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240 'Heitrage zur Kenntuiss der sogenannten falschen Chinarinden. Beitrlge ziir Kenntiiiss der sogenaiiiiten falsclien Chinarinden. Von F. A. Fluckiger.') I. China alba von Payta. Herr Dr. 0. H e s s e hat in dieser unter den1 Namen Quina blanca uber Payta, den nordlichsten und besten Hafen Peru's, ausgefuhrten Rinde das interessante Alkaloiid Paytin, C21H24N20 + H20 entdeckt, welches sich bestimmt von den echten Chinabasen nnterscheidet; es betragt nahezu 2 1/2 Procent der Rinde. "") Auch jene Payta- Rinde selbst , wovon ich eine Probe Herrn Hcsse verdanke, gleicht einer Cinchona- Rinde keineswegs, Sie besteht aus Bastplat- ten von ungefahr 30 Centimeter Lange, 6 Centim. Breite, bei etwa 5 bis 8 Millim. Dicke. Ihre gelblich weisse Farbung ist bedingt, wie schon die Loupe darthut, durch sehr zahl- reiche gelbe Bastrohren , welche in weisslichem Parenchym eingebettet sind. Die Rinde ist sehr miirbe nnd bricht auf- fallend fadig. Zerreibt man die Bastbiindel zwischen den Fingern, so erhalt man leicht die reinen Bastrohren frei von Parenchym j sie sind von einfach spindelformiger Gestalt, nicht verzweigt, haufig 3 bis gegen 5 Millirneter lang. Der Querschnitt lehrt, dass diese Bastrohren ausserordentlich zahlreich und sehr gleich- massig durch das ganze Bastgewebe vertheilt sind. Ihre Masse darf wohl auf die Halfte, wenn :nicht mehr , des ge- sammten Bastes geschatzt werden, betrlgt also mehr als in den meisten unbedecktcn Chinarindcn. Rei stiirkerer Ver- grosserung ist eine bestimmte Anordniing dieser Bastrohren in der China blanca wedcr in radialer, noch in tangentialer Richtung zii unterscheiden. Sic treten fast immer vereinzelt A e 11 ss e r e Be s c h affenh e i t. Mikroskopischer Bau. *) As Separatabdruck nus den1 iieucii Jalirbuchc f. Pharmacie vom **) Annal. d. Ch. u. Pharm. 154 (1870) 287-293; auch Wiggers- Herrn Verfasser erhalten. H. L. Husemann'scher Jahresbericht 1870. 140.

Beiträge zur Kenntniss der sogenannten falschen Chinarinden

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240 'Heitrage zur Kenntuiss der sogenannten falschen Chinarinden.

Beitrlge ziir Kenntiiiss der sogenaiiiiten falsclien Chinarinden.

Von F. A. Fluckiger . ' )

I. C h i n a a l b a v o n P a y t a .

Herr Dr. 0. H e s s e hat in dieser unter den1 Namen Q u i n a b l a n c a uber Payta, den nordlichsten und besten Hafen Peru's, ausgefuhrten Rinde das interessante Alkaloiid Paytin, C21H24N20 + H 2 0 entdeckt, welches sich bestimmt von den echten Chinabasen nnterscheidet; es betragt nahezu 2 1/2 Procent der Rinde. "")

Auch jene Payta- Rinde selbst , wovon ich eine Probe Herrn Hcsse verdanke, gleicht einer Cinchona- Rinde keineswegs, Sie besteht aus Bastplat- ten von ungefahr 30 Centimeter Lange, 6 Centim. Breite, bei etwa 5 bis 8 Millim. Dicke. Ihre gelblich weisse Farbung ist bedingt, wie schon die Loupe darthut, durch sehr zahl- reiche gelbe Bastrohren , welche in weisslichem Parenchym eingebettet sind. Die Rinde ist sehr miirbe nnd bricht auf- fallend fadig. Zerreibt man die Bastbiindel zwischen den Fingern, so erhalt man leicht die reinen Bastrohren frei von Parenchym j sie sind von einfach spindelformiger Gestalt, nicht verzweigt, haufig 3 bis gegen 5 Millirneter lang.

