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Ausspracheschulung mit Neuen Medien – am Beispiel der "Phonothek interaktiv” 1 Seit Breindls (1997) informativem Überblick über den Stand der Forschung (und Technik) hat die Bedeutung computergestützten Fremd- sprachenlernens im DaF-Bereich weiter zuge- nommen, zumindest wenn man sich die stän- dig steigende Zahl der Übungs- und Lernan- gebote im Internet und die Zunahme an ein- schlägigen elektronischen Publikationen der DaF-Verlage ansieht. Auch der Bereich der Ausspracheschulung wurde von diesem Trend erfasst. So erschienen in den letzten Jahren u.a. das Aussprachetraining DaF (Esser 1996), Besser Deutsch sprechen (Rausch & Rothe 1999), der Video-Aussprache- trainer Deutsch (Franke 2000), der Sprech- trainer in der Einblicke-Reihe des Goethe- Instituts (2000) und die Phonothek interaktiv (Hirschfeld & Stock 2000). 2 Insbesondere an das zuletzt genannte und in diesem Artikel im Mittelpunkt stehen- de Lernprogramm sind nach der erfolgrei- chen Printfassung (Stock & Hirschfeld 1996) große Erwartungen geknüpft worden. Denn mit Ausnahme des im gleichen Jahr erschie- nenen Sprechtrainers gab es bislang kein Pro- gramm, das Übungen zur Ausspracheschu- lung anbot, die über das Nachsprechen von auditiv präsentiertem Material hinausgingen. Mein Beitrag ist in zwei Teile gegliedert: Im ersten werde ich die Phonothek interaktiv vorstellen und nach verschiedenen Kriterien bewerten. Diese Kriterien entstammen der Lehrwerksanalyse, der didaktischen Phone- tik, der Lernpsychologie und der Medien- pädagogik. Im kürzeren zweiten Teil möchte ich vor dem Hintergrund des ersten Teils Perspektiven für die Entwicklung zukünf- tiger Sprachlernsoftware für die Aussprache- schulung skizzieren. I. Phonothek interaktiv – alter Wein in Neuen Medien? Um es gleich vorwegzunehmen: In manch- er Hinsicht – vor allem was den Übungsteil angeht – ist Phonothek interaktiv tatsächlich die derzeit beste Aussprachesoftware auf dem Markt, dennoch bleibt das Programm, vor allem was den Regelteil und die Ausge- staltung der multimedialen Lernumgebung angeht, hinter in der Multimedia-Pädagogik, der Lernergrammatikschreibung und sogar in der Aussprachedidaktik erreichten Stand- ards zurück. Dies möchte ich im Folgenden belegen. Bestandteile und Aufbau Phonothek interaktiv besteht aus vier Pro- grammteilen: (1) Einer Einführung, in der die Nutzer über Ziele, Aufbau und Transkrip- tionskonventionen informiert werden, (2) einem Sprechenden Wörterbuch, das zum einen den Grundwortschatz, zum anderen einen thematischen Wortschatz zu verschie- denen Bereichen umfasst, weiterhin (3) ei- nem Regelteil zu relevanten phonetischen Phänomenen, den es in einer Kurzfassung und einer ausführlichen Fassung gibt, und schließlich (4) einem Übungsteil zu densel- ben Phänomenen wie im Regelteil. Die Zielgruppe wird von den Verfassern in der "Einführung” wie folgt beschrieben: Die Phonothek interaktiv wendet sich an alle, die Interesse haben für Gunther Dietz 1 Hirschfeld, Ursula & Stock, Eberhard (Hg.): Phonothek interaktiv. Das Phonetikprogramm für Deutsch als Fremdsprache. CD-ROM. Berlin & München: Langenscheidt 2000 2 Eine Bestandsaufnahme und Be- wertung der bis dato vorhandenen Programme bietet Richter (1998, 1999). Richter hat auch eine – durch- weg positive – Rezension der Phonothek interaktiv verfasst (2002). 44 Gunther Dietz Ausspracheschulung mit Neuen Medien

Ausspracheschulung mit Neuen 1 interaktiv” - dietz & daf · Ausspracheschulung hat im DaF-Unterricht leider immer noch vielerorts "Stiefkind-Status” und selbstverständlich würde

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Ausspracheschulung mit Neuen Medien Gunther Dietz

– den Klang der deutschen Sprache, – Aussprachenormen und -varianten im

Deutschen, – Ausspracheregeln und phonetische

Merkmale.Von der etwas vagen Formulierung "Interessefür den Klang der deutschen Sprache” einmalabgesehen, werden als Zielgruppe "Lernendeund Lehrende im Fach Deutsch als Fremd-sprache” angegeben, und zwar "ab Grundstufebis zur Lehreraus- und -fortbildung”. Mit an-deren Worten: Die Phonothek interaktiv erhebtden nicht gerade unbescheidenen Anspruch,für alle Lerner auf allen Sprachniveaus unddarüber hinaus auch für Lehrende etwas zubieten. Die Formulierung "Interesse für” lässtoffen, ob es um das Interesse an der Verbesse-rung der eigenen Aussprache geht, oder umdas Interesse, mehr über die Phonetik desDeutschen zu erfahren. Die Verfasser stellensich eine Differenzierung dabei so vor: Lernerauf Grundstufenniveau sollen mit den Stich-wörtern des sprechenden Wörterbuchs, derKurzform der Regeln sowie mit den "Übun-gen mit Namen” arbeiten, während Fortge-schrittene im sprechenden Wörterbuchzusätzlich zu den Stichwörtern auch dieÄußerungen und Transkriptionen verwen-den, die ausführlichen Regeln lernen sowiealle Übungen durcharbeiten sollen/können.Inwiefern Phonothek interaktiv auch fürLehrende gedacht ist, wird nicht explizitgesagt. Dabei liegt eine Antwort auf der Hand:Ausspracheschulung hat im DaF-Unterrichtleider immer noch vielerorts "Stiefkind-Status” und selbstverständlich würde jederDaF-Lehrer, der vorhat, sich die Kompetenz inSachen Ausspracheschulung anzueignen,vom Regelteil – vielleicht auch von manchen

Übungen – der Phonothek interaktivprofitie-ren. Dennoch: Ich werde weiter unten zeigen,dass Phonothek interaktiv diesem maximalenAdressaten-Anspruch, der nebenbei gesagtnatürlich auch ein Werbeargument ist, nichtgerecht wird.

Ein (an)sprechendes WörterbuchDie Idee eines "sprechenden Wörterbuchs” istnicht neu. Esser (1996) und Franke (2000)sind im Wesentlichen akustische Wörter-bücher und auch Rausch & Rothe (1999)haben ein umfangreiches Wörterbuch-Modulintegriert. Das Grundwortschatz-Wörterbuchin der Phonothek interaktiv deckt mit ca. 3000 Wörtern den Zertifikatswortschatz ab,während das thematische Wörterbuch nocheinmal ca. 1000 Stichwörter aus den Feldern"Zahlen”, "Personen- und Ortsnamen”,"Krankheiten”, "Abkürzungen”, "linguistischeTermini” und "100 Wörter des Jahrhunderts”verzeichnet. Für sehr nützlich halte ich imGrundwortschatz-Teil die Möglichkeit, nichtnur Stichwörter (in Grundformen), sondernauch flektierte Wortformen (etwa den Pluralbei Nomina und einige finite Verbformen) an-zuhören. Zudem wird das Stichwort in zweiÄußerungskontexten präsentiert, wobei sichdie Äußerungen nicht im Wortmaterial, son-dern lediglich in der intonatorischen Reali-sierung unterscheiden. Dabei hätte manvielleicht noch eine Bedeutungsangabe(etwa: sachlich, emotional, verärgert) mitlie-fern können. Alle Stichwörter, Wortformenund Äußerungen können per Mausklick ange-hört werden. Der Lerner kann zudem zu allenWörterbuch-Einträgen selber über Mikro-phon Ausspracheversuche machen und seineAussprache mit der vorgegebenen Ausspra-

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Ausspracheschulung mit NeuenMedien – am Beispiel der "Phonothekinteraktiv” 1

Seit Breindls (1997) informativem Überblicküber den Stand der Forschung (und Technik)hat die Bedeutung computergestützten Fremd-sprachenlernens im DaF-Bereich weiter zuge-nommen, zumindest wenn man sich die stän-dig steigende Zahl der Übungs- und Lernan-gebote im Internet und die Zunahme an ein-schlägigen elektronischen Publikationen derDaF-Verlage ansieht. Auch der Bereich derAusspracheschulung wurde von diesemTrend erfasst. So erschienen in den letztenJahren u.a. das Aussprachetraining DaF

(Esser 1996), Besser Deutsch sprechen

(Rausch & Rothe 1999), der Video-Aussprache-

trainer Deutsch (Franke 2000), der Sprech-

trainer in der Einblicke-Reihe des Goethe-Instituts (2000) und die Phonothek interaktiv

(Hirschfeld & Stock 2000).2

Insbesondere an das zuletzt genannteund in diesem Artikel im Mittelpunkt stehen-de Lernprogramm sind nach der erfolgrei-chen Printfassung (Stock & Hirschfeld 1996)große Erwartungen geknüpft worden. Dennmit Ausnahme des im gleichen Jahr erschie-nenen Sprechtrainers gab es bislang kein Pro-gramm, das Übungen zur Ausspracheschu-lung anbot, die über das Nachsprechen vonauditiv präsentiertem Material hinausgingen.

Mein Beitrag ist in zwei Teile gegliedert:Im ersten werde ich die Phonothek interaktiv

vorstellen und nach verschiedenen Kriterienbewerten. Diese Kriterien entstammen derLehrwerksanalyse, der didaktischen Phone-tik, der Lernpsychologie und der Medien-pädagogik. Im kürzeren zweiten Teil möchte

ich vor dem Hintergrund des ersten TeilsPerspektiven für die Entwicklung zukünf-tiger Sprachlernsoftware für die Aussprache-schulung skizzieren.

I. Phonothek interaktiv – alter Wein in

Neuen Medien?

