinander geschrieben und sich im Ergebnis für Cottbus entschieden. Doch nach zwei Semestern Mathematik spürte sie nichts – außer genervter Un ­zu friedenheit. Mathematische Beweis­füh rungen wollten einfach nicht ihr Lebenselixier werden. Deshalb wechselte sie zum Maschinenbaustudium. Ihr Vater, ein Maschinenbaumeister, hatte ihr nicht abgeraten. Und der Schritt war richtig. Jetzt spürte sie endlich was: kaltes schwe­res Metall, das sie mit einem unsagbar starken Laserstrahl zerschneiden und wieder zusammen schweißen konnte, dass es eine Lust war. Dieses Talent durf­te sie nicht unterdrücken, sie wollte und will es ausreizen. So ist es nur logisch, dass sie regelmäßig nach Berlin fährt, um dort zusätzlich die Ausbildung zum Schweißfachingenieur zu machen.

Ina Sasse schaut auf die Uhr: „So. Die Mittagspause ist um. Weiter geht’s!“, ana­lysiert sie sachlich.

14.00 Uhr

Fast stürmt sie die Treppe zum 3. Stock hinauf. Ihr Büro in einem zweckmäßi­gen Plattenbau auf dem Campus teilt sie sich mit zwei Kollegen. Die Diplom­Ingenieurin gehört zur neuen digitalen Generation. Wo noch vor wenigen Jahren ein Termin mit einem Kollegen im Ausland per Telefon organisiert worden wäre, trifft man sich heute im Chat. So wie mit dem slowakischen Studenten aus Bratislava, der im kommenden Früh­jahr für seine Masterarbeit ein Praktikum in Cottbus ins Auge fasst. Gleich kommt man zur Sache – erste Frage: Wie sieht die technische Ausstattung des Laser­

bear beitungszentrums aus? Nächste Fra­ge: Wie stark sind die Laser? Und: Welche Materialien können dort bearbeitet wer­den? Welche Forschungsarbeiten sind vor Ort möglich? Das alles selbstver­ständlich auf Englisch, was sonst?

Geduldig und exakt beantwortet Ina Sasse alle Fragen. Wenn ihr die präzise englische Formulierung nicht auf der Zunge liegt, wird gleich im Wörterbuch das genau richtige Wort gefunden. Am Ende des Chats hat sie den Eindruck, es könnte was werden mit dem neuen Kollegen auf Zeit aus Bratislava.

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Ina Sasses Augen lassen das Stück keine Millisekunde aus dem Blick.

14.30 Uhr

Nach diesem Intermezzo geht es sofort weiter zur nächsten Tagesaufgabe. Die bei Wissenschaftlern heute selbstverständli­che Evaluierung der eigenen Ar beit steht vor der Tür des morgigen Tages. Das heißt für Ina Sasse jetzt, die noch fehlenden Inhalte ihrer Präsen tation zügig auf die Folien zu bringen. Medientechnisch heute alles kein Pro blem mehr, man muss nur die richtige Software haben. Das alles ersetzt aber nicht den inhaltlichen Kern der Forschung. Lange Reihen von Mess ­er geb nissen müssen in Diagramme ein­getragen werden. Die Vielzahl der Linien droht die Übersichtlichkeit zu zerstören. Wahrscheinlich sieht sie innerlich schon den skeptischen Blick ihres „Doktorvaters“, Univ.­Prof. Dr. Vesselin Michailov, vor sich. Die Zeit drängt.

16.30 Uhr

Ein kurzer Zwischenstopp an einer weite­ren Maschine – der Prüfmaschine für Zug­kraft. Hier müssen die von Ina Sasse zu sammengeschweißten „Wabenbleche“ beweisen, was sie aushalten, wenn rohe Kräfte walten. Die Ergebnisse dieser Mess­ reihen sind für den gesamten For­schungskomplex strukturierter Bleche von großer Bedeutung. Nur wenn Ina Sasse den Nachweis liefern kann, dass die geschweißten Teile einer höheren Belas­tung standhalten als normale, glatte Bleche, wird das Forscherteam an der BTU die Industrie interessieren können.

Konzentriert und routiniert spannt Ina Sasse die Blechteile in die Maschine und startet den Motor des Schweizer Präzi­sionsinstruments. Langsam und mit im ­mer größerer Kraft wird das Blechstück auseinandergezogen. Ina Sasses Augen lassen das Stück keine Millisekunde aus dem Blick, bis es mit Maschinenkraft auseinandergerissen wird. Sofort werden die Testergebnisse dokumentiert, ein Verschieben auf später gibt es nicht, auch wenn der Professor schon auf sie wartet.

17.15 Uhr

„Die Stunde der Wahrheit naht“, eröffnet Vesselin Michailov mit einem verschmitz­ten Lächeln die Rücksprache mit Ina Sasse. Der Professor mit bulgarischen Wur zeln ist Lehrstuhlinhaber für Füge­ und Schweißtechnik an der Uni Cottbus. Ein Gentleman der alten Schule, char­mant und humorvoll, akribisch und generös. Gleich zu Beginn gibt es ein Lob für die Doktorandin. Beim Posterwett­bewerb der herausragenden Forschungs­er geb nisse zum zwanzigjährigen Jubiläum der BTU errang Ina Sasse den 2. Platz. „Das fängt doch gut an“, schmunzelt Prof. Michailov – um dann sofort in die Präsen­tation einzusteigen, die beide nicht auf die leichte Schulter nehmen. Nach eini­gen Folien lehnt sich der „Doktorvater“ zurück, schaut seine Doktorandin an und legt ihr ans Herz: „Was man nicht richtig versteht, bewertet man auch nicht gut.“ Seine warme Stimme hat nichts Drohen­des, ganz im Gegenteil. Zusammen arbei­ten sie nochmal Folie für Folie, Diagramm für Diagramm durch. Die Präsentation der Forschungsergebnisse muss wissen­schaftlich präzise und grafisch exzellent sein. Mit dieser Arbeitsaufgabe wird Ina Sasse den heutigen Abend im Büro ver­bringen.

Mal wieder keine Zeit für ihr zweites großes Hobby: Bücher und DVDs in eng­lischer Originalfassung. „Bei Agatha Christie sind mir so viele Übersetzungs­fehler aufgefallen, dass ich mir englisch­sprachige Serien nicht mehr auf Deutsch antue.“ Heute Abend ohnehin nicht. Denn jetzt, gegen 18 Uhr macht sich Ina Sasse wieder an die Arbeit. Was sonst? n

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Nach ihrem Abitur in Meppen begann Ina Sasse 2004 ein Mathematik-Studium an der Branden burgischen Technischen Universität Cottbus (BTU). Nach zwei Semestern wechselte sie zum Maschinenbau mit dem Schwerpunkt „Leichtbau und virtuelle Produk-tion“. Ihre Diplomarbeit trägt den Titel „Untersu-chun gen zum Laserstrahlschneiden und -schweißen strukturierter Bleche“. Seit zwei Jahren forscht die Doktorandin im Rahmen der Graduiertenklasse DESTRUKT und arbeitet mit der Nachwuchs for-schungs gruppe „InnoStructure“ am Themen schwer-punkt „Flexible Laserstrahlmaterialbearbei tung strukturierter Bleche“. Parallel dazu absolviert Ina Sasse die Ausbildung zur Schweißfach ingenieurin in Berlin. Für das Jahr 2013 strebt sie ihre Promotion an.

