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Beitrag zur Frage der Gitterkräfte organischer Moleküle

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Page 1: Beitrag zur Frage der Gitterkräfte organischer Moleküle

Aus dem Forschungslaboratorium der Heilmittelwerke G.m.b. I-I., Wien

Beitrag zur Frage der Gitterkr~ifte organischer Molekiile

S c h m e l z p u n k t s l a g e , m o l a r e S c h m e l z w ~ r m e , S c h m e l z e n t r o p i e uud R a u m b a u o r g a n i s c h e r V e r b i n d u n g e n

Von

J. Pirsch

Mit 4 Abbildungen

(Eingelangt am 13. Mai 1955)

Systematische Untersuchungen sowie Vergleiche vom Gesiohtspunkt der klassischen Stereochemie aus fiihrten bereits 1937 zum abschliel]enden Ergebnis 1, dab die Form der Raumerffillung organischer Molekiile ffir die GrSBe der molaren Schmelzw~irme yon entscheidendem Einflul] ist. Die organischen Verbindungen lassen sich der GrSBe ihrer molaren Schmelzw~rme nach entsprechend ihrer Schmelzpunktslage gut in drei gro~e Raumtypen aufteilen, wie dies die nachstehende Abb. 1 erkennen laltt.

So zeigen, raumchemisch gut begriindet, organische Verbindungen von kugeligem l~aumbau besonders kleine Schmelzentropiewerte bzw. geringe molare Schmelzwarmen. Dabei sind die l~atur und Anzahl der am Molekiil- aufbau beteiligten Skelettatome ganz belanglos , entscheidend ist jedoch die sph~irische Atomgruppierung im Molekiil fiir das Auftreten sehr kleiner Werte der molaren Schmelzw~irme. Als praktische Nutzanwendung war und ist dadurch das zielsichere Aufsuchen yon LSsungsmitteln mit fiberaus hohen Molardepressionen 2 gegeben.

Aber auch in anderer Hinsicht verdienen Verbindungen yon sph~ri- schem Raumbau besonderes Interesse. Bei den sehr kleinen Werten der molaren Schmelzw~irme, die sph~risch gebaute Verbindungen in der Regel zeigen, ist die Annahme sehr naheliegend, dal~ im Schmelzpunkts- bereich selbst keine polymorphen Umwandlungen vor sich gehen, mithin keine Umwandlungsw~rme additiv die eigentliche Schmelzw~rme f~Isch-

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J. Pirsch: Zur Frage tier Gitterkrgfte organischer Molekiile 993

lich erhSht. Weiters weisen die auffallend kleinen molaren Schmelz- w~rmen, aber noch treffender die iiberaus geringen Schmelzentropiewerte geradezu zwingend darauf hin, dal~ zumindest knapp oberhalb des Schmelz- punktes in der fliissigen Phase der kybotaktische Zustand erhalten bleibt

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6

I/

/0O

Abb. 1

oder mit anderen Worten, dab knapp oberhalb des Schmelzpunktes in der flfissigen Phase fast dieselbe Lageordnung der Molekeln wie im Kristallgitter knapp unterhalb des Gefrierpunktes bestehen bleibt.

Erst unter diesen gegebenen Voraussetzungen kann eine gesetz- m~Bige Beziehung zwischen der Schmelzpunktslage und der molaren Schmelzw~rme -- wenn iiberhaupt -- erwartet werden. Diese gesetz- m~Bige Relation ist nun tats~chlich gegeben und will ich diese als ,,Koordi- nierungsregel der Beziehung Schmelzpunktslage -- molare Schmelz- w~rme" bezeichnen. Sie lautet, dab jede KSrperklasse, durch ihre l~aum- form charakterisiert, bei den sph~risch gebauten Molekfilen acyklisch, cyk]isch je nach der Anzahl der t~inge unterteilt, eine lineare Abh~ngig- keit der molaren Schmelzw~rme A z H yon der Schme]zpunktslage T~ aufweist, oder anders ausgedriickt, dab jede Molekiilraumform durch eine bestimmte Schmelzw~trme-Schmelzpunkts-Gerade charakterisiert ist. Es besteht die Beziehung:

AEH = / s (T~-- a) oder T e -- A~H d- a, /c

wobei /c und a charakteristische Konstanten fiir jede Raumformtype darstellen. Lage und Neigung der Schmelzw~rme-Schmelzpunkts-Geraden ffir die einzelnen Raumtypen verraten in vergleichender Tdberschau ein harmonisches Prinzip, woffir vielleicht sp~ter eine wohlbegrfindete physikalische Deutung gefunden werden kann.

