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505 V Bussysteme in der Automatisierungstechnik 15 SPS- und PC-Stationen an Bussysteme anschließen 15.1 Ursachen des Kommunikationsbedarfs In der Automatisierungstechnik vollzieht sich seit Jahren eine Entwicklung, die durch den verstärkten Einsatz von Kommunikationssystemen gekennzeichnet ist. In einem ersten Schritt wurde das Konzept der zentralen Steuerung durch eine Dezentralisierung der Steuerungsperi- pherie abgelöst. Dabei wurden und werden noch heute die Feldgeräte über eine serielle Bus- verbindung mit der Steuerung verbunden. Mit dieser Konzeption lassen sich Kosteneinsparun- gen bei der Verdrahtung und im Schaltschrankbereich erzielen. Im zweiten Schritt kam es zu einer Dezentralisierung der Steuerungsintelligenz. Mehrere intelligente Steuerungseinheiten bewältigen zusammen die gemeinsame Steuerungsaufgabe. Hierbei sind Kosteneinsparungen bei der Softwareentwicklung, Inbetriebnahme und Wartung entscheidend. Der dritte Schritt ist durch die Datendurchlässigkeit zwischen der Produktions- und Büro-Welt gekennzeichnet, um organisatorische und qualifikatorische Ressourcen besser nutzen zu können. Dabei zielen mo- derne Rationalisierungsstrategien auf verbesserte Materialflüsse, transparentere betriebliche Abläufe, schnellere Anpassung an veränderte Auftragssituationen, hohe Verfügbarkeit und Fernwartung der Anlage ab. Ganz neue Möglichkeiten ergeben sich für die Automatisierung durch die Nutzung von E-Mail- und Web-Server-Diensten. 15.2 Kommunikationsebenen und Bussysteme Nach derzeitigem Stand der Entwicklung ist ein hierarchisch gegliedertes Kommunikations- system mit Datendurchlässigkeit im Fertigungsbereich üblich. Das hat technische und wirt- schaftliche Gründe. Zu den technischen Gründen zählen die stark unterschiedlichen Anforde- rungen hinsichtlich der zu übertragenden Datenmenge und der Echtzeitfähigkeit des Datenaus- tausches. Bei den wirtschaftlichen Gründen sind es die extrem abweichenden Anlagengrößen und der Grad der gewünschten Vernetzung. Gleichwohl gibt es Bestrebungen, das in der Bü- rowelt etablierte Ethernet-TCP/IP-Bussystem auf den Produktionsbereich auszudehnen. Ein Beispiel dafür ist PROFINET, das allerdings das Feldbussystem PROFIBUS nicht verdrängen sondern integrieren will (siehe Kapitel 19). Der Begriff des Kommunikationssystems umfasst eine Steuerung (SPS- oder PC-Plattform), einen Kommunikationsprozessor (Netzwerkkarte) und die Kommunikations-Software zum Be- trieb der Baugruppe. Das Rückgrat der Kommunikation bilden gekoppelte Bussysteme (AS-i, PROFIBUS, PROFINET, Industrial Ethernet). Verwendet werden nur noch standardisierte, offene Bus- systeme. Standardisiert bedeutet international genormt in der IEC 61158 und Offenheit gewährt den Zugang zu Spezifikationen und Technologien, damit sich neue Anbieter mit eigenen Pro- dukten am System beteiligen können. Für die Nutzer ergibt sich so der Vorteil einer größeren Unabhängigkeit von Herstellern bei der Auswahl der zu vernetzenden Anlagenkomponenten.

Automatisieren mit SPS — Theorie und Praxis || SPS- und PC-Stationen an Bussysteme anschließen

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V Bussysteme in der Automatisierungstechnik