Um es gleich vorwegzunehmen: In manch-er Hinsicht – vor allem was den Übungsteilangeht – ist Phonothek interaktiv tatsächlichdie derzeit beste Aussprachesoftware aufdem Markt, dennoch bleibt das Programm,vor allem was den Regelteil und die Ausge-staltung der multimedialen Lernumgebungangeht, hinter in der Multimedia-Pädagogik,der Lernergrammatikschreibung und sogarin der Aussprachedidaktik erreichten Stand-ards zurück. Dies möchte ich im Folgendenbelegen.

Bestandteile und AufbauPhonothek interaktiv besteht aus vier Pro-

grammteilen: (1) Einer Einführung, in der dieNutzer über Ziele, Aufbau und Transkrip-tionskonventionen informiert werden, (2)einem Sprechenden Wörterbuch, das zumeinen den Grundwortschatz, zum andereneinen thematischen Wortschatz zu verschie-denen Bereichen umfasst, weiterhin (3) ei-nem Regelteil zu relevanten phonetischenPhänomenen, den es in einer Kurzfassungund einer ausführlichen Fassung gibt, undschließlich (4) einem Übungsteil zu densel-ben Phänomenen wie im Regelteil.

Die Zielgruppe wird von den Verfassern in der"Einführung” wie folgt beschrieben:

Die Phonothek interaktiv wendet sich analle, die Interesse haben für

Gunther Dietz

1 Hirschfeld, Ursula & Stock,

Eberhard (Hg.): Phonothek interaktiv.

Das Phonetikprogramm für Deutsch

als Fremdsprache. CD-ROM. Berlin &

München: Langenscheidt 2000

2 Eine Bestandsaufnahme und Be-

wertung der bis dato vorhandenen

Programme bietet Richter (1998,

1999). Richter hat auch eine – durch-

weg positive – Rezension der

Phonothek interaktiv verfasst (2002).

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Ausspracheschulung mit Neuen Medien Gunther Dietz

– den Klang der deutschen Sprache, – Aussprachenormen und -varianten im

Deutschen, – Ausspracheregeln und phonetische

Merkmale.Von der etwas vagen Formulierung "Interessefür den Klang der deutschen Sprache” einmalabgesehen, werden als Zielgruppe "Lernendeund Lehrende im Fach Deutsch als Fremd-sprache” angegeben, und zwar "ab Grundstufebis zur Lehreraus- und -fortbildung”. Mit an-deren Worten: Die Phonothek interaktiv erhebtden nicht gerade unbescheidenen Anspruch,für alle Lerner auf allen Sprachniveaus unddarüber hinaus auch für Lehrende etwas zubieten. Die Formulierung "Interesse für” lässtoffen, ob es um das Interesse an der Verbesse-rung der eigenen Aussprache geht, oder umdas Interesse, mehr über die Phonetik desDeutschen zu erfahren. Die Verfasser stellensich eine Differenzierung dabei so vor: Lernerauf Grundstufenniveau sollen mit den Stich-wörtern des sprechenden Wörterbuchs, derKurzform der Regeln sowie mit den "Übun-gen mit Namen” arbeiten, während Fortge-schrittene im sprechenden Wörterbuchzusätzlich zu den Stichwörtern auch dieÄußerungen und Transkriptionen verwen-den, die ausführlichen Regeln lernen sowiealle Übungen durcharbeiten sollen/können.Inwiefern Phonothek interaktiv auch fürLehrende gedacht ist, wird nicht explizitgesagt. Dabei liegt eine Antwort auf der Hand:Ausspracheschulung hat im DaF-Unterrichtleider immer noch vielerorts "Stiefkind-Status” und selbstverständlich würde jederDaF-Lehrer, der vorhat, sich die Kompetenz inSachen Ausspracheschulung anzueignen,vom Regelteil – vielleicht auch von manchen

Übungen – der Phonothek interaktivprofitie-ren. Dennoch: Ich werde weiter unten zeigen,dass Phonothek interaktiv diesem maximalenAdressaten-Anspruch, der nebenbei gesagtnatürlich auch ein Werbeargument ist, nichtgerecht wird.

Ein (an)sprechendes WörterbuchDie Idee eines "sprechenden Wörterbuchs” istnicht neu. Esser (1996) und Franke (2000)sind im Wesentlichen akustische Wörter-bücher und auch Rausch & Rothe (1999)haben ein umfangreiches Wörterbuch-Modulintegriert. Das Grundwortschatz-Wörterbuchin der Phonothek interaktiv deckt mit ca. 3000 Wörtern den Zertifikatswortschatz ab,während das thematische Wörterbuch nocheinmal ca. 1000 Stichwörter aus den Feldern"Zahlen”, "Personen- und Ortsnamen”,"Krankheiten”, "Abkürzungen”, "linguistischeTermini” und "100 Wörter des Jahrhunderts”verzeichnet. Für sehr nützlich halte ich imGrundwortschatz-Teil die Möglichkeit, nichtnur Stichwörter (in Grundformen), sondernauch flektierte Wortformen (etwa den Pluralbei Nomina und einige finite Verbformen) an-zuhören. Zudem wird das Stichwort in zweiÄußerungskontexten präsentiert, wobei sichdie Äußerungen nicht im Wortmaterial, son-dern lediglich in der intonatorischen Reali-sierung unterscheiden. Dabei hätte manvielleicht noch eine Bedeutungsangabe(etwa: sachlich, emotional, verärgert) mitlie-fern können. Alle Stichwörter, Wortformenund Äußerungen können per Mausklick ange-hört werden. Der Lerner kann zudem zu allenWörterbuch-Einträgen selber über Mikro-phon Ausspracheversuche machen und seineAussprache mit der vorgegebenen Ausspra-

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Ausspracheschulung mit NeuenMedien – am Beispiel der "Phonothekinteraktiv” 1

Seit Breindls (1997) informativem Überblicküber den Stand der Forschung (und Technik)hat die Bedeutung computergestützten Fremd-sprachenlernens im DaF-Bereich weiter zuge-nommen, zumindest wenn man sich die stän-dig steigende Zahl der Übungs- und Lernan-gebote im Internet und die Zunahme an ein-schlägigen elektronischen Publikationen derDaF-Verlage ansieht. Auch der Bereich derAusspracheschulung wurde von diesemTrend erfasst. So erschienen in den letztenJahren u.a. das Aussprachetraining DaF

(Esser 1996), Besser Deutsch sprechen

(Rausch & Rothe 1999), der Video-Aussprache-

trainer Deutsch (Franke 2000), der Sprech-

trainer in der Einblicke-Reihe des Goethe-Instituts (2000) und die Phonothek interaktiv

(Hirschfeld & Stock 2000).2

Insbesondere an das zuletzt genannteund in diesem Artikel im Mittelpunkt stehen-de Lernprogramm sind nach der erfolgrei-chen Printfassung (Stock & Hirschfeld 1996)große Erwartungen geknüpft worden. Dennmit Ausnahme des im gleichen Jahr erschie-nenen Sprechtrainers gab es bislang kein Pro-gramm, das Übungen zur Ausspracheschu-lung anbot, die über das Nachsprechen vonauditiv präsentiertem Material hinausgingen.

Mein Beitrag ist in zwei Teile gegliedert:Im ersten werde ich die Phonothek interaktiv

vorstellen und nach verschiedenen Kriterienbewerten. Diese Kriterien entstammen derLehrwerksanalyse, der didaktischen Phone-tik, der Lernpsychologie und der Medien-pädagogik. Im kürzeren zweiten Teil möchte

ich vor dem Hintergrund des ersten TeilsPerspektiven für die Entwicklung zukünf-tiger Sprachlernsoftware für die Aussprache-schulung skizzieren.

I. Phonothek interaktiv – alter Wein in

Neuen Medien?

Um es gleich vorwegzunehmen: In manch-er Hinsicht – vor allem was den Übungsteilangeht – ist Phonothek interaktiv tatsächlichdie derzeit beste Aussprachesoftware aufdem Markt, dennoch bleibt das Programm,vor allem was den Regelteil und die Ausge-staltung der multimedialen Lernumgebungangeht, hinter in der Multimedia-Pädagogik,der Lernergrammatikschreibung und sogarin der Aussprachedidaktik erreichten Stand-ards zurück. Dies möchte ich im Folgendenbelegen.

Bestandteile und AufbauPhonothek interaktiv besteht aus vier Pro-

grammteilen: (1) Einer Einführung, in der dieNutzer über Ziele, Aufbau und Transkrip-tionskonventionen informiert werden, (2)einem Sprechenden Wörterbuch, das zumeinen den Grundwortschatz, zum andereneinen thematischen Wortschatz zu verschie-denen Bereichen umfasst, weiterhin (3) ei-nem Regelteil zu relevanten phonetischenPhänomenen, den es in einer Kurzfassungund einer ausführlichen Fassung gibt, undschließlich (4) einem Übungsteil zu densel-ben Phänomenen wie im Regelteil.

Die Zielgruppe wird von den Verfassern in der"Einführung” wie folgt beschrieben:

Die Phonothek interaktiv wendet sich analle, die Interesse haben für

Gunther Dietz

1 Hirschfeld, Ursula & Stock,

Eberhard (Hg.): Phonothek interaktiv.

Das Phonetikprogramm für Deutsch

als Fremdsprache. CD-ROM. Berlin &

München: Langenscheidt 2000

2 Eine Bestandsaufnahme und Be-

wertung der bis dato vorhandenen

Programme bietet Richter (1998,

1999). Richter hat auch eine – durch-

weg positive – Rezension der

Phonothek interaktiv verfasst (2002).

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Ausspracheschulung mit Neuen Medien Gunther Dietz

1. Die Differenzierung in Lang- und Kurzregelngeht an der beabsichtigten Differenzierungin Anfänger und Fortgeschrittene vorbei.