Nach ihrem Abitur in Meppen begann Ina Sasse 2004 ein Mathematik-Studium an der Branden burgischen Technischen Universität Cottbus (BTU). Nach zwei Semestern wechselte sie zum Maschinenbau mit dem Schwerpunkt „Leichtbau und virtuelle Produk-tion“. Ihre Diplomarbeit trägt den Titel „Untersu-chun gen zum Laserstrahlschneiden und -schweißen strukturierter Bleche“. Seit zwei Jahren forscht die Doktorandin im Rahmen der Graduiertenklasse DESTRUKT und arbeitet mit der Nachwuchs for-schungs gruppe „InnoStructure“ am Themen schwer-punkt „Flexible Laserstrahlmaterialbearbei tung strukturierter Bleche“. Parallel dazu absolviert Ina Sasse die Ausbildung zur Schweißfach ingenieurin in Berlin. Für das Jahr 2013 strebt sie ihre Promotion an.

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In einer organischen Solarfolie der Heliatek GmbH spiegelt sich ein Bild der Dresdner Frauenkirche.

In den letzten Jahren hat sich Dresden zum europäischen Zentrum der organischen Elektronik ent­wickelt. Auf Basis von Kohlenstoff­verbindungen entstehen spektakuläre Produkte wie biegsame Displays, futuristische OLED­Lampen oder federleichte, transparente Solarzellen von der Rolle.

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Die Vorreiter-Rolle

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Träger des Deutschen Zukunftspreises und Triumvirat der organischen Elektronik: Prof. Karl Leo, Dr. Jan Blochwitz-Nimoth und Dr. Martin Pfeiffer in einem Labor an der TU Dresden (von links nach rechts).

Die kleine Glaskuppel über dem „Sitzungszimmer Aussicht“ lässt nur wenig trübes Tageslicht auf die rund 20 geladenen Gäste fallen; vergeblich sucht man an diesem grauen Dresdner Herbsttag die Sonne. Dennoch steht der Gastgeber Heliatek GmbH heute in hellem Licht: „Wir sind sehr stolz, ein ‚Ausgewählter Ort 2012‘ im Land der Ideen zu sein“, sagt Dr. Martin Pfeiffer bescheiden. Dabei freut sich der Heliatek­Gründer und ­Chefentwickler heute nicht über seine erste Auszeichnung: Im vergangenen Jahr erhielt er gemeinsam mit zwei Forscherkollegen aus den Händen des Bundespräsidenten den Deutschen Zukunftspreis – obwohl das 2006 gegründete Photovoltaik­Unternehmen Heliatek bis heute nicht einen ein­zigen Euro Umsatz gemacht hat.

Doch was Pfeiffer und seine 80 Kollegen derzeit auf der Basis organischer Elektronik abliefern, ist sensationell und hat das Zeug, unsere Energieerzeugung umzukrempeln: Heliatek ent­wickelt und produziert organische Solarzellen, die extrem dünn, leicht und biegsam sind – und in naher Zukunft sogar transparent sein werden. „Die Integration unserer Photo­voltaikfolien in Verbundglas ist das für uns spannendste Gebiet“, erklärt Martin Pfeiffer. Millionen von Autodächern oder ganze Glasfassaden könnten auf diese Weise riesige Mengen Strom erzeugen, und das mit zusätzlichen Vorteilen gegenüber her­kömmlichen Technologien: Je schlechter das Licht und je höher die Temperaturen, desto effizienter arbeiten die organischen Zellen im Vergleich zu Silizium­ oder Dünnschichtzellen. Aber

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selbst unter vergleichsweise kühlen und hellen Normbedingun­gen hält Heliatek aktuell den Wirkungsgrad­Weltrekord für organische Solarzellen von 10,7 Prozent. „Die vielen guten Eigenschaften machen unsere Produkte für Gebäudematerial­hersteller sehr interessant“, sagt Pfeiffer. „Mit einer ganzen Reihe von Unternehmen haben wir bereits Entwicklungsverein­barungen getroffen.“ So plant die Reckli GmbH aus Herne, im kommenden Frühjahr erste Fassadenelemente mit Heliatek­Folien für Tests zu installieren. Ein Zwischenziel wird Heliatek dann erreicht haben. Ein anderes Dresdner Unternehmen ist da bereits viel weiter.

„ Die Integration unserer Photovoltaikfolien in Verbundglas ist das für uns spannendste Gebiet“

Die Dresdner Heliatek GmbH entwickelt transparente orga nische Solarfolien, die Millionen Glasfassaden und Autodächer zu Ener-gie lieferanten machen könnten.

! Organische Elektronik – Fakten !

Grundlagen

Organische Elektronik basiert auf organischen Materialien, die – im Gegensatz zu anorganischen Materialien wie Silizium – Kohlenstoff enthalten. Er ist zugleich elementarer Bestandteile von Kunst stoffen, die als hervorragende Isolatoren gelten.

Elektronische Bauteile verlangen allerdings nach Halbleitern, die neben Eigenschaften von Nichtleitern auch solche von Leitern besitzen müssen. Um aus organischen Materialien Halbleiter zu machen, werden Atome oder Moleküle fremder Substanzen eingebracht (Dotierung). Für die Verwendung in Photovoltaikzellen und OLEDs eignen sich organische Farbstoffe aus Kohlenwasserstoffverbindungen besonders gut.

Vorteile

+ Verarbeitung bei niedrigen Temperaturen möglich + Geringer Energieverbrauch in der Produktion + Prinzipielle Verwendbarkeit jedes beliebigen

Trägermaterial, z. B. Plastikfolie + Keine giftigen Stoffe im Material oder in der Produktion + Geringer Materialverbrauch Nachteile

- Aufwändige Kapselung gegen Sauerstoff und Wasserdampf nötig

- Noch keine Langzeiterfahrungen zu realen Lebensdauern Anwendungsgebiete

• Organische Photovoltaik • Organische Leuchtdioden (OLEDs) • Organische Schaltungen, z. B. für Displays

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500 Patente und ein geplanter Börsengang

Für genau 4999,– Euro kann man sich heute schon die „Liternity Victory“ auf seinen antiken Mahagoniholzschreibtisch stellen. Die handgefertigte Tischleuchte mit Vollcarbonkorpus kommt von der Novaled AG und basiert auf der OLED­Technologie. OLEDs sind lichtemittierende Dioden aus organischem Material. Ihre Vorteile sind ein gleichmäßiges, flächiges Licht und ihre Transparenz in ausgeschaltetem Zustand. Für später scheinen rollbare Beleuchtungsfolien oder sogar Fensterflächen möglich, die bei Dunkelheit vollflächig leuchten. Für Dr. Jan Blochwitz­Nimoth ist das eigene Leuchtengeschäft im Moment allerdings nur ein „Nebenstandbein“. Der Mitgründer und Chief Scientific Officer von Novaled setzt auch weiter auf das Kerngeschäft: Der weltweite Verkauf von Materialien und Technologielizenzen spülte 2011 den Löwenanteil des 17,4­Millionen­Umsatzes in die Firmenkassen. Heute ist Novaled Europas größter Materialzulieferer auf dem Feld der organischen Elektronik, beschäftigt 125 Mitarbeiter, hält 500 Patente und plant derzeit als erstes sächsisches Unternehmen seit fünf Jahren seinen Börsengang.

Neben der Dresdner Zentrale unterhält Novaled Dependancen in Tokyo und Seoul. „Zu unseren Kunden gehören OLED­Hersteller wie Philips, Solarunternehmen wie Heliatek oder auch Displayproduzenten wie Samsung“, erläutert Blochwitz­Nimoth. Der südkoreanische Elektronikgigant setzt bei seinen Smartphones seit drei Jahren auf Novaled­Know­how, auch bei seinem aktuellen Spitzenmodell Galaxy S3. Auch ultraflache OLED­Fernseher, die Samsung gerade erst als Prototypen auf

der IFA in Berlin präsentiert hat, stehen schon in den Start­löchern. Ihr Potenzial ist schlicht überragend, wie Jan Blochwitz­Nimoth erklärt: „OLED­TV kombiniert die Vorteile der selbst­leuchtenden Plasma­ und der hinterleuchteten LCD­Techno­logie: einen hohen Bildkontrast, perfekte Farben, einen großen Blickwinkel und eine hohe Energieeffizienz.“ Heute gilt organi­sche Elektronik als Zukunftstechnologie, doch das war nicht immer so.