Mikrochim. Acta 1956/1--6 63

Page 3: Beitrag zur Frage der Gitterkräfte organischer Moleküle

994 J. Pirsch: [Mil~'ochim. Acta

So sind sphs gebaute Verbindungen vom Typus (2,1,2)-Heptan(I) mit EinschluI~ der Camphergruppe sowie vom Typus (2,2,2)-Octan(II), - - ausgenommen die KoMenwasserstoffe -- durch die Konstanten/~ = 8,1 und a ~-- 260 gekennzeichnet, die AbkSmmlinge des a-Dicyklopentadiens ([II) dureh die Werte k ~ 7,7 und a -~ 282.

Eine ErhShung der Ringanzahl ~ in sph~risch gebauten organischen Molekeln bewirkt a]so eine beachtliche Senkung der molaren Schmelz- wi~rme bzw. Schmelzentropie bei gleicher Schmelzpunktslage.

HSchst bemerkenswert sind die weiteren Untersuchungsergebnisse 4, dal~ Briickenringverbindungen hydrierter PhthMs~Lureanhydride (IV bis VII), die, raumchemisch betraclltet, der KSrperklasse der a-Dicyklo- pentadien-Derivaten gleichzustellen sind, ebenfalls wie diese hinsichtlich

I I I I V V

V I V I I V I I I I X

ihrer Schmelzpunkts-Schmehw~rme-Beziehung in die gleiche Gerade fallen. Es bewirkt also eine Anderung der elektrischen Ladung und ihrer Verteilung in Molekfil, die zweifellos beim Austausch yon Ringgruppen, wie im vorliegenden Fall: Propylen-BrScke gegen DicarbonsEureanhydrid- Briicke, unter Wahrung der gesetzmii, l~igen Beziehung n u t eine Ver- schiebung der Werte der molaren SchmelzwKrme und der Schmelzpunkts- lage auf der fiir eine bestimmte Raumtype (sph~risch mit der gleichen ~inganzahl) charakteristischen Schmelzpunkts-Schmelzwi~rme-Geraden. Ein betont ausgepr~Lgter Dipolcharakter, wie etwa bei Dicarbons~Lure- anhydriden mit dem Dipolmoment ,l~. 10 -is um 4,5 herum, stSrt also die gesetzm~Bige Beziehung der molaren Schmelzw~rme zur Sehmelz- punktslage nicht.

Page 4: Beitrag zur Frage der Gitterkräfte organischer Moleküle

1956/1- 6] Zur Frage der Gitterkrgfte organischer ~[olekiile 995

Eine sehr schSne Bestgtigung ffi~ die bis nun ermittelten raum- chemischen Einflfisse auf die GrSi~e der molaren Schmelzw~trme konnte in jfi.'ngster Zeit bei den beidcn Dilactonverbindungen der 4,5-Dihydroxy- 3,6-endomethylen- bzw. 4,5-Dihydroxy-3,6-endoi~thylen-hexahydrophtha]- sgure (VIII and IX) a erbracht werden. Diese Verbindungen enthalten 5 Ringe unter Wahrung des sphgrischen Raumbaues; der erh6hten Ringanzahl nach liegt die molare Schmelzwgrme-Schme]zpunkts-Gerade (/c = 7,16, a ---- 334) in Anbetracht der starken Rechtsverschiebung noch tiefer als die Gerade ffir den sphgrisch gebauten Raumtypus mit 4 Rin- gen. Bei diesen Dilactonen sind nur durch die Massierung yon zwei stark polaren Gruppen im Molekfil die Schmelzpunktslagen sowie die Werte der molaren Schmelzwgrme wesentlich erhSht, wobei aber die Entropie- werte trotzdem sehr klein bleiben.

Aus der Gruppe der Scheibenmo]ekfile geben die Dihalogenbenzole ~ die Schmelzwgrme-Schmelzpunkts-Beziehung besonders gut wieder. Bei den p-Dihalogenbenzolen betrggt bei k ---- 14,8 und a = 38 die Streuung

6

Ir

/ sg.'-'?:-'..ch f~ . . . . . - .