15 SPS- und PC-Stationen an Bussysteme anschließen

15.1 Ursachen des Kommunikationsbedarfs In der Automatisierungstechnik vollzieht sich seit Jahren eine Entwicklung, die durch den verstärkten Einsatz von Kommunikationssystemen gekennzeichnet ist. In einem ersten Schritt wurde das Konzept der zentralen Steuerung durch eine Dezentralisierung der Steuerungsperi-pherie abgelöst. Dabei wurden und werden noch heute die Feldgeräte über eine serielle Bus-verbindung mit der Steuerung verbunden. Mit dieser Konzeption lassen sich Kosteneinsparun-gen bei der Verdrahtung und im Schaltschrankbereich erzielen. Im zweiten Schritt kam es zu einer Dezentralisierung der Steuerungsintelligenz. Mehrere intelligente Steuerungseinheiten bewältigen zusammen die gemeinsame Steuerungsaufgabe. Hierbei sind Kosteneinsparungen bei der Softwareentwicklung, Inbetriebnahme und Wartung entscheidend. Der dritte Schritt ist durch die Datendurchlässigkeit zwischen der Produktions- und Büro-Welt gekennzeichnet, um organisatorische und qualifikatorische Ressourcen besser nutzen zu können. Dabei zielen mo-derne Rationalisierungsstrategien auf verbesserte Materialflüsse, transparentere betriebliche Abläufe, schnellere Anpassung an veränderte Auftragssituationen, hohe Verfügbarkeit und Fernwartung der Anlage ab. Ganz neue Möglichkeiten ergeben sich für die Automatisierung durch die Nutzung von E-Mail- und Web-Server-Diensten.

15.2 Kommunikationsebenen und Bussysteme Nach derzeitigem Stand der Entwicklung ist ein hierarchisch gegliedertes Kommunikations-system mit Datendurchlässigkeit im Fertigungsbereich üblich. Das hat technische und wirt-schaftliche Gründe. Zu den technischen Gründen zählen die stark unterschiedlichen Anforde-rungen hinsichtlich der zu übertragenden Datenmenge und der Echtzeitfähigkeit des Datenaus-tausches. Bei den wirtschaftlichen Gründen sind es die extrem abweichenden Anlagengrößen und der Grad der gewünschten Vernetzung. Gleichwohl gibt es Bestrebungen, das in der Bü-rowelt etablierte Ethernet-TCP/IP-Bussystem auf den Produktionsbereich auszudehnen. Ein Beispiel dafür ist PROFINET, das allerdings das Feldbussystem PROFIBUS nicht verdrängen sondern integrieren will (siehe Kapitel 19). Der Begriff des Kommunikationssystems umfasst eine Steuerung (SPS- oder PC-Plattform), einen Kommunikationsprozessor (Netzwerkkarte) und die Kommunikations-Software zum Be-trieb der Baugruppe. Das Rückgrat der Kommunikation bilden gekoppelte Bussysteme (AS-i, PROFIBUS, PROFINET, Industrial Ethernet). Verwendet werden nur noch standardisierte, offene Bus-systeme. Standardisiert bedeutet international genormt in der IEC 61158 und Offenheit gewährt den Zugang zu Spezifikationen und Technologien, damit sich neue Anbieter mit eigenen Pro-dukten am System beteiligen können. Für die Nutzer ergibt sich so der Vorteil einer größeren Unabhängigkeit von Herstellern bei der Auswahl der zu vernetzenden Anlagenkomponenten.

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506 15 SPS- und PC-Stationen an Bussysteme anschließen

Innerhalb eines hierarchisch gegliederten Kommunikationssystems kann man die Kommunika-tionsleistung spezifizieren. Man unterscheidet die Kommunikationsarten in Zuordnung zur Automatisierungshierarchie: Prozess- oder Feldkommunikation

Dient zum Anbinden von Aktoren und Sensoren an Automatisierungssysteme. Der Aus-tausch der Prozess-Signale zwischen den Aktoren/Sensoren und dem Prozessabbild in der Steuerung erfolgt meistens zyklisch durch Anwendung des Master-Slave-Verfahrens. Als Beispiele für Prozess- oder Feldkommunikation werden nachfolgend der AS-i-Bus und der PROFIBUS DP behandelt.

Datenkommunikation Dient dem Datenaustausch zwischen SPSen untereinander oder in Verbindung mit intelli-

genten Stationen wie PCs. Der Datenaustausch erfolgt meistens azyklisch durch Steuer-befehle aus dem Anwenderprogramm unter Anwendung des Client-Server-Verfahrens. Als Beispiel für Datenkommunikation wird PROFINET auf Industrial Ethernet vorgestellt.

