28
Bund Deutscher Finanzrichterinnen und Finanzrichter BDFR FORUM Februar 2010 Inhalt: Impressum S. 02 In eigener Sache S. 03 Beiträge und Veranstaltungsberichte S. 04 Besoldung und Versorgung S. 25 Zum Schluss.... S. 26 Terminvorschau S. 27

BDFR FORUM Februar 2010 der Legislative und der Exe-kutive frei zu halten ist. Es handelt sich mithin um eine Ethik, die sich frei – autonom – von den anderen Staatsge-walten ausprägt

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Bun

d D

euts

cher

Fin

anzr

icht

erin

nen

und

Fin

anzr

icht

er

BDFR FORUMFebruar 2010

Inhalt:Impressum S. 02In eigener Sache S. 03Beiträge und Veranstaltungsberichte S. 04Besoldung und Versorgung S. 25Zum Schluss.... S. 26Terminvorschau S. 27

2

Herausgeber:Bund Deutscher Finanzrichterinnen und Finanzrichter - BDFRWarendorfer Straße 70, 48145 MünsterVorsitzender: Reinold Borgdorf

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder.Die Redaktion behält sich die Kürzung von Beiträgen vor.

Internet und E-mail:Homepage des BDFR: http://www.bdfr.deE-mail: [email protected]

Verantwortlicher RedakteurAnke Vasel

LayoutMarion Lürbke

Manuskripte und Zuschriften an:Bund Deutscher Finanzrichterinnen und Finanzrichterc/o Finanzgericht MünsterWarendorfer Straße 7048145 MünsterTel: 0251 3784 0Fax: 0251 3784 100E-mail: [email protected]

3

In eigener Sache

Der neue Vorstand desBDFR begrüßt Sie mit demersten Forum für das Jahr2010. Wir bedanken unsbei dem nicht mehr zur Wahlangetretenen, bisherigenlangjährigen Vorsitzenden,Herrn Wolfgang Seibel, unddessen Stellvertreterin, FrauBärbel Kempe, die beideden Verband lange Jahrebegleitet und ihn durch inten-sive und unermüdliche Ar-beit sowohl im Bereich derJustiz als auch der Politikweiter etabliert haben.

Diese Position gilt es zubewahren und auszubauen.

Eine zurzeit zu bearbeiten-de Frage in diesem Bereichist das vom DRB vorgeleg-te Modell zur Selbstverwal-tung der Gerichtsbarkeiten.Hier gilt es, eine angemes-sene Repräsentanz derFachgerichtsbarkeiten unddamit auch der Finanzge-

richtsbarkeit sicherzustellen,um auch in Zukunft einenhochwertigen Rechtsschutzbieten zu können. Hier wer-den momentan intensiveGespräche mit dem DRBgeführt, deren Verlauf esabzuwarten gilt.

Wir sind zuversichtlich, dasssich die wertvolle Arbeit dieder DRB – insbesondere inBesoldungsfragen und imBereich der richterlichenEthik - für alle Zweige derdeutschen Gerichtsbarkeitleistet, auch in diesem Punktals ausgewogen und sinnvolldarstellen wird.

Ebenso gilt es zu hoffen unddaran zu arbeiten, dass dieErgebnisse der Wirtschafts-krise und die damit verbun-denen finanziellen Belastun-gen der öffentlichen Haus-halte nicht – mal wieder – alsTotschlagargument gegendie Interessen und Bedürf-

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

nisse der Mitarbeiter desöffentlichen Dienstes,insbesondere der Gerichts-barkeit, herhalten müssen.

Ungeachtet dieser zwie-spältigen Zukunftsaussich-ten, die ein gemeinsamesund geschlossenes Auftre-ten der Finanzgerichtsbar-keit - und der anderen Fach-gerichtsbarkeiten – mehrdenn je erfordern, wünschtder Vorstand des BDFR Ih-nen allen ein glückliches underfolgreiches Jahr 2010, indem Ihnen und Ihren Liebenbeste Gesundheit und einhohes Maß an innerer Zu-friedenheit zuteil werdenmögen.

Reinold Borgdorf Ludger Hermes Ingo Lutter Anke Vasel

4

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Was ist überhaupt„Richterliche Ethik“?

Da der Begriff einer oder garder „Richterlichen Ethik“schlechthin in vielfältigem Zu-sammenhang fällt und inhalt-lich durchaus schillernd ist,soll zunächst eine Annähe-rung an die Begrifflichkeit er-folgen. Ethik als Disziplin derPhilosophie in Abgrenzung zueiner theologischen Ethikbeschäftigt sich damit, Krite-rien für gutes und schlechtesHandeln sowie für eine Be-wertung der Motive und Fol-gen eines bestimmten Han-delns aufzustellen. Sie zieltalso darauf, allgemeingültigeNormen und Werte zu erar-beiten. In ihrer praktischenAusprägung soll sie demMenschen Hilfestellungen beiseinen sittlichen Entschei-dungen geben. RichterlicheEthik ist eine Sonderethik,die sich an den Richter, ins-besondere an den Spruch-richter als Berufsrichter, wen-det. Sie formuliert Maximenfür das Handeln und Verhal-ten – so zumindest in der The-orie – vorrangig bei Ausü-bung richterlicher Tätigkeit,aber auch außerhalb desKernbereichs richterlicherTätigkeit. Nur am Rande er-streckt sich richterliche Ethikauf das außerdienstliche Auf-treten eines Richters.

RICHTERLICHE ETHIK – BESTANDSAUFNAHME UND AUSBLICK

Welcher Anwendungs-bereich ist der „Richterli-chen Ethik“ eröffnet?

Aufgrund ihrer Berufsbezo-genheit zielt Richterliche(Sonder-)Ethik primär auf diebeeinflussbaren, willkürlichenElemente bei der Rechtspre-chung. Sie wird begrenztdurch Recht und Gesetz, Art.20 Abs. 3 GG. So hat Rich-terliche Ethik nicht die Fragezu beantworten, ob es gutoder schlecht ist, wenn eineKlage, die nach Fristablaufbei Gericht eingeht, grund-sätzlich als unzulässig zu ver-werfen ist. Die Antwort hat derGesetzgeber in der Prozess-ordnung gegeben. Ebensowenig ist durch RichterlicheEthik zu klären, ob es gutoder schlecht ist, wenn etwaBergmannsprämien steuer-frei sind. Die Antwort hält § 3Nr. 46 EStG bereit. Also bleibtim Bereich der Rechtspre-chung als dem Kern richterli-cher Tätigkeit die Auslegungder Normen und deren Ver-einbarkeit mit höherrangigemRecht der Richterlichen Ethikzugänglich? Dem Grundenach ja, aber selbst hier gibtes Einschränkungen. DennRechtsprechung im Sinnevon Urteilsfindung obliegtdem Gericht, das heißt demin jedem Einzelfall nach derGeschäftsverteilung planmä-ßig zuständigen Spruchkör-per oder Einzelrichter. Ein-

flussnahmen von außen, obsie nun als Handreichung ei-nes „Leitfadens RichterlicherEthik“, als Grundsatz einer„Ethikcharta“ oder Empfeh-lung eines „Ombudsmannesfür Richterliche Ethik“ daher-kommen, sind höchst proble-matisch und unerwünscht. EinBeispiel: Jedes Gerichthätte sich zu Recht bis zurEntscheidung des Bundes-verfassungsgerichts am9. Dezember 2008 unter Be-rufung auf seine Unabhängig-keit selbst einen gutgemein-ten unverbindlichen Hinweisals Einmischung verbeten, obes von Verfassungs wegen„gut“ oder „schlecht“ ist, wennAufwendungen eines Arbeit-nehmers für die Wege zur re-gelmäßigen Arbeitsstättezwar keine Werbungskosten,für Fahrten ab dem 21. Kilo-meter aber wie Werbungs-kosten anzusetzen sind.

Außerhalb der rechtsprechen-den Tätigkeit, mithin im Be-reich der äußeren Ordnungund im außerdienstlichen Ver-halten untersteht das Han-deln und Verhalten des Rich-ters der Dienstaufsicht, § 26Abs. 1 DRiG. Hier hat derRichter zahlreiche Normenund Regeln des Dienstrechtszu beachten. Beispielhaft seidas Mäßigungsgebot, § 39DRiG, genannt. VielfältigeDienst- und Verhaltenspflich-ten ergeben sich auch aus

5

Beiträge und Veranstaltungsberichte

entsprechend anwendbarenVorschriften des Beamten-rechts. Bei Verstößen wirddie Dienstaufsicht – im Inter-esse der staatlichen Rechts-schutzgarantie – vorhaltendoder mahnend, in schwerenFällen disziplinarisch tätig.Für Richterliche Ethik ist hierkein Raum, ebenso wie sichVerstöße gegen eine Richter-liche Ethik der Dienstaufsichtentziehen.

Der an dieser Stelle nur skiz-zierte Aufriss zeigt, dass sichRichterliche Ethik in diesemeng gesteckten Rahmenerstens mit dem Gebrauchder Gerechtigkeit undzweitens mit dem Gebrauchder richterlichen Unabhängig-keit befasst. Aus Ersteremergibt sich, dass RichterlicheEthik rechtsfrei ist.

Wer sollte sich mit „Rich-terlicher Ethik“ befassen?

Aus letzterem Umstand, derBefassung mit dem Ge-brauch der Unabhängigkeit,ergibt sich, dass RichterlicheEthik von aller Einflussnahmeder Legislative und der Exe-kutive frei zu halten ist. Eshandelt sich mithin um eineEthik, die sich frei – autonom– von den anderen Staatsge-walten ausprägt. RichterlicheEthik umfasst ein Bündel vonThemen und Fragestellun-gen, die zuvörderst der rich-terlichen Eigenorganisationund Selbstverwaltung zuzu-ordnen sind. Nur in geringem

Maße können auch Belangeder Justizverwaltung ange-sprochen sein. Hier kann einerichterliche Ethik (nur) denRaum bis hin zu den durchdas Dienstrecht aufgestelltenNormen füllen. Die Richter tundaher gut daran, sich selbst,eigeninitiativ wie eigenver-antwortlich mit RichterlicherEthik zu befassen. Der Mög-lichkeiten gibt es zahlreiche:Sie können auf Verbands-ebene oder Landesebeneder Richtervertretungen etwaein Gremium („Ethikrat“) ein-richten, der sich mit FragenRichterlicher Ethik beschäf-tigt, sie können einen Work-shop für interessierte Kolle-gen („Ethikrunde“) veranstal-ten oder sie können eine an-erkannte Richterpersönlich-keit mit der Funktion eines„Ombudsmannes für Richter-liche Ethik“ betrauen. Über-greifend und koordinierendkann ein „Netzwerk Richterli-che Ethik“, von dem ThomasKeilig berichtet (BDFR FO-RUM, I/2008 S. 10, III/2008 S.11), tätig werden.

Was kann die Befassungmit „Richterlicher Ethik“bewirken?

