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144 IDR 38 (2004) Nr. II Bau Rückbau von Schlitzwänden am neuen Hauptbahnhof - Lehrter Bahnhof in Berlin B. Vogt Mit erheblichem Zeitverzug nhert sich die Fertigstellung des neuen Hauptbahnhofs - Lehrter Bahnhof in Berlin. Im Zuge der fortschreitenden Arbeiten mussten im Frühjahr dieses Jahres ca. 5.500 m 2 Schlitzwnde aus stark armiertem Beton unter erheblichem Zeitdruck rückgebaut werden. 1 Computermodell des neuen Lehrter Bahnhofs B und, Land und Deutsche Bahn investieren etliche Milliarden Euro in eine neue Verkehrsinfra- struktur an der Spree. Ein Geflecht von Fernbahnhfen mit Regional- bahn-, S- und U-Bahn-, Straen- bahn und Busanschluss soll zu- künftig ganz Berlin überziehen. Der in diesem Zusammenhang neu entstehende Hauptbahnhof - Lehrter Bahnhof (Bild 1) im Herzen Berlins wird auf einer Flche von 430 x 430 Metern insgesamt fünf vertikale Verkehrsebenen bündeln. An nahezu alter Stelle wieder auf- gebaut, nimmt der Lehrter Bahnhof mit seinen vier unterirdischen Bahnsteigen die vier Nord-Süd- Tunnelrhren für Fern- und Regio- nalbahn auf. Zusammen mit den drei über Straenniveau in Ost- West-Richtung liegenden Bahnstei- gen der Fern-, Regional- und S- Bahn bilden sie das Kreuz der von Westen nach Osten und von Nor- den nach Süden verlaufenden Hauptverkehrsachsen und stellen direkte Umsteigemglichkeiten zum Berliner Nahverkehr her. Grundwasserspiegel erforderte Verbau mit Schlitzwänden Für die Erstellung der notwendi- gen Bauten war die Errichtung von Baugruben zwingend erforderlich. Da der Grundwasserspiegel, der in Berlin direkt unterhalb der Geln- deoberkante liegt, aus kologischen Gründen wie Nhe der Spree, des Tiergartens oder angrenzende Bebauung, nicht abgesenkt wurden durfte, mussten entsprechende grundwasserschonende Verfahren zur Errichtung der Baugruben gewhlt werden. Die gesamte Flche wurde in verschiedene Bau- gruben aufgeteilt; der Verbau wurde dabei mit rückverankerten Schlitzwnden realisiert. Anschlieend wurde von einem Ponton aus der Boden mit einem Saugbagger entfernt. Dieser saugte Wasser vom Boden der Baugruben ab, so dass mit der Strmung auch das Abraummaterial abgesaugt und in einer Separationsanlage vom Wasser getrennt werden konnte. Das Wasser wurde zurück in die Baugrube gepumpt, der Boden über den benachbarten Humboldthafen auf dem Wasserwege abtranspor- tiert. Durch diesen Vorgang ent- stand ein Grundwassersee. Bei Erreichen der Unterkante der Baugrubensohle trieb man von einem weiteren Ponton aus Auf- triebsanker in den Boden. Da im Bereich des Rampenbauwerkes das Eigengewicht allein nicht ausrei- chend war, um die Auftriebssicher- heit zu gewhrleisten, mussten die Anker für den Dauerzustand aus- gelegt werden. Nach Betonieren einer etwa 1,5 m dicken Betonplatte konnten die Baugruben gelenzt werden. In der nun trockenen Bau- grube konnte die Erstellung der eigentlichen Bauwerke beginnen. Insgesamt wurden etwa 33.000 m 2 Schlitzwnde mit ca. 54.000 t Schlitzwandbewehrung verbaut. Rückbau von ca. 5.500 m 2 Schlitzwand im Baulos 1.4, Baugrube B-Ost Im Zuge des Baufortschrittes mussten diese Schlitzwnde zum

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144 IDR 38 (2004) Nr. II

B a u

Rückbau von Schlitzwänden am neuen Hauptbahnhof -Lehrter Bahnhof in Berlin

B. Vogt

Mit erheblichem Zeitverzug nähert sich die Fertigstellungdes neuen Hauptbahnhofs - Lehrter Bahnhof in Berlin. ImZuge der fortschreitenden Arbeiten mussten im Frühjahrdieses Jahres ca. 5.500 m2 Schlitzwände aus stark armiertemBeton unter erheblichem Zeitdruck rückgebaut werden.