IT-Kommunikation Unter Informationstechnologien (IT) werden die Erfassung und Aufbereitung, Übertragung

und Verteilung, Nutzung und Verarbeitung von Informationen verstanden. Der Einsatz von Informationstechnologien ist im Bürobereich bereits als Standard anzusehen. Für den Be-reich der Automatisierungstechnik sind zumindest die Technologien verfügbar gemacht worden. Der tatsächliche Einsatz befindet sich noch im Anfangsstadium und ist wegen der Sicherheitsprobleme im Internet nicht ungefährlich. In größeren Unternehmungen werden aber IT-Lösungen in deren firmeninternen Internets, den so genannten Intranets, bereits eingesetzt, um den verschiedenen am Geschäftsprozess beteiligten Bereichen wie Vertrieb, Auftragsbearbeitung, Kalkulation, Produktionsplanung, Produktion und Qualitätssicherung einen geregelten Zugang zu den Informationen zu erlauben. Im Bereich des Möglichen ist auch die Einbeziehung einer allgemeinen Unternehmens-Software für die übergeordneten Bereiche der Finanz-, Auftrags-, Produktions- und Materialverwaltung. Als Beispiel für IT-Kommunikation werden die Grundlagen des Ethernet-TCP/IP-Konzepts und die Anwen-dung der Client-Server-Kommunikation bei Web-Technologien und OPC vorgestellt.

Bild 15.1: Industrielle Kommunikation Einordnung gängiger Begriffe der Automatisierungshierarchie ERP = Enterprise Ressource Planning, MES = Manufacturing Execution Systems

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15.3 Bussystemanschluss für SPS-Stationen 507

15.3 Bussystemanschluss für SPS-Stationen Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf den Anschluss der S7-300 an die Bus-systeme PROFIBUS DP, PROFINET und Industrial Ethernet-TCP/IP.

15.3.1 Systemanschluss durch CPU mit integrierter Schnittstelle

15.3.1.1 Für PROFIBUS DP Die CPU 314C-2 DP ist eine Zentralbaugruppe für den Anschluss an PROFIBUS DP (konfi-gurierbar als DP-Master oder DP-Slave) mit 48 kByte Arbeitsspeicher und Datenquerverkehr (DX), Routing sowie zusätzlicher S7-Kommunikation über PROFIBUS. Als Besonderheit bietet dieser Systemanschluss noch 5 Analogeingänge, 2 Analogausgänge, 4 Kanäle für Zählen und Frequenzmessen bis 60 kHz und 1 Kanal für Positionieren mit Analog- oder Digitalaus-gang.

15.3.1.2 Für PROFINET Die CPU 315-2DP/PN ist eine neue Zentralbaugruppe für den Anschluss an PROFIBUS DP und PROFINET auf Industrial Ethernet.

Bild 15.2: SPS-CPU mit integrierten Schnittstellen

15.3.2 Systemanschluss mit Kommunikationsbaugruppe

15.3.2.1 Für PROFIBUS DP Eine Kommunikationsbaugruppe ist eine auf dem Rückwandbus der SPS zu montierende Bau-gruppe mit einem Anschluss für das betreffende Bussystem. Die Kommunikationsbaugruppe entlastet die SPS-CPU von Kommunikationsaufgaben. Eine Lösung mit separater Kommuni-kationsbaugruppe kommt dann in Frage, wenn ein Systemanschluss für PROFIBUS DP als Erweiterung einer reinen SPS-Steuerung hinzugefügt werden soll. Der CP 342-5 ist eine Kommunikationsbaugruppe für den Anschluss an PROFIBUS DP (als DP-Master oder DP-Slave). Seine Besonderheit ist eine SEND/RECEIVE-Schnittstelle für einen im Anwenderprogramm zu projektierenden Datenaustausch zwischen der CPU und dem CP über zur Verfügung stehende Funktionen FC 1 (DP-SEND) und FC 2 (DP-RECEIVE). Die CPU 314 ist eine zur Kommunikationsbaugruppe CP 342-5 passende Zentralbaugruppe, die über den Rückwandbus verbunden werden.