Damit ist eine heikle Frageangesprochen. Zunächst istes Ausdruck von Modernität,sich mit dem großen ThemaEthik zu befassen. Wer woll-te schon in Zeiten, in denenein „Deutscher Ethikrat“ insti-tutionalisiert oder eine „Bio-ethik-Kommission der Bayer-

ischen Staatsregierung“ tätigwurde, außen vor bleiben?Und dann: Stärkt es nicht dasrichterliche Selbstbewusst-sein, wenn der Richter sichauf eine moralisch unangreif-bare, weil „gute“ Ethik-Char-ta stützen kann? Schließlich:Es besteht gewiss kaum einZweifel, dass der Bürger(wieder) größeres Vertrauenin die Rechtsprechung setzt,wenn er „seinen“ Fall in denHänden einer ausdrücklichethikverpflichteten, alsogleichsam mit einem Güte-siegel versehenen Richter-schaft weiß.

Aber spätestens dann, wennein „Verhaltenskodex“ ge-schrieben, ein „Leitbild“ for-muliert ist, wenn Diskussi-onsforen oder Symposienabgehalten sind, wenn bereit-willige Richter sensibilisiertund – bestenfalls – das rich-terliche Berufsethos gestärktdaraus hervorgegangen ist,wird es keine nennenswerteAufgaben für Ethikkommissi-onen und -zirkel mehr geben.Jede Ethik, auch RichterlicheEthik, beruht auf grundlegen-den Wert- und Moralvorstel-lungen, die keinem schnellenWandel unterliegen. Selbstwenn sich die Rahmenbedin-gungen des Richterdaseins –etwa infolge sinkender Haus-haltsmittel oder des verstärk-ten Einsatzes elektronischerMedien – rasch ändern, blei-ben Handlungs- und Verhal-tensmaximen unverändert.Ein Weiteres: Dass der

6

Beiträge und Veranstaltungsberichte

außerhalb von Fachkreisennicht sonderlich bekannte„Deutsche Corporate Go-vernance Kodex“, denimmerhin eine hochrangigeRegierungskommission er-arbeitet hat und der seit2002 ethische Verhaltens-weisen von Mitarbeitern undFührungen von Unterneh-men vorgibt, dazu beitragenkann, den angesichts derBanken- und Wirtschaftskri-se eingetretenen Vertrau-ensverlust bei Sparern undAktionären wett zu machen,darf getrost in Frage gestelltwerden. Ein „Deutscher Ju-dicial Ethics Kodex“ müss-te jedenfalls um vieles zug-kräftiger sein, um die Hoff-nung nach mehr Vertrauen indie Justiz Wirklichkeit wer-den zu lassen.

Fruchtbringend kann die ver-tiefte Befassung mit Richter-licher Ethik sein, wenn siezielorientiert im Sinne derSache erfolgt. Gerade dieinhaltliche Komplexität undformale Unschärfe „Richter-licher Ethik“ birgt allerdingsdie Gefahr, dass hier einunerwünschtes Einfallstor fürpolitische und ideologischeEinflüsse geschaffen wirdoder die Diskussion aufNebengleise gerät und sichin unsinnigen Details ver-liert. Eine Befassung mitFragestellungen, ob esnoch „gut“ oder schon„schlecht“ ist, wenn ein Rich-ter etwa extreme Parteienwählt oder überhaupt von

seinem Wahlrecht Ge-brauch macht, wenn einRichter mit einem Pkw derLuxusklasse zum Arbeits-platz fährt, wenn ein Richtereiner Kirche, einer Partei,einem Verein angehört odergar sich dort engagiert, wennein Richter die Einladungeines Anwaltes zu einemKaminabend annimmt usw.1,würde nicht zielführend sein,teilweise zu größerer Verun-sicherung führen oder garauf Ablehnung stoßen. Nichtauszuschließen ist auch einanderes Extrem: dass sichdie Diskussion in Allgemein-plätzen erschöpft.2 Vielmehrliegt dies angesichts der (er-wünschten) Pluralität in derJustiz, die eine geschlosse-ne Ethikkonzeption nicht zu-lässt, nahe. Die bloße Um-schreibung von Selbstver-ständlichkeiten aber istebenso praxisfern wie eineWiederholung des rechtli-chen Rahmens.3 Sie wirdsowohl den Richterkollegenals auch den Rechtsuchen-den allenfalls ein müdes Lä-cheln entlocken.

Skepsis bleibt also ange-zeigt. Selbst bei Umschif-fung der größten Klippen istnicht gewiss, dass die Be-fassung mit RichterlicherEthik in der Richterschafteine überwiegende Akzep-tanz erfährt, einen wirklichbreiten Diskussionsprozessauslöst oder gar über denrichterlichen Tellerrand hin-aus positive Beachtung fin-

det. Ein Scheitern des Pro-jekts würde aber den ge-samten Berufsstand schwä-chen. Richtern, die sichaußerstande sehen, ein ver-nünftiges, praxistauglichesSelbstverständnis zu formu-lieren, mag man die recht-sprechende Gewalt zwarnoch „anvertrauen“ (Art. 92GG), aber vielleicht nur mitgewissen Bauchschmerzen.Und gerade deswegen istdem Projekt „RichterlicheEthik“ viel Erfolg zu wün-schen.

Markus C. WernerMitglied im Landesver-band Sachsen des BDFR

( F o o t n o t e s )1 Die Beispiele scheinen absurd, sind aberdurchaus nicht aus der Luft gegriffen: die bei-den letztgenannten Fragestellungen sind den„Gedanken zu einer Ethik richterlichen Verhal-tens“ der Schleswiger Ethikrunde (dort S. 11und S. 19) entnommen.

2 So wurde auf Initiative der Vereinigung derösterreichischen Richterinnen und Richternach vierjähriger Diskussion 2007 die „WelserErklärung“ in zehn Artikeln verabschiedet, de-ren Abstraktionsgrad so hoch ist, dass siekaum mehr Praxisbezug hat. Dort heißt esetwa zu „Selbstverantwortung und Organisati-on“ (Art. III): „Wir sind uns bewusst, dass dieEntwicklung einer Richterpersönlichkeit nie ab-geschlossen ist, sondern die stete Weiterbil-dung auf allen Gebieten der fachlichen undpersönlichen Grundlagen unseres Berufes not-wendig ist. Wir hören auch in uns selbst hin-ein, um unseren Standpunkt kritisch zu hinter-fragen. Unsere Zusammenarbeit mit den Mit-arbeiterinnen und Mitarbeitern ist von Wert-schätzung, Offenheit und ernsthaftem Inter-esse für deren Anliegen getragen. Wir organi-sieren unsere Arbeit und, soweit wir dazu beru-fen sind, die unserer Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter initiativ und zielgerichtet.“ Dies könn-ten auch Ärzte, Manager, Landwirte und vieleandere Berufsgruppen unterschreiben.

3 Wenn ein Kernsatz richterlicher Ethik lautet:„Als Garanten des Rechtsstaates orientierenwir unser Verhalten und unsere Entscheidun-gen an den Grundrechten“ (Art. I der WelserErklärung), ist dies – aus deutscher Sicht –nur eine Zusammenfassung von Art. 20 Abs.3 GG.

7

Mit dem Umzug der Politikvon Bonn nach Berlin ist inder Steuerlandschaft eineLücke entstanden. Mit demWegzug aus dem Rheinlandvollzogen sich in den meis-ten Häusern neben struktu-rellen auch personelle Ver-änderungen. In den Zeitendes Wechsels, Umzugs,Pendelns und Neuorientie-rung fehlte es zunächst aneiner Plattform, die denübergreifenden Austauschüber steuerrechtliche undsteuerpolitische Themenunmittelbar vor Ort der poli-tischen Entscheidungen er-möglicht; etablierte Foren,Organisationen und Vereinehatten bzw. haben bis datoIhre Aktivitäten nicht unmit-telbar an den neuen Regie-rungssitz verlegt.

Ziel der Berliner Steuerge-spräche war es, diese Lü-cke zu schließen und politi-schen Funktions- und Ent-scheidungsträgern, Steuer-juristen, Angehörigen dersteuerberatenden Berufesowie Vertretern der Recht-sprechung, Finanzverwal-tung, Unternehmen, Verbän-den und Wissenschaft einoffenes Forum anzubieten.

Durch gemeinsame Diskus-sionsrunden sollen aktuellesteuerrechtliche und steuer-politische Problemfelderund Herausforderungen er-örtert und mögliche Lö-sungsansätze diskutiert wer-den. Bereits mit dem erstenBerliner Steuergespräch imFrühjahr 2002 wurde dieVeranstaltung von den Refe-renten intensiv unterstützt.Aktuelle Steuerthemen folg-ten in den vierteljährlich statt-findenden Gesprächsaben-den. Der thematische Bo-gen spannte sich von Fra-gen zur Unternehmensbe-steuerung bis hin zur Be-steuerung Privater und deröffentlichen Hand. Die Ta-gungsberichte, die in denersten Jahren nur über denVerteiler der Berliner Steu-ergespräche veröffentlichtwurden, werden mittlerweileseit einigen Jahren in Fach-zeitschriften wiedergege-ben; besondere Bedeutungkommt hierbei dem sog.Themenheft der Finanzrund-schau zu, das neben demTagungsbericht auch dieVorträge der Referentensowie weitere Diskussions-beiträge enthält.

Darüber hinaus ist es Zielder Berliner Steuergesprä-che, allen steuerrechtlichund steuerpolitisch Interes-sierten eine Plattform zubieten und den unmittelba-ren „ressortübergreifenden“Dialog zu ermöglichen. Dievertiefenden Diskussionenaller Teilnehmer im An-schluss an die Podiumsdis-kussion im Haus der Deut-schen Wirtschaft sind zumMarkenzeichen der BerlinerSteuergespräche gewor-den.

Getragen wird der Vereinvon den Mitgliedern und För-derern sowie den ehrenamt-lichen Vorständen, Ge-schäftsführern und Beiräten.Oberste Priorität hat hierbeidie Unabhängigkeit desVereins. Um diese Maßga-be zu unterstreichen wurdendie Berliner Steuergesprä-che, die anfangs aus-schließlich vom BDI undPöllath + Partners getragenwurden, auf Initiative derbeiden Häuser in einen Ver-ein überführt. Die Satzungdes Berliner Steuergesprä-che e.V. wurde am 2. De-zember 2002 im Haus derDeutschen Wirtschaft durch

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Seit dem Jahr 2008 ist der BDFR im Beirat des Berliner Steuergspräche e. V. vertreten. Herr RechtsanwaltBerthold Welling vom Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., mit Herrn Rechtsanwalt Dr. AndreasRichter von der Kanzlei P+P Pöllath + Partners Geschäftsführer des Vereins, war so freundlich, diesen hiermit dem nachfolgenden Beitrag vorzustellen:

BERLINER STEUERGESPRÄCHE E. V. – EINE STEUERRECHTLICHEUND STEUERPOLITISCHE PLATTFORM IN BERLIN

8

Beiträge und Veranstaltungsberichte

NETZWERK „RICHTERLICHE ETHIK“

45 Gründungsmitglieder un-terzeichnet. In den Vorstandwurden gewählt Prof. Dr.Dieter Birk, Michael Wendtsowie Prof. Dr. Herbert Bült-mann, an dessen Stelle Prof.Dr. Claus Lambrecht in dermittlerweile zweiten Amts-periode des Vorstandesgetreten ist.