Die limettengrüne OLED-Lampe „Liternity Victory“ zeigt schon heute, wie man sich bei der Dresdner Novaled AG die Beleuchtung der Zukunft vorstellt (links). Basis der Technologie sind die von Novaled selbst entwickelten organischen Farbstoffe (rechts).

Das Glück des Triumvirats

In den frühen 90er­Jahren erschien die organische Elektronik als Spielerei einiger weltfremder Wissenschaftler. Kaum jemand glaubte damals an eine echte Marktchance der Plastikelektronik – Professor Karl Leo schon. Der Physiker kam 1991 erstmals an der RWTH Aachen mit organischer Elektronik in Berührung und war von ihrem Potenzial fasziniert: „Im Vergleich zum Halbleiter Silizium sind organische Materialien flexibel und können bei niedrigen Temperaturen verarbeitet werden“, erklärt Leo. „Dadurch kann man organische Elektronik prinzipiell auf jedem Trägermaterial platzieren.“ 1993 folgte Karl Leo einem Ruf an das Institut für Angewandte Photophysik (IAPP) der TU Dresden. „Die Rahmenbedingungen hier waren einfach sehr günstig“, sagt der gebürtige Freiburger heute. „Einer meiner Vorgänger, Professor Horst Böttcher, hatte bereits 1985 mit der Grundlagenforschung zu organischen Halbleitern begonnen. Außerdem war Dresden schon zu DDR­Zeiten ein Zentrum der Mikroelektronik und wurde nach der Wende zum Leuchtturm der Halbleiterindustrie ausgebaut.“ Seit den 90er­Jahren habe sich dann vor allem der Freistaat Sachsen sehr um die Forschung

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an organischen Halbleitern bemüht. „Und dann hatten wir natürlich gute Leute und ein bisschen Glück mit unseren Ausgründungen“, fasst Karl Leo zusammen.

Mit „guten Leuten“ meint Karl Leo den jungen Schwaben Martin Pfeiffer, der nach seinem Physikstudium in Tübingen bereits 1991 nach Dresden gekommen war. Im Rahmen seiner im Jahr 2000 abgeschlossenen Promotion entwickelte er das wegweisende Prinzip der p­i­n­Dotierung organischer Zellen (siehe auch S. 45/48). Als Karl Leo und sein ehemaliger Doktorand 2006 gemein sam mit Professor Bäuerle von der Universität Ulm Heliatek gründeten, konnten sie auch auf gemeinsame Erfah­rungen zurückgreifen, die sie im Jahr 2001 mit einem anderen Spin­off gemacht hatten: der Novaled AG. Dritter im Novaled­Bunde war ein anderer von Karl Leos „guten Leuten“: der Meiße­ ner Jan Blochwitz­Nimoth, der in seiner Doktorarbeit im Jahr 2001 bewiesen hatte, dass Martin Pfeiffers Prinzip der p­i­n­Dotie rung auch in organischen Bauele menten Sinn ergibt. Kein Wunder also, dass Martin Pfeiffer den Deutschen Zukunftspreis 2011 nicht alleine erhielt, sondern gemeinsam mit Karl Leo und Jan Blochwitz­Nimoth. Denn das ba disch­schw äbisch­sächsische Triumvirat steht im Zentrum der dynamischen Entwicklung des Dresdner Organic­Elec tro nics­Clusters.

Eine echte grüne Technologie

Mitte der 80er­Jahre beschäftigten sich in Dresden genau zwei Personen mit organischen Halbleitern: Karl Leos Vorgänger Horst Böttcher und einer seiner Kollegen. Vor zehn Jahren waren es dann zehn, vor fünf Jahren 300 und heute um die 1.000 Menschen, die ausschließlich organische Elektronik entwickeln, produzieren oder verwalten. Einen von ihnen kann man des Öfteren auf dem Dach des denkmalgeschützten Dresdner Beyer­Baus treffen. Dann steht Dr. Moritz Riede an den Alterungsmessplätzen für organische Solarzellen oder an der kleinen Wetterstation, die im Rahmen des InnoProfils „Organische p­i­n Bauelemente“ hier installiert wurden. Zwischen 2006 und 2011 förderte das BMBF die Zusammenarbeit der TU Dresden mit mehreren regionalen Partnern – darunter

Heliatek und Novaled – sowie dem Fraun hofer­Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS. „Das InnoProfile­Vorhaben war für mich der ausschlaggebende Grund, im Jahr 2007 aus Freiburg nach Dresden zu kommen“, erzählt Riede. Um die Nachwuchsforschungsgruppe und ihren Leiter Moritz Riede scharten sich zeitweise über 30 junge Wissenschaftler und Techniker – mit großem Erfolg, wie Karl Leo bilanziert: „Das InnoProfil hat die Erkenntnis gebracht, dass die Dotierung auch in Solarzellen hervorragend funktioniert, und hat letztlich ent­scheidend dazu beigetragen, dass Heliatek mit seinen Photo­voltaikzellen heute in puncto Haltbarkeit und Wirkungs grad an der Weltspitze steht“.

Moritz Riede freut sich darüber, dass seine Forschungsergebnisse nicht in der Schublade verschwinden, sondern in die Pro dukt­entwicklung einfließen. „Ich möchte keine Forschung im Elfen­beinturm machen, sondern etwas, das einen Nutzen für die Gesellschaft hat“, sagt er. „Deshalb forsche ich an organischer Photo voltaik aus Überzeugung.“ Organische Photovoltaik gilt im Gegensatz zu herkömmlichen Solartechnologien als echte „grüne Technologie“, weil sie in der Herstellung deutlich weni­ger Material und Energie verbraucht und keinerlei toxische Materialien wie etwa Flusssäure anfallen. Die Ergebnisse von Moritz Riedes Nachwuchsforschungsgruppe und sein „heraus­ragendes Engagement für die Verantwortung von Wissen­schaftlern in der Gesellschaft“ blieben auch der fünfköpfigen Jury nicht verborgen, die den 35­Jährigen im vergangenen März mit dem academics­Preis für den Nachwuchswissenschaftler des Jahres 2011 auszeichneten.

Raus aus dem Elfenbeinturm: Auf dem Dach des Dresdner Beyer-Baus begutachtet Dr. Moritz Riede organische Solarzellen an einem Alterungsmessplatz.

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Die organische Solarzelle – nicht einfach, aber genial!

Eine der spannendsten Anwendungen der organischen Elektronik ist die organische Solarzelle. Die Solarfolien von Heliatek sind leicht, robust, effizient und in naher Zukunft auch transparent. Doch wie funktionieren sie?

Strom aus Sonne

Den typischen Aufbau einer Solarzelle beschreibt die Buchstaben-Kombination p-i-n. Sie steht für drei verschiedene Schichten: Die p-Schicht transportiert positive Ladungen, die n-Schicht negative Ladungen besonders gut. Erreicht wird dieser gute Transport durch die richtige Dotierung, also Beimischung von besonderen Materialien. Dazwischen liegt eine nicht dotierte Schicht: die intrinsische oder

i-Schicht. Dieser Absorber nimmt das Sonnenlicht auf. Die von Heliatek entwickelte und produzierte Solartechnologie setzt sich aus zwei übereinanderliegenden p-i-n-Zellen zusammen und heißt deshalb p-i-n-Tandemzelle.

Fällt nun Sonnenlicht auf die Tandemzelle, wird ein Teil davon im ersten organischen Absorber eingefangen. Dabei erzeugt die Energie der Sonnenphotonen postive und negative Ladungen. Dasselbe pas-siert im zweiten Absorber. Wird der Stromkreis nun geschlossen, strömen negative Ladungen außerhalb der Tandemzelle zur vorde-ren Elektrode zurück, wo sie sich wieder mit den positiven Ladungen vereinigen: Solarstrom fließt.

