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AUSGABE DEZEMBER 2012 die welt verändern. … typisch Hochschul- und Wissenschaftsregion Stuttgart. Jörg Hofmann Geschickter Verhandler Nejila Parspour Exzellente Ingenieurin Rolf Heiler Cleverer Firmengründer Folkard Asch Visionärer Reisforscher 6 Hartmut Esslinger Legendärer Gestalter Armin Klein Provokanter Kulturfreund Petra Grimm Profunde Medienkennerin Ursula Cantieni Populäre Schauspielerin

AUSGABE DEZEMBER 2012 die welt verändern. · früh aus dem Leben, weshalb Ursula am Töch-terinstitut ihrer Großeltern Irma und Karl Landolt aufwächst, unweit von Davos, da wo’s

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AUSGABEDEZEMBER 2012

die welt verändern.

…typisch Hochschul- und Wissenschaftsregion Stuttgart.

Jörg HofmannGeschickter Verhandler

Nejila ParspourExzellente Ingenieurin

Rolf HeilerCleverer Firmengründer

Folkard AschVisionärer Reisforscher

Nº6

Hartmut EsslingerLegendärer Gestalter

Armin KleinProvokanter Kulturfreund

Petra GrimmProfunde Medienkennerin

Ursula CantieniPopuläre Schauspielerin

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Weitere Informationen rund um Studienmöglichkeiten, Forschungseinrichtungen und kooperierende Unternehmen in der Region Stuttgart finden Sie in unserem Internetportal:

www.campus.region-stuttgart.de

+

Ursula Cantieni | Hochschule für Musik und Darstellende Kunst

Frau Fallerhält Hof Seite 4Armin Klein | Pädagogische Hochschule

Revoluzzer imKulturbetrieb Seite 8Nejila Parspour | Uni Stuttgart

Ein Lebenunter Spannung Seite 12Rolf Heiler | Duale Hochschule

Programme fürdie Zukunft Seite 16Folkard Asch | Uni Hohenheim

Reisender in Sachen Reis Seite 20Jörg Hofmann | Uni Hohenheim

Anwalt derBeschäftigten Seite 24Petra Grimm | Hochschule der Medien

In den Untiefendes Internets Seite 28Hartmut Esslinger | Uni Stuttgart und Hochschule für Gestaltung

Der Königder Frösche Seite 32

Nach der Vorlesung: der persönliche Tipp Seite 36Studierende übers Studieren Seite 38Lehre und Forschung in der Region Stuttgart Seite 40Leben in der Region Stuttgart Seite 46Hochschul- und Wissenschaftsregion Stuttgart e.V. Seite 47Impressum Seite 47

Nº6AUSGABE

DEZEMBER 2012

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Editorial

n den siebziger Jahren, als zum Aufzählen der Fernsehprogramme noch die Finger ei-

ner Hand reichten, gab es eine Serie, die unsere Zukunft vorweg nahm. „Captain, ich weiß nicht, was es ist, aber es ist riesig und es kommt direkt auf uns zu“, hieß es auf der Reise des Raumschiffs Enterprise durch Raum und Zeit. Aus der Fiktion ist in Teilen längst Wirklichkeit geworden. Heute surft jedes Kind durch unendliche Weiten, ein Mausklick und der Computer beamt uns in andere Sphären. Rund um den Globus gibt es mehr als 600 Millionen registrierte Internetseiten. Sitzt man zu Hause vor dem kleinen Raumschiff namens Computer, kommt einem die gigantische Datenwelle mitunter unheim-lich vor. 1997 gab es in der Bundesrepublik Deutsch-land 4,1 Millionen Internetnutzer. 6,5 Prozent der Bevölkerung nutzten damals das neue Medium. Heute sind es fast 50 Millionen Internetnutzer, was einer Quote von 70 Prozent entspricht. Die Frage ist, ob wir Heutigen wirklich gut auf diese neue Medienwirklichkeit vorbereitet sind? Es bleiben Zweifel. In einer umfangreichen Studie hat Petra Grimm, Professorin an der Hoch-schule der Medien in Stuttgart, 800 Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren befragt. Mehr als jedes fünfte Mädchen ist demnach im Internet schon sexuell belästigt worden. Videos von Prü-geleien, Folter oder Hinrichtungen hat jeder fünf-te Halbwüchsige schon einmal im Netz gesehen – gezielt oder zufällig. Auch Pornokonsum via Computer gehört zum Alltag und wird von vielen männlichen Jugendlichen als „normal“ eingestuft. Ein Drittel der deutschen Teenager geht stets al-lein ins Internet, zwei Drittel werden auch in der Nutzungsdauer nicht kontrolliert. Und für den In-halt der besuchten Webseiten interessieren sich 80 Prozent der Eltern gar nicht oder selten. Das Internet, so viel steht fest, verändert un-seren Alltag. Alle 7 Sekunden verkauft ebay allein in Deutschland ein paar Damenschuhe, alle 12 Se-kunden ein Handy, alle 30 Sekunden eine Jeans. Tendenz steigend. Was Wissenserwerb, Partizipati-on und Vernetzung betrifft, sind die neuen Medien eine gewaltige Bereicherung, sofern man damit um-zugehen weiß. Viele wissen es allerdings nicht. Die Bundesregierung bezeichnet 560.000 Menschen zwischen 14 und 64 Jahren als internetsüchtig, was auch daran liegt, dass vor allem Kinder wie selbst-verständlich mit dem weltumspannenden Datennetz aufwachsen, ohne dass Grenzen gezogen werden. „Wir müssen lernen, mit dem Medium selbstbe-stimmt umzugehen und uns Inseln der Kontemplati-on und Ruhe zurückerobern“, erklärt Petra Grimm in der neuen Ausgabe des Hochschulmagazins. Womit es nur noch ein kleiner Schritt zum großen Friedrich Hölderlin ist, der zwar das Internet noch nicht kannte, dafür aber ein Kenner der Me-chanismen unseres Miteinanders war. „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, pflegte der Dichter

zu sagen. Im Fall von Hartmut Esslinger liegt we-niger die Gefahr als vielmehr das Rettende in den neuen Medien. Der schwäbische Produktdesigner, der als Ikone unter den Formgestaltern dieser Welt gilt, lebt in Kalifornien und kommt nur noch selten nach Stuttgart, wo er sich ein bisschen Zeit nahm für dieses Magazin und von sich erzählte. Esslinger hat erst Elektrotechnik an der Uni-versität Stuttgart studiert, Mitte der sechziger Jahre schrieb er sich für Industriedesign an der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd ein. Untrenn-bar verbunden mit seiner einzigartigen Erfolgsge-schichte ist ein anderer großer Name, der nämlich des mittlerweile verstorbenen Apple-Gründers Steve Jobs. Auf einer Party in Silicon Valley wurde Anfang der 80er Jahre der Grundstein für die langjährige Zu-sammenarbeit zwischen beiden gelegt. „Damals hat niemand geglaubt, dass ein Personal Computer ein-mal ein Produkt für alle Menschen werden kann“, sagt Esslinger im Rückblick. Doch Steve Jobs hatte die Vision, statt zehntausend eine Million PCs im Jahr zu verkaufen. Und der schwäbische Gestalter hatte das richtige Händchen, um ein „massenkon-sumierbares Produkt“ zu kreieren. Ganz nebenbei trug Esslinger dazu bei, dass Apple zur Kultmarke wurde. „Das ist es“, hat Jobs damals gerufen, als er Esslingers Entwurf sah – und „eine der folgenreichs-ten Kooperationen in der Geschichte des Industrie-designs“ per Handschlag besiegelt. Nachzulesen ist dies übrigens auch in der Bestseller-Biografie des Apple-Gründers. Dort heißt es: „Jobs besuchte Ess-linger im Schwarzwald und zeigte sich nicht nur von seiner beruflichen Leidenschaft, sondern auch von seiner Fahrweise beeindruckt, als dieser seinen Mer-cedes mit 170 über die Straßen jagte.“ Wenn es in Zukunft darum geht, mit moder-nen Fahrzeugen über die Straßen zu brettern, ist Nejila Parspour eine gute Ansprechpartnerin. In ihrer Heimat, dem Iran, hat sie früher vom Welt-raum geträumt, wie sie in der nunmehr sechsten Ausgabe unseres Hochschulmagazins verrät. Heu-te lehrt die Professorin an der Universität Stuttgart Elektrotechnik und forscht an neuartigen Motoren und kabelloser Energieübertragung. Auf ihre Art eine Forscherin ist auch Ursula Cantieni, die beina-he jeden Tag ihre Wirkung aufs Publikum erspürt. Die beliebte Schauspielerin hat an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart nicht nur studiert, sondern auch gelehrt. Später gab sie ihre Professur auf und wechselte auf die Theater-bühne. Einem breiten Publikum wurde sie durch die TV-Serie „Die Fallers – eine Schwarzaldfamilie“ bekannt. Seit 18 Jahren und 750 Folgen spielt sie dort die Bäuerin. Zu Hause in ihrem kleinen Biotop in Baden-Baden hat sie von ihrer Sicht auf die Welt erzählt und davon, wie sie das Studium prägte. Eine von vielen lesenswerten Erfolgsgeschichten der Hochschul- und Wissenschaftsregion Stuttgart. Wir wünschen dabei anregende Lektüre.

i

Dr. Walter RoggGeschäftsführer

Wirtschaftsförderung

Region Stuttgart GmbH

Prof. Dr.-Ing. Wolfram ResselVorsitzender Hochschul-

und Wissenschaftsregion

Stuttgart e. V.

Thomas S. BoppVorsitzender

Verband Region

Stuttgart

DIE WELT VERÄNDERN.

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5«FORTSETZUNG

DIE WELT VERÄNDERN.

er Gehsteig vor dem Haus ist breit und gefegt. Ein paar aufgetakelte Damen mit russischem Akzent und großen Einkaufstüten biegen um

die Ecke, während der heilige Bimbam der Stiftskir-che, in welcher die Gebeine der Markgrafen ruhen, eindringlich daran erinnern, dass es auch eine Zeit gibt, die man nicht am Handgelenk trägt. Ein normaler Morgen in der Kurstadt Baden-Baden, welche aufgeräumt ist wie Ursula Cantieni, die ihr Leben stilecht mit einem guten Tee serviert. Sie stellt ihn auf den Steintisch in ihrer Stube, von der man über die Dächer der Stadt bis hinauf in die Schwarzwaldhöhen schauen kann, wo der Herbst sein rostfarbenes Laken gespannt hat. Ein guter Ort für Ursula Cantieni alias Johanna Faller, der Schwarzwaldbäuerin. Fünf Minuten ent-fernt ist das Studio, in welchem die eine zur an-deren wird. Es sollte eigentlich nur eine Rolle für 24 Monate sein. Jetzt sind es fast 18 Jahre gewor-den und mehr als 750 Folgen. Die Serie läuft noch immer erfolgreich im SWR Fernsehen und die Land-frau ist mit der Zeit gegangen, hat sich vom Kuhstall zum Hofcatering vorgearbeitet. Kein Wunder, dass Frau Cantieni im richtigen Leben manchmal als Frau Faller angesprochen wird. „Das ist ein spannender Prozess“, sagt sie. „Die Johanna ist älter als ich und mir immer ein bisschen voraus.“ Die Hausherrin nippt an ihrem Tee und schiebt nebenbei die frischen Blumen auf dem Tisch ein Stück zu Seite. In ihnen spiegeln sich die Farben einer Biografie mit Brüchen und Aufbrüchen. Das Grün der Wiesen in der Schweiz. Das Weiß der Gnocchi von Großmutter Irma. Das Rot der Thea-tervorhänge in Esslingen und Konstanz. Das Grün ihrer Jugend ist das Grün auf der Alp in Graubünden, wo sie im Sommer manchmal bei der Ernte hilft. Vater Erwin Cantieni, ein musikali-scher und künstlerisch begabter Mensch, scheidet früh aus dem Leben, weshalb Ursula am Töch-terinstitut ihrer Großeltern Irma und Karl Landolt aufwächst, unweit von Davos, da wo’s schön ist, und so empfindet sie auch ihre frühe Kindheit. Der Großvater entspricht dem Typus des Privatgelehr-ten und düngt seine Enkelin mit der Aura der Lite-ratur. Thomas Mann, Rainer Maria Rilke. Friedrich Nietzsche. Einige Jahre später lernt ihre Mutter He-ribert Schmidt kennen, einen Stuttgarter Arzt, der sie nicht nur von ihrer Migräne und den leidigen Rückenschmerzen kuriert, sondern auch ihr Mann wird. Er praktizierte in Stuttgart und so kommt die kleine „Heidi“, gerade neun geworden, mit der Mutter aus der Schweiz zum Stiefvater nach Stutt-

gart, wo Ursula Cantieni im Königin-Katharina-Stift die Schulbank drückt und die Theater AG gründet. Es sind nur Mädchen auf der Schule und also nimmt man sich im umgestalteten Zeichensaal „Die tote Tante“ von Curt Goetz vor, weil darin viele weibli-che Rollen zu besetzen sind. Zur Not gibt’s ja auch noch die Jungs vom Karlsgymnasium. Nach dem Abitur studiert sie Ende der sech-ziger Jahren Sprecherziehung an der Hochschu-le für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Eine Phase, in der sie die Kunst aufsaugt wie ein Schwamm das Wasser, in der sie John Crankos Aufführungen verfolgt, oft ins Theater und in die Oper geht. Tagsüber befasst sie sich intensiv mit Dramaturgie und mit Texten. „Das Studium hat mich enorm geprägt“, sagt sie. „Bis heute trage ich Gedichte aus dieser Zeit im Herzen.“ Ursula Cantieni bleibt nach ihrem Abschluss als Sprecherzieherin an der Hochschule, wo sie doziert und den Nachwuchs für die Karriere auf der Bühne schult. Mit 26 wird ihr an der Folkwangschule in Essen in der Abteilung Schauspiel eine Stelle als Professorin angeboten. Ein sicherer Job, ein gu-tes Gehalt, eine Stellung fürs Leben. So etwas gibt man nicht mehr auf. Oder doch? Sie füllt diese Auf-gabe aus, wenngleich sie mehr und mehr spürt, dass ihre wah-re Berufung woanders liegt. Sie liebt es, in fremde Rollen zu schlüpfen, weil sie darin verreisen kann. Fast heimlich spricht sie an Theatern vor. Es klappt. Nach vier Jahren als Professorin bricht sie mit der Vergangenheit und heuert fürs halbe Gehalt aber dafür mit doppelter Leidenschaft an der Württembergischen Landes-bühne in Esslingen an. Die Zusage des Intendanten hat sie aufgehoben: „Liebe Frau Professor Cantieni, Sie sind bei uns engagiert.“ Die Umsteigerin darf gleich Charakterrollen wie die Marie in Büchners Woyzeck spielen und genießt die Abende vor Publikum. Nach vier Jahren wechselt sie ans Stadttheater nach Konstanz, wo sie eher zufällig die Einrittskarte fürs Fernsehen löst. Sie steht dort als Bäuerin auf der Bühne im „Polenwei-her“, einem Stück, in dem es um den mysteriösen Tod einer jungen Polin geht, die als Arbeiterin im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs auf ei-

Sie hat an der Hochschule für

Musik und Darstellende Kunst in

Stuttgart studiert, wurde mit 26

in Essen Professorin. Doch Ursula

Cantieni tauschte den sicheren

Job gegen ein Leben auf der Bühne.

Frau Faller hält Hof

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DIE WELT VERÄNDERN.

nem Hof im Schwarzwald gelandet ist, was eine Kette schicksalhafter Ereignisse auslöst.

Das Stück hat Tiefgang und wird nicht nur im The-ater gespielt, sondern auch verfilmt. Ursula Canti-eni ereilt das Glück der Tüchtigen: Sie wird in die Filmbesetzung übernommen. Nico Hofmann führt Regie und Eberhard Feik, bekannt als Thanner aus den Schimanski-Krimis, spielt neben ihr eine der Hauptrollen. Ein Streifen, der aufhorchen lässt. „Mal sehen, was das Leben noch so bringt“, denkt sich die Schweizerin nach Abschluss der Dreh-arbeiten. Sie hört in Konstanz auf und arbeitet frei. Engagements an Theatern, eine Tournee in Frank-reich, Erfahrungen als Regisseurin, Gastauftritte in der Schweiz und in den Niederlanden, Werbespots im Hörfunk. Irgendwann klingelt das Telefon. Das Schweizer Fernsehen möchte sie für den Bereich Sprachtraining engagieren, sie soll dem Ausbil-dungsstudio für Redakteure und Moderatoren ein neues Gesicht und eine neue Struktur geben. Ur-sula Cantieni sagt zu und pendelt zwischen Kons-tanz und Zürich. Über die Arbeit lernt sie Markus Hubenschmid kennen, Autor und Redakteur beim Südwestrundfunk. Er wird ihr Partner fürs Leben. Wieder umklammert sie die Aura der Sicher-heit, wieder scheint es für immer zu sein und wie-der kommt es anders. Statt im Schoß des Schweizer Fernsehens bis zur Pension zu bleiben, folgt sie jetzt dem Ruf vor die Kamera. Er ereilt sie durch einen An-ruf. 1994 wird eine neue Fernsehserie aus der Taufe gehoben. „Die Fallers – Eine Schwarzwaldfamilie“. Ursula Cantieni, die Bäuerin aus dem Polenweiher, soll sich vorstellen. Sie tut es und überzeugt. Für fast achtzig Drehtage pro Jahr ist sie seit-dem gebucht. Für jede Folge sind drei vorgesehen. Getrieben von fröhlichem Erlebnishunger spult sie das gewaltige Pensum vor der Kamera herunter und schmunzelt jeden Zweifel weg. Der Job als Bäuerin der Nation macht ihr Spaß wie auch die Rolle als TV-Ratefee bei „Sag’ die Wahrheit“, wo sie seit 2003 schummelnde Kandidaten mit Röntgen-blick durchleuchtet und ihr anderes Fernseh-Ego „Johanna“ für ein paar Stunden vergisst. Draußen rauchen die Schornsteine von Ba-den-Baden, drinnen dampft der frisch aufgebrühte Tee. Auf dem Balkon im Haus gegenüber werden die letzten Geranien vor der nächtlichen Kälte in Schutz gebracht. Ursula Cantieni lehnt sich ent-spannt zurück. 65 Jahre alt ist sie jetzt, seit kurzem glückliche Besitzerin auch der deutschen Staats-bürgerschaft und bei alledem gesegnet mit einer guten Portion Gottvertrauen. „Ich empfinde es als großes Geschenk, so lange arbeiten zu dürfen“, sagt die Schauspielerin, die an irdische Drehbücher und auch ein bisschen an überirdische glaubt. „Die da oben können verdammt viel regeln“, sagt sie und gibt ihr ansteckendes Lachen frei. Der Fotograf will sie zum Abschluss auf dem Sofa ablichten. Sie sitzt da wie immer und sie schaut wie immer. Gerhard Schröder hat sich nie auf einer abwärts laufenden Rolltreppe fotografieren lassen, weil er fürchtete, dass später unter dem Bild in der Zeitung etwas stehen könnte, dass ihm nicht ge-fällt. Ihr sind solchen Allüren fremd. In einer Stunde wird sie abgeholt. Der nächste Dreh für die Serie. Sie bringt noch schnell ein Kochbuch und signiert es für die Mutter des Fotografen, die keine Folge der Fallers verpasst. „Herzlichst Ursula Cantieni.“

Schlagfertige TruppeDas Percussion-Ensemble der Musikhochschule Stuttgart wurde 1982 als Percussion Ensem-ble Stuttgart von Professor Klaus Treßelt gegründet und besteht seither in fluktuierender Besetzung aus fortgeschrittenen und ehemaligen Studenten der Schlagzeugklasse an der Musikhochschule Stuttgart. Auf exotischen Trommeln, Becken, Gongs und anderen Schlag-instrumenten aus aller Welt gestaltet das Ensemble seine verschiedenen Programme, die von Transkriptionen barocker Originale über afrikanische Trommelmusik und theaterartiges Fingerballett bis zu den Klassikern der Percussionensembleliteratur reichen. In den letzten Jahren bestritten die jungen Schlagzeuger unter anderem Co-Produktionen mit dem Stutt-garter Ballett, dem Stuttgarter Kammerorchester und der Gauthier Dance Group und waren auf internationalen Festivals im spanischen Valencia, in Italien und Costa Rica sowie bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen zu Gast. // www.mh-stuttgart.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / ERFOLGREICHE SÜDWEST-WERBUNG / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Ein besonderes LandDer Imagefilm des Landes „Baden-Württemberg, ein besonderes Land“ ist einer der Gewinner des „Deutschen Wirtschaftsfilmpreises 2012“. Das Video, das im Auftrag des Ministeriums von der Stuttgarter Schokolade Filmproduktion GmbH produziert wurde, stellt den Südwesten, seine Unternehmen und Attraktionen in rund drei Minuten vor. Der Deutsche Wirtschaftsfilmpreis ist übrigens einer der ältesten deutschen Filmpreise. Seit 1968 wird der Wirtschaftsfilmpreis für Filmdokumentationen vergeben, die sich ökonomischen Themen auf interessante und ver-ständliche Art und Weise nähern. // www.bmwi.de

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AUSGEWÄHLTE STUDIENANGEBOTE:

Filmakademie Baden-WürttembergDrehbuch, Regie, ProduktionBesonderes: Projektstudiengänge für Quereinsteiger// www.filmakademie.de

Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende KunstSchauspiel (Bachelor)Figurentheater (Bachelor)Besonderes: Sprechkunst (Bachelor)// www.mh-stuttgart.de

Akademie für Darstellende Kunst Baden-WürttembergSchauspiel (Bachelor)Theaterregie (Bachelor)Dramaturgie (Master)Bühnen- und Kostümbild (Diplom)Besonderes: Filmschauspielworkshop in Kooperation mit der Filmakademie Baden-Württemberg// www.adk-bw.de

Staatliche Akademie der Bildenden Künste StuttgartBildende Kunst (Diplom)Besonderes: Bühnen- und Kostümbild (Diplom)// www.abk-stuttgart.de

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/ / / / / / HOCHSCHULREGION STUTTGART / / / / / // / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / ZUKUNFTSKONFERENZ AN DER ADK / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Wie? Wofür? Wie weiter?