1 Computermodell des neuen Lehrter Bahnhofs

Bund, Land und Deutsche Bahninvestieren etliche Milliarden

Euro in eine neue Verkehrsinfra-struktur an der Spree. Ein Geflechtvon Fernbahnhöfen mit Regional-bahn-, S- und U-Bahn-, Straßen-bahn und Busanschluss soll zu-künftig ganz Berlin überziehen.

Der in diesem Zusammenhangneu entstehende Hauptbahnhof -Lehrter Bahnhof (Bild 1) im HerzenBerlins wird auf einer Fläche von430 x 430 Metern insgesamt fünfvertikale Verkehrsebenen bündeln.An nahezu alter Stelle wieder auf-gebaut, nimmt der Lehrter Bahnhofmit seinen vier unterirdischenBahnsteigen die vier Nord-Süd-Tunnelröhren für Fern- und Regio-nalbahn auf. Zusammen mit dendrei über Straßenniveau in Ost-

West-Richtung liegenden Bahnstei-gen der Fern-, Regional- und S-Bahn bilden sie das Kreuz der vonWesten nach Osten und von Nor-den nach Süden verlaufendenHauptverkehrsachsen und stellendirekte Umsteigemöglichkeitenzum Berliner Nahverkehr her.

Grundwasserspiegel erforderteVerbau mit Schlitzwänden

Für die Erstellung der notwendi-gen Bauten war die Errichtung vonBaugruben zwingend erforderlich.Da der Grundwasserspiegel, der inBerlin direkt unterhalb der Gelän-deoberkante liegt, aus ökologischenGründen wie Nähe der Spree, desTiergartens oder angrenzende

Bebauung, nicht abgesenkt wurdendurfte, mussten entsprechendegrundwasserschonende Verfahrenzur Errichtung der Baugrubengewählt werden. Die gesamteFläche wurde in verschiedene Bau-gruben aufgeteilt; der Verbauwurde dabei mit rückverankertenSchlitzwänden realisiert.

Anschließend wurde von einemPonton aus der Boden mit einemSaugbagger entfernt. Dieser saugteWasser vom Boden der Baugrubenab, so dass mit der Strömung auchdas Abraummaterial abgesaugt undin einer Separationsanlage vomWasser getrennt werden konnte.Das Wasser wurde zurück in dieBaugrube gepumpt, der Boden überden benachbarten Humboldthafenauf dem Wasserwege abtranspor-tiert. Durch diesen Vorgang ent-stand ein Grundwassersee.

Bei Erreichen der Unterkante derBaugrubensohle trieb man voneinem weiteren Ponton aus Auf-triebsanker in den Boden. Da imBereich des Rampenbauwerkes dasEigengewicht allein nicht ausrei-chend war, um die Auftriebssicher-heit zu gewährleisten, mussten dieAnker für den Dauerzustand aus-gelegt werden. Nach Betoniereneiner etwa 1,5 m dicken Betonplattekonnten die Baugruben gelenztwerden. In der nun trockenen Bau-grube konnte die Erstellung dereigentlichen Bauwerke beginnen.Insgesamt wurden etwa 33.000 m2

Schlitzwände mit ca. 54.000 t Schlitzwandbewehrung verbaut.

Rückbau von ca. 5.500 m2

Schlitzwand im Baulos 1.4,Baugrube B-Ost

Im Zuge des Baufortschrittesmussten diese Schlitzwände zum

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2 Blick auf die Schlitzwände der Süd- und der sogenannten Differenzwand

3 Seilsäge beim Tren-nen der Schlitzwände

Teil wieder rückgebaut werden. Soauch im Baulos B-Ost, wo insge-samt etwa 5.500 m2 Schlitzwänderückzubauen waren. Den endgülti-gen Auftrag für Abbruch und Ent-sorgung der Schlitzwände erhieltdie Firma Bavaria Betonbohr- undSägetechnik GmbH, München, Nie-derlassung Berlin.

Die Rückbauarbeiten umfasstendie Nordwand mit einer Länge von110 m und einer Höhe von 15,7 m,die Südwand mit einer Länge von 129 m und einer Höhe von 18 msowie eine sogenannte Differenz-

wand mit einer Länge von 80 mund einer Höhe von 10 m (Bild 2).Die Betonwände hatten Stärken von1,2 und 2,0 m und wiesen Beweh-rungseisen von 32 mm Durchmes-ser (Südwand) bzw. 28 mm Durch-messer (Nord- und Differenzwand)auf.