Der Querschnitt lehrt, dass diese Bastrohren ausserordentlich zahlreich und sehr gleich- massig durch das ganze Bastgewebe vertheilt sind. Ihre Masse darf wohl auf die Halfte, wenn :nicht mehr , des ge- sammten Bastes geschatzt werden, betrlgt also mehr als in den meisten unbedecktcn Chinarindcn. Rei stiirkerer Ver- grosserung ist eine bestimmte Anordniing dieser Bastrohren in der China blanca wedcr in radialer, noch in tangentialer Richtung zii unterscheiden. Sic treten fast immer vereinzelt

A e 11 ss e r e B e s c h a f f e n h e i t.

M i k r o s k o p i s c h e r Bau .

*) As Separatabdruck nus den1 iieucii Jalirbuchc f. Pharmacie vom

**) Annal. d. Ch. u. Pharm. 154 (1870) 287-293; auch Wiggers- Herrn Verfasser erhalten. H. L.

Husemann'scher Jahresbericht 1870. 140.

13eitragc zur Iienntniss der sogenannten falschen Chinarinden. 241

auf oder doch nnr xi1 wcnigen genahert in kleinen Gruppen. Der Querscliniit der BaPtrohren entspricht demjenigen der in den echten Chinarinden vorkommenden in Betreff der Form, Griisse und der fichichtung sehr nahe.

Auch in der China blanca sind die B a s t r o h r e n v o l l - k o m m e n v e r h o l z t , so dass kein Lumen oder doch nur eine geringe Spelte iibrig bleibt. Bekanntlich zeigen die bis jetzt untersuchten sogenannten falschen Chinarinden offene Bastrohren. Diirfen wir die vorliegende weisse Chinarinde ebenfalls den falechen Chinarinden beizahlen , wie es wohl wahrscheinlich ist, so ist sie also sehr bemerkenswerth durch die Uebereinstininiung ihrer Bastrohren mit denjenigen der wahren Fieberrinden. Hochstens kiinnte man hervorheben, dass die Bastrohren der China blanca langer und mehr cylin- drisch, seltener primatisch sind als die der (echten) Cincho- nen - Rinden. Doch sind diese so sehr unerheblichen Merk- male keineswegs durchgreifend. - Trotz ihrer Liinge und vollstandigen Verdickung besitzen die Bastrohren der China ldanca eine gewisse Weichheit und dringen nicht wie z. B. diejenigen der Calisaya in die Haut ein, selbst nicht beim Kauen. Dnrch kochende Xalilauge werden sie stark ange- griffen und blass griinlich gefarbt.

Dagegen crweist sich der Bast iinserer Payta -Rinde dadurch abweichend , dass jede Bastrohre begleitet ist von krystallfuhrendem Parenchym. Das hier ziemlich reichlich abgelagerte C a l c i u m o x a l a t bietet zwar nicht wohl Bus- gebildete Individuen dar, aber keineswegs nur das fur die echten Chinarinden, so weit meine Kenntniss reicht, charakte- ristische Krystallpulver , sondern jede jener Bastparenchym- zellen schliesst eineu einzigen Oxalatkrystall ein ; die’ krystall- fiihrenden Zellen sind stark an die Bastrohren angedriickt und haften fest daran. Wcrden letztere nach dem Kochen mit Kali vermittclst dcr Nadel isolirt, so zeigen sie haufig die Eindriicke der Krystallzellen des Rastparenchyms ; oft in Forin wunderlicher Hocker. Ansserdem finden sich in den Bastbiindeln Gitterzellen vor. Die wenig in die Augen fal-

Arch. d. Pharm. CXCIX. Bds. 3. H e f t . 16

242 Beitrage zur Kenntniss der sogeimimten falschen Chinarinden.

lenden Markstrahlen sind sehr schmal und bestehen aus einer oder zwei Zellenreihen.

Der parenchymatische Antheil des Bastparenchyms ausser den Krystallzellen ist mit S t a r k e m e h 1 k 6 r n e r n gefiillt, welche sich weder durch Grosse noch durch ihre Form beson- ders auszeichnen. Sie sind klein , von annahernd kugeliger bis unregelmassig tetraedrischer Form, einfach oder zusani- mengesetzt. Befeuchtet man diinne Schnitte dieser Rinde mit sehr verdiinnter Auflosung yon E i s e n c h 1 o r i d , so nimmt das Parenchym eine b l a u e bis violette Farbung an, welche durch die gelbe Farbe reichlicher zugesetzten Eisen- chlorids in Griin iibergeht. Doch ist diese Reaction sehr wenig intensiv, so dass der dadurch angezeigte Gerbstoff in nur sehr geringer Menge vorhanden sein kann. Durch Al- kalien wird die China blanca gelbgriinlich gefarbt. In geschlossener Rohre erhitzt , liefert sie nicht, wie die echten Chinarinden, ein sc,hon rothes Product, sondern einen braunen Theer.