Besondere Bedeutungkommt dem aktiven Beiratzu, der in seinen zwei Sit-zungen im Jahr unter derLeitung von Prof. Dr. h. c.Rudolf Mellinghoff und GertMüller-Gatermann die the-matischen Weichenstellun-gen vornimmt. Hierbei wirddie Diskussion getragen vonder breit gefächerten fachli-chen Ausrichtung der über30 Mitglieder. Legislative (fi-nanzpolitische Sprecher vonvier Bundestagsfraktionen),Exekutive (BMF und Lan-desfinanzministerien), Judi-kative (BFH und Finanzge-richte), Vertreter der Wis-senschaft, Verbände, Steu-erberatung und Unterneh-men sollen eine interessan-te und ausgewogene The-menauswahl garantieren.Die hohe Resonanz der ein-zelnen Steuergesprächesowie die stetig steigendenMitgliederzahlen sind Bele-ge für richtige Themenaus-wahl und die gute Zusam-menarbeit zwischen Vor-stand, Beirat und Geschäfts-führung.

Der Berliner Steuergesprä-che e.V. wird das Konzeptder Steuergespräche auchim Jahr 2010 fortführen. ImVordergrund stehen hierbeiaktuelle steuerpolitischeThemen, die für die Zukunftdes Steuerrechts inDeutschland wesentliche

Bedeutung haben. Interes-senten sind eingeladen sicham Dialog zu beteiligen. In-formationen rund um undüber den Berliner Steuerge-spräche e. V. sind im webunterwww.steuergespraeche.deeingestellt.

Am 29. und 30. Januar 2010fand im Besprechungssaaldes Deutschen Richterbun-des (DRB) , Kronenstraße73 in Berlin das 3. Treffendes Netzwerks „RichterlicheEthik“ statt. Die vom DRBins Leben gerufene 28-köp-fige Arbeitsgruppe wird ge-leitet von den DRB-Präsidi-umsmitgliedern ElisabethKreth (Richterin am FGHamburg), Andrea Titz (Ob-erstaatsanwältin München)und von Lysann Mardorf(Richterin am LG Itzehoe).Vertreten sind Mitglieder derordentlichen Gerichtsbar-keit, der Staatanwaltschaft,der Sozialgerichtsbarkeit,der Arbeitsgerichtsbarkeitund der Finanzgerichtsbar-keit.

In ihrer Einführung wies FrauKreth die Teilnehmer auf ihreMultiplikatorenfunktion hin.

Sie ging kurz auf die Main-zer Ethikrunde (s. ElisabethFaber-Kleinknecht in DRiZ2009, 349) ein und bat dannum einen Austausch überden Stand und die Entwick-lung der Diskussion in deneinzelnen Gerichtsbarkeitenund der Staatsanwaltschaft.Dabei zeigte sich ein sehrunterschiedliches Bild. Wäh-rend in einigen Bundeslän-dern aufgrund einer zuvorgeführten Leitbildfunktiondas Thema eher auf Ableh-nung stieß, hatten in ande-ren Ländern schon Informa-tionsveranstaltungen statt-gefunden, die vereinzeltsogar schon zu regelmäßi-gen Treffen in Arbeitsgrup-pen geführt haben. Überle-gungen zu einer möglichenöffentlichen Veranstaltungzum Thema richterlicheEthik wurden anschließendim Plenum diskutiert.

9

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Im weiteren Verlauf des 1.Tages stand die Planung ei-ner Fragebogenaktion aufder Tagesordnung. Zum Ver-ständnis dafür musszunächst vorausgeschicktwerden, dass sich beimletzten Treffen des Netz-werks Richterliche Ethik 4Arbeitsgruppen mit folgen-den Themen gebildet hatten:

Gruppe 1: Innen- undAußenansicht zur Berufs-ethik

Entwicklung von Fragebö-gen für Rechtsanwälte undPublikum zu deren Wahr-nehmung von Richtern undStaatsanwälten und Erwar-tungen an das richterlicheund staatsanwaltschaftlicheVerhalten

Einbindung der Kollegen indie Diskussion zur Berufs-ethik mittels Umfragen

Gruppe 2: StrafrechtlicherDeal und richterliche Ethik

Gruppe 3: Konflikte zwi-schen richterlichen Neben-tätigkeiten und Berufsethik(z.B. Gutachten, Vorträge,Schlichtung, Strafverteidi-gung)

Gruppe 4: Richter und par-teipolitisches Engagement

Die Arbeitsgruppe 1 hattefür das 3. Treffen des Netz-werks einen Fragebogenentworfen. Danach solltedas Bild des Richters und

des Staatsanwalts in derÖffentlichkeit abgefragt wer-den. Vor der inhaltlichenBesprechung des Fragebo-gens wurde eine lebhafteDiskussion über den Sinnund Unsinn einer Fragebo-genaktion geführt. Schließ-lich führte eine Abstimmungzu dem vorläufigen Ergeb-nis, dass die Aktion durch-geführt werden soll. Die in-haltliche Abstimmung desFragebogens führte erneutzu kontroversen Erörterun-gen und zahlreichen Ände-rungen. Dabei wurden zufolgenden drei Inhaltskom-plexen Fragen entwickelt:

-- Richter in der mündlichenVerhandlung

-- Kommunikation mit demRichter außerhalb dermündlichen Verhandlung

-- Richter privat

Nach einem anstrengendenAnreise- und Arbeitstag ginges dann nahtlos zu einemnahe gelegen Italiener, wobei Rotwein und Nudelnnicht nur Themen der richter-lichen Ethik diskutiert wur-den.

Am 2. Tag berichtete als ers-tes Frau Dr. Epp über dieArbeitsweise der MainzerEthikrunde. Sie besteht aus11 Mitgliedern aus der or-dentlichen Gerichtsbarkeit,der Verwaltungsgerichtsbar-keit, der Staatsanwaltschaftund dem Ministerium. Es

haben vom 26.05.2008 bis26.05.2009 11 Treffen statt-gefunden. Zunächst gab esin der Gruppe Vorbehaltegegen eine Verschriftli-chung. Es wurde eine Fall-sammlung gebildet, diedann Diskussionsgrundlagefür die Bildung ethischerGrundsätze war. Es wurdenunterschiedliche Entwürfeverfasst, die dann schließlichzu 10 Grundsätzen führten.Sie wurden zu Papier ge-bracht und sollen eineGrundlage für eine weitereDiskussion sein. Sie sollenaber keine Allgemeingültig-keit beanspruchen, sondernnur das Ergebnis der Main-zer Ethikrunde sein. Bei Er-stellung des Papiers wurdedeutlich, dass eine richterli-che und eine staatsanwalt-schaftliche Ethik zwar vieleGemeinsamkeiten aufweist,dass sie sich aber in man-chen Punkten auch deutlichunterscheiden. Deshalbwurde das Ergebnis auf dieRichterschaft begrenzt. DasPapier wurde an alle Rich-ter und Staatsanwälte inRheinland-Pfalz in schriftli-cher Form und per E-Mailgeleitet. Außerdem liegt esin den Richterakademien inWustrau und Trier aus. DieResonanz war überwiegendpositiv, wenngleich die Run-de sich mehr Rückmeldunggewünscht hätte. (Anm.:Die Inhalte sind nachzulesenin Elisabeth Faber-Klein-knecht DRiZ 2009, 349)

10

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Im Anschluss an den Vor-trag diskutierte das Netz-werk ebenfalls die Ver-schriftlichung ihrer Arbeits-ergebnisse. Eine anschlie-ßende Abstimmung führtedazu, dass ein Papier her-ausgegeben werden soll.Der Weg zur Erstellung desPapiers soll über eine Fall-sammlung mit anschließen-der Diskussion erfolgen, daschnell festgestellt wurde,dass sich das Thema abs-trakt schlecht strukturierenlässt. Alle Teilnehmer erhiel-ten den Auftrag, auf einerKarteikarte ein Fallbeispielund auf einer weiteren einen

Grundsatz richterlicher bzw.staatsanwaltschaftlicherEthik zu formuliere. Die Er-gebnisse wurden vorgestelltund gemeinsam diskutiertund strukturiert. Das Ergeb-nis soll zunächst protokolliertwerden.

Zum Abschluss wurde dasweitere Procedere disku-tiert. Der Fragebogen sollzunächst vom Bundesvor-stand des DRB abgesegnetwerden, bevor länderspezi-fisch die Zustimmung derRichterräte eingeholt wird. Ineinem weiteren Schritt soller dann ggf. über die Leiter

der Gerichte und Staatsan-waltschaften bundesweitausgelegt werden. Eine On-lineversion soll ebenfallshergestellt werden. Auch dieFragen der Auswertung undBeteiligung an der Auswer-tung wurden rudimentär dis-kutiert. Schließlich wurdenalle mit Hausaufgaben be-dacht, einige etwas mehr.Die Hausaufgaben sollenin’s Forum des DRB einge-stellt werden. Als neuer Ter-min für das nächste Treffenwurde der 27./28.08.2010vereinbart.

Ludger Hermes

7. DEUTSCHER FINANZGERICHTSTAGS T E U E R R E C H T I N D E R F I N A N Z K R I S E

krise ein. Am Schluss seinerGrußworte wies er noch dar-auf hin, dass die Finanzge-richtsbarkeit von der Zu-sammenlegungsdiskussionder öffentlich-rechtlichenFachgerichtsbarkeiten nichtbetroffen sei.

Den Festvortrag hielt derBundesminister a. D. Dr.Heiner Geißler zum Thema„Die Risiken der Weltfinanz-krise für Wohlstand und De-mokratie“.

Dr. Geißler wies dabei dar-auf hin, dass die Judikativetrotz der Finanzkrise unab-hängig bleiben müsse.

sicherheit. Gleichzeitig ginger auf den Beschluss des 2.Senats des Bundesverfas-sungsgerichts zur Kompe-tenz des Finanzausschus-ses ein. Der Oberbürger-meister der Stadt Köln, Jür-gen Roters, beklagte in sei-nem Grußwort den Rück-gang der Gewerbesteuerum ca. 20 % und nannte die-sen Vorgang eine Entman-nung der kommunalenSelbstverwaltung. Ministeri-aldirektor Dr. Hubert Weisaus dem Bundesministeri-um der Justiz ging in seinenGrußworten auf die Maßnah-men der Bundesregierungzur Bekämpfung der Finanz-

Am 25. Januar 2010 fandzum 7. Mal in Köln der Deut-sche Finanzgerichtstagstatt. Er stand unter demLeitthema Steuerrecht in derFinanzkrise. Der Präsidentdes Deutschen Finanzge-richtstages, Richter am Bun-desfinanzhof Jürgen Brandt,begrüßte ca. 350 Teilneh-mer mit einer Aufforderungan die Politik, das Steuer-recht einfacher und gerech-ter zu gestalten und somit fürmehr Akzeptanz zu sorgen.