Die Verfasser der Phonothek interaktiv ver-suchen ihrer maximalen Lerner-Adressierungim Regelteil durch die Unterscheidung inKurzregeln und ausführliche Regeln gerechtzu werden, und zwar nach dem erklärtenPrinzip: Kurz-Regeln für Lerner der Grund-stufe, Lang-Regeln für Fortgeschrittene. AlsBeispiel führe ich die Regelfassungen für denWortakzent in Komposita an (siehe rechts):

Zwei Dinge fallen hier auf: 1. In der Kurz-regel werden Termini verwendet, jedoch nichterklärt ("Grundwort”, "Bestimmungswort”,"gleichgeordnet”). In der Langform werdenzumindest "Grundwort” und "Bestimmungs-wort” näher erläutert, eine nähere Erläuterungvon "gleichgeordnet” fehlt auch hier. 2. In derKurzregel gibt es weniger Beispiele als in derLangregel. Bei den Kurzregeln handelt es sich– und das ist durchgehend im Regelteil derFall – um textuell kondensierte und um Bei-spiele gekürzte Varianten der jeweiligenLangregel. Nun ist aus der Textlinguistik undder Fachsprachenforschung seit langembekannt, dass solcherart verknappte Texte inder Regel bei ihren Lesern mehr Vorwissenvoraussetzen als Texte, die mehr Erklärungs-kontext beigeben. Aus diesem Grund ist esschlichtweg unverständlich, inwiefern aus-gerechnet diese Kurzregeln Lernern derGrundstufe zugemutet werden sollen, wäh-rend fortgeschrittene Lerner mehr Erklärungs-kontext und mehr Beispiele erhalten. Dasstellt die Lernervoraussetzungen auf denKopf, und insofern halte ich die Gleichung"kurz = leicht” für einen konzeptionellenKurzschluss in der Phonothek interaktiv.

2. Die Präsentation der Regeln geschieht in einerWeise, die wenig mehr als eine Übertragungvon Papier auf den Bildschirm darstellt. DieMöglichkeiten der Neuen Technologien wer-den nicht (ausreichend) genutzt. DieVerfasser haben zu wenig didaktischenAufwand betrieben, um die Ausspracheregu-laritäten auch für Anfänger und linguistischwenig versierte Lerner (die die Mehrheit aus-machen dürften) zu veranschaulichen.

Die Darbietung der Regeln ist derart an dasMedium Druck & Papier bzw. Text angelehnt,dass der Regelteil genauso gut als Druck-fassung hätte erscheinen können (in der Tatsind die Lang-Regeln auch als WORD-Doku-ment auf der CD beigefügt). Dabei gäbe es

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che vergleichen. Eine automatische Sprach-Analysefunktion ist nicht integriert, und daswar nach den bisherigen Erfahrungen miteiner noch nicht ausgereiften Technologievermutlich eine weise Entscheidung. Es istvielleicht nicht unerheblich zu erwähnen,dass das Sprechende Wörterbuch der einzigeOrt in der Phonothek interaktiv ist, an dem vonSeiten der Lerner eine (inter)aktive Ausspra-che und ein akustischer Vergleich des eige-nen Sprechens mit der Programmvorgabevorgesehen ist! Von einem akustischen Ver-gleich profitieren jedoch nur "imitativ begab-te” Lerner, die in der Lage sind, Unterschiededer eigenen Aussprache gegenüber einer"Normaussprache” zu identifizieren undzudem zu ermitteln, in welcher Hinsicht dieeigene Aussprache nicht der vorgegebenenentspricht. Wenn man sich vor Augen hält,dass Defizite in der Aussprache häufig inDefiziten beim korrekten Perzipieren vonzielsprachlichen Lautstrukturen begründetsind (vgl. Grotjahn 1998: 53 ff.), so dürftediese Funktion für einen Großteil der Lernernur von begrenztem Nutzen sein.

Eine weitere Verlinkung von Einträgen desWörterbuchs existiert zu den Regeln. So kannman sich z.B. beim Stichwort "abfliegen” zuden Regeln zum Wortakzent bei trennbarenVerben, zur Aussprache der Explosive [p] und[b] und zum Schwa-Ausfall weiterklicken.Eine solche Verlinkung ist prinzipiell sinn-voll, allerdings muss der Lerner sich manch-mal durch eine größere Menge Regeltext durch-arbeiten, bis er zu der (relevanten) Unterregelkommt, d.h. eine gezieltere Ansteuerung derrelevanten Passage im Regeltext wärebegrüßenswert. Schließlich kann mit Hilfeeiner virtuellen Tastatur mit den phone-

tischen Zeichen auch aktiv die Transkriptionvon Äußerungen geübt werden, eine Funk-tion, die sich vor allem an fortgeschritteneLerner und Studierende der GermanistischenLinguistik sowie an Lehrer richten dürfte.

Der thematische Teil des sprechendenWörterbuchs greift offensichtlich Bereicheheraus, von denen die Verfasser der Meinungsind, dass sie für Lerner im Alltag nützlichsein können. Das trifft sicherlich für Zahlen,Personen- und Ortsnamen und Krankheitenzu. Schade, dass bei den Abkürzungen nichtauch die Entschlüsselungen angegeben wer-den (wie dies Rausch & Rothe 1999 tun).

Der RegelteilIm Gegensatz zur Druckfassung, die im

Übungsteil nur sehr knappe Regeln enthält,ist der Regelteil in der Phonothek interaktiv

wesentlich umfangreicher. Die dort ange-führten Regeln sind zweifelsohne "lingui-stisch solide” und beschreiben (mit Ausnah-me des Satzakzent-Kapitels)3 die sprachlicheRealität m.E. weitgehend zutreffend. Es istzudem verdienstvoll, dass – wie schon in derDruckfassung – Phänomene wie Akzent,Rhythmus, Pause, Melodie, Reduktion undAssimilation ausführlich behandelt werden.Auch im Regelteil kann der Lerner sofort diejeweiligen Beispiele anhören. Sieht man voneiner schnelleren Ansteuerung einzelnerThemen mit Hilfe einer Link-Übersicht sowieder Möglichkeit, einzelne als Hyperlinks markierte Termini anzuklicken, ab, so ist dasallerdings auch schon alles, was der Lernerhier "interaktiv” tun kann.

Wie schon eingangs angedeutet, halte ichden Regelteil für den problematischsten desProgramms, und zwar aus folgenden Gründen.

3 Eine einigermaßen beschreibungs-

adäquate Darstellung von Satz-

akzentregeln des Deutschen erfor-

dert einen vergleichsweise hohen

Aufwand an terminologischen und

linguistischen Erklärungen, quasi

eine laien-linguistische Einführung

in die Thema-Rhema-Forschung. Dies

hat auch die Phonothek interaktiv

wie viele andere Aussprache-

lehrwerke (am ehesten noch Stock

1996) nicht geleistet und ist vermut-

lich auch nicht zu leisten.

46 Gunther Dietz Ausspracheschulung mit Neuen Medien

ausführliche Fassung

Komposita bestehen aus zwei oder mehrEinzelwörtern. Welches Wort betont wird,hängt von der Art der Zusammensetzungab:

a) Wird ein Grundwort durch ein odermehrere andere Wörter näher bestimmt, sowird das bestimmende (meist das erste)Wort akzentuiert, z.B.

u (der) Bleistift,u (die) Gleichberechtigung,u (der) Vormittag, u einerseits,

u (die) Schildkröte,u (die) Schwiegereltern, u (der) Ausweg.

b) Zusammensetzungen aus einander gleichgeordneten Wörtern werden auf dem letzten Wort akzentuiert, z.B.

u schwarzweiß, u einundzwanzig, u (das) Goethe-Schiller- (Denkmal).

Kurzfassung

Kombination Grundwort +Bestimmungswort ---> Akzent auf Bestimmungswort

u(der) Bahnhof, u(die) Gleichberechtigung

Kombination gleichgeordneterWörter ---> Akzent auf dem letzten Wort

uschwarzweiß, ueinundzwanzig

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Page 4: Ausspracheschulung mit Neuen 1 interaktiv” - dietz & daf · Ausspracheschulung hat im DaF-Unterricht leider immer noch vielerorts "Stiefkind-Status” und selbstverständlich würde

Ausspracheschulung mit Neuen Medien Gunther Dietz

1. Die Differenzierung in Lang- und Kurzregelngeht an der beabsichtigten Differenzierungin Anfänger und Fortgeschrittene vorbei.

Die Verfasser der Phonothek interaktiv ver-suchen ihrer maximalen Lerner-Adressierungim Regelteil durch die Unterscheidung inKurzregeln und ausführliche Regeln gerechtzu werden, und zwar nach dem erklärtenPrinzip: Kurz-Regeln für Lerner der Grund-stufe, Lang-Regeln für Fortgeschrittene. AlsBeispiel führe ich die Regelfassungen für denWortakzent in Komposita an (siehe rechts):

Zwei Dinge fallen hier auf: 1. In der Kurz-regel werden Termini verwendet, jedoch nichterklärt ("Grundwort”, "Bestimmungswort”,"gleichgeordnet”). In der Langform werdenzumindest "Grundwort” und "Bestimmungs-wort” näher erläutert, eine nähere Erläuterungvon "gleichgeordnet” fehlt auch hier. 2. In derKurzregel gibt es weniger Beispiele als in derLangregel. Bei den Kurzregeln handelt es sich– und das ist durchgehend im Regelteil derFall – um textuell kondensierte und um Bei-spiele gekürzte Varianten der jeweiligenLangregel. Nun ist aus der Textlinguistik undder Fachsprachenforschung seit langembekannt, dass solcherart verknappte Texte inder Regel bei ihren Lesern mehr Vorwissenvoraussetzen als Texte, die mehr Erklärungs-kontext beigeben. Aus diesem Grund ist esschlichtweg unverständlich, inwiefern aus-gerechnet diese Kurzregeln Lernern derGrundstufe zugemutet werden sollen, wäh-rend fortgeschrittene Lerner mehr Erklärungs-kontext und mehr Beispiele erhalten. Dasstellt die Lernervoraussetzungen auf denKopf, und insofern halte ich die Gleichung"kurz = leicht” für einen konzeptionellenKurzschluss in der Phonothek interaktiv.

2. Die Präsentation der Regeln geschieht in einerWeise, die wenig mehr als eine Übertragungvon Papier auf den Bildschirm darstellt. DieMöglichkeiten der Neuen Technologien wer-den nicht (ausreichend) genutzt. DieVerfasser haben zu wenig didaktischenAufwand betrieben, um die Ausspracheregu-laritäten auch für Anfänger und linguistischwenig versierte Lerner (die die Mehrheit aus-machen dürften) zu veranschaulichen.

