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Zeitschrift f iir Chernie 24. Jahrgang . April 1984. Heft 4. ISSN 0044-2402 Herausgeber : Im Auftrage der Chemischen Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik Prof. Dr. Helga Dunken, Prof. Dr. Dr. h. c. h t h a r Kolditz, Prof. Dr. Roland Mayer Unter Mitarbeit von Prof. Dr. Dr. h. c. H.-H. Emons, Prof. Dr. R. Geyer, Prof. Dr. S. Herzog, Prof. Dr. H.-A. Lehmann, Prof. Dr. S. Rapoport, Prof. Dr. Dr. h. c. G. Rienlcker, Prof. Dr. H. Sackmann, Prof. Dr. 0. Schott, Prof. Dr. W. Schroth, Prof. Dr. M. Schulz, und Prof. Dr. K. Schwetlick Benetzungsun t ersuchungen und grenzflachenenerge tische Eigenschaf ten oberflachenmodifizierter Si-Si0,-Substrate Wolfgang Wagner, Jorg Theissig, Irene Hopfe und Gunter Marx Technische Hochschule Karl-Marx-Stadt, Sektion Chemie und Werkstofftechnik Einleitung Im Unterschied zu Fliissigkeiten ist bei Festkorpern oder Feststof- fen eine direkte Bestimmung der spezifischen freien Oberflachen- enthalpie bzw. Oberfliichenspannung im normalen Temperatur- bereich nicht moglich. Andererseits werden viele Erscheinungen und Vorgiinge an festen Oberfliichen in Natur und Technik we- sentlich vom grenzfllchenenergetischen Zustand der betreffenden Phasengrenze mitbestimmt. Dazu sei nur an den gesamten Pro- blemkreis der Haftung erinnert, z. B. von Filmen aus organischen Materialien auf den verschiedensten Substraten. Jeder indirekte Weg zur Ermittlung von Oberfllchenspannungen fester Stoffe kann nur iiber Systeme fuhren, in denen diese rnit einer fluiden Phase in Kontakt stehen. Dabei diirfen jedoch zwi- schen den Oberfllchenbausteinen und den Teilchen der angrenzen- den Phase keine starken Wechselwirkungen auftreten, die z. B. zu einer spezifischen Adsorption, einer Chemisorption, einer Solvata- tion und Quellung oder gar zu einer chemischen Oberfliichenreak- tion fuhren. Es verbleiben damit nur Fliissigkeiten, die sich gegeniiber dem festen Stoff moglichst inert verhalten miissen. Hierin ist ein wesentlicher Grund zu sehen, warum Benetzungs- untersuchungen seit reichlich 30 Jahren wieder groBeres wissen- schaftliches Interesse gewonnen haben und seit Anfang der 60er Jahre in steigendem MaDe zur energetischen Oberfliichencharak- terisierung von Festkorpern und Feststoffen mit niederenergeti- schen Oberfllchen genutzt werden. 1. Zum derzeitigen Stand der theoretischen Grundlagen Ausgangspunkte sind zwei theoretische Konzeptionen iiber Wechselwirkungen an den Phasengrenzen zwischen zwei Fliissig- keiten oder zwischen einer Fliissigkeit und einem festen Stoff, die auf R. J. Good [1]-131 sowie auf F. M. Fowkes [4], [5] zuriick- gehen. In miteinander kombinierter und weiterentwickelter Form [GI-[8] lassen sie sich kurzgefaDt wie folgt darstellen: Die spezifische freie Oberfliichenenthalpie bzw. Oberfliichen- spannung u fliissiger (1) wie auch fester Stoffe (s) mit niederener- getischen Oberfliichen setzen sich zusammen aus einem Anteil, der auf die ungerichteten Londonschen Dispersionswechselwir- kungen zuriickgeht (up bzw. 17:) und einem Anteil (up bzw. u:), in dem die gerichteten polaren, Dipol-Dipol-, Dipol-induzierter Dipol- und Wasserstoffbriicken- oder allgemeiner Donator-Ak- zeptor-Wechselwirkungen [9] enthalten sind [GI. (la, lb)]. Dem- entsprechend lassen sich auch die nach GI. (2) definierten Adhii- sionsarbeiten W, zwischen einer festen und einer flussigen Phase in zwei derartige Anteile aufspalten Grenzfliichenspannung a n der Phasengrenze 5-1). Fur Systeme, in denen eine Fliissigkeit mit einer festen Phasen- grenze einen (Gleichgewichts-)Randwinkel 0 bildet, gilt die Youngsche Gleichung. I n der mit GI. (3) angegebenen Form ist allerdings die Naherung enthalten, daB der Gleichgewichts- Oberfliichendruck (-Filmdruck) 7ce = us,,,c - us vernachliissig- bar klein ist. Da es bisher noch keine allgemein anwendbare Me- thode zur Ermittlung von n, gibt, andererseits in den meisten, SO auch in den von uns untersuchten Systemen eine Adsorption von Fliissigkeitsdiimpfen an den festen Oberflachen nicht ausge- schlossen werden kann, ist us als ein Ma13 fur den Energiezustand der realen festenOberfliichen unter denUntersuchungsbedingungen und nicht als Absolutwert der spezifischen freienOberfliichenentha1- pie der betreffenden Oberfllchen ,,an sich", d. h. angrenzend an ein Vakuum (a , ) , aufzufassen. Die Gleichungen (d) und (3) konnen miteinader kombiniert wer- den; auf der linken Seite von GI. (4) stehen dann experimentell zugiingliche GroBen. Fur den Dispersionsanteil der Adhiisions- arbeit W&, ergibt sich aus der Good-Fowkes-Theorie der Ausdruck GI. (5 a). Mit den Ergebnissen experimenteller Untersuchungen der verschiedenartigsten Benetzungssysteme durch mehrere Auto- pen und dem Nachweis der theoretischen Begrundbarkeit fur den ,,A.nsatz des geometrischen Mittels" aus der Londonschen Theorie der Dispersions-Wechselwirkungen wird heute als gesichert ange- sehen, daD W:, zwischen beliebigen niederenergetischen festen und fliissigen Phasen gut durch GI. (5a) wiedergegeben wird. Entsprechend einer Grundvorstellung der Fourkessehen Theorie sind die Dispersionsanteile u," und up unabhiingig davon, ob und welche polaren Wechselwirkungen iiber die Phasengrenze 5-1 hinweg noch auftreten. Es lag nahe, auch fur den polaren Anteil der Adhasionsarbeit in GI. (4) einen analogen Ansatz wie fur W: , j zu machen [GI. (5b)l. Dann ll13t sich die so resultierende Gleichung durch Unter- suchungen rnit zwei Fliissigkeiten auswerten. Durch geeignete Umformungen unter Einbeziehung von G1. (la) kann man aber auch zu G1. (6) gelangen. Mit bekannten u1 und up einer Reihe von ,,MeDfliissigkeiten" und deren Randwinkeln an der festen Ober- Z. Clmn., 2-1. Jg. (1954) FZcft 4 0 121

