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Frühling 2013 46 Ostern und seine Symbole Handstickermeisterin Heidi Baumgartner weiß um die Bedeutung von Zahlen und Farben. W ir können lesen und richten uns doch oft nach Symbolen. Ein einfaches Beispiel sind die Verkehrszei- chen, die uns ohne Worte sagen, was wir zu tun haben. Als noch sehr viele Menschen nicht lesen konnten, waren Symbole erst recht von großer Bedeu- tung. Das galt besonders für den kirch- lichen Jahresablauf, der bis heute ge- kennzeichnet ist von Farben und Sym- bolen. Aber auch das Brauchtum rund um die kirchlichen Feste, die im Allgäu noch fester Bestandteil des Lebens sind, hat seine Regeln und Symbole, die – teils lange vergessen – derzeit wieder mehr ins Bewusstsein rücken. Der Beruf hat viel mit Paramentik zu tun Eine, die sich sehr gut mit Symbolik auskennt, ist Handstickermeisterin Heidi Baumgartner aus Oberstdorf. »Der Beruf der Stickerin hat viel mit Paramentik, mit Heraldik und mit der Bedeutung von Farben zu tun,« erzählt sie. Paramente sind die im Kirchenraum und in der Liturgie verwendeten, meist künstlerisch aufwändig gestalteten Altardecken und Kleidungen. Heidi Baumgartner gibt deshalb nicht nur Stickkurse, sondern hält auch in Volks- hochschulen, in Heimatmuseen (z. B. im Heimathaus Sonthofen) oder beispiels- weise vor Frauenbundgruppen Vorträge über Symbolik und Farben. »Frauen inte- ressieren sich am meisten für Brauchtum und Kultur und ihre Bewahrung,« sagt sie dazu. Das Wissen um Farben und Symbole geht allmählich verloren, auch weil man Symbolik immer im kulturellen Zusam- menhang sehen muss. Es kommt auf das Handstickermeisterin Heidi Baumgartner weiß um die Bedeutung von Farben, Zahlen und Symbolik.

Baumgartner weiß um die Bedeutung von Farben, Zahlen … · »Heute kann man alles selbstverständlich tragen, das ist aber noch gar nicht so lange ... Sticken auf Vichy-Karo Neue

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Frühling 2013 46

Ostern und seine Symbole

Handstickermeisterin

Heidi Baumgartner

weiß um die Bedeutung

von Zahlen und Farben.

Wir können lesen und richten unsdoch oft nach Symbolen. Ein

einfaches Beispiel sind die Verkehrszei-chen, die uns ohne Worte sagen, was wir zu tun haben. Als noch sehr vieleMenschen nicht lesen konnten, warenSymbole erst recht von großer Bedeu-tung. Das galt besonders für den kirch-lichen Jahresablauf, der bis heute ge-kennzeichnet ist von Farben und Sym-bolen. Aber auch das Brauchtum rundum die kirchlichen Feste, die im Allgäunoch fester Bestandteil des Lebens sind,hat seine Regeln und Symbole, die – teils

lange vergessen – derzeit wieder mehr ins Bewusstsein rücken.

Der Beruf hat viel mit Paramentik zu tun

Eine, die sich sehr gut mit Symbolikauskennt, ist Handstickermeisterin HeidiBaumgartner aus Oberstdorf. »Der Berufder Stickerin hat viel mit Paramentik, mit Heraldik und mit der Bedeutung vonFarben zu tun,« erzählt sie. Paramentesind die im Kirchenraum und in derLiturgie verwendeten, meist künstlerisch

aufwändig gestalteten Altardecken undKleidungen. Heidi Baumgartner gibt deshalb nichtnur Stickkurse, sondern hält auch in Volks-hochschulen, in Heimatmuseen (z. B. imHeimathaus Sonthofen) oder beispiels-weise vor Frauenbundgruppen Vorträgeüber Symbolik und Farben. »Frauen inte-ressieren sich am meisten für Brauchtumund Kultur und ihre Bewahrung,« sagt siedazu. Das Wissen um Farben und Symbolegeht allmählich verloren, auch weil manSymbolik immer im kulturellen Zusam-menhang sehen muss. Es kommt auf das

Handstickermeisterin Heidi Baumgartner weiß um die Bedeutung

von Farben, Zahlen und Symbolik.

2013 Frühling

Land und die Zeit an, welche BedeutungZeichen, Farben und Symbole haben.»Heute kann man alles selbstverständlichtragen, das ist aber noch gar nicht so langeso,« weiß sie auch um die einstige Bedeu-tung von Farben in der Kleidung.