G e s c h m a c k . Die Bitterkeit der Payta-Rinde zeigt einen bei den guten Chinarinden nicht vorkoinmenden unan- genehmen Beigeschmack.

V e r g 1 e i c h u n g m i t a n d e r n s o g en a n n t e n w e i s s e n C h i n a r i n d e n . Schon seit der Zeit von M u t i s ist von weissen Chinarinden die Rede. Eine solche wurde z. B. ab- gebildet von D e l o n d r e und B o u c h a r d a t , Quinologie 1854 Tafel 22 : Quinquina blanc, Nouvelle Grenade. Die blassere Figur rechts sieht der von Hesse untersuchten Payta-Rinde in Betreff der Farbe so sehr gleich, dass man auf den ersten Blick die Rinden fur identisch halten muss. Nur stimmt der Bruch nicht iiberein; es kann nicht wohl auf einer Nachlassig- keit des Zeichners beruhen, dass jene Figur keine Spur lang- faserigen Bruches darbietet , weil Delondre und Bouchardat dieses Merkmal sonst iiberall sehr genau beriicksichtigen. I m Texte (p. 40) schreiben sie ihrer weissen China ein dich- tes, feines Gewebe und so grosse Harte zu, dass sie Politur annetime; der Bruch sei wie bei Eschenholz beschaffen. Das alles passt ganz und gar nicht auf den Bau der Hesse’schen

Beitrage zur Keiintnivfi der sogcnannten thlschen Chinarinden. 243

Xinde. Xber noch mehr: die Rinde Delondre’s ist von P h o e b u s *) milrroskopisch untersucht worden. Er fand die Bastrohren (,, Bastfasern “) b l a s s g r i i n u n d d u r c h a u s w e i t m u n d i g , wahrend sie bei der Payta-Rinde gelb und geschlossen (verholzt) sind. Die Gesammtheit dieser so sehr abweichenden Angaben erhebt es uber alle Zweifel, dass die von Hesse untersuchte Rinde nicht die Delondre- Bouchar- dat’sche weisse China ist.

Die schon 1807 von 11 u m b o 1 d t **) charakterisirte Mu- tis’sche Quina blanca ist die Rinde der L a d e n b e r g i a m a - c r o c a r p a Klotzsch, welche Art K a r s t e n in der Flora Columbiae I (1859) Tab. XXI unter dem Namen Cinchona macrocarpa Vahl so schon abgebildet hat. Ueber die Binde selbst berichtete K a r s t e n in seiner Schrift : Die medicinischen Chinarinden Neu-Granada’s 1858, p. 10, 24 und 44. Dass er darin keine Basen gefunden, kommt hier nicht in Frage, hingegen lehrt die Betrachtung der von X a r s t e n entworfe- nen mikroskopischen Skizze Nr. 18 Taf. 11, dass die Rinde der L. macrocarpa ehenfalls Ton der Payta - Rinde abweicht. Wenigstens stellt K a r s t e n die Bastrohren der ersteren so streng radial geordnet und durch so ansehnliche Markstrah- len getrennt dar, dass das Bild mit meinen Schnitten aus der Hesse’schen Rinde ganz und gar unvereinbar ist. Der Unterschied ist so gross, dass er mir durch untergeordnete Verhaltnisse, wie etwa $ltersverschiedenheiten, nicht erklarbar erscheint.

Nach einer Aeusserung B e r g ’ s ***) ware jedoch die von Karsten skizzirte Rinde nicht mit Sicherheit von Ladenbergia macrocarpa abzuleiten. Die Berliner Sammlung besitzt aber die urspriingliche Quina blanca von Mutis sowohl am Pavon’s Sammlung als auch aus der Hand Howard’s. Ich bin nicht

*) Die Delondre - Bouchardat’schen China-Rinden. Giessen , 1864

**) Plantes Equinoxiales 67. s**) Die Chianrinden der pharmarognostiRcllea Sammlung zu %din

p. 55.