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In Dresden produziert Heliatek weltweit erstmals organische Solarfolien imRolle-zu-Rolle-Verfahren (links). Durch Verdampfung kleiner Moleküle entstehenauf einer Polymerfolie p-i-n-Tandemzellen mit dem Rekordwirkungsgrad von10,7 Prozent (rechts).

Der Weg zum Weltrekord

Das Prinzip der p-i-n-Dotierung ist nicht neu und für anorganische Materialien wie Silizium lange bekannt. Die Heliatek-Gründer haben jedoch einen maßgeblichen Anteil an der Entwicklung dotierter Solarzellen auf Basis organischer Materialien. Die von Heliatek ent-wickelten, dotierten Schichten („p“ und „n“) sind transparent und ermöglichen den einfachen Transport der Elektronen, ohne dass diese auf ihrem Weg durch die Tandemzelle an Energie verlieren. Gleichzeitig sorgt eine spezielle Materialmischung der beiden Absorber für eine besonders hohe Energieausbeute aus dem einfal-lenden Sonnenlicht.

Der Aufbau als Tandemzelle ergibt in der organischen Photovoltaik besonders viel Sinn. Während kristallines Silizium ein breites Farb - s pektrum des einfallenden Lichts absorbieren kann, sind orga ni sche Materialien auf einen deutlich kleineren Farbbereich festgelegt. Die Kombination zweier Materialien verschiedener Farben kann die Effizienz also nochmals steigern – allesamt wichtige Bausteine auf dem Weg zum Weltrekord-Wirkungsgrad von aktuell 10,7 Prozent.

Eine ausführlichere Darstellung organischer Solarzellen und ihrer Funktionsweise finden Sie hier: www.oes-net.de → „Organische Elektronik“.

Vordere Elektrode

Plastiksubstrat

Stromkreis mit Verbraucher

Hintere Elektrode

Organischer Absorber 1

+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + + +

+ + + + + + + + + + + + + + + + + + + + +

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P

I

N

P

I

N- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Organischer Absorber 2

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Drei neue Professuren

Mit dem Wachstum der organischen Elektronik in Dresden konn­te das IAPP als ihr wissenschaftliches Gravitationszentrum indes nicht mithalten. „Deshalb wird die Stiftungsprofessur natürlich eine äußerst schöne Sache“, freut sich Karl Leo schon jetzt. Mit Unterstützung von Novaled und anderen regionalen Unternehmen sollen zwei InnoProfile­Transfer­Initiativen an die Erfolge des InnoProfils anknüpfen. Neben der Stiftungs­professur, für die die TU Dresden bereits grünes Licht gegeben hat, ist auch ein marktorientiertes Verbundprojekt geplant.

Weitere Impulse verspricht sich Karl Leo vom 15. Juni 2012. Seit diesem Tag darf sich die TU Dresden als eine von drei Hoch­schulen in den Neuen Ländern mit der Auszeichnung „Exzellenz­universität“ schmücken. „Dazu hat das Exzellenz cluster ‚Center for Advancing Electronics Dresden – cfAED‘ schon einen wich­tigen Beitrag geleistet“, erklärt Karl Leo. Drei der acht cfAED­Pfade befassen sich mit organischen Materialien, einen davon leitet Leo selbst. Konsequenz des Erfolgs: Die TU Dresden will – zusätzlich zur Stiftungsprofessur – zwei neue Professuren in stallieren und so die Spitzenstellung weiter ausbauen, die das Organik­Cluster Dresden schon heute in Europa einnimmt.

Mit OLEDs werden transparente Flächen bei Bedarf zur Leuchte. Die auf der LUMINALE 2012 in Frankfurt am Main präsentierte Technik stammt vom Fraunhofer IPMS, die Gestaltung von der Designschmiede "dsignedby".

Besser vernetzt als der Rest der Welt

„Dass wir heute bei Forschung, Mitarbeiterzahl und Produkten in Europa führend sind, liegt auch an unserer kompletten Wert­schöpfungskette“, erklärt Dr. Dominik Gronarz. Der Geschäfts ­führer des 2008 gegründeten Organic Electronics Saxony e. V. (OES) betreut 28 Mitglieder auf den verschiedensten Stufen des For schungs­ und Produktionsprozesses. Von der Material for­schung über die Technologieentwicklung und den Maschinen­bau bis zur Produktentwicklung sind alle Akteure in dem sächsi­schen Cluster versammelt. Hinzu kommen über Jahrzehnte gewachsene Verbindungen mit Partnern aus anderen Regionen, allen voran mit dem Institut für Organische Chemie II und Neue Materialien an der Universität Ulm. Lehrstuhlinhaber Professor Peter Bäuerle war 2006 nicht nur Mitgründer von Helia tek, son­dern mit seinem Team auch ein zentraler Erfolgsfaktor für das Dresdner Unternehmen. Mittlerweile entwickeln elf Heliatek­Mitarbeiter am Standort Ulm und in enger Zusammenarbeit mit der dortigen Universität die Absorbermaterialien für die Solar­folien. „Das Erfolgsgeheimnis unserer Effizienzrekorde liegt nicht darin, dass wir die besseren Chemiker als der Rest der Welt haben“, erklärt Martin Pfeiffer, „sondern darin, dass wir sie besser mit der Physik vernetzt haben als der Rest der Welt.“

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O r g a n i s c h e E l e k t r o n i k a u s D r e s d e n S c h w e r p u n k t

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Seit Kurzem verstärkt ein neues Mitglied das OES­Netzwerk, das doch ein alter Bekannter ist, ebenso wie sein Leiter: Die seit 2001 auf rund 70 Mitarbeiter angewachsene Organik­Abteilung des Fraunhofer IPMS gründete sich am 1. Juli dieses Jahres als Fraunhofer­Einrichtung für Organik, Materialien und Elektro­nische Bauelemente. Das neue Fraunhofer COMEDD soll unter der Leitung von Karl Leo nun dabei helfen, die Forschungs ­ er geb nisse an organischen Halbleitermaterialien und Systemen in die Anwendung zu überführen.

Mit seinen visionären Forschern und innovativen Produkten hat sich Dresden an die europäische Spitze geschoben. „Im COLAE­Projekt, das 17 europäische Cluster für organische und großflächige Elektronik verknüpft, nehmen wir die führende Rolle ein“, freut sich der Netzwerkmanager Dominik Gronarz. Das lockt auch ausländische Unternehmen wie den in Cam­bridge gegründeten Displayhersteller Plastic Logic nach Dresden.

Displays so dünn wie Papier

„Unsere Technologie hat viele Vorteile“, setzt Marc Witzke an, während er eines der Plastic­Logic­Displays auf den Boden schleudert – und fügt genüsslich hinzu: „Machen Sie das mal mit Ihrem Tablet­PC!“ Doch ihre mechanische Robustheit, die der Plastic­Logic­Projektleiter gerne effektvoll präsentiert, ist nur ein Vorteil der Technologie. Die Plastic­Logic­Displays sind extrem leicht, biegsam und unglaublich dünn. Weil das Unter­nehmen Polymerfolien statt Glassubstrate verwendet, sind Stärken von unter 0,4 Millimetern möglich; die Displays sind damit so dick wie drei bis vier Blatt handelsüblichen Papiers. Zudem verbrauchen die Bildschirme im Betrieb sehr wenig Energie und ein einmal aufgespieltes Bild bleibt sogar ohne Energieversorgung prinzipiell unbegrenzt erhalten. Doch Marc Witzke hat noch mehr Vorzüge parat: „Wir sind die Einzigen, die schon heute farbige Plastikdisplays anbieten und sogar Bewegt­bilder abspielen können!“

Die Plastikdisplays von Plastic Logic sind leicht, robust, biegsam – und können in der Stärke von wenigen Blatt Papier hergestellt werden.