Die Perspektiven der Ausbildung in den Darstellenden Künsten wurden vom 4. bis 6.Oktober 2012 an der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg auf der Zukunftskonferenz beleuchtet. Etwa 150 Lehrende, Studierende und Vertreter aus der Theaterpraxis, überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum, aber auch aus Großbritannien, den Niederlanden und Norwegen nahmen teil. Die Konferenz wurde in Zusammenarbeit mit der Deutschen Akademie für Darstellende Kunst in Bensheim und der European Theatre Convention (ETC) durchgeführt und vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg sowie vom Landesverband Baden-Württemberg des Deutschen Bühnenvereins unterstützt. // www.adk-bw.de

GD

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / ZITAT / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

„Es macht mir Spaß,etwas zu schaffen,das keiner je gesehen

hat.“Roland Emmerich, geboren1955

in Stuttgart, arbeitet als Filmregisseur in Hollywood („Independence Day“)

/ / / / / / / / / / / / / HISTORISCHES KINO / / / / / / / / / / / / / /

Anno 1913Das älteste noch erhaltene Kino Deutschlands mit Originalausstattung steht in Esslingen. Das Central-Theater aus dem Jahr 1913 prunkt mit historischem Interieur im Originalzustand. Dazu gehören ebenso Relikte der fünfziger Jahre wie projektionstechnische Raritäten. Heute erfüllen kulturelle Veranstaltungen das ehemalige Lichtspielhaus mit neuem Leben.// www.centraltheater-es.de

/ / / / / / / / / / / / SCHAUSPIEL STUDIUM / / / / / / / / / / / /

Spielen lernen

Das Schauspielstudium hat das Ziel, die per-sönliche künstlerische Entwicklung der Studie-renden durch die Vermittlung eines breitgefä-cherten schauspielerischen Handwerks, das alle Aspekte des Spielens umfasst, zu fördern. Die Studierenden auf ihrem Weg zu selbstän-digen, ihrer selbst und ihres Handwerks be-wussten künstlerischen Persönlichkeiten zu begleiten, sie anzuregen und zu fordern, ist der Anspruch. Das Studium wird mit dem Bachelor abgeschlossen und vermittelt die Vorausset-zungen zur Ausübung des Berufs als Schauspie-ler beim Theater, Film und Fernsehen. // www.mh-stuttgart.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / AN DIE HAND NEHMEN / / / / / / / / / / / / / / / / /

Kultur-SAFARIDas von der Kinderlandstiftung geförderte Projekt „Kultur-SAFARI – Kinder an die Hand nehmen“ ist auf 3 Jahre angelegt und ermöglicht den beteiligten Schü-lern und der KITA-Gruppe, Theater und Kunst rezeptiv und produktiv zu erfahren. Dazu werden die Schüler von Studentenmentoren in vor- und nachbereiten-den Workshops sensibilisiert. Die Studentenmentoren haben die Aufgaben, die Schüler als sogenannte Kul-turpaten während eines ganzen Schuljahres bei den Theaterbesuchen und den Kunstausstellungen zu be-gleiten. Ihre Ausbildung erfolgt in Seminaren an der PH Ludwigsburg von qualifizierten Lehrbeauftragten. In den Seminaren lernen die Studierenden sich mit den spezifischen ästhetischen Mitteln des Theaters und der Kunst auseinanderzusetzen, schulen ihre eigene Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit und entwi-ckeln konzeptionelle Gedanken zur Durchführung der Projekte. Derzeit sind über 20 Studierende der PH Lud-wigsburg in der Ausbildung als Kulturpaten tätig. // www.ph-ludwigsburg.de

/ / / / / / / / / / / / RARITÄTENKABINETT / / / / / / / / / / /

KostümverkaufIm theatereigenen Fundusladen der Staats-theater Stuttgart stehen Kostüme, Stoffe und Accessoires zum Verkauf. Das Angebot verän-dert sich über das Jahr, je nachdem, was der Fundus entbehren kann. Die Öffnungszeiten sind jeden ersten Samstag im Monat von 10 bis 14 Uhr, außer in den Theaterferien (Som-merferien) und an Feiertagen. // www.staatstheater-stuttgart.de

/ / / / / / / / / / / / / JUBILÄUMSSENDUNG / / / / / / / / / / / / /

750Ende November wurde die mittlerweile 750. Folge der SWR-Fernsehserie die „Die Fallers“ ausgestrahlt. Seit fast zwei Jahrzehnten lebt die SWR-Schwarzwaldfamilie auf ihrem Fern-seh-Bauernhof und durchlebt jeden Sonntag-abend neue Geschichten um Freud und Leid, Liebe und Schicksal. // www.swr.de

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9«FORTSETZUNG

DIE WELT VERÄNDERN.

lte Liebe rostet nicht, sie verblasst höchstens ein wenig, wenn sie auf Papier gedruckt wird.

35 Jahre alt ist das Plakat, das der Kulturwissen-schaftler Armin Klein in seinem Arbeitszimmer hän-gen hat – außer einem giftgrünen Dürer-Hasen aus Plastik der einzige Hinweis, dass es an diesem Ort zuvorderst um die schönen Künste geht. Das Plakat zeigt eine der meterhohen und spindeldürren Skulp-turen des Schweizer Bildhauers Alberto Giacometti. Der schreitende Mann. Die filigranen Plastiken des Bildhauers gehören für den Professor der Pädagogi-schen Hochschule Ludwigsburg in der weiten Welt der Kunst mit ihren vielen Disziplinen schon seit Jahrzehnten zu den liebsten Stücken, obwohl er ei-gentlich ein Mann des Theaters und als Sohn eines Buchhändlerehepaars vor allem mit Literatur aufge-wachsen ist. Erst jüngst hat er wieder eine Kunstaus-stellung in Basel besucht. „Unglaublich faszinierend und aufsehenerregend“, sagt er: „Drei Skulpturen von Giacometti füllen einen ganzen Raum.“ Und vier Professoren füllen ein ganzes Buch! Die Rede ist von jenem Werk, das in der Szene anhaltend für Aufruhr sorgt. „Der Kulturinfarkt“ lautet der Titel und um diesen zu verhindern, so die provokative Grundthe-se, spielen die Autoren mit dem Gedanken, die Hälfte aller Kultureinrichtungen in Deutschland zu schließen. Einer der Schreiber dieser Streitschrift ist Armin Klein, den Tag der Veröffentlichung am 12. März hat er als „ausgewachsenes Erdbeben“ in Erinnerung. Morgens um neun hatte sich der zweifache Familienvater an der Tankstelle den „Spiegel“ mit einem Vorabdruck des Buchs geholt. Als er wenig später wieder in seiner Wohnung im badischen Ettlingen war, lief schon der Anrufbeantworter mit Interviewanfragen über. „Unbe-kannte Provinzheinis“ war noch eine der freundlichen Reaktionen, als „schlechte Patrioten“ wurden sie be-schimpft, der ehemalig Intendant der Stuttgarter Oper, Klaus Zehelein, sprach von „Kultur-Berlusconis“ und die FAZ schrieb von „vier alten Männern, die nochmal die Harley rausholen und um den Block knattern“. Reaktionen dieser Art haben den Mitautor dabei weniger gestört wie der Umstand, dass of-fenbar die wenigsten derer, die lautstark zu Wider-rede anhoben, das Buch tatsächlich gelesen hatten. Dieses Eindrucks jedenfalls konnte sich Klein nur schwer erwehren in Anbetracht von Begegnungen wie jener mit einem Kulturmenschen, dessen Be-fund recht früh zementiert war. „Ich habe das Buch nicht gelesen, ich werde das Buch nie lesen, ich weiß aber, dass es Mist ist.“ Zwischenzeitlich, nachdem mehr als zehntau-send Exemplare verkauft sind, werde das Werk tat-sächlich auch gelesen, sagt Klein, der sich in der Pädagogischen Hochschule zu Ludwigsburg an seinem Lehrstuhl vor allem mit Kulturpolitik und

strategischem Kulturmarketing beschäftigt. Dass die fast zehn Milliarden Euro Kulturgelder jedes Jahr zum Großteil in feste Institutionen fließen, hält er für eine fatale Fehlentwicklung, die jegliche Krea-tivität erdrückt. „Wenn fast 90 Prozent der Einnah-men vom Staat kommen, dann ist das einzige was stört, letztlich der Besucher“, sagt er. 7.000 Museen und 144 Theater könnten bei jährlich sechs Prozent Lohnerhöhung nach dem bisherigen Prinzip der Staatsabhängigkeit nicht erhalten werden. Die ak-tuelle Kulturpolitik fördere nicht die Kunst sondern Lobbies und Institutionen. „Wir müssen das anders organisieren, sonst kommt nichts Neues dazu.“ Die Bombe, die Klein und seine Kollegen mit ihrem Buch auf die Selbstzufriedenheit des Systems werfen wollten, hat jedenfalls für heftige Eruptionen gesorgt. „Wir wollten eine Diskussion entfachen“, sagt der 61-jährige Professor. Gemessen an der Zahl der Einladungen, die dem literarischen Quartett der-zeit mit schöner Regelmäßigkeit ins Haus flattern, ist das auch gelungen. So hat etwa die FDP zur Kultur-debatte in den Landtag geladen, die Salzburger Festspiele haben sich gemeldet, die Kollegen aus Ludwigsburg und Bayreuth ebenso und sogar der italienische Kulturminister will die deutschen Kulturrevo-luzzer in Venedig auf-treten lassen, der Kultur-hauptstadt 2019. Dazu wird das Buch sogar ins Italienische übersetzt. „Ich habe das Gefühl“, sagt Klein, „dass wir jetzt langsam verstanden werden.“ Eilsabeth Noelle-Neumann, die berühmte Pu-blizistikprofessorin und Pionierin der Meinungsfor-schung, hätte sicher ihre Freude gehabt an ihrem ehemaligen Studenten. „Sie war eine großartige Do-zentin, gelebte Zeitgeschichte“, sagt Klein, der sich gerne an die Vorlesungen erinnert, für die sie direkt von der UNESCO in Paris angeflogen kam und statt von der Lehre lieber fesselnde Geschichten aus ih-rem Leben und ihrer humanitären Arbeit erzählte. In Wiesbaden in einem kulturell vielseitig interessierten Elternhaus aufgewachsen, war Klein zwar immer schon klar, wie er sagt „dass er was mit Kultur“ ma-chen will. Studiert hatte er dann Germanistik, Philoso-phie und Politikwissenschaft an der Uni Mainz. „Da-mals war man halt politisch“, sagt er. „Was ich später mache, war mir zunächst egal.“ Warum also nicht einfach Dramaturg werden am Frankfurter Theater im Turm, an dem einst auch ein gewisser Rainer Werner Fassbinder

Als Professor doziert Armin

Klein an der PH Ludwigsburg.

Als Autor der Streitschrift

„Der Kulturinfarkt“ hat er

reichlich Staub auf den Bühnen

im Land aufgewirbelt.

Revoluzzer im Kulturbetrieb

a

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DIE WELT VERÄNDERN.

seine Skandalstücke inszeniert hat? Zu den regelmäßigen Zuschauern gehörte seinerzeit

auch Armin Klein, bis er eines Tages vom neuen In-tendanten aufgrund einer Empfehlung über fünf Ecken angesprochen und gefragt wurde: „Willst Du nicht Dramaturg werden?“ Das war ein Angebot, sagt Klein im Rückblick, „das man nicht ablehnen kann.“ Zwei spannende Jahre sei er hauptsächlich durch ganz Europa gereist und habe nach guten En-sembles und Stücken gesucht, erzählt er. Dann habe es einen Riesenknall gegeben. „Dem Theater ist es zu gut gegangen“, sagt er heute. „Wir hatten viel Geld, aber keiner wusste mehr, wer was zu sagen hat.“ „Es gibt keinen Zufall“, hat einst der französische Philosoph Voltaire behauptet – Armin Klein hat aber einen ziemlich absurden erlebt, wie er erzählt. Zu die-ser Zeit, Anfang der 90er Jahre, war er schon etliche Jahre Kulturreferent in der Universitätsstadt Marburg, wohin er nach seiner Theaterzeit gegangen war, weil er „Politik machen und etwas gestalten“ wollte. Eines Tages sei er mit einem Bekannten durch Ludwigsburg gefahren und habe, angetan von der Schönheit und kulturellen Vielfalt der Stadt, aus einer Laune heraus verkündet: „Hier werde ich Kulturreferent.“ Nach ei-nem Theaterbesuch bei einem Kulturkongress in Göt-tingen traf er beim Biertrinken tatsächlich den leibhafti-gen Kulturamtsleiter der Stadt, den er ironisch mit den Worten begrüßte: „Sie sitzen ja auf meinem Stuhl.“ Der Beginn einer Freundschaft. Jahre später wurde besagter Kulturamtsleiter Professor an der Pädagogi-schen Hochschule in Ludwigsburg - und seit 1994 sitzt Armin Klein auf seinem Stuhl, der zweiten Professur. Die Lehre habe ihn immer schon interessiert, weshalb er auch sein Staatsexamen gemacht und immer wie-der Lehraufträge angenommen habe. „Es bereitet mir Spaß, weiterzugeben, was ich praktisch erlebt habe.“ Quo vadis, Kulturbetrieb? Nach der Phase der Weltverbesserungsansätze in der 70er Jahren und der Zeit der Bequemlichkeit und Planstellen in den 80er und 90ern bewegen sich die Kultur und ihre Ma-cher immer mehr in die Selbstständigkeit, prophezeit Klein. 2002 hat der Professor daher am Institut für Kulturmanagement eine neue Lehrform initiiert. Drei Tage lang fahren die Lehrenden mit ihren 25 „neuen“ Studenten auf das Schloss Kapfenburg am Albtrauf, wo diese einen eigenen Kulturbetrieb planen und gründen müssen. Nach vier Semestern Marketing, Finanzplanung, Rechnungswesen und anderen „Be-triebsfächern“ wird die Simulation von echten Ban-kern geprüft und bewertet, dann heißt es Daumen hoch oder runter. Dabei seien auch schon real existie-rende Firmen gegründet worden, sagt Klein. Eine Idee ganz nach dem Geschmack des Profes-sors, dessen Absolventen in verschiedenen Bereichen und Institutionen hervorragende Berufsaussichten haben. „Staatsabhängigkeit geht nicht mehr, das wird keine Zukunft haben“, sagt Klein, der in seiner Freizeit nicht nur gerne gemeinsam mit seiner Frau auf ein-samen Waldpfaden im Elsass und der Pfalz wandert, sondern vor allem durch Museen und Theater in ganz Europa, wobei sich der Marketingstratege nicht nur für die schönen Künste interessiert. „Unsere Kultur muss sich anders finanzieren“, sagt er. Die Fondation Beyeler in Basel beispielsweise würde 30 Prozent der Einnahmen mit Merchandising bestreiten. „Warum“, fragt der Professor in den Raum, „bekommen unsere Kulturbetriebe das eigentlich nicht auch hin?“

Happy Birthday PH Ludwigsburg!Kaum zu glauben, aber wahr: die jung gebliebene PH Ludwigsburg ist in diesem Jahr 50 gewor-den. Am. 29. Mai 1962 waren die Pädagogischen Hochschulen Baden-Württembergs mit einem Festakt im Schloss Ludwigsburg gegründet worden. Damit wurde auch für die nicht-gymnasialen Lehrämter ein wissenschaftliches Studium eingeführt. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern in-tegrierte Baden-Württemberg die Pädagogischen Hochschulen im Laufe der Jahre nicht in die Uni-versitäten, sondern baute sie zu bildungswissenschaftlichen Hochschulen aus. Die PH Ludwigsburg hatte in ihrer Gründungszeit rund 900 Studierende. Heute ist Ludwigsburg mit mehr als 5.400 Stu-denten und rund 380 Mitarbeitern die größte Pädagogische Hochschule in Baden-Württemberg. Grundlage des Hochschulprofils bilden die Studiengänge für Lehrämter, Sonderpädagogik und außerschulische Bildungsfelder. // www.ph-ludwigsburg.de

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Weltreisen beginnen zuhause …… oder im Stuttgarter Linden-Museum. Die ersten Wurzeln des völker-kundlichen Museums reichen zurück bis ins Kaiserreich des Jahres 1882 als der Württembergische Verein für Handelsgeographie und Förderung Deut-scher Interessen im Ausland gegründet wurde. Das eigentliche Museum wurde aber erst 1911 eröffnet. Heute ist das Linden-Museum eines der größten und bedeutendsten Völkerkunde-Museen weltweit und verschafft den Besuchern Einblicke in die Kulturen aller Kontinente. // www.lindenmuseum.de

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AUSGEWÄHLTE STUDIENANGEBOTE:

Universität StuttgartKunstgeschichte (Bachelor/Master)Philosophie (Bachelor/Master/Lehramt)Wissenskulturen (Master)Besonderes: Praxisorientierte Kulturphilosophie dt-frz. (Master)// www.uni-stuttgart.de

Pädagogische Hochschule LudwigsburgKultur- und Medienbildung (Bachelor)Kulturwissenschaft- und management (Master)Besonderes: Kontaktstudium Kulturmanagement (Weiterbildung)// www.ph-ludwigsburg.de

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/ / / / / / HOCHSCHULREGION STUTTGART / / / / / // / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / NEU STRUKTURIERT / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

KulturmanagementSeit mehr als 20 Jahren bildet das Kontaktstudium Kulturmanagement in Ludwigsburg Menschen in künstlerischen und Kulturberufen weiter – mit Erfolg. Um auch in Zukunft daran anknüpfen zu können, wurde das zertifizierte Studium neu strukturiert. Seitdem können die Teilnehmer zwischen drei Themen-schwerpunkten wählen: Kulturmarketing, Kulturbetriebssteuerung, Kulturfinanzierung sowie als Kons-tante Kulturmanagement Allgemein. Nach dem Start der Schwerpunkte „Kulturmarketing“ im Januar 2012 und „Kulturbetriebssteuerung“ im Mai 2012 begannen im Wintersemester 2012/13 die Seminare. // www.kulturmanagement.ph-ludwigsburg.de

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/ / / / / / / / / / / / MUSEUMSWERBUNG / / / / / / / / / / / / / / /

Marketing für Musikautomaten?

Ungewöhnlich, aber wahr! In Bruchsal, einer Stadt unweit von Karlsruhe, befindet sich das deutschlandweit größte Museum für jene Automaten, die mechanische Musikrezepti-on noch vor der Erfindung der Schallplatte möglich machten. Die Dauerausstellung des Museums zeigt auf drei Stockwerken über 400 Exponate – doch nach über 25 Jahren ist sie in die Jahre gekommen. Daher wird sie derzeit neu geplant und soll im Herbst 2013 wieder eröffnet werden. Grund genug für zwölf Studierende des Master-Studiengangs „Kulturwissenschaft und Kulturmanage-ment“, um zwei Semester lang gemeinsam mit den Museumsmitarbeitern Ideen für ein Marketing-Konzept der neuen Ausstellung zu entwickeln. // www.dmm-bruchsal.de

/ / / / / / / / / / / / / / / STUDENTEN START UP / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Kulturnachrichten aufs Smartphone

Zwei Ludwigsburger Studentinnen haben das Start- Up-Unternehmen „LiveQR“ gegründet. Das „Team-labor“ stand dabei Pate: In diesem praxisorientierten Seminar des Master-Studiengangs „Kulturwissen-schaft und Kulturmanagement“ am Ludwigsburger Institut für Kulturmanagement erprobten Studieren-den die Gründung eines Kulturbetriebs. Am 1. Juni 2012 starteten sie zusammen mit dem Digital Media Developer Jochen Färber das StartUp-Unternehmen namens „LiveQR“. Es konzentriert sich, neben Auf-trägen aus dem Stadtmarketing, auf kulturelle Insti-tutionen und ihre Bedürfnisse. // www.ph-ludwigsburg.de

/ / / / / / / / / / / LANDESHAUPTSTADT / / / / / / / / / / / / / / /

Nr.1

Stuttgart hat das vielfältigste Kulturangebot Deutschlands und ist damit Kulturmetropole Nr. 1. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, für die das Hamburgische Weltwirtschafts-institut (HWWI) die 30 größten deutschen Städte untersucht hat. Stuttgart konnte sich deutlich durchsetzen, gefolgt von Dresden, München und Berlin. Für die Studie hatten die Autoren zahlreiche Indikatoren vergli-chen, darunter die kulturelle Infrastruktur mit Opernhäusern und Theatern, die kulturelle Bildung an Musik- und Kunsthochschulen und die Annahme des Angebots durch die Bewohner, etwa anhand verkaufter Theater- und Museumskarten. // www.stuttgart.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / MESSE / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Ferne Länder

Die Messe KulturReisen gilt als idealer Treff-punkt für Kulturanbieter und Kulturtouristen. Zahlreiche Aussteller aus den verschiedenen Bereichen informieren über Kulturangebote und über die neuen Trends im Kulturtouris-mus. Das im Rahmen der Messe stattfinden-de Kongressprogramm Stuttgart CULTURE Open richtet sich an Mitglieder der Touris-tikbranche, Kulturschaffende und Kulturma-nager. Die KulturReisen findet im Rahmen der Messe CMT im Januar 2013 statt.// www.messe-stuttgart.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / GEMEINSAME SACHE / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Starke Region

Die KulturRegion Stuttgart ist ein Zusammenschluss von Städten und Gemeinden aus dem Großraum Stuttgart, des Verbands Region Stuttgart und ei-niger Kulturvereine. Sie beschäftigt sich schwer-punktmäßig mit Veranstaltungen aus den Sparten Literatur, Musik, Theater, Tanz, Skulptur, Fotografie, Stadtplanung und Kulturpolitik.// www.kulturregion-stuttgart.de

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/ / / / / / / / / / / / / / / / MULTIKULTURELL / / / / / / / / / / / / / / / / /

1.208.289Baden-Württemberg im Allgemeinen und die Region Stuttgart im Besonderen sind multikulturell. So lebten Ende 2011 278.570 Türken, 218.950 Menschen aus den Gebie-ten des ehemaligen Jugoslawien, 159.947 Italiener, 67.189 Griechen, 18.271 Spanier und viele Äusländer mehr in Baden-Würt-temberg. Insgesamt waren 1.208.289 von 10.786.227 Baden-Württembergern Aus-länder. Dies entspricht einem Anteil von 11,2 % In den größeren Städten liegt dieser Anteil aber etwa doppelt so hoch. In Stutt-gart zum Beispiel bei rund 23 %.

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / ZITAT / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

„Es herrscht vielfach die Meinung, Kunst sei das, was man bezahlt, wenn man Geld übrig hat.“

Manfred Rommel, geb. 1928,

1974 – 96 Oberbürgermeister Stuttgart

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13«FORTSETZUNG

DIE WELT VERÄNDERN.

m zu verstehen, warum Nejila Parspour im-mer unter Strom steht, muss man sich auf

eine weite Reise begeben, ins Haus ihrer Großmutter im Iran. Dort ist der Funken übergesprungen. Noch heute fühlt die 48 Jahre alte Professorin diese elek-trisierende Mischung aus Faszination und unbändi-ger Neugier in sich, wenn sie zurück denkt an die Zeit, als sie nach der Schule im Haus der Oma den Schraubenzieher in die Hand nehmen durfte, um den Fernseher zu zerlegen, den Staubsauger, den Kassettenrekorder oder die Saftmaschine. „Strom und elektrische Geräte haben mich schon als Kind fasziniert und ich wollte unbedingt wissen, wie sie funktionieren“, sagt Nejila Parspour. Die Großmut-ter hat ihren Forscherdrang unterstützt, auch wenn mitunter hinterher ein Techniker kommen muss-te, weil die zehnjährige Enkelin nicht immer alles wieder zusammengebracht hat. Damals wollte die Musterschülerin noch Astronautin oder Pilotin wer-den. Mädchenträume der ungewöhnlichen Art. Mit 13 dann, als kein Techniker mehr ins Haus kommen musste und sie problemlos auch den elektrischen Türöffner der Nachbarn reparieren konnte, erklärte sie der Großmutter kurzerhand, dass sie eines Tages Elektrotechnik studieren werde. Gesagt, getan! Voller Aufregung und Ehrfurcht war die Iranerin am ersten Vorlesungstag an der Technischen Universität Berlin die Treppen zum Hör-saal hinaufgestiegen. Voller Schrecken schlug sie die Türe dann gleich wieder zu. 600 Studenten im Hörsaal, darunter keine einzige Frau. „Es saßen nur Jungs im Hörsaal. Ich bin extra nochmal raus, um auf dem Schild zu schauen, ob ich in der richtigen Vorlesung bin, Physik für Elektrotechniker“, erzählt sie. Es war eine „heftige Überraschung“ für die jun-ge Frau, die aus ihrer Heimat ganz anderes gewohnt war. 1985, als Nejila Parspour in Berlin zu studieren begann, lag der Anteil an Ingenieurinnen im Iran bei 25 Prozent. Heute sind es sogar über 50 – und das auch nur, weil die iranische Regierung eine Män-nerquote eingeführt hat! Warum die Frauen in ihrer Heimat schon immer selbstverständlich naturwis-senschaftliche Fächer wie Maschinenbau oder Elekt-rotechnik studieren, kann sie sich auch nicht wirklich erklären. Finanzielle Unabhängigkeit sei wichtig für Frauen im Iran, die sehr kämpferisch seien, sich be-haupten und etwas im Leben erreichen wollen, sagt sie. Das Interesse für Technik werde zudem schon in der Schule geweckt, in der auch Mädchen Löten und Sägen lernen statt Nähen und Stricken. Den Lötkolben nimmt sie noch heute gern in die Hand, in ihrer privaten „Bastelstunde“, wie sie es nennt. Wie sehr sie das braucht, die handfeste Beschäftigung mit Technik, hat sie während ihres

fünfjährigen Ausflugs in die Industrie gemerkt, bei Philips in Hamburg, wo sie von der Abteilungsleiterin schnell in die oberste Managementetage aufgestie-gen war. Glücklich geworden ist sie dabei allerdings nicht. „Ich habe nur noch geleitet und delegiert, war völlig weg von der Technik, der Antrieb hat immer mehr gefehlt“, erzählt Nejila Parspour, die irgend-wann dem Ruf ihres Herzens folgte und sich für den schwierigen Weg zurück von der Industrie an die Hochschule entschied. An der Uni Bremen begann sie ihre wissenschaftliche Karriere als Oberingenieu-rin, bevor sie sich 2006 in Stuttgart auf eine Professo-renstelle bewarb und auf Anhieb genommen wurde. Seit 2011 leitet sie auf dem Campus in Vaihingen das neu gegründete Institut für Elektrische Energiewand-lung. Maschinen aller Art und die berührungslose Übertragung elektrischer Energie sind nicht nur ihr Spezialgebiet, sondern auch ihre Leidenschaft. Auch in ihrer Freizeit schraubt und lötet die Naturwissen-schaftlerin am liebsten in ihrer Werkstatt an kompli-zierten Maschinen und brütet nebenbei über physi-kalischen Phänomenen wie der Relativitätstheorie. „Wenn man zwei Stunden lang mit einem Mäd-chen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden.“ So bildhaft hat einst Albert Einstein selbst Relativität erklärt und Nejila Par-spour weiß ziemlich genau, wie sich das anfühlen kann. Die Iranerin hat relativ lange auf einem solch heißen Ofen gesessen, im übertragenen Sinne gesprochen. Weil nach der islamischen Revo-lution im Iran und dem Ende des Schahregimes Ende der 70er Jahre die Universitäten im Land für lange Zeit geschlossen waren, hatte sie als junge Frau keine andere Wahl, als im Ausland zu studie-ren. Viele Möglichkeiten gab es aus politischen Gründen nicht: Österreich, die Schweiz, Deutschland. Zunächst landete Nejila Par-spour in Budapest, wo sie 14 Monate auf ihr Visum warten musste. Ab und zu erreichte sie etwas Geld, das ihre Eltern aus der Heimat schickten. Ansonsten war die Iranerin im Exil weitgehend auf sich alleine gestellt. „Ich habe eine ganze Woche lang an der Donau gesessen und nur geweint“, erzählt sie. Geholfen haben schließlich die Gene. Von der Linie des Vaters, der Agrarwissenschaftler im ira-nischen Ministerium war und fast jedes Jahr mit der ganzen Familie umziehen musste, hat

Als Kind hat Nejila Parspour

im Iran vom Weltraum geträumt.