1866 p. 42. 16 *

244 Beitrago zur Keiiiitniss dcr sogciiaiintcii falschcn Chitlarinden.

in der Lage, die von B e r g ausgesprochenen Zu-eifel zu eriir- tern; es ist dies auch fur den vorliegenden Zweck gleichgiil- tig. Wenn nemlich Karsten's Bild der Quina blanca nicht niit der von Hesse untersuchten Rinde iibereinstimmt, SO ist dies noch weit weniger der Fall mit Eerg's Beschreibung. Der Bast seiner weissen China enthalt Steinzellengruppen, breite Markstrahlcn , vierseitige Bastbiindel und das Bastpar- enchym wird durch Aetzlaiige purpurn gefarbt. Ohne dicse Berg'sche Rinde zu sehen, wird jeder urtheilsfiihige Leser sic? fiir durcliaus von der obengeschilderten Payta - China verschie- den erklaren mussen.

S c h 1 u s s. Die wissenschaftlich nicht mehr geniigenden Reschrcibungen von weisser Chinarinde, welche sich noch da und $ort in pharmacognostischcn Schriften finden, z. B. bei G 11 i b o 11 r t ") oder &I a r t i n p, "%) scheinen mir auch nicht dafir zu spreclicn, dass die von Hesse untersuchte Einde schon friiher bekannt gewcsen sei. Ich komme daher zum Schlusse , diese durch ihren AllialoYdgehalt bemerkenswerthe Rincle sei eine neu auf dem Markte erschienene. Sollte sich meine Vermuthung bestitigen, dass sic ciner Cinchonee, aber nicht einer Cinchona angehort, so ware sie doppelt merkwiir- dig durch ihr um 1 Aeq. Kohlenstoff von Cinchonin abweichen- des Alkaloid und ilire spindt!lfiirmigen starken Bastrohren, welchc denen dcr echten Chinarinden so sehr Lhnlich sehen.

11. C h i n a c u p r e a .

Unter verschiedenen intcressanten Chinarinden, welche mir unlangst durch Herrn Dr. 0. He s s e vorgelegt wurcleii, zeichnet sich eine durch ihre lebhaft rothe Farbe und auf- fallende Dichte nus. Wer nur einigermaassen mit e c h t e n Chinarinden vertmut ist, wird diesc schon rothc Rinde nicht z11 jenen z8hlen. U r n so mehr iibcrraschte mich daher die Angabe des genannten Chemikers, dass sie ungefihr 1 I)(',

Beitriige ziir ICeiintniss dcr s o g e i ~ d e i i hlschen Chinnrinden. 2-15

Chinin cnrhnite, ein Befund, dor inicli zn niherer Priitiing dcr ii in& auli'uderic.

Die nrlcht'olgenden Ermittelungen spre- chen dafiir, dass dieselbe einem Baume aus der Glruppe der Cinchoneen angehore , doch iiisst sich hieriiber leider nichts Xaheres angeben. Die flinde ist seit einigen Monaten \vie- derholt auf dem Londoner Xarktc erschienen, \via Herr Ur. Hcsse mir berichtet. ":)

A e u s s e r e B e s c h a f f e n h e i t . Diese Rinde bildet Itoh- ren oder rinnenfiirinige, bis 4 Cni. breite, bis 32 Cm. lange und I bis 4 hfillinieter dicke Stiicke von der bereits ange- cleuteten Farbe, velche weit entschiedener roth genannt mer- den *muss, als die dor. China rubra. Indem ich die fragliche Rinde als kupferroth bezeichne, darf ich aber die ausdriick- liche EemerBung nicht unterlassen, dass ich die Farbe nur init derjcnigen vergleiche, welche tins z. 13. an etwas matt nngelaufenen kupfernen Geriithen entgegentritt und keines- wegs mit der blank gescheuerten OberflSiche des Metalles. Dcr Vergleich ist, \vie es ja meist der Fall ist, nur bis zu cineni gewissen Grade zutretf'end, aber das Colorit der lZinde ist ein hijchst eigenthiimliches , das nicht leicht verwechselt werden kann.

