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»Beatrix von Ravensberg« Von G u s t avE n gel Be i ihrem ersten Erscheinen in den Blättern der Geschichte, 1937 im 93 . Band dieser Zeitschrift, horchten die Leser auf. Von einer Gräfin Beatrix von Ravensberg hatte noch niemand gehört. Die Stammtafeln fürstlicher oder geschichtsträchtiger Geschlechter mit bisher unbekannten Personen zu berei- chern, war - und ist - ein genealogisch-historischer Sport, aber auch ein Verfahren, um das man nicht immer herumkommt und das seine Berechl: igung hat, solange es sich im Rahmen des Möglichen und Vermutbaren hält 1 , Hier wurde aber nicht mehr von Möglichkeiten, sondern von Tatsachen gesprochen, für die angeblich unumstößliche Beweise vorgebracht wurden. D a. gegen haben sich damals schon Bedenken erhoben. Von genealogischer Seite wurde darauf hingewiesen, daß das gewiß erlaubte, aber auch gefährliche Spiel mit den Vornamen, die sich als . Leitnamen< von Großvater und Großmutter, Vater und Mutter auf Söhne und Töchter, Enkel und Enkelinnen, Neffen, Nichten, Vettern und Basen in bestimmten Linienführungen ve rerben sollten, hier reichlich stark strapaziert worden war. Historiker wünschten eine überprüfung der die Existenz der Gräfin erheischenden Aussagm der angezogenen Urkunden und der Interpretationen der Besitzverhältnisse. Besonders interessiert war der inzwischen verstorbene, wegen seiner Vorsicht in der Auf stellung von genealogischen Beweisketten bekannte Professor Friedrich von Klacke . In einem Briefwechsel zwischen ihm und dem Verfasser dieses Auf satzes wurde die Frage nach der Existenz der Gräfin Beatri:{ auf- gegriffen. Es zeigte sich jedoch, daß die Gegenargumente, soweit sie die besitzgeschichtliche Seite betrafen, schwer bzw. nur mit zeitraubenden Archiv- arbeiten zu beschaffen waren, da hierfür heranzuziehende Quellen noch nicht publiziert waren. So blieb die Sache liegen, zumal der Krieg darüber au:;brach und später andere Aufgaben ein Vorrecht beanspruchten. 1 Daß das nicht immer geschieht, zeigt das Beispiel der in die Familie der Grafen von Ravensberg angeblich und mit einer sehr großen Mitgift eingeheil'ateten Judith von Zutphen. Ihre Erfinder - es war en mehrere und zu verschiedenen Zeiten - haben sie mit aller gebotenen Zurückhaltung als mögliche Möglichkeiten herausgestellt. Andere haben sie ihnen nachgesprochen und dritte haben sie als bewiesen angesehen, ohne daß der Grad der Wahrscheinlichkeit durch neue Unter- suchungen größer geworden wäre. Vgl. des Vfs. l\ußerungen hierzu im 65. Jahres- bericht des Hist. Vereins f. d. Grafschaft Ravensberg (1968), S. 51 ff. Quelle: Westfälische Zeitschrift 120, 1970 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

»Beatrix von Ravensberg« - LWLstierung der Urkunde des Bischofs Evergis von Paderborn vom Jahre 1173, die dem eingangs Erwähnten zugrunde liegt, jetzt die Frage der Gräfin Beatrix

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Page 1: »Beatrix von Ravensberg« - LWLstierung der Urkunde des Bischofs Evergis von Paderborn vom Jahre 1173, die dem eingangs Erwähnten zugrunde liegt, jetzt die Frage der Gräfin Beatrix

»Beatrix von Ravensberg«

Von G u s t avE n gel

Bei ihrem ersten Erscheinen in den Blättern der Geschichte, 1937 im 93 . Band dieser Zeitschrift, horchten die Leser auf. Von einer Gräfin Beatrix von Ravensberg hatte noch niemand gehört. Die Stammtafeln fürstlicher oder geschichtsträchtiger Geschlechter mit bisher unbekannten Personen zu berei­chern, war - und ist - ein genealogisch-historischer Sport, aber auch ein Verfahren, um das man nicht immer herumkommt und das seine Berechl:igung hat, solange es sich im Rahmen des Möglichen und Vermutbaren hält1

