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XIII. Aus dem pharmakologisehen Institut der Universit~tt Bonn. Beitrag zur Toxikologie des Coffe~ns. Von C. lqinz. In diesem Archly IX. Bd. S. 31 verSffentliehte ieh die Ergeb- nisse yon Versuehen tiber die Wirkungen der Hauptbestandtheile des Kaffees, welehe ieh in Gemeinsehaft mit Cand. reed. J. Peretti angestellt hatte. Eins dieser Ergebnisse ist die dureh das Coifs'in hervorgebraehte hohe Steigerung der Ktirperw~trme, und ieb nahm als Ursaehe davon an die heftige Erregung der motorisehen Appa- rate, welehe das Coffe'in yon den Cent r e n aus zu Stande bringe. Diese Erregung war bereits yon frtiheren Beobaehtern besehrieben und in gleichem Sinne gedeutet worden. Gegen diese Auffassung hat Filehne Einspraehe in folgenden Worten erhoben~): .In einer Arbeit fiber die ,Kaffeebestandtheile' theilt Binz CoffeYn- versuehe an Hunden mit und erwahnt dort ganz besonders die 8teifig- k e it der Museulatnr ; aber ihm gilt -- wie ieh glaube, nieht mit Reeht -- als Ursaehe dieser Rigiditi~t der Muskeln ,der ehemisehe Reiz des Coffe'fns auf die motorisehen Centren der Medulla oder des Gehirns t -- mit anderen Worten: B inz sieht in jener Rigiditi~t einen dutch eentrale Innervation bedingten Tetanus. 0b diese Steifigkeit nicht aber naeh Durehsehnei- dung der betreffenden motorisehen Nerven und naeh Curarisirung aueh zu Stande gekommen ware, hat B inz weder erwiesen, noeh festgestellt~ und jedenfalls sind wir berechtigt, in der yon ihm besehriebenen Muskel- steifigkeit sine der Warme- und Todtenstarre gleiehwerthige Erstarrung leiehteren Grades zu vermuthen~ welehe einer Restitution fahig war. Die an die besproehene Thatsaehe yon B inz angesehlossenen Erwi~gungen fiber den Causalnexus zwischen dieser Steifigkeit und der yon ihm beobaehteten T e m p e r a t u r e r h ~i h u n g der Hnnde bleiben dagegen durehaus zu Reeht bestehen~ -- da (analog der Todtenstarreentwicklung) aueh naeh Coffe'in die Erstarrung Wi~rme frei maehen muss. Es dtirften daher aueh die 1) Archiv f. Anat. u. Physiol. 1886, Physiol. Abth. S. 74.

Beitrag zur Toxikologie des Coffeïns

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Page 1: Beitrag zur Toxikologie des Coffeïns

X I I I .

Aus dem pharmakologisehen Institut der Universit~tt Bonn.

B e i t r a g z u r T o x i k o l o g i e des Coffe~ns.

Von

C. lq inz .

In diesem Archly IX. Bd. S. 31 verSffentliehte ieh die Ergeb- n isse yon Versuehen tiber die Wirkungen der Hauptbestandtheile des Kaffees, welehe ieh in Gemeinsehaft mit Cand. reed. J. P e r e t t i angestellt hatte. Eins dieser Ergebnisse ist die dureh das Coifs'in hervorgebraehte hohe Steigerung der Ktirperw~trme, und ieb nahm als Ursaehe davon an die heftige Erregung der motorisehen Appa- ra te , welehe das Coffe'in yon den C e n t r e n aus zu Stande bringe. Diese Erregung war bereits yon frtiheren Beobaehtern besehrieben und in gleichem Sinne gedeutet worden.

Gegen diese Auffassung hat F i l e h n e Einspraehe in folgenden Worten erhoben~):

. In einer Arbeit fiber die ,Kaffeebestandtheile' theilt B inz CoffeYn- versuehe an H u n d e n mit und erwahnt dort ganz besonders die 8 t e i f i g - k e i t der Museulatnr ; aber ihm gilt - - wie ieh glaube, nieht mit Reeht - - als Ursaehe dieser Rigiditi~t der Muskeln ,der ehemisehe Reiz des Coffe'fns auf die motorisehen Centren der Medulla oder des Gehirns t - - mit anderen Worten: B inz sieht in jener Rigiditi~t einen dutch eentrale Innervation bedingten T e t a n u s . 0b diese Steifigkeit nicht aber naeh Durehsehnei- dung der betreffenden motorisehen Nerven und naeh Curarisirung aueh zu Stande gekommen ware, hat B inz weder erwiesen, noeh festgestellt~ und jedenfalls sind wir berechtigt, in der yon ihm besehriebenen Muskel- steifigkeit sine der Warme- und Todtenstarre gleiehwerthige Erstarrung leiehteren Grades zu vermuthen~ welehe einer Restitution fahig war. Die an die besproehene Thatsaehe yon B inz angesehlossenen Erwi~gungen fiber den Causalnexus zwischen dieser Steifigkeit und der yon ihm beobaehteten T e m p e r a t u r e r h ~i h u n g der Hnnde bleiben dagegen durehaus zu Reeht bestehen~ - - da (analog der Todtenstarreentwicklung) aueh naeh Coffe'in die E r s t a r r u n g Wi~rme frei maehen muss. Es dtirften daher aueh die

1) Archiv f. Anat. u. Physiol. 1886, Physiol. Abth. S. 74.