Die r d h e Farbe gehijrt cleni Gewebe des Bastes und tler Mittelrinde an, die menigen noch vorhandenen Korkreste sind grau oder b~-aunlich. die Inncnflache hraunroth. Die dickern Stiicke sind sehr hart. schwer zu schneiden und zii brechen ; diinnere Stiicke bieten cinen sehr grobkornigen, we- der faserigen noch bliitterigen Querbruch dar ; es gill; dieses auch von den stlirkslen rinnentiirmigen Stiicken. Der. Langc nach bricht die Rinde sylitterig, beinahe siigenl'orrnig , was mil; dem unregelmiissigen Verlaut'e der Bastbiindel zusammen- hiingt. Derselbe liisst sich schon niit der Luupe sehr gut verfolgen , da die Xorkbedccknng und Mittelrinde gewohnlich

A b s t n in in 11 n g.

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fehlen. Die glbnzenden, gelblichen Bastbiindel treten alsdann in Form eines in die Lange gezogenen Strickwerkes aus dem rothen Grundgewebe hervor.

G e s c h m a c k. Er entwickelt sicli tichr langsam , ist aber ziemlich stark und rein bitter.

Mi k r o s k o p is c h e r B a ti. Der Uuerschnitt zeigt ein sehr dichtes gleichforiniges Gefiige rnit gesclillngelten Mark- strahlen. Bei starkerer Vergrbsserung sieht man, dass die- selben einreihig oder 3 bis 4 Reihen stark in den'Bast ein- treten, sich allmaiilig erweitern und zuletzt in der Mittelrinde verlieren. Der innerste Theil des Bastes besteht aus reinem Parenchym , welehcs scharf von den Baststrahlen abgegrenzt ist. Diese enthalten als aufbllendsten Antheil sehr eahlreiche dichtgedrangte Bastrohren von griinlich gelber Farbe. Im Querschnitte sind dieselben rundlich , ihre Wandungen mehr oder weniger verdickt, aber fast immer eine deutliche Hohlung einschliessend; sehr oft ist letztere so weit wie die Dicke der Wandung, nicht selten iibertrifft der Durchmesser des Lumens die Wanddicke. Zwischen den Bastrohren treten auch radiale Streifen von Bastparenchym auf, welche nur im Langsschnitte gut von den (secundiiren) Markstrahlen zu unterscheiden sind. Die dichtgedrangten nicht vollstiindig verholzten Bastrohren weichen demnach wesentlich von denjenigen der echten Cin- chonen ab, schon wenn der Querschnitt unserer kupferfarbigen China in Betracht gezogen wird, noch weit mehr aber auf dem tangentialen Langsschnitte. Hier finden wir diinne, lange, sehr dicht in einander verflochtene Bastrohren als vorherr- schenden Bestandtheil der Innenrinde. Diese bietet also ini Ganzen ein Bild dar, wie es bisher bei keiner nnzweifelhaft ,, echten" Chinarinde beobachtet worden ist.

Wo noch Xork vorhanden ist, pflegt in unserer Kinde auch die r;littelrinde noch erhalten zu sein; ich habe nirgends Borkenbildung wahrgenommen. In der Mittelrinde sind nicht sehr zahlreiche gelbe Steinzellen eingestreut, entweder ver- einzelt , oder zu kleinen Gruppen zusammengestellt. Durch ihre geringe Verlangerung in tangentialer Richtung oder geradezu annahernd kugelige Gestalt weichen sie yon analo-

Beitrage Bur Konntniss der sogenannten falschen Chinarinden.

Heitrage eur Kenntniss tler sogenmntcn falschsn Chinarinden. 247

gen Zellen der echten Chinarinden ab. Auf Saftschlauche bin ich in der kupferrothen Rinde nicht gestossen. Als ferneret; auffallendes Nerkrnal verdienen ihre Xorkzellen hervorgehoben zu werden. Sie bieten die gewohnliche Anordnung und tafel- forinige Gestalt dar, sind aber mit sehr starken, gelben Wan- den versehen, oder aber geradezu knorpelig verdickt. W o noch eine Hohlung ubrig bleibt, ist sie von braunem, festen Inhalte erfiillt, welcher auch in den Bastrohren enthalten ist. Stark verdiinntes weingeistiges Eisenchlorid farbt diesen Stoff schmutzig griin; denselben Ton ninimt iiberhaupt das ge- sainmte Gewebe an, die verdickten WBnde der Bastrohren, Steinzellen und des Korkes ausgenommen. - Die parenchy- matischen Zellen enthalten reichlich Amylum ; die dem Baste angehorigen auch Calciumoxalat , doch immer nur in geringer Yenge und in undeutlich krystallinischer Form.

