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P. I. PAETZOLD, Zur Kenntnis von Diphenylborazid 53 Beitrage zur Chemie der Bor-Azide. III) Zur Kenntnis von Diphenylborazid Von PETER I. PAETZOLD Inhaltsubersicht Diphenylboraxid'bildet sich aus Ph,BCl und LiN, in Benzol als eine uirt,er LnftaiisschluB bestandige Flussigkeit, die oberhalb 100" N, abspaltet und dabei in Tetraphenyldibordi- nitritl iibergeht. Summary Diphenylboron azide can be prepared from Ph,BCl a.nd LiPi, in benzene. This liquid is stable if protected against air, but decomposes above 100°C: into Xz and Ph,B,N,. Darstellung und Eigenschaften yon Diphenylborazid Beim inehrtagigen Riihren von Ph,BCI mit LiN, in siedendeni Benzol bil- det sich Ph,BN, als eine im Hochvakuum bei l 10" unter teilweisem Zerfall destillierbare, klare, farblose Flussigkeit in einer Busbeute bis zu sayo. Das Destillat ist chloridfrei und enthalt demnach kein unumgesetztes Ph,BCI, das - im Hochvakuum ebenfalls bei 110" ubergehend - hatte schwer abge- trennt werden konnen. AuSer im Siedeverhalten ist Ph,BN, als Bor-,,pseu- dohalogenid" dem Ph,HCI auch in anderen Eigenschaften verwandt. So unter- liegt es an der Luft rascher Hydrolyse zu Ph,BOH und HN,. Bei der Ein- wirkung von Sauerstoff wird allmahlich die Bor-Phenyl-Bindung oxydiert. I n abgeschlossenen GefailJen unter N, ist die Suhstanz jedoch beliebig haltbar. Zur Charakterisierung kann neben direkten analytischen Methoden die quantitative Bildung eines kristallinen, wohldefinierten iind luftbestandigen I'yridinaddukts der Formel Ph,BN, . Py bei Zusatz von Pyridin zu einer Lo- sung von Ph,BN, in Cyclohexan herangezogen werden. Das linienreiche IR- Spektrum spricht fur gcringe Symmetrie ; ohne weiteres zuzuordnen ist neben einigen Phenylbanden die Bande der asymmetrischen hid-Valenzschwin- gung bei 2120 cm-I. 1) I. Mitt., vgl. P. I. PAETZOLD, 2. anorg. allg. Cbeni. 326, 47 (1963).

Beiträge zur Chemie der Bor-Azide. II. Zur Kenntnis von Diphenylborazid

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P. I. PAETZOLD, Zur Kenntnis von Diphenylborazid 53

Beitrage zur Chemie der Bor-Azide. III)

Zur Kenntnis von Diphenylborazid

Von PETER I. PAETZOLD

Inhaltsubersicht Diphenylboraxid'bildet sich aus Ph,BCl und LiN, in Benzol als eine uirt,er LnftaiisschluB

bestandige Flussigkeit, die oberhalb 100" N, abspaltet und dabei in Tetraphenyldibordi- nitritl iibergeht.

Summary Diphenylboron azide can be prepared from Ph,BCl a.nd LiPi, i n benzene. This liquid

is stable if protected against air, but decomposes above 100°C: into Xz and Ph,B,N,.

Darstellung und Eigenschaften yon Diphenylborazid

Beim inehrtagigen Riihren von Ph,BCI mit LiN, in siedendeni Benzol bil- det sich Ph,BN, als eine im Hochvakuum bei l 10" unter teilweisem Zerfall destillierbare, klare, farblose Flussigkeit in einer Busbeute bis zu sayo. Das Destillat ist chloridfrei und enthalt demnach kein unumgesetztes Ph,BCI, das - im Hochvakuum ebenfalls bei 110" ubergehend - hatte schwer abge- trennt werden konnen. AuSer im Siedeverhalten ist Ph,BN, als Bor-,,pseu- dohalogenid" dem Ph,HCI auch in anderen Eigenschaften verwandt. So unter- liegt es an der Luft rascher Hydrolyse zu Ph,BOH und HN,. Bei der Ein- wirkung von Sauerstoff wird allmahlich die Bor-Phenyl-Bindung oxydiert. I n abgeschlossenen GefailJen unter N, ist die Suhstanz jedoch beliebig haltbar. Zur Charakterisierung kann neben direkten analytischen Methoden die quantitative Bildung eines kristallinen, wohldefinierten iind luftbestandigen I'yridinaddukts der Formel Ph,BN, . Py bei Zusatz von Pyridin zu einer Lo- sung von Ph,BN, in Cyclohexan herangezogen werden. Das linienreiche IR- Spektrum spricht fur gcringe Symmetrie ; ohne weiteres zuzuordnen ist neben einigen Phenylbanden die Bande der asymmetrischen hid-Valenzschwin- gung bei 2120 cm-I.