, Hier wurde aber nicht mehr von Möglichkeiten, sondern von Tatsachen gesprochen, für die angeblich unumstößliche Beweise vorgebracht wurden. Da.gegen haben sich damals schon Bedenken erhoben. Von genealogischer Seite wurde darauf hingewiesen, daß das gewiß erlaubte, aber auch gefährliche Spiel mit den Vornamen, die sich als . Leitnamen< von Großvater und Großmutter, Vater und Mutter auf Söhne und Töchter, Enkel und Enkelinnen, Neffen, Nichten, Vettern und Basen in bestimmten Linienführungen vererben sollten, hier reichlich stark strapaziert worden war. Historiker wünschten eine überprüfung der die Existenz der Gräfin erheischenden Aussagm der angezogenen Urkunden und der Interpretationen der Besitzverhältnisse. Besonders interessiert war der inzwischen verstorbene, wegen seiner Vorsicht in der Aufstellung von genealogischen Beweisketten bekannte Professor Friedrich von Klacke. In einem Briefwechsel zwischen ihm und dem Verfasser dieses Aufsatzes wurde die Frage nach der Existenz der Gräfin Beatri:{ auf­gegriffen. Es zeigte sich jedoch, daß die Gegenargumente, soweit sie die besitzgeschichtliche Seite betrafen, schwer bzw. nur mit zeitraubenden Archiv­arbeiten zu beschaffen waren, da hierfür heranzuziehende Quellen noch nicht publiziert waren. So blieb die Sache liegen, zumal der Krieg darüber au:;brach und später andere Aufgaben ein Vorrecht beanspruchten.

1 Daß das nicht immer geschieht, zeigt das Beispiel der in die Familie der Grafen von Ravensberg angeblich und mit einer sehr großen Mitgift eingeheil'ateten Judith von Zutphen. Ihre Erfinder - es waren mehrere und zu verschiedenen Zeiten - haben sie mit aller gebotenen Zurückhaltung als mögliche Möglichkeiten herausgestellt. Andere haben sie ihnen nachgesprochen und dritte haben sie als bewiesen angesehen, ohne daß der Grad der Wahrscheinlichkeit durch neue Unter­suchungen größer geworden wäre. Vgl. des Vfs. l\ußerungen hierzu im 65. Jahres­bericht des Hist. Vereins f. d. Grafschaft Ravensberg (1968), S. 51 ff.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 120, 1970 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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Nachdem nun im Jahre 1955 der Historische Verein für die Grafschaft Ravensberg die Erstellung einer Sammlung »Ravensberger Regesten« beschlossen, im nächsten Jahre in Angriff genommen und diese Sammlung in der Zwischenzeit auf etwa 2000 Nummern gebracht hat, ist mit der Rege­stierung der Urkunde des Bischofs Evergis von Paderborn vom Jahre 1173, die dem eingangs Erwähnten zugrunde liegt, jetzt die Frage der Gräfin Beatrix von Ravensberg wieder akut geworden.

Die Regestierung der Urkunde geht nur soweit, wie sie ravensbergische Belange betriffi, verlangt aber gemäß den Grundsätzen für die Erstellung von Regesten eine Darlegung der Rechtsverhältnisse, verlangt die Identifizierung aller Ortsnamen, den Versuch einer Klärung der Besitzverhältnisse und schließlich die Erfassung aller Personennamen und, soweit nicht bekannt, ihre zeitliche und genealogische Einordnung.

Das Regest der genannten Urkunde von 1173, August 14 (Paderborn) gibt den Inhalt der Urkunde in der, wie gesagt, Beschränkung auf die ravens­bergischen Belange wie folgt wieder:

Der Paderborner Bischof Evergis bekundet die Schenkung des Werno von Brach (de Brach) und seiner Frau Beatrix an das Kloster Gehrden. Die geschenkten Bauerschaften (villae) und Höfe (domus) tragen folgen­de Namen: Bernicghusen, Rinxstinchusen, Iheneshem, die Befestigung (munitio) Brach mit Zubehör und die Höfe Bist, Liutwartessen, Wal­derinchtorpe, Hestene, Winninctorp und Wernessen.

Acta sunt hec . . . Eine angefügte, formlose Bemerkung (affixum) von späterer Hand sagt:

Als Graf Otto von Ravensberg mündlich und freiwillig (viva voce et ex bona voluntate) auf die Güter in Renstinchusen, Berninghusen, Tedessen und in Brak, die er widerrechtlich in Besitz hatte (habuit), völlig (peni­tus) verzichtete, waren anwesend Graf Adolf von Waldeck, Hartrad Wulf, Johannes von dem Bussche, Ludwig Hake, Herbord Voss, Eber­hard Ledebur, Werner Stapel u. a.

Ein zweiter, der Form einer Urkunde angenäherter Zusatz (noverint omnes, quod ... ) sagt dasselbe und nennt dieselben Namen.

Original verloren. Abschrift im Kopialbuch des Klosters Gehrden, Besitzer Graf von Oeynhausen zu Bad Driburg.

Druck: WUB II, 362. Regest: Lippische Regesten I, 80; WZ 3711, S. 94; Wigands Archiv IV',

S.75. Bemerkung: Die Höfe »Bernicghusen, Rinxstinchusen, Theneshem und

Brach munitio cum omnibus pertinenciis suis« sind, z. T. entgegen den bisherigen Deutungen (Clostermeyer, Krit. Beleuchtungen, S. 14, Anm. 5; Meyer, Kloster und Stadt Gehrden. In: Wigands Archiv IV' (1829), S. 75; Lipp. Reg. I, 80; Giefers, Beitr. z. Gesch. d. Herren von Brakel. In: WZ 3711, S. 94; WUB IV, 400; Thöne, Soziolog. Unter-