Wahrend diese Rinde nicht den Bau zejgt, welchen wir bei den wahren Chinarinden z i i finden gewohnt sind, such schon ausserlich mit denselben nicht iibereinstimrnt , liefert sie doch, wie schon angegeben, eine nich t unerhebliche Menge Chinin. Damit steht im Einklange, dass sie auch die 1858 von G r a h e in Xasan aufgefundene Reaction +) giebt. Wird nemlich ein niir wenige Xubik - Millinieter grosses Stiick der Rinde im geschlossenen Glas- rohrchen erhitzt, 80 verdichten sich die fliichtigsten Theile der Destillstionsproducte zu einem schon roth gefarwen Theer. - H e s s e hat in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft (1 871. p 818) die Bnalysen der kupferfarbigen Rinde veroffentlicht.

V e r g l e i c h u n g n i i t K h n l i c h e n R i n d e n . Es liegt nahe, im Hinblicke auf China cuprea, der sogenannten C h i n a n o v a + + ) zu gedenken, der Rinde von B u e n a r n a g n i f o l i a Weddell (Synon. Cinchona magnifolia Rniz e t Pavon , Laden- bergia magnifolia Xlotzsch, Cinchona oblongifolia Yutis).

A 1 k a1 o i’d g e h a 1 t.

*) S. inein Lehrb. der Pharmacognosie p. 410. **) S. mein Lehrb. d. Pharmacogn. 400.

248 Beitrlge aur Kenntniss der eogennniiten falschcii Chinarinden.

In der That besteht eine gewisse Aehnlichkeit zwischen beiden, doch ist die Yiirbung der China nova nicht roth, son- dern zimmtbraun. *) Ihr anatomischer R m bietet freilich den- selben Plan dar, wie China cnprea, weicht aber durch die zahlreichen grossen Milchsaftschliiuche ab , auch sincl die Wande der Korkzellen dunn, oft sogar eart , durchaus nicht knorpelig verdickt.**) Die China nova ist mir bis jetzt im- mer nur in sehr starken, his 1 Centimeter dicken, mit glat- tern Korke bedeckten Rohren oder Halbrohren vorgekommen, wahrend die China cuprea aus diinneren, meist gnnz von Kork entblossten Stiicken besteht. Selbst wenn man die Alters- verschiedenheit berucksichtigt, so diirfte doch die augenschein- lich leicht ausfuhrbaro Beseitigung des Korkes bei der kupfcr- rothen Rinde einen tiefern Grund haben. Xehr individueller Eigenthiimlichkeit , besonders dem Altersunterschiede, mag dagegen der Umstand zugeschrieben werden, dass die China nova weit reicher an Steinzellen ist, worunter viele sehr stark in tangentialer Richtnng gestrccktc. Dagegen giebt die China nova die Grahe'sche Reaction durchaus nicht, das heisst die fliichtigsten Antheile ties Theeres sehen gelblich, nicht roth am. Niemand hat auch Alkalo'ide in cliescr Rindc sicher nachgewiesen , obwohl H o w a r d z. B. darin mehrmals gefunden hat ,,a minute proportion of some substance which behaves like an alkaloid. Its taste is more hot than bitter; it is soluble in ether and gives a light green colour with chlorine and ammonia. "***) Auch Pelletier und Caventou wollten in China nova eine unendlich geringe Menge Alkaloid getroffen haben. - I I e s s e hingegen hat China nova durch- aus frei von Alkaloid g s h d e n .

") H o w a r d 1N. &*nolog. fol. 77) nennt zwar die Chins novii pur- purroth, aber oin yon ihm selbst crhaltcnes Stuck ist hachstens roth- braun , jedenfalls von der Firbung der in F r q e stehenden kupferrothen Rinde vollig verschieden. - Frisch mag vielleicht die Chins nova auch lebhafter gefarbt sein.

