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PRÜFUNG FINANZMARKT 1–2 | 2020 EXPERT FOCUS 25 DANIEL PAJER RAFFAEL SIMONE JEAN-CLAUDE SPILLMANN Mit dem Inkrafttreten des Finanzinstituts- und Finanzdienstleistungsgesetzes per 1. Januar 2020 wurde eine grundsätzliche Neuordnung des Finanzmarktrechts in der Schweiz vollzogen und wurden sektorenübergreifende Regelungen für die Bewilli- gungsvoraussetzungen und Verhaltenspflichten für Finanzdienstleister eingeführt. AUSWIRKUNGEN VON FINIG UND FIDLEG AUF DAS KOLLEKTIVANLAGENRECHT Das revidierte Kollektivanlagenrecht wird neu eine reine Regulierung für kollektive Kapitalanlagen Obwohl FINIG [1] und FIDLEG [2] nicht primär auf die Fonds- industrie abzielten, hat auch das Kollektivanlagenrecht ei- nige grundlegende Änderungen erfahren, insbesondere in Bezug auf den Vertrieb und die Anforderungen an Verwalter von Kollektivvermögen. So wurden bestimmte bis anhin im Kollektivanlagengesetz (aKAG [3]) geregelte Institute ins FINIG überführt und die Bewilligungspflichten sowie die Aufsicht über die Verwalter von Kollektivvermögen neu ge- regelt, während die Bewilligungspflicht für Vertriebsträger gänzlich aufgehoben wurde. Die Einführung von FIDLEG führte auch für KAG-Insti- tute zur Implementierung zahlreicher neuer Pflichten wie die Kundensegmentierung oder die Eignungs- und Ange- messenheitsprüfung, unter Berücksichtigung der zweijäh- rigen Übergangsfrist zur Erfüllung dieser Pflichten. Nicht zuletzt hat das FINIG zudem Auswirkungen auf das Prüfwe- sen und die Aufsicht der bisherigen KAG-Institute. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Änderungen aus Sicht der KAG-Institute und erläutert mögliche Ansätze zur Umsetzung. 1. ÜBERFÜHRUNG BESTIMMTER KAG-INSTITUTE INS FINIG Das aKAG sowie die dieses Gesetz ausführenden Verordnun- gen (aKKV und aKKV-FINMA) regelten bislang sämtliche As- pekte des Kollektivanlagenrechts: von den Bewilligungsvor- aussetzungen und der Aufsicht über die Institute [4], den Vertrieb und die entsprechenden Verhaltensregeln bis hin zu den Anforderungen an die regulierten Produkte [5]. Mit Einführung des FINIG wurden die Vermögensverwal- ter von kollektiven Kapitalanlagen (unter dem FINIG neu zu- sammen mit Verwaltern von Vorsorgevermögen als «Verwal- ter von Kollektivvermögen» bezeichnet) [6] sowie die Fonds- leitungen vom aKAG ins FINIG überführt, während das revidierte Kollektivanlagengesetz (KAG [7]) weiterhin die Anforderungen an die Vertreter ausländischer kollektiver Kapitalanlagen und die Depotbanken regelt. Ebenfalls weit- gehend unverändert im KAG verblieben sind die Regelungen zur Investmentgesellschaft mit variablem Kapital (SICAV), Investmentgesellschaft mit festem Kapital (SICAF) und Kom- manditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (KmGK), die nebst ihrer Einordnung als KAG-Institute zugleich auch KAG-Produkte sind. Entsprechend wurde das KAG in erster Linie zum Produktegesetz. Es enthält aber weiterhin Pflich- ten für Bewilligungsträger – primär für jene, welche nicht im Bereich der Vermögensverwaltung tätig sind. 2. BEWILLIGUNGSPFLICHT UND PRUDENZIELLE BEAUFSICHTIGUNG Verwalter von Kollektivvermögen entgehen unter der Gel- tung des FINIG nicht mehr einer Bewilligungspflicht. Das aKAG sah eine sogenannte De-minimis-Regel vor, nach wel- cher Vermögensverwalter von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen, deren Anlegerkreis ausschliesslich aus qua- DANIEL PAJER, MITGLIED FACHKOMMIS- SION KOLLEKTIVE KAPITALANLAGEN VON EXPERTSUISSE, PARTNER, PWC RAFFAEL SIMONE, EIDG. DIPL. WIRTSCHAFTS- PRÜFER, DIRECTOR, PWC