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suchungen über die einstigen Edelherren v. Brakel im Kreise Höxter i. W. In: WZ 93 (1937), S. 48; zu identifizieren als Barmeyer (Urbar d. Grafsch. Ravensberg 1011: Barninchmeyer), Ringstmeyer (Urbar 1010: Renxtmeier), beide in Weste ren ger, Kreis Herford, Meyer (Urbar 516: Meier Herman zu Eerssen, to Eessen) in Theesen, Kreis Bielefeld, und Brackmeyer (Urbar 527: Braickmeiger) mit dessen Pertinenzien Brinkmann (Urbar 534: Brinkmann) und Hallerbäumer (Urbar 538: Hollerbergh) in Brake, Kreis Bielefeld. Die 6 Höfe sind im Jahre 1556 (Urbar) dem Kloster Gehrden noch mit einer jährlichen Geldzahlung verpflichtet. Der in den Affixen genannte Graf Otto von Ravensberg ist, wie schon WUB IV, 400 Anm. 2 bemerkt, Graf Otto 111. von Ravensberg, gest. 1306. Die von Thöne a.a.O., S. 48 f. entwickelte These, »munitio Brach« sei eine Burg der Grafen von Ravensberg in Brake bei Bielefeld gewesen, mit ihr und den übrigen genannten, ebenfalls als »im Ravens­bergischen gelegen« angenommenen Höfen Bist usw. sei eine ravens­bergische, bisher unbekannte Grafentochter Beatrix ausgestattet und diese gesamte Güterrnasse sei als Heiratsgut an Werno von Brach gekommen, ist nicht haltbar. Die Höfe Bist usw. liegen in Lippe. VgL Lipp. Reg. I, 80, Anmerkung. Vgl. auch 1491, Juni 5.

Die folgenden Betrachtungen mögen die für das Regest gebotene Kürze der »Bemerkung« erläutern.

Für die drei Höfe (Hof und 2 Kotten) Brackmeyer, Brinkmann und Halerbäumer in Brake bei Bielefeld hat bereits Haarland2 in einem Leistungsregister vom Jahre 1803 gefunden, daß sie dem Kloster Gehrden noch mit einer jährlichen Geldzahlung verpflichtet waren. Danach hat Thöne' in ihnen mit Recht die genannten Pertinenzien der »munitio Brach« gesehen. Diese »munitio« aber erhebt er zu einer Burg der Grafen von Ravensberg, weil Brake in der ehemaligen Grafschaft Ravensberg liegt.

Eine Burg Brake bei Bielefeld sucht man jedoch vergeblich. Keine Reste, kein Flurname oder sonstige überlieferung weisen auf sie hin. Auch als die Grafen Otto 11. und Ludwig 1226, Mai 1, ihr väterliches Erbe teilen" nennen sie sie nicht. »munitio Brach« ist aber auch nichtS als Schloß oder Ort Brake bei Lemgo zu verstehen. Als Ortlichkeit kann Brake bei Bielefeld nicht in Zweifel gezogen werden; denn Brackmeyer, Brinkmann und Hallerbäumer tragen ihre Verpflichtung gegen das Kloster Gehrden laut Ausweis des Urbars von 1556 von alters her. »munitio« bedeutet hier überhaupt nicht »Burg« im herkömmlichen Sinne, sondern »Bauernburg« . Der Hof Brackmeyer ist in

2 WZ 1 (1838), S. 150 Anm. , WZ 93 (1937), S. 48. 4 WUB III, 229; Bielefelder UB 9. 5 Wie Lippische Regesten I, 80; Wigand; Archiv IV, 75; WUB IV, 400 und Giefers

in WZ 37IJ, S. 97.

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alter Zeit mit einem breiten Wassergraben umgeben gewesen. Von ihm waren 1556 noch mehrere Teiche vorhanden". Geschützte, sogenannte "Gräftenhöfe« dieser Art waren hierzulande keine Seltenheir7. Der Hof Brackmeyer ist also die »munitio Brach«, und die Kotten Brinkmann und Hallerbäumer sind seine Pertinenzien.

Mit Bernicghusen und Rinxstinchusen identifizieren Lipp. Reg. usw. bis Thöne die Dörfer Börninghausen und Rödinghausen im nordravensbergischen Amte Limberg, jetzt im Kreise Lübbecke. In keinem der beiden Dörfer aber gab es Höfe mit ähnlichen Verpflichtungen, wie die 3 Braker Höfe sie hatten. Dagegen findet sich genau dieselbe Verpflichtung bei den Höfen Barmeyer und Ringstmeyer in Westerenger (Urbar 1011, 1010). Dieselbe Verpflichtung trägt auch der Hof Meyer in Thesen (Urbar 516). Weitere Höfe mit dieser Pflicht hat es aber in der ganzen Grafschaft Ravensberg nicht gegeben, wenigstens weist keine der 3389 Nummern des Urbars von 1556 sie aus.