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Muskeln des Hundes veto Coffe~n in der Richtung einer Starreentwick- lung beeinflusst werden."

Bereits in der eingangs citirten Abhandlung steht auf S. 35 der Versueh 3, weleher Aufkliirung giebt fiber die yon F i l e h n e unter- stellte Ltieke. Ein kr~ftiges Kaninehen wurde mit zwei Gaben Coffe'in vergiftet, die mit Sieherheit zum Tetanus ftihren mussten. Nach Ablauf yon 85 Minuten trat der Ted durch Herzl~hmung ein, aber w~hrend der ganzen Zeit hatte sich k e i n e S p u r e i n e s K r a m p f e s oder einer iVIuskelstarre gezeigt, denn yon Anfang an war die k t i n s t l i c h e A t h m u n g angestellt worden. Dementsprechend war auch keine Steigerung der Kiirperwiirme entstanden, im Gegentheil ein Abfall yon 0,5 eingetreten.

]n tier Dissertation yon P e r e t t i geht diesem Versuche auf S. 41 ein anderer beim Hunde voraus. Da er noch sonst nirgends publi- cirt ist und er das Verlangen yon F i l e h n e erftillt, so gebe ich ihn hier w(irtlich:

Ein Hund yon 7710 g Gewicht~ dessen zNormaltemperatur am Taffe vorher in derselben Zeit halbstiindlieh gemessen zwisehen 38,8--3875o sehwankte, wurde 11 Uhr Morgens naeh vorherffegangener Aetherisirnng auf den Versuehstisch aufgebunden. •achdem die Traeheotomie aus- gefiihrt und die kiinstliche Respiration eingeleitet war, wurde das Thier mit Ausnahme des Kopfes ganz in Watte eingehtillt nnd nach und naeh so viel Curare l i i sung eingespritzt, bis die Muskeln si~mmtlieh ganz er- sehlafft waren.

Zeit Temp. :Bemerkungen

l l h 15m

l l h 30m l l h 4 5 m 12h - - m 12h 15m 12h 30m i 2 h 45m

l h - - m

l h iSm l h 3 0 m l h 4 5 m 2 h - - m

38~5

3S~2 38,0 3 8 j 37~9 37,9 37,2

36,7

36,4 36~0 35~9 35~8

Der Hund hatte sieh mittlerweile yon tier Actherisirung wieder ganz erholt. Das Thermometer blieb fortwahrend im Rectum liegen.

Der ttund ist ganz gelithmt. Werden 0~5 Coffein in 20 ecru Aq. destill, an 2 Stelien subcu-

tan injioirt. Selbs~ bei sehr guter Bedeekung an allen Seiten sinkt die Tem-

peratur fortwahrend. Reflexthi~tigkelt der Augenllder aufgehoben. K e i n e M u s k e l s t a r r e .

Noeh 0~3 Coffein wie oben. Ted ohne Zuckung.

Da der in diesem Arehiv IX. Bd. S. 35 mitgetheilte Versuch 3 ge- zeifft butte, dass die ktinstliehe Athmunff allein sehon gentigt, um die vom Coffc'in bewirkten Kr~mpfe unmtiglich zu machen, schien es mir tiberflUssig, den Versuch mit Curare, der doeh nicht ohne jene Ath-

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mung angestellt werden konnte, ebenfalls zu publieiren, vorausgesetzt, class der Versueh 3 gelesen wiirde. Die genannte Dissertation da- gegen brauchte ausserhalb des 0rtes ihres Entstehens nicht bekannt zu sein.

Auch das weitere Verlangen F i l e h n e ' s ist in der Dissertation P e r e t t i ' s bereits erfiillt. Auf S. 43 wird beschrieben, dass bei einem jungen Hunde der lschiadieus und der Cruralis durchsehnitten wur- den und dieser FIund nun im Lauf yon einer Stunde 0,35 Coffe'in sub- cutan bekommt. Es entsteht ein heftiger allgemeiner Krampf, worin das Thier bleibt. In diesem Krampf streekt sieh auch das operirte Bein, und zwar wie der Verfasser annimmt, weil die kleinen Aeste, welche hoeh her vom Cruralis die Muskeln des Oberschenkels ver- sorgen, bei der heftigen Erregnng gentigten, um den Schenkel mit- zustrecken. Es werde datum nSthig sein, den Versuch bei einem griisseren Thief in genauerer Weise zu wiederholen.