AUSWIRKUNGEN VON FINIG UND FIDLEG AUF DAS … · 2020. 2. 19. · RAFFAEL SIMONE, EIDG. DIPL. WIRTSCHAFTS - PRÜFER, DIRECTOR, PWC. 26 PRÜFUNG FINANZMARKT EXPERT FOCUS 2020| 1–2

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  • PR Ü FU NG F I NANZ MAR KT

    1–2 | 2020 EXPE RT FOCUS 25

    D A N I E L PA J E R

    R A F FA E L S I M O N E

    J E A N - C L A U D E S P I L L M A N N

    Mit dem Inkrafttreten des Finanzinstituts- und Finanzdienstleistungsgesetzes per 1. Januar 2020 wurde eine grundsätzliche Neuordnung des Finanzmarktrechts in der Schweiz vollzogen und wurden sektorenübergreifende Regelungen für die Bewilli-gungs voraussetzungen und Verhaltenspflichten für Finanzdienstleister eingeführt.

    AUSWIRKUNGEN VON FINIG UND FIDLEG AUF DAS KOLLEKTIVANLAGENRECHTDas revidierte Kollektivanlagenrecht wird neu eine reine Regulierung für kollektive Kapitalanlagen

    Obwohl FINIG [1] und FIDLEG [2] nicht primär auf die Fonds-industrie abzielten, hat auch das Kollektivanlagenrecht ei-nige grundlegende Änderungen erfahren, insbesondere in Bezug auf den Vertrieb und die Anforderungen an Verwalter von Kollektivvermögen. So wurden bestimmte bis anhin im Kollektivanlagengesetz (aKAG [3]) geregelte Institute ins FINIG überführt und die Bewilligungspflichten sowie die Aufsicht über die Verwalter von Kollektivvermögen neu ge-regelt, während die Bewilligungspflicht für Vertriebsträger gänzlich aufgehoben wurde.

    Die Einführung von FIDLEG führte auch für KAG-Insti-tute zur Implementierung zahlreicher neuer Pflichten wie die Kundensegmentierung oder die Eignungs- und Ange-messenheitsprüfung, unter Berücksichtigung der zweijäh-rigen Übergangsfrist zur Erfüllung dieser Pflichten. Nicht zuletzt hat das FINIG zudem Auswirkungen auf das Prüfwe-sen und die Aufsicht der bisherigen KAG-Institute.

    Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Änderungen aus Sicht der KAG-Institute und erläutert mögliche Ansätze zur Umsetzung.

    1. ÜBERFÜHRUNG BESTIMMTER KAG-INSTITUTE INS FINIGDas aKAG sowie die dieses Gesetz ausführenden Verordnun-gen (aKKV und aKKV-FINMA) regelten bislang sämtliche As-pekte des Kollektivanlagenrechts: von den Bewilligungsvor-aussetzungen und der Aufsicht über die Institute [4], den

    Vertrieb und die entsprechenden Verhaltensregeln bis hin zu den Anforderungen an die regulierten Produkte [5].

    Mit Einführung des FINIG wurden die Vermögensverwal-ter von kollektiven Kapitalanlagen (unter dem FINIG neu zu-sammen mit Verwaltern von Vorsorgevermögen als «Verwal-ter von Kollektivvermögen» bezeichnet) [6] sowie die Fonds-leitungen vom aKAG ins FINIG überführt, während das revidierte Kollektivanlagengesetz (KAG [7]) weiterhin die Anforderungen an die Vertreter ausländischer kollektiver Kapitalanlagen und die Depotbanken regelt. Ebenfalls weit-gehend unverändert im KAG verblieben sind die Regelungen zur Investmentgesellschaft mit variablem Kapital (SICAV), Investmentgesellschaft mit festem Kapital (SICAF) und Kom-manditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (KmGK), die nebst ihrer Einordnung als KAG-Institute zugleich auch KAG-Produkte sind. Entsprechend wurde das KAG in erster Linie zum Produktegesetz. Es enthält aber weiterhin Pflich-ten für Bewilligungsträger – primär für jene, welche nicht im Bereich der Vermögensverwaltung tätig sind.