Jeden Zweifel an der Identität von Rinxstinchusen und Bernincghusen mit Ringstmeyer und Barmeyer in Westerenger behebt indessen die undatierte Urkunde WUB H, 414. Sie behandelt einen Streit des Stiftes Enger mit einem »Herrn Werner«8. Der Streit geht um einen Wald, »hessow« genannt, der »zwischen« Werners Höfen Rengestenhusen und Barninghusan liegt. Dieser Wald nebst dem damals abgeteilten Teilstück erscheint mit dem Namen "Hessenbusdl«, »Hesskarnp« und »Das Hess« wieder auf dem Ur­katasterblatt von 18249 und liegt, wie die alte Urkunde gesagt hat, zwischen den Höfen Barmeyer (Nr. 1) im Norden und Ringstmeyer (Nr. 2) im Süden (Urbar 1011: »der Grote Heßkamp«, »der Luttike Heßkamp«)'o.

Nach Thöne" sollte der Hof Bist im Kreise Bersenbrück und die übrigen Höfe »im Ravensbergischen« liegen. Bist und die übrigen Höfe sind aber im Lippischen zu suchen".

G Urbar der Grafschaft Ravensberg, hrsg. von F. Herberhold (1960), Nr. 527: »llOf[plat7.] und garde mit den dieken«. - Schaten (Ann. Paderborn) berichtet zum Jahre 1321, der Bischof von Paderborn habe dem Alhard von dem Bussche u. a. den Meyerhof (curi.) Brach mit 2 Gütern (praediis) und 3 Fischteichen zu Lehen gegeben. Es liegt nahe anzunehmen, daß das Kloster Gehrden sein Eigen­tumsrecht an den Höfen dem Bischof übertragen hatte mit der Bitte, sie an die von dem Bussche als Lehen auszugeben. Diese reiche, ehedem wohl edel freie osnabrückische Ministerialenfamilie stand zu den Grafen von Ravensberg häufig in sch irfstem Gegematz. Die Hoffnung des Klosters, die ihm als Vögte, wie die überlieferung zeigt, höchst unbequemen Ravensberger Grafen auf diese Weise auszuschalten, erfüllte sich jedoch nicht (vgl. unten zu Anm. 18).

7 Vgl. G. W. Schluckebier, in: Kalender .Der Ravensberger«, 26. Jg. (1954), S. 63 ff . 8 Da es ein sonderbarer Zufall sein müßte, wenn dieser Werner nicht identisch wäre

mit dem 1173 schenkenden Werno von Brach, is t die Urkunde nicht mit WUß II, 414, nach der Schenkung Wernos von Gehrden anzusetzen, sonde rn vor ihr. Vgl. die Ausführungen hierzu von KI. Honse/mann im nachfolgenden Beitrag, S. 297 ff.

• Nachzeich nung von R. Schluckebie>' im Stadtarchiv Bielefeld. 10 Auch die in der Urkunde ferner angegebenen lokalen Einzelheiten lassen sich mit

den Verhä ltnissen von 1556 und 1824 in Einklang bringen. In der Grundherr­schaft des Stiftes Enger standen die Höfe Schürmann Nr. 8 und Engelke Nr. 16.

11 A. a. O. S. 48,50. 12 Lipp. Reg. I, 80 Anm.

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Der in den Affixen genannte Graf Otto von Ravensberg kann, wie WUB IV, 400 Anm. 2 schon bemerkt, nur Graf Otto III. (gestorben 1306) sein; denn von den genannten Zeugen lassen sich als lebend nachweisen Graf Adolf von Waldeck für 1219-1271 13

, Hartrad Wulf und Johann von dem Bussehe für 125714

, Ludwig Hake und Herbord Voss für 1263'5. Die Verzichterklä­rungen Graf Ottos III. auf die Gehrdener Teilvogtei sind nie rechtswirksam geworden, obgleich schon Ottos Vater, Graf Ludwig, und seine Witwe Adel­heid denselben Verzicht ausgesprochen hatten". Es ist dem Kloster nicht gelungen, die Höfe aus der ravensbergischen Vogtei herauszulösen. Im Gegenteil: Herzog Wilhelm IV. von Jülich-Berg, Graf von Ravensberg, bekennt 1491, Juni 517

, daß die 4 Höfe Baringmeyer, Renxtinghusen, Brack und Tedenhusen zwar im grundherrschaft lichen Eigentum des Klosters Gehrden stehen, aber mit seinen, des Herzogs, vollschuldigen Hörigen besetzt sind. Nachdem diese sich darüber beklagt haben, daß ihre grundherrlichen Pachtabgabe an das Kloster von insgesamt 35 Maltern Korn oder 1 Gulden für je 1 Malter sie zu sehr bedrücke, ist diese Pacht nach Vereinbarung mit dem Kloster auf insgesamt 25 Gulden herabgesetzt worden. Im Urbar von 1556 aber'· ist von grundherrlichen Rechten des Klosters keine Rede mehr; der Hof wird wie die voll landesherrlich eigenen Höfe beschrieben, das Kloster bleibt mit der geringen Geldzahlung abgespeist. Ringstmeyer und Barmeyer haben 1689, September 13, bzw. 1690, April 12, diese in den Kauf­briefen'· noch »Pacht« genannten jährlichen Zahlungen mit einer einmaligen Geldzahlung von sich aus abgelöst, das Kloster hat feierlich auf alle Rechte an den beiden Höfen verzichtet. So haben die Grafen von Ravensberg ihre bloßen Vogteirechte, die sie an den Gehrdener Höfen hatten und vermutlich erst 1244 erworben haben, im Laufe der Zeit in echtes Eigentum zu verwan­deln verstanden.