In seinem Grußwort forder-te der Präsident des Bun-desfinanzhofs Dr. h. c. Wolf-gang Spindler mehr Rechts-

11

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Nach einem Überblick überdie größte Finanzkrise seit1929 und ihren Ursachenzeigte Dr. Geißler gesell-schaftliche und politischeMissstände auf. Dabeinahm er besonders die Fi-nanzbranche unter dieLupe. Er kam zu dem Er-gebnis, dass sich die Bun-desrepublik Deutschlandweit von der sozialen Markt-wirtschaft entfernt habe. ImRahmen der Globalisierungsei die neue Ideologie sowenig Staat wie eben mög-lich und so viel Markt wieeben möglich. Während frü-her die soziale Marktwirt-schaft ein ethisches Funda-ment gehabt habe, herrscheheute Chaos und es gäbekeine Regeln mehr. Es seiAufgabe des Staates, dasDesaster zu beseitigen unddie Grundelemente einerOrdnung wiederherzustel-len. Zurzeit herrsche inDeutschland ein Raubtier-kapitalismus und die Stabi-lität beginne zu bröckeln. Dr.Geißler durchleuchtete dieAgenda 2010 und folgerteaus der Klagewelle zu HartzIV, dass der Mensch umsomehr gelte je weniger erkoste. Auch im Gesund-heitswesen sei der Trendvom Patienten zum Kundenzu erkennen. Im Mittelpunktstehe nicht mehr derMensch, sondern die Fall-pauschale im Krankenhaus.Die Hartz IV-Gesetze stellteneine steuerliche Missach-tung der Würde des Men-

schen dar. Die Einkom-mensschere klappe immerweiter auseinander, ebensowie die Risikoschere unddie Bildungsschere. Zur Be-kämpfung dieser Missstän-de forderte Dr. Geißler einestaatliche Kontrolle über dieFinanzmärkte. Zum Schlussseines gut einstündigen Vor-trags ging Dr. Geißler nochauf eine internationale Trans-aktionssteuer ein.

Im Anschluss daran unter-suchte der Richter des Bun-desverfassungsgerichts,Prof. Dr. Michael Eichber-ger „Wirtschaftsfreiheit undGestaltungsmacht desStaates auf dem Boden desGrundgesetzes“. Dabeistellte er zunächst fest, dassdas Grundgesetz keineFestlegung auf eine be-stimmte Wirtschaftsordnungenthalte. Er ging auf die wirt-schaftspolitische Neutrali-tätsthese des Bundesver-fassungsgerichts ein, dieWirtschaftsfreiheit und diesoziale Marktwirtschaft undnannte Beispiele aktuellerKonfliktfälle staatlicher Ge-staltungsmacht. Er zeigtedie Einschränkung desSteuergesetzgebers durchdie Grundrechte im Einzel-nen auf und hinterfragte Son-derspielräume des Gesetz-gebers in der Finanz- undWirtschaftskrise.

In einem weiteren Vortragging Frau Prof. Dr. KerstinSchneider von der Universi-

tät Wuppertal auf die Not-wendigkeit und Grenzensteuerpolitischer Lenkungs-maßnahmen in der Krisesein. Dabei stand zum ei-nen die Aufgabenpolitik desStaates im Mittelpunkt. Zumanderen aber wurden auchdie Fehler aus der Unterneh-menssteuerreform 2008deutlich. Schließlich führtendie konjunkturellen Stabili-sierungsmaßnahmen zur ei-ner höheren Staatsverschul-dung und einer notwendigenKonsolidierung des Staats-haushaltes. Frau Prof. Dr.Schneider sah Möglichkei-ten der Konsolidierung inAusgabenkürzungen undSteuererhöhungen. Sie for-derte dabei aber immereine Prüfung der Wachs-tumsverträglichkeit.

Nach einer verkürzten Mit-tagspause kam der Leiterder Steuerabteilung derBASF Dr. Wolfgang Haaszu den Anforderungen andas Unternehmenssteuer-recht in der Finanzkrise.Ständige Einzelfallgesetzge-bung, geringer Halbwärts-zeit, rückwirkende Gesetz-gebung und Nichtanwen-dungserlasse hätten dasSteuerrecht für Verwaltungund Steuerpflichtige fast un-beherrschbar gemacht. Essei eine strukturelle Unter-nehmenssteuerreform unterEinbeziehung der Gewer-besteuer notwendig. Soweitman dieses nicht erreichenkönne, sei zumindest eine

12

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Neuregelung der Verlustver-rechnung und Abarbeitungeiner Liste struktureller Män-gel mit dem Ziel,insbesondere technischeUnzulänglichkeiten mit kei-ner oder nur geringer Auf-kommensauswirkung zu be-seitigen, erforderlich. Unterdem Thema „Finanzkriseund Reform des Bilanzsteu-errechts“ stellte Prof. Dr.Norbert Herzig von der Uni-versität Köln das Dreieckder Rechnungslegung zwi-schen HGB, InternationalerRechnungslegung (IFRS,US-GAAP) und steuerlicherGewinnermittlung dar.Dabei ging er insbesondereauf den Maßgeblichkeits-grundsatz und steuerlicheWahlrechte ein. Er unter-suchte im Einzelnen die sichaus dem Bilanzrecht erge-benden latenten Steuern undkam zu dem Ergebnis, dassdie Einheitsbilanz nach demBilanzmodernisierungsge-setz nicht mehr als taugli-ches gesetzgeberischesLeitbild betrachtet werdenkönne. Er gab Empfehlun-gen zur Verselbständigungder Steuerbilanz und sah alsPerspektive eine begrenzteEmanzipation vom Han-delsrecht und eine Hinwen-dung zur EU.

Im Abschlussvortrag gingRichter am FinanzgerichtDr. Matthias Loose auf dasSpannungsverhältnis von In-solvenz- und Steuerrecht

ein. Er untersuchte den An-trag auf Insolvenzeröffnung,ging auf die Rechte undPflichten des Insolvenzver-walters ein und stellte dieAufrechnungen im Insolvenz-verfahren, die Haftung Drit-ter im Insolvenzverfahren,die Geltendmachung vonAnsprüchen aus dem Steu-erschuldverhältnis im Insol-venzverfahren und das Rest-schuldbefreiungsverfahrendar.

In einer Podiumsdiskussionunter Mitwirkung von Karoli-ne Linnert, Bürgermeisterinund Finanzsenatorin derFreien Hansestadt Bremen,Dr. Daniel Volk, Mitglied desBundestags, Mitglied desFinanzausschusses, FDP,Ministerialdirigent Dr. Stef-fen Neumann, Finanzminis-terium des Landes NRW,Wirtschaftsprüfer, Steuerbe-rater Harald Elster, Präsi-dent des Steuerberaterver-bandes e. V. Köln, Profes-sor Dr. Ekkehart Reimer,Universität Heidelberg undRechtsanwalt Professor Dr.Harald Schaumburg disku-tierte das Podium unter Mo-deration des Präsidentendes Finanzgerichts Baden-Württemberg, Dr. Hans Pe-ter Korte, das Thema Steu-errechtsgestaltung in derFinanzkrise.

Der 7. Deutsche Finanzge-richtstag fand seinen Ab-schluss in einem Schluss-

empfang bei einem Gläs-chen Kölsch und klang dannebenso schön aus wie eram Vorabend mit Essenund Trinken im BrauhausFrüh begonnen hatte. Esbestand wieder hinreichendMöglichkeit zu anregendenGesprächen, Knüpfung neu-er Kontakte und fachlichemAustausch. Der 7. DeutscheFinanzgerichtstag stelltesich somit wiederum als einForum der Finanzgerichts-barkeit für die steuerrechtli-che und steuerpolitischeFachdiskussion mit Wissen-schaft, Verwaltung, Politik,Anwalt- und Steuerberater-schaft dar.

Der 8. Deutsche Finanzge-richtstag 2011 wird am 24.Januar 2011 in Köln stattfin-den. Er wird sich u. a. mitden Folgen der Europäi-schen Integration auf Ge-setzgebung, Verwaltung,Rechtssprechung und diePraxis der Steuerberatungim Bereich des Ertragssteu-errechts befassen. Zu seinerVorbereitung wird ein Sym-posium dienen, das voraus-sichtlich am Montag, dem13. September 2010 statt-finden wird. Einzelheitenkönnen bei Zeiten der Inter-netseite des Finanzgerichts-tags entnommen werden(www.finanzgerichtstag.de).

Ludger Hermes

13

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Am 08. September 2009fand in Weimar, ausgerich-tet vom Finanzgericht Thü-ringen, die sog. Ostrichter-tagung statt. Herr PräsidentMohr und Herr Vizepräsi-dent Skerhut hatten zu-sammen mit ihren vielenfreundlichen Helfern ein„rundum Sorglospaket“ füreine perfekte Tagungsat-mosphäre geschaffen. Inden Räumen des Verwal-tungsgerichts Weimarkonnten daher engagierteDiskussionen zu den vonden Beteiligten vorgetra-genen Rechtsproblemenstattfinden, zu denen sichfür den Bundesfinanzhofauch der Präsident, HerrDr. Spindler, und Herr Rich-ter am BFH Wittwer äußer-ten.

Im Zentrum des Gesche-hens standen zunächstFallgestaltungen zu § 180Abs. 2 AO, bei denen esum Beiladung, Klagebe-fugnis und die Wahrungdes Steuergeheimnissesim Rahmen von Grund-stücks/Bauherrengemein-schaften ging. Im AO-Teilwaren dann Rechtsproble-me der Aussetzung derVollziehung, der Änderungdes Verfahrensgegen-stands und der Zulässig-

keit eines DritteinspruchsGegenstand der Tagung.Das Finanzgericht Sach-sen-Anhalt warf interes-sante Fragen zum Pro-zesskostenhilferecht auf.Im Weiteren standen Fra-gen zu § 37 AO und demInsolvenzfall im Mittelpunkt.

Darüber hinaus reichtendie Beteiligten Einzelfällezum Einkommensteuer-recht ein, wobei insbeson-dere die Abgrenzung zwi-schen Drittaufwand unddem abgekürzten Zah-lungsweg für lebhafte Dis-kussionen unter den Teil-nehmern sorgte. Zur glei-chen Reaktion führten dievorgestellten Einzelfällezum Erbschaftsteuer-,Grunderwerbsteuer- undUmsatzsteuergesetz.

Mit einer angeregten Aus-einandersetzung über dievorgestellten Kindergeldfäl-le, zu denen insbesondereauch solche mit Auslands-bezug gehörten, ging dieVeranstaltung zu Ende undwurde dann – sozusagenals Sahnehäubchen – nochmit einer Fragestellung zueiner Steuerberaterklau-sur, was denn unter demBegriff Rechtsvorschrift zuverstehen sei, abgerundet.

Die im Beisein der Präsi-denten der FinanzgerichteSachen, Mecklenburg-Vor-pommern, Sachsen-An-halt, Berlin-Brandenburgund Thüringen geführte Dis-kussion, an der auch derVorsitzende der Arbeitsge-meinschaft der Finanzge-richtspräsidenten, der Prä-sident des FinanzgerichtsDüsseldorf, Herr Plücker,teilnahm, zeigte, dass dieAuseinandersetzung mitrechtlichen Fragestellun-gen anhand des konkretenFalls als eine hervorragen-de Art der Fortbildung an-zusehen ist, da die Ge-richtsbarkeit aus sichselbst heraus – quasi alsQualitätszirkel – die Lö-sungen für die aufgeworfe-nen Probleme erarbeitete.Es bleibt daher zu fragen,ob diese Art der Fortbil-dung nicht auch für die Fi-nanzgerichte aus anderenBundesländern eine wün-schenswerte Einrichtungwäre.