Die Darbietung der Regeln ist derart an dasMedium Druck & Papier bzw. Text angelehnt,dass der Regelteil genauso gut als Druck-fassung hätte erscheinen können (in der Tatsind die Lang-Regeln auch als WORD-Doku-ment auf der CD beigefügt). Dabei gäbe es

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che vergleichen. Eine automatische Sprach-Analysefunktion ist nicht integriert, und daswar nach den bisherigen Erfahrungen miteiner noch nicht ausgereiften Technologievermutlich eine weise Entscheidung. Es istvielleicht nicht unerheblich zu erwähnen,dass das Sprechende Wörterbuch der einzigeOrt in der Phonothek interaktiv ist, an dem vonSeiten der Lerner eine (inter)aktive Ausspra-che und ein akustischer Vergleich des eige-nen Sprechens mit der Programmvorgabevorgesehen ist! Von einem akustischen Ver-gleich profitieren jedoch nur "imitativ begab-te” Lerner, die in der Lage sind, Unterschiededer eigenen Aussprache gegenüber einer"Normaussprache” zu identifizieren undzudem zu ermitteln, in welcher Hinsicht dieeigene Aussprache nicht der vorgegebenenentspricht. Wenn man sich vor Augen hält,dass Defizite in der Aussprache häufig inDefiziten beim korrekten Perzipieren vonzielsprachlichen Lautstrukturen begründetsind (vgl. Grotjahn 1998: 53 ff.), so dürftediese Funktion für einen Großteil der Lernernur von begrenztem Nutzen sein.

Eine weitere Verlinkung von Einträgen desWörterbuchs existiert zu den Regeln. So kannman sich z.B. beim Stichwort "abfliegen” zuden Regeln zum Wortakzent bei trennbarenVerben, zur Aussprache der Explosive [p] und[b] und zum Schwa-Ausfall weiterklicken.Eine solche Verlinkung ist prinzipiell sinn-voll, allerdings muss der Lerner sich manch-mal durch eine größere Menge Regeltext durch-arbeiten, bis er zu der (relevanten) Unterregelkommt, d.h. eine gezieltere Ansteuerung derrelevanten Passage im Regeltext wärebegrüßenswert. Schließlich kann mit Hilfeeiner virtuellen Tastatur mit den phone-

tischen Zeichen auch aktiv die Transkriptionvon Äußerungen geübt werden, eine Funk-tion, die sich vor allem an fortgeschritteneLerner und Studierende der GermanistischenLinguistik sowie an Lehrer richten dürfte.

Der thematische Teil des sprechendenWörterbuchs greift offensichtlich Bereicheheraus, von denen die Verfasser der Meinungsind, dass sie für Lerner im Alltag nützlichsein können. Das trifft sicherlich für Zahlen,Personen- und Ortsnamen und Krankheitenzu. Schade, dass bei den Abkürzungen nichtauch die Entschlüsselungen angegeben wer-den (wie dies Rausch & Rothe 1999 tun).

Der RegelteilIm Gegensatz zur Druckfassung, die im

Übungsteil nur sehr knappe Regeln enthält,ist der Regelteil in der Phonothek interaktiv

wesentlich umfangreicher. Die dort ange-führten Regeln sind zweifelsohne "lingui-stisch solide” und beschreiben (mit Ausnah-me des Satzakzent-Kapitels)3 die sprachlicheRealität m.E. weitgehend zutreffend. Es istzudem verdienstvoll, dass – wie schon in derDruckfassung – Phänomene wie Akzent,Rhythmus, Pause, Melodie, Reduktion undAssimilation ausführlich behandelt werden.Auch im Regelteil kann der Lerner sofort diejeweiligen Beispiele anhören. Sieht man voneiner schnelleren Ansteuerung einzelnerThemen mit Hilfe einer Link-Übersicht sowieder Möglichkeit, einzelne als Hyperlinks markierte Termini anzuklicken, ab, so ist dasallerdings auch schon alles, was der Lernerhier "interaktiv” tun kann.

Wie schon eingangs angedeutet, halte ichden Regelteil für den problematischsten desProgramms, und zwar aus folgenden Gründen.

3 Eine einigermaßen beschreibungs-

adäquate Darstellung von Satz-

akzentregeln des Deutschen erfor-

dert einen vergleichsweise hohen

Aufwand an terminologischen und

linguistischen Erklärungen, quasi

eine laien-linguistische Einführung

in die Thema-Rhema-Forschung. Dies

hat auch die Phonothek interaktiv

wie viele andere Aussprache-

lehrwerke (am ehesten noch Stock

1996) nicht geleistet und ist vermut-

lich auch nicht zu leisten.

46 Gunther Dietz Ausspracheschulung mit Neuen Medien

ausführliche Fassung

Komposita bestehen aus zwei oder mehrEinzelwörtern. Welches Wort betont wird,hängt von der Art der Zusammensetzungab:

a) Wird ein Grundwort durch ein odermehrere andere Wörter näher bestimmt, sowird das bestimmende (meist das erste)Wort akzentuiert, z.B.

u (der) Bleistift,u (die) Gleichberechtigung,u (der) Vormittag, u einerseits,

u (die) Schildkröte,u (die) Schwiegereltern, u (der) Ausweg.

b) Zusammensetzungen aus einander gleichgeordneten Wörtern werden auf dem letzten Wort akzentuiert, z.B.

u schwarzweiß, u einundzwanzig, u (das) Goethe-Schiller- (Denkmal).

Kurzfassung

Kombination Grundwort +Bestimmungswort ---> Akzent auf Bestimmungswort

u(der) Bahnhof, u(die) Gleichberechtigung

Kombination gleichgeordneterWörter ---> Akzent auf dem letzten Wort

uschwarzweiß, ueinundzwanzig

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Ausspracheschulung mit Neuen Medien Gunther Dietz

Anders als in der Druckfassung gibt eskein Glossar, in dem Leser Verstehenshilfefinden könnten. Die Einträge sind zwar "ver-linkt”, aber nicht so, dass Erklärungen zuallen verwendeten Termini dadurch aufge-funden werden könnten. Manche Terminihalte ich für überflüssig bzw. ungeeignet ineinem Lehrwerk für Lerner, so die Termini"lenis” und "fortis” für den Spannungsgradbei Konsonanten. Alle relevanten Ausspra-cheregeln (v.a. Auslautverhärtung und pro-gressive Stimmassimilation) lassen sich auchohne diese komplizierten Termini (immerhinmuss man zwischen stimmlosen Fortes,stimmhaften Lenes und stimmlosen Lenesunterscheiden) beschreiben, indem man aufdie wesentlich gängigere und im Vorwissender Lerner eher vorhandene Opposition"stimmhaft” vs. "stimmlos” zurückgreift (vgl.Dietz & Tronka 2001a: Kap. 11-13).

3. Der Regelteil berücksichtigt das Prinzip derIntegrativität nur peripher.

Angesichts wiederholter Plädoyers füreine "integrative Phonetik” (z.B. Hirschfeld1995, Dietz & Tronka 2000), d.h. für eineVerknüpfung von phonetischen Lerngegen-ständen mit anderen Bereichen (nicht nur)sprachlichen Wissens (Grammatik, Lexik,Orthographie, Wortbildung, Musik, Poetik),ist es einigermaßen erstaunlich, dass in derPhonothek interaktiv lediglich der Bereich der Orthographie mit Regeln zur Graphem-Phonem-Korrespondenz systematisch be-rücksichtigt wird. Fast gänzlich ausgespartbleiben grammatische und lexikalische An-knüpfungsbereiche. Das ist insofern zu be-dauern, als integrative Phonetik kein Luxusist, sondern eine lernpsychologische Erfor-

dernis, denn "nur durch eine extensive Ver-knüpfung mit grammatischem und lexikali-schem Wissen kann erreicht werden, dassLerner die Tragweite (den Anwendungsbe-reich) einer Ausspracheregularität kennenlernen und letztlich automatisieren” (Dietz &Tronka 2000: 42). So hätte man, um beimschon angeführten Beispiel des vokalischen Rzu bleiben, explizit die Vorkommen von -er

als nominales Wortbildungssuffix (Tischler,Bohrer), als Pluralmarker (Kinder), und alsKomparativsuffix (schöner) nennen können(vgl. Dietz & Tronka 2001: 121-132).

Der ÜbungsteilDie "Übungen zum Regelteil” bestehen aus

einem Test und 9 Übungseinheiten mit jeweilsmehreren Übungsformen. Die Funktion desTests, der aus 11 Teiltests zu je 10 Aufgabenbesteht, liegt vermutlich darin, dass die Ler-ner herausfinden sollen, in welchen Berei-chen sie Probleme haben. Allerdings wird derSinn des Tests nirgends explizit geklärt, undes gibt auch keine Auswertung der Teiltests,aufgrund derer der Lerner mehr über seinephonetischen "Problemzonen” erfährt. DerÜbungsteil entspricht von Anordnung undKomponenten her genau dem Regelteil.Offensichtlich sollen die Lerner zuerst denRegelteil (oder ein Kapitel darin) durcharbei-ten und dann die entsprechenden Übungenmachen. Aber natürlich könnte man auchumgekehrt zuerst eine Übung absolvierenund bei Bedarf im Regelteil nachsehen. Leidergibt es keine direkten Hypertext-Verweisevom Übungs- zum Regelteil und umgekehrt.Um von einer konkreten Übung zur ent-sprechenden Regel zu gelangen, benötigtman vier bis fünf Mausklicks. Das ist zu

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gerade für die Erklärung der zum Großteilintrospektiv beobachtbaren Abläufe bei derAussprache genügend Anlässe für eine kon-krete, visuell-anschauliche Präsentation desStoffes! Man denke nur an Sagittalschnitte,die Artikulationsabläufe veranschaulichen(warum nicht als Flash-Animationen?), über-haupt an eine graphische Darstellung derArtikulationsorgane. Es gibt im ganzenRegelteil keine einzige Abbildung, nur Fließ-text und ab und an eine Tabelle. Die wenigenTabellen – etwa zur Darstellung des Kon-sonantensystems – wären durch anklickbareLaute in den Zellen wesentlich anschaulichergeraten.4 Dasselbe gilt für die Darstellung derSilbenstruktur, von Melodieverläufen, vonRhythmisierungen etc.