    2. BEWILLIGUNGSPFLICHT UND PRUDENZIELLE BEAUFSICHTIGUNGVerwalter von Kollektivvermögen entgehen unter der Gel-tung des FINIG nicht mehr einer Bewilligungspflicht. Das aKAG sah eine sogenannte De-minimis-Regel vor, nach wel-cher Vermögensverwalter von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen, deren Anlegerkreis ausschliesslich aus qua-

    DANIEL PAJER,

    MITGLIED FACHKOMMIS-

    SION KOLLEKTIVE

    KAPITALANLAGEN VON

    EXPERTSUISSE, PARTNER,

    PWC

    RAFFAEL SIMONE,

    EIDG. DIPL. WIRTSCHAFTS-

    PRÜFER, DIRECTOR,

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    PR Ü FU NG F I NANZ MAR KT

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    AUSWIRKUNGEN VON FIN IG UND F IDLEG AUF DAS KOLLEKTIVANLAGENRECHT

    lifizierten Anlegern im Sinne von Art. 10 Abs. 3, 3bis und 3ter aKAG bestand, dem aKAG nur unterstellt waren, wenn die von ihnen verwalteten Vermögenswerte kollektiver Kapital-anlagen die in Art. 2 Abs. 2 lit. h Ziff. 1 und 2 aKAG definier-ten Schwellenwerte [8] überschritten. Diese Ausnahme von der Bewilligungspflicht wurde im KAG aufgehoben und in Art. 24 Abs. 2 FINIG überführt. Jedoch unterscheidet sie sich von der aus dem aKAG bekannten Regel in Bezug auf den An-wendungsbereich wesentlich: Sie gilt nämlich nicht nur für Vermögensverwalter von ausländischen, sondern auch für solche von inländischen kollektiven Kapitalanlagen. Zudem unterstehen Verwalter von Kollektivvermögen auch unter-halb der De-minimis-Schwellenwerte dem FINIG und benö-tigen entsprechend eine Bewilligung der FINMA. Es kom-men jedoch die weniger strengen Anforderungen für Vermö-gensverwalter im Sinne von Art. 17 ff. FINIG zur Anwendung, und die Aufsicht über die entsprechenden Vermögensver-walter wird durch eine von der FINMA bewilligte und be-aufsichtigte Aufsichtsorganisation (AO) wahrgenommen.

    Für Verwalter von Vorsorgevermögen, die bis zum 31. De-zember 2019 der Aufsicht der Oberaufsichtskommission Be-rufliche Vorsorge (OAK BV) unterstanden, führte das FINIG ebenfalls eine Bewilligungspflicht und prudenzielle Beauf-sichtigung der FINMA ein. Sie unterstehen als Verwalter von Kollektivvermögen grundsätzlich denselben Regeln wie die ehemaligen Vermögensverwalter von kollektiven Kapi-talanlagen. Auch für sie enthält das FINIG eine De-minimis-Regel. Gemäss dieser benötigen Verwalter von Vorsorgever-mögen lediglich eine Bewilligung als Vermögensverwalter nach Art. 17 ff. FINIG, sofern die verwalteten Vermögens-werte höchstens CHF 100 Mio. [9] betragen und maximal 20% der Vermögenswerte einer einzelnen Vorsorgeeinrich-tung verwaltet werden. Das Überschreiten der Schwellen-werte führt zu einer Bewilligungspflicht als Verwalter von Kollektivvermögen. Die Einzelheiten zur Berechnung der Schwellenwerte sind durch die FINMA im Rahmen ihrer Ver-ordnung zum FINIG noch zu regeln.