'3 F. Forwick: Die staatsredttlidte Stellung der Grafen von Sdtwalenberg (1963), S.42.

14 A. Lamey: Dip!. Gesdt. der alren Grafen von Ravensberg (1779), Codex 36. 15 Ebda, 41. - Für die Datierung der Affixe können audt die weiterhin genannten

Personen herangezogen werden, da die bei den hier berührten Redttshandlungen offenbar kurz aufeinander gefolgt sind. Von den Genannten lebten Abt Johannes von Hardehausen in den Jahren 1262-1275, Abt Heinridt von Marienmünster 1259-1287, Propst Adolf von Gehrden 1249-1260 (1265), Albertus gogravius de Mederike 1255-1259. Abt Johannes von Dünamünde ist nodt 1263 Zeuge einer Urkunde des Ordensmeisters Andreas, Riga. Sein Nachfolger, Abt Wilhe1m von Dünamünde, urkundet in demselben Jahre 1263 (Liv., Est. und Kur!. UB I, 373, 374). Der Hardehauser cellarius maior Rembodo, der cellarius minor und die fratres Bertam und Timmo de Rimbeke sind Zeugen der Urkunde WUB IV, 950 von 1263, August 2 (frd!. Mitteilung von Herrn Prof. Honselmann). Dem­nadt wäre das Affix 1 kurz vor 1263 anzusetzen; denn der junge Graf Otta !Tl. von Ravensberg ist erst um 1260 zur Regierung gekommen. 1259 erscheint er nodt in Begleitung seines Vormundes, des Edelherrn Bernhard !Il. zur Lippe, beim Abschluß des Essener Friedens (WUB IV, 666) .

16 1248 (1249), vor Januar 15; 1249, Januar 29 (WUB IV, 399, 400). '7 Gedr. WZ 39II, S. 75 f. ,. Nr. 1010,1011,516,527,534,538. 10 Gedr. Urbar zu Nr. 1010, 1011.

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Diese Zusammenhänge sind von Wilhelm 7höne20 in Verwirrung gebracht worden. Er verwechselt den Grafen Otto der Affixe mit dem Grafen Otto 1. von Ravensberg, der 1173, im Jahre also der Ausstellung der Schenkungs­urkunde des Werno von Brach, gestorben sein kann, 1175 nicht mehr am Leben war. In der - gefälschten! - Gründungsurkunde des Klosters Gehrden vom Jahre 114221 erscheint er als Zeuge, dem Schenkungsakt des Werno von Brach von 1173 aber soll er, wie Thöne meint, absichtlich ferngeblieben sein. Er habe nämlich, argumentiert Thöne weiter, gegen die Schenkung protestiert mit der Begründung, Werno von Brach verschenke bedeutendes ravensber­gisches, an Werno als Heiratsgut seiner Frau Beatrix gekommenes Familien­gut, darunter als wichtigstes Stück die Burg Brake bei Bielefeld. Otto habe alsdann die verschenkten Güter mit Gewalt an sich gerissen, sei aber in demselben Jahre noch gezwungen worden, sie wieder herauszugeben. Um ihn zu beschwichtigen, habe man ihm dann die Vogtei über die fraglichen Güter übertragen. - Von alledem steht in der Urkunde von 1173 kein Wort!

Natürlich können die Güter als Heiratsgut der Beatrix an Werno von Brach gekommen sein; die Frage ist aber: War es ravensbergisches Gut? Und war Beatrix eine Tochter, Schwester, Nichte oder sonstige nahe Verwandte des Grafen Otto 1. von Ravensberg? Da muß es zunächst auffallen, daß Graf Otto I. nur das eine Mal, 1142, in Gehrdener Urkunden vorkommt, und diese Urkunde ist gefälscht! Aus der Zeit zwischen 113622 und 1200 sind nicht weniger als rund 20 Urkunden, Gehrden betreffend, überliefert; in keiner von ihnen erscheint ein Ra vensberger Graf als Zeuge. Regelmäßig erscheinen die Grafen von Schwalenberg als Paderborner Hauptvögte und die Edel­herrn zur Lippe, häufig auch die Grafen von Everstein.

Thönes Vorstellungen scheitern schon daran, daß die Gehrdener Teilvogtei überhaupt erst nach 1226 an die Grafen von Ravensberg gekommen sein kann. Denn bei der erwähnten Teilung von 1226, Mai 123

, werden nur die Neuenheerser Teilvogtei über die Freien zu Wetter und die Borghorster Vogtei genannt, nicht aber die Gehrdener Vogtei, auch nicht die Schildescher Vogtei, die die Grafen - vermutlich auch die Gehrdener Teilvogtei - erst 1244 erhalten haben" von den Paderborner Bischöfen, von denen beide lehnrührig waren.