Selbst wenn der Regelteil in gedruckterForm erschienen wäre, so setzten auch diemeisten der ausführlichen Regelformulie-rungen sprachlich relativ versierte Lernervoraus, die in der Lage sind, aus einem ziem-lich abstrakten, linguistisch-deskriptivenFließtext die relevanten Informationen her-auszufiltern. In Frage kommen dabei vorallem angehende Sprachwissenschaftler,Germanistik-Studenten oder DaF-Lehrer. EinBeispiel zum vokalisierten R (Abb. 1):

All das, was hier steht, ist zweifelsohnekorrekt. Aber in einem Lehrwerk für Lernerreicht eine linguistisch korrekte Formulie-rung noch nicht aus, um das Lernziel derBewusstmachung von sprachlichen Regulari-täten bei DaF-Lernern zu erreichen. VisuelleVermittlungs- bzw. Darstellungsverfahrenwie Farbe, Typographie, symbolgrammati-sche Elemente, Tabellen, Unterscheidung vonWichtigem und weniger Wichtigem durch ge-eignete Layout-Gestaltung (Kästen) etc., dieheute Standard in jedem gedrucktem Sprach-lehrwerk einschließlich der Phonothek-Druckfassung sind, fehlen durchgehend. Imobigen Beispiel hätte man doch wenigstensdie Silbengrenzen in den Beispielen markie-ren und damit die erwähnte "Verschiebungder Silbengrenze” konkretisieren können. Eswäre m. E. auch didaktisch sinnvoll gewesen,explizit die aus linguistisch-deskriptiverSicht redundante, aus lernpsychologischerPerspektive jedoch durchaus nützlicheInformation zu geben, dass vokalisches Rauch dann gesprochen wird, wenn unbeton-tes -er von einem oder mehreren Konsonan-tenbuchstaben am Silbenende gefolgt wird(hämmert, äußerst, kümmern). Dasselbe giltfür das unsilbische R (führst).

Abb. 1 Bildschirmausdruckdes Abschnitts zumvokalisierten R im Regelteilder Phonothek interaktiv

4 In dieser Hinsicht sind im Pro-

gramm Besser Deutsch sprechen

(Rausch & Rothe 1999) die Möglich-

keiten des Mediums weitaus

konsequenter begriffen und umge-

setzt worden.

48 Gunther Dietz Ausspracheschulung mit Neuen Medien

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Anders als in der Druckfassung gibt eskein Glossar, in dem Leser Verstehenshilfefinden könnten. Die Einträge sind zwar "ver-linkt”, aber nicht so, dass Erklärungen zuallen verwendeten Termini dadurch aufge-funden werden könnten. Manche Terminihalte ich für überflüssig bzw. ungeeignet ineinem Lehrwerk für Lerner, so die Termini"lenis” und "fortis” für den Spannungsgradbei Konsonanten. Alle relevanten Ausspra-cheregeln (v.a. Auslautverhärtung und pro-gressive Stimmassimilation) lassen sich auchohne diese komplizierten Termini (immerhinmuss man zwischen stimmlosen Fortes,stimmhaften Lenes und stimmlosen Lenesunterscheiden) beschreiben, indem man aufdie wesentlich gängigere und im Vorwissender Lerner eher vorhandene Opposition"stimmhaft” vs. "stimmlos” zurückgreift (vgl.Dietz & Tronka 2001a: Kap. 11-13).

3. Der Regelteil berücksichtigt das Prinzip derIntegrativität nur peripher.

Angesichts wiederholter Plädoyers füreine "integrative Phonetik” (z.B. Hirschfeld1995, Dietz & Tronka 2000), d.h. für eineVerknüpfung von phonetischen Lerngegen-ständen mit anderen Bereichen (nicht nur)sprachlichen Wissens (Grammatik, Lexik,Orthographie, Wortbildung, Musik, Poetik),ist es einigermaßen erstaunlich, dass in derPhonothek interaktiv lediglich der Bereich der Orthographie mit Regeln zur Graphem-Phonem-Korrespondenz systematisch be-rücksichtigt wird. Fast gänzlich ausgespartbleiben grammatische und lexikalische An-knüpfungsbereiche. Das ist insofern zu be-dauern, als integrative Phonetik kein Luxusist, sondern eine lernpsychologische Erfor-

dernis, denn "nur durch eine extensive Ver-knüpfung mit grammatischem und lexikali-schem Wissen kann erreicht werden, dassLerner die Tragweite (den Anwendungsbe-reich) einer Ausspracheregularität kennenlernen und letztlich automatisieren” (Dietz &Tronka 2000: 42). So hätte man, um beimschon angeführten Beispiel des vokalischen Rzu bleiben, explizit die Vorkommen von -er

als nominales Wortbildungssuffix (Tischler,Bohrer), als Pluralmarker (Kinder), und alsKomparativsuffix (schöner) nennen können(vgl. Dietz & Tronka 2001: 121-132).

Der ÜbungsteilDie "Übungen zum Regelteil” bestehen aus

einem Test und 9 Übungseinheiten mit jeweilsmehreren Übungsformen. Die Funktion desTests, der aus 11 Teiltests zu je 10 Aufgabenbesteht, liegt vermutlich darin, dass die Ler-ner herausfinden sollen, in welchen Berei-chen sie Probleme haben. Allerdings wird derSinn des Tests nirgends explizit geklärt, undes gibt auch keine Auswertung der Teiltests,aufgrund derer der Lerner mehr über seinephonetischen "Problemzonen” erfährt. DerÜbungsteil entspricht von Anordnung undKomponenten her genau dem Regelteil.Offensichtlich sollen die Lerner zuerst denRegelteil (oder ein Kapitel darin) durcharbei-ten und dann die entsprechenden Übungenmachen. Aber natürlich könnte man auchumgekehrt zuerst eine Übung absolvierenund bei Bedarf im Regelteil nachsehen. Leidergibt es keine direkten Hypertext-Verweisevom Übungs- zum Regelteil und umgekehrt.Um von einer konkreten Übung zur ent-sprechenden Regel zu gelangen, benötigtman vier bis fünf Mausklicks. Das ist zu

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gerade für die Erklärung der zum Großteilintrospektiv beobachtbaren Abläufe bei derAussprache genügend Anlässe für eine kon-krete, visuell-anschauliche Präsentation desStoffes! Man denke nur an Sagittalschnitte,die Artikulationsabläufe veranschaulichen(warum nicht als Flash-Animationen?), über-haupt an eine graphische Darstellung derArtikulationsorgane. Es gibt im ganzenRegelteil keine einzige Abbildung, nur Fließ-text und ab und an eine Tabelle. Die wenigenTabellen – etwa zur Darstellung des Kon-sonantensystems – wären durch anklickbareLaute in den Zellen wesentlich anschaulichergeraten.4 Dasselbe gilt für die Darstellung derSilbenstruktur, von Melodieverläufen, vonRhythmisierungen etc.

Selbst wenn der Regelteil in gedruckterForm erschienen wäre, so setzten auch diemeisten der ausführlichen Regelformulie-rungen sprachlich relativ versierte Lernervoraus, die in der Lage sind, aus einem ziem-lich abstrakten, linguistisch-deskriptivenFließtext die relevanten Informationen her-auszufiltern. In Frage kommen dabei vorallem angehende Sprachwissenschaftler,Germanistik-Studenten oder DaF-Lehrer. EinBeispiel zum vokalisierten R (Abb. 1):

All das, was hier steht, ist zweifelsohnekorrekt. Aber in einem Lehrwerk für Lernerreicht eine linguistisch korrekte Formulie-rung noch nicht aus, um das Lernziel derBewusstmachung von sprachlichen Regulari-täten bei DaF-Lernern zu erreichen. VisuelleVermittlungs- bzw. Darstellungsverfahrenwie Farbe, Typographie, symbolgrammati-sche Elemente, Tabellen, Unterscheidung vonWichtigem und weniger Wichtigem durch ge-eignete Layout-Gestaltung (Kästen) etc., dieheute Standard in jedem gedrucktem Sprach-lehrwerk einschließlich der Phonothek-Druckfassung sind, fehlen durchgehend. Imobigen Beispiel hätte man doch wenigstensdie Silbengrenzen in den Beispielen markie-ren und damit die erwähnte "Verschiebungder Silbengrenze” konkretisieren können. Eswäre m. E. auch didaktisch sinnvoll gewesen,explizit die aus linguistisch-deskriptiverSicht redundante, aus lernpsychologischerPerspektive jedoch durchaus nützlicheInformation zu geben, dass vokalisches Rauch dann gesprochen wird, wenn unbeton-tes -er von einem oder mehreren Konsonan-tenbuchstaben am Silbenende gefolgt wird(hämmert, äußerst, kümmern). Dasselbe giltfür das unsilbische R (führst).

Abb. 1 Bildschirmausdruckdes Abschnitts zumvokalisierten R im Regelteilder Phonothek interaktiv

4 In dieser Hinsicht sind im Pro-

gramm Besser Deutsch sprechen

(Rausch & Rothe 1999) die Möglich-

keiten des Mediums weitaus

konsequenter begriffen und umge-

setzt worden.

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Ausspracheschulung mit Neuen Medien Gunther Dietz

Ein Schwachpunkt im Übungsteil ist m.E.das wenig aussagekräftige Feedback, das ineiner richtig/falsch-Bewertung bzw. in derAngabe der Lösung besteht. In manchen Fäl-len wäre bei Fehlentscheidungen der Lernerjedoch ein gezielteres und ausführlicheresFeedback nützlich: Zum Beispiel wäre es im Übungsteil zum Wortakzent sinnvoll, alsLösungsfeedback nicht nur "1. Wort” oder "2. Wort” anzugeben, sondern auch den Wort-akzent in den falschen Lösungen anzuzeigen.Das würde den Lerneffekt m.E. deutlich stei-gern, da der Lerner durch die visuelle Markie-rung zusammen mit einem wiederholten An-hören die relevanten Merkmale besser erken-nen kann. Eine weitere Feedback-Möglichkeitwäre der Verweis auf die entsprechendenRegeln, eine Möglichkeit, die, wie schon er-wähnt, nicht genutzt wurde.