    Vermögensverwalter, die bereits vor dem 1. Januar 2020 kollektive Kapitalanlagen verwaltet haben, aber aufgrund der De-minimis-Regel nicht beaufsichtigt waren, werden bei der FINMA bis zum 31. Dezember 2022 um Erteilung einer Bewilligung als Vermögensverwalter nach Art. 17 ff. FINIG ersuchen müssen. Genauso haben bereits aktive Vermögens-verwalter von Vorsorgevermögen bis zum 31. Dezember 2022 bei der FINMA ein Gesuch um Erteilung einer Bewilligung als Verwalter von Kollektivvermögen nach Art. 24 ff. FINIG oder als Vermögensverwalter nach Art. 17 ff. FINIG zu stel-

    len. Zu beachten ist zudem die Meldefrist gegenüber der FINMA bis zum 30. Juni 2020.

    3. VOM VERTRIEB ZUM ANGEBOT KOLLEKTIVER KAPITALANLAGENMit FIDLEG wurde das Anbieten von Finanzinstrumenten grundsätzlich sektorenübergreifend für alle Finanzdienst-leister gleich reguliert. Entsprechend wurde der Vertriebsbe-griff im aKAG gestrichen und im FIDLEG durch den Begriff des «Angebots» ersetzt. Das Angebot setzt eine Einladung an Anleger bzw. Kunden zum Erwerb von Finanzinstrumen-ten voraus, die ausreichende Informationen über die An-gebotsbedingungen und das Finanzinstrument selbst ent-hält und üblicherweise darauf abzielt, auf ein bestimmtes Finanzinstrument aufmerksam zu machen und dieses zu veräussern. Entsprechend ist etwa die Präsentation von Fi-nanzinstrumenten auf Internetplattformen oder anlässlich von Roadshows je nach Inhalt der zur Verfügung gestellten Informationen und der konkreten Umstände als Angebot im Sinne des FIDLEG zu qualifizieren.

    Allerdings knüpfen nicht sämtliche Pflichten, die bisher an den Begriff des Vertriebs gekoppelt waren, an den Begriff des Angebots an. Vielmehr ist  – beispielsweise für die An-wendbarkeit der Verhaltenspflichten – von Bedeutung, ob es sich bei der Tätigkeit um eine Finanzdienstleistung im Sinne von Art. 3 lit. c FIDLEG handelt. Dazu zählt neben der An-nahme und Übermittlung von Aufträgen, der Vermögens-verwaltung oder der Anlageberatung auch der Erwerb oder die Veräusserung von Finanzinstrumenten. Hierzu hält Art. 3 Abs. 2 FIDLEV fest, dass als Erwerb oder Veräussern von Finanzinstrumenten im Sinne von Art. 3 lit. c Ziff. 1 FIDLEG und damit als Finanzdienstleistung jede direkte an bestimmte Kunden gerichtete Tätigkeit gilt, die spezi-fisch auf den Erwerb oder die Veräusserung eines Finanz-instruments abzielt. Somit kann zum Beispiel auch eine Roadshow als Finanzdienstleistung qualifizieren, wenn sie sich spezifisch an bestimmte Kunden richtet und auf den Er-werb oder die Veräusserung eines bestimmten Finanzinstru-ments abzielt.

    Der Begriff der Werbung, der im FIDLEG ebenfalls von Re-levanz ist, umfasst jede an die Anleger gerichtete Kommuni-kation, die darauf abzielt, auf bestimmte Finanzdienstleis-tungen oder Finanzinstrumente aufmerksam zu machen. Reine Werbeaktivitäten, die nicht auch ein Angebot sind, werden grundsätzlich aufsichtsrechtlich nicht erfasst. Den-noch kann Werbung unter gewissen Umständen produkt-spezifische Pflichten auslösen. So löst zum Beispiel bei aus-ländischen kollektiven Kapitalanlagen Werbung für nicht qualifizierte Anleger im Sinne des KAG die Genehmigungs-pflicht bei der FINMA aus (Art. 120 Abs. 1 KAG).

    Mit dem Wegfall des Vertriebsbegriffs wurde auch die im  aKAG geregelte Bewilligungspflicht für die Vertriebs-tätigkeit aufgehoben. Die entsprechenden Bestimmungen wurden im aKAG ersatzlos gestrichen und die bisherige Ver-triebsbewilligung ging in den neu im FIDLEG festgelegten Anforderungen an die Kenntnisse von Kundenberatern und die damit verbundene Registrierungspflicht gemäss Art. 28 FIDLEG auf.