Heute lehrt die Professorin an

der Uni Stuttgart Elektrotechnik

und erforscht die Motoren

der elektromobilen Zukunft.

Ein Leben unter Spannung

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«

DIE WELT VERÄNDERN.

sie die zielgenaue Entschlossenheit geerbt. Mütterlicherseits hat sie den Geist der Wis-

senschaftler mitbekommen, die Fähigkeit, noch so große Probleme in Ruhe zu analysieren. Fast alle im Stammbaum waren Mediziner, Philosophen und Physiker, wie etwa Onkel George, das große Vor-bild, der nach New York auswanderte und als jun-ger Student einen Kaffee mit Einstein getrunken hat. Nejila Parspour wollte von Ungarn nach Berlin. Also setzte sie sich an den Vormittagen mit einem alten DDR-Buch hin und brachte sich selber deutsch bei. Nachmittags ging sie in die Bibliothek und lernte Mathe und Physik. Und abends drehte sie ihr kleines Transistorradio an, um das Nachtprogramm der ARD zu hören, meist den saarländischen Rundfunk, da-mit sie an ihrer Aussprache arbeiten konnte. „Eines Tages ist dann endlich der Brief von der Deutschen Botschaft gekommen und ich durfte nach Berlin.“ Noch immer liebt sie den Geruch von Maschi-nenöl und das Brummen der Generatoren wie Mu-sikliebhaber eine Symphonie von Beethoven. Jedes Gerät ist ein kleines Kunstwerk für sie, eine Kom-position in Metall. Ein paar Dutzend solcher Mini-aturmotoren hat sie in ihrem Büro auf einer Vitrine stehen, an der Wand gegenüber hängt ein Bild vom Hamburger Hafen, Maschinenromantik mit Fracht-kränen. Ihr liebster Ort an der Uni liegt aber einige Etagen tiefer. Die große Maschinenhalle mit ihren Prüfständen, Messgeräten und anderen Apparaturen ist das Herz des Instituts, der Antrieb und große Un-terschied zu anderen Lehranstalten. „Die Ausstattung unseres Instituts ist großartig“, sagt sie. Einzigartig sei zudem, dass im Bereich der Elektrotechnik namhafte Unternehmen ihren Standort in der Region hätten. Nicht von ungefähr bekommt das Institut regelmäßig Forschungsaufträge, die sich einerseits bezahlt ma-chen und für die Studenten obendrein spannender und lehrreicher sind als Trockenübungen im Labor. Mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt tüfteln Nejila Parspour und ihre Studenten gerade an der kontaktlosen Übertragung von Energie auf Schnellzüge, ein vom Bund geförderte Projekt na-mens „The Next Generation Train“. Und in naher Zu-kunft soll hier an der Entwicklung energieeffizienter Motoren für Roboter und Nutzfahrzeuge geforscht werden. „Wenn man etwas entwickeln und bauen kann, das auch praktisch eingesetzt wird, läuft man nicht Gefahr, sich im Elfenbeinturm zu verlieren“, sagt die Professorin, die für ihre innovativen Ideen schon etliche Preise gewonnen hat, darunter in diesem Jahr auch den Übermorgenmacher-Preis des Landes für eine Technik, die das Aufladen von Elektroautos wäh-rend der Fahrt ermöglichen soll. Nejila Parspour selbst, die mit einem Franken verheiratet ist, lädt ihre Akkus im Wald, durch den sie dreimal in der Woche joggt. Sie schwimmt für ihr Leben gerne, malt Aquarelle, macht Musik oder bastelt mit ihrem elfjährigen Sohn, natürlich an Ma-schinen aller Art. Wann immer sie Zeit hat, fährt sie mit ihm auf die Besucherterrasse am Stuttgarter Flughafen, wo er stundenlang bei den Landungen und Starts zuschauen kann. Auch er ist fasziniert von der Welt der Technik, die nächste Generation von Wissenschaftlern in der Familie scheint also bereits heranzuwachsen. Zwar will der Filius derzeit lieber Pilot werden. „Aber das“, sagt Nejila Parspour, „war bei mir in diesem Alter ja auch noch so.“

Das Auto der ZukunftWenn das Automobil im Jahr 2036 sein 150-jähriges Jubiläum feiert, sollte es nach Mög-lichkeit bei höherer Leistung deutlich weniger Sprit schlucken. Dafür müssen die Autos der Zukunft vor allem leichter werden. Faserverstärkte Kunststoffe sollen dabei eine zentrale Rolle spielen. Doch was können diese Materialien und wie lassen sie sich kostengünstig und flexibel in Serie produzieren? Um diese Nuss zu knacken, haben sich die Uni Stuttgart, Forschungs-einrichtungen und Wirtschaftsunternehmen zum Forschungscampus ARENA 2036 zusam-men getan. „ARENA“ steht für „Active Research Environment for the Next Generation of Automobiles“. Das Projekt gehörte zu den Gewinnern im Wettbewerb „Forschungscampus“ des Bundesforschungsministeriums und erreichte als bester und einziger Preisträger direkt die Hauptphase der Förderung. // www.uni-stuttgart.de/forschung

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / NEUES INSTITUT / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Energieeffizienz in der ProduktionEine nachhaltige Energiepolitik wird nur erfolgreich umsetzbar sein, wenn Wohlstand und öko-nomisches Wachstum vom Energieverbrauch entkoppelt werden. Dazu muss die Energieeffizienz in der produzierenden Industrie erheblich verbessert werden. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet das neue Institut für Energieeffizienz (EEP) an der Uni Stuttgart, das im Oktober 2012 gegründet wurde. Die Heinz und Heide Dürr Stiftung und die Karl-Schlecht-Stiftung haben dafür insgesamt 2,5 Millionen Euro bereitgestellt. Davon profitieren auch die Studierenden, die über Lehrveran-staltungen, Bachelor- und Masterarbeiten sowie Promotionsvorhaben für das Thema Energieeffi-zienz sensibilisiert und nachhaltig aktiviert werden sollen. // www.uni-stuttgart.de

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AUSGEWÄHLTE STUDIENANGEBOTE:

Universität Stuttgart

Umweltschutztechnik (Bachelor/Master)

Erneuerbare Energie (Bachelor)

Energietechnik (Master)

Nachhaltige Elektrische Energieversorgung (Master)

Bauphysik (Master:Online)

Materialwissenschaft (Bachelor/Master)

Automatisierungstechnik/Mechatronik (Bachelor)

Besonderes: WAREM – Water Ressources Engineering

and Management (Master), WASTE – Air Quality Control,

Solid Waste and Waste Water Process Engineering (Master)

Hochschule für Technik Stuttgart

Umweltschutz (Master)

Bauphysik (Bachelor)

Klima Engineering (Bachelor)

Besonderes: Sustainable Energy Competence (Master)

// www.hft-stuttgart.de

Hochschule für Wirtschaft

und Umwelt Nürtingen-Geislingen

Energie- und Ressourcenmanagement (Bachelor)

Besonderes: Umweltschutz (Master of Engineering)

// www.hfwu.de

Hochschule Esslingen

Versorgungs- und Umwelttechnik (Bachelor)

Umweltschutz (Master)

Automatisierungstechnik (Bachelor)

Feinwerk- und Mikrosystemtechnik (Bachelor)

Elektrotechnik (Bachelor)

Besonderes: Energie- und Gebäudemanagement (Master)

// www.hs-esslingen.de

Universität Hohenheim

Environmental Protection and

Agricultural Food Production (Master)

Environmental Science – Soil,

Water and Biodiversity (Master)

Sustainable Agriculture and

Integrated Watershed Management (Master)

Besonderes: Studiengang Nachwachsende

Rohstoffe und Bioenergie (Bachelor)

// www.uni-hohenheim.de

Duale Hochschule

Baden-Württemberg Stuttgart

Maschinenbau (Bachelor)

Elektrotechnik (Bachelor)

Mechatronik (Bachelor)

Besonderes: Vertiefung Mechatronik/Fahrzeugelektronik

und Maschinenbau/Fahrzeug-System-Engineering als

Grundlage für Tätigkeiten im Automotive-Umfeld

// www.dhbw-stuttgart.de

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/ / / / / / HOCHSCHULREGION STUTTGART / / / / / // / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / STUDIE ZUR AKZEPTANZ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Kraftwerke von morgenFür welche zukünftigen Energiesysteme sich die Deutschen entscheiden würden, wenn sie eine Auswahl treffen müssten, zeigt eine Studie des Interdisziplinären For-schungsschwerpunkts Risiko und nachhaltige Technologieentwicklung (ZIRN) an der Universität Stuttgart und der Stiftung Mercator: Die befragten Bürger sprechen sich in erster Linie für energieeffiziente Lösungen aus, dicht gefolgt von den Erneu-erbaren Energien. Die beliebtesten erneuerbaren Technologien sind Offshore-Wind-anlagen, dagegen schnitten Biomassekraftwerke relativ schlecht ab. Schlusslichter sind die Kernkraft und traditionelle Kohlekraftwerke. // www.uni-stuttgart.de

/ / / / / / / / / / / NACHHALTIGE INFOS / / / / / / / / / / / / /

Zentrum für Elektromobilität

Im Showroom des Zentrums Elektromobilität in der Stuttgarter Türlenstraße präsentieren Unternehmen, Forschungsinstitute und an-dere Organisationen auf über 1.000 Quad-ratmetern die Möglichkeiten und Chancen der Elektromobilität. Interessierte Besucher können unter anderem Pedelecs probefahren. Deutschlandweit ist das Angebot derzeit ein-zigartig. // ecars.region-stuttgart.de

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/ / / / / / / / / / / / / / / EHRGEIZIGE ZIELE / / / / / / / / / / / / / / / /

E-MobilWie schnell wird das Elektroauto den Markt erobern? Auf diese Frage hat das Forschungs-projekt „Elektromobilität und Beschäftigung“, das der Daimler-Betriebsrat angestoßen hat, Antworten gesucht. Die beteiligten Forscher gehen davon aus, dass bis 2030 der Anteil des Verbrennungsmotors auf 40 Prozent zurück gehen wird. Das Batterieauto wird gewaltig an Fahrt gewinnen und den Markt erobern. Der Anteil der E-Fahrzeuge wird bis dahin auf 40 Prozent geschätzt. Die Bundesregierung hat das ehrgeizige Ziel von einer Million Elekt-roautos bis zum Jahr 2020 ausgegeben.

/ / / / / / / / / / / / PERSÖNLICHE BILANZ / / / / / / / / / / / /

CO2Mit dem CO

2-Rechner der Landesanstalt für

Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg kann jeder seine persönliche CO

2-Bilanz erstellen. Es benötigt nur rund zehn

Minuten und jeder kann für sich herausfinden, wo und mit welchen Mitteln Emissionen einge-spart werden können. Die Ergebnisse können gespeichert und die Entwicklung kann über mehrere Jahre dokumentiert werden. So kann man seine selbst gesteckten Ziele überprüfen.www.lubw.bw.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / AUSBLICK / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Das Gehalt der Berufseinsteiger

Berufseinsteiger mit Hochschulabschluss ver-dienen ganz unterschiedlich in Baden-Würt-temberg. Dies geht aus einer Umfrage des statistischen Landesamts hervor. 47 Prozent der befragten Studienabsolventen gaben an, nach dem Berufseinstieg bis zu 40.000 Euro brutto im Jahr zu verdienen. 27 Prozent ver-dienten zwischen 40.000 und 50.000 Euro, 22 Prozent gaben an, zwischen 50.000 und 70.000 Euro zu verdienen. Vier Prozent der Befragten kamen auf ein Gehalt, das über 70.000 Euro im Jahr lag.

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / FELDVERSUCH / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Gemeinde probtEnergiewende

In der Gemeinde Wüstenrot haben sich ein paar kluge Köpfe zusammengefunden, um eine innovative Idee im großen Stil umzuset-zen: Wüstenrot zur energieautarken Gemein-de zu machen. Mit Unterstützung des Bundes-ministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) ist unter Federführung des zafh.net aus der Idee ein Projekt geworden, das mit rund 3 Millionen Euro unterstützt wird. Stu-denten der Hochschule für Technik Stuttgart begleiten das Projekt wissenschaftlich.// www.hft-stuttgart.de

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17«FORTSETZUNG

DIE WELT VERÄNDERN.

enau zwei Menschen sind dabei, als an ei-nem tristen Wintertag in 2.400 Metern Höhe eine Idee ins Fliegen kommt. Es ist der

31. Dezember 1987. Auf dem Hörnli in Arosa friert ein junges Paar. „Ich muss mich entscheiden“, sagt er. „Ich gehe deinen Weg mit“, sagt sie. Dies ist, wenn man so will, die Schlüsselszene im biografischen Film von Rolf J. Heiler, dem Chef der Heiler Software AG. Der Mann kennt sich aus mit Fotos und Filmen. Seit seiner Jugend hat er ein Faible für Kameras, erwärmt sich an ihrer Technik und hält das Familienleben im Bild fest. Sein ganz persönlicher Film besteht aus Szenen, die nur in sei-nem Kopf konserviert sind. An diesem Morgen gibt er sie in einem Weilimdorfer Konferenzraum frei. Heiler sitzt an einem ovalen Tisch, an dem für gewöhnlich eckige Probleme gelöst werden. Er trägt ein blaues Jackett zur beigen Hose. Wache Augen blicken unter der Randlos-Brille aus einem neugierigen Gesicht. Der Chef schenkt sich einen Kaffe aus einer Thermoskanne namens „President“ ein, bevor er den Film startet, in dem er die Haupt-rolle spielt und gleichzeitig Regie führt. Die Rückblende beginnt mit der Nahaufnah-me eines Studenten an der Württembergischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie, welche an die Berufsakademie angegliedert ist, aus der später die Duale Hochschule hervorgegangen ist. Die Tage des jungen Betriebswirtschaftlers sind ausgefüllt und meistens auch die Nächte. Morgens verkauft der Student Versicherungen, mittags sitzt er in Vor-lesungen und nachts schreibt er für sein Büro auf-wändige Programme am Computer. Rolf Heiler, der umtriebige Student, ist 1959 in Göppingen geboren und hat das Gymnasium zu-nächst nach der Mittleren Reife verlassen, um eine Lehre als Versicherungskaufmann zu machen. Seine Leidenschaft sind Kameras. Mit 13 hat er vom Va-ter seinen ersten Apparat bekommen, eine Kodak instamatic, 35mm-Kleinbildfilm. Mit 15 jobbte er in einer Korntaler Kistenfabrik und kaufte sich vom Lohn seine erste Canon. Später wird er sich dem Filmen widmen und modernste Technik anschaffen, die es ihm ermöglicht, eigene Welten zu schaffen. Bevor es so weit ist, befasst er sich im Hör-saal mit wirtschaftlichen Zusammenhängen. Die Studienzeit prägt ihn, in der er Theorie in Stuttgart büffelt und Praxis im eigenen Versicherungsbüro sammelt. „Das Studium hat bei mir zwei ganz we-sentliche Dinge ausgelöst“, sagt Heiler. „Der juristi-

sche und betriebswirtschaftliche Teil hat mich dafür geschult, wie man ein Unternehmen rechtlich kons-truieren muss. Und ich wurde im Studium zu einem Verfechter der Marktwirtschaft.“ Regulierte Märkte sind ihm seitdem suspekt. Wer die Nase vorne ha-ben will, prägt er sich ein, darf nie stehen bleiben und muss ständig innovativ sein. Der Student kauft sich vom Ersparten einen neuen Computer. Als Selfmade-Softwerker schreibt er Programme für den Hausgebrauch. Irgendwann klopft eine Zahnradfabrik an, die Hunderte von Tei-len anbietet und den Einkauf automatisieren will. Heiler entwickelt in vielen Nachtschichten die neue Unternehmenssoftware. Nach dem Studium be-treibt er sein Versicherungsbüro weiter und taucht nebenbei immer tiefer in die Welt der Programmier-kunst ein. Im Jahr 1987 entscheidet er sich auf dem Hörnli in Arosa, das alte Leben hinter sich zu lassen. In einem Zimmer der Wohnung fängt er an. Es gibt man-cherlei Gründe, warum gute Ideen nicht zün-den. Einer davon ist das Verzagen. Heiler denkt nicht ans Scheitern. „Man muss es so sehr wollen,“sagt er, „dass man sich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr fragt, ob es schief gehen könnte.“ Der Autodidakt entwickelt eine programmier-bare Textverarbeitung und eine Grafik-Bibliothek, die ihm viele Kunden beschert. Mitte der neunziger Jahre klingelt das Telefon und am anderen Ende der Leitung meldet sich der Chefentwickler des Walldorfer Softwarekonzerns SAP. Das renommier-te Unternehmen will Heilers Textverarbeitung ins Hauptprogramm einbauen. Ein großer Auftrag. Der nächste kündigt sich an einem regneri-schen Samstag im Wohnzimmer an, wo ihm seine Frau plötzlich einen Zeitungsartikel zeigt. „Kapi-tal sucht Risiko“, lautet die Überschrift. Eine Wirt-schaftsinitiative fahndet im Auftrag des Landes nach zündenden Geschäftsideen. Heiler setzt sich spon-tan an den Computer und tippt seine Gedanken he-runter. In seinem Kopf nimmt ein web-shop Gestalt an, den Firmen individuell nutzen können, ohne dafür programmieren zu müssen. Sein Ent-wurf wird prämiert, der Geschäftsführer von

Bereits als Student an der

Berufsakademie bewies er ein

Gespür für gute Geschäfte und

programmierte nebenbei. Später

startete Rolf Heiler mit der

eigenen Softwareschmiede durch.

Programme für die Zukunft

g

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«

DIE WELT VERÄNDERN.

Hewlett-Packard Deutschland, Klaus-Dieter Laidig, meldet sich und coacht die junge Fir-

ma. Wenig später steht eine Investment-Bank aus England parat und auch die Walldorfer Softwaresch-miede zeigt Interesse an einer Beteiligung. Im Jahr 2000 geht die Heiler Software AG an die Börse. Der Chef ist auf Wolke sieben. Von der Daten-Cloud der Zukunft ahnt er noch nichts, wohl aber von den gegenwärtigen Chancen, die in der Waren-wirtschaft des Internets liegen. „Im Prinzip sind wir Maschinenbauer“, sagt er über seine Branche. „Wir nehmen stupide Arbeit weg von Menschen und überantworten sie einem programmierten Gerät.“ Gesegnet mit der Gabe, nicht alles bis ins letzte De-tail planen zu wollen, verwandelt der Betriebswirt sein Software-Haus in eine Internet-Firma. Dabei gibt es Aufs und Abs im neuen Markt, auch für die Investoren. Manche gehen, Heiler bleibt. Für große Unternehmen entwickelt er ausgeklügelte Beschaf-fungssysteme auf der Basis von elektronischen Ka-talogen. Er setzt dabei auf Komplett-Lösungen. „Die Kunden wollen nicht zum IT-Spezialisten werden“, sagt er, „sie wollen nur die Software nutzen.“ Die Company in Weilimdorf wächst, fasst Fuß in den USA, arbeitet für Unternehmen wie Daimler und Coca Cola. Früher als andere erkennt der Vor-standsvorsitzende, dass immer mehr Datenfried-höfe in den Weiten des Internets entstehen. Viele Betriebe haben diverse Datentöpfe, aus denen sie sich bedienen. Manche davon sind längst verros-tet. Heiler spezialisiert sich darauf, die vagabundie-renden Produktinformationen in eine Datenquelle umzuwandeln, die zyklisch gepflegt wird, auf dass gereinigte Produkte am Ende in alle Absatzkanäle sprudeln. Das spart Geld und steigert den Absatz. Ein harter Job in einer harten Branche. Heiler entspannt sich am Wochenende, indem er Filme mit hochmodernen Kameras dreht, die er sich jetzt leisten kann. Mit der Filmakademie in Ludwigsburg arbeitet er gelegentlich zusammen, der er seine kostspieligen Gerätschaften zur Verfügung stellt und dafür den Profis über die Schultern schauen darf. Er kann das Know-how, das er dabei mit-nimmt, für die Urlaubsgeschichten nutzen, die er filmisch erzählt. Seine Frau und die drei Kinder sind die Hauptdarsteller. In der Familie erdet er sich. Zu Hause sucht er die innere Mitte zwischen berufli-chen Hochs und Tiefs. Seine Frau hilft ihm dabei. „Sie ist mein Kompass“, sagt er. Der biografische Film geht langsam zu Ende. Im Konferenzraum nebenan debattieren IT-Spezialisten über ihre Branche, in der große Player die kleineren schlucken. 150 Mitarbeiter hat die Firma mittlerweile auf der Lohnliste. Im vorigen Jahr wurde der Umsatz um 48 Prozent auf knapp unter 20 Millionen Euro gesteigert. So etwas spricht sich herum. Vor kurzem machte die Informatica Corporation aus Kalifornien ein Übernahmeangebot, das man nur schwer ableh-nen kann: Für den zweieinhalbfachen Börsenwert wurde die Heiler AG von den Amerikanern über-nommen. „Ein gutes Geschäft“, findet der Chef. „Die Zukunft des Unternehmens ist gesichert.“ Abspann. Der Hausherr lehnt sich zurück und kneift für einen Moment die Augen zu wie der nach-denkliche Robert Redford in „Der Pferdeflüsterer“. Rolf Heiler hat seine Geschichte erzählt. Das nächste Drehbuch ruft. Es zieht ihn an den Schreibtisch.