Thöne irrt auch bzw. drückt sich unpräzise aus, wenn er schreibt (S. 48), Graf Ludwig habe die Vogtei über die Gehrdener Höfe 1248 dem Kloster

20 W. Thöne: Soziologische Untersuchungen über die einstigen Edel-Herren v. Brakel im Kreise Höxter i. W. In: WZ 93 (1937), S. 39-78; hier im besonderen die Seiten 48, 49, 50, 68, 69.

21 WUB II, 242; von Kl. Honselmann (Von der Carta Zur Siegelurkunde [1939, Neudruck 1970], S. 162 ff .) als Fälschungen aus der Zeit kurz vor 1240 - »kurz vor 1140" (5. 166) ist It. frd!. Mitteilung von Herrn Prof. Honselmann ein in beiden Drucken leider stehen gebliebener Druckfehler - nachgewiesen.

22 Die sogenannte Gehrdener Gründungsurkunde von 1136 (WUB II, 219) und die Urkunde von 1146 (WUB II, 256) sind ebenfalls Fälschungen (Honselmann a. a. 0.).

23 WUB III, 229; Bielefelder VB 9. 24 WVB IV, 331.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 120, 1970 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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wieder »verkauft«. Graf Ludwig hat lediglich darauf verzichtet, wahrschein­lich auf seinem Totenbette und bedrängt von geistlichen Mahnern; denn seine Erben und Nachfolger haben den Verzicht nicht anerkannt. Die kurz darauf wiederholte Verzichterklärung seiner Witwe Adelheid war ohnehin von geringem Wert.

Wenn Thöne ferner glaubt, Wernos Frau Beatrix habe über die 4 frag­lichen Höfe verfügen können, wie sie über »den Zehnten von Selmenchusen im Ravensbergischen« im Jahre 1155 verfügt hatte25

, so ist das ebenfalls ein Fehlschluß. In der Urkunde ist natürlich nicht gesagt, daß Selmenchusen »im Ravensbergischen« liege, eine Benennung, die für die Zeit von 1155 auch völlig verfrüht gewesen wäre. Tatsächlich liegt, besser: lag ein Ort Salming­husen der Vita Meinwerci, die spätere Wüstung Seimenhausen, beim Dören im Paderbornischen26

• Außerdem ist an der betreffenden Stelle der Urkunde nur von der Frau eines Werner und ihren Kindern Werner und Hermann die Rede. Der Zuname des Mannes und der Vorname der Frau werden nicht genannt. Auf diese Basis wird dann die Behauptung gegründet, der zweite Sohn Hermann trage den Namen seines Großvaters mütterlicherseits, des Grafen Hermann von Calvelage-Ravensberg (1115-1143)27.

Entgegen den Thesen Thönes ist also keineswegs bewiesen, daß die 4 zu­erst genannten Höfe der Schenkung von 1173 ehemaliges ravensbergisches Eigentum gewesen sind. Bewiesen ist vielmehr das Gegenteil! Die Höfe sind nicht altes Eigentum der Grafen von Calvelage-Ravensberg gewesen. Da die Schenkungsurkunde von 1173 keine lehnsherrliche Genehmigung enthält, wäre das Schenkungsgut ehestens als Allod anzusprechen. Und Werno von Brachs Frau Beatrix ist nicht eine Gräfin von Ravensberg gewesen.

Die Frage, ob Werno von Brach, wie Giefers meinte'·, zur Familie der Edelherrn von Brakel nicht gehört hat, überhaupt nicht edel war und kinder­los blieb, oder ob er nach Thöne ein echter von Brakel war, Sohn des Heinrich von Brakel, des Gründers des Klosters Gehrden, und daß dieser Heinrich ein geborener Schwalenberg war", mag hier wenigstens berührt werden.

Die Urkunde von 1173 bezeichnet den Werno von Brach nicht als nobilis; er sei lediglich, sagt sie, »sicut honestis sic eciam religionis parentibus ortus«

25 Gründungsurkunde des Klosters Hardehausen ; gedr. Schaten, Annal. Paderborn., ad annum 1155. Der Bischof schenkt in der Urkunde: »Itemque aliam decimam ex attinentiis loci illius (sc. Selmenchusen), quam uxor Werneri eiusque filii Wernerus, Hermannus pro remedio animarum ipsarum omnium in manus nostras tradiderunt.«

"" H . Schneider: Die Ortschaften der Provinz Westfalen bis zum Jahre 1300 (1936), S. 114. Vgl. auch WZ 119 (1969), S. 334, Nr. 18. - Der in derselben Urkunde genannte Ort Engere ist nicht das ravensbergische Enger, sondern Engar, Kreis Warburg.