    JEAN-CLAUDE SPILLMANN,

    DR. IUR., RECHTSANWALT,

    DIRECTOR, PWC

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    AUSWIRKUNGEN VON FIN IG UND F IDLEG AUF DAS KOLLEKTIVANLAGENRECHT PR Ü FU NG F I NANZ MAR KT

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    AUSWIRKUNGEN VON FIN IG UND F IDLEG AUF DAS KOLLEKTIVANLAGENRECHT

    4. PFLICHTEN FÜR EHEMALIGE KAG-INSTITUTE UNTER DEM FIDLEGMit dem FIDLEG wurde erstmals eine für sämtliche Finanz-dienstleister anwendbare Kundensegmentierung einge-führt. Diese sieht zwei Hauptkategorien von Kunden vor: Privatkunden und professionelle Kunden. Eine dritte Kate-gorie, die institutionellen Kunden, stellt eine Untergruppe der professionellen Kunden dar. Die Unterscheidung zwi-schen qualifizierten und nicht qualifizierten Anlegern ge-mäss Art. 10 aKAG wird beibehalten. Das KAG verweist in Art. 10 Abs. 3 neu aber auf die Segmentierung des FIDLEG: So gelten grundsätzlich als qualifizierte Anleger gemäss KAG die professionellen Kunden gemäss FIDLEG, und die nicht qualifizierten Anleger gemäss KAG entsprechen den Privatkunden gemäss FIDLEG. Eine Ausnahme besteht für Privatkunden mit Vermögensverwaltungs- oder Anlage-beratungsvertrag, die weiterhin als qualifizierte Anleger gelten (Art. 10 Abs. 3ter KAG).

    Das FIDLEG führte verschiedene Verhaltensregeln ein, welche die Pflichten der Finanzdienstleister gegenüber den Kunden betreffen. Es handelt sich hierbei um Informations-pflichten, die Pflicht zur Sicherstellung von Angemessen-heit und Eignung von Finanzdienstleistungen, Dokumenta-tions- und Rechenschaftspflichten sowie Transparenz- und Sorgfaltspflichten bei der Bearbeitung von Kundenaufträ-gen. Die bislang in Art. 20 ff. aKAG geregelten Verhaltensre-geln wurden teilweise ins FIDLEG überführt [10]. Einzelne Pflichten verbleiben jedoch unter dem neuen Gliederungs-titel «Wahrung der Anlegerinteressen» im KAG bestehen und finden daher Anwendung auf Personen, die kollektive Kapitalanlagen verwalten, aufbewahren und vertreten, so-wie deren Beauftragte.

    Eine zentrale regulatorische Neuerung im Bereich der Verhaltensregeln stellt die Einführung der bereits aus der europäischen Markets in Financial Instruments Directive (2014/65/EU, MiFID  II) in ähnlicher Form bekannten Eig-nungs- und Angemessenheitsprüfung dar, deren Umfang von der jeweiligen Schutzbedürftigkeit des Kunden bzw. des-sen Segmentierung abhängig ist. Die Pflicht zur Eignungs- und Angemessenheitsprüfung findet grundsätzlich auf Fi-nanzdienstleister Anwendung, die eine Anlageberatung oder eine Vermögensverwaltung gegenüber Privatkunden erbringen, nicht jedoch bei einer Tätigkeit zum Erwerb oder zur Veräusserung von Finanzinstrumenten.

    5. AUSWIRKUNGEN AUF DAS PRÜFWESENDie Prüfpflichten der Prüfgesellschaften ergeben sich mit In-krafttreten des FINIG neu sowohl aus dem KAG (für vertrag-liche Anlagefonds, SICAVs, SICAFs, KmGKs und Vertreter ausländischer kollektiver Kapitalanlagen) als auch aus dem FINIG (für Vermögensverwalter, Verwalter von Kollektivver-mögen und Fondsleitungen).