Die sprecherische Qualität des akustischpräsentierten Materials im Übungsteil (wieauch in den anderen Teilen) ist durchweg her-vorragend. Für sehr gelungen, aber auchrecht anspruchsvoll, halte ich die Übungenim Satzakzentkapitel, bei denen die Äußerun-gen bei unterschiedlicher intonatorischerRealisierung denselben Satzakzent behalten.Die Lerner werden so gezwungen, genauzwischen unterschiedlichen suprasegmen-talen Mitteln zu differenzieren. Das Gleichegilt auch für die Übung 3 zum Erkennen desEndmelodieverlaufs, wobei es vielleicht sinn-voll gewesen wäre, in der Lösung nicht nurden Endverlauf, sondern auch noch denSatzakzent zu markieren.

FazitPhonothek interaktiv ist ein solides Sprach-

lernprogramm zur Ausspracheschulung, das

vor allem durch seine Funktion Sprechendes

Wörterbuch mit seiner differenzierten Infor-mationsverteilung und den Verknüpfungenhin zum Regelteil überzeugt. Auch derÜbungsteil ist insgesamt recht ansprechendgeraten, auch wenn aufgrund des schemati-schen Bildaufbaus und der nur geringen Va-riation in den Aufgaben eine gewisse Er-müdung seitens der "User” zu befürchten ist.Auch könnte in vielen Fällen die Feedbackge-staltung aussagekräftiger sein (vgl. Rüschoff& Wolff 1999: 80f.). Insgesamt bleibt das Pro-gramm in vielen Bereichen hinter den Mög-lichkeiten und Anforderungen zurück, dieman heute an multimediale Software stellenkann und sollte. Vor allem der Regelteil ist inmehrerlei Hinsicht problematisch: Die beab-sichtigte Adressatendifferenzierung ist ansich eine gute Idee, aber die Einteilung inLang- und Kurzregeln, wie sie hier durchge-führt wurde, ist kein geeignetes Verfahrenhierzu. Die Regeln selbst werden zu wenigdidaktisch präsentiert, es fehlen geeigneteVerfahren der Veranschaulichung, die geradein einem Medium wie dem Computer leichtangewandt werden können.

II. Perspektiven für zukünftige

Lernsoftware-Entwicklung im Bereich

Ausspracheschulung

Im zweiten Teil werde ich nun vor demHintergrund meiner Analyse der Phonothek

interaktiv einige Thesen formulieren, wie zu-künftige Software zum Aussprachetrainingaussehen sollte.

1. Lernsoftware sollte von multimedialenDarstellungsverfahren Gebrauch machen,bei denen Text, Bild (als Grafik, Animationund/oder Video) und Ton in einer optimalen

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umständlich und ermuntert nicht gerade zueiner Suche im Regelteil. Das Fehlen solcherLinks ist auch insofern nicht verständlich, alsHypertext-Verweise auf den Regelteil im sprechenden Wörterbuch ja vorhanden sind.

Die Übungen dienen fast ausschließlichdem Hörtraining. Wie die neuere Forschungzum Ausspracheerwerb gezeigt hat (vgl.Grotjahn 1998), ist die auditive Bewusst-machung tatsächlich in vielen Fällen dieGrundlage bzw. Voraussetzung für korrektes(Aus-)Sprechen. Insofern liefert Phonothek

interaktiv ein umfangreiches (in einzelnenÜbungen bis zu 100 Einzelaufgaben) undsorgfältig zusammengestelltes Übungsmate-rial, mit dem diskriminierendes, identifizie-rendes und lokalisierendes Hören trainiert

werden kann. Das heißt, dem Lerner werdenakustisch und/oder orthographisch Wörteroder Äußerungen präsentiert und er soll ent-weder erkennen, ob zwei Vorgaben identischsind, er soll Merkmale (z.B. Akzent, Laut,Lauteigenschaft) im dargebotenen Materialidentifizieren und markieren und er sollMuster von dargebotenen lautlichen Struktu-ren bestimmen (z.B. eine bestimmte rhyth-mische Struktur). Weiterhin gibt es Übungen,bei denen die orthographische Kompetenzgeschult wird, indem die Lerner aufgrund desGehörten Buchstaben-Lücken in Wörternergänzen sollen.

Nach je zehn Items erfolgte eine Punkte-Bewertung nach dem Schema "x/10 richtig”.Eine Gesamtbewertung für mehrere Übungs-blöcke auch innerhalb einer Übungseinheitist nicht möglich. Das Material ist – je nachLerngegenstand – bisweilen noch nach lexika-lischen oder thematischen Kriterien kate-gorisiert, die vom Lerner ausgewählt werdenkönnen. (Abb. 2)

Der Vorteil des festen Übungsformats istzweifelsohne der, dass die Lerner sich imÜbungsteil rasch zurecht finden. Ich bin mirallerdings nicht sicher, ob die starke Schema-tisiertheit der Oberfläche auf Dauer nicht zuErmüdungserscheinung bzw. Motivations-problemen führt. Offensichtlich haben dieVerfasser versucht, dem durch das "Laby-rinthspiel” entgegenzuwirken – einer Auf-gabe, bei der die Lerner hintereinander dreiJa/Nein-Entscheidungen treffen sollen, umaus einem Labyrinth zu entkommen. Aber dererhoffte "Auflockerungseffekt” dürfte an-gesichts des wenig originellen Spielcharak-ters schon nach dem ersten Labyrinth ver-pufft sein.

Abb. 2 Bildschirmausdruckeiner Übung zum Erkenneneines Rhythmusmusters

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Ein Schwachpunkt im Übungsteil ist m.E.das wenig aussagekräftige Feedback, das ineiner richtig/falsch-Bewertung bzw. in derAngabe der Lösung besteht. In manchen Fäl-len wäre bei Fehlentscheidungen der Lernerjedoch ein gezielteres und ausführlicheresFeedback nützlich: Zum Beispiel wäre es im Übungsteil zum Wortakzent sinnvoll, alsLösungsfeedback nicht nur "1. Wort” oder "2. Wort” anzugeben, sondern auch den Wort-akzent in den falschen Lösungen anzuzeigen.Das würde den Lerneffekt m.E. deutlich stei-gern, da der Lerner durch die visuelle Markie-rung zusammen mit einem wiederholten An-hören die relevanten Merkmale besser erken-nen kann. Eine weitere Feedback-Möglichkeitwäre der Verweis auf die entsprechendenRegeln, eine Möglichkeit, die, wie schon er-wähnt, nicht genutzt wurde.

Die sprecherische Qualität des akustischpräsentierten Materials im Übungsteil (wieauch in den anderen Teilen) ist durchweg her-vorragend. Für sehr gelungen, aber auchrecht anspruchsvoll, halte ich die Übungenim Satzakzentkapitel, bei denen die Äußerun-gen bei unterschiedlicher intonatorischerRealisierung denselben Satzakzent behalten.Die Lerner werden so gezwungen, genauzwischen unterschiedlichen suprasegmen-talen Mitteln zu differenzieren. Das Gleichegilt auch für die Übung 3 zum Erkennen desEndmelodieverlaufs, wobei es vielleicht sinn-voll gewesen wäre, in der Lösung nicht nurden Endverlauf, sondern auch noch denSatzakzent zu markieren.

FazitPhonothek interaktiv ist ein solides Sprach-

lernprogramm zur Ausspracheschulung, das

vor allem durch seine Funktion Sprechendes

Wörterbuch mit seiner differenzierten Infor-mationsverteilung und den Verknüpfungenhin zum Regelteil überzeugt. Auch derÜbungsteil ist insgesamt recht ansprechendgeraten, auch wenn aufgrund des schemati-schen Bildaufbaus und der nur geringen Va-riation in den Aufgaben eine gewisse Er-müdung seitens der "User” zu befürchten ist.Auch könnte in vielen Fällen die Feedbackge-staltung aussagekräftiger sein (vgl. Rüschoff& Wolff 1999: 80f.). Insgesamt bleibt das Pro-gramm in vielen Bereichen hinter den Mög-lichkeiten und Anforderungen zurück, dieman heute an multimediale Software stellenkann und sollte. Vor allem der Regelteil ist inmehrerlei Hinsicht problematisch: Die beab-sichtigte Adressatendifferenzierung ist ansich eine gute Idee, aber die Einteilung inLang- und Kurzregeln, wie sie hier durchge-führt wurde, ist kein geeignetes Verfahrenhierzu. Die Regeln selbst werden zu wenigdidaktisch präsentiert, es fehlen geeigneteVerfahren der Veranschaulichung, die geradein einem Medium wie dem Computer leichtangewandt werden können.

II. Perspektiven für zukünftige

Lernsoftware-Entwicklung im Bereich

Ausspracheschulung

Im zweiten Teil werde ich nun vor demHintergrund meiner Analyse der Phonothek

interaktiv einige Thesen formulieren, wie zu-künftige Software zum Aussprachetrainingaussehen sollte.

1. Lernsoftware sollte von multimedialenDarstellungsverfahren Gebrauch machen,bei denen Text, Bild (als Grafik, Animationund/oder Video) und Ton in einer optimalen

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umständlich und ermuntert nicht gerade zueiner Suche im Regelteil. Das Fehlen solcherLinks ist auch insofern nicht verständlich, alsHypertext-Verweise auf den Regelteil im sprechenden Wörterbuch ja vorhanden sind.

Die Übungen dienen fast ausschließlichdem Hörtraining. Wie die neuere Forschungzum Ausspracheerwerb gezeigt hat (vgl.Grotjahn 1998), ist die auditive Bewusst-machung tatsächlich in vielen Fällen dieGrundlage bzw. Voraussetzung für korrektes(Aus-)Sprechen. Insofern liefert Phonothek

interaktiv ein umfangreiches (in einzelnenÜbungen bis zu 100 Einzelaufgaben) undsorgfältig zusammengestelltes Übungsmate-rial, mit dem diskriminierendes, identifizie-rendes und lokalisierendes Hören trainiert

werden kann. Das heißt, dem Lerner werdenakustisch und/oder orthographisch Wörteroder Äußerungen präsentiert und er soll ent-weder erkennen, ob zwei Vorgaben identischsind, er soll Merkmale (z.B. Akzent, Laut,Lauteigenschaft) im dargebotenen Materialidentifizieren und markieren und er sollMuster von dargebotenen lautlichen Struktu-ren bestimmen (z.B. eine bestimmte rhyth-mische Struktur). Weiterhin gibt es Übungen,bei denen die orthographische Kompetenzgeschult wird, indem die Lerner aufgrund desGehörten Buchstaben-Lücken in Wörternergänzen sollen.