Reinold Borgdorf

„OSTRICHTERTAGUNG“ 2009

14

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Am 18.11.2008 feierte dasFinanzgericht Bremen imKaminsaal des Bremer Rat-hauses sein 50-jährigesBestehen. In Anwesenheitdes Präsidenten des Bun-desfinanzhofs Prof. Dr.Spindler, des Richters amBundesverfassungsgerichtProf. Dr. Mellinghoff, desSenators für Justiz und Ver-fassung sowie der Präsi-denten der anderen Finanz-gerichte begrüßte der Prä-sident des FinanzgerichtsBremen Lutz Hoffmann dieGäste aus dem politischen,gesellschaftlichen und rich-terlichen Umfeld. In seinemGrußwort betonte der Präsi-dent des BundesfinanzhofsProf. Dr. Spindler insbeson-dere die Notwendigkeit derExistenz einer selbständi-gen Finanzgerichtsbarkeitfür die Gewährleistung ei-nes effektiven Rechtsschut-zes.

Die geschichtliche Entwick-lung des Finanzgerichts Bre-men lässt sich wie folgt zu-sammenfassen:

Im Zuge der Errichtung ei-ner reichseinheitlichen Fi-nanzverwaltung nach demErsten Weltkrieg wurdenOrgane für die Behandlungvon Beschwerden in Abga-benangelegenheiten einge-richtet und als Finanzgerich-

50-JAHR-FEIER FINANZGERICHT BREMEN

te bezeichnet. Durch Erlassüber die Vereinfachung derVerwaltung vom 28. August1939 wurden Einspruch undKlage in den Abgabenange-legenheiten abgeschafft.Nunmehr entschieden überRechtsbehelfe in Steueran-gelegenheiten die Oberfi-nanzpräsidenten.

Nach dem Krieg hob dasGesetz Nr. 36 des AlliiertenKontrollrates über dieWiedererrichtung der Ver-waltungsgerichte vom 15.Oktober 1946 den Erlassvom 28. August 1939 aufund stellte bei den Rechts-mitteln in Steuersachen denfrüheren Rechtszustandwieder her. Nachdem dieorganisatorischen Maßnah-men getroffen, insbeson-dere die ehrenamtlichenMitglieder gewählt und vonder Militärregierung bestä-tigt worden waren, ordneteder Senator für Finanzendurch Erlass vom 22. März1948 im Einvernehmen mitdem Senat an, das Finanz-gericht werde beim Oberfi-nanzpräsidenten neu be-setzt und seine Tätigkeit am1. April 1948 aufnehmen.Angesichts der Tatsache,dass nach ursprünglichenPlänen keinerlei Verknüp-fungen des Gerichts mitdem Oberfinanzpräsidentenbestehen sollten, überrascht

es, dass der Erlass amRechtszustand der AO fest-hielt und das Finanzgerichtbeim Oberfinanzpräsiden-ten beließ.

Durch Erlass vom 8. Sep-tember 1954 löste der Se-nator für Finanzen mit Wir-kung vom 1. September1954 das Finanzgericht or-ganisatorisch von der Ober-finanzdirektion und unter-stellte es seiner Dienstauf-sicht. Damit war ein weite-rer Schritt zur Unabhängig-keit des Finanzgerichts ge-tan; allerdings war das Fi-nanzgericht damit noch keinunabhängiges, von der Ver-waltung getrenntes Gerichtdes Landes Bremens, danach wie vor Beamte, dieder Weisung eines Vorge-setzten unterworfen waren,über die anhängigen Strei-tigkeiten entschieden.

Erst mit Wirkung vom 1. Ja-nuar 1958 wurde das Fi-nanzgericht Bremen durchdas Gesetz über Maßnah-men auf dem Gebiete derFinanzgerichtsbarkeit vom22. Oktober 1957 und durchdas bremische Gesetz überdie Finanzgerichtsbarkeitvom 21. Dezember 1957 zueinem unabhängigen Ge-richt, das von der Finanzver-waltung organisatorisch undpersonell getrennt war.

15

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Mit dem Inkrafttreten der Fi-nanzgerichtsordnung am 1.Januar 1966 erhielten dieFinanzgerichte eine eigen-ständige Verfahrensord-nung, die der Eigenart desvon ihnen zu gewährendenRechtsschutzes gerechtwird.

Seit 01.10.1972 ist das Fi-nanzgericht Bremen, dasbis dahin zum Geschäftsbe-reich des Senators für Fi-nanzen gehörte, der Dienst-aufsicht des Senators fürJustiz und Verfassung unter-stellt.

Am 28. April 2009 wurdeder bisherige Präsident desFinanzgerichts Rheinland-Pfalz, Schlösser, verab-schiedet und sein Nachfol-ger, Präsident des Finanz-gerichts Orth in sein Amt ein-geführt. Justizminister Dr.Bamberger fand sowohl fürden scheidenden als auchden künftigen Präsidenten

Worte des Lobes und derAnerkennung. Auch dieGrußworte des Präsidentender Steuerberaterkammer,Herrn Wilk, sowie der Ver-treter des Richterrats unddes Personalrats machtendeutlich, wie sehr beide Per-sonen innerhalb und außer-halb des Gerichts geschätztwerden.

PRÄSIDENTENWECHSEL AMFINANZGERICHT RHEINLAND-PFALZ

- Für Hamburg sei schließ-lich die Entwicklung deselektronischen Rechts-verkehrs und der elektro-nischen Akte stets wichtiggewesen. Während Erste-res sehr früh entwickeltworden sei, müsse aufLetztere noch etwas längergewartet werden.

Allgemein bemerkte er,das Steuerrecht sei im Fo-kus der allgemeinen Auf-merksamkeit von Politikund Presse. Politiker sag-ten des Öfteren, dass dasSteuerrecht nach Wahlen

Vorabentscheidungsersu-chen – immer schon einebedeutende Rolle.

- Die Qualität in der Jus-tiz sei weiterhin ein wichti-ges Thema. In den Quali-tätszirkeln des Gerichtswürden gemeinsam diebesten Ergebnisse für Bür-ger und Rechtspflege zuerreichen versucht. ZurQualität gehörten auch dieVerfahrensdauer, die 2008in Hamburg rund 11 Mona-te im Durchschnitt betra-gen habe.

Am 8. September 2009beging das FinanzgerichtHamburg sein 60-jährigesBestehen mit einer Fest-veranstaltung im Albert-Schäfer-Saal der Handels-kammer Hamburg. In sei-ner Begrüßung wies FGPDr. Grotheer auf drei fürdas FG wichtige Bereichehin:

- Europa und sein Rechtspiele – schon über den fürHamburg, Niedersachsenund Schleswig Holstein zu-ständigen Zollsenat, aberauch durch bedeutende

60 JAHRE FINANZGERICHT HAMBURG

16

Beiträge und Veranstaltungsberichte

einfacher werde. DiesenOptimismus halte er ausErfahrungen in der Vergan-genheit eher verhalten fürangezeigt. Außerdem ma-che die Komplexität derLebens- und Wirtschafts-verhältnisse in der BRD eineinfaches Steuerrechtschwer.

Abschließend äußerte erdie Hoffnung, die Vorschlä-ge des DRB und des Jus-tizsenators der Freien undHansestadt Hamburg füreine Autonomie der Justiz,die insgesamt sehr sinnvollseien, würden spätestensin der nächsten Legislatur-periode konkretisiert wer-den können.

Der Justizsenator Dr.Steffen verwies auf denexzellenten Ruf, den dasFG Hamburg genieße. Essei immer offen für neueEntwicklungen und moder-ne Techniken. So habe esin manchen Bereichen denAnspruch auf eine Vorrei-terrolle (Spracherkennung,Infoterminal). Mit dem The-ma Richterassistents soll-ten Standardaufgaben vomrichterlichen auf den nicht-richterlichen Dienst über-tragen werden, um denRichtern für ihre eigentli-che Kernaufgabe den nöti-gen Freiraum zu geben. Erlobte die hohe Qualität derRechtsprechung des FG

Hamburg, die Zusammen-setzung der Richterschaftaus Richtern anderer Ge-richtsbarkeiten und ausBeamten der Finanzver-waltung sowie die Umset-zung der Gleichstellung aufGrund der Zahl der Richte-rinnen und VorsitzendenRichterinnen an diesemGericht.

Der Präses der Handels-kammer Hamburg ,Horch, griff das ThemaKomplexität des Steuer-rechts auf und bedauertedie Behinderung der Wirt-schaft, die darin liege. Ge-rade in jetzigen Zeiten seidas Finanzgericht ein Lot-se im Steuerrecht. Ersprach sich gegen die Len-kungsfunktion im Steuer-recht aus. Jeder Bürgerwisse selbst am Besten,was für ihn gut sei. DasSteuerrecht habe jeden-falls einfach, verständlichund international wettbe-werbsfähig zu sein.

Der Präsident des Bun-desfinanzhofs, Dr.Spindler, gratulierte in sei-nem Grußwort den Ange-hörigen des Finanzge-richts und sprach ihnen sei-ne Anerkennung für diegeleistete Arbeit aus. EineVerfahrensdauer wie dieim Finanzgericht Hamburgwünsche er sich für das ge-samte Bundesgebiet. 60

Jahre Finanzgericht Ham-burg bedeuteten 60 Jahreeffektiven Rechtschutz mitQualität in Hamburg. DasSteuerrecht sei, wie zweiFinanzminister jetzt geäu-ßert hätten, „nicht mehr ad-ministrierbar“. Dies schaf-fe eine besondere Bedeu-tung des gerichtl ichenRechtschutzes. Dieserwerde nur gewährleistet,wenn entsprechend quali-fizierte Richter zur Verfü-gung stünden. Denn auchdie Finanzverwaltung unddie Beraterschaft würdenim gerichtlichen Verfahrendurch hochspezialisierteExperten vertreten. Richtermüssten aber Herr desVerfahrens sein. Dies wer-de nur durch eine selbstän-dige Finanzgerichtsbarkeitgewährleistet, da es nurdann gelingen könne, diebesten Steuerjuristen imKampf gegen die hochdo-tierten Stellen in den freienBerufen und der Wirtschaftfür das Finanzgericht zu in-teressieren. Diese Spezi-alisierung werde gefertigt,wenn der Gedanke der Zu-sammenlegung der Ge-richtsbarkeiten, der nochnicht ganz aus der Welt sei,weiter verfolgt werde. Ermachte deutlich, dass dieUngewissheit über denAusgang eines gerichtli-chen Verfahrens durchauszugenommen habe, da zu-nehmend verfassungs-

17

Beiträge und Veranstaltungsberichte

rechtliche und EU-rechtli-che Fragestellungen zu lö-sen seien. Die Zahl derRichtervorlagen des BFHund der Finanzgerichteund der Vorabentschei-dungsersuchen an denEUGH zeigten die Sensi-bilität in der Richterschaftfür verfassungsrechtlicheund EU-rechtliche Maßstä-be. Diese Vorlage- undVorabentscheidungsersu-chen sowie deren Ausgangmachten deutlich, dass dieGerichte ihren verfas-sungs- und EU-rechtlichenAufgaben gerecht würden.