"*) 13erg's Abbildnng, Taf. X der Chinminden d. pharniacogn. Samni- lung zu Berlin, fin&? ich richtig.

***) N. Quinol. sub YOU. C. magnifolia, fol. 77,

Reitrage ZUP Kenntni.5 dc, OBI nairlitcn falwhen ~ 1 ~ i n - ~ n n i i t n 259

Auf VTcd d e l l *) gestiitzt, betrachte ich die C'incliona oblongifolia von Miitis als identisch mit Ruena magnifolia. allein Li a m p o n ,"") dem in diesen Fragen eine nicht zu unterschatzende an 01% und Stellc gcsammelte Erfahrung zur Yeite steht, vermuthct, dass dern nicht so sei. Die China nova cles Handels leitet er von Buena magnifolia ab, zieht aber die Rinde, welche l l e l o n d r e und B o u e h a r d a t in ihrer Quinologie Tab. 21 als Q u i n q u i n a r o u g e p a l e N o 11 v e 1 1 e Cr r e n a d e , qualit6 infkrieure, abgebildet haben, mi der nach ihrn sclbstdndigeii C. oblongifolia. Auch W i g - g e r s , ++%*) welcher diese letetere Rinde tinter dem Namen China von O c a n n a auffuhrt, h i l t sie nicht Ciir identisch niit der China n0va.f) Man konnte daher vermuthen, davs eine der von Delondre und Eouchardat abgebildeten Rinden unse- rer kupferfarbenen China eiltsprectte. Die in jener Abbildung gegehene Farbung ist jedoch braun, nicht cntschieden soth, doch ist hierauf kaum vie1 Gewicht zn legen, mehr :aber aut' den grossen Unterschied im Rrucbe. Die Bilder der Quino- logie zeigen ganz entschieclen langfadigen Bruch nnd die lrerfasser nennen die bsaunrothen Stiicke auch airklich lang- faserig brechend , die blassrothe Xinde kurzfaserig. Als be- zeiclinend fur letztere heben sie aber weiter noch hervor, (lass ihre kurzen Fasei n sioh leicht herauslijsen lassen (fibres courtes qui se detachent facilement, p. 40). Aus dieser Rinde hatte 0 s s i a n H e n r y 0,013 pC. Chininsulfat erhalten.

*) Linnean society's Journal VI. l $ 6 .

**) In Rouehwdat's Annuaixe de th6rapeuticlue 1866. 166.

***) Hanclb. d. Pharmacogn. 1864. 427.

t ) Ebenso P h o e h o s , die Deiondrc - 12ouchardat'schcn L'hinarinilen 55 unil I I o m a r d N. Quinol. fol. 7 7 unten. - Ich crinnere rnich aucli in der Sammlung tlcr Originalrinrlen von P a y o n , welchc in1 British Mu- seum liogt, nnter Clem Namen C. ohlongifolia einc Rindc geschon zu ha- tien, welchc (lurch hellere Plrbung stark voii China nova tlbweicht. Was ich yon ff o w a r d als C . oblnngifnlin erhaltcn hnbc, , kann ich ilagagen iiicht von Ch. nova unterscheiden, obwohl auch Howard, \venig~tens noch i.n der N. Quinologiq C. magnifolia unct C. oblongifolia trennt.

250 Beitrage zur Keniitniss der sogenannten falschen Chinarinden.

Leider besitee ich die authentischen Rinden von Delon- dre und Bouchardat nicht und sie sind nuch nicht mehr zii

beschaffen; aber was ich eben erwahnt habe, fuhrt mit Noth- wendigkeit zum Schlusse, dass die von H e s s e und von niir untersuchte kupferrothe Rinde mil den von D. und B. abge- bildeten nicht ubereinkomme , obwohl sie ihnen eicherlich nahe steht.

Der Vollstandigkeit wegen moge noch erwlhnt werden, dass die Rinde der A r a r i b a ru b r a Martius, aus der Fa- milie der Rubiaceen - Gardenieen, worin das intcressante sauer- stofffreie Alkaloi’d Aribin vorkommt , *) niit unserer kupfer- farbenen Chinarinde keine Aehnlichkeit hat. Wer diese beiden Rinden jemals gesehen hat, wird sie nicht verwechseln; die der Arariba giebt auch braungelben, nicht rothen Theer.