Abb. 2

der Werte im Grenzfall 2,8%, bei m- und o-Dihalogenbenzolen mit den Konstanten /c = 14,3 und a ~ 48 zeig~ die Streuung ein Maximum yon 6,8~o. Nach A . E u c k e n 6 erfolgt bei Aromaten der totale Schmelz- proze~ in einer Stufe, zumindest sind bei reinen Aromaten Umwandlungs- punkte unterhalb des Schmelzpunktes nicht zu beobachten.

Bezeichnend ist, soweit planvolle Untersuchungen bisher vorliegen,

63*

Page 5: Beitrag zur Frage der Gitterkräfte organischer Moleküle

996 J. Pirsch : [Mikrochim. Acta

T a b e l l e 1

Zr

Sphgirisch mit 3 Ringen: Campherchinon . . . . . . . . . . . 166,2 Campher . . . . . . . . . . . . . . . . 152,2 2,5-endo-J~thylencyklo-

hexanon . . . . . . . . . . . . . . . [24,2 2,6-Dichlorcamphan . . . . . . . ).0%1 2,6-Dibromcamphaa . . . . . . ).96,1 Bornylarnin . . . . . . . . . . . . . . 153,3 1,4-endo-Azocyklohexan . . . 110,2 Isobornylbromid . . . . . . . . . . 217,1 Bornylchlorid . . . . . . . . . . . . 172,7 endo-Methylendehydro-

piperidazin . . . . . . . . . . . . . 96,1 Norcampher . . . . . . . . . . . . . 110,1 Bornylbromid . . . . . . . . . . . . 217,1 Camphenilon . . . . . . . . . . . . . 138,2

Te(~

172 i51

i51 147 143 137 i14 ~09 ~04

Eg gel

5EH

&tls E 0 er- b::t~ migtelt l~(Te'a)

~5,~ 1,61 ~0,( 1,54

32,~ 1,54 56,2] 1,47 S0,9] 1,44 r 1,44 32,21 1,17 58,71 1,23 46,51 1,20

373 36r 363 312

1,71! 1,54

Sph~trisch mit 4 Ringen: -Dicyklopentadiendioxyd .

cis-Endo~it.hylenhexahy- I64,2

1,54 1,51 1,47 1,43 1,24 1,20 1,16

drophthals/iureanhy drid . 180,2 a-cis-3,6-Endomethylen-

hexahydrophthals/iure- anhydrid . . . . . . . . . . . . . . 166,2

a - cis- 3, 6-Endomethylen- A ~ - te t rahydrophthals~ure- anhydrid . . . . . . . . . . . . . . 164,2

a-cis-3,6-Endo/ithylen-A~- tetrahydrophthals/ iure- anhydr id . . . . . . . . . . . . . . 178, 2]

Tetrahydro-a-dicyklopenta- dien-on-(3) . . . . . . . . . . . . 150,2]

Dihydro a-dicyklopentadien- monoxyd . . . . . . . . . . . . . . 150,21

a-Dicyklopent adienmonoxyd 148,2! Dihydro-a-dicyklopenta-

dienon-(3) . . . . . . . . . . . . . . 148,2

Sph~risch mit 5 Ringen: Dilacton der 4,5-Dihydroxy-

3, 6 -endo~thylen-hexa - hydrophthals~ure . . . . . . . 194,2

Dilae~o~ der 4,5-Dihydroxy- 3,6-endomethylen-hexa- hydrophthMs~ture . . . . . . . 180,2

29,41 0,90 0,91 36,61 o,s2 0.85 67,41 0,83 0183 64,01 0,42 0,42

462 53,41 1,31 i 1,39

4:6(

441

43~

42(

374

27" 35~.

32(

51,21 1,47

53,71 " 1,19

53,~ 1,17

58,61 1,o7

52,51 0,79

56,91 0,72 66,91 0,55

92,0] 0,34

74,9

66,8

57~

53!