Den Festvortrag hielt FrauProf. Harms, Generalbun-desanwältin beim Bundes-gerichtshof zum ThemaSteuerrecht und Strafrechtim Spannungsfeld zwi-schen Karlsruhe, Münchenund Luxemburg. Sie mach-te deutlich, dass das Steu-erstrafrecht eine Wachs-tumsbranche sei. Dies be-ruhe auf der allgemeinenNeigung belastendesRecht nicht mehr zu akzep-tieren. Das Unrechtsbe-wusstsein verliere sich,wenn es gelte, die eigeneSteuerlast zu verringern.Sie machte deutlich, dasses sich bei dem Strafrechtund dem Steuerrecht umunterschiedliche Rechts-gebiete handele, die Straf-richter würden zu Mitent-

scheiden in steuerlichenFragen. Beide Rechtsge-biete seien eher tektoni-sche Platten mit entspre-chenden Reibungen undBeben. Das Steuerstraf-recht als Blankettstrafrechtmache wegen des Be-schleunigungsgebots Ent-scheidungen über steuer-rechtliche Fragen schonnotwendig, wenn eine steu-erliche Rechtsprechungnicht vorliege. So könneder BGH eine Rechtspre-chung begründen, mit derder BFH möglicherweisenicht einverstanden sei.Teilweise vermisse mandas Verständnis dafür. FürStreitfragen sei dann dergemeinsame Senat derObersten Gerichtshöfe desBundes zuständig. Be-denklich sei es aber, wennder BFH eine vorher mitdem BGH übereinstim-mende Rechtsprechungeinseitig ändere. Ein wei-terer Akteur sei in EU-Fra-gen der EUGH. Er sei ge-legentlich Schiedsrichterzwischen dem BFH unddem BGH. Sie machtedeutlich, dass das Be-schleunigungsgebot nachArt. 6 EMRK in der Regelkeinen Raum für eine Aus-setzung des strafrechtli-chen Verfahrens gemäß §396 AO lasse. Diese Pro-blematiken vertiefte sieanhand einer konkreten

Fallgestaltung bei Karus-selgeschäften, die mehre-ren Verfahren der Strafge-richte und Finanzgerichtezu Grunde gelegen hätten.Sie legte Wert darauf, dieGerichte müssten vernünf-tig zusammen arbeiten.Die eigene Zuständigkeitder jeweiligen Jurisdiktio-nen sei systemkonformund in der Regel vernünftig.Jedes Gericht sollte für dieseiner Juristriktion unterfal-lenden Rechtsfragen ent-scheiden und sich nicht aufKosten der anderen Ge-richtsbarkeiten profilierenwollen. Insbesondere seieine Abkapselung desStrafrechts vom Steuer-recht nicht möglich. Dieswürde zu unlösbaren Pro-blemen führen, die imZweifel die Straftäter privi-legierten. Der gelungeneFestakt endete mit einemEmpfang, der Gelegenheitzum Meinungsaustauschgab.

18

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Vom 19. bis 21. Oktober2009 fand in Bremen der32. Deutsche Steuerbera-tertag statt. Der Präsidentdes Deutschen Steuerbe-raterverbandes e.V.(DStV) Hans-ChristophSeewald erinnerte in sei-ner Eröffnungsrede an denverstorbenen Ehrenpräsi-denten des DStV JürgenPinne und würdigte dessenjahrzehntelangen unermüd-lichen Einsatz für den steu-erberatenden Beruf. Beider Würdigung der Le-bensleistung Pinnes be-tonte Seewald vor allemdie Gradlinigkeit und Ver-lässlichkeit des vormali-gen DStV-Präsidenten,welche in der aktuellenWertediskussion als Vor-bild dienen können.

Unter dem Motto des Steu-erberatertages „Werte be-wahren – Zukunft meis-tern“ bekannte sich See-wald zur Verantwortungdes steuerberatenden Be-rufes für einen nachhalti-gen und dem Gemeinwohlverpflichteten Unterneh-mergeist. Gleichzeitig kri-tisierte er die Hindernisse,die der freien Berufsaus-übung entgegen stehenund mahnte einen fairen In-

teressenausgleich zwi-schen Gesetzgebung, Fi-nanzverwaltung und Bera-terschaft an. Den Abgeord-neten des neu gewähltenDeutschen Bundestagesbot Seewald eine tatkräfti-ge und offene Zusammen-arbeit an. Im Hinblick aufdie laufenden Koalitions-verhandlungen forderte ereine konsequente Besteu-erung nach der wirtschaft-lichen Leistungsfähigkeit.Dazu gehörten u.a. die un-eingeschränkte Anerken-nung von Verlusten, einenochmalige Überarbeitungder Reform der Erbschaft-steuer sowie die Rücknah-me der krisenverschärfen-den Vorschriften der Unter-nehmenssteuerreform2008. Ferner sah Seewalddie steuerpolitischen Leit-linien des DStV bestätigt.Gerade die Krise zeige,dass die jüngsten unsyste-matischen Gesetzesände-rungen dem Anspruch aufdie Nachhaltigkeit in keinerWeise gerecht werde.Auch ohne teure Wahlge-schenke sei eine Umkehrzu mehr Glaubwürdigkeitmöglich, sofern der Ge-setzeber folgende Maxi-men beachte:

- Planungssicherheit durchSteuervereinfachung ge-währen und zwingendePrinzipien des Steuer-rechts -wie das der Be-steuerung nach der wirt-schaftlichen Leistungsfä-higkeit- beachten.

- Gewinne und Verluste, Er-trag und Aufwand sind sym-metrisch zu behandeln. DieBerücksichtigung von Ver-lusten ist keine Subvention,sondern zwingendes Ge-bot des Nettoprinzips.

- Vorrang vor Tarifsenkun-gen, die sich beim Einzel-nen nur gering auswirken,haben punktgenaue Ent-lastungen, die zur Verbes-serung des Wirtschafts-standorts und zur Steige-rung des Wirtschafts-wachstums führen.

„Der unsystematische Han-del mit parteipolitisch mo-tivierten Positionen hatdem Steuerzahler eine mitWertungswidersprüchendurchflochtene Materie be-schert“, resümierte See-wald. Angesichts der knap-pen Haushalte müsse einsteuerliches Sofortpro-gramm vor al lem eineRückkehr zu einer syste-matischen Besteuerung si-

32. DEUTSCHER STEUERBERATERTAG

19

Beiträge und Veranstaltungsberichte

chern. Daneben nehme derDtSV die kommende Ko-alition bei ihrem Wort, end-lich der kalten Progressiondauerhaft entgegenzuwir-ken.

Die Bürgermeisterin undSenatorin für Finanzen derFreien Hansestadt Bre-men, Karoline Linnert, be-tonte in ihrem Grußwort dieBedeutung einer Werte-ordnung im Steuerrecht,deren wichtigste Prinzipienim Grundgesetz verankertseien. Den progressivenSteuertarif bezeichnete sieals von der Mehrheit derBevölkerung akzeptiert.Demgegenüber stand FrauLinnert einer großen Steu-erreform skeptisch bis ab-lehnend gegenüber. Sievertrat die Ansicht, der vonden Befürwortern einer gro-ßen Steuerreform unter-stellte Selbstfinanzierungs-effekt trete, wennüberhaupt, erst in späterenJahren ein.

Sodann warf die Bundes-tagspräsidentin a.D. FrauProf. Dr. Rita Süssmuth inihrem Festvortrag einenbesonderen Blick auf dieWerte im deutschen Steu-errecht. Frau Prof. Dr.Süssmuth betonte, dassWerte keine Frage desSteuersystems seien. Viel-

mehr sei die Bedeutungvon Werten und die Akzep-tanz des Steuerrechts beiden Menschen zu untersu-chen. Nachdem die Nach-kriegsjahre vor allem vomMaterialismus geprägt wa-ren, sei nun zu entschei-den, auf welchem geistigenFundament die Bundesre-publik Deutschland stehe.Die derzeitige Krise deu-tete Frau Prof. Dr. Süss-muth in erster Linie als Ver-trauenskrise, die nur vonder gesamten Gesellschaftüberwunden werden kön-ne. Dem derzeitigen Miss-trauen, auch des Staatesgegenüber dem Steuerbür-ger, sei dagegen nicht mitschärferen Gesetzen bei-zukommen, die ohnehin nurdas letzte Mittel seien.

Der Präsident des Bundes-finanzhofs Dr. h.c. Wolf-gang Spindler legte in sei-nem Eröffnungsvortrag dar,dass die Erörterung vonWerten im Steuerrechtkeinesfalls neu, sondernsteter Bestandteil der wis-senschaftlichen Auseinan-dersetzung sei. Werte imSteuerrecht würden bereitsseit Anfang des vergange-nen Jahrhunderts in Litera-tur und Rechtsprechungausführlich diskutiert. Dr.Spinder legte die Verant-wortung der Gesetzge-

bung, der Verwaltung, derRechtsprechung aber auchder Steuerpflichtigen undSteuerberatung im Hinblickauf die maßgebendenWerte im Steuerrecht dar.Deren Einhaltung sei un-verzichtbarer Bestandteileines werteorientiertenSteuerrechts und notwen-dige Voraussetzung fürStabilität und Funktionsfä-higkeit des Gesellschafts-systems.

Lutter

20

Beiträge und Veranstaltungsberichte

FINANZRECHTLERZU NOTWENDIGENVERÄNDERUNGEN

AMSTEUERSYSTEM

Jürgen Brandt im Ge-spräch mit JürgenLiminski vom Deutsch-landradio anlässlich desFinanzgerichtstages inKöln am 25. Januar 2010

Die Politik wäre gut beraten,mehr auf das Votum derSachverständigen zu hö-ren, sagt Jürgen Brandt,Präsident des Finanzge-richtstags. So habe die Fra-ge der Vereinfachung desSteuerrechts mit der Frageder Steuersenkung nichtszu tun. Gesetze verständli-cher und klarer zu formulie-ren, sei dringend notwen-dig, unterstrich Brandt.

Jürgen Liminski: Heutetagt in Köln der Finanzge-richtstag. Das ist die alljähr-liche Tagung der Steuer- undFinanzrechtler. Träger derTagung ist der vom BundDeutscher Finanzrichterin-nen und Finanzrichter sowievom Richterverein des Bun-desfinanzhofs gegründeteDeutsche Finanzgerichtstage.V., und zu den Satzungs-zielen dieses Vereins gehö-ren die Sicherung eines ef-fektiven Steuerrechtsschut-zes. Die Mitglieder kommenaus der Finanzgerichtsbar-keit, der Finanzverwaltung,

der Wissenschaft sowie auszuständigen beratendenBerufen, und Steuerrechts-schutz ist in Zeiten der Kri-se durchaus gefragt. DasThema des Hauptvortragsder diesjährigen Tagung lau-tet denn auch „Risiken in derFinanzkrise für Demokratieund Wohlstand“. Es geht umdie rechtliche Einhegung derFinanzkrise, sprich auch derGier. Präsident des Finanz-gerichtstags ist der Richteram Bundesfinanzhof, Jür-gen Brandt. Er ist zu uns insStudio gekommen. GutenMorgen, Herr Brandt.