Nach je zehn Items erfolgte eine Punkte-Bewertung nach dem Schema "x/10 richtig”.Eine Gesamtbewertung für mehrere Übungs-blöcke auch innerhalb einer Übungseinheitist nicht möglich. Das Material ist – je nachLerngegenstand – bisweilen noch nach lexika-lischen oder thematischen Kriterien kate-gorisiert, die vom Lerner ausgewählt werdenkönnen. (Abb. 2)

Der Vorteil des festen Übungsformats istzweifelsohne der, dass die Lerner sich imÜbungsteil rasch zurecht finden. Ich bin mirallerdings nicht sicher, ob die starke Schema-tisiertheit der Oberfläche auf Dauer nicht zuErmüdungserscheinung bzw. Motivations-problemen führt. Offensichtlich haben dieVerfasser versucht, dem durch das "Laby-rinthspiel” entgegenzuwirken – einer Auf-gabe, bei der die Lerner hintereinander dreiJa/Nein-Entscheidungen treffen sollen, umaus einem Labyrinth zu entkommen. Aber dererhoffte "Auflockerungseffekt” dürfte an-gesichts des wenig originellen Spielcharak-ters schon nach dem ersten Labyrinth ver-pufft sein.

Abb. 2 Bildschirmausdruckeiner Übung zum Erkenneneines Rhythmusmusters

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Ausspracheschulung mit Neuen Medien Gunther Dietz

werb von Einzellauten, dann reicht auf einerbestimmten Stufe der Vermittlung einKontext auf Wortebene aus. Aber im Zugeeiner Lernprogression sollten die Wort- undauch die Satz- bzw. Äußerungsebene über-schritten werden, um Gelegenheiten zum be-deutungshaltigen Gebrauch des jeweiligenPhänomens zu bieten. Auf der Ebene derSuprasegmentalia ist die Angabe eines Kon-textes ohnehin unerlässlich, denn hier prägtder Diskurs-Kontext die Wahl der prosodis-chen Mittel (Melodie-Endverlauf, Satzak-zent). 6

5. Nicht zuletzt hängt der Erfolg von elek-tronischen Sprechtrainern davon ab, ob es ge-lingt, eine technisch funktionierende auto-matische Spracherkennung und -bewertungzu entwickeln.

Solange die automatischen Spracherkenn-ungs-Tools nicht zuverlässig funktionierenbzw. dem Lerner sinnvolle Hinweise zur Kor-rektur seiner Aussprache geben, bleibt derNutzen von Aussprachesoftware im Rahmendes Selbststudiums auf das Training der per-zeptiven und produktiv-schriftlichen Teil-kompetenzen beschränkt und somit derLerner für die Ausbildung der produktivenFertigkeiten auf das phonetisch geschulteOhr einer Lehrperson angewiesen.

6 Im Lehrwerk SprechProbe

(Dietz & Tronka 2001) haben

wir im Intonations-Kapitel

ca. 80 Minidialoge mit Situations-

Kurzangaben verwendet.

Literatur

Breindl, Eva 1997: "DaF goes Internet! Neue Entwick-

lungen in Deutsch als Fremdsprache”.

Deutsche Sprache 4, 289-342 (Hypertextfassung:

www.ids-mannheim.de/grammis/orbis/daf).

Dietz, Gunther & Tronka, Krisztián 1999:

"Ausspracheschulung für fortgeschrittene ungarische

Deutschlerner – Ein Unterrichtskonzept”.

in: Mádl, Antal & Dietz, Gunther (Hg.): Jahrbuch der

ungarischen Germanistik 1998. Budapest – Bonn: DAAD

/ Gesellschaft der ungarischen Germanisten, 111-133.

Dietz, Gunther & Tronka, Krisztián 2000: "Induktivität

und Integrativität in der Ausspracheschulung – Beispiele

aus einem neuen Lehrwerk für fortgeschrittene

ungarische DaF-Lerner”. Deutschunterricht für Ungarn

3-4, 25-43.

Dietz, Gunther & Tronka, Krisztián 2001: SprechProbe.

Aussprachetraining für ungarische DaF-Lerner.

Arbeitsbuch. Debrecen: Kossuth Kiadó.

Esser, Otto & Klinker, Theo 1996: Aussprachetraining

DaF. CD-ROM für die Grundstufe. Ismaning: Hueber.

Franke, Ingolf 2000: Video-Aussprachetrainer Deutsch.

CD-ROM. 2. Aufl. Ismaning: Verlag für Deutsch.

Goethe Institut 2000: Einblicke 11 "Sprechtrainer”.

zusammen mit DKF Multimedia GmbH.

Grotjahn, Rüdiger 1998: "Ausspracheunterricht:

Ausgewählte Befunde aus der Grundlagenforschung

und didaktisch-methodische Implikationen”.

Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 9.1 , 35-83.

Hirschfeld, Ursula 1995: "Grammatik und Phonetik”. in:

Popp, Heidrun (Hg.): Deutsch als Fremdsprache.

An den Quellen eines Faches. Festschrift für Gerhard

Helbig zum 65. Geburtstag. München: iudicium, 11-22.

53

Rausch, Rudolf & Rothe, Hans

1999: Besser Deutsch sprechen.

CD-ROM Version 99.1.

Richter, Regina 1998:

"Multimedia im Phonetikunterricht.

Programmangebote und

Anwendungsperspektiven”.

Info DaF 25.5, 577-589.

Richter, Regina 1999:

"Computergestützte Aussprache-

schulung: Software-Anforderungen

und Programmangebote”.

Zeitschrift für Fremdsprachenfor-

schung 10.2, 257-276.

Richter, Regina 2002: Rezension zu

‘Hirschfeld, Ursula & Stock,

Eberhard (Hg.): Phonothek interaktiv.

Das Phonetikprogramm für

Deutsch als Fremdsprache. CD-

ROM. Berlin & München:

Langenscheidt 2000’. Deutsch als

Fremdsprache 1, 55-57.

Rüschoff, Bernd & Wolff, Dieter

1999: Fremdsprachenlernen in der

Wissensgesellschaft. Zum Einsatz

der Neuen Technologien in Schule

und Unterricht. Ismaning: Hueber

(Forum Sprache).

Stock, Eberhard 1996: Deutsche

Intonation. Leipzig u.a.: Langen-

scheidt Verlag Enzyklopädie.

Stock, Eberhard & Hirschfeld,

Ursula (Hg.) 1996: Phonothek.

Deutsch als Fremdsprache.

Arbeitsbuch. Berlin u.a.:

Langenscheidt.

Kombination zum Einsatz kommen und beidenen Lerner interaktiv mitwirken können.

Während die "multimediale Fantasie" der Pro-grammmacher bei der Gestaltung von Übungs-Teilen schon zu recht brauchbaren Ergebnis-sen gekommen ist, gilt dies nicht in gleichemMaße für die Präsentation von Erklärungenvon sprachlichen Regularitäten, wie auch dieAnalyse des Regelteils der Phonothek inter-

aktiv gezeigt hat. Hier wurde das Veranschau-lichungs-Potential der Neuen Technologiennoch bei weitem nicht ausgereizt.

2. Aussprache-Software – überhaupt Lern-software – sollte es Lernern ermöglichen, sichper Mausklick (und Hypertext) zwischen ver-schiedenen Programmteilen, insbesonderezwischen Übungen, Regeln, Beispielen undLerntipps zu bewegen.

Gerade diese Möglichkeit der Vernetzungund Abrufbarkeit von relevanten Informatio-nen trägt wesentlich zum Lernerfolg bei. Dassetzt natürlich voraus, dass diese Informa-tionen auch bereit gestellt und entsprechendverlinkt werden.

3. Das Hypertext-Verfahren bzw. dienicht-lineare, vernetzte Anordnung von In-formationseinheiten ermöglichen eine weit-gehende Differenzierung zwischen Lernernbzw. Lernergruppen. So könnte innerhalbeines Programms das geleistet werden, wasansonsten in mehreren gedruckten Lehr-werken geschieht: die Differenzierung nachder Ausgangssprache der Lerner und dieDifferenzierung nach dem Sprachstand.

Gerade im Bereich des Ausspracheer-werbs haben empirische Studien gezeigt,dass die Muttersprache der Lerner für vieleNormabweichungen verantwortlich ist: Ziel-sprachliche Laute und prosodische Muster

werden durch den Filter der L1-Hörgewohn-heiten perzipiert und durch L1-Laute bzw.prosodische Muster ersetzt, zielsprachlicheGrapheme durch L1-Laute wiedergegeben. Esist bekannt, dass die so genannte "multilin-guale” Ausrichtung von Lehrwerken, die (lei-der) heute der Standard im DaF-Bereich undim Bereich der Ausspracheschulung generellist, sich pauschal an Lerner verschiedenerAusgangssprachen richtet. Gerade das Medi-um Computer böte Möglichkeiten der kon-trastiven Ausrichtung von Lehrmaterialien,die vermutlich wesentlich zu ihrer Effizienzbeitragen könnten. Man stelle sich vor, dassLerner schon auf der Ebene des Hauptmenüseinen Zugang zu den Lern- und Übungsein-heiten von ihrer jeweiligen Ausgangsspracheher anwählen bzw. -klicken (man könnte dasja zunächst auf fünf Hauptsprachen be-schränken) und von da an Regeln und Übun-gen mit einem "kontrastiven Filter” begeg-nen: Nicht alles ist wichtig, was es überdeutsche Aussprachenormen von einem"neutralen”, "multilingualen” Standpunkt auszu sagen gibt, sondern nur das, was Lernervor dem Hintergrund der jeweiligen L1-Ver-hältnisse wissen müssen. Erst eine solcherartkontrastiv verstandene Multilingualität wür-de ihren Namen verdienen.

4. Zukünftige Aussprachesoftware sollteauditiv und/oder orthographisch präsentier-te Beispiele (im Regel- und Übungsteil) in be-deutungshaltigere Kommunikationkontexte(Minidialoge, Texte, Diskurse) einbetten.