Keine blutleere HochschuleDie Duale Hochschule Baden-Württemberg ist alles andere als eine blutleere Hochschule. Ge-meinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz werden Blutspendeaktionen an den Standorten der Hochschule organisiert. Ziel der Aktion ist es, möglichst viele Spender unter den Studierenden zu mobilisieren und vor allem auch viele Erstspender zu gewinnen. Die Idee, das Potenzial der insge-samt 28.000 Studierenden der Dualen Hochschule für einen guten Zweck einzusetzen, stammt vom Allgemeinen Studierendenausschuss. In dem standortübergreifenden Gremium wirken Stu-dierendenvertreter aller acht Hochschulestandorte mit. Nacheinander organisieren sie vor Ort an allen DHBW-Standorten einen großen Blutspendetag. Das Durchschnittsalter der Blutspender liegt in Deutschland bei 42 Jahren. Um so wichtiger ist es, gerade auch jüngere Spender zu gewinnen. // www.dhbw-stuttgart.de

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Drei unter einem (Doktor)HutDie Universitäten Stuttgart und Tübingen und die Hochschule der Medien haben sich zum ko-operativen Promotionskolleg Digital Media zusammengeschlossen. Das Kolleg wird vom Land Baden-Württemberg mit zwölf Vollzeit-Stipendien nach dem Landesgraduiertenförderungsgesetz (LGFG) für maximal drei Jahre unterstützt. Der Schwerpunkt des Kollegs liegt auf den Gebieten Medienproduktion, Visualisierung und Computergrafik/Vision. Dabei werden alle wichtigen tech-nischen Aspekte digitaler Medien wie Bildgewinnung, Bild- und Videoverarbeitung, Bildsynthese, Visualisierung sowie Displaytechnik in Verbindung mit künstlerischen Aspekten abgedeckt.// www.hdm-stuttgart.de

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AUSGEWÄHLTE STUDIENANGEBOTE:

Universität StuttgartElektrotechnik und Informationstechnik (Bachelor/Master)Mechatronik (Bachelor)Informatik (Bachelor/Master)Informationstechnik (Bachelor/Master in Vorbereitung)Softwaretechnik (Bachelor/Master)Besonderes: Simulation Technology (Exzellenzstudiengang Bachelor), GEOENGINE – Geomatics Engineering und Information Technology (internationale Studiengänge Master)// www.uni-stuttgart.de

Universität HohenheimWirtschaftsinformatik (Bachelor)Besonderes: Kommunikationsmanagement (Master)// www.uni-hohenheim.de

Hochschule EsslingenAutomatisierungstechnik (Bachelor)Feinwerk- und Mikrosystemtechnik (Bachelor)Elektrotechnik (Bachelor)Kommunikationstechnik (Bachelor)Technische Informatik (Bachelor)Softwaretechnik und Medieninformatik (Bachelor)Wirtschaftsinformatik (Bachelor) Automotive Systems (Master)Besonderes: MechatronikPlus (Ausbildung und Bachelor)// www.hs-esslingen.de

Hochschule der Medien StuttgartMedieninformatik (Bachelor)Informationsdesign (Bachelor)Online-Medien-Management (Bachelor)Wirtschaftsinformatik (Bachelor)Besonderes: Computer Science and Media (Master)// www.hdm-stuttgart.de

Hochschule für Technik StuttgartInformatik (Bachelor)Mathematik (Bachelor)Vermessung (Master)Vermessung und Geoinformatik (Bachelor)Besonderes: Software Technology (Master, englischsprachig)// www.hft-stuttgart.de

Duale Hochschule Baden-Württemberg StuttgartElektrotechnik (Bachelor)Besonderes: Angewandte Informatik (Bachelor) // www.dhbw-stuttgart.de

AKAD Hochschule StuttgartMechatronik (Bachelor)Wirtschaftsinformatik (Bachelor, Master)Besonderes: Das AKAD-Studium ist eine Kombination aus Fernstudium, Präsenzseminaren und Online-Studium// www.akad.de

FOM Hochschule für Oekonomie & ManagementWirtschaftsinformatik (Bachelor)// www.fom-stuttgart.de

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/ / / / / / HOCHSCHULREGION STUTTGART / / / / / /

/ / / / / / / UMSATZ MIT OPEN SOURCE / / / / / / /

1.000Laut einer Studie des Fraunhofer IAO gibt es in der Region Stuttgart rund 1.000 zumeist kleinere IT-Unternehmen, die ihren Umsatz vollständig mit Dienstleistungen auf Basisfreier Software erzielen.// www.it.region-stuttgart.de

/ / / / / / / / / / / / SOFTWARE-BRANCHE / / / / / / / / / / / /

Boom!Laut einer Studie der IHK Region Stuttgart vom August 2012 verzeichnete die IT/Soft-ware-Branche in den vergangenen Jahren mit rund 5,45 % die höchsten Zuwächse aller in der Region Stuttgart vertretenen Branchen. // www.stuttgart.ihk24.de

/ / / / / / / / / / / / / / MOBILE HELFERLEIN / / / / / / / / / / / / /

700.000Etwas mehr als 700.000 Apps sind aktu-ell für iOS-Nutzer im App Store verfügbar. Im Geburtsjahr der Apps, dem Jahr 2008, waren es gerade mal 500. Apps sind Appli-kationen für Geräte wie iPhone, iPpad und iPod, die im täglichen Leben in vielen Situa-tionen helfen: als Routenplaner im Auto, bei der Auswahl kalorienarmer Nahrungsmittel, als Währungsrechner, Wörterbuch, Wasser-waage, Wettervorhersage oder, oder, …

/ / / / / / / / / / / GEBALLTE KOMPETENZ / / / / / / / / / / /

Netzwerke, Szene und InitiativenDas Softwarezentrum Böblingen/Sindelfingen wurde 1995 von den Städten Böblingen, Sindelfingen, der IHK-Bezirkskammer Böb-lingen sowie dem Land Baden-Württemberg initiiert. Mit 8.300 Quadratmetern Büroflä-chen gehört es zu den größten branchen-bezogenen Technologiezentren in Europa. Ein Erweiterungsbau mit zusätzlichen 3.000 Quadratmetern schafft ab Februar 2014 Raum für weitere Firmen. „Wir sind gleich-zeitig Themenimmobilie und Netzwerk und bieten unseren Mietern und Mitgliedern günstige Flächen, Unternehmensservices und Kooperationsmöglichkeiten“, erklärt Geschäftsführer Hans-Ulrich Schmid. Etwa 90 IT-Unternehmen haben sich im Soft-warezentrum niedergelassen.// www.softwarezentrum.de

/ / / / / / ANGEWANDTE INFORMATIK / / / / / / /

GeniAALZiel des Verbundprojektes „GeniAAL“ ist die erfolgreiche Entwicklung und Erprobung einer berührungslosen, gestenbasierten Benutzerschnittstelle, welche Menschen in ihrem täglichen Leben bei der Interaktion mit technischen Assistenzsystemen unter-stützt. Als Basis wird hierzu unter anderem die von Microsoft entwickelte Sensorleiste „Kinect“ eingesetzt. Sie bietet die techni-sche Voraussetzung, Personen, ihre Hal-tung und Gesten aus der Distanz zu erken-nen, zu verfolgen und Handlungen darauf aufzubauen. Durch die berührungslose Bedienung technischer Assistenzsysteme kann darüber hinaus in Krankenhäusern und im Pflegebereich die Übertragung von Krankheitserregern wie Viren und Bakteri-en vermindert werden, da keinerlei Über-tragung durch Berührung erfolgen kann. Die HFT Stuttgart ist mit ihren Laboren für Unternehmenssoftware sowie Embedded Systems primär an der softwaretechni-schen Umsetzung beteiligt.// www.geni-aal.de//////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////

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„Im Internet ist gar nichts.

Außer Elektromagnetismus.“ Frieder Nake, geb. 1938 in Stuttgart,

deutscher Mathematiker, Informatiker und Computerkünstler

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21«FORTSETZUNG

DIE WELT VERÄNDERN.

igentlich sagt die große Weltkarte am Schreibtisch fast alles über Folkard Asch. Sie

hängt in seinem Büro wie ein Gemälde, das viele Umzüge hinter sich hat und deshalb voller Erinne-rungen steckt. Wenn Folkard Asch auf die Karte schaut, dann schaut er auf sein Leben. Er könnte Fähnchen auf die Kontinente stecken, wie das Menschen manchmal tun, wenn sie weit he-rumgekommen sind. Das liegt ihm nicht. Er hat die Orte seiner Geschichte auch so konserviert. Papua Neuguinea. Senegal. Dänemark. Uganda. Peru. Ar-gentinien. China. Folkard Asch ist ein Reisender der Wissenschaft, den viele Fragen umtreiben und eine im Besonderen, auf die er seine ganz persönliche Ant-wort sucht: „Wie kann ich in dieser vielfältigen Welt überhaupt einen Unterschied machen?“ Es ist früher Morgen auf dem grünen Campus der Uni in Hohenheim. Studenten hasten in die Vor-lesung. Folkard Asch sitzt in seinem Büro vor einem Kaffee und runzelt die Stirn. „Wollen Sie auch einen? Ich kann ihn nicht empfehlen.“ Statt schlechtem Kaffee serviert er lieber gutes Wasser, Grundlage al-len Lebens, wie der Professor wortreich zu belegen vermag, dessen Fachgebiet offiziell „Wasserstress-Management bei Kulturpflanzen in den Tropen und Subtropen“ ist. Ein sperriger Titel für einen gerad-linigen Wissenschaftler, der sich seit vielen Jahren mit der Anpassung von Pflanzen an sich rasant wan-delnde Produktionsbedingungen befasst. Man kann sich ein solches Themengebiet auf mancherlei Weise aneignen. Folkard Asch tat es, indem er sich auf den Weg zu entlegenen Orten machte und dabei für sich lernte, nicht nur über die Welt der Pflanzen, sondern auch über den Homo sapiens. Da er ein kommunikativer Typ ist, kam er leicht mit den Leuten ins Gespräch und stellte fest, dass akademischer Dünkel nicht seine Sache ist: „Es gibt viele Menschen, die nicht studiert haben und trotzdem klasse Typen sind.“ Asch begegnete auf seinen Reisen der For-schung, der Lehre und der Wissenschaft. Manchmal wunderte er sich über die Kleinräumigkeit, mit der Menschen große Fragen behandeln. Er suchte nach Zusammenhängen und kam dabei zu einem Befund, der ihn bis heute umtreibt. „Umweltverschmutzung, Klimawandel und Welternährung sind Facetten ei-nes Problems, das sich nur global angehen lässt.“ Erkenntnisse über das Große reifen meistens im Kleinen. Bei Asch fing es im Biologieunterricht an. 1964 in Bremen geboren, wuchs er in Ham-burg auf und traf als mäßiger Schüler auf einen Biolehrer, der Landwirt war und in Asch das Feuer für die Gesetzmäßigkeiten des Lebendigen weckte und die Begeisterung für evolutionäre Vielfalt. Sol-chermaßen infiziert studierte der Jungbiologe nach

Abitur und Zivildienst sein Lieblingsfach. Im fünften Semester schiffte sich Asch mit einem Freund nach Papua Neuguinea ein, um in einer Forschungssta-tion zu arbeiten. Die Reise wurde zum Schlüsseler-lebnis. Es war, als würde er durch ein Mikroskop auf sich selbst schauen und die Details groß sehen. Asch traf Asch. Ein neuer Blick auf sich selbst. „Mir wurde bewusst, wie groß diese Welt ist und wie klein ich darin bin. Und mir wurde klar, dass überall Menschen leben, die unterschiedlich aussehen und alle dieselben Zusammenhänge haben.“ Zurück in Hamburg spezialisierte sich der Bio-loge auf Pflanzenphysiologie und begegnete einem Professor, der für ihn ein Forschungsprojekt aus der Schublade zog. Es ging um Reis und um die Frage, wie er unter Stress gedeiht. Ein Thema mit Praxis-bezug. Fast 60 Prozent aller Menschen leben von der Nutzpflanze. Der Klimawandel macht sich an den Feldern zu schaffen. Was früher wuchs, blüht heute oft zu früh, wird von zu viel Niederschlag heimgesucht oder ausgetrocknet. Asch wurde Berater am afrikanischen Reisent-wicklungszentrum im Senegal. Er fing an, auf sei-ne Art die Welt ein bisschen zu verändern. In der Gegend wurde damals nur einmal im Jahr Reis angebaut. Das lag an den verwendeten Sor-ten, an den Gewohn-heiten der Leute und manchmal auch daran, dass über die Flüsse salzhaltiges Brackwas-ser auf Felder gespült wurde. Asch arbeitete mit seinen Kollegen da-gegen an. Heute wird dort zweimal im Jahr Reis angebaut. Der Biologe blieb insgesamt vier Jahre im Senegal und verfasste nebenbei seine Doktorarbeit über „physiologische Faktoren der Salzresistenz bei Reis.“ 1996 wurde der Forscher zum ersten Mal Vater, was ihn nicht daran hinderte, seine Reise mit der Familie fortzusetzen. Sie zogen an die El-fenbeinküste. Diesmal ging es bei einem internati-onalen Projekt um die Frage, wie sich bestimmte Unkräuter auf Reisplantagen auswirken. Zwei Jahre später kam ein Anruf aus Dänemark, wo Pflanzen-physiologen einen Fachmann suchten, der sich mit Trockenstress von Mais und Raps befasst. Wieder packte die Familie ihre Koffer, wieder blieben sie zwei Jahre, ehe sie dem Ruf nach Bonn folgten. Ein befreundeter Professor suchte dort einen Do-zenten für die Universität. Asch blieb sechs Jahre, lernte das Lehren und habilitierte über

Der Reis hat es Professor Folkard

Asch angetan. Er sieht ihn nicht

nur in der Horizontalen wachsen,

sondern auch in der Vertikalen.

„Skyfarming“ nennt sich seine

Vision vom Reisanbau im Hochhaus.

Reisender in Sachen Reis

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DIE WELT VERÄNDERN.

«„Pflanzliche Reaktionen auf abiotischen Stress unter veränderten Umweltbedingungen“. Seit

2007 ist er Professor an der Universität Hohenheim. Vielleicht ist es ein Ort für länger. „Das ist der beste Arbeitsplatz, den ich in Europa je hatte“, sagt er. Der Campus, die Kollegen, die Studenten – guter Humus für einen Agrarforscher wie Asch. In Hohenheim lei-tet der Professor das Tropenzentrum, das weltweit in ein Partnernetzwerk von 85 Universitäten und For-schungseinrichtungen eingebettet ist. Nebenbei ist er Prüfungsausschussvorsitzender von drei internati-onalen Studiengängen und Vorsitzender der Arbeits-gemeinschaft Tropische und Subtropische Agrarfor-schung, die jedes Jahr den Tropentag organisiert, zu dem 800 Wissenschaftler und Entwicklungsexperten aus mehr als 80 Ländern zusammenfinden. Ein Zweckbündnis ganz nach dem Geschmack des Globetrotters Asch, der ein Netzwerker aus Überzeugung ist. „Miteinander reden und mitei-nander denken“, sagt er. Der Mikrokosmos ist für ihn nicht ohne den Makrokosmos denkbar. „Es geht nicht um Einzelprojekte, sondern darum, dass sich alle zusammensetzen und als Team arbeiten.“ Er selbst tut das in besonderer Weise bei einem seiner Lieblingsprojekte namens Skyfarming. Apo-diktisch im Ton, schonungslos in der Klarheit erklärt er mit leichtem Hamburger Akzent seine Vision vom Reisanbau in der Vertikalen. Wehe dem, der ihn fragt, ob das nicht wissenschaftliche Folklore sei mit dem Hochhaus voller Reis. In solchen Fällen verengen sich seine Augen zu kleinen Schlitzen als wollten sie zielen. Umgehend kontert der Professor seinerseits mit einer Frage: „Was glauben Sie hätten die Leute in den fünf-ziger Jahren gesagt, wenn man ihnen erklärt hätte, die Menschen würden bald zum Mond fliegen?“ Kaum hat er diesem Satz die Freiheit geschenkt, entfacht der Professor einen Sturm an Zahlen und Fakten, der jeden Widerspruch davon weht. Gerin-gere Ernteverluste, kürzere Transportwege, klima-neutraler Anbau und ein Vielfaches an Ertrag pro Fläche: All diese Ziele verfolge das Forschungsprojekt Skyfarming mit der Idee hocheffizienten Reisanbaus unter optimalen Bedingungen in einem durchtech-nisierten Hochhaus. „Nehmen Sie die Stadt Tokyo“, doziert sich Asch in Wallung, „dort werden jeden Tag etwa 5.500 Tonnen Reis gegessen, was umge-rechnet 130 Lastwagenladungen je 40 Tonnen be-deutet. Dafür benötigt man 450.000 Hektar Fläche für den Anbau, was ungefähr der doppelten Größe Tokyos entspricht. Da es dafür keine Flächen in der Stadt gibt, muss man auf Dauer nach oben.“ Der Professor forscht mit seinem Team an Reis-sorten mit wenig Gewicht, am richtigen Nähstoff-nebel, welcher das Wasser ersetzt, um das Ganze überhaupt statisch in einem Hochhaus ermöglichen zu können. Der Anfang ist gemacht, der Wissen-schaftler brennt für das Projekt: „Die Megastädte wachsen, das Ackerland nimmt ab. Im Hochhaus ließe sich Reis an 365 Tagen pro Jahr produzieren. Er wäre geschützt vor Dürre, Frost, Starkregen, Krank-heiten und Insekten. Transportwege ließen sich ver-kürzen, Dünger und Wasserverbrauch verringern.“ Folkard Asch schaut auf seine Uhr. Er könnte noch Stunden über Reis reden, muss aber leider wei-ter. Bald geht es wieder zu einem seiner Doktoranden, die rund um den Globus verteilt sind. Eine neue Reise. Ein neuer Ort auf der Weltkarte in seinem Büro.

30 Jahre TropenzentrumAuf dieser Welt hungern mehr als eine Milliarde Menschen. „Was tun?“, fragen sich viele. Seit 30 Jahren stellt sich das Tropenzentrum an der Uni Hohenheim globalen Herausforderungen. Gesucht werden passende Antworten für komplexe Fragen, die letztlich alle betreffen. „Das geht nicht allein, das geht nur gemeinsam“, sagt Folkard Asch, der Leiter des Tropenzen-trums, das seit seiner Gründung mehr als 100 Länder für seine Arbeit in ein Netzwerk aus Alumni, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Entwicklungsorganisationen und anderen Partnern eingebunden hat. Immer wieder gibt es auch symbolträchtige Aktionen wie jene, bei der Studierende aller Kontinente die Welt von unten betrachten. Allein in Hohenheim sind 100 Wissenschaftler am Tropenzentrum engagiert. Weltweit gehört das Tropenzentrum zu den bekanntesten Einrichtungen dieser Art. // www.troz.uni-hohenheim.de

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Stallgeruch weht Der Landwirtschaftliche Lehr und Versuchsbetrieb Tachenhau-sen der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geis-lingen (HfWU) ist um eine Attraktion reicher: Am Wochenende wurde dort ein neuer Lehrkuhstall in Betrieb genommen. Stu-dierende des Studienganges Agrarwirtschaft waren maßgeblich an dem Projekt beteiligt. Der neue Lehrkuhstall verfolgt die Ziel-setzung, den Studierenden zum einen Stallbautechnik auf dem neuesten Stand zu präsentieren. // www.hfwu.de

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/ / / / / FASCINATION OF PLANTS DAY / / / / / /

Gute und bösePflanzenviren

Verheerende Ernteausfälle auf der einen Seite, Bauteil-Lieferant für die Nanotechnologie auf der anderen: Bei Pflanzenviren ist keine einfa-che Einteilung in Gut und Böse möglich. Wis-senschaftler am Biologischen Institut der Uni erforschen beide Seiten. Anlässlich des ersten internationalen Aktionstags zur weltweiten Bedeutung von Pflanzen, des „Fascination of Plants Day“, stellten die Forscher am 15. Mai das gesamte Spektrum ihrer Arbeit vor – von ultrasensitiven Diagnosetechniken für Pflan-zenschädlinge bis hin zu funktionellen Transis-toren auf Pflanzenvirusbasis.// www.uni-stuttgart.de/bio

/ / / / / / / / / / / DOMINANTE FRUCHT / / / / / / / / / / / / / / /

69%Rund 69 Prozent des in Baden-Württemberg angebauten Baumobstes sind Äpfel.// www.statistik.baden-wuerttemberg.de

/ / / / / / / BIENENSTERBEN STOPPEN / / / / / / / / / / /

2.300.000Im bundesweiten Projekt Fit-Bee suchen For-scher und Praktiker der Universität Hohen-heim nach Ursachen und Lösungen für die regelmäßig auftretenden Bienenschäden. Die Uni koordiniert das Projekt, das das Bun-desagrarministerium mit 2,3 Millionen Euro fördert. // www.uni-hohenheim.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / ANGESPANNTE LAGE / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Zimmer gesuchtAllein die Universität der Landeshauptstadt Stuttgart hat im neuen Semester rund 5.000 Studienanfän-ger. Das macht sich auf dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt in Stuttgart und Umgebung be-merkbar. Auch an der Universität Hohenheim, de-ren Wohnheimplätze das Studentenwerk Tübingen vergibt, ist es nicht besser. „Die Lage ist angespannt, wir haben Notquartiere bereitstellen müssen“, sagte ein Sprecher. In Freiburg ist die Not ebenfalls groß. Dort wurden zu Semesterbeginn auf 100 000 Bröt-chentüten einer Bäckerei Aufrufe für die Vermittlung privater Zimmer verteilt. Bei einer Plakataktion werben zudem Prominente wie Wissenschaftsministerin There-sia Bauer für private Bleiben – und das offensichtlich mit Erfolg. Es sind bereits mehr Zimmer gemeldet worden. // www.studentenwerk-stuttgart.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / STUDIUM 3.0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Humboldt reloadedUnter dem Begriff Studium 3.0 fasst die Uni-versität Hohenheim mehrere Projekte zusam-men, die die Lehre mit frischen Ideen stetig verbessern will. Ziel ist es, schon sehr früh im Bachelor-Studiengang durch wissenschaftli-che Kleinprojekte zu lernen. Unter der Anlei-tung von wissenschaftlichen Mitarbeitern und Hilfskräften leisten die Studierenden einen Beitrag zur Forschung und blicken hinter die Kulissen wissenschaftlicher Arbeit. Das Bun-desforschungsministerium fördert das Projekt Humboldt reloaded mit 7,5 Millionen Euro aus dem Qualitätspakt Lehre des Bundes.// www.studium-3-0.uni-hohenheim.de

AUSGEWÄHLTE STUDIENANGEBOTE:

Universität HohenheimBiologie (Bachelor/Master)Agrarwissenschaften (Bachelor/Master)Agrarbiologie (Bachelor/Master)Agribusiness (Master)Agricultural Economics (Master)Agricultural Science in the Tropics and Subtropics (Master)Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie (Bachelor)Enzym-Biotechnologie (Master)Environmental Protection and Agricultural Food Production (Master)Organic Agriculture and Food Systems (Master)Technische Biologie (Bachelor/Master in Vorbereitung)Besonderes: Sustainable Agriculture and Integrated Wa-tershed Management (Master)// www.uni-hohenheim.de

Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-GeislingenLandschaftsplanung und Naturschutz (Bachelor)Umweltschutz (Master)Agrarwirtschaft (Bachelor/Master)Besonderes: Pferdewirtschaft (Bachelor)// www.hfwu.de