    Für die Vermögensverwalter nach Art. 17 ff. FINIG gelten auch in Bezug auf das Prüfwesen weniger strenge Regelun-gen als für die Verwalter von Kollektivvermögen und Fonds-leitungen. Gemäss Art. 62 FINIG müssen Vermögensverwal-ter eine Prüfgesellschaft nach Art. 43k Abs. 1 FINMAG [11] mit einer jährlichen (aufsichtsrechtlichen) Prüfung beauftra-

    gen, soweit diese Prüfung nicht von einer der Aufsichtsorga-nisationen selbst ausgeführt wird. Die Prüfgesellschaft muss ein zugelassenes Revisionsunternehmen im Sinne von Art. 6 RAG [12] sein. Die Anforderung an den leitenden Prü-fer sind in Art. 43k Abs. 2 FINMAG festgehalten (Zulassung, Fachwissen und Praxiserfahrung). Die Aufsichtsorganisa-tion kann die Prüfperiodizität auf maximal vier Jahre erhö-hen. Zudem muss die Jahresrechnung des Vermögensverwal-ters nicht zwingend einer ordentlichen Revision unterliegen, es gelten die üblichen obligationenrechtlichen Vorschriften aus Art. 727 ff. OR. Damit können Vermögensverwalter, die unter die Schwellenwerte von Art. 727a Abs. 2–5 OR fallen, von einem Opting-out Gebrauch machen.

    Für die Prüfung der Verwalter von Kollektivvermögen und Fondsleitungen (Art. 63 FINIG) ist weiterhin ein staat-lich beaufsichtigtes Revisionsunternehmen (Art. 7 RAG) mit einer jährlichen (aufsichtsrechtlichen) Prüfung nach Art. 24 FINMAG zu beauftragen. Auch muss die Jahresrech-nung nach den Grundsätzen der ordentlichen Revision des OR geprüft werden. Die FINMA kann für die aufsichtsrecht-liche Prüfung unter Berücksichtigung der Tätigkeit der Be-aufsichtigten und der damit verbundenen Risiken für die Prüfung eine mehrjährige Prüfperiodizität vorsehen. Die diesbezüglichen Vorgaben sind unverändert im FINMA-Rundschreiben 2013/3 zum Prüfwesen festgehalten. Ge-mäss Art. 88 FINIV haben die Prüfgesellschaften die Ein-haltung des FINIG, des GwG [13], des FIDLEG und des KAG zu prüfen.

    Die Prüfpflichten im Zusammenhang mit den Vertriebs-trägern kollektiver Kapitalanlagen, die unter dem KAG weggefallen sind, verändern sich während der Übergangs-frist des FIDLEG nicht. Abgeleitet von Rz. 25 der SFAMA-Richtlinie [14] zum Vertrieb kollektiver Kapitalanlagen ist basierend auf dem weiterhin bestehenden Vertriebsvertrag eine Vertriebsträgerprüfung erforderlich, bis der Vertriebs-träger beschlossen hat, FIDLEG umzusetzen, und die Ver-triebsverträge entsprechend angepasst hat.

    Voraussichtlich im Herbst 2020 soll die Verordnung der FINMA zum FINIG (FINIV-FINMA) sowie die angepasste KKV-FINMA publiziert werden. Darin wird die FINMA wei-tere Vorgaben zur Prüfung festlegen.

    6. HANDLUNGSBEDARF FÜR KAG-REGULIERTE INSTITUTE PER 1. JANUAR 2020Aufgrund der Übergangsfristen in Art. 105 und 106 FIDLEV ergibt sich im Bereich des Fondsgeschäfts kurzfristig nur se-lektiv Handlungsbedarf für die Praxis, sofern die Finanz-dienstleister FIDLEG unter Anwendung der zweijährigen Übergangsfrist noch nicht umsetzen. Grundsätzlich gelten bis zur Umsetzung der Verhaltens- und Organisationspflich-ten nach FIDLEG die entsprechenden Pflichten aus dem aKAG (Art. 20 ff. aKAG) weiter. Dies gilt insbesondere auch für den Vertriebsvertrag und den Vertreter für ausländische kollektive Kapitalanlagen für qualifizierte Anleger.