Ein großes Manko vieler Aussprachelehr-werke ist die weitgehend kontextfreie Präsen-tation von Sprachdaten. Dabei ist natürlichder Begriff "Kontext” relativ zum fokussiertenLerngegenstand zu sehen. Geht es um den Er-

5 Auch wenn es sicherlich zutrifft,

dass die Phonothek interaktiv

"Ausspracheprobleme von Lernen

den verschiedener Muttersprachen,

die durch praktische Erfahrungen

und Analysen ermittelt wurden”

behandelt, so ist sie doch aus-

gangssprachen-neutral ausgerichtet.

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Page 10: Ausspracheschulung mit Neuen 1 interaktiv” - dietz & daf · Ausspracheschulung hat im DaF-Unterricht leider immer noch vielerorts "Stiefkind-Status” und selbstverständlich würde

Ausspracheschulung mit Neuen Medien Gunther Dietz

werb von Einzellauten, dann reicht auf einerbestimmten Stufe der Vermittlung einKontext auf Wortebene aus. Aber im Zugeeiner Lernprogression sollten die Wort- undauch die Satz- bzw. Äußerungsebene über-schritten werden, um Gelegenheiten zum be-deutungshaltigen Gebrauch des jeweiligenPhänomens zu bieten. Auf der Ebene derSuprasegmentalia ist die Angabe eines Kon-textes ohnehin unerlässlich, denn hier prägtder Diskurs-Kontext die Wahl der prosodis-chen Mittel (Melodie-Endverlauf, Satzak-zent). 6

5. Nicht zuletzt hängt der Erfolg von elek-tronischen Sprechtrainern davon ab, ob es ge-lingt, eine technisch funktionierende auto-matische Spracherkennung und -bewertungzu entwickeln.

Solange die automatischen Spracherkenn-ungs-Tools nicht zuverlässig funktionierenbzw. dem Lerner sinnvolle Hinweise zur Kor-rektur seiner Aussprache geben, bleibt derNutzen von Aussprachesoftware im Rahmendes Selbststudiums auf das Training der per-zeptiven und produktiv-schriftlichen Teil-kompetenzen beschränkt und somit derLerner für die Ausbildung der produktivenFertigkeiten auf das phonetisch geschulteOhr einer Lehrperson angewiesen.

6 Im Lehrwerk SprechProbe

(Dietz & Tronka 2001) haben

wir im Intonations-Kapitel

ca. 80 Minidialoge mit Situations-

Kurzangaben verwendet.

Literatur

Breindl, Eva 1997: "DaF goes Internet! Neue Entwick-

lungen in Deutsch als Fremdsprache”.

Deutsche Sprache 4, 289-342 (Hypertextfassung:

www.ids-mannheim.de/grammis/orbis/daf).

Dietz, Gunther & Tronka, Krisztián 1999:

"Ausspracheschulung für fortgeschrittene ungarische

Deutschlerner – Ein Unterrichtskonzept”.

in: Mádl, Antal & Dietz, Gunther (Hg.): Jahrbuch der

ungarischen Germanistik 1998. Budapest – Bonn: DAAD

/ Gesellschaft der ungarischen Germanisten, 111-133.

Dietz, Gunther & Tronka, Krisztián 2000: "Induktivität

und Integrativität in der Ausspracheschulung – Beispiele

aus einem neuen Lehrwerk für fortgeschrittene

ungarische DaF-Lerner”. Deutschunterricht für Ungarn

3-4, 25-43.

Dietz, Gunther & Tronka, Krisztián 2001: SprechProbe.

Aussprachetraining für ungarische DaF-Lerner.

Arbeitsbuch. Debrecen: Kossuth Kiadó.

Esser, Otto & Klinker, Theo 1996: Aussprachetraining

DaF. CD-ROM für die Grundstufe. Ismaning: Hueber.

Franke, Ingolf 2000: Video-Aussprachetrainer Deutsch.

CD-ROM. 2. Aufl. Ismaning: Verlag für Deutsch.

Goethe Institut 2000: Einblicke 11 "Sprechtrainer”.

zusammen mit DKF Multimedia GmbH.

Grotjahn, Rüdiger 1998: "Ausspracheunterricht:

Ausgewählte Befunde aus der Grundlagenforschung

und didaktisch-methodische Implikationen”.

Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 9.1 , 35-83.

Hirschfeld, Ursula 1995: "Grammatik und Phonetik”. in:

Popp, Heidrun (Hg.): Deutsch als Fremdsprache.

An den Quellen eines Faches. Festschrift für Gerhard

Helbig zum 65. Geburtstag. München: iudicium, 11-22.

53

Rausch, Rudolf & Rothe, Hans

1999: Besser Deutsch sprechen.

CD-ROM Version 99.1.

Richter, Regina 1998:

"Multimedia im Phonetikunterricht.

Programmangebote und

Anwendungsperspektiven”.

Info DaF 25.5, 577-589.

Richter, Regina 1999:

"Computergestützte Aussprache-

schulung: Software-Anforderungen

und Programmangebote”.

Zeitschrift für Fremdsprachenfor-

schung 10.2, 257-276.

Richter, Regina 2002: Rezension zu

‘Hirschfeld, Ursula & Stock,

Eberhard (Hg.): Phonothek interaktiv.

Das Phonetikprogramm für

Deutsch als Fremdsprache. CD-

ROM. Berlin & München:

Langenscheidt 2000’. Deutsch als

Fremdsprache 1, 55-57.

Rüschoff, Bernd & Wolff, Dieter

1999: Fremdsprachenlernen in der

Wissensgesellschaft. Zum Einsatz

der Neuen Technologien in Schule

und Unterricht. Ismaning: Hueber

(Forum Sprache).

Stock, Eberhard 1996: Deutsche

Intonation. Leipzig u.a.: Langen-

scheidt Verlag Enzyklopädie.

Stock, Eberhard & Hirschfeld,

Ursula (Hg.) 1996: Phonothek.

Deutsch als Fremdsprache.

Arbeitsbuch. Berlin u.a.:

Langenscheidt.

Kombination zum Einsatz kommen und beidenen Lerner interaktiv mitwirken können.

Während die "multimediale Fantasie" der Pro-grammmacher bei der Gestaltung von Übungs-Teilen schon zu recht brauchbaren Ergebnis-sen gekommen ist, gilt dies nicht in gleichemMaße für die Präsentation von Erklärungenvon sprachlichen Regularitäten, wie auch dieAnalyse des Regelteils der Phonothek inter-

aktiv gezeigt hat. Hier wurde das Veranschau-lichungs-Potential der Neuen Technologiennoch bei weitem nicht ausgereizt.

2. Aussprache-Software – überhaupt Lern-software – sollte es Lernern ermöglichen, sichper Mausklick (und Hypertext) zwischen ver-schiedenen Programmteilen, insbesonderezwischen Übungen, Regeln, Beispielen undLerntipps zu bewegen.

Gerade diese Möglichkeit der Vernetzungund Abrufbarkeit von relevanten Informatio-nen trägt wesentlich zum Lernerfolg bei. Dassetzt natürlich voraus, dass diese Informa-tionen auch bereit gestellt und entsprechendverlinkt werden.

3. Das Hypertext-Verfahren bzw. dienicht-lineare, vernetzte Anordnung von In-formationseinheiten ermöglichen eine weit-gehende Differenzierung zwischen Lernernbzw. Lernergruppen. So könnte innerhalbeines Programms das geleistet werden, wasansonsten in mehreren gedruckten Lehr-werken geschieht: die Differenzierung nachder Ausgangssprache der Lerner und dieDifferenzierung nach dem Sprachstand.

Gerade im Bereich des Ausspracheer-werbs haben empirische Studien gezeigt,dass die Muttersprache der Lerner für vieleNormabweichungen verantwortlich ist: Ziel-sprachliche Laute und prosodische Muster

werden durch den Filter der L1-Hörgewohn-heiten perzipiert und durch L1-Laute bzw.prosodische Muster ersetzt, zielsprachlicheGrapheme durch L1-Laute wiedergegeben. Esist bekannt, dass die so genannte "multilin-guale” Ausrichtung von Lehrwerken, die (lei-der) heute der Standard im DaF-Bereich undim Bereich der Ausspracheschulung generellist, sich pauschal an Lerner verschiedenerAusgangssprachen richtet. Gerade das Medi-um Computer böte Möglichkeiten der kon-trastiven Ausrichtung von Lehrmaterialien,die vermutlich wesentlich zu ihrer Effizienzbeitragen könnten. Man stelle sich vor, dassLerner schon auf der Ebene des Hauptmenüseinen Zugang zu den Lern- und Übungsein-heiten von ihrer jeweiligen Ausgangsspracheher anwählen bzw. -klicken (man könnte dasja zunächst auf fünf Hauptsprachen be-schränken) und von da an Regeln und Übun-gen mit einem "kontrastiven Filter” begeg-nen: Nicht alles ist wichtig, was es überdeutsche Aussprachenormen von einem"neutralen”, "multilingualen” Standpunkt auszu sagen gibt, sondern nur das, was Lernervor dem Hintergrund der jeweiligen L1-Ver-hältnisse wissen müssen. Erst eine solcherartkontrastiv verstandene Multilingualität wür-de ihren Namen verdienen.

4. Zukünftige Aussprachesoftware sollteauditiv und/oder orthographisch präsentier-te Beispiele (im Regel- und Übungsteil) in be-deutungshaltigere Kommunikationkontexte(Minidialoge, Texte, Diskurse) einbetten.

Ein großes Manko vieler Aussprachelehr-werke ist die weitgehend kontextfreie Präsen-tation von Sprachdaten. Dabei ist natürlichder Begriff "Kontext” relativ zum fokussiertenLerngegenstand zu sehen. Geht es um den Er-

5 Auch wenn es sicherlich zutrifft,

dass die Phonothek interaktiv

"Ausspracheprobleme von Lernen

den verschiedener Muttersprachen,

die durch praktische Erfahrungen

und Analysen ermittelt wurden”

behandelt, so ist sie doch aus-

gangssprachen-neutral ausgerichtet.

52 Gunther Dietz Ausspracheschulung mit Neuen Medien

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