Aus zuf~lligen ~usseren Grtinden ist das damals unterblieben. Der Einwand F i l eh n e 's hat reich veranlasst, diesen Versueh erneut anstellen zu lassen. Das geschah durch den dermaligen studentisehen Assistenten meines Instituts W. H e e r l e i n , den Dr. J. G e p p e r t dabei untersttitzte. Hier der Verlauf:

Ein Kaninehen yon 1500 g wird iitherisirt~ sodann dcr N. isehiadicus, N. cruralis und der N. obturatorius durchtrennt. Naehdem das Thier sich vollkommen erholt hatte und auf den 3 Beinen umhergelaufen war~ wird 11 h. 30 m. eine Einspritzunff yon 25 g 2 proe. (3offeYnRisung (also 0~5 g Coffe~n) subeutan gemaeht. Bald nach der Einspritzung wird die Athmung deutlich besehleunigt~ die Reizbarkeit gegen sensible Reize nimmt zu. Um 11 h. 40 m. tritt der erste Krampf auf~ welchem noch mehrere andere naehfolgen~ der stiirkste 11 h. 45 m. Dieser Krampf dauert anniihernd 40 Seeunden. Die Kr•mpfe sind fast ausschliesslieh klonischer Natur. Umfasst man mit Daumen und Zeigefinger wi~hrend tier Krlimpfe die hinteren Muskeln des Oberschenkels~ so fiihlt man deut- lich, wie die Museulatur der nieht durchsehnittenen Seite in Zuckung ver- fiillt~ wohingegen die der anderen Seite s c h l a f f bleibt. Der M. quadri- ceps der durehsehnittenen Seite spannt sieh dcutlieh tetanisch~ so dass es sehwer ist~ das Bein zu beugen. Der Tod erfolgt 11 h. 55 m.

Die sofort vorgenommene Section ergab~ dass vom t'q. cruralis der Ramus museularis fiir den M. rectus femoris~ weleher sieh an der vorderen Seite des R. muscularis der A. circumfiexa femoralis lateralis in dem ge- nannten Muskel ver~istelt, sowie einige der lateralwarts abgegebenen Rami musculares der l~Im. vastus medialis~ cruralis~ vastus lateralis nicht durehtrennt waren, l)

Hierin ist die Erkliirung ftir den tetanischen Krampf im Bereiche des M. quadriceps zu suchen.

1) w. Krause, Die Anatomic des Kaniachens. Leipzig lS68. A r c h i v f. experimenL I'athol. u. Pharmakol. XXVIIL Bd. 14

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200 XIII. BI~z, Beitrag zur Toxikologie des Coffeins.

In einem zweiten Versuehe wurde etwas anders verfahren.

Ein Kaninehen yon 1600 g wurde ~therisirt 10 h. 20 m., sodann wurde der 3T. isehiadieus tier reehten 8eite durehtrennt und beiderseits die Haut tiber den hinteren Obersehenkelmuskeln abgezogen, so dass man die Finger direct auf die dort befindliehen Muskeln auflegen konnte. ~aehdem das Thler sieh vollstitndiff erholt hatte, werden um 10 h. 55 m. 25 g 2proe. Coffe/nlOsung (also 0,5 g GoffeYn) unter die Rtiekenhaut ein= gespritzt. Die Athmung wird naeh kurzer Zeit starker. Um 11 h. 7 m. 30 s. treten die ersten Zuekungen auf. Die Museulatur an der Rtieken- seite des 0bersehenkels ist links deutlieh gesloannt, r e e h t s s e h l a f f . Der zweite Krampf tritt 1 l h. 13 m. 45 s. ein. Man sieht~ dass die Zuekun- gen n u r auf der undurehsehnittenen Seite eintreten, ebenso fUhlt man beim Auflegen der Finger, class n u t auf der undurehsehnittenen Seite Krampf und Zuekungen sieh bemerkbar maehen. Um 11 h. IS m. 45 s., sowie um 11 h. 20 m. treten noehmals zwei Kriimpfe auf, bei welehen das Bild genau dasselbe ist, wie oben besehrieben. Um 11 h. 24 m. be- ginnt die Athmung sehw~ieher zu werden~ um 11 h. 27 In. tritt der Tod ein.

Aueh diese beiden Versuehe lassen keine andere Deutung z t t als die, welehe ieh auf Grund des Versuehes mit ktinstlieher Ath- mung, den F i l e h n e einfaeh ignorirt hat, bereits geffeben habe.

Betreffs tier Literatur t~ber den ganzen Gegenstand verweise ieh auf die Einleitung zu der eingangs eitirten Abhandlung.