Mit OLED­TV hat das alles dennoch nichts zu tun, denn Plastic Logic verwendet keine lichtemittierenden Dioden aus organi­schem Material. „Stattdessen haben wir eine Technologie entwi­ckelt, die es uns ermöglicht, eine Matrix aus organischen Tran­sis toren auf Plastik aufzubauen. Damit werden die Pixel in unseren verschiedenen Displays – von einem bis 20 Zoll Größe – angesteuert. In unseren größten Displays sind das über eine Million Pixel auf einmal“, erklärt Witzke. Das Displaymedium selbst besteht aus elektronischer Tinte und hat so die gleichen Vor­ und Nachteile eines klassischen E­Readers: eine niedrige Bildwiederholrate, die nur für einfache Animationen ausreicht, dafür aber einen herausragenden Lesekomfort.

Aus diesem Grund hatte sich Plastic Logic auch zuerst auf die Entwicklung eines eigenen E­Readers konzentriert, dieses Ziel aber inzwischen aufgegeben. Inzwischen arbeitet Plastic Logic mit zahlreichen anderen Firmen zusammen, um die sächsi­schen Plastikdisplays in ein breites Spektrum an Endanwen­dungen zu integrieren: von Armbändern bis hin zu großflächi­gen Werbe schildern. Für Plastic Logic bietet der Standort Dresden dafür ideale Bedingungen: „Hier sind wir auf eine hervorragende Infrastruktur im Hightech­Umfeld gestoßen – und auf mehr gute Mitarbeiter als in fast allen anderen Regionen“, fasst Marc Witzke zusammen. „Deshalb haben wir uns 2007 unter fast 200 Kandidaten auch für Dresden als Produktionsstandort entschieden.“

Nachwuchs aus Ägypten und Nigeria

Abdalla Imam Abdelmaged Mahmoud standen deutlich weni­ger Orte zur Auswahl, als er sich Anfang des Jahres nach einem Studienplatz umsah. Der 26­jährige Ägypter hatte in seiner Heimat Elektro­ und Kommunikationstechnik studiert und wollte sich in seiner Masterarbeit auf organische Elektronik spezialisieren. Fast zwangsläufig fiel deshalb die Wahl auf Dresden. Der im Wintersemester 2012 an der TU Dresden ge ­star tete Masterstudiengang „Organic and Molecular Electronics“ ist der erste seiner Art in Deutschland und einer der ganz weni­gen weltweit.

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S c h w e r p u n k t O r g a n i s c h e E l e k t r o n i k a u s D r e s d e n

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Wie seine iranische Kommilitonin Olka Kaveh wird Mahmoud nun vier Semester lang englischsprachige Chemie­, Physik­, Maschinenbau­ und Elektrotechnikseminare besuchen – und nach seinem Abschluss vielleicht in Deutschland bleiben? „Warum nicht?“, sagt Mahmoud. „An der organischen Elektronik interessieren mich vor allem die Anwendungen.“ Und davon gibt es in Dresden heute schon eine ganze Reihe. Für den wis­senschaftlichen Nachwuchs fällt der zahlenmäßige Befund hingegen nicht ganz so positiv aus, obwohl die Zahl der Studienanfänger am IAPP zuletzt gestiegen ist.

„Wir haben manchmal schon Probleme, an der Uni adäquaten Nachwuchs für Masterarbeiten, Promotionen oder Post­Doc­Stellen zu bekommen“, erzählt Moritz Riede, der ab dem kom­menden Semester selbst im Masterstudiengang lehren wird. „Von dem neuen Studienangebot versprechen wir uns natür­lich, gute Leute auszubilden und unsere internationale Sicht­barkeit zu erhöhen.“ Die ersten Schritte sind bereits getan. Denn für das Wintersemester 2013 liegen bereits jetzt Anfragen vor – von Studenten aus Österreich und Nigeria.

Alle OLED-Hersteller vor der Tür

Derzeit können die Unternehmen im Organik­Netzwerk OES zwar noch nicht über fehlende Fachkräfte klagen. Dennoch knüpft Heliatek bereits heute gezielt Kontakte zu Studenten. Die Auszeichnung als ausgewählter Ort im Land der Ideen haben Martin Pfeiffer und seine Kollegen für einen Tag der offe­nen Tür genutzt, zu dem sie Studenten verschiedener Hoch­schu len eingeladen haben. „Es ist natürlich eine schöne Gelegenheit, sich potenziellen späteren Mitarbeitern zu präsen­tieren“, sagt Pfeiffer. Deshalb führt er nun die interessierte Schar junger und erstaunlich vieler weiblicher Gäste durchs Gebäude, zeigt ihnen die Labor­ und Prüfanlagen im Reinraum, beantwor­tet Fragen nach möglichen Praktika – und verwehrt ihnen dann charmant, aber bestimmt den Zutritt zum Heliatek­Herzstück.

Die 14 Millionen Euro teure Produktionsanlage fertigt weltweit erstmalig organische Solarfolien im Rolle­zu­Rolle­Verfahren. Dabei werden kleine Moleküle bei niedrigsten Temperaturen durch Verdampfung (Vakuumdeposition) auf eine Polymerfolie aufgebracht. Das revolutionäre Verfahren garantiert höhere Effizienz, geringere Produktionskosten, eine bessere Prozess­kontrolle, eine längere Lebensdauer – und viele neugierige Elektronikunternehmen. „Über kurz oder lang werden bei uns so gut wie alle OLED­Hersteller vor der Tür stehen“, ist sich Martin Pfeiffer sicher. „Denn wir kommen mit unseren Solarfolien zwar nach den OLED­Leuchten auf den Markt, sind

aber in der Produktionstechnik einen Schritt voraus.“ In der Branche gilt es als offenes Geheimnis, dass OLEDs gegen Leucht­ stoffröhren, Energiesparlampen und LEDs nur mit einer Kostenrevolution eine echte Chance haben und dafür in Zu kunft Plastikfolien statt Glasplatten zum Einsatz kommen müssen.

Für Schüler, Camper und Entwicklungsländer

Doch noch ist es nicht so weit. Bei aller Begeisterung für die organische Elektronik wartet noch eine Reihe von Baustellen auf die Entwickler. Herkömmliche Beleuchtungs­, Display­ und Solartechnologien haben immerhin einen Entwicklungs vor­sprung von Jahrzehnten und etlichen Milliarden Euro. „Den Spitzenwirkungsgrad von siliziumbasierten Solarzellen haben wir noch nicht erreicht“, sagt Martin Pfeiffer. Dasselbe gelte für die Haltbarkeit der Heliatek­Zellen. Im Labor wurden bereits Lebensdauern von 20 Jahren nachgewiesen; der Praxisnachweis steht freilich noch aus. Das Hauptproblem organischer Elek­tronik ist ihre Empfindlichkeit gegenüber Sauerstoff und Wasserdampf, was extrem aufwendige Kapselungen erfordert. Die sensible Technik wird von Materialien abgeschirmt, die bis zu eine Million Mal dichter sein müssen als die Kunststoffhülle von PET­Flaschen. Doch der extreme Entwicklungsaufwand hat auch seine Vorzüge. Die kapriziöse organische Elektronik ver­langt derart viel Know­how, dass sie sich noch viele Jahre gegen Billigadaptionen in Fernost wehren sollte.