A l l g e m e i n e B e t r a c h t u n g e n . In der vorstehenden Notiz ist vielfach die Rede von echten oder wahren und von falschen Chinarinden. Ueber die Fassung dieser Begriffe sind die Pharmacognosten ziemlich einig , *%) so dass man wohl die Frage erortern durfte, ob die Chinabasen auf die echten Cinchonen wirklich beschraukt seien. Zienilich allgemein wurde bisher den sogenannten falschen Chinarinden ein Alka- lo‘idgehalt abgesprochen. Schon Y h o e b u Y *%*) hatte jedoch diesen Satz beanstandet; allein das Vorkommen von ein paar Zehntausendsteln oder gar nur Hunderttausendsteln von Alka- loi’d in ei$igen der sogenannten falschen Chinarinden konnte doch in nfeinen Augen nicht fiiglich a h vollgiiltiger Beweis gelten. Man durfte sich wohl ein Versehen denken, wo es sich um so ungeheuer kleine Mengen handelte.

In der China cuprea, welcher diese Notiz gewidmet ist, hat aber jetet einer derjenigen Chemiker, welche ohne Frage mit den Chinaalkaloiden am allerbesten vertraut sind , unge- fiihr ein Procent Chinin nebst‘ etwas Cinchonin nachgewiesen ;

~ ~ _ _ .

*) G m e l i n s Organ. Chem. IV. 1949. **) Siehe z. B. V o g l , Cornmentar z. 6sterr. Pharmacop. 1. 248 bis

282. F l i i c k i g e r , Pharmacogn. 370. 415. ***) Die Delondre - Bouchardat’schen Chinarinden 55. 556.

Beitrage zur Kenntniss dei sage, siinten falschcn Chinarinden. 251

Dr. H e s s e ' s oben angefuhrte Resultate lassen nun in die- bCl' Binhicht durrhnns keinem %weifel niehr Ranm. Diese Rinde, wie ich sie aus der Hand deb: genannten Chemikers empfangen habe, zeigt tiber den Ban, weicher bisher den falschen Chinarinden zugeschrieben worden ist. Unter diesen letztern findet sich also wenigstens eine , welche zuverlassig eine ganz erhebliche Nenge Chinin enthalt, so dass die von P h o e b u s ausgesprochenen Zweifel jetzt vollkommen gerecht- fertigt erscheinen. Diese Bedeutung der fraglichen Rinde, fur welche ich bis auf weiteres im Einverstandnisse mit Hesse den Namen China cuprea gebrauche, in das richtige Licht zu setzen, schien mir der X i h e werth. Dadnrch ist die S c h r a n k e xwischen e c h t e u und f a l s c h e n C h i n a r i n - d e n d u r c h b r o c h e n und die Hoffnung vereitelt, chemische Unterschiede herbeiziehen zu konnen, wo die botanischen Merk- male im Stiche lassen. Denn sollte sich auch w i d e r a l l e s Er w ar t e n die hier besprochene kupferrothe Rinde dereinst als einer wahren mit von nnten an aufspringenden Xapseln und allen ubrigen guten Kennzeichen ausgestatteten Cinchona angehorig erweisen, so ist immerhin der Bau der erstern durchans abweichend von der bisher in der sogenannten echten Chinarinden beobachteten Structur. Ohne Zweifel wird die Zeit' noch mehr derartiger Ueberglnge aufdecken und auch hier den 'Beweis liefern, dass Spriinge in der Na- tur seltener vorkommen , als ungeniigende Erkenntniss oft anzunehmen geneigt ist.

I n der fraglichen Rinde also finden wir die A I k al 01 d e d e r , , e c h t e n " C h i n a v e r e i n i g t m i t d e r a n a t o m i - s c h e n B e s c h a f f e n h e i t , welche bisher ansschliesslich den ,, fa1 s G h e n " Chi n a r i n d e n zugeschrieben worden ist. Dem- gemass sind diese beiden 3egrifYe zu modificiren; in mir we- nigstens unerwarteter Weise erhalten durch die Snalysen von Hesse die sogenannten falschen Chinarinden eine erneute Bedeutung. Die hier geschilderte kupferrothe China diirfen wir vermuthlich als Vorlaufer anderer Uebergangsformen auffassen.