Jürgen Brandt: GutenMorgen, Herr Liminski.

Liminski: Herr Brandt, esgibt kaum ein Thema, dasdie Politik derzeit dauerhaf-ter erregt als das Finanz-und Steuerrecht, StichwortBoni für Banker oder Fi-nanzkrise. Vielleicht greifenwir das auch auf. In denUSA, in Großbritannien undin Frankreich werden dieBoni per Gesetz jetzt starkbesteuert. Warum ist dasbei uns nicht möglich, oderwill die Politik nur nicht?

Brandt: Grundsätzlich wirdes ja auch für uns diskutiert.Es gibt durchaus Unterstütz-er für diesen Gedanken. Eswird dagegen eingewandt,es könne schon mit Verfas-sungsrecht unvereinbarsein, weil letztlich hier Ein-

kommen anders besteuertwird als andere Einkunftsar-ten. Grundsätzlich geht unserSteuerrecht ja von demGrundsatz des Nominalwert-prinzips aus. Jede verdien-te Mark löst dieselbe Steu-erfolge aus. So ist eigentlichder Gedanke des Steuerge-setzgebers.

Wenn man jetzt hier differen-ziert zwischen verschiede-nen Einkunftsquellen, brichtwieder ein Streit aus: Wohingehört es und wie gestaltetman es anders. Plötzlichwird dann der Boni-Bereichverlagert in das normaleGehalt, und schon hat manvor Gericht den Streit, ist esjetzt eine Boni-Zahlung, eineverdeckte, oder ist es nor-males Einkommen.

Deshalb ist es für mich we-niger eine Frage der recht-lichen Zulässigkeit, als viel-mehr eine Frage der Durch-setzbarkeit in der Praxis. Ichwürde deshalb eher dahintendieren, die Problematikder Finanzmarktstabilisie-rung, der Verhinderung vonHedgefonds und Ähnlichemeher auf dem Gebiet der Fi-nanzmarktkontrolle zu su-chen, als über den Weg derBoni-Besteuerung.

Liminski: Kann man dennmit den Mitteln des Rechts,des Steuer- und Finanz-rechts, überhaupt eine Kri-se wie die jetzige eindäm-men?

21

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Brandt: Die entscheidendeFrage ist, welche Art Krisees ist. Natürlich sind natio-nale Krisen auch mit Mittelndes nationalen Steuerrechtsoder des Wirtschaftsrechtsin den Griff zu bekommen.Wenn es um internationaleKrisen geht, wie in der ge-genwärtigen Weltfinanzkri-se, kommt man eigentlichnur über globale Lösungenzu einer vernünftigen Behe-bung der Probleme. Manmuss sich nur vorstellen,dass jeder Kapitalmarktan-bieter im Kern keinen festenSitz haben muss. Der kannmit einem Laptop irgendwoin Venedig auf dem Markus-platz sitzen, oder in Köln aufder Domplatte und von dortseine Geschäfte tätigen.Das ist kaum lokal festzuma-chen und deshalb ist auch imInteresse des Finanzmarkt-standorts Deutschland eineeinheitliche Lösung für allewestlichen Staaten zu su-chen. Deshalb wird ja auchverlangt, dass die G-20-Staaten eine einheitlicheLösung finden.

Liminski: Aber die Bankenhaben ja ihren Platz. KönnenSie denn uns als Expertedes Finanz- und Steuerwe-sens sagen, ab wann eineBank, ein Finanzinstitut sys-temrelevant ist? Mit diesemBegriff haben die Banker jain gewisser Weise denStaat oder die Allgemeinheit

erpresst, und zwar risikolos.

Brandt: Ja. Der Begriff Sys-temrelevanz ist nirgendwogesetzlich definiert. Er istletztlich aus meiner Sichteher eine politische Größe.Man spricht ja von dem so-genannten „Big Bank“-Vor-behalt. Dieser besagt: Ei-gentlich kann kein Staat essich erlauben, seine größtenBanken fallen zu lassen, weildies den Zusammenbruchdes gesamten Finanzsys-tems in dem jeweiligenStaat bedeuten könnte. DasVertrauen könnte unterlau-fen werden, sodass auchKreditgeber aus dem Aus-land nicht mehr bereit sind,in dem jeweiligen Land zuinvestieren. Deshalb ver-sucht jeder Staat, seinegrößten Banken im Zweifeldoch am Leben zu halten,um den Standort als Ort fürInvestitionen, für Kapitalan-lagen auch attraktiv zu hal-ten. Deshalb ist das eher soein faktisches Moment in derpolitischen Diskussion. Daskann aber letztlich nicht dazuführen, dass der Staat zuse-hen muss und hilflos zuse-hen muss, wenn Krisen wiedie jetzige Finanzkrise auf-treten. Er muss ja handeln.Und deshalb verstehe ichdie Ansätze von Obamasehr gut, über eine Neuor-ganisation des Finanzmark-tes dieses Problem in denGriff zu kriegen.

Liminski: Im Mittelpunktdes 7. Finanzgerichtstagessteht - so haben wir ebenauch in dem Bericht vonHerrn Kolakowski gehört -die Finanz- und Wirtschafts-krise. Sie fordern eine Ver-einfachung der Steuerge-setze jetzt. Das klang jaauch in Ihrer ersten Antwortdurch. Inwiefern dient eineVereinfachung der Steuer-gesetzgebung der Konjunk-tur oder der Krisenbewälti-gung?

Brandt: Die Diskussionüber die Kompliziertheit desSteuerrechts begleitet ja dieEntwicklung der Bundesre-publik von Anfang an. Siehat es auch schon vorhergegeben, aber man musssehen, dass die Vielzahl vonbürokratischen Belastungenfür kleine Unternehmen (ge-rade bei Existenzgründun-gen) viele davon abhält, die-sen Schritt in die Selbststän-digkeit zu tun. Mancher Ar-beitnehmer mit guter Quali-fikation, dessen Arbeitge-ber wegbricht durch Insol-venz, hätte die Chance, auchdie Kapazität vielleicht, aufden freien Markt zu gehen,scheut aber diesen Auf-wand. Hier ist der Staat ja inden letzten Jahren hingegan-gen und hat durch eine Viel-zahl von bürokratischen Auf-lagen, Darlegungspflichten,Aufbewahrungspflichten,doch auch Betriebsneugrün-

22

Beiträge und Veranstaltungsberichte

dungen Hindernisse in denWeg gelegt, die schon ge-wichtig sind. Und wenn mansieht, dass etwa mit demneuen Wachstumsbe-schleunigungsgesetz für ei-nen relativ kleinen Bereichwie den der geringwertigenWirtschaftsgüter drei ver-schiedene Alternativen zuprüfen sind vom Steuer-pflichtigen, wenn er die ab-setzen will von der Steuer,und er dafür unterschied-lichste Daten vorhaltenmuss, dann sieht man, dassfür wenig Ertrag auf steuer-licher Seite ein hoher Auf-wand getrieben werdenmuss.

Liminski: Die öffentlicheDebatte, Herr Brandt, drehtsich um den Zeitpunkt derSteuerreform. Jetzt will manerst die Steuerschätzungabwarten. Dahinter stehenwo möglich politische Erwä-gungen, die Wahl in Nord-rhein-Westfalen etwa. Kannman die Vereinfachung nichtschon vorher, jetzt sofort inAngriff nehmen?

Brandt: Das ist ein wichti-ger Gesichtspunkt, den ichuneingeschränkt bejahenwürde. Ich meine, dass dieFrage der Vereinfachungmit der Frage der Steuer-senkung nichts zu tun hat.Dass man die Steuerschät-zung abwarten will, odervielleicht auch die Wahlen in

N o r d r h e i n - W e s t f a l e nvielleicht doch noch erst malsehen will, bevor manvielleicht auch heilige Küheschlachtet im Bereich desSubventionsabbaus oderbei der Abziehbarkeit be-stimmter Werbungskosten,das kann ich nachvollziehen.Nur das hindert nicht, dieVereinfachung, wie ich siegerade auch skizziert habe,in den Blick zu nehmen, an-zufangen zu überlegen, wokönnen wir die Verständlich-keit, die Klarheit des Geset-zes erhöhen, damit der Bür-ger weiß, was auf ihn zu-kommt, was von ihm verlangtwird, wie können wir ihnauch entlasten von überflüs-sigen bürokratischen Auf-wendungen. Das sind allesFragen, die mit der Höheder Steuer im Kern nichts zutun haben. Über die kannman politisch streiten.

Dieser Streit setzt vorausdie Einigung darüber (auchin der Koalition), was mussder Staat tun, was will er nichtmehr tun, inwiefern gibt esdort Spielräume für Ausga-bensenkungen, oder inwie-fern muss man am Endeauch feststellen, wie es dieNorddeutschen sagen, „Watmutt, datt mutt“, wir müssendie nötigen Staatseinnah-men bereitstellen, damit derStaat auch läuft. Auch dieLokomotive braucht ja nunKohlen oder die Elektrolok

braucht Strom, und insofernmuss erst vom Bedarf herdefiniert werden, was manan Steuersenkungsspielräu-men hat.

Noch einmal: Ich halte es fürganz wichtig, zunächst dieFrage der Vereinfachungmit dem Wunsch nach Klar-heit und Transparenz derSteuerrechtsordnung zutrennen von der der Steuer-senkung, und das ist ja auchim Koalitionsvertrag sehrausführlich dargelegt wor-den. Hier ist eine Erwar-tungshaltung der Bürgerauch begründet worden,und wenn ich da einen Lied-titel einer bekannten KölnerRockgruppe hier ins Feldführen kann, „Wenn nichtjetzt, wann dann?“, dann istjetzt der Zeitpunkt gekom-men für diese Vereinfachungdes Steuerrechts und diesollte abgekoppelt werdenvon dieser Frage der Steu-ersenkungen.

Liminski: Wir haben ja nocheine andere Frist, die auchnicht allzu weit entfernt liegt,nämlich eine finanzrechtli-che, ja verfassungsrechtli-che Mauer: die Schulden-bremse. Was passiert,wenn die Politik aus wel-chen Gründen auch immerdas Gebot dieser Schulden-bremse nicht einhält und ein-fach gegen die Mauer fährt?

23

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Brandt: Ich würde das füreinen angesagten Skandalhalten, wenn im Bewusst-sein dieser Schuldenbrem-se eine exorbitante Erhö-hung der Schuldenlast vor-genommen wird - man redetja von bis zu 100 Milliarden-, im Bewusstsein, dassman diese Schuldenlastnicht abbauen kann bis zudem Zeitpunkt, zu dem die-se verfassungsrechtlicheSchuldenbremse greift. Dasist ja im Jahre 2013. Das istvermeidbar. Wir reden janicht von einer plötzlich hierund heute unvermeidlichenKreditaufnahme, denn wersich sozusagen der Mittelbegibt jetzt der Steuersen-kung, kann ja nicht geltendmachen mit Überzeugungs-kraft, dass es für ihn unver-meidbar gewesen ist, dasser im Jahre 2013 dieseSchuldenbremse nicht ein-halten kann.