Schon heute arbeiten die Dresdner Forscher an technologi­schen Weiterentwicklungen und innovativen Produkten, die vielleicht schon in einigen Jahren marktreif sein könnten: trans parente Mikro­OLED­Displays, die in Brillen integriert dem Träger Informationen ins Sichtfeld einspielen können; Schulbücher, die Videoanimationen auf flexiblen und fast unzerstörbaren Displays anbieten; Kombinationen von organi­schen Solarzellen und OLEDs, die Campingmarkisen mit selbst­erzeugtem Strom vollflächig zum Leuchten bringen; netzunab­hängige, robuste und umweltfreundliche Energieversorgung durch Solarfolien für Entwicklungsländer … Die Möglichkeiten der organischen Elektronik scheinen fast unbegrenzt „und so manche Anwendung können wir uns heute noch gar nicht vor­stellen“, sagt Moritz Riede. Einigen davon soll ab 2013 im Konsortium „flex+“ nachgegangen werden, das sich für eine Förderung im Rahmen des BMBF­Programms „Zwanzig20“ bewerben wird. Unter Führung des Dresdner OES­Netzwerks soll organische Elektronik mit anderen Technologien kombi­niert werden, um smarte, flexible Systeme zu entwickeln. Wenn das gelingt, wird Dresden seine Vorreiterrolle so schnell nicht wieder los. n

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Zahlen bitte !

2… Behandlungen mit kaltem Plasma in der Woche reichen bereits aus, um das Zellenwachstum anzuregen. Das Gemisch aus reaktiven Molekülen, Ionen, Radikalen, sichtbarer und ultra­violetter Strahlung sowie Wärmeenergie eignet sich hervor­ragend für die Wundheilung, wie Forscher des Greifswalder Zentrums für Innovationskompetenz (ZIK) „plasmatis“ heraus­gefunden haben.

Z a h l e n b i t t e !

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2 500.000.0003.000 400

500.000.000… Dokumente enthält die Suchmaschine

„ChatNoir“, die das InnoProfil „Intelli gen­tes Lernen“ nur zu einem Zweck pro­gram miert hat: Plagiaten in Zukunft schneller auf die Spur zu kommen. Mehrere Probanden mussten Essays allein auf Basis des ChatNoir­Portfolios erstellen und lieferten auf diese Weise

wichtige Erkennt nisse zur Entstehung von Texten.

3.000… Meter lang sind die Polymerbänder, auf denen die

Solarion AG ihre flexiblen Dünnschichtsolarmodule her­stellt. Auf Basis von Kupfer, Indium, Gallium und Diselenid entstehen hocheffiziente Solarzellen, die sich besonders für Dächer und Fassaden eignen. Die federführend am Wachstumskern „INNOCIS“ beteilig­

te Solarion AG produziert ihre Module in ihrem neuen und 60 Millionen Euro teuren Werk im sächsischen

Zwenkau.

400… Menschen kommen in Deutschland jedes Jahr durch Wohnungsbrände ums Leben. Sofas, Vorhänge und Teppiche enthalten häufig Fasern, die wie Brandbeschleuniger wirken. Das Textilforschungsinstitut Thüringen­Vogtland e.V. in Greiz ist Partner des Wachstumskerns „J­1013“ und testet derzeit Prototypen flammenhemmender Beschichtungen für Garne. Dadurch könnte die für die Flucht bleibende Zeit bei Wohnungs­ bränden verzehnfacht werden.

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D u r c h b l i c k A u ß e n a n s i c h t

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Die Welt im Umbruch – Wertschöpfungsperspektiven 2030 Eine Außenansicht von Klaus Burmeister

Die Atomkatastrophe von Fukushima und die Energiewende in Deutschland waren ein Fanal: Deutschland, Europa und die Welt befinden sich in einer Phase rasanter Veränderung. Die Dynamik, die sich im Finanz­ und Währungssektor, bei ökologischen und demografischen Fragen zeigt, dazu die hohe Volatilität in vielen wirt schaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen, all dies spricht für eine Zukunft, in der der Wandel nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein wird. Wie gelingt es in einem solchen Umfeld, Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten?

Die Studie „Deutschland 2030 – Zukunftsperspektiven der Wert­schöpfung“ zeigt, dass neue Formen eines konstruktiven und kooperativen Zusammenwirkens von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft notwendig werden. Klassische Branchengrenzen wer den verschwinden, dafür entstehen neue, übergreifende Handlungsfelder und Kooperationsformen. Die Wertschöpfung im Jahr 2030 verlangt nach einem systemischen und ganzheit­lichen Verständnis von Innovation. Aus einer genauen Betrach­tung der Ergebnisse einer branchen­ und unternehmensüber­greifenden Analyse von Disruptionen werden fünf Paradigmen­wechsel identifiziert.

1. Branchenübergreifendes Kooperationsmanagement wird zum kritischen Erfolgsfaktor in wertschöpfungs-orientierten Innovationssystemen

Die Grenzen zwischen den Branchen sind schon jetzt längst in Bewegung geraten. Der entscheidende Schritt in die Zukunft ist eine offensive Vernetzung innerhalb traditioneller Branchen sowie mit neuen Branchen. Daraus erwachsen Innovationen und neue Geschäftsmodelle. Wenn es um preisgünstige, unkompli­zierte und nahtlose Mobilität für den Kunden geht, sind Akteure aus der Automobilbranche, dem Energiesektor und der IT­Branche ebenso gefragt wie Vertreter von Städten und Kom­munen. Dafür braucht es Plattformen mit vielfältigen Kom­petenzen und die Fähigkeit zur Gestaltung von Produkt­Service­Innovationen sowie nicht zuletzt das aktive Manage ment der Schnittstellen in den neuen, hybriden Wertschöpfungs strukturen.

Es ist davon auszugehen, dass einzelne Unternehmen alleine tendenziell nicht mehr in der Lage sein werden, die entscheiden­den Innovationen am Markt durchzusetzen. Gewinner wird sein, wem es gelingt, die wesentlichen Stakeholder für gemeinsame Strategien zu gewinnen. Dabei wird es um Partnerschaften auf Zeit gehen und die Akzeptanz von Lösungen für den Benutzer.

2. Auf dem Weg von der partikularen zur ganzheitlichen Innovation

Systeminnovationen über Branchengrenzen hinweg und die Ent wicklung integrierter Wertschöpfungsketten haben eine ent­scheidende Voraussetzung: die Entwicklung neuer Geschäfts­modelle. Die nahtlose Mobilität verlangt von Akteuren aus unter­schiedlichen Branchen, dass sie Pakete aus Produkten und Dienst­leistungen schnüren. Sie bestehen zum Beispiel aus Fahr zeugen, dazu aus Real­Time­Verkehrsinformationen, Ver kehrs leittechnik, Zugangstechnik und anderen Services. Neue Geschäftsmodelle müssen dem Rechnung tragen. In vielen Fällen kommt es zu einer breiteren Streuung von Gewinnen, aber auch von Risiken, Letztere sind z. B. das Auftauchen neuer Akteure aus den Emerging Markets oder auch die Unfähigkeit der Unternehmen, angepasste Geschäftsmodelle auf Basis von Wertschöpfungspartnerschaften zu entwickeln.

In der deutschen Innovationslandschaft werden in Zukunft von Beginn an Geschäftsmodelle stärker betrachtet werden, und in diesem Zusammenhang auch Finanzierungsinstrumente und ­kriterien. Entscheidend ist die Perspektive des Nutzers.

3. Nachhaltige Innovationen werden zum zentralen Hebel der Wertschöpfung

Eine langfristige Dekarbonisierung des fossil gestützten Welt­energiesystems und eine zunehmende Knappheit bei Roh­stoffen verlangen eine ressourceneffiziente Ökonomie, der sich kein Wirtschaftszweig entziehen kann. Nicht nur ökologische, auch soziale Anforderungen, dazu Innovationen auf techni­

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A u ß e n a n s i c h t D u r c h b l i c k

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schem wie gesellschaftlichem Gebiet begleiten den Prozess. Zug um Zug wird sich das Thema Nachhaltigkeit in allen Märkten durchsetzen, eine Entwicklung, die traditionelle Branchen gren­zen verwischen und neue Wertschöpfungscluster entstehen las sen wird. Aufseiten der Unternehmen gewinnen neue In stru­ mente an Bedeutung, die dem ganzheitlichen Ansatz der Nachhaltigkeit Rechnung tragen.