Universität StuttgartUmweltschutztechnik (Bachelor/Master)Besonderes: Internationaler Masterstudiengang Air Quality Control, Solid Waste and Waste Water Process Engineering (WASTE)// www.uni-stuttgart.de

Hochschule EsslingenVersorgungstechnik und Umwelttechnik (Bachelor)Umweltschutz (Master)Besonderes: Biotechnologie (Bachelor)// www.hs-esslingen.de

Hochschule für Technik StuttgartVermessung und Geoinformatik (Bachelor)Umweltschutz (Master)Besonderes: Sustainable Energy Competence (Master)// www.hft-stuttgart.de

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Vorbildliche Hochschule Esslingen

Als erste Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Baden-Württemberg ist die Hochschule Esslingen erfolgreich nach dem europäischen Umweltmanagementsystem EMAS (Eco Management and Audit Scheme) validiert worden. Somit wurde ein funktionierendes Umweltmanagementsystem einge-führt mit dem Ziel, die Umweltleistung der Hochschule kontinuierlich zu verbessern. // www.hs-esslingen.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / ÖKO-BROKKOLI AUS HOHENHEIM / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Alles GeschmackssacheEin harter Test umrahmt von Blattgold, Stuck und Spiegeln: „Überlegen im Ge-schmack“ und „das ideale Kinder-Gemüse“ seien die neuen Öko-Brokkoli-Sor-ten aus ihrem Forschungsprojekt, behaupten drei Studierende der Universität Hohenheim. Im November prüften ein paar besonders anspruchsvolle Gaumen, ob sie das vollmundige Versprechen halten: Gourmetkoch Frank Oehler und vier Kinder verkosteten in den Rokkoko-Räumen des Sterne-Restaurants Speise-meisterei die neuen Sorten. Es ist eine Rückbesinnung auf alte Werte: „Unser Projekt versucht, die alten, samenfesten Brokkoli-Sorten weiterzuentwickeln,

die fast schon in Vergessenheit geraten waren“, erklärt Stefanie Wolf, Betreuerin der Studierenden und Dokto-randin am Lehrstuhl Allgemeiner Pflanzenbau von Prof. Dr. Wilhelm Claupein. // www.speisemeisterei.de

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25«FORTSETZUNG

DIE WELT VERÄNDERN.

uf welcher Seite das Herz von Jörg Hofmann schlägt, verrät sein Büro im zweiten Stock

eines modernen Neubaus, der zwischen denk-malgeschützten Backsteinveteranen der einstigen Lederfabrik Roser auf einer Industriebrache in Feu-erbach steht. Zwei Kunstplakate hat der Hausherr neben seinem geräumigen Schreibtisch hängen. Eines davon gehört zu den düsteren Arbeiterbildern des norwegischen Malers Edvard Munch, der es wie kein anderer verstanden hat, Qualen in Farben auszudrücken. Direkt daneben dreht ein gebeug-ter Arbeiter im Unterhemd unermüdlich an einem eisernen Schwungrad, das eine ganze Maschinen-fabrik anzutreiben scheint. „Riese Proletariat und große Maschinerie“ steht in roten Lettern auf dem symbolträchtigen Kunstwerk, mit dem einst eine Ausstellung über die Darstellung der Arbeiterklasse in der Fotografie beworben wurde. Hofmann, SPD-Mitglied und Chef der mitglie-derstarken und mächtigen IG-Metall in Baden-Würt-temberg, trägt einen roten Gewerkschaftsbutton am Revers. Er ist in Plauderlaune und referiert über Arbeitszeitmodelle, flexible Tarifverträge, Zwei-Klas-sen-Systeme, Beschäftigungssicherheit und zähe Ver-handlungen mit den oft unnachgiebigen Bossen der Arbeitgeberseite, die sich mitunter schier endlos zie-hen. 130 Tage lang hat der Gewerkschafter beispiels-weise gerungen, um Arbeiter und Angestellte bei der Ermittlung des Entgelts gleichzustellen und damit „endlich diese nicht mehr zeitgemäße Nachkriegsre-gelung abzuschaffen“, wie er sagt. „Wir wollten ein gerechtes Bewertungssystem einführen, das die An-forderungen der heutigen Arbeitswelt aufnimmt und für alle Beschäftigten gleich wirkt.“ 2003 wurde der richtungsweisende Tarifvertrag für bundesweit fast zwei Millionen Arbeitnehmer ins Werk gesetzt. Wann immer der Diplom-Ökonom an einem Verhandlungstisch im Land sitzt, geht es um ziem-lich viel, um Millionen und Milliarden, um reichlich Bares also, das den Arbeitgebern bekanntermaßen nicht so locker in den Taschen sitzt. Oft sitzen sich die Parteien beim Tauziehen um die Prozente un-versöhnlich gegenüber, wobei Hofmann längst auf beiden Seiten des Tisches für seine angenehm un-aufgeregte und sachliche Art bekannt ist. Der Ver-handlungsführer ist nicht der Typ von Gewerkschaf-ter, der hemdsärmlig mit hochrotem Kopf immer lauter wird, wenn nichts voran geht. Er ist ein Mann der leisen Töne und bestechenden Argumente, ei-ner der beharrlichen Sorte. „Es ist nicht meine Art, im Auftritt die Lösung zu suchen“, sagt er. „Man muss strategisch denken und geduldig sein.“ Im Remstäler Oppelsbohm als Sohn eines Leh-rerpaars aufgewachsen, wollte Hofmann sein Glück

eigentlich in der Landwirtschaft suchen, inspiriert von der Heimat seiner Jugend. Nach kurzer Ausbil-dung in einem landwirtschaftlichen Betrieb studierte der damals 21-Jährige zunächst tatsächlich Agra-rökonomie an der Universität Hohenheim. Ziemlich schnell verlegte er sein Fachgebiet dann aber weg von der Erforschung landwirtschaftlicher Märkte auf die Zusammenhänge von Wirtschaftssystemen und auf Industriesoziologie. „Das hat mich wesentlich mehr interessiert“, sagt Hofmann im Rückblick, der seinen Horizont als Student außer in Hohenheim auch in Paris und Bremen geweitet hat. Großes Interesse zeigte der junge Student sei-nerzeit vor allem auch an der Arbeit der Fachschaften und der Studentenvertretung Asta, in der er sich von Beginn an engagierte. Zugleich war Hofmann aktives Mitglied eines „linken Grüppchens“ namens Sparta-kus, das sich insbesondere mit dem „kapitalistischen Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutsch-land“ auseinandersetzte und Ende der politisch aufgewühlten 70er Jahre Versammlungen, Kund-gebungen, Demonstrationen und Protestmärsche aller Art organisierte. Mitglied eines anderen „linken Grüppchens“ war seinerzeit ein gewisser Winfried Kretschmann, heute der erste grüne Ministerprä-sident in Deutschland, den Hofmann aus den Anfängen seiner Stu-dentenzeit noch kennt. Hohenheim sei damals „deutlich revoltiger als Stuttgart“ gewesen, sagt der Gewerkschaf-ter, der nach Abschluss des Studiums zunächst zwei Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Industriebetriebslehre tätig war, dann die Hochschule aber doch verließ, wie er sagt: „Mein politisches Engagement als Student stand wohl ge-gen eine weitere Karriere an der Universität.“ Karl Marx, Philosoph, Vordenker, Nationalöko-nom und Protagonist der Arbeiterbewegung, hat einst den klugen Satz geprägt, „das Sein bestimmt das Bewusststein“. Der Hohenheim-Absolvent Hof-mann mochte nach längerem Überlegen lieber Ge-werkschafter als Wissenschaftler sein. „Ich wollte für mich etwas sinnvolles im Beruf erreichen, nicht ir-gendwann den fünften Forschungsbericht schreiben, den keiner liest“, sagt der Remstäler, der gerne mit Menschen zusammenarbeitet. In Gewerkschaftskrei-sen, für die er zuvor schon als Student Schulungen zu Technik und Arbeitsorganisation veranstal-tet hatte, fand er die Gelegenheit, die ein oder

Wann immer Jörg Hofmann, ehemals

Student an der Uni Hohenheim,

an einem Verhandlungstisch

sitzt, geht es um viel Geld. Der

57-jährige Ökonom ist Chef der

IG Metall in Baden Württemberg.

Anwalt der Beschäftigten

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DIE WELT VERÄNDERN.

andere „studentische These dem Realitätstest“ zu unterziehen. „Dabei habe ich mir nicht nur

Freunde gemacht“, erzählt Hofmann, der im Sep-tember 2003 zum neuen Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg berufen wurde, zum Chef des mit heute rund 420.000 Mitgliedern zweitgrößten Bezirks der IG Metall nach Nordrhein-Westfalen. Begonnen hatte er seine steile Gewerkschafter-karriere freilich weiter unten, anno 1987 als Sekretär in der Verwaltungsstelle Stuttgart, zuständig für die Verbesserung und Optimierung von Arbeitsabläufen. Später betreute er unter anderem die Fachgebiete Entgeltpolitik und Arbeitsorganisation. Einen Namen innerhalb der baden-württembergischen IG Metall, die Ende der 80er Jahre mit einer halben Million Mit-glieder ihre Hochphase hatte, machte er sich vor allem in seiner Zeit als Tarifsekretär, der sich als Mann für ziemlich komplizierte Verhandlungen an vorderster Front bewähren musste. Die Wirtschaftskrise Mitte der 90er Jahre kostete die baden-württembergische Metall- und Elektrobranche mit Großkonzernen wie Daimler, Bosch oder Porsche dann rund 20 Prozent der Beschäftigung und damit auch viele Mitglieder, gefolgt bis heute von einem ständigen Auf und Ab. „Derzeit legen wir wieder etwas zu“, sagt Hofmann. Eine der Lehren aus den Krisenzeiten war die zu Be-ginn nicht unumstrittene Einführung flexibler Arbeits-zeitkonten, so Hofmann, die dann neben der Kurz-arbeit wesentlich dazu beigetragen habe, „dass die baden-württembergische Wirtschaft den tiefen Ab-sturz in den Jahren 2008 und 2009 ohne einen gro-ßen Verlust an Beschäftigung durchstehen konnte“. Seit er das Abzeichen der IG Metall am Revers trägt, hat Hofmann an zahlreichen wegweisenden Tarifabschlüssen entscheidend mitgewirkt, meist zum Wohle aller „Metaller“ in Deutschland. Was im-mer die Verhandlungsführer in den beiden großen Pilotbezirken Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen mit den Arbeitgebern aushandeln, wird in der Regel später bundesweit übernommen. Die eigentliche Arbeit fängt derweil erst nach dem Ab-schluss an: Um aus dem Papier Realität zu machen, also den neuen Tarifvertrag in rund 8.000 Betrie-ben umzusetzen, „braucht man einen viel längeren Atem“, sagt Hofmann, der in Baden-Württemberg auf 300 Beschäftigte in 27 Regionalstellen bauen kann. Er selbst hält sich nicht unbedingt an die ta-rifliche Arbeitszeit: Zwölf Stunden und mehr sind seine Tage lang, und das sechs Tage in der Woche. „Der Job ist ziemlich zeitintensiv.“ Das bisschen Zeit, das ihm bleibt, verbringt er gerne mit Wandern, mit Tennis, mit Büchern über die Landesgeschichte und mit Musik, am liebsten hört er Jazz und Klassik. Nur einen „Ausrutscher“ erlaubt er sich dabei, wie er sagt: den Punk der Toten Hosen, Kultband aus Düsseldorf. „Die gefallen mir halt.“ Sein Leben hat Hofmann fast ausschließlich im Schwa-benland zugebracht, mit seiner Frau, die aus Portugal kommt, und seiner elfjähriger Tochter wohnt er heu-te in der Esslinger Innenstadt. Eine der dringlichsten Aufgaben für die Zukunft sieht er im Umgang mit den Arbeitsbedingungen für eine immer älter werdende Belegschaft. Wie müssen die Arbeitsplätze von Mor-gen gestaltet werden, damit die Menschen gesund bleiben? „Auf diese Frage“, sagt Hofmann leise aber bestimmt, „fehlen uns noch die Antworten“.

Studenten aus 90 StaatenMehr als 9.000 Studierende haben in diesem Semester an der Universität Hohenheim einen von insgesamt 41 Studiengängen der Bereiche „Allgemeine und Angewandte Naturwissenschaften“, „Agrarwissenschaften“ sowie „Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“ belegt. Die größte Fakul-tät sind die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, an der etwa die Hälfte aller Studierenden eingeschrieben ist. Rund 30 Prozent studieren an der Fakultät Agrarwissenschaften, etwa 20 Pro-zent an der Fakultät Naturwissenschaften. Gut die Hälfte aller Studierenden in Hohenheim sind Frauen. Der Anteil ausländischer Studierender war in Hohenheim schon immer hoch. Er liegt jetzt bei 15 Prozent. Sie kommen aus mehr als 90 Staaten und schätzen nicht zuletzt den „Campus der kurzen Wege“ inmitten großzügiger Parkanlagen. // www.uni-hohenheim.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / AUSTAUSCH ZWISCHEN WIRTSCHAFT UND WISSENSCHAFT / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Open Research Platform„Open Innovation“ heißt der Schlüssel für eine neue Strategie, bei der die Unternehmen zuneh-mend den Ideenreichtum ihrer Außenwelt wie etwa von Kunden, Lieferanten und Forschungspart-nern einbeziehen. Einen Marktplatz für diesen Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft bietet die neue Open Research Platform (ORP) der Universität Stuttgart. In dem webbasierten Portal können Firmen über eine Schlagwortsuche zielgerichtet im Angebotsspektrum von 265 Uni-Instituten und Forschungseinrichtungen recherchieren. Neben den aktuellen Arbeitsgebieten und Kontaktdaten enthalten die Seiten einen Überblick über die jeweilige Forschungsausstattung und besondere Qualifikationen. // www.uni-stuttgart.de/forschung/orp

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/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / PRAXISTEXT / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Business CollaborationBusiness Collaboration ist die internetba-sierte kooperative Zusammenarbeit von Projektgruppen und Unternehmen zur Op-timierung der Wertschöpfungskette. Zur Business Collaboration gehören die Vertei-lung von Informationen und die gemeinsa-me Nutzung von Ressourcen über räumli-che, zeitliche und organisatorische Grenzen hinweg. Die Globalisierung der Wirtschaft, der wachsende Zwang zu kürzeren Entwick-lungs- und Innovationszyklen, die zuneh-mende Produktkomplexität und der Trend zu dezentralen Organisationsformen sorgen für eine steigende Bedeutung von Business Collaboration. // www.hft-stuttgart.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / DRITTMITTEL / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Tüchtige Professoren

Die deutschen Hochschulen haben noch nie so viel Geld von der Wirtschaft und öffent-lichen Einrichtungen für die Forschung ein-geworben wie 2010. Insgesamt erhielten sie 5,9 Milliarden Euro sogenannter Drittmittel, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Ein Uni-Professor warb im Schnitt 261.700 Euro Drittmittel ein, das sind 8,8 Pro-zent mehr als im Vorjahr. Mit 521.700 Euro pro Person lag die Universität Stuttgart gut doppelt so hoch wie der Durchschnitt.

/ / / / / / / / / / / / / / / / / PUBLIKATIONEN / / / / / / / / / / / / / / / / / /

1.262Zeitschriftenaufsätze haben Hohenheimer Wissenschaftler im vergangenen Jahr laut Statistik der Universität veröffentlicht. // www.uni-hohenheim.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / SCHWÄBISCH-BRITISCHE STUDIENKOOPERATION / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Nürtingen meets LondonDrei Studierende der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) haben als Jahrgangsbeste ihr Studium an der London Metropolitan University beendet. Sie sind an der HfWU im Masterstudiengang International Finance eingeschrieben. Dort können die Studierenden auch einen Doppelabschluss erwerben. Wer innerhalb des Masterstudiums einen einjährigen Auslandsaufenthalt an einer Hochschule im englischsprachigen Ausland verbringt, dem wird dort neben dem HfWU-Master in International Finance auch der Masterabschluss in einer weiteren wirtschaftswissenschaftli-chen Vertiefung verliehen. Der Studiengang an der Nürtinger Hochschule schließt mit dem Abschluss Master of Science ab. // www.fwu.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / BESTENFÖRDERUNG MIT PORSCHE / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Urkunden für 70 StudierendeDie Fakultät FBF „Betriebswirtschaft und Internationale Finanzen“ hat ihre besten Studierenden aus-gezeichnet und den Startschuss gegeben für ein Programm zur Bestenförderung in Kooperation mit der Porsche-Beratungstochter MHP. Die Fakultät FBF hat in den Bachelorstudiengängen Betriebswirt-schaft und Internationales Finanzmanagement aus allen Semestern die jeweils zehn Prozent der besten Studierenden prämiert. Jeder der rund 70 Geehrten erhielt eine Urkunde, in der die herausragende Leistung gewürdigt wird. Im Rahmen der Feierstunde brachte die Fakultät zudem ein neues Programm zur Bestenförderung auf den Weg. Für das dreistufige Programm, bei der die Porsche-Beratungstochter MHP die HfWU besucht, ein externer Trainer ein zweitägiges Seminar zum Konfliktmanagement an-bietet und ein Besuch bei der Daimler AG inbegriffen ist, sind 20 Plätze vorgesehen. Die Unternehmen haben ein großes Interesse an den Kontakten zu den besten Studierenden, diese können umgekehrt so schon frühzeitig Kontakte zu möglichen Arbeitgebern knüpfen. // www.hfwu.de

AUSGEWÄHLTE STUDIENANGEBOTE:

Universität HohenheimWirtschaftsinformatik (Bachelor)Wirtschaftswissenschaften (Bachelor)Besonderes: International Business & Economics (Master)// www.uni-hohenheim.de

Universität StuttgartWirtschaftsinformatik (Bachelor, in Kooperation mit Universität Hohenheim)Betriebswirtschaftslehre (Bachelor, Nebenfach)Volkswirtschaftslehre (Bachelor, Nebenfach)Besonderes: Technisch orientierte Betriebswirtschaftslehre (Bachelor)// www.uni-stuttgart.de

Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-GeislingenBetriebswirtschaft (Bachelor)Internationales Finanzmangagement (Bachelor)International Finance (M. Sc.)Volkswirtschaft (Bachelor) Immobilienwirtschaft (Bachelor)Besonderes: Pferdewirtschaft (Bachelor)// www.hfwu.de

Hochschule EsslingenInternationale Technische Betriebswirtschaft,(Internationales) Wirtschaftsingenieurwesen (alle Bachelor)Besonderes: International Industrial Management (MBA)// www.hs-esslingen.de

Hochschule der Medien StuttgartPrint-Media-Management (Bachelor)Medienwirtschaft (Bachelor)Wirtschaftsinformatik (Bachelor)International Business (MBA)Print & Publishing (Master)Besonderes: Packaging, Design and Marketing (Master)// www.hdm-stuttgart.de

Hochschule für Technik StuttgartBetriebswirtschaft (Bachelor)Infrastrukturmanagement (Bachelor)Wirtschaftsinformatik (Bachelor)Besonderes: Vertiefung „Kapitalmärkte und Banken“ im Bachelor Betriebswirtschaftslehre// www.hft-stuttgart.de

Duale Hochschule Baden-Württemberg StuttgartBetriebswirtschaftslehre (Bachelor)Wirtschaftsinformatik (Bachelor)Besonderes: BWL International Business (Bachelor)// www.dhbw-stuttgart.de

Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen LudwigsburgPublic Management (Bachelor)Rentenversicherung (Bachelor)Allgemeine Finanzverwaltung (Bachelor)Besonderes: Public Management (Master)European Public Administration (Master)// www.hs-ludwigsburg.de

FOM Hochschule für Oekonomie & Management Business Administration (Bachelor/Master)Management Accounting & Finance (Master)// www.fom-stuttgart.de

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/ / / / / / HOCHSCHULREGION STUTTGART / / / / / /

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/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / ZITAT / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

„Es ist auf dem

Fahrrad wie in der

Wirtschaft: Wer sich

nicht fort-bewegt,

fällt um.“ Manfred Rommel, geb. 1928,

1974 – 96 Oberbürgermeister Stuttgart

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29«FORTSETZUNG

DIE WELT VERÄNDERN.

ur Frau Professor wollte man und jetzt steht man am Ende eines langen Flurs vor einem

Regal voller Bücher. Sie tragen Titel wie „Gewalt im Web 2.0“ oder „Krieg und Medien“. Vokabeln, in denen sich Abgründe spiegeln, für die es wenig Warnhinweise gibt in den verheißungsvollen Wei-ten des globalen Datennetzes. Petra Grimm ante Portas. Die Professorin der Hochschule der Medien in Stuttgart trägt den Som-mer in der Garderobe. Sie spricht ruhig und flie-ßend. Ihr Mund verschenkt keine unbedachten Sät-ze. Die Gelassenheit ist nicht aufgesetzt, sie kommt von innen. Die Frau kennt sich aus mit medialen Abgründen und weiß, wovon sie spricht. An diesem Nachmittag spricht sie über das Internet, in dem Jugendliche viele positive Erfah-rungen machen, aber auch mit Risiken konfrontiert werden. Das passiert öfter als man denkt. In einer Studie, die bis heute Maßstäbe setzt, hat Petra Grimm mit ihrem Team 800 Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren befragt. Mehr als jedes fünfte Mädchen ist demnach im Internet schon sexuell be-lästigt worden. Videos von Prügeleien, Folter oder Hinrichtungen hat jeder fünfte Halbwüchsige schon einmal im Netz gesehen – gezielt oder zufällig. Auch Pornokonsum via Computer gehört zum Alltag und wird von vielen männlichen Jugendlichen als „normal“ eingestuft. Ein Drittel der Teenager geht stets allein ins Internet, zwei Drittel werden auch in der Nutzungsdauer nicht kontrolliert. Und für den Inhalt der besuchten Webseiten interessieren sich 80 Prozent der Eltern gar nicht oder selten. „Jugendliche müssten darin gestärkt werden, sich selbst schützen zu können“, mahnt Petra Grimm. Sie beschreibt die Abgründe kühl. „Wir überlassen die Sexualerziehung unserer Kinder all-zu leichtfertig der Pornoindustrie“, findet sie. Dies halte vor allem Jungs davon ab, spielerisch und neugierig ihre Sexualität zu entdecken. „ Mit dem Skript der Pornografie im Kopf ist es für unerfah-rene Jugendliche nicht leicht, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden.“ Jemand klopft an die Türe zum Büro von Pe-tra Grimm, die ihren Vortrag für einen Augenblick unterbricht. Ein Kollege lugt herein. „Wir müssen unbedingt einen Kaffee trinken gehen“, sagt er. Die Professorin für Medienforschung und Kommunika-tionswissenschaft ist gefragt. Ihr Forschungsgebiet beschäftigt nicht nur die Wissenschaft. Das Thema treibt auch Eltern, Politiker und Pädagogen um. Für Medienethik gibt es nur wenige Experten von For-mat. Sie ist eine davon. Das hat sich so gefügt. Geboren ist Petra Grimm 1962 in München, aufgewachsen in Augsburg. Mit 11 wurde das Lesen zu ihrer Leidenschaft. Bücher von Sartre und Beau-voir lagen bald auf dem Nachttisch im Kinderzim-

mer. „Vielleicht gibt es schönere Zeiten“, hat Sartre einmal geschrieben, „aber diese ist unsere.“ Petra Grimm wollte die Zeit genauer besehen, machte Abitur am Maria-Theresia-Gymnasium in Augsburg und studierte danach Germanistik, Kommunikations-wissenschaften und Theaterwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Nach den Büchern kamen die Filme, in die sie eintauchte, und nach den Filmen kam das Theater. 1994 promo-vierte die Bayerin. In ihrer Doktorarbeit ging es um die Erzählforschung. „Eine Einführung in die Praxis der Interpretation am Beispiel des Werbespots.“ Als ihre Doktormutter an die Universität Kiel berufen wurde, folgte sie ihr als wissenschaftliche Assistentin in den Norden, wo Petra Grimm we-nig später Dezernentin für Programmaufsicht und Medienforschung bei der Unabhängigen Landes-anstalt für Rundfunk und neue Medien wurde. „Da hat sich mir eine ganz neue Welt erschlos-sen“, sagt sie im Rückblick. Was die Raumfahrt für die frühen siebziger Jahre gewesen ist, war das raketenartig startende Privatfern-sehen für die neunziger Jahre. Die werbefinanzierten Konkurrenten der öffentlich-rechtlichen Sender loteten die Grenzen aus, auch über den Wertekonsens hinaus. Arabella Kiesbauer prägte den Nachmittag und sorgte mit intimen Geständnissen ihrer Gäste auf Pro Sieben für ein Millionenpubli-kum und verstörte zu-gleich Zuschauer ob „der Tyrannei der Intimität“. Petra Grimm war mitten-drin im gesellschaftlichen Diskurs über die Frage, wie weit das Privatfern-sehen gehen darf. Lange her. „Unsere Wahrneh-mung der Tabus hat sich geändert“, bilanziert die Professorin annähernd zwanzig Jahre danach. „Wir haben uns heute an die Grenzüberschreitung gewöhnt.“ In den neunziger Jahren war das noch an-ders. Quote verdrängte Qualität. Die Programm-aufseherin hatte alle Hände voll zu tun. Neben-bei dozierte sie am Institut für Neuere Literatur und Medien an der Universität in Kiel. 1998 kam der Ruf an die Hochschule der Medien nach Stuttgart, wo sie sich als Professorin für Me-dien und Kommunikationswissenschaften auf Themen wie Gewalt im Netz, Medienethik und Internetkonsum von Jugendlichen spezialisierte. Das Internet hat Kommunikation revolutioniert und ist nicht mehr wegzudenken. Das Problem ist nicht das Medium selbst. Das Problem ist die Beschleunigung. „Wir müssen lernen, mit dem

Sie vermag wie keine andere die

dunklen Seiten des world wide

web zu erhellen: Petra Grimm,

Professorin an der Hochschule

der Medien in Stuttgart.