27 Richtiger: 1141. Er nannte sich nur »von Calverlage«. Erst sein Sohn OttO I. hat den Namen »von Ravensberg« angenommen. Graf Hermanns IH. Frau soll die ebenfalls als existent nicht nachzuweisende Judith von Zutphen gewesen sein. Hätte es eine Beatrix von Ravensberg gegeben, müßte sie eine Schwester Graf Ottos I. gewesen sein.

28 Gie/ers, in: WZ 37II, S. 94, 97 f. 20 Thöne a. a. 0., S. 43 f.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 120, 1970 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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und seine Frau Beatrix sei »tarn genere quam moribus egregia«. Thöne (5. 49) glaubte, diese Qualifikation mit Nobilität in etwa gleichsetzen zu dürfen. Das geht aber schwerlich an, wenn man bedenkt, wie präzise das hohe Mittel­alter in der Bezeichnung von Standes bestimmungen gewesen ist. Daß die Eheleute Werno und Beatrix, im Gegensatz zu Thönes Meinung, kinderlos waren, scheint auch die Bemerkung der Urkunde, sie haben ihre Güter ledig­lich »consensu legitimorum heredum suorum« dem Kloster übergeben, zu bestätigen. Hätten sie Kinder gehabt, wären diese an dieser Stelle, wie es Brauch war, mit Namen genannt worden.

Die angebliche Gründungsurkunde des Klosters Gehrden vom Jahre 11423•

sagt: » ... ipse (seil. Heinricus de Gerdenen) ... Gerdenen coenobium con-struxit ... heredibus suis, Meregarde sorore sua, et filiis eius Wernone, Gode-frido et Basileo, hoc postmodum bona voluntate collaudantibus ... et ... assencientibus<(. Demnach wären Werno, Gottfried und Basileus Söhne der Meregard31 • Thöne hingegen (5. 40, 44) läßt sie schon an dieser Stelle als Söhne des Heinrich von Gehrden auftreten. Nachträglich (5. 44 ff.) begründet er diese Filiation mit lehnsrechtlichen Besitzfolgen. Sie sind aber nicht stich­haltig, treffen z. B. nicht zu für den Zehnten von Valhusen, überspringen zu große Zeiträume und überzeugen jedenfalls keineswegs so, daß damit »ab­solut« feststünde, daß der Werno dieser - gefälschten - Urkunde von 1142 und Werno von Brach »eine und dieselbe Person sind«.

Zusammen mit seiner Frau Beatrix, die 1173 erstmalig genannt wird, ist Werno von Brach in das Kloster Gehrden eingetreten, »se .,. in eodem coenobio vivum hole caustum Deo obtulit«, wie die Urkunde von 1173 sagt. In Gehrdener Urkunden kommt Werno seit dieser Zeit anscheinend nicht mehr vor. Ein Schwalenberger Lehnsträger gleichen Namens vom Jahre 117732 ist schwerlich noch mit dem Klosterbruder Werno identisch, und der mehrfach als Zeuge auftretende Werner de Brakel33 wird unter den Mini­sterialen genannt. Beatrix aber ist zur Leiterin des Klosters, zur Priorissa, aufgestiegen" .

3. WUB Ir, 242. 31 So schon !>feyer, in: Wigands Archiv IV, S. 71. Auch Honselmann (a. a. 0., S. 164,

Anm. 61) hat Thönes übersetzung als falsch zurüdigewiesen, außerdem betont, daß diese Angaben aus einer Fälschung des 13 . .T ahrhunderts stammen.

32 WOB Ir, 392. 33 WUB Ir, 460, 506, 566 . .. Das beweist eine dem erst 1575 (nach einer alten Vorlage) geschriebenen Neerolog

des Klosters Gehrden vorgeheftete alte Originalnotiz (einige Jahre nach 1200 ge­schrieben) der genannten Priorissa. Sie bekundet darin eine Kleiderzuwendung an die Nonnen, will aber auch die Erinnerung daran festhalten »Quod ego supra­dicta Beatrix eum dileeto meo Wernone utpote maritali thoro michi copulato intuitu divine retributionis saeculo renuntians hec predia cum suis redditibus domino deo et sanete Marie eondonavi« ... Im weiteren Text heißt es: De hiis redditibus a die obitus iam domini Wernonis usque ad praesens tempus tarn fratres quam sorares qualecumque vestimentorum partiunculam singulis annis perceperunt. Verum huius tarn solempnis donationis institutio inchoata est anno dominice incarnationis Mo. CCo, quo anno iste domine suas partiones vestiurn aeeeperunt.« Vgl. Wilmans, Add. Nr. 85 (frdl. Mitteilung von Herrn Prof. Hon­selmann).