    Allerdings fallen bisherige Konzepte aus dem aKAG (Ver-triebsbegriff, Vertriebsträgerlizenz) per sofort dahin. Dazu gilt es aus Sicht der Autoren insbesondere Folgendes zu be-achten:

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    a) Aufgrund des sofortigen Wegfalls des Vertriebsbegriffs ist bei der rechtlichen Beurteilung der Fondsvertriebstätig-keit bzw. der Weitergeltung der KAG-Pflichten neu zu beur-teilen, ob eine Finanzdienstleistung, ein Angebot oder eine Werbung im Sinne des FIDLEG vorliegt. Die Übergangsbe-stimmung aus Art. 105 Abs. 4 FIDLEV hält allerdings fest, dass für bisherige Nichtvertriebstatbestände gemäss Art. 3 aKAG, die neu als Finanzdienstleistung oder Angebot qua-lifizieren, während der Übergangsfrist keine zusätzlichen Pflichten entstehen.b) Aufgrund der Übergangsbestimmung aus Art. 105 Abs. 5 FIDLEV fallen durch das Inkrafttreten des FIDLEG beste-hende Vertriebsverträge nach aKAG nicht dahin. Das heisst, dass auch die Pflichten aus der Richtlinie für den Vertrieb kollektiver Kapitalanlagen der SFAMA weiterhin gelten, so-lange FIDLEG nicht umgesetzt wird. Das gilt auch für die Prüfpflichten, wie unter Ziffer 5 ausgeführt.c) Für ausländische kollektive Kapitalanlagen, die nur an qualifizierte Anleger vertrieben werden, ist nach FIDLEG neu kein Vertreter mehr zu benennen. Hier greift die Über-gangsbestimmung aus Art. 105 Abs. 3 lit. e FIDLEV, wonach die bisherigen KAG-Pflichten aus Art. 120 Abs. 4 aKAG wei-ter gelten, solange die FIDLEG-Verhaltensregeln nicht um-gesetzt werden. Das heisst, es besteht weiterhin die Pflicht zur Bezeichnung eines Vertreters und einer Zahlstelle und zu Vorgaben in Bezug auf die Bezeichnung der kollektiven Kapitalanlagen.

    Auch bei der Kundensegmentierung kann sich Handlungs-bedarf ergeben, namentlich bei Beratungskunden. Das KAG verweist auf die Definition des professionellen Kunden

    gemäss FIDLEG, was die Definition des qualifizierten Anle-gers betrifft. Es gilt aus Sicht der Autoren Folgendes zu be-achten:a) Die Definition der professionellen Kunden nach FIDLEG ist umfassender als die bisherige Definition des qualifizier-ten Anlegers nach aKAG. So gelten im FIDLEG grosse Unter-nehmen oder für vermögende Privatkunden errichtete pri-vate Anlagestrukturen mit professioneller Tresorerie (z. B. Family Offices) als professionelle Kunden und somit auch während der Übergangsphase nach aKAG bereits als qualifi-zierte Anleger.b) Kunden mit auf Dauer angelegtem Vermögensverwal-tungs- oder Anlageberatungsvertrag sind keine professio-nellen Kunden nach FIDLEG. Jedoch wurde Art. 10 Abs. 3ter KAG insofern angepasst, als dass diese Kunden als quali-fizierte Anleger gelten, ausser sie haben schriftlich erklärt, nicht als solche gelten zu wollen. In Bezug auf die schriftli-che Erklärung gehen die Autoren davon aus, dass nicht die Finanzdienstleister die Erklärung einholen müssen, son-dern die Kunden diese aktiv beim Finanzdienstleister hin-terlegen müssen.c) Gewisse Pflichten aus dem FIDLEG, für welche keine Über-gangsfrist besteht, knüpfen direkt an die Kundensegmentie-rung an. Beispielsweise muss kein Prospekt veröffentlicht werden, wenn sich ein öffentliches Angebot nur an Anleger richtet, die als professionelle Kunden im Sinne des FIDLEG gelten.