In den Untiefen des Internets

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DIE WELT VERÄNDERN.

Medium selbstbestimmt umzugehen und uns Inseln der Kontemplation und Ruhe zurück

erobern“, meint Petra Grimm. Heute surft jedes Kind durch unendliche Weiten, ein Mausklick und der Computer beamt die immer jünger werdende Nutzer-Community in andere Sphären, in verhei-ßungsvolle Chatrooms und in knallbunte Gärten. Jeden Tag sitzen abenteuerlustige Jugendliche zu Hause vor kleinen Raumschiffen namens Computer und heben mit ihnen ab, ohne dass ihnen jemand eine Richtung vorgibt oder den Flugradius begrenzt. Laut Petra Grimms Studie verfügen heute mehr als 91 Prozent der Halbwüchsigen in Deutschland über einen Internetzugang in den eigenen vier Wänden. Mit dem Abenteuer wächst gemeinhin das Risiko. Die Bundesregierung bezeichnet 560.000 Menschen zwischen 14 und 64 Jahren als internetsüchtig. Petra Grimm macht solche Phänomene sicht-bar. Die smarte Wissenschaftlerin arbeitet dabei nicht nach der Maxime: Sag mir, wo der Trend hin-läuft, damit ich mich an seine Spitze setze. Sie spürt den Trend überhaupt erst auf und beschreibt ihn mit Zahlen und Fakten. Daraus leitet sie Empfeh-lungen für die Gesellschaft ab, die in besonderem Maße wirken, weil sie auf einer belastbaren Grund-lage fußen. „Wir bräuchten dringend ein eigenes Schulfach namens Medienkunde“, lautet einer ih-rer Ratschläge. Bisher spielten sich alle Beteiligten die Bälle zu, ohne dass sie einer fängt. „Die Eltern sagen, das soll die Schule richten. Und die Schule sagt, die Eltern sollen es richten. Und dann sind da noch die Monopolisten, wie Google und Face-book, die den Ball an die Eltern zurückspielen, statt ihrer Verantwortung stärker nachzukommen.“ Insgesamt werde es in Zeiten des Umbruchs für Eltern immer wichtiger, die neuen Leitmedien der Jugendlichen zu thematisieren, mit denen ihre Kinder immer mehr Zeit verbringen. Die durch-schnittliche Dauer der täglichen Internetnutzung liegt unter Heranwachsenden bei 124 Minuten an Werktagen und 128 Minuten am Wochenende. Es gehe darum, ihnen technische und ethische Gren-zen aufzuzeigen, über Chancen zu sprechen, aber auch über Risiken. Nur so könnten die Heranwach-senden befähigt werden, das Internet auch als so-zialen Lebensraum wahrzunehmen, sich vor Cyber-Mobbing und unerwünschten Mails zu schützen. Zumindest bei ihren Studierenden findet Petra Grimm intensiv Gehör. 18 Stunden pro Woche doziert sie an der Hochschule der Medien, die mittlerweile weit über die Region hinaus bekannt ist und mehr als 4.000 Studenten zählt. Mit einigen von ihnen vergibt die Forscherin seit Jahren den Medienethik-Award. Der Preis, den sie ins Leben gerufen hat, versteht sich als Qualitätssiegel für wertebewusste Medieninhalte. Die studentische Jury sondiert jedes Jahr hunderte von Beiträgen und zeichnet Journalisten und Medien-schaffende für ihre Berichterstattung aus. „Der Bedarf an journalistischer Qualität und Werteorientierung ist größer denn je“, sagt die Professorin. Es klopft an der Türe. Ein Student. Die Forsche-rin Petra Grimm verwandelt sich in die Dozentin. Der Student fragt nach Lesestoff. Sie hat reichlich davon in ihrem Regal. Gemeinsam tauchen sie ein in die überschaubaren Weiten der Literatur über die unendlichen Weiten des Internets.

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„Wörterbuch des Buches“Nachschlagewerke und Lexika sterben – zumindest in gedruckter Form. Die Hochschule der Medien entwickelte deshalb die App „Wörterbuch des Buches“ zum Standardnachschlage-werk für das Druck- und Verlagswesen. Insgesamt elf Studenten aus den Studiengängen Me-dieninformatik, Mobile Medien, Print & Publishing sowie Computer Science and Media arbei-teten an der Umsetzung. Bei der App können zielgruppenentsprechend Teile aus dem Lexikon gekauft werden, zum Beispiel die etwa 800 Begriffe aus dem Bereich Typographie für 79 Cent. // www.hdm-stuttgart.de

Eine Hochschule, zwei Standorte

Die Hochschule der Medien (HdM) ist im September 2001 durch den Zusammenschluss der Stuttgarter Hochschulen für Bibliotheks- und Informationswesen (HBI) sowie der Hochschule für Druck und Medien (HDM) entstanden, deren Wurzeln in der Ausbildung bis ins Jahr 1853 zurückreichen. Heute spiegeln mehr als zwanzig akkreditierte Bachelor- und Masterstudien-gänge und mehr als 4.000 eingeschriebene Studenten die große Nachfrage in diesem Sektor wider. Gelehrt und geforscht wird an zwei Standorten. In Stuttgart-Vaihingen, Nobelstraße, ist der Hauptsitz der Medienhochschule. Dort finden Vorlesungen und Veranstaltungen der Fakultäten Druck und Medien sowie Electronic Media statt. Einen Steinwurf vom Stuttgarter Hauptbahnhof entfernt, in der Wolframstraße, werden die Studiengänge der Fakultät Informa-tion und Kommunikation angeboten. // www.hdm-stuttgart.de/cr

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AUSGEWÄHLTE STUDIENANGEBOTE:

Hochschule der Medien StuttgartBibliotheks- und Informationsmanagement (Bachelor)Druck- und Medientechnologie (Bachelor)Informationsdesign (Bachelor)Medieninformatik (Bachelor)Medienpublishing (Bachelor)Medienwirtschaft (Bachelor)Mobile Medien (Bachelor)Print-Media-Management (Bachelor)Werbung und Marktkommunikation (Bachelor)Elektronische Medien (Master)Print and Publishing (Master)Besonderes: Crossmedia-Redaktion (Bachelor)// www.hdm-stuttgart.de

Universität StuttgartMaschinelle Sprachverarbeitung (Bachelor)Sprachtheorie und Sprachvergleich (Master)Wissenskulturen (Master)// www.uni-stuttgart.de

Duale Hochschule Baden-Württemberg StuttgartBWL-Dienstleistungsmanagement – Medienund Kommunikation (Bachelor)// www.dhbw-stuttgart.de

MHMK Macromedia Hochschule für Medien und KommunikationMedienmanagement (Bachelor)Medien- und Kommunikationsdesign (Bachelor)Journalistik (Bachelor)// www.mhmk.de

Pädagogische Hochschule LudwigsburgKultur- und Medienbildung (Bachelor)// www.ph-ludwigsburg.de

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Crossmedia-RedaktionIm Oktober 2012 startete an der Stuttgarter Hochschule der Medien (HdM) ein neuer Bachelor-Studiengang: Crossmedia-Redaktion. Im Mittelpunkt steht ein journalistisches Grundstudium, ergänzt um Web-, Crossmedia- und Technik-Kompetenz. Zehn Studienplätze pro Semes-ter werden an der Stuttgarter Hochschule angeboten. Die künftigen Crossmedia-Redakteure lernen unter anderem Nachrichten schreiben, recherchieren und verschiedene Darstellungsformen zu nutzen. „Geschichten sollen über verschiedene Kanäle erzählt werden“, erläutert Initiator Prof. Dr. Lars Rinsdorf die Idee zum neuen Studiengang. Medien, Industrie und Agenturen suchten Redakteure, die aktuelle Themen für alle Ausspielkanäle Print, Audio, Video und Online umsetzen können, so Rinsdorf. Das Gerüst dafür bildet unter anderem der Umgang mit Content-Management-Systemen und mobilen Medien. Web-Design, Social Media-Tools oder digitale Geschäftsmodelle ergänzen den Lehrplan, der auf Journalismus, Public Relations, Medienrecht und Medienforschung fußt. // www.hdm-stuttgart.de/cr

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / KRIEGS- UND KRISENKOMMUNIKATION / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Bilder prägenDas kooperative Promotionsprojekt von Stefanie und Jeldrik Pannier von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg geht der Frage nach, welchen Faktoren und Einflüssen die Produktion von visuellen Medien-produkten unterliegt. Gegenstand sind professionelle Medienproduktionen aus der visuellen Kriegs- und Krisenkommunikation. Zur Untersuchung wurden sowohl im deutschsprachigen als auch im US-amerikani-schen Raum biographische Interviews mit Kriegs- und Krisenfotografen durchgeführt, ergänzt durch Exper-teninterviews mit Personen aus Bildredaktionen und Fotoagenturen. // www.ph-ludwigsburg.de

GD

/ / / / / / INTERAKTIVE MEDIENWELTEN / / / / /

NetzDie Kindermedien-Sammlung des Instituts für angewandte Kindermedienforschung (IfaK) der HdM geht auf in einer kindge-rechten Webseite online. Sie umfasst der-zeit rund 4.000 Exponate, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichen. Die Sammlung wird außerdem wissenschaft-lich ausgewertet. Das Webangebot wird als „Point-and-Click-Adventure“ gestaltet und in Zusammenarbeit mit dem Bibliotheksser-vice-Zentrum Baden-Württemberg entwi-ckelt. Möglich wird der Aufbau der Websei-te durch eine Projektförderung im Rahmen der Initiative „Ein Netz für Kinder“, gefördert von der Bundesregierung. // www.ifak-kindermedien.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / ARBEITSMARKT / / / / / / / / / / / / / / / / /

Studenten schreiben mehr Bewerbungen

Für Hochschulabsolventen ist der Arbeits-markt in Baden-Württemberg nach wie vor gut, allerdings müssen die heutigen Studi-enabgänger mehr Bewerbungen schreiben als frühere Jahrgänge. Dies geht aus einer Umfrage unter Studienabgängern in Baden-Württemberg hervor. Danach schrieben Ab-gänger von 2009 im Schnitt 16 Bewerbun-gen, die Abgänger von 2005 und 2008 im Schnitt 13,5 Bewerbungen, ehe sie am Ziel waren und den ersten Job hatten.

/ / / / / / / / / / / / / / SOZIALES NETZWERK / / / / / / / / / / / / /

25.003.42025.003.420 Deutsche nutzen laut aktuellen Schät-zungen mittlerweile das soziale Netzwerk Face-book. Dies sind 1,65 % mehr als im letzten Jahr. In den USA sind es 167.554.700, was einem Anstieg der Nutzerzahl von 0,92% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Weltweit gibt es sogar 961.140.420 Facebook-Nutzer, was einem Anstieg von 1,82% entspricht. // www.allfacebook.de

/ / / / / / / / TECHNIK UND KREATIVITÄT / / / / / / / /

KunstbandSüleyha Güder, Michael Morcher und ihre Kommilitonen beschäftigen sich seit No-vember 2011 mit dem Leben und Werk des Nebringer Bildhauers Lutz Ackermann. Im Projektpraktikum im Studiengang Druck- und Medientechnologie arbeiten sie an einem 120-Seiten-Kunstbildband mit zwei-sprachigem Text über den Künstler. // www.hdm-stuttgart.de/dt

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / ZITAT / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

„Ich würde mir dringend wünschen,

dass es unter denen, die die

Medien machen, eine Art Verschwörung gäbe, menschlich

ermutigend zu sein.“

Richard von Weizsäcker geb.1920 in Stuttgart, 1984 – 94 Bundespräsident

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33«FORTSETZUNG

DIE WELT VERÄNDERN.

er gute Fridolin ruht in Frieden hinten im Gar-ten. Wie kaum ein anderer Mitarbeiter hat er

viele Jahre lang im wahrsten Sinne des Wortes das Unternehmen von Hartmut Esslinger verkörpert, vorne an der Rezeption der Designagentur, die ih-ren Sitz seinerzeit im beschaulichen Altensteig im Schwarzwald hatte. Mittlerweile agiert Esslingers Firma Frog Design von Studios in Paolo Alto, Mai-land, New York, Austin, San José, San Francisco, Shanghai und München aus – von Fridolin, dem Frosch, ist nur die Erinnerung geblieben. Frog Design. Der Name ist schon vor Jahrzehn-ten zur Legende geworden, auf beiden Seiten des Erdballs. Millionenfach verkaufte Duschköpfe sind auf Esslingers Zeichentischen gestaltet worden, fu-turistische Fernseher, bunte Zahnarztstühle, Kreuz-fahrtschiffe, Koffer, Korkenzieher, Stereoanlagen und vor allem ein schneeweißer Computer namens Apple IIC, der in den frühen 80er Jahren nichts an-deres als eine Revolution war. Alleine an seinem ersten Verkaufstag am 24. April 1984 sind mehr als 50 000 Exemplare der Flimmerkiste mit den runden Ecken und der damals ungewöhnlichen Farbe ver-kauft worden. Heute zahlen Liebhaber ein Vermö-gen für einen Apple der ersten Stunde. Esslinger selbst, der mit Designpreisen über-häufte Gründer und langjährige Geschäftsführer von Frog Design, schlendert an diesem Tag ver-gleichsweise unscheinbar die Treppen zum Muse-um des Stuttgarter Autobauers Mercedes hinauf: Jeans, Turnschuhe, offenes rosa Hemd, darunter ein VfB-Trikot, das der Designstar und bekennende Fußballfan kurz zuvor bei einem Rundgang durch die umgebaute Mercedesarena geschenkt bekom-men hat. Der Wahl-Kalifornier ist auf Einladung der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart in seine alte Heimat gekommen, um wieder einmal über sein liebstes Thema zu referieren: den schönen Schein der Dinge. „Wir produzieren viel zu viel Mist und das viel zu billig“, sagt er. „Die Welle von furchtba-ren Dingen, mit denen die Märkte weltweit über-schwemmt werden, muss gestoppt werden.“ Dieses Anliegen, „Produkte zu entwickeln, die das Leben der Menschen wieder menschlicher ma-chen“, hat den heute 68-jährigen Professor schon angetrieben, als er vor fast vier Jahrzehnten im Schwarzwald sein erstes, eigenes Studio gründete. Zu dieser Zeit studierte er noch Industriedesign an der Fachhochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd und ärgerte sich mitunter über die damals propagierte „Idee der Verschönerung und das Elite-Gequatsche vieler Kollegen“. Zuvor hatte er bereits Elektrotechnik an der Uni Stuttgart studiert. Anfang der 80er Jahre taufte Esslinger sein florierendes Un-ternehmen auf den heutigen Namen Frog Design, für dessen Bedeutung es nicht nur eine Erklärung gibt. Im Altensteig seiner Jugend seien die Frösche neben

den Militärfahrzeugen der Franzosen das einzig Be-merkenswerte gewesen, was ihm in Erinnerung ge-blieben sei, sagt Esslinger, der seiner schwäbischen Heimat immer verbunden geblieben ist. Außerdem, so erklärt er mit einem verschmitzten Lachen, stehe die Abkürzung Frog für „Federal Republic of Ger-many“, was ihm seinerzeit wenig Freunde beschert habe. Der Name sei in der Branche lange Zeit als Provokation verstanden worden, nicht einmal seine damaligen Partner hätten ihn akzeptiert. Gegen den Strom zu schwimmen hat ihm im-mer schon gehörigen Spaß gemacht, auch wenn man dabei mitunter eine Ladung Wasser schlucken muss, wie Esslinger sagt. „Aber man sieht dabei auch viel mehr“. Eine hartnäckige Frage hat den ge-nialen Formgestalter dabei immer begleitet: Muss dieses Produkt wirklich so aussehen? Stets hat er sich bei der Suche nach der Antwort neue Pfade angelegt, wobei er immer einem Mantra folgte, das nicht nur in der Kreativbranche berühmt geworden ist: Form follows Emotion. „Die Dinge stehen nicht an und für sich“, betont er, „sondern für uns, für Menschen mit einer Geschichte und dem Bedürf-nis, sich in Objekten wiederzufinden.“ Die Liste der Kunden, denen in Esslingers Krea-tivwerkstatt bei der Identitätsfindung geholfen wur-de, liest sich wie das Who is Who der Weltkonzer-ne: Der Fluglinie Lufthansa hat Esslinger den Look verpasst, SAP-Software hat er designt, die be-rühmten Fernseher von Wega und Sony. Coca Cola zählt zu den Kun-den der Frösche, wie sich die Mitarbeiter bis heute nennen, die Deutsche Bank, Kodak, IBM, Yamaha, Dell, Zeiss, Motorola, Nike, Microsoft, Louis Vuit-ton, Hewlett-Packard, Ford, Disney und zahlreiche andere Unternehmen mit klangvollem Namen. In den Ohren des schwäbischen Produktdesig-ners wiederum klingt noch heute der Satz, den ihm einst der Rektor der Christophorusschule in Altensteig nach dem Abitur mit auf den Weg ins Berufsleben gegeben hatte: „Esslinger, aus Dir wird mal nichts.“ Irren ist menschlich, weiß der Volksmund, selten hat er damit so recht gehabt, wie in diesem Fall. Untrenn-bar verbunden mit Esslingers einzigartiger Erfolgsge-schichte ist dabei ein anderer großer Name, der des Apple-Gründers Steve Jobs, der im Oktober 2011 an einer Krebserkrankung gestorben ist. Auf einer Party in Silicon Valley wurde Anfang der 80er Jahre bei ei-nigen Flaschen Bier der Grundstein für die lang-jährige Zusammenarbeit gelegt, ein Glücksfall,

Der Produktdesigner Hartmut

Esslinger, einst Student der

Uni Stuttgart und der Gmünder

Hochschule, gilt als Ikone unter

den Formgestaltern dieser Welt.

Der König der Frösche

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«

DIE WELT VERÄNDERN.

wie Esslinger sagt. „Damals hat niemand ge-glaubt, dass ein Personal Computer einmal

ein Produkt für alle Menschen werden kann“, sagt er. Doch der amerikanische Unternehmer hatte die Vision, statt zehntausend eine Million PCs im Jahr zu verkaufen. Und der schwäbische Gestalter hatte das richtige Händchen, um ein „massenkonsumierbares Produkt“ zu kreieren, wie er sagt. Ganz nebenbei trug er dazu bei, dass Apple zur Kultmarke wurde. „Das ist es“, hatte Jobs damals gerufen, als er Esslingers Entwurf sah – und „eine der folgenreichsten Koope-rationen in der Geschichte des Industriedesigns“ per Handschlag besiegelt. Nachzulesen in der Biografie des Apple-Gründers. „Der Trick besteht darin, dass der Designer verstehen muss, wie die Technik in ihrem In-neren funktioniert“, erklärt Esslinger. „Erst dann kann man die Philosophie dieser Technik ausdrücken.“ Vor einigen Jahren hat der Schwarzwälder sei-ne Anteile an der Firma verkauft, zur Ruhe gesetzt hat sich der Ästhet aber bei weitem nicht. Nach wie vor ist er seinem Unternehmen als externer Berater verbunden, zudem kümmert er sich auch um den ge-stalterischen Nachwuchs. Sechs Jahre lang, bis 2011, hatte er eine Professur für Industrial Design an der Universität für angewandte Kunst in Wien übernom-men, fünf Jahre lang dozierte er an der Hochschule Karlsruhe über menschliche Produkte, die einen ein Leben lang begleiten sollen. Seit dem vergangenen Jahr hält er auch in Shanghai Vorlesungen, gleichzei-tig veranstaltet er regelmäßig an der Universität in Pe-king Workshops für Studenten, um sie zu inspirieren für Formen, die der Emotion folgen sollen. Schon als Kind hat Hartmut Esslinger am liebs-ten in seiner Fantasie Flugzeuge, Schiffe und Autos konstruiert und auf ein Blatt Papier gezeichnet. „Ich wollte immer schon Designer werden, es gab nie etwas anderes für mich.“ Die Liebe fürs Zeichnen ist ihm bis heute geblieben. „Eine Skizze“, sagt er „ist der Ausdruck des Denkens.“ Der Querdenker, der in den 90er Jahren die amerikanische Staatsbür-gerschaft angenommen hat, mag Porsche und Jazz, Mozart und Fußball. Früher hat er in einer Band gespielt, heute rockt er auf Klavier und Gitarre nur noch in seinem eigenen Musikzimmer. Sein Haus in Silicon Valley, in dem er mit seiner Frau und seinen Söhnen lebt, hat er ganz im japanischen Stil einge-richtet, dunkler Holzboden, wenige weiße Möbel. Mit Vorliebe sammelt Esslinger „schöne Sachen“, wie er sagt, Schweizer Uhren beispielsweise. „Richtig schöne Stücke gibt es leider immer seltener“, mault der Experte. Wann immer er bei seinen ständigen Reisen um die ganze Welt seine Mutter besucht, die immer noch im Schwarzwald lebt, schaut er im Stuttgarter Fußballstadion vorbei. Schon seine Eltern hätten Dauerkarten für den VfB gehabt, erzählt Esslinger. Er selbst hat sich eines Ta-ges kurzerhand gleich einen ganzen Klub geleistet, einen amerikanischen Drittligaverein, den er ein paar Jahre lang gemanagt und finanziert hat. „Ich wollte etwas für diesen Sport tun“, sagt er. Natür-lich hat er nicht nur die Spielereinkäufe und die Ver-marktung des Fußballgeschäfts zur Chefsache er-klärt, sondern seinem Klub erstmal ein ordentliches Design verpasst und ein Logo kreiert, eine gelb-rote Fußball-Sonne. Der Name für das Team aus dem kalifornischen San Jose hatte sich derweil wie von selbst gefunden: San Jose Frogs.