1,79 1,8~

1,56 1,54

Se

3,41 3,42

3,42 3,29 3,25 3,29 2,82 3,01 2,97

2,42 I 2,24] 2,31 1,35

2,821

1,371 3,21

1,231 2,71

1,201 2,67]

1,07 2,54

0,71 2,11

0,7C 1,96 0,55 1,56

0,34 1,04

I 3,10

2,89

loo Eg M

27,5 26,3

26,3 27,1 27,3 26,5 29,2 27,0 26,9

30,5 33,2 31,0 46,3

32,5

28,5

32,4

32,6

32,9

34,9

37,9 45,1

62,1

37,0

37,1

Page 6: Beitrag zur Frage der Gitterkräfte organischer Moleküle

1956/1--6] Zur Frage der Gitterkrgfte organischer Molekiile 997

(Fortsetzung) T a b e l l e 1.

p- D#~alogenbenzole : p-Dij odbenzol . . . . . . . . . . . . p-Bromjodbenzol . . . . . . . . . p-Dibrombenzol . . . . . . . . . . p-Chlorbrombenzol . . . . . . . . p.Dichlorbenzo] . . . . . . . . . .

m- and o-Dihalogenbenzole: m-Dijodbenzot . . . . . . . . . . . o-I)ijodbenzol . . . . . . . . . . . . o-Bromj odbenzol . . . . . . . . . o-I)ibrombenzol . . . . . . . . . . m-Dibrombenzol . . . . . . . . . . m-Bromjodbenzol . . . . . . . . . o-Chlorbrombenzol . . . . . . . . o-Diehlorbenzol . . . . . . . . . . . m -Chlorbrombenzol . . . . . . . m -Dichlorbenzol . . . . . . . . . .

M

329,9 282,9 235,9 191,5 147,C

329,s 329,~ 182,~ 235,~ 235,~ 282,~ 191,~ 147,( 191,~ 147,(

Te(~ I F.g & U S

AEH

~EH

gef. nbec]~ k(Te-a)

402[ 19,8 3631 15,8 3581 12,4 3381 9,7 3261 7,1

307] 16,3 2981 17,2 2751 12,3 2751 11,7 2661 10,5 2641 13,~ 2601 8,~ 2561 6,i 2521 8,~" 2491 6,(

5.34i 5,40 4.701 4,82 4.861 4,75 4.491 4,45 4.391 4,27

3.801 3,70 3.361 3,57 3.461 3,24 3.02] 3,24 3.161 3,12 2,88 ~ 3,08 I 2,951 3,o3 I 3,091 2,97 I 2,93 2,92 I 3,02 2,87[

100 Eg Se M

13,2~ 6,0 12,9~ 5,6 13,5~ 5,2 13,2~ 5,1 13,4( 4,8

12,3~ 4,9 11,2~ 5,2 12,5~ 4,3 10,9~ 4,9 11,8~ 4,5 10,9] 4,8 11,3' 4,6 12,0~ 4,2 11,6~ 4,3 12,1" 4,1

AEH a dab die molare Schmelzentropie Se -- Te - - / c (1 - - ~ ) bei organisehen

Verbindungen als vielatomigen Gebilden mit dem Sehmelzpunkt an- steigt und bei sphgriseh gebauten Molekiilen dem Schmelzentropiewert der Eddgase zustrebt. I m Vergleich dazu zeigen die Edelgase sowie die Alkalimetalle 7 konstante Entropiewerte (3,4 bzw. 1,7); letztere weisen also keinen Temperaturgang ~uf.

Ebenso bemerkenswert ist die auf das Molekulargewicht 100 ,,redu-

zierte Molardepression" 100Ea (M = Molgewicht des LSsungsmittels), M

die bei kugelig gebauten Molekeln bei ansfeigender Schmelzpunktslage in fallender Tendenz je nach der ginganzahl einen konstanten Wert in einem breiten Geltungsbereieh annimmt, wghrend bei anderen l~aum- Vypen, wie etwa bei Seheibenmolekeln (Aromaten) die ,,reduzierte Molar- depression" mit der Schmelzpunktslage stetig ansteigt.

Die so festgelegte Gesetzmggigkeit der Sehmelzw~rme-Schmelz- punktslage-Beziehung, bedingt durch die Aussehaltung st6render Fakto- ren, erleiehtert ganz wesentlieh, Abweichungen, grSBere Anomalien, die oft die l~egel bilden, aufzuklgren. I m besonderen ist man erst jetzt in der Lage, den etwaigen Anteil der polymorphen Umwandlungswgrme im Schmelzpunktsbereieh wertmggig festznstellen.