1) I. Mitt., vgl. P. I. PAETZOLD, 2. anorg. allg. Cbeni. 326, 47 (1963).

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54 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 326. 1963

Thcrmischer Zerfall von Diphenylborazid

Schon h i m Destillieren von Ph,BN, macht sich oberhalb 110" eine N,- Entwicklung bemerkbar. Bei 170" betragt die RG-Konstante der nach I. Ordnung verlaufenden K,-Abspaltung ki7' = 7,58 . s-l bei einer Halbwertszeit von 15,2 Minuten. Bei zweistundigem Erhitzen im abge- schlossenen Rohr auf 190" bildet sich genau 1 Mol N, pro Mol Azid. AuSer N, entsteht kein im Hoclivakuum fluchtiges Produkt. Im Bombenrohr bleibt ein zunachst glasiger, gelber Korper zuriick, der beim Stehenlassen unter N, durchkristallisiert. Er 1aBt sich bis 210" nicht sublimieren ; oberhalb 210" beginnt er, sich unter N,-Entwicklung zu zersetzen. In allen laboriiblichen organiachen Losungsmitteln ist er gut loslich, so daS keine Reinigung durch Umkristallisieren zu erzielen ist. Die gelben Kristalle sind auflerordentlich luftempfindlich und kiinnen unzersetzt nur unter reinem N, aufbewahrt werden. Bei Zutritt von 0, farben sich die Kristalle rot und nehmen schmie- rige Konsistenz an. In warmer Natronlauge losen sie sich mit violetter Farbe. Die analytische Zusanimensetzung entspricht der Formel Ph,BN, wie zufolge der Stochiometrie der N,-Abspaltung auch zu erwarten war. Das Molekular- gewicht in Benzol genugt der Formel (Ph,BN),. Das IR-Spektrum enthalt neben den die Phenylreste kennzeichnenden Banden die fur BN-Bindungen mit Doppelbindungscharakter eigenturrliche breite Absorption bei 1365 em-l. Das UV-Spektrum zeigt beim Anstieg zum Maximum der inten- siven Phenylabsorption eine wenig intensive, weitgezogene Schulter, die ein Maximum bei etwa 270 mp andeutet : langwellige Randbereiche dieser Ab- sorption sind offenbar fur die gelbe Farbe der Verbindung maagebend.

gchiillt. Naheliegend ware es, die Verbindung als Azobisdiphenylbor Die Rt: uktur des Tetraphenyldibordinitrids (Ph,BN), ist noch in Dunkel

P h - - ,Ph

Ph '\Ph ,R--K-PI'--Ri

mit linear gestreckter B-N-N-B-Kette anzusehen : der lineare Bau bote den koordinativen Doppel bindungen zivischen den (sp)-hyhridisierten N- und den (sp2)-hybridisierten B-Atomen die beste cberlappung. Gegen die Struktur einer Azoverbindung spricht, daR bei der Verseifung mit verdiinn- ter Salzsaure bei 130" im EinsckluBrohr unter Luftausschlufi kein N, und kein Hydrazin gebildei werdeii ; eine Disproportionieriing in N, und N,H, bei der sauren Verseifung ist den meisten Azoverbindungen eigentumlich. Fer - nerhin eiitsteht bei vorsichtiger alkalischer oder saurer Verseifung keine Di- phenylborsaure. dereri Bildung gefordcrt werden miifite, wenn nicht die BK-Bindung g anz ungewohnlich solvolysebestdndig ware.

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Eine weitere Strukturmoglichkeit, namlich ein Vierring der Form

Phi Ph \B-N/

ist wahrscheinlicher, da bei der Verseifung Anilin und Phenylborsaure ge- bildet werden; diese Produkte entstehen auch bei der Verseifung des ana- log gebauten Sechsrings Hexaphenylborazol ,). Im Bereich der ,,klassischen Bindungen" sind andere Strukturmoglichkeitn passender Stochiometrie mie die gezeichneten kaum denkbar. Weitre Versuche zur Aufklarung der Struktur von Tetraphenyldibordinitrid sind im Gange.