Man muss auch sehen: Dieverfassungsrecht l icheSchuldenbremse, die janoch ein bisschen neu ist, istja nicht die einzige, dieSchulden abbremsen muss.Der europäische Stabilitäts-pakt verlangt ja von allenMitgliedsstaaten, dass sieihre Schulden in Grenzenhalten. Auch hier droht ja einKonflikt mit der Europäi-schen Union. Dies sollteman ohne Not nicht in Kaufnehmen, denn es können

auch noch unvorhergesehe-ne Katastrophen oder Not-wendigkeiten auftreten, diedann einen hohen Finanzbe-darf erzeugen, und hierbraucht der Staat auchSpielräume, um vielleicht aufunvorhergesehene Krisensi-tuationen reagieren zu kön-nen. Das ist jedenfalls imAugenblick nicht der Fall,sodass wir nicht verlangensollten, hier die Steuern zusenken. Erstaunlich ist jaauch, dass die Mehrheit derBürger in Umfragen bei al-ler Sympathie für Steuersen-kungen sagt, es ist im Au-genblick nicht angesagt,quer durch alle Bevölke-rungsgruppen und auchquer durch alle Gehaltsgrup-pen. Das sollte auch denPolitikern, wie ich finde, zudenken geben.

Liminski: Haben Sie dasGefühl, dass die Vorschlä-ge des Finanzgerichtstagsvon der Politik überhauptgehört werden?

Brandt: Man kann hier nichteine pauschale Aussagetreffen. In den letzten Jahrenhabe ich schon den Eindruckgewonnen, dass in Teilbe-reichen sehr wohl auch dasVotum der Sachverständi-gen eine Veränderung vonGesetzentwürfen bewirkthat. Ich denke etwa an dieNeufassung der Miss-brauchsregelungen in der

Abgabenordnung. Aber dasist vielleicht eher noch dieAusnahme, und hier ist diePolitik eigentlich nichtschlecht beraten, wenn sieden Sachverstand aus denVerbänden der Berater-schaft, den Steuerberatern,den Rechtsanwälten, aberauch den Richtern, zurKenntnis nimmt und ver-sucht, im Dialog zu bleiben,denn es vermeidet ja künfti-ge Streitigkeiten über dieAnwendung solcher Nor-men, die man neu schafft,und hilft, schon im Vorfeldvielleicht Fehler zu vermei-den. Dies steigert ja auchdie Akzeptanz des Steuer-rechts und damit auch diestörungsfreie Versorgungdes Staates mit Finanzmit-teln, die ja auch nötig ist.

Liminski: Vereinfachungder Steuern und Warnungvor schädlichen Steuersen-kungen. Das war hier imDeutschlandfunk JürgenBrandt, Präsident des Fi-nanzgerichtstags. BestenDank für Ihren Besuch, HerrBrandt.

Brandt: Ja. Gern gesche-hen!

24

Beiträge und Veranstaltungsberichte

Wie jedes Jahr, fand auch imJahre 2009 die Mitglieder-versammlung des BDFRstatt.

Nach der Begrüßung, derFeststellung der Ordnungs-mäßigkeit der Einladung,der vertretenen Stimmbe-rechtigten und der Tagesord-nung erfolgte der Geschäfts-bericht des Vorstandes mitAussprache. Im Rahmendes Berichts wies der Vor-sitzende, Herr Seibel,insbesondere auf die Teil-nahme an Anhörungen zuGesetzesvorhaben-, hin undgab weiter einen Überblicküber die Besuche des Vor-standes bei den Finanzge-richten und über aktuelleEntwicklungen im BereichBesoldung und Versorgung.Er berichtete weiter zur eu-roparechtlichen Tagung inTrier, zum Finanzgerichtstag2010 am 25. Januar 2010sowie zum Berliner Kreisjunger Finanzrichter.

Herr Borgdorf berichteteüber die Gespräche unddenStand der Diskussion imHinblick auf den Diskussi-onsentwurf des DRB zurrichterlichen Selbstverwal-tung .

MITGLIEDERVERSAMMLUNGAM 18. NOVEMBER 2009 IN BERLIN

Nach dem von Herrn Luttervorgetragenen Kassenbe-richt und der Entlastung desVorstandes waren die Kas-senprüfer zu wählen. Dazuwurden einstimmig - erneut-die Herren Hospes undBlanke gewählt.

Bei der Neuwahl des Bun-desvorstandes traten derbisherige Vorsitzende, HerrSeibel und seine Stellvertre-terin, Frau Kempe, nichtmehr zur Wahl an. ZahlreicheMitglieder sprachen beidenihren Dank für die langjäh-rige Vorstandstätigkeit aus.Dem Wahlvorschlag desbisherigen Vorstandes fol-gend wählten die Mitgliederin einem Wahlgang

1. für das Amt des Vorsit-zenden:

den bisherigen stellver-tretenden VorsitzendenReinold Borgdorf;

2. für das Amt des stellver-tretenden Vorsitzenden:

das bisherige weitereMitglied des VorstandesLudger Hermes;

3. für das Amt des weiterenVorstandsmitglieds:

Anke Vasel;

4. für das Amt des Kassen-warts und Geschäftsfüh-rers:

den bisherigen Amtsinha-ber Ingo Lutter.

Die Wahl erfolgte einstim-mig bei vier Enthaltungen.

Sodann berichtete HerrJünnemann aus der Arbeitdes Deutschen Richterbun-des.

Einen weiteren Schwer-punkt bildeten die Berichteder Delegierten aus denLandesverbänden. Insbe-sondere die Themen Besol-dung, und Pebb§y erwiesensich dabei als von besonde-rem Interesse.

Die Mitgliederversammlungendete dann mit einem ge-mütlichen Abend im Restau-rant Tucholsky in Berlin-Mit-te.

25

Besoldung und Versorgung

26

Zum Schluss

Sie haben es also geschafft.Sie gehen nach Berlin, umals Abgeordneter für dennormalen Steuerzahlerkämpfen zu wollen. Und dafangen die Schwierigkeitenschon an. Denn die norma-len Steuerzahler sind alle zuHause und arbeiten, damitsie Steuern zahlen können.Die Leute, denen sie in Ber-lin überwiegend begegnen,sind alle Mitglieder von Or-ganisationen, die bei politi-schen Entscheidungen mit-wirken wollen. Mit anderenWorten: Sie wollen Geld.Sie werden feststellen, dassSie die meiste Zeit in Bürosoder anderen wohlklimati-sierten Räumen sitzen undLeuten aus Organisationen,wie z. B. der Interessenge-meinschaft artgerechterWieselzüchter zuhören, dieihnen mit einschläfernderLiebe zum Detail klarma-chen, wie wichtig das artge-rechte Züchten von Wieselnfür die ökonomische Ge-sundheit des Landesinsgesamt und insbeson-dere für den Wahlkreis ist.Man wird Ihnen herzzerrei-ßende Fotos von traurigdreinblickenden arbeitslo-sen Wieselzüchtern und Ih-ren hungrigen verlausten

Kindern zeigen. Man wirdIhnen erklären, wie diesereinst so blühende Industrie-zweig und der allgemeineLebensstandard den Bachrunter gehen werden, wenndie Regierung nicht etwasgegen die gigantischenWieselfarmen in Taiwan un-ternimmt oder das gewis-senlose Programm von Mi-crosoft, mit dem man virtu-elle Wiesel erzeugen kann.Man wird Ihnen klarmachen,dass es sich um die eigent-lich wichtigste Frage derMenschheit handelt.

Um diese Leute loszuwer-den, werden Sie ihnenschließlich versprechen,sich um ihr Anliegen zu küm-mern. Aber sowie die Wie-selzüchter Ihr Büro verlassenhaben, schiebt sich eineAbordnung der vereinigtenChrompolierer herein,drängt Sie mit dem Rückenzum Wand (es handelt sichum baumlange Kerle) undfragt Sie, ob Sie eigentlichwissen, wie viele Chrompo-lierer in ihrem Wahlkreiswohnen und wie hoch IhrerMeinung nach der Prozent-satz des in ausländischenKlitschen unter ausbeuteri-schen Arbeitsbedingungenpolierten und dann in

Deutschland verkauftenChroms ist. Und wenn dieendlich wieder gehen, stel-len sich Ihnen die Lobbyis-ten der Förderation der Her-steller jener Gummibänder,mit denen Hummerscherenin Restaurantaquarien zu-sammengehalten werden,in den Weg und legen sehrüberzeugend dar, dass Sie,wenn Sie nichts für ihre kri-sengeschüttelte Brancheund die gefährdeten Ar-beitsplätze in Ihrem Wahl-kreis tun um keinen Deutbesser sind als blutrünstigeTerroristen, die kleine Kin-der mit Senf verspeisen.

Und immer so weiter, Tag fürTag, nervtötend. Ständighaut sie jemand an und ver-langt von Ihnen, dass Sie et-was für ihn tun. Die Dinge,die sie dann tun sollen, zie-len aber in keinem Fall dar-auf ab, Steuergelder einzu-sparen. Sie fangen an, dieanderen Mitglieder des Bun-destages misstrauisch zubeäugen und fragen sich:„Hey, wenn die Regierungdie Bergleute unterstützt,warum nicht auch dieChrompolierer?“ undschließlich finden Sie eineMöglichkeit, den Chrompo-lierern tatsächlich zu helfen,

VON DER SCHWIERIGKEIT SPARSAM ZU WIRTSCHAFTENODER WARUM REGIEREN SO TEUER IST1

27

Zum Schluss

in dem Sie ihnen ein paarMillionen Euro zuschanzenund das Unwohlsein, dasSie dabei empfinden schaf-fen Sie sich vom Hals, in-dem Sie sagen, dass einpaar Millionen in Berlin ei-gentlich gar nichts sind. Die-se Summe gibt die Bundes-regierung allein schon fürZahnseide aus. Aber für dieChrompolierer sind Sie derHeld. Sie fahren nach Hau-se und sorgen dafür, dass

Sie wiedergewählt werden,damit Sie sich weiterhin fürihre Belange einsetzen kön-nen. Nach und nach begrei-fen Sie, dass es grundsätz-lich falsch ist, im Bundestaggegen Ausgaben, egal wel-cher Art, zu stimmen. Dennwenn man das tut, erfahrendie Steuerzahler, deren GeldSie sparen ja nichts davon.Wohl aber die Interessen-gruppe, der Sie mit IhrerStimme etwas verweigern.

Diese wird über sie herfal-len wie ein Heer von Killer-ameisen.

Sparsam wirtschaften istsehr, sehr schwierig.

(Footnotes)

1 Aus Dave Barry, “Die Achse des Blö-den“, Bastei-Lübbe, 2. Auflage Oktober2004 ISBN 3-404-60542-X

TAGUNGSHINWEISE

23.03.2010 Finanzrichtertag beim BFH

24.03.2010 Münchner Steuerfachtung

28

Zum Schluss

Und zum Schluss ...