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998 ,T. Pirsch: [Mikrochim. Aota

Bei den kugelig geb~uten Molekeln* m i t mehreren Ringen sind jedoch krasse Anomal i en infolge regelwidrig hoher molarer Schmelzwiirmen ver- h~ltnism~f~ig sel ten anzutreffen. Wie e twa bei sph/~risch gebau ten Mole- keln mi t 4 R ingen konn t en bisher erst vier Verb indungen e rmi t t e l t werden,

J J

,' i 9 r n ~ ~ s ~ m#

Abb. 3

deren molare Schmelzwi~rmen 3- bis l l , 5 m a l hSher sind, Ms dies un t e r B e d a c h t n a h m e einer kr i t i schen Bewer tung des Molekfilbegriffes auch ffir den kr i s ta l l inen Zus t and zu e rwar ten war. Es l iegen hier po lymorphe Umwand lungen im Schmelzpunk t selbst yon be t r~ch thcher W~rme- tSnung vor.

* Den Molekfilmodellen nach G. Briegleb entsprechend ist bei den mono- cyklischen Verbindungen Cyklopentan und Cyklohexan die ~r auch in der dr i t ten Raumrichtung beachtlich s tark entwickelt. Damit in Einklang stehend sind die Schmelzentropien dieser Kohlenwasserstoffe iiberaus gering (0,804 bzw. 2,245). Doch machen sich in besonderem AusmaI3 ganz allgemein bei organischen Verbindungen mit weniger als ca. 8 Skelett- a tomen bereits geringe konst i tut ive Ver/inderungen, die die Symmetr ie stSren, schon so stark geltend, da2 bei den dadurch bedingten tiefen Schmelz- punktslagen die Neigung zur ~bermolekii lbi ldung sowie andere Ursachen fiir das Auftreten von polymorphen Umwandlungen im Schmelzpunktsbereich vorherrschend sind. Durch den Zut r i t t der Umwandlungsw/~rme treten so in der Mehrzahl der F~tlle wesentlich erhShte Werte der molaren Schmelz- w~rme auf.

Page 8: Beitrag zur Frage der Gitterkräfte organischer Moleküle

1956/1--6] Zur Frage der Gitterkrgfte organischer Molekiile 999

Ebenso sind in der Camphergruppe nnr zwei Verbindungen mit regelwidersprechend hohen Schmelzw~rmen bisher namhaft zu machen, niimlieh der a-d-Bromcampher s sowie das d-Fenehon 9, deren Schmelz- wi~rmen schon seit langem bekannt sind. Diese Befunde diirften wohl einst sehr mai~gebend daffir gewesen sein, da~ in der Campherreihe eine systematische Durchpriifung der Schmelzw~rmen so lange unterblieb.

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.Abb. 4

Auffallenderweise zeigen ausnahmslos alle bisher untersuchten Kohlen- wasserstoffe aus der Camphergruppe sowie alle Kohlenwasserstoffe der a-Dicyklopentadienreihe h5here Werte der molaren Schmelzw~rme, als dies nach der gesetzmiil~igen Beziehung zu erwarten war; die Schmelz- w~rmen dieser Kohlenwasserstoffe fallen also nicht in die ihren Raum- typen entsprechenden molaren Schmelzw~rme-Schmelzpunkts-Geraden.

Diese Untersuchungsbefunde wirken auf den ersten Blick um so be- fremdender, Ms gerade bei Kohlenwasserstoffen dutch das Fehlen stark polarer Gruppen die mehr symmetrische Ladungsverteilung nur eine schwache Feldwirkung erzeugt, mithin im Vergleich zu Verbindungen vom selben Raumtypus , jedoch mit starker ausgepr~tgtem Dipolcharakter eher noch kleinere molare SchmelzwKrmen resultieren miil]ten. Dieser scheinbare Widerspruch finder jedoch seine Erkl~rung, wenn man an-

Page 9: Beitrag zur Frage der Gitterkräfte organischer Moleküle

1000 J. Pirsch:

T a b e l l e 2

[Mikrochim. Act a

Spt~dirisch mit ~ Ringen: Dibrom-fl-cis-endomethy-

lenhexahydrophthals/~ure- anhydrid . . . . . . . . . . . . . .

Dibrom-a-cis-endomethy- lenhexahydrophthals/iure- anhydrid . . . . . . . . . . . . . .

fl-cis-3,6-Endomethylen-A 4- tetrahydrophtMs~ure- anhydrid . . . . . . . . . . . . . .

Dihydro-a-dicyklopentadien- dibromid . . . . . . . . . . . . . .

Sph~risch mit 3 Ringen: a-d-Bromcampher . . . . . . . .

d-Fenchon . . . . . . . . . . . . . . .