Design in PerfektionDer Internationale Designpreis Baden Württemberg gehört zur deutschen Wettbewerbs-landschaft wie die Möhre zum Acker. Nicht von ungefähr genießt die Auszeichnung, die im Ludwigsburger Werkzentrum Weststadt verliehen wird, eine hohe Wertschätzung bei Unter-nehmen und Agenturen. Designer und Unternehmen aus aller Welt reichen jährlich ihre inno-vativsten Produkt- und Konzeptlösungen ein und stellen sich dem Wettbewerb. In diesem Jahr wurden Arbeiten aus Europa, Asien und den USA einreicht. Die sechsköpfige Jury ermittelte insgesamt 71 Preisträger. 58 Produkte wurden mit dem „Focus in Silber“ für überdurchschnitt-liche Designleistungen ausgezeichnet. Der „Focus in Gold“ für herausragende Gestaltung ging an weitere 13 Produkte. Mit dem Preis einher geht eine mehrwöchige Ausstellung ausgezeich-neter Produkte in Ludwigsburg. // www.design-center.de

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WEGA-GeräteDie Wega Radio GmbH, ursprünglich Württembergische Radio-Gesellschaft mbH, wurde 1923 in Fellbach bei Stuttgart gegründet. Das Unternehmen und seine Desi-gner schufen bis zum heutigen Tage viele unvergessliche Radio- und Fernsehmodelle. Ab 1965 wurden Radiogerä-

te von Wega im Design-Look von Hartmut Esslinger gestaltet. 1975 wurde der Betrieb von einem Tochterunternehmen der Sony Corporation aufgekauft. // www.radiomuseum.de

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AUSGEWÄHLTE STUDIENANGEBOTE:

Staatliche Akademie der Bildenden Künste StuttgartKommunikationsdesign (Diplom)Textildesign (Diplom)Besonderes: Industrial Design (Diplom)// www.abk-stuttgart.de

Hochschule für Gestaltung Schwäbisch GmündInteraktionsgestaltung (Bachelor)Kommunikationsgestaltung (Bachelor)Communication Planning and Design (Master)Produktgestaltung (Bachelor)Besonderes: Product Planning and Design// www.hfg-gmuend.de

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/ / / / / / HOCHSCHULREGION STUTTGART / / / / / /

/ / / / / / / / / / / / / / ABK WERKSTÄTTEN / / / / / / / / / / / /

Das richtige Handwerkszeug

Ein exzellentes Studien- und Arbeitsumfeld finden Designer und Designernachwuchs an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart vor. Die Werkstätten der Fachgruppe Design ermöglichen so unter anderem eine Auseinandersetzung mit den Themen Versuchs- und Modellbau, Buch-binde- und Verpackungstechniken, Compu-ter-Anwendungen, Reproduktion und Off-setdruck, Typografie und Schriftgestaltung sowie Färberei und Textildruck. Fachlich angeleitet wird der Nachwuchs dabei von Profis aus der Praxis, sogenannten Werk-stattlehrerinnen und –lehrern.// www.abk-stuttgart.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / WISSENSWERTES / / / / / / / / / / / / / /

Kreative RegionFür alle Designer und die, die es werden wollen, bietet die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart auf der Seite der Kreativre-gion Stuttgart spezielle DesignerSeiten, die sich mit Fragen rund um das Thema Design in der Region Stuttgart beschäftigen.// www.design.region-stuttgart.de

/ / / / / / / / / / / / / / / / / NEUER STUDIENGANG / / / / / / / / / / / / / / /

Nachhaltiges ProduktmanagementDer neue Studiengang Nachhaltiges Produktma-nagement an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) steht inhalt-lich für die Balance zwischen wirtschaftlichem Er-folg und dem verantwortlichen Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Das Studienangebot wird durch das Hochschulausbauprogramm 2012 des Landes finanziert und von der WMF AG unterstützt. Das Unternehmen war bei der Konzeption des Stu-dienangebotes mit beteiligt, stellt Lehrbeauftragte zur Verfügung und finanziert der HfWU eine Stif-tungsprofessur. Thorsten Klapproth, der WMF- Vorstandschef, freute sich über die 43 neuen Stu-dierenden. Neue Ideen und weitere Innovationen von Morgen erhofft er sich von dem Engagement seines Unternehmens mit der örtlichen Hochschu-le. Die WMF als globale Marke lebt vom Design und der Produktentwicklung. Nicht weniger wich-tig ist die Nachhaltigkeit, die laut Klapproth bei der Kaufentscheidung vieler Kunden zunehmend eine immer größere Rolle spielt. // www.hfwu.de

/ / / / / / LESESTOFF FÜR GESTALTER / / / / / /

FachbibliothekEingebettet in die vielfältigen Aktivitäten des Design Center Stuttgart bietet die Design-Bibliothek als Präsenzbibliothek allen Design-interessierten einen spezialisierten Publikati-onsbestand rund um das Thema Design. Hier können sich Studierende, Berufstätige und In-teressierte jederzeit umfassend über alle Fra-gen rund um das Thema Design informieren. // www.design-center.de

/ / / / / / / / / / / KREATIVE METROPOLE / / / / / / / / / /

40%Fast 40 Prozent aller Designer in Baden-Württemberg leben und arbeiten in und um Stuttgart – ein absoluter Spitzenwert. Doch nicht nur die Zahlen sind beachtlich, auch die Preise, mit denen die regionalen Unterneh-men ausgezeichnet werden, sind eine Klasse für sich. IF Communication Design Award, Red Dot Award, Berliner Type und DMMA sind nur eine kleine Auswahl der Trophäen für herausragendes Design aus der Region. // www.kreativ.region-stuttgart.de

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/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / ZITAT / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

„Gutes Design

ist nicht

demokratiefähig,

über schlechtes

Design abzu-

stimmen lohnt

nicht.“ Kurt Weidemann, 1922 – 2011,

Grafiker und Typograf, von 1964 – 1985 Professor an der Akademie der Bildenden

Künste Stuttgart

/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / AKADEMIE SCHLOSS SOLITUDE / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /

Stipendiaten gesuchtWer sein Studium bereits absolviert hat und ein Projekt im Bereich Design oder in anderen künstlerischen Sparten realisieren möchte, kann sich bei der Akademie Schloss Solitude bewerben. Stipendien werden an Personen vergeben, die nicht älter als 35 Jahre sind oder deren Studienabschluss nicht länger als fünf Jahre zurückliegt. Doktoranden sind zur Bewerbung zugelassen. Einige Stipendien werden ohne Altersbe-grenzung vergeben. Im Rahmen eines Stipendiums besteht die Möglichkeit, ein Projekt zu realisieren. Alle 24 Monate werden 50 bis 70 Stipendiaten ausgesucht. Für sie stehen bis zu 45 Ateliers zur Verfügung. // www.akademie-solitude.de

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Nach der VorlesungPhilipp Rieber ist 25 Jahre alt und studiert seit

2007 Sport und Englisch auf Lehramt an der Universität

Stuttgart. Aufgewachsen in Winterlingen-Harthausen auf

der Schwäbischen Alb, genießt er hier die Studienzeit.

Seine persönlichen Tipps und Wohlfühlorte.

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DIE WELT VERÄNDERN.

Orte zum VerliebenDa ich in einer ländlichen Gegend aufgewachsen bin, habe ich mir lange überlegt, ob es für mein Stu-dium wirklich eine Großstadt werden soll. Meinen Umzug nach Stuttgart habe ich aber noch keine Se-kunde bereut. Für naturverliebte Menschen bieten die zahlreichen Anhöhen rund um den Stuttgarter Talkessel Erholung und eine tolle Aussicht. Ein Spa-ziergang auf die Karlshöhe mit Biergarten, zum Bis-marckturm oder hoch zum Birkenkopf sind meine Favoriten und bieten eine ideale Möglichkeit zur Entspannung. Bei genauerer Betrachtung ist Stutt-gart grüner als es auf den ersten Blick erscheint.

Bars und RestaurantsIn Sachen Nachtleben hat Stuttgart für jeden Ge-schmack etwas zu bieten. Bekannt ist vor allem die Theodor-Heuss-Straße mit vielen schicken Clubs und Lounges. Ich persönlich bevorzuge eher die rockigen Alternativen. Dafür bietet sich zum Beispiel das „Zwölfzehn“ am oberen Ende der Partymeile an. Hier finden regelmäßig Live-Konzerte von Bands aus allerlei Musikrichtungen statt. Die lockere Atmosphäre ist genau das Rich-tige nach einem anstrengenden Tag an der Uni. Live-Gitarren gibt es auch im „Keller Klub“, und empfehlen kann ich dort unter anderem die Das-Ding-Lautstark-Abende. Ein beliebter Treffpunkt ist bei Studenten vor allem die Gegend um den Hans-im-Glück-Brunnen, denn dieser ist umgeben von vielen gemütlichen Bars und Kneipen.

SparenAls Student muss ich in meinem Alltag mit einem kleinen Budget auskommen. Da ist es gut zu wis-sen, wo man sparen kann. Zwei Tipps von mir: Gu-tes Essen und Trinken zu studentenfreundlichen Preisen gibt es zum Beispiel im Wirtshaus Troll zwischen Schwabstraße und Feuersee. Ein Blick auf die täglich wechselnden Specials lohnt sich in jedem Fall. Wer lieber klettert statt sitzt, kann im Cityrock ab 21.00 Uhr mit dem Guten-Abend-Ticket um die Hälfte die Wände erklimmen.

ShoppenWem auf der Königsstraße zu viel Mainstream herrscht, dem kann ich den mehrmals jährlich stattfindenden Riesenflohmarkt auf dem Univer-sitätsgelände in Vaihingen ans Herz legen. Dort finden sich hauptsächlich Stände und Waren von und für Studenten, sodass es jede Menge interes-santer und nützlicher Dinge zu ergattern gibt. In jedem Fall gilt: Support your local business!

AusflügeFür sportliche Ausflüge gehe ich zum Laufen am liebsten Richtung Vaihingen an die Bärenseen. Die Runde um die idyllischen Seen ist eine der schönsten Laufstrecken, die ich kenne. Wem ein-kehren besser bekommt als joggen, dem ist mit dem dortigen Bärenschlössle bestens gedient. Mit Bus und Bahn gut zu erreichen ist auch die Grab-kapelle auf dem Württemberg, gratis mit einer wunderschönen Sicht über ganz Stuttgart. Da ich für ein Jahr in den USA studiert habe und mich mit Land und Leuten noch sehr verbunden fühle, gefallen mir besonders auch das vielfältige Kultur-programm und die Veranstaltungen des Deutsch-Amerikanischen Zentrums am Charlottenplatz.

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„Ein Spaziergang zum Bismarckturm oder hoch zum

Birkenkopf sind meine Favoriten und bieten eine

ideale Möglichkeit zur Entspannung.“

MEINE LIEBLINGSADRESSEN:

Der Bärensee mit Biergarten

www.baerenschloessle-stuttgart.de

Club/Bar „Zwölfzehn“

www.zwoelfzehn.de

Club „Kellerklub“

www.kellerklub.com

Wirtshaus Troll

www.wirtshaus-troll.de

„Deutsch-Amerikanisches Zentrum“

www.daz.org

Kletteranlage „Cityrock“

www.cityrock.de

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Lena Riegl, 21Betriebswirtschaftslehre, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen

Josef Huber,31Pflegemanagement,

Hochschule Esslingen

Schon in den letzten beiden Jahren des kaufmännischen Berufskollegs war mir klar, dass ich Betriebswirtschaftslehre studieren möchte. Die Bereiche Marke-ting und Event interessierten mich am meisten, jedoch wollte ich mich nicht gleich zu sehr spezialisieren. Also bewarb

ich mich für die allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen und bin dort seit dem Winterse-mester 2010 eingeschrieben. Die ersten vier Semester und somit auch das Grundstudium habe ich schon erfolgreich absolviert. Momentan erhalte ich durch das Praxissemester tiefere Einblicke in die Berufswelt, was ich persönlich sehr wichtig finde und auch zu einem Studium dazu gehört. Dies ermöglicht mir auch, die Theorie des Studiums praktisch anzuwenden und erste Kontakte zu knüpfen. Nach dem Praktikum gehe ich für ein halbes Jahr ins Ausland, um dort zusätzlich zu meinem deutschen Bachelor einen englischen Bachelor zu erwerben. An der Hochschule Nürtingen fühle ich mich sehr wohl, es öffneten sich dort einige neue Türen für mich. Die Hochschule bietet viele Möglichkeiten in Bezug auf Ausland, Vorträge und verschiedenste Veranstaltungen. Für diese vielen und spannenden Eindrü-cke, die ich während des Studiums sammeln kann, bin ich sehr dankbar. Den Studiengang würde ich jederzeit weiter empfehlen.

Antje Jensch, 23Mathematik, Universität Stuttgart

Studierende übers Studieren

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Felix Meinhardt, 29Kamera, Filmakademie

Baden-Württemberg, Ludwigsburg

Bevor ich an der Film-akademie meine Leiden-schaft fürs bewegte Bild entdeckte, habe ich eine Fotolehre gemacht. Hier durfte ich mir alle wich-

tigen Grundlagen zur Bildgestaltung aneignen,

was mir bei meinem späteren Kamerastudium eine große Hilfe war. Schon während meiner Ausbildung hatte ich viel Freude daran, Bilder mit Licht zu gestalten, sie „mit Licht zu zeichnen“. Diesem Motto bin ich bis heute treu – ob in der

Fotografie oder beim Film. Mein Studium an der Filmakade-mie war aus verschiedenen Gründen etwas sehr Besonderes und Exklusives. Der Praxisbezug war von Beginn an immens groß und wir durften eine Menge ausprobieren. Außerdem

ist der Studiengang „Kamera“ mit nur acht Studenten pro Jahr sehr klein, was eine hervorragende Betreuung möglich machte – übrigens unter anderem durch sehr hochrangige

und engagierte Dozenten aus der Filmbranche. Die Aka-demiezeit war außerdem sehr hilfreich, was das Thema

Networking angeht. Davon profitiere ich enorm. Inzwischen drehe ich vor allem Fernsehdokumentationen. Meine Arbeit macht mir viel Spaß – und dass ich neue Länder und fremde

Kulturen kennenlernen darf, ist noch ein weiterer Bonus!

Studieren bedeutet für mich über die fachliche Qualifikation hinaus, meine Persönlichkeit zu entwickeln. Bereits während meines Bachelor-Studiums Pflege/Pflegemanagement hatte ich die Gelegenheit, in der theore-tischen und praktischen Auseinan-dersetzung meinen Blick zu erweitern, in der Gremienarbeit sogar über die eigentlichen Studieninhalte hinaus. Auch im Rahmen von Jobs oder der Bachelorarbeit kam ich in den Genuss der starken Verzahnung des Studiums mit Forschung und Betriebspraxis. Auf diesen Erfahrungen kann ich im Masterstudium aufbauen. Mein Ziel für das Masterstudium ist es, meine Werkzeugtasche der Forschungsmethoden zu füllen. Mit meinem Engagement für die Fachschaft und für CampusLeben konnte ich mir eine Plattform erschließen, mit der ich vor allem Erfahrungen sammelte. Konzepte konnte ich hier allein und im Team entwickeln und umsetzen. Im Falle der Einführungstage bedeutet das, mehr als 100 neuen Studie-renden die Möglichkeit zu geben, ideal ins Studium einzusteigen.

Aufgewachsen bin ich im Osten von Sachsen-Anhalt. Nachdem ich beschlossen hatte Mathematik zu studieren, wollte ich eigentlich eine Universität in der Nähe finden. Aber es kam dann doch anders. Während eines Besuchs bei meiner in Stuttgart studierenden Schwester habe ich den von der Universität angebotenen Mathevorkurs besucht. Dabei habe ich viele nette Menschen kennen-gelernt. Zudem ist mir in dieser Zeit die Stadt ans Herz gewachsen. Es gibt reichlich Grünanlagen in Stuttgart, kulturelle Angebote, Clubs und Pubs – alles kompakt bei-sammen im Kessel. Außerdem habe ich mir hier immer sicher gefühlt, auch wenn ich alleine nachts unterwegs bin. Ein weiteres Plus ist für mich das umfangreiche Sprach- und Sportangebot der Universität durch das ich rasch auch Kontakte zu Studierenden anderer Fachrichtun-gen knüpfen konnte. Inzwischen bin ich im Mathe Master eingeschrieben, welcher ein großes Maß an Freiheit bietet – bei der Wahl der Kurse und durch die Möglichkeit bei Praktika mögliche zukünftige Arbeitsfelder zu testen.

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Ich studiere im vierten Semester den Bachelorstudiengang Public Management/Gehobener Verwaltungsdienst an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg, der auf Positionen im öffentlichen Dienst bei Landes- und Kommunalverwaltungen vorberei-tet, beispielsweise in Rathäusern, Landratsämtern, Ministerien und öffentlichen Unternehmen oder auch als Bürgermeister. Das Studium ist sehr generalistisch angelegt und besteht aus rechts-, sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Modulen. Die Ausbildung beginnt mit einem sechsmonatigen Einführungspraktikum bei einer Gemeinde. Daran schließen sich drei Semester Grundlagenstudium und eine 14-monatige Praxisphase mit vier Schwerpunktbereichen an,

einer davon beispielsweise im Ausland oder in der Privatwirtschaft. Im abschließenden Vertiefungssemester hat man dann die Möglichkeit, sich auf ein Themengebiet zu spezialisieren. Sehr positiv an meinem Studium empfinde ich den hohen Praxisbezug. Während der Praxisphase kann man die unterschiedlichsten Bereiche kennenlernen, meine Praktika verteilen sich auf internationa-les Hilfswerk, Polizeidirektion, regionale Wirtschaftsförderung und Kulturamt. Ein Vorteil ist auch, dass es bei uns keine überfüllten Seminare und Vorlesungen gibt, sondern Gruppen in Schulklassengröße. Gute Arbeitsaussichten sowie Besoldung und Verbeam-tung bereits während des Studiums machen den Studiengang aus meiner Sicht zusätzlich attraktiv.

Petra Weiduschat, 30Public Management, Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen, Ludwigsburg

DIE WELT VERÄNDERN.

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Ich studiere zurzeit im dritten Semester Luft- und Raumfahrttech-nik an der Universität Stuttgart. Wenn ich mit Leuten über meinen Studiengang rede, werde ich öfter gefragt, ob ich später einmal Astronaut werden möchte. Dies wäre zwar eine absolut super Karriereentwicklung, ist aber nicht der eigentliche Beweggrund, dass ich mich für dieses Studium entschieden habe. Der hohe Anspruch an High-Tech und Know-how sowie die extrem dünne Toleranzbreite in der Konstruktion und in der Auslegung von tech-nischen Geräten bis hin zu Raketen, waren dabei entscheidendere Aspekte. Dass so ein Studium nicht nur Freude und Motivation bereithält ist natürlich auch klar, aber ich motiviere mich mit den vielen, interessanten Berufsfeldern, die mir später einmal offen stehen werden. Da Stuttgart, neben der Technischen Universität München, die einzige Universität in Deutschland ist, die einen Ba-chelorstudiengang in LRT anbietet und zudem einen ausgezeich-neten Ruf die naturwissenschaftlichen Studiengänge betreffend besitzt, war es für mich klar, dass ich nach Stuttgart gehen werde. Stuttgart hat einige renommierte Projekte, wie SOFIA oder in der Triebwerkstechnologie sowie eine eigene Fakultät für diesen Studiengang. Dies waren weitere klare Argumente für diese Universität. Außerdem gefällt mir die schwäbische Mentalität und Natürlichkeit, sodass ich mich hier sehr wohl fühle. Dass ich eine nicht allzu große Anreise habe, da ich aus der Region Heilbronn komme, ist hier nur ein kleiner, glücklicher Nebeneffekt.

Steffen Heumann, 24Frühkindliche Bildung und Erziehung,

Evangelische Hochschule, Ludwigsburg

Antje Jensch, 23Mathematik, Universität Stuttgart

Patrick Foltyn, 20 Luft- und Raumfahrttechnik, Universität Stuttgart

Eigentlich hielt ich mich immer eher für den naturwissenschaft-

lichen Typen, der verstehen wollte, wie alles funktioniert

und aufgebaut ist. In meinem Chemiestudium musste ich dann aber leider feststellen,

dass die naturwissenschaftli-che Sicht mir zu begrenzt war und mir nicht das offenbarte, was ich suchte. Aber was suchte ich? Wie der Zufall so spielt, brachte mich meine Tätigkeit als Jugendleiter eines Sportvereins auf den

richtigen Weg. Immer wieder stellte sich mir die Frage nach meiner Weltansicht und jener der Kinder, und wie wir sie uns gegensei-tig vermitteln und verstehen. Nach langem Grübeln über dieses Thema stieß ich auf den Studiengang Frühkindliche Bildung und

Erziehung an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg, den es erst seit 2007 gibt. Rückblickend bin ich glücklich, mich für diesen

Studiengang entschieden zu haben. Die Vielfalt der Weltzugänge der Kinder, die vermittelt, die selbst erlebt und die dazu noch durch

wissenschaftliche Thesen unterstrichen werden, sorgen für Ab-wechslung und eine vielseitige Sicht der Dinge. Dies verzahnt mit

den Praxiseinheiten, in Kindertageseinrichtungen, lässt das Erlernte, hautnah beobachten und umsetzen. Nicht zu vergessen der Spaß, der bei der Interaktion mit Kindern entsteht und den Studienalltag auflockert. Auch wenn ich als Mann eher zur Minderheit des Stu-diengangs zähle, würde ich jedem, der gerne mit Kindern arbeitet und neugierig ist, diesen Studiengang in Ludwigsburg empfehlen. Auch Männern, denn Kinder brauchen auch männliche Vorbilder.

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UNIVERSITÄT STUTTGART

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:IngenieurwissenschaftenNaturwissenschaften und MathematikSprach- und KulturwissenschaftenWirtschafts- und Sozialwissenschaften

Studierende: ca. 24.600

Kontakt:Universität StuttgartKeplerstr. 770049 Stuttgart Telefon 0711 685-0 www.uni-stuttgart.de

UNIVERSITÄT HOHENHEIM

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:AgrarwissenschaftenBiologieErnährungs- und LebensmittelwissenschaftenWirtschafts- und Sozialwissenschaften

Studierende: ca. 9.600

Kontakt:Universität Hohenheim70593 StuttgartTelefon 0711 459-0www.uni-hohenheim.de

DUALE HOCHSCHULE BADEN-WÜRTTEMBERG STUTTGART

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:WirtschaftTechnikSozialwesen

Studierende: ca. 8.000

Kontakt:Duale Hochschule Baden-Württemberg StuttgartJägerstr. 5670174 StuttgartTelefon 0711 1849-632www.dhbw-stuttgart.de

Lehre und Forschung in der Region StuttgartDie Region Stuttgart ist ein herausragender Hoch-schul- und Forschungsstandort. Es finden sich hierzwei Dutzend Universitäten, Hochschulen und Akademien, mehr als 70.000 Studierende (Tendenz steigend), vier Fraunhofer-Institute, ein Fraunhofer-Informationszentrum, zwei Max-Planck-Institute, zahlreiche renommierte Forschungs- und Entwick-lungszentren der Privatwirtschaft sowie mehr als ein Dutzend regionale Kompetenz- und Innova-tionszentren, die mit Hilfe von Trägern aus Wirt-schaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand und dem Ziel gegründet wurden, in Clustern innovative Kräfte zu bündeln sowie aus herausragender For-schung erfolgreiche Praxisprodukte zu entwickeln. Dabei sind nicht nur die bekannten Stärken Maschinenbau, Naturwissenschaft und Technik so-wie Architektur und Bauingenieurwesen prägend für die Hochschulen und Wissenschaftseinrichtun-

gen des Standorts. Auch in anderen Fachgebieten beweist der Standort außergewöhnlich gute Studi-enmöglichkeiten: so unter anderem in den Fächern Film und Medien, Wirtschaftswissenschaften, Ge-sundheitswissenschaften, Soziale Arbeit, Pädago-gik, Verwaltungsmanagement und Steuern. Die Wissenschaftseinrichtungen des Standorts arbeiten zum Beispiel in den Feldern Nanotechnolo-gie, Festkörperforschung, Mikro- und Nanorobotik, Oberflächentechnik, Automatisierung, Material-wissenschaft, Bioverfahrenstechnik, Bauphysik und Bautechnik. Nobelpreisträger, Leibnizpreisträger und mit vielen anderen Auszeichnungen dekorierte Akteure stehen für exzellente Forschung und Lehre. An dieser Stelle haben wir neben den Hoch-schulen auch die ersten Wissenschaftseinrichtun-gen des Standorts aufgenommen. Weitere werden in den nächsten Ausgaben folgen.