4. Bildung neuer Interessensallianzen – vom Shareholder Value zum Stakeholder Value

Unternehmen werden in zunehmend komplexeren Produkt­ und Dienstleistungssystemen agieren, neue Geschäftsmodelle werden erforderlich. Zudem müssen sie ihre geschäftlichen Aktivitäten stärker mit unterschiedlichen Interessengruppen abstimmen, um ihre Legitimation auf Wertschöpfung (licence to operate) zu erhalten. Ein Beispiel sind Kunden­Communities im Internet, die die Position des Endnutzers im Markt erheblich stärken.

Die Gewinnorientierung von Unternehmen bleibt, aber sie unter­liegt stärker öffentlichen Debatten. Aus all dem ergibt sich in Zukunft die Notwendigkeit, die verschiedenen Stakeholder – gesellschaftliche Gruppen, NGOs, vor allem aber die Kunden – in die Geschäftsprozesse frühzeitig einzubinden. Das wird aktuell bereits bei der Planung neuer Energieinfrastruktur deutlich, etwa bei der Planung von Windkraftanlagen oder neuen Stromtrassen.

5. Wandel von klassischen Planungsprozessen hin zum Management und zur Steuerung von Komplexität

Trotz sich abzeichnender Veränderungen werden Märkte jedoch immer weniger planbar. Unsicherheiten und Instabilitäten im Wettbewerbsumfeld werden Teil der neuen Normalität. Sie zu steuern wird zur zentralen Herausforderung, damit aber nicht genug: Auch weiterhin werden Rohstoffpreise schwanken, politi­sche Rahmenbedingungen variieren, Wirtschaftszyklen schneller verlaufen. Krisenhafte Perioden werden sich abwechseln mit

Boomphasen; die Verletzlichkeit der zunehmend virtuellen Geschäftsprozesse nimmt zu. Cyberattacken sind eine perma­nente Bedrohung, ein nicht zu unterschätzendes Problem, dem es mit adäquaten Lösungen entgegenzutreten gilt.

Die Perspektive: Unternehmen können auf die hohe Volatilität reagieren, indem sie sich darauf einstellen, bei Rohstoffen z. B. langfristige Absprachen zu tätigen. Auch, indem sie ihre Märkte einem permanenten Monitoring unterziehen und ihre eigene Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen. Dies kommt einem System­wechsel gleich: weg vom klassischen Planungsprozess hin zur Steuerung von Komplexität, etwa durch die Vernetzung unter­schiedlicher Systemkomponenten und Akteure. Ent sprechend verändern sich auch die Organisationsformen: weg von der linear­hierarchischen Struktur hin zum Management von Kapital­, Waren­ und Stoffströmen in dezentralen Netz werken. Der Gravi­ta tionspunkt der Wertschöpfung wird sich dabei in Richtung auf die „Intelligenz“ (Software, Brainware) von Produkten bewegen, auf die Akzeptanz der Nutzungskonzepte und neue service­orientierte Geschäftsmodelle. n

Über den Autor

Klaus Burmeister ist Gründer und geschäfts-führender Gesellschafter von Z_punkt The Foresight Company, einem Beratungs-unternehmen für strategische Zukunftsfragen.

Seit zwei Jahrzehnten beschäftigt er sich mit künftigen Herausforderungen und Innovat io-nen für Wirtschaft und Gesellschaft. Das Grundmotiv seiner Arbeit ist es, Trend- und Zukunftswissen in Handlungswissen für Unter-nehmen und Gesellschaft zu übersetzen.

Im Jahr 2011 unterstützte er den BDI bei der Studie „Deutschland 2030 – Zukunftsperspektiven der Wertschöpfung“. Die Untersuchung identifizierte grundlegende Potenziale für Trendbrüche, analysierte ihre potenziellen Auswirkungen auf die Wertschöpfungsstruktur in Deutschland und zeigte auf, wie zukünftige Forschungs- und Innovationspolitik für einen zukunftsfähigen Standort aussehen soll.Zur Studie: www.bdi.eu/Publikationen_Deutschland-2030.htm

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D u r c h b l i c k W i s s e n s c h a f t i s t k i n d e r l e i c h t

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„Dr. Schierack, was ist ...

ein Biochip“?

Jeder Mensch ist der Lebensraum einer schier unendlichen Anzahl von Mitbewohnern. 10.000 verschiedene Bakterienarten besiedeln die unterschiedlichsten Stellen unseres Körpers, Trillionen Einzeller leben mit uns.

Die meisten von ihnen helfen uns. Sie verändern unser Essen, damit es für uns besser nutzbar ist. Sie halten das Immunsystem auf Trab. Und vor allen Dingen dienen sie als Abwehrfront vor ungewünsch-ten Eindringlingen. Wenn ein Krankheitserreger diese Abwehrfront umgehen kann, bekommen wir Durchfall, Bauchschmerzen oder Fieber: Wir werden krank. Dann läuten im Körper die Alarmglocken. Die Immunzellen ziehen in den Krieg – mit einem hochmodernen Waffenarsenal, das blitzschnell an den jeweiligen Feind angepasst wird. Die Auswirkungen dieses Krieges sind im ganzen Körper spür-bar. Und messbar: als Entzündungsparameter oder Antikörper.

Nun ist es nicht immer leicht, krank machende Bakterien zu erken-nen und sie von den nützlichen zu unterscheiden. Manchmal gibt es nur verdeckte Hinweise, so als ob jemand unter seinem Mantel einen Revolver versteckt hat. Dann muss man genauer hinsehen. Das ganze Bakterium wird nach einer Waffe durchsucht. Wir nutzen dabei Techniken zum Nachweis der genetischen Information. Manchmal können uns auch Bakterien krank machen, die bisher nie gestört haben. Das kann man erkennen, wenn Bakterien dort auf-tauchen, wo sie nichts zu suchen haben. Außerdem können sich Bakterien auch in unseren Körperzellen verstecken, so dass wir sie nur indirekt über Antikörper aufspüren können.

Die Suche nach Bakterien und Antikörpern ist also für den Arzt sehr aufwendig. Man könnte nun die einzelnen Verdächtigen nachein-ander abklären. Das kostet viel Zeit und Geld. Einfacher, schneller

und billiger ist es, viele Bakterien oder Antikörper gleichzeitig zu untersuchen. Dieses Prinzip heißt Multiparameteranalytik. Eine Technik der Multiparameteranalytik ist der Biochip, der so funktio-niert: Auf engstem Raum werden alle Verdächtigen parallel unter-sucht, indem man das Schlüssel-Schloss-Prinzip nutzt. Winzige Schlösser liegen in Reih und Glied angeordnet auf einem winzigen Tablett. Jeder Krankheitserreger oder Antikörper ist ein Schlüssel. Ist ein Schlüssel vorhanden, rastet er in das Schloss ein und es ent-steht ein Signal, das gemessen und ausgewertet wird.

In Senftenberg haben wir einen besonderen Biochip entwickelt. Die Schlösser sind auf einem Tablett nicht sortiert, sondern unge-ordnet oder schwimmen umher. Damit finden die Schlüssel leichter zu den Schlössern. Unsere Schlösser sind Kügelchen, die so winzig klein sind, dass wir sie mit einem Mikroskop messen müssen. Eine Kamera und ein Computer erkennen jedes Kügelchen an seiner Größe und Farbe. Wenn sich an ein solches Kügelchen ein Bakterium, die genetische Information eines Bakteriums oder ein Antikörper anlagert, dann taucht ein zusätzlicher heller Ring um das Kügelchen auf. Damit haben wir den Verursacher der Krankheit nachgewiesen und unser Ziel erreicht. Unsere Technik haben wir VideoScan genannt.