Quelle: Westfälische Zeitschrift 120, 1970 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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Zu bemerken bleibt noch, daß nach Thöne (S. 69) noch eine weitere, bisher unbekannte und ungenannte ravensbergische Grafentochter - sie wäre, Judith von Zutphen und die Riesenbecker Reinhild3s mitgezählt, die vierte - Sophie, Tochter Graf Ottos Ir. und seiner Gattin Sophie von Oldenburg, »dagewesen sein könnte«. Thöne glaubte sie annehmen zu dürfen anscheinend gemäß dem bei Genealogen einmal beliebten Leitsatz, daß im mittelalterlichen hohen Adel der Vater seinen Vornamen auf den zweiten Sohn seiner Tochter ver­erbte, was allerdings auf den vorliegenden Fall nicht paßt; denn Graf Hein­rich von Oldenburg (Schwiegervater des Grafen Otto Ir. von Ravensberg), der seinen Vornamen auf Heinrich von Everstein, den zweiten Sohn Her­manns von Everstein und seiner Gattin, der fingierten Sophie von Ravens­berg, vererbt haben soll, wäre nicht der Großvater des Heinrich von Ever­stein gewesen, sondern sein Urgroßvater. Diese Sophie kann nicht existiert haben. Im Jahre 1238 hatten Otto Ir. von Ravensberg und Sophie von Oldenburg nur ihre eine Tochter Jutta, wie die bekannte Eheberedung dieser Jutta mit dem Junggrafen Heinrich von Tecklenburg dieses Jahres" aus­drücklich vermerkt: Sollte Jutta vor Vollziehung der Ehe sterben, würde der verabredete Ehemann, Junggraf Heinrich, eine andere Tochter Graf Ottos heiraten, wenn diesem noch eine geboren werden sollte37 . Wäre nach 1238 wirklich noch eine Tochter Sophie geboren - etwa um 1240; Graf Otto, der präsumptive Vater, ist 1244 gestorben -, nähme es wunder, daß in zahl­reichen Urkunden der Folgezeit, in denen Mutter Sophie und Tochter Jutta nach dem Tode Ottos gemeinsam handeln und in denen es zum Teil um bedeutende Vermögenstransaktionen geht3B, niemals eine Tochter Sophie mit­genannt wird. Wäre sie dennoch »dagewesen« und hätte den Grafen Her­mann von Everstein geheiratet, wäre sie gleichaltrig mit ihrem ältesten Sohne Otto gewesen, der, wie Thöne mitteilt (S. 68), ebenfalls »etwa 1240« geboren sein mUß3'.

Schließlich hat Thöne (S. 69, Anm. 110) noch einen Irrtum Fahnes über­nommen. Danach'· soll die Tochter Sophie des Grafen Ludwig von Ravens­berg, Graf Ottos Ir. Bruders, mit dem Edelherrn Hermann von Holte (1244 bis 1271) verheiratet gewesen sein. Sie war aber mit dem Edelherrn Bern­hard IH. zur Lippe verheiratet. Ludwigs zweite Tochter Jutta - beide Töch­ter müssen aus seiner ersten Ehe mit Gertrud, wahrscheinlich einer geborenen Lipperin, stammen - war mit Graf Heinrich von Hoya (1244-1282) ver­heiratet41

35 H. Hüffmann: Reinhild und die Riesenbe.xer Kirche. Bemerkungen zu den Auf-sätzen von A. Rosen und A. Hagemann. In: Ravensberger Blätter 1970, S. 118 f.

36 Osnabrü.xer UB II, 370. 37 .si comes Otto de Ravensberge aliam generaret«. 3B Osnabr. UB II, 476, 477, 491, 532; III, 3, 55 von 1246 bis 1252. 3. Eine Notiz aus dem Jahre 1235 (Osnabr. UB II, 333), nach der Mechthild, Witwt

des Grafen Heinrich von Everstein, und ihre Kinder von dem Grafen Otto II. von Ravensberg einen Hof in Bersenbrü.x zu Lehen trugen, kann zu dieser Frage nichts beisteuern.

4. Fahne: Westf. GeschI., Tafel Holte. 41 W. v. Hodenberg: Hoyaer UB I, Stammtafeln und Nachweise vor dem Text.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 120, 1970 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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Vermerkt werden möchte noch - es ist dem Vf. erst während der Druck­legung dieses Beitrages zu Gesicht gekommen -, daß vor etwa 40 Jahren versucht worden ist, die Stammtafeln der Grafen von Ravensberg sogar um eine fünfte Pseudogräfin zu bereichern. Es sollte Embsa sein, die letzte, verwitwete "Gräfin von Recklinghausen«. Sie wäre in zweiter Ehe mit dem Grafen Otto 1. von Ravensberg verheiratet gewesen. Pennings hat diese These zurückgewiesen" und die Beweisführung ihres Erfinders als zwar "geistvoll, aber leider etwas phantastisch « bezeichnet.

Bemerkt sei endlich, daß Thönes Vorstellung von einer Burg in Brake bei Bielefeld noch vor kurzem Glauben gefunden hat". Letzte Zweifel an der Identität der munitio Brach mit dem Meyerhof Brackmeyer in Brake dürften durch die Mitteilung Schatens zum Jahre 1321" behoben werden.

42 Vestische Zeitschrift 36 (1929), S. 9. 43 VgJ. Lippische Mitteilungen 29 (1960), S. 52 . •• VgJ. Anmerkung 6.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 120, 1970 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org