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DIE WELT VERÄNDERN.

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HOCHSCHULE ESSLINGEN

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:WirtschaftTechnikSozialesPflege

Studierende: ca. 6.000

Kontakt:Hochschule EsslingenKanalstr. 3373728 Esslingen a.N.Telefon 0711 397-49www.hs-esslingen.de

PÄDAGOGISCHE HOCHSCHULE LUDWIGSBURG

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:Lehramt und BildungswissenschaftKulturwissenschaftBildungsforschung

Studierende: ca. 5.400

Kontakt:Pädagogische Hochschule LudwigsburgReuteallee 4671634 LudwigsburgTelefon 07141 140-0www.ph-ludwigsburg.de

HOCHSCHULE FÜR WIRTSCHAFT UND UMWELT NÜRTINGEN-GEISLINGEN

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:WirtschaftUmweltPlanungRecht

Studierende: ca. 4.300

Kontakt:HfWU – Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-GeislingenNeckarsteige 6 –1072622 NürtingenTelefon 07022 201-0www.hfwu.de

HOCHSCHULE DER MEDIEN STUTTGART

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:Druck und MedienElectronic MediaInformation und Kommunikation

Studierende: ca. 4.000

Kontakt:Hochschule der MedienNobelstr. 1070569 StuttgartTelefon 0711 8923-10www.hdm-stuttgart.de

HOCHSCHULE FÜR TECHNIK STUTTGART

TECHNIK STUTTGART

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:Architektur und BauingenieurwesenInformatik, MathematikVermessungWirtschaft

Studierende: ca. 3.300

Kontakt:Hochschule für Technik StuttgartSchellingstr. 2470174 StuttgartTelefon 0711 8926-0www.hft-stuttgart.de

PÄDAGOGISCHE HOCHSCHULESCHWÄBISCH GMÜND

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:Lehramt Grund-, Haupt- und RealschulenInterkulturalitätGesundheitsförderung

Studierende: ca. 2.600

Kontakt:Pädagogische Hochschule Schwäbisch GmündOberbettringer Str. 20073525 Schwäbisch GmündTelefon 07171 983-0www.ph-gmuend.de

Standort GöppingenRobert-Bosch-Str. 1 73037 Göppingen Telefon 07161 679-0

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AKAD HOCHSCHULE STUTTGART

Private Hochschule

Schwerpunkte:BetriebswirtschaftslehreInternational Business CommunicationMaschinenbauMechatronikWirtschaftsinformatikWirtschaftsingenieurwesen

Studierende: ca. 2.200

Kontakt:AKAD Hochschule StuttgartMaybachstr. 18 –2070469 StuttgartTelefon 0711 81495-0www.akad.de

HOCHSCHULE FÜR ÖFFENTLICHE VER-WALTUNG UND FINANZEN LUDWIGSBURG

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:VerwaltungManagementFinanzenSteuern

Studierende: ca. 1.600

Kontakt:Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen LudwigsburgReuteallee 3671634 LudwigsburgTelefon 07141 140-0www.hs-ludwigsburg.de

HFH HAMBURGER FERN-HOCHSCHULESTUTTGART

Private Hochschule

Schwerpunkte:Gesundheit und Pflege, Wirtschaft und Technik

Studierende: ca. 1.160

Kontakt:Studienzentrum Gesundheit und PflegeHackstraße 7770190 StuttgartTelefon 0711 9 23 71-33 Studienzentrum Wirtschaft und TechnikNordbahnhofstraße 14770191 StuttgartTelefon 0711 67 23 59-50 www.hamburger-fh.de

EVANGELISCHE HOCHSCHULE LUDWIGSBURG

Kirchliche Hochschule, staatlich anerkannt

Schwerpunkte:Soziale ArbeitDiakoniewissenschaftReligionspädagogikFrüh- und Heilpädagogik

Studierende: ca. 1.000

Kontakt:Evangelische Hochschule Ludwigsburg Paulusweg 671638 LudwigsburgTelefon 07141 9745-209www.eh-ludwigsburg.de

STAATLICHE AKADEMIE DER BILDENDEN KÜNSTE STUTTGART

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:Bildende KunstArchitekturDesignKunstwissenschaften/Restaurierung

Studierende: ca. 900

Kontakt:Staatliche Akademie der Bildenden Künste StuttgartAm Weißenhof 170191 StuttgartTelefon 0711 28440-0www.abk-stuttgart.de

STAATLICHE HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST STUTTGART

UND DARSTELLENDE KUNST STUTTGART

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:MusikTheaterSprechenMusikwissenschaft und Musikpädagogik

Studierende: ca. 770

Kontakt:Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende KunstUrbanstr. 2570182 StuttgartTelefon 0711 212-4620www.mh-stuttgart.de

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FOM HOCHSCHULE STUTTGART

Private Hochschule

Schwerpunkte:Business AdministrationInternational ManagementWirtschaftsinformatikWirtschaftsrecht, SteuerrechtBanking und FinanceGesundheits- und Sozialmanagement Wirtschaftspsychologie

Studierende: ca. 1.200

Kontakt:FOM HochschuleRotebühlstr. 12170178 StuttgartTelefon 0711 342297-0www.fom-stuttgart.de

HOCHSCHULE FÜR GESTALTUNGSCHWÄBISCH GMÜND

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:InteraktionsgestaltungKommunikationsgestaltungProduktgestaltung

Studierende: 625

Kontakt:Hochschule für GestaltungSchwäbisch GmündMarie-Curie-Str. 1973529 Schwäbisch GmündTelefon 07171 602-600www.hfg-gmuend.de

FILMAKADEMIE BADEN-WÜRTTEMBERG LUDWIGSBURG

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:Film und MedienProduktionFilmmusik und Sounddesign

Studierende: ca. 450

Kontakt:Filmakademie Baden-WürttembergAkademiehof 1071638 LudwigsburgTelefon 07141 969-0www.filmakademie.de

MHMK MACROMEDIA HOCHSCHULE FÜR MEDIEN UND KOMMUNIKATION STUTTGART

Private Hochschule, staatlich anerkannt (Bayern)

Schwerpunkte:MedienmanagementJournalistikMedien- und Kommunikationsdesign

Studierende: ca. 300

Kontakt:MHMK – Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation StuttgartNaststr. 1170376 StuttgartTelefon 0711 2807380www.mhmk.de

MERZ AKADEMIE HOCHSCHULE FÜR GE-STALTUNG KUNST UND MEDIEN STUTTGART

Private Hochschule, staatlich anerkannt

Schwerpunkte:Gestaltung, Kunst und Medien Visuelle Kommunikation New Media, Film und Video

Studierende: ca. 280

Kontakt:Merz Akademie Hochschule für Gestaltung, Kunst und Medien Stuttgart Teckstr. 58 70190 Stuttgart Telefon 0711 268 66-77www.merz-akademie.de

FREIE HOCHSCHULE STUTTGART

Private Hochschule

Schwerpunkte:WaldorfpädagogikKlassen-, Fach- und Oberstufenlehrer an Waldorfschulen

Studierende: ca. 280

Kontakt:Freie Hochschule StuttgartSeminar für Waldorfpädagogik(Staatlich anerkannte Hochschule)Haußmannstr. 44a, 48 –5070188 StuttgartTelefon 0711 210940www.freie-hochschule-stuttgart.de

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HOCHSCHULE FÜR KUNSTTHERAPIE NÜRTINGEN

Private Hochschule

Schwerpunkte:Kunsttherapie

Studierende: ca. 270

Kontakt:Hochschule für Kunsttherapie NürtingenSigmaringer Str. 15/272622 NürtingenTelefon 07022 93336-0www.hkt-nuertingen.de

AKADEMIE FÜR DARSTELLENDE KUNST BADEN-WÜRTTEMBERG LUDWIGSBURG

KUNST BADEN-WÜRTTEMBERG

Staatliche Hochschule

Schwerpunkte:SchauspielTheaterregieDramaturgieBühnen- und Kostümbild

Studierende: ca. 60

Kontakt:Akademie für Darstellende Kunst Baden-WürttembergAkademiehof 171638 LudwigsburgTelefon 07141 309960www.adk-bw.de

STEINBEIS-HOCHSCHULE BERLIN SHB STUTTGART

Private Hochschule

Schwerpunkte:Business ManagementTechnologyInternational ManagementFinancial Management

Studierende: deutschlandweit ca. 4.800

Kontakt:Steinbeis-Hochschule Berlin SHBKienestr. 3570174 StuttgartTelefon 0711 1839-5 www.steinbeis-hochschule.de

MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR FESTKÖRPERFORSCHUNG

Schwerpunkte:Festkörperchemie und ElektrochemieKomplexe MaterialienKorrelierte ElektronensystemeNanowissenschaft und NanotechnologieNiedrigdimensionale Systeme

Kontakt:Max-Planck-Institut für FestkörperforschungHeisenbergstr. 170569 StuttgartTelefon 0711 689-0www.fkf.mpg.de

MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR INTELLIGENTE SYSTEME

Schwerpunkte:Biologische SystemeHybride und Synthetische MaterialsystemeMaschinelles LernenMaschinelles SehenRobotik

Kontakt:Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme(ehemals MPI für Metallforschung)Heisenbergstr. 370569 StuttgartTelefon 0711 689-3094www.is.mpg.de

FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR PRODUKTIONSTECHNIK UND AUTOMATISIERUNG IPA

Schwerpunkte:UnternehmensorganisationAutomatisierungOberflächentechnik

Kontakt:Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPANobelstr. 1270569 StuttgartTelefon 0711 970-00www.ipa.fraunhofer.de

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FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR GRENZFLÄCHEN- UND BIOVERFAHRENSTECHNIK IGB

Schwerpunkte:Grenzflächentechnologie und MaterialwissenschaftMolekulare BiotechnologiePhysikalische ProzesstechnikUmweltbiotechnologie und BioverfahrenstechnikZellsysteme und Tissue Engineering

Kontakt:Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGBNobelstr. 1270569 StuttgartTelefon 0711 970-44 01www.igb.fraunhofer.de

FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR ARBEITSWIRTSCHAFT UND ORGANISATION IAO

Schwerpunkte:Unternehmensentwicklung und ArbeitsgestaltungDienstleistungs- und PersonalmanagementEngineering-SystemeInformations- und KommunikationstechnikTechnologie- und Innovationsmanagement

Kontakt:Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAONobelstr. 1270569 StuttgartTelefon 0711 970-2124www.iao.fraunhofer.de

FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR BAUPHYSIK IBP

Schwerpunkte:AkustikBauchemie, Baubiologie, HygieneEnergiesystemeHygrothermikGanzheitliche BilanzierungRaumklima, KlimawirkungWärmetechnik

Kontakt:Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP Nobelstr. 12 70569 StuttgartTelefon 0711 970-00www.ibp.fraunhofer.de

FRAUNHOFER-INFORMATIONSZENTRUM RAUM UND BAU IRB

Schwerpunkte:Erschließung und Bereitstellung von Fachinformationen für den Bereich Planen und Bauen, Raumplanung Städtebau Wohnungswesen, Baurecht, Bauwirtschaft, BauforschungBauschäden, Bauen im Bestand, Denkmalpflege, Energie-effizientes Bauen | Bautechnik

Kontakt:Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRBNobelstr. 12 70569 Stuttgart Telefon 0711 970-2500www.irb.fraunhofer.de

DEUTSCHES ZENTRUMFÜR LUFT- UND RAUMFAHRTSTUTTGART

Schwerpunkte:DLR-Institut für Bauweisen- und Konstruktionsforschung:Keramische Verbundstrukturen, Strukturelle Integrität, Raumfahrt Systemintegration,Rechnergestützte Bauteilgestaltung,Automatisierung und Qualitätssicherung in der Produktionstechnologie

DLR-Institut für Fahrzeugkonzepte:Alternative Antriebe und EnergiewandlungKraftstoff- und EnergiespeicherLeichtbau- und HybridbauweisenInnovative Fahrzeugsysteme und Technikbewertung

DLR-Institut für Technische Physik:Festkörperlaser und nichtlineare OptikAktive Optische SystemeHochenergielaser / COILStudien & Konzepte

DLR-Institut für Technische Thermodynamik:Thermische ProzesstechnikElektrochemische EnergietechnikSystemanalyse und Technikbewertung

DLR-Institut für Verbrennungstechnik:Verbrennung in GasturbinenChemische KinetikVerbrennungsdiagnostikNumerische Simulation

DLR-Solarforschung:Konzentrierende Solarsysteme zur Wärme-, Strom-, Brennstofferzeugung

Kontakt:Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)Pfaffenwaldring 38 – 4070569 StuttgartTelefon 0711 6862-480www.DLR.de/stuttgart

DIE WELT VERÄNDERN.

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Paragliding am Hohenneuffen

Mercedes-Benz Museum Literaturmuseum der Moderne in Marbach Mittelalterlicher Marktplatz in Herrenberg

Ein Wahrzeichen der Region – der Stuttgarter Fernsehturm

Leben in der Region Stuttgart

Als die Welt erschaffen war und der Schöp-fer hernach sein Werk betrachtete, so wird berichtet, übte er sich in Demut. In der Bibel heißt es: „Und Gott sah, dass es gut war.“ Solche Sätze hört man heute kaum noch. Der Mensch neigt zur Übertreibung. Er wür-de dieser Tage wohl sagen: „Und Gott sah, dass es ein Jahrhundertprojekt war.“ Womit wir bei der Region Stuttgart wären, in der 2,7 Millionen Menschen leben. Nicht wenige von ihnen würden augenzwinkernd durchaus von einem Jahrtausendprojekt sprechen. Der Ballungsraum am Neckar ist ihre Heimat. Sie fühlen sich hier pudelwohl. Mit dem Begriff Heimat verbindet letztlich je-der etwas anderes. Er verweist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum. Dieser Raum prägt. Er schafft Identität, er formt Mentalität, er gibt Halt. Heimat ist, wo man nicht nach dem Weg fragen und sich nicht erklären muss. „Ohne Heimat sein“, schrieb einst Dostojewski, „heißt leiden.“ Das wird einem oft erst bewusst, wenn man länger weg ist und den Sound der Hei-mat vermisst, die Art wie Menschen dort reden, die

Vertrautheit und die Seelenverwandtschaft und die ganz persönlichen Nischen. Die Region Stuttgart hat viele davon. Sie besteht aus 179 Städten und Ge-meinden, die alle ihren eigenen Charme haben. Von Kleinglattbach bis Großerlach. Schwäbisches Bürgerwohnglück paart sich hier mit steilen Rebhängen. Burgen und Schlösser prä-gen das Bild ebenso wie Fabriken, moderne Archi-tektur und Fachwerkveteranen. Dieser Lebensraum ist nicht verstaubt, sondern unverbraucht und frisch. Vor allem auch junge Menschen zieht es in die Städte der Region. Hier ist was los, hier ist was geboten. Es ist die Auswahl, die diesen Ballungsraum so unvergleichlich macht. Auch jene, wenn es um inte-ressante Jobs geht. Die Region Stuttgart ist nicht nur mit herausragenden Hochschulen und Forschungs-einrichtungen gesegnet, sondern gehört auch welt-weit zu den stärksten Wirtschafts- und Technologie-standorten. Die Arbeitslosenquote zählt bundesweit seit je zu den niedrigsten. Reichlich Auswahl gibt es auch in der Freizeit. Kunstsinnige haben die Wahl zwischen Hunderten von Museen und Galerien in der gesamten Region, allen voran die Neue Staats-galerie. Beeindruckend ist das breite Theater- und

Musikangebot, Musical, Varieté und Kabarett, Fi-gurentheater und Pantomime. Man denke an das vielfach ausgezeichnete Stuttgarter Staatstheater, das weltberühmte Stuttgarter Ballett oder auch die Ludwigsburger Schlossfestspiele. Es wird einem nie langweilig in dieser Heimat. Architekturdenkmale wie die Weißenhofsiedlung oder der Urvater aller Fernsehtürme sind Publi-kumsmagneten. Ein Alleinstellungsmerkmal hat die Wilhelma, Europas größter zoologisch-botanischer Garten. Wer bummeln will, kann sich in Städten wie Esslingen, Ludwigsburg und Stuttgart verlustie-ren, wer es individueller mag, findet Natur pur im Schwäbischen Wald sowie Rad- und Wanderwege am Albtrauf. Das alles ist buchstäblich um die Ecke. Ein Lebensraum ist frei nach Christoph Lichten-berg immer auch wie ein Spiegel. Wenn ein Affe reinschaut, kann kein Apostel rausschauen. Was die Region Stuttgart betrifft, überwiegen die Apostel. Sie ist jung und alt, sie ist bodenständig und modern. Sie macht Lust auf mehr und wird geprägt von Men-schen, denen der Drang zur Oberflächlichkeit fehlt. Diese Menschen eint das Gefühl, in dieser Zeit am rechten Ort zu sein. // www.region-stuttgart.de

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DIE WELT VERÄNDERN.

Die nächste Ausgabe erscheint im Frühjahr 2013

Die Hochschul- und Wissenschaftsregion Stuttgart e.V.Die Hochschul- und Wissenschaftsregion Stuttgart ist ein 2011 gegründeter Verein, der sich dem Ziel verschrieben hat, Universitäten, Hochschulen, Wis-senschaftseinrichtungen, Stiftungen und Unterneh-men im prosperierenden Ballungsraum am Neckar zu vernetzen. Bereits seit 2010 gibt es das Hochschul-magazin „Die Welt verändern“. Herausgegeben wird es von der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH, bei der auch die Geschäftsstelle des Vereins angesiedelt ist. Inzwischen sind mehr als 20 Hoch-schulen, Gemeinden und Verbände beigetreten, um für die bundesweit einmalige Hochschulregion zu werben und den Austausch über Innovationen zwi-schen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern. Vor diesem Hintergrund wurde vor kurzem auch eine Veranstaltungsreihe aus der Taufe gehoben: „Megatrends – wir verändern die Welt“. Wolfram Ressel, Rektor der Universität Stutt-gart und Vorsitzender der Hochschul- und Wissen-schaftsregion, begrüßte zur Auftaktvorstellung den EU-Kommissar für Energie, Günther Oettinger. In sei-ner Gastrede hielt er im Stuttgarter Theaterhaus ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Vernetzung. Sie sei ein Gebot der Stunde, nicht nur für Hochschulen, sondern auch für Regionen und Staaten. Im Mittleren Neckarraum seien drei Millionen Menschen zu Hause, in der Region um Tokio 38 Millionen, im Ballungsraum um Peking 23 Millionen. „Wir müssen begreifen, wie klein wir eigentlich sind“, sagte Günther Oettinger und fügte hinzu: „Wir verändern die Welt, aber die Welt verändert auch uns. Möglicherweise genügen wir uns dabei am Nesenbach zu sehr selbst.“

Oettinger verwies darauf, dass Deutschland nur ein Prozent der Weltbevölkerung stelle. „Die gesamten Emissionen Europas, von denen Deutschland zwei Prozent verursacht, machen 11 Prozent der weltwei-ten Emissionen aus“, sagte Oettinger. Gelinge es nicht, Großmächte wie Amerika und China ins Boot zu holen, würden auf lange Sicht ganze Landstriche unbewohn-bar. „Dann gibt es ab 2050 einen neuen Megatrend, nämlich die Flucht von Tausenden von Menschen.“ Im Anschluss an Oettingers Rede blickten sieben kluge Köpfe aus der Region Stuttgart in die Zukunft: Michael Resch von der Uni Stuttgart; Petra Grimm von der Hochschule der Medien, Tobias Wallisser von der Akademie der Bildenden Künste, Ursula Eicker von der Hochschule für Technik, Andreas Rößler von der Hochschule Esslingen, Klaus Dietrich, Alumnus der Uni Stuttgart und Vorsitzender Forschung und Vorausent-wicklung bei Bosch sowie Maria Nesselrath von der SINUS-Akademie, Alumna der Hochschule Esslingen.

Die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS)Die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) ist für die regional bedeutsame Wirtschafts-förderung verantwortlich, die dem Verband Regi-on Stuttgart per Landesgesetz übertragen wurde. Sie ist zentraler Ansprechpartner für Investoren und Unternehmen in der Stadt Stuttgart und in den fünf umliegenden Landkreisen. Die strategi-schen Aufgaben sind: Nationales und internati-onales Standortmarketing, Akquisition von Un-ternehmen, Investorenservices, das Initiieren von Branchen- und Technologienetzwerken, die Förde-rung regionaler Netzwerke und die Unterstützung der regionalen Unternehmen bei der Sicherung ihres Fachkräftebedarfs. Dabei arbeitet die WRS

eng mit Firmen, wissenschaftlichen Einrichtungen, kommunalen Wirtschaftsförderern und weiteren Partnern zusammen. Als modellhaft gelten die regionale Datenbank für Gewerbeimmobilien und die themenbezogenen Kompetenz- und Innovati-onszentren, die als Firmennetzwerk und Schnitt-stelle von Wirtschaft und Wissenschaft vor allem für kleine und mittlere Unternehmen von großem Nutzen sind. In Zusammenarbeit mit den Hoch-schulen und Forschungseinrichtungen der Region engagiert sich die WRS für eine optimierte Wahr-nehmung und bessere Vernetzung des Hochschul- und Forschungsstandorts Region Stuttgart. // www.wrs.region-stuttgart.de Nº7

IMPRESSUM

HerausgeberHochschul- und Wissenschaftsregion Stuttgart e.V.

Geschäftsstellec/o WirtschaftsförderungRegion Stuttgart GmbH (WRS)Friedrichstr. 1070174 StuttgartTelefon 0711- 228 35-0

[email protected]

GeschäftsführerDr. Walter Rogg

Konzept und RedaktionMichael OhnewaldMatthias Knecht

PorträttexteMichael OhnewaldMarkus Heffner

PorträtfotosReiner Pfisterer

GestaltungMichael Holzapfel/Atelier Felantix

RealisierungLose Bande /www.lose-bande.de

MitarbeitSebastian Menzel, Petra Weiduschat

DruckUngeheuer + Ulmer KG GmbH + Co. Ludwigsburg

Gedruckt auf BVS matt der Papierfabrik Scheufelen in Lenningen mit FSC-Zertifizierungssiegel (fsc.org)

ISSN 2191-4087

Die Wirtschaftsförderung Region StuttgartGmbH ist eine Tochter des Verbands RegionStuttgart. www.region-stuttgart.de

BildnachweisReiner Pfisterer (S. 1, 4, 6, 8, 10, 12, 16, 18, 20, 24, 26, 28, 32, 34, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44); SWR (S. 5); Central Theater Esslingen (S. 7); Carola Langer/pixelio (S. 9); Lindenmuseum (S. 10);Tino Chevalier (S. 11); Katharina Bregulla/pixelio (S. 17); Softwarezentrum Böblingen/Sindelfingen (S. 19);663highland/wikipedia (S. 21); Adel/pixelio (S. 22);Speisemeisterei (S. 23); Eva-Maria Roßmann (S. 25); Sigrid Rossmann (S. 29); WMF AG (S. 35); Gabriel Holom (S. 46), Nastasja Reppert (S. 47) Marketing GmbH (S. 46); Pressefreigaben der Hochschulen und Forschungseinrichtungen

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www.campus.region-stuttgart.de

ISSN 2191-4087