M Te(oK)

324 521

324 480

1641 415

294l 338

2311 349

1521 279

T a b e l l e 3.

Eg g e l

3 3 , 0

17,0

7,8

13,8

11,9

6,8

2EH

aus ber. Eg er- m~ch mit te] t k (Te-a)

5,30

8,52i

[ !

7,26

4,83

4,71

3,46

Diffe- renz

1,85 3,45

I 1,52 7,00

1,02! 6,17

0,43 4,40

0,72 i 3,99 I

0,16 i 3,30

Se

10,16

17,76

17,35

14,24

13,50

12,41

Sphdrisch mit 4 Ringen: Tetrahydro-a-dicyklopenta-

dien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dihydro-a-dicyMopent, adien

-Dicyklopentadien . . . . . . .

Sphgtrisch mit 3 Ringen: Camphan . . . . . . . . . . . . . . . . l-Bornylen . . . . . . . . . . . . . . . Isocamphan . . . . . . . . . . . . . . Camphen . . . . . . . . . . . . . . . .

M I Te( K) [ Eg er- A EH Eg aus ber. g e l nach

I mi t t e l t k(Te'a) Diffe- reiiz

136,2 134,2 132,2

138,2 136,2 138,2 136,2

350 323 305

429 386 338 322

II 35,0 45,4 46,2

29,5 33,5 44,5 31,8

0,95 0,61 0,53

1,71 1,20 0,70 0,88

0,521 0 32i

' i 0,18!

i i !

1,36i 1,021 0 63 i 0,50 i

S e

0,43 2,71 0,22 1,90 0,35 1,73

0,35 3,99 0,1fi 3,12 0,07 2,08 0,3~ 2,74

nimmt , dab bei den genannten Kohlenwasserstoffen die geringfiigigen raumger ieh te ten Kohiisionskr~fte bei den ffir Kohlenwasserstoffe eharak- terist isehen kleinen Dipolmomenten zwisehen 0 und 0,5 beim Sehmelz- vorgang unter W/ i rmeverbraneh aufgehoben nicht mehr raumrieh tend wirksam sind, w~hrend bei allen fibrigen Verbindungen entspreehend

Page 10: Beitrag zur Frage der Gitterkräfte organischer Moleküle

1956/1--6] Zur Frage der Gitterkrafte organischer Molektile 1001

der Natur der polaren Gruppen mit den I)ipolmomenten fiber ca. 1,5 hinaus die im l~aum ausgerichteten Kraftfelder zumindest knapp ober- halb des Schmelzpunktes weiterhin noch so wirksam bleiben, dal~ sie die Molekfile in bestimmten Schwi~rmen ausgerichtet halten. Es dfirften dann bei Kohlenwasserstoffen fiber dem Schmelzpunkt ungehinderte RotationsmSgliehkeiten naeh allen drei l~aumriehtungen bestehen, w~hrend bei Verbindungen mit st~rkeren Dipolmomenten nur eine raumgerichtete Rotation mSglich scheint.

Zusammenfassung

Erst unter Berficksichtigung der Raumform organischer Molekfile, bei kritischer Bewertung der Zulgssigkeit des Molekiilbegriffes auch ffir den kristallinen Zustand unter Beiziehung bestimmter Kriterien gelingt es, gesetzmgl3ige Beziehungen zwischen der Schmelzpunktslage und der molaren Schmelzwgrme organiseher Verbindungen zu erhalten. ])iese gesetzmgBige Relation, die als ,,Koordinierungsregel der molaren Schmelz- wgrme zur Schmelzpunktslage" bezeiehnet werden kann, lautet: dab jede K6rperklasse dureh ihre Raumform charakterisiert, bei den sphgrisch gebauten Molekfilen acykliseh, cyklisch je nach der Anzahl der Ringe unterteilt, eine lineare Abhgngigkeit der molaren Schmelzwgrme yon der Schmelzpunktslage aufweist. Es besteh~ die Beziehung:

A ~ H AEH = k (Te - -a ) oder Te - - k :Jr a,

wobei k und a charakteristische Konstanten ffir jede Raumformtype darstellen. Lage und Neigung der Schmelzw~trme-Schmelzpunkts-Geraden ffir die einzelnen l~aumtypen verraten in vergleichender Uberschau ein harmonisches Prinzip.