Nord-, Süd- und Differenzwandwurden nacheinander in Block-größen getrennt, die sich an derTragfähigkeit von 54 Tonnen deszur Verfügung stehenden 800 t-Autokrans bei seiner maximalenAusladung von 78 m richteten. So

ergaben sich Blockgrößen an derNordwand von 5,22 x 3,60 m (H xL), der Südwand 3,65 x 3,60 m undder Differenzwand 5,00 x 3,60 m.

Während das Auftrennen derBlöcke in horizontaler Richtungmithilfe der Seilsägetechnologieerfolgte, wurde in vertikaler Rich-tung hydraulisch gepresst. Vertika-le Seilsägeschnitte wurden nur anden Rändern der Wände und zurErstellung eines zum Heraushebender Betonteile erforderlichen Keilserstellt.

Präzise, gerade Horiziontal-schnitte waren erforderlich

Zunächst sägte man die Wand amFuß der Baugrube beginnend biszur Oberkante der Baugrube mitSeilsägeschnitten von je 20 m Längekomplett in horizontaler Richtungauf. Dabei wurde das Sägeseil überHolzbohlen geführt, um einen mög-lichst geraden Schnitt zu erzielen.Dies war erforderlich, da die ausge-hobenen Teile nicht direkt an derBaustelle zerkleinert und entsorgtwerden konnten, sondern aus Platz-gründen senkrecht stehend aufeinen für den Abtransport bereitste-henden Tieflader geladen wurdenund deshalb ein Umfallen derBlöcke verhindert werden sollte.

Für die Seilsägearbeiten kam u.a.eine Dimu-Seilsäge des Typs Edil850 mit einer Antriebsleistung von 37 kW zum Einsatz (Bild 3), die miteinem 6-fach Rollenbock alsUmlenksystem ausgestattet war.Die Ansteuerung des Hauptmotorserfolgte über einen Frequenzum-richter und ermöglichte so nebeneiner stufenlosen Drehzahlregelungschon im Anlauf ein hohes Drehmo-ment. Die mit einer automatischenVorschubregelung ausgestatteteMaschine hat einen um 360 ° rotier-baren Motorkopf, mit dem in Ver-bindung mit einer hydraulischenLateralverschiebung um 30 cm aufjeder Seite sowohl ein einfachesPositionieren der Maschine wieauch Schnitte mit 1,6 m Abstandohne Neueinrichtung möglich sind.

Die Trennschnitte erfolgten miteiner Sägeseilgeschwindigkeit von35 m/s. Bei dem eingesetzten Säge-seil handelte es sich um ein Stan-dardseil des Typs WC3 der Heger

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4 Ausheben der bis zu 63 Tonnen schweren Blöcke

European Diamond Tools, das in100 m-Längen geliefert und vor Ortauf die notwendige Länge verpresstwurde. Das vulkanisierte, mitFedern verstärkte und zum Trennenvon armiertem Beton mit mittelhar-ten Zuschlägen ausgelegte Sägeseilwar mit 40 Diamantperlen von 10,5 mm Durchmesser pro lfd.Meter Sägeseil bestückt. Die Dia-mantkorngröße betrug 40/50 US-

Mesh. Mit dieser Seilspezifikationkonnte bei den Arbeiten eineSchnittleistung von 3 m2/h und eineSeilstandzeit von etwa 1,7 m2/lfd.Meter Seil erzielt werden.

Das endgültige Trennen derBlöcke in vertikaler Richtungerfolgte anschließend durchhydraulische Presszylinder in Kern-bohrlöchern von 200 mm Durch-messer, die in den Bereich der

Schlitzwandfugen eingebracht wur-den. Danach wurden die Blöcke mitdem Kran aus der Wand herausge-hoben (Bild 4).

Fazit

Insgesamt wurde eine Schnitt-fläche von 2.000 m2 getrennt. Dabeihandelte es sich um 375 Schlitz-wandblöcke mit einem Einzelge-wicht von 54 bis 63 Tonnen. DieArbeiten erforderten nicht nur einhohes Maß an Planung und Koordi-nation mit den sonstigen Bauabläu-fen innerhalb der Baugrube, son-dern sie standen auch unter einemerheblichen Zeitdruck. Die Sägear-beiten begannen am 15. März 2004und werden voraussichtlich am 26. Mai 2004 abgeschlossen sein.Damit würden die Arbeiten termin-gerecht und zur vollsten Zufrieden-heit des Auftraggebers durchge-führt. Daran hat auch die Seilsägemit ihrer hohen Schnittleistungeinen entscheidenden Anteil.

Bildnachweis: Bild 1 DB ProjektGmbH, Berlin; Bilder 2 bis 4 Indus-trie Diamanten Rundschau.