Da jeder von uns einmal krank wird, haben die Ärzte immer alle Hände voll zu tun. Um ihnen die Arbeit bei der Suche nach Krankheitserregern zu erleichtern, wurde VideoScan automatisiert. Damit hat der Arzt jetzt auch einmal Zeit, kurz durchzuatmen und einen Kaffee zu trinken.         n

Dr. vet. med. Peter Schierack studierte Tiermedizin an der FU Berlin und leitet heute die mikro-biologische Abteilung des Klinikums Niederlausitz in Senftenberg. Dass der Fachtierarzt für Mikrobiologie kinderleicht den Bio-Chip erklären kann, liegt auch an seinen eigenen drei Kindern. Dem wissenschaftlichen Nachwuchs an der Hochschule Lausitz in Senften -berg fühlt sich Schierack als Leiter der Innoprofile-Nachwuchs forschungs-gruppe „Neue Technologien für die molekulare Diagnostik“ verbunden.

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e i n g e O R Tn e t

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Die Unternehmen-Region-Initiativen in dieser Ausgabe

MECKLENBURG-VORPOMMERN

SACHSEN-ANHALT

BERLIN

BRANDENBURG

SACHSENTHÜRINGEN

BASIS→ S. 4, 12-19 J-1013 → S. 53

FLUSS-STROMPLUS → S. 5   

Potsdam

Dresden

Cottbus

Senftenberg   

Leipzig

JenaWeimar

Ilmenau

Magdeburg

Halle

Greifswaldplasmatis → S. 53FunGene → S. 58-59

Climate Media Factory → S. 4InnoLaserSensor → S. 20-23

nuBau → S. 6-9Intelligentes Lernen → S. 53

Neue Technologien für die molekulare Diagnostik → S. 56

InnoStructure → S. 36-41

      

Wachstumskern

WK Potenzial

Zentrum für Innovationskompetenz

InnoPro�le Transfer

InnoPro�le

ForMaT

Spitzenforschung und Innovation

Innovationsforum

LSEM → S. 4INNOCIS → S. 53

MarcoNano® → S. 12-19QualiMess → S. 12-19

PVcomB → S.24-35Hybride Diodenlaser-Systeme → S. 24-35FaBriDi → S. 24-35SysLasDiode → S. 24-35BrightLas → S. 24-35

Organische p–i– nBauelemente → S. 42-52

Super-Kon → S. 10-11

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Mein Schreibtisch + ich Prof. Dr. Michael Hecker

Seit 20 Jahren leitet Prof. Dr. Michael Hecker das Institut für Mikrobiologie an der Universität Greifswald. Hier sitzt auch das von ihm geführte und vom BMBF geförderte Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) „FunGene“ für Funktionelle Genomforschung.

Die Einrichtung seines Büros stammt größten-teils von seinem Vorgänger. Bücher und Akten füllen die Regale bis zur Decke – und bezeugen eine jahrzehntelange wissenschaftliche Karriere.

M e i n S c h r e i b t i s c h + i c h

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Zitronenbaum„Ein Geschenk meiner Studenten vor einigen Jahren. ‚Lemon Tree‘ war ja auch ein Hit in den 90er­Jahren: ‚I wonder how, I wonder why …‘ Das ist fast eine Roadmap für meine Vorlesung geworden, denn ‚Warum?‘ und ‚Wie?‘ sind die wichtigsten Fragen der Wissenschaft, um den Dingen wirklich auf den Grund gehen zu können. Die Studenten haben mir daraus sogar ein passendes Lied gemacht!“

Collage

„Mein Freund und Kollege Gerhard Gottschalk hat mir diese Collage vermacht. Ich habe sie in vielen Vorträgen gezeigt. Das Jahr 1995 hat die Wissenschaft allgemein, aber auch mein Leben verändert. Die erste Genomsequenz – auf der Collage ganz rechts dargestellt – ist publiziert worden: der erste vollständige Bauplan des Lebens. Gottschalk hat dieses Ereignis ver­glichen mit anderen Wendepunkten der Welt­ge schichte, etwa der Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahr 800.“

Postkarte„ ‚Nichtstun macht nur dann Spaß, wenn man eigentlich viel zu tun hätte!‘ Das Motto dieser Postkarte ist einfach, dennoch weise – und stimmt mich zunehmend nachdenklich. Ich genieße es, dass ich noch immer viel zu tun habe.“

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Humpen„Ein Relikt aus meiner Studienzeit, den ich heute als Stifthalter nutze. Den Humpen haben wir 1970, am Ende unseres Studiums, anfertigen lassen. Er trägt die Hymne unseres Studienjahres: ‚Die Gedanken sind frei.‘ “

Einladung„Caspar David Friedrich ist der große Sohn der Stadt Greifswald. Sehr oft liegen auf mei­nem Schreibtisch Einladungen mit Motiven seiner Gemälde. Ein anderer Friedrich ist weniger bekannt und hat doch in dieser Stadt Großes geleistet: Friedrich Loeffler. Er war ein Schüler von Robert Koch und gilt als Entdecker der Viren. Ob HIV, Schweine­grippe oder Vogelgrippe – wir leben heute im ‚Zeitalter der Viren‘. Und die wurden in Vorpommern entdeckt.“

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Weiterführende Informationen zur BMBF­Innovations initia tive Neue Länder im Internet unter www.unternehmen-region.de

• Porträts und Profile der regionalen Initiativen• Aktuelle Nachrichten rund um „Unternehmen Region“• Publikationen zum Downloaden und Bestellen

Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit vom Bundes-ministerium für Bildung und Forschung unentgeltlich abge geben. Sie ist nicht zum gewerblichen Vertrieb bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerberinnen/Wahlwerbern oder Wahlhelferinnen/Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zweck der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Bundestags-, Landtags- und Kom mu nal wahlen sowie für Wahlen zum Europäischen Parlament.

Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen und an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Unter sagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift der Empfängerin/dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Bundesregierung zugunsten einzel ner politischer Gruppen verstanden werden könnte.

Page 61: Ausgabe 3|2012 UNTERNEHMENREGION · 2017. 11. 17. · ben“, sagt Professor Jürgen Popp. Der Leiter des Instituts für Physikalische Chemie an der Friedrich-Schiller-Universität

Unternehmen Region – die BMBF-Innovationsinitiative Neue Länder

Der Ansatz von Unternehmen Region beruht auf einer einfachen Erkenntnis: Innovationen entstehen dort, wo sich Part ner aus Wirtschaft und Wissenschaft, Bildung, Verwaltung und Politik in Innovationsbünd nissen zusammenschließen, um die Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Regionen zu erhöhen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter­stützt regionale Kooperationsbündnisse dabei, ein eigenes zukunfts­fähiges technologisches Profil zu entwickeln und konsequent die Stärken und Potenziale ihrer Region zu nutzen und auszubauen. Kernstück jeder regionalen Initiative ist eine klare Inno vations­strategie, die von Anfang an auf die Umsetzung der neu entwickel­ten Produkte, Verfahren und Dienstleistungen im Wettbewerb aus­gerichtet ist.

Unternehmen Region umfasst die folgenden Programme:• InnoRegio (1999 bis 2006)• Innovative regionale Wachstumskerne mit Modul WK

Potenzial• Innovationsforen• Zentren für Innovationskompetenz • InnoProfile• ForMaT• Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation Für die Förderung stellt das BMBF in diesem Jahr rund 106 Mio. Euro zur Verfügung.

DLR

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Ansprechpartner

Bundesministerium für Bildung und ForschungRegionale Innovationsinitiativen; Neue Länder (114) Hannoversche Straße 28–30 · 10115 Berlin Tel.: 030 1857-5273 · Fax: 030 [email protected]

Projektträger Jülich – PtJZimmerstraße 26–27 · 10969 BerlinTel.: 030 20199-482 · Fax: 030 20199-400 Projektträger im DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.Rosa-Luxemburg-Straße 2 · 10178 BerlinTel.: 030 67055-481 · Fax: 030 67055-499

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