Bezeichnend ist, dab die molare Schmelzentropie S~ bei organischen Verbindungen als vielatomigen Gebilden mit der Schmelzpunktslage ansteigt und diese bei sphiirisch gebauten Molekfilen dem Schmelz- antropiewert der Edelgase zustrebt. Ebenso bemerkenswert ist die aufdas

100 2 a Molekularge~deht 100 ,,reduzierte Molardepression" M (M= Mol-

gewicht des LSsungsmittels), die bei kugelig gebauten Molekfilen bei ansteigender Schmelzpunktslage in fallender Tendenz je naeh der Ring- anzahl einen konstanten Weft in einem breiten Geltungsbereich annimmt, w/ihrend bei andern Raumtypen, wie etwa bei Scheibenmolekiilen (Aro- maten) die ,,reduzierte Molardepression" mit der Schmelzpunktslage ansteigt.

Die so festgelegte Gesetzmi~13igkeit der Schmelzw~rme-Schmelzpunkts- tage-Beziehung erleiehtert ganz wesentlich, Abweichungen, krasse Ano- malien, die oft die Regel bilden, aufzukl~ren. Im besonderen ist man erst

Page 11: Beitrag zur Frage der Gitterkräfte organischer Moleküle

1002 J. Pirseh: [Mikrochim. Acta

je tz t in der Lage, den etwaigen Antefl der po lymorphen Umwandlungs-

w/irme im Schmelzpunktsbereich wertmi~Big festzustellen.

Summary With consideration of the spatial form of organic molecules, and with

critical evaluation of the re]iabflity of the molecular concept as applied to the crystalline condition also, it is possible, by employing certain criteria, to obtain regular relationships between the position of the melting point and the molar heat of fusion of organic compounds. This regular relation, which may be termed the "coordination rule of the molar heat of fusion to the position of the melting point", states that every class of compounds characterized by its spatial form, and divided in the case of spherically constructed molecules as acyclie or cyclic depending on the number of rings, exhibits a linear dependence of the molar heat of fusion on the position of the melting point. The following relation holds:

A g H 31~H : lc ( Te -- a) or Te ~ ~ Jr- a,

in which k and a are characteristic constants for each spatial form type. Position and tendency of the heat of fusion--melting point lines for the individual spatial types show an harmonic principle in a comparative survey.

I t is significant that the molar fusion entropy Se for organic compounds as po]yatomic structures increases with the position of the melting point and the latter tends toward the fusion entropy value of the noble gases in the case of spherically constructed molecules. Equally remarkable is the "reduced molar depression" (reduced to the molecular weight 100) namely, lOOEg

~/ (M = me1. wt. of solvent). In the case of spherically constructed

molecules, with rising position of the melting point, with a failing tendency according to the number of rings, this assumes a constant value over a wide field of validity, whereas ~ i th other space types, such as disk molecules (aromatics) this "reduced molar depression" increases along with the position of the melting point.

The regularity established in this manner of the relation between the heat of fusion and the position of the melting point facilitates considerably accounting for crass anomalies and deviations, which often are the rule. In particular, it is now possible to determine numerically any likely share of the polymorphous heat of transformation in the melting point region.

R6sum4

I1 a 6t6 possible d'dtablir une loi relian~ la tempdrature de fusion et la chaleur de fusion mol6culaire de combinaisous organiques; '~ cette fin on a dfl consid6rer la configuration spatiale de la mol6cule ct examiner de faqon critique la possibilit6 d'extension de la notion de mol6oule -k l '6tat cristallin, eompte tenu de crit6res d6termin6s.

Cette loi qui pent 4tre ddnomm6e <~I%6gle de coordination de la chaleur de fusion mol6culaire et de la temp6rature de fusion~) s'6nonce comme suit: pour chaquc classe de corps caract6ris6e par sa configuration spatiale et subdivis6e pour les mol6cules ~ sym6trie sph6rique en cat6gories acyelique et cyclique avco nombre de cycles variable~ il existe une relation lin6aire

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1956/1--6] Zur Frage der Gi~terkrafte organischer Molekfile 1003

entre la chaleur d e fusion moldculsiire e t l a tempdratUre d o fusion. Cette relation est exprimde par les dquations:

L\EH AF, H = k ( T e - - a ) OU Te -- k + a,

dans lesquelles k e t a sont des constantes caractdristiques de chaque con- figuration spatiale. Un examen comparatif d'ensemble de la position et de ]'inclinaison des droites chaleur de fusion -- temp@ratures de fusion pour ]es diff@rents types de configuration spatiales d6note qu'elles rel~vent d 'un principe harmonieux.