Es sei noch bemerkt, da13 nicht nur thermische Beanspruchung den Zer- fall von Ph,BN, veranlaflt, sondern auch die Einwirkung von UV-Licht. So entwickelt sich bei einstiindiger Bestrahlung mit intensivem UV-Licht bei 40" Mol N, pro 8101 Azid.

Experimenteller Teil 1. D i p h e n y l b o r a z i d . Die Darstellung von BC13 und trockenem LiK3 wurde in der

I. Mitteilung beschriebenl). Zur Darstellung von Ph,BCl wurden in einem Rundkolben zu 40 g Tetraphenyldiboroxid 13,7 g BC13 kondensiert ; die nach dem Auftauen angcfallene gallertartige Masse w i d e am Hochvakuum destilliert, die Fraktion 95-116" crgab bei nochmaliger Destillation bei 109-110" 16 g PhlBCl (690/, d. Th.) als reines, in der Vorlage beim Stehen kristallisierendes Produkt (C1-Gehalt gef. 17,2%; ber. 17,5%) ; Tetraphenyl- diboroxid war ails Diphenylbor-p-aminoathoxid bereitet worden3). Zur Azidierung von Ph,BCl wurden 0,2 g des Chlorids in trockenam Benzol galiist, 6 g LiN, xugesetzt und die Suspension unter Spulung mit trockenem N, bei magnetischer Riihrung 70 Stunden am RiickfluD gehalten. Dann wurde von Li-Salzen filtriert, das Filtrat im Wasserstrahlvakuum cingeengt und anschlieWcnd im Hochvakuuin destillicrt, wobei die Hauptmenge zwischen 110" und 115" uberging. Wkhrend des Destillierens wurde eine N,-Entwicklung beobachtet, die entstandenen Zerfallsprodukte hemmten den Siedevorgang und machten eine zuneh- mend hohere albadtemperatur notig, die wieder zu verstsrkter N,-Entwicklung fuhrte; inoglichst rasches Destillieren forderte die Ausbeute. Bei dem hier beschriebenen Standard- Ansatz entstanden 4,9 g Ph,RN,, d. i . 527; d. Th. Zum Lagern wurde die Suhstanz in ge- Tvogene, mit N, gefiillte Glasriihrcheu mit Kapillaransatz gezogen und der Kapillaransatz a bgeschmolzen.

Die N-Analyse wurde azotometrisch nach DUMAS ausgefuhrt : gef. 20,6%; ber. 20,30%. TYcgen Schwierigke n hei der Einwaage der empfindlichen Fliissigkeit zum Zwecke einer inikroanalytischen CH-Bcstimmung war fur die weitere Charakterisierung der Substanz die qmntitative Bildung eines definierten Pyridinderivats von Nutzen: '0,310 g Ph,BN3 wurden i n 50 ml trockenem Cyclohexan gelost und tropfenweise 0,2 ml trockenes I'yridin zugesetzt ; der dabei entstehende feinkristalline Niederschlag wurde filtriert, getrocknet und gewogen: ('1,403 g, d. i. 94% der erwarteten Menge, wenn der Niederschlag der Formel Ph,BNT,. Py

,) P. I. PAXTZOLD, Z. anorg. allg. Chem. 326, 58 (1963). (111. Mitt.). s, R. L. LETSIXG~X u. I. SKOOC, J. Amer. chem. Soc. ii, 2491 (1955).

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geniigt,e. 4us Benzol lie13 sich das Pyridinaddukt in Form farbloser quadratischer Platten gewinnen. Zur B-Analyse wurde das umgefallte Pyridinat in heiBer, alkalischer Peroxid- Losung verseift, das Peroxid verkocht und Bor nach dem Mannitverfahren titriert ; die N-, C- und H-Bestiminung wurde durch mikroanalytische Verbrennung ausgefuhrt ; das Molekulargewicht ergab sich kryoskopisch in Benzol.

Ergebnisse: B gef.: 3,4176; ber.: 3,799; N gef.: 19,60,6; ber.: 19,55% C gef.: ' 71,31%; ber.: 71,357; H gef.: 5,56%; ber.: 5,28?6

Mol-Gew. gef. : 282 ; ber. : 286,16.