    Insgesamt ist aus Sicht der Autoren zu den oben genannten Bereichen auch zu überprüfen, inwiefern interne Richtlinien, Weisungen oder weitere Dokumente angepasst werden müs-

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    PR Ü FU NG F I NANZ MAR KT

    EXPE RT FOCUS 2020 | 1–2

    AUSWIRKUNGEN VON FIN IG UND F IDLEG AUF DAS KOLLEKTIVANLAGENRECHT

    sätzlich zu begrüssende Deregulierung. Unmittelbare Aus-wirkungen auf im Bereich des Kollektivanlagenrechts tätige Institute ergeben sich aufgrund der grosszügigen Über-gangsbestimmungen zunächst nur, aber immerhin punktu-ell im Bereich des Vertriebs und der hierfür relevanten Kun-densegmentierung. Abzuwarten bleibt, welche Auswirkun-gen die im Herbst 2020 erwartete Verordnung der FINMA zum FINIG sowie die darauffolgende Anpassung der Selbst-regulierungen der SFAMA haben wird. n

    sen. Dies kann der Fall sein durch das Wegfallen des Ver-triebsbegriffs und des qualifizierten Anlegers nach aKAG.

    7. FAZITGenerell kann festgehalten werden, dass das FINIG und das FIDLEG eine strengere Regulierung von unabhängigen Ver-mögensverwaltern, Verwaltern von Vorsorgevermögen und namentlich auch De-minimis-Vermögensverwaltern kollek-tiver Kapitalanlagen mit sich bringt. Im Bereich des Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen ergibt sich jedoch eine grund-

    Anmerkungen: 1) Bundesgesetz über die Finanz-institute vom 15. Juni 2018. 2) Bundesgesetz über die Finanzdienstleistungen vom 15. Juni 2018. 3) Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanla-gen vom 23. Juni 2006 (Stand am 1. Juli 2016). 4) SICAV, SICAF, KmGK, Vermögensverwalter kol-lektiver Kapitalanlagen, Fondsleitung, Depotbank, Vertriebsträger und Vertreter. 5) SICAV, SICAF und KmGK, die zugleich auch KAG-Institute sind, sowie der vertragliche Anlagefonds. 6) Das FINIG definiert zwei Arten von «Verwaltern von Kollek-tivvermögen»: Verwalter von kollektiven Kapital-anlagen und Verwalter von Vorsorgevermögen. 7) Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanla-gen vom 23. Juni 2006 (Stand am 1. Januar 2020).

    8) Verwaltete Vermögenswerte von CHF 100 Mio. oder CHF 500 Mio. Letzterer Schwellenwert kommt nur dann zur Anwendung, wenn die verwalteten Vermögenswerte aus nicht hebelfinanzierten kol-lektiven Kapitalanlagen bestehen, für die für einen Zeitraum von fünf Jahren nach der Tätigung der Anlage in jede dieser kollektiven Kapitalanlagen keine Rücknahmerechte ausgeübt werden dürfen. 9) Im Gegensatz zur Regelung für die Verwalter von Kollektivvermögen i. S. v. Art. 24 Abs. 2 lit. a FINIG gilt der Schwellenwert von CHF 100 Mio. unabhängig davon, ob eine Hebelfinanzierung vor-liegt oder nicht. 10) Treue-, Sorgfalts- und Infor-mationspflichten nach Art. 20 Abs. 1 aKAG werden beibehalten, finden allerdings nur noch Anwen-

    dung auf Personen, die kollektive Kapitalanlagen verwalten, aufbewahren oder vertreten. Art. 24 aKAG wird aufgehoben. 11) Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht vom 22. Juni 2007 (Stand am 1. Januar 2020). 12) Bundesgesetz über die Zulassung und Beaufsichtigung der Revi-sorinnen und Revisoren (Revisionsaufsichtsgesetz) vom 16. Dezember 2005 (Stand am 1. Januar 2020). 13) Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geld-wäscherei und der Terrorismusfinanzierung (Geld-wäschereigesetz) vom 10. Oktober 1997 (Stand am 1. Januar 2020). 14) Richtlinie der Swiss Funds & Asset Management Association (SFAMA).