Blau machen

Rund um die Farben haben bis heuteSprichwörter und Weisheiten überlebt,deren Ursprünge heute kaum mehrjemand kennt. Sie nennt die Farbe Blauals Beispiel. Es war die billigste Textil-farbe und von der Blaufärberei rührt derSpruch vom »blau sein«, wenn einer zuviel Alkohol getrunken hat. Blau wurdeaus dafür angebautem Waid hergestellt,erläutert die Stickmeisterin. Dieser Waidmusste aufgespalten und gebeizt werdenund Bestandteil der Rezepturen war Urin.Weil andererseits Alkohol für die Halt-barmachung gebraucht wurde, tranken

die Blaufärber den Alkohol und bieseltendann diesen hochprozentigen Urin aufdie Pflanze. »Beim Gärprozess hat es bar-barisch gestunken und die Blaufärberhaben so lange auf der Wiese gelegen undden Rausch ausgeschlafen,« erzählt sieeine amüsante Hintergrundgeschichte.Daher kommt auch der Spruch, dass der, der nichts tut, »blau macht«. DieseSprüche gelten nur in Deutschland,woanders war diese Art des Blaufärbensgar nicht bekannt. Weil blau als Textil-farbe billig war, gibt es in der Kirchekeine blauen Textilien. Anders in derMalerei, da war Blau die teuerste Farbe,weil sie aus Lapislazuli hergestellt wurde,einem Edelstein, der teurer war als Gold.Schon um 1200 legte Papst InnozenzIII. liturgische Farben für Rom fest. Rothat in der katholischen Kirche einebesondere Farbe, es war eine teure Farbe,die aufwändig aus Purpurschnecken undLäusen hergestellt wurde. Weil sie so

Die Stickmeisteirn bestickt die Eier, Fähnlein und das Weihtuch für Ostern.

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teuer war, wurden natürlich nur beson-ders wertvolle Sachen daraus gemacht. Rot ist aber auch die liturgische FarbeOsterns. Deshalb begegnet man Rot auchim Brauchtum rund um dieses Fest.Gestickte Weihetücher haben in katholi-schen Gegenden eine lange Tradition underfreuen sich nach Jahren, in denen siefast in Vergessenheit gerieten, wieder grö-ßerer Beliebtheit.

Auch die Rückseite soll schön aussehen

Mit den Weihetüchern werden dieKörbe ausgelegt, in denen verschiedeneSachen, auch Eier, zur Osterweihe in dieKirche getragen werden. Um die Weihege-genstände zu schützen, schlägt man dasTuch darüber und deshalb soll natürlichauch die Rückseite schön aussehen. Übli-cherweise werden sie deshalb mit EbenseerKreuzstich bestickt, der auf der Rückseitegerade Stiche hat, was ein ordentlichesBild gibt. Eine noch schönere Stichart istder Wiener Kreuzstich. Da sind die Sticheauf Vorder- und Rückseite genau gleich.Aber das ist sehr schwierig und erfordertnoch mehr Kunstfertigkeit.Das wichtigste Symbol auf einem Weihe-tuch ist sicher das Osterlamm. Auf dem

Oster-Weihetuch wird das Lamm mitKreuz und Siegesfahne für Opfertod undAuferstehung dargestellt. Um das Lammherum gruppieren sich Ornamente, wieQuadrat und Augenmotiv die für die All-wissenheit Gottes stehen. Nicht fehlen darfauch das Jesus-Monogramm IHS. Es gehtmit Kreuz (darüber) und Herz (darunter)einher. Tulpen und Glockenblumenwerden als Zeichen für die Verkündigungder frohen Osterbotschaft von der Aufer-stehung und Nelken als Symbol für Glückund Königtum eingestickt. A und O, Alphaund Omega, die Anfangs- und Endbuch-staben des griechischen Alphabets gehörenunbedingt dazu. Ein Wellenband am Randist auch nicht bloße Dekoration, sondernsymbolisiert das ewige Leben. Bei denZahlen dominieren die Acht und die Zwölf.Acht steht für Auferstehung, Taufbeckensind deshalb oft achteckig. Die Zwölf stehtfür die zwölf Stämme Israels, die zwölf ToreJerusalems und natürlich die zwölf Apostel.»Sticken erfordert hohe Konzen-tration und kann damit eine Form von Meditation sein«, sagt Heidi Baum-gartner. Ein Weihetuch zu sticken ist also durchaus auch als andächtige Handlung zu verstehen.

Text & Fotos: Barbara Rau f

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Links ein Weihetuch in Ebenseer Kreuzstichmit geraden Stichen auf der Rückseite, rechtsein Weihetuch im schwierigen Wiener Kreuz-stich, bei dem die Rückseite das selbe Bild inKreuzstich zeigt.