I1 est significatif de noter que pour des substances organiques consid@r6es comme dos combinaisons comportant de nombreux atomes, l 'entropie mold- culaire de fusion cro% avec la temp6rature de fusion et que pour des mol6cules h structure sphgrique elle tend vers la valeur de l 'entropie de fusion des gaz rares.

I1 est 6galement remarquable que ]orsque la temp6rature de fusion aug- 100 Eq

monte la d6pression (~mol@culaire r6duite~) ~ (M est la masse moMculaire

du solvant; la ddpression r6dui~e est rapport6e ~ une masse mol6culaire de solvant @gale ~ 100) at teint une valour limite valable dans un domaine 6tendu lorsqu'il s 'agit de mol6cules ~ structure sphgrique, cette tendance grant toutefois de moins en moins nette lorsque crolt le nombre de cycles. Lorsqu'il s 'agit de configurations spatiales diff@rentes, eomme dans le cas de tool@cults plates (s6rie aromatique), la (~d6pression molgeulaire r6duite~) crolt avee la temp6rature de fusion.

La loi de variation de la chaleur de fusion en fonction de l~ temp6rature de fusion pr@c@demment 6tablie permet d'interpr6ter beaucoup plus facile- merit les @carts et les anomalies inexpliqu@es qui souvent constituent la r@gle. En particulier, il est maintenant, possible, pour la premiere lois, d '6valuer num@riquement l ' intervention 6ventuelle des chaleurs de transformations polymorphiques au voisinage du point de fusion.

Diskussion

I t . J . W. Breitenbach (Wien): Ich glaube, das Interessanteste ist das Auftreten polymorpher Umwandlungen im Schmelzpunktsbereich. Damit im Zusammenhang ergeben sich mehrere Fragen, z. B. eine mehr praktische: Wio groB muB die Temperaturdifferenz zwischen dem -- sagen wir -- un- gest6rten Schmelzpunkt und dem Umwandlungspunkt sein, damit man die beiden Vorgange getrennt beobachten karm, oder wie nahe dem Schmelz- punkt mul3 der Umwandlungspunkt sein, damit jener zu diesem herunter- gezogen wird? Die zweite Frage ware mehr theoretisch: Haben Sie Anhalts- punkte daffir, da2 diese Vorg~nge an bestimmte Gitterbedingungen geknfipft sind?

H. d. Pirsch: Die zweite Frage kann ich zunachst nicht beantworten, da ich erst in der letzten Zeit auf all diese Dinge aufmerksam wurde. Die gesetzmal3ige Beziehung der molaren Schmelzwarme zum Schmelzpunkt, wie ich sie aufgezeigV habe, erlaubt ira weiteren den SchluB, dab in jenen Fallen, wo eben diese Gesetzmal3igkeiten nicht bestehen, polymorphe Um- wandlungen im Schmelzpunkt selbst vor sich gehen. Aus dem Differenz- betrag der molaren Schmelzwarmen (gefunden -- berechnet) kann man, freilich unter Bedachtnahme auf gewisse Voraussetzungen und mit den beroits yon A. Eucken aufgezeigten tJberlegungen, zumindest den I-I6chst

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1004 J. Pirsch: Zur Frage der Gitterkr~fte organischer Molek~ile

wert errechnen, der auf das Konto der polymorphen Umwandlung als Um- wandlungsw~irme einzusetzen ware.

~u nahe jedoch tier ungestSrte Schmelzpunkt zum Umwandlungspunkt zu sein hatte, danait ersterer zu diesena heruntergezogen wird, d~irfte nicht dutch einen konstanten Wert auszuch'ficken seh], sondern vona Grad der ,Rioleldilsymmetrie und von der Raumform wesentlich bestimmt sein. So kann man bei aliphatischen Kettennaolekfilen die Umwandlungswarnaen noeh getrennt bestimnaen, obgleich der Schmelzpunkt hier im Grenzfalle nur um 3,5 ~ hSher liegt.

Literatur.

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4 j . Pirsch, Mh. Chem. 86, 216 (1955). 5 j . Narbut t , Z. Elektrochem. 25, 51 (1919). 8 A . Eucken, Angew. Chem. 55, 163 (1942).

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