Die Produkte der Hpdrolyse yon PhzBN3 sind HN, und Ph,BOH; HNa wurdc am stechenden Geruch und durch Bildung eines roten Komplexes rnit Fe3--Ion erkannt, PhzBOH wurde durch Darsteliung des charakteristischen Aminoathanolesters, Fp . 190" (Literaturwert : 189-190') 3), nachgewicsen. Das 1R-Spektrum wurde von einem Kapillar- film der ungelostcn Substanz mit eidem PERKIN-ELMER-Infracord-Gerat ailfgenommen.

Zur Messung der Kinetik des Zerfalls wurde Ph,BN3 in Napht,halin gelost und in einem mit 61 beschickten Thermostaten auf 170' erhitzt. Die Menge an entstandenem PIT, wurde an einem thermostatisierten Azotomet,er zunachst, alle 2, spiter alle 5 und dann alle 10 Mi-

nuten abgelesen bis der konstante Volumenendwert V, erreicht war. Die Werte von log --o.- -

stiegen linear mit der Zeit. Aus dem graphisch ermittelten Steigungsfaktor wurde die RG- Konstantc und die Halbwertszeit berechnet,.

Zur Untersuchung der UV-Bestandigkeit wurden 2,196 g Ph,BK, in 300 ml trockenem Toluol gelost, die intensiv grruhrte Losung auf 40" t~hermostatisiert und mit einer Ein- tauchquarzlampe (300 Watt) 72 Minuten bestrahlt. In einem angcschlosscnen Volumeter wurden 2,65 mMol Nz aufgefangen, d. i. 240/6 eincr Abspaltung von 1 Mol Nz pro 8101 Azid.

2. Te t raphenyld ibord in i t r id . 0,469 g l'h,BN, wurden unter Luft.ausschluI3 in einem Bombenrohr 2 Stunden auf 190" erhitzt uncl das Rohr dann unter Vakuum geoffnet,; es waren, wie mit der Toimm-Pnmpe bestimmt wurde, 2,28 mMol ?vTz entstanden, d. i . 100,50/, einer Abspaltung von 1 Mol N, pro Mol Azid. Rei einem analog durchgefiihrten Versuch, bei dem aber das Rohr 1 2 Stunden auf 370" erhitzt worden war, entwickelten sich 1,31 Mol N, pro Mol Azid bei einer maximal moglichen Menge von 1,6 Nol. Dcr gelbe Bombenrohrruckstand wurde -- in Cyclohexan gelost ~ unter LuftaussehluB in einen Kolben mit Stickst,off-Einleitungsansatz ubergefuhrt, ails dem nach Entfernung des Lo- sungsmit,tels die Substanz unter N,-Spiilung zur Weiteruntersuchnng entnommen werden konnte. Zur mikrosnalytischen N-, C- und H-Bestirnmung warcn Einwaagen unter sauberem N, notig, ebenso bei der Einwaage und Durchfuhrung der kryoskopischen Molekularge- wichtsbestimmung in Benzol.

v v, -- v

Ergebnisse: N gef.: 8,05'jb; ber.: 7,82O,b C gef.: 78,35%; ber.: 80,50% H gef.: 5,79y0; ber.: 5,6R%

Mol-Crew. gef.: 345; ber. : 358,08.

AnschlieBend an die saure Verseifung im Bombenrohr unter LuftausschluD bei 130" wurde vermcht, den erwarteten Stickstoff nach dem ToPLER-Verfahren mi bestimmen : es war kein N, entstanden; im salzsauren Hydrolysat lieB sieh mit p-Dimethylamino- benzaldehyd kein Azin als charakt,eristisches Hydrazinderivat bereiten. Ph,BOH lie0 sich als Produkt dcr Vcrseifiing in kalter SalzsLure bzw. in kalter Natronlauge mit der rlmino-

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athanolester-Methode nicht nachweisen. Zum Nachweis von Anilin im Atherextrakt der alkalischen Losung von Ph,B,N, wurden Acetanilid und Diphenylthioharnstoff als charakteristische Derivate dargestellt.

Das IR-Spektrum wurde mit einem PERKIN-ELMER-SpektrOmeteP Model1 21 in Nujol- Hostaflon-Suspension, das UV-Spektrum mit einem PERKIN-ELnf ER-Spectrocord-Gerat in Cyclohexan-Losung aufgenommen.

Miinchen, Institut fur Anorganische Cheinie der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 18. Januar 1963.