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508 15 SPS- und PC-Stationen an Bussysteme anschließen

Anmerkung: Die Konfiguration CPU 314 + CP 342-5 ließe sich funktionsgleich und preis-werter ersetzen durch eine CPU 314C-2DP. Die Konfiguration mit zwei getrennten Baugrup-pen hat unter didaktischen Gesichtspunkten aber einige Vorteile, weil hier die Unterscheidung zwischen der CPU für die Programmausführung und dem CP als DP-Master von PROFIBUS deutlicher ist. Erforderlich ist eine Zusatzprojektierung mit den Funktionen DP-SEND und DP-RECEIVE sowie eine Adressenermittlung aus einer Zeigeradresse und einem Adressoffset für die DP-Slave Konfiguration.

Bild 15.3: Systemanschluss für PROFIBUS DP über Kommunikationsbaugruppe Spannungsversorgung (PS), Zentralbaugruppe (CPU), Kommunikationsbaugruppe (CP)

15.3.2.2 Für PROFINET, Industrial Ethernet-TCP/IP Dieser Systemanschluss ist für die Ankopplung einer S7-SPS über Industrial Ethernet an eine PC-Station gedacht, auf der ein OPC-Server von SimaticNET läuft, der beliebigen Windows-Applikationen wie z. B. MS Excel eine Standard-Schnittstelle bietet. Ebenso möglich ist der Zugriff eines auf dem PC laufenden Web-Browsers über Industrial Ethernet auf den Web-Server der Kommunikationsbaugruppe.

Der CP 343-1 IT Advanced ist eine Kommunikationsbaugruppe für den Anschluss an Indus-trial Ethernet. Die Baugruppe stellt folgende Kommunikationsdienste zur Verfügung: PROFINET IO-Controller, Transportprotokolle TCP/IP, UDP, ISO unter direkter Durchleitung zur CPU, Web-Server und E-Mail, S7-Kommunikation zur S7-CPU (spezielles Siemens-Protokoll), SEND-RECEIVE-Schnittstelle zur Kopplung mit anderer S7-SPS, S7-Routing.

Bild 15.4: Systemanschluss für TCP/IP-Kommunikation und S7-Kommunikation auf Industrial Ethernet

Page 5: Automatisieren mit SPS — Theorie und Praxis || SPS- und PC-Stationen an Bussysteme anschließen

15.4 Bussystemanschluss für PC-Stationen 509

15.4 Bussystemanschluss für PC-Stationen

15.4.1 Standard-Netzwerkkarte PCs verfügen standardmäßig über eine Ethernet-TCP/IP-Netzwerkkarte für allgemeine IT-An-wendungen. Hierauf soll nicht näher eingegangen werden.

15.4.2 Für PROFIBUS DP Beispiele für PROFIBUS-Einsatz unter Steuerungs-Software STEP 7: 1. DP-Master, Klasse 2 zur Projektierung, Inbetriebnahme und Diagnose:

Der CP 5611 ist eine Kommunikationsbaugruppe mit MPI/PROFIBUS DP-Schnittstelle für den Einsatz des PC als Projektierungstool für STEP 7 Programme sowie für deren Inbe-triebnahme und Diagnose. Der CP 5611 hat keinen eigenen Mikroprozessor und kann da-her die CPU des Gastgeber-PC (Host) nicht entlasten.

2. DP-Master, Klasse 1 in einer als PC-Station mit WinLC RTX1) projektierten Soft-SPS Der CP 5613 ist eine Kommunikationsbaugruppe mit MPI/PROFIBUS DP-Schnittstelle für den Einsatz des PC als SOFT-SPS (PLC) zum Steuern von Anlagen. Der CP 5613 hat ei-nen eigenen Prozessor und führt die Prozessdaten-Kommunikation mit den PROFIBUS-Feldgeräte selbstständig aus und entlastet so die Host-CPU von Kommunikationsaufgaben.

Bild 15.5: Systemanschluss für PROFIBUS DP über Kommunikationsbaugruppe

Das nachfolgende Bild zeigt den charakteristischen zeitlichen Verlauf der Kommunikations-leistung für Kommunikationsbaugruppen mit einem eigenen Prozessor und ohne Prozessor.

Bild 15.6: Kommunikationsbaugruppen mit eigenem Prozessor bieten eine konstant hohe Kommunikationsleistung unabhängig von der Auslastung der PC-CPU.

1) RTX bedeutet Real Time eXchange (Echtzeit-Kommunikation).