Benetzungsuntersuchungen und grenzflächenenergetische Eigenschaften oberflächenmodifizierter Si-SiO2-Substrate

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Zeitschrift f iir Chernie 24. Jahrgang . April 1984. Heft 4 . ISSN 0044-2402

Herausgeber : Im Auftrage der Chemischen Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik Prof. Dr. Helga Dunken, Prof. Dr. Dr. h. c. h t h a r Kolditz, Prof. Dr. Roland Mayer Unter Mitarbeit von Prof. Dr. Dr. h. c. H.-H. Emons, Prof. Dr. R. Geyer, Prof. Dr. S. Herzog, Prof. Dr. H.-A. Lehmann, Prof. Dr. S. Rapoport, Prof. Dr. Dr. h. c. G. Rienlcker, Prof. Dr. H. Sackmann, Prof. Dr. 0. Schott, Prof. Dr. W. Schroth, Prof. Dr. M. Schulz, und Prof. Dr. K. Schwetlick

Bene tzungsun t ersu chungen und grenzf lac henenerge tis c he Eigensc haf ten oberflachenmodifizierter Si-Si0,-Substrate

Wolfgang Wagner, Jorg Theissig, Irene Hopfe und Gunter Marx

Technische Hochschule Karl-Marx-Stadt, Sektion Chemie und Werkstofftechnik

Einleitung Im Unterschied zu Fliissigkeiten ist bei Festkorpern oder Feststof- fen eine direkte Bestimmung der spezifischen freien Oberflachen- enthalpie bzw. Oberfliichenspannung im normalen Temperatur- bereich nicht moglich. Andererseits werden viele Erscheinungen und Vorgiinge an festen Oberfliichen in Natur und Technik we- sentlich vom grenzfllchenenergetischen Zustand der betreffenden Phasengrenze mitbestimmt. Dazu sei nur an den gesamten Pro- blemkreis der Haftung erinnert, z. B. von Filmen a u s organischen Materialien auf den verschiedensten Substraten. Jeder indirekte Weg zur Ermittlung von Oberfllchenspannungen fester Stoffe kann nur iiber Systeme fuhren, in denen diese rnit einer fluiden Phase in Kontakt stehen. Dabei diirfen jedoch zwi- schen den Oberfllchenbausteinen und den Teilchen der angrenzen- den Phase keine starken Wechselwirkungen auftreten, die z. B. zu einer spezifischen Adsorption, einer Chemisorption, einer Solvata- tion und Quellung oder gar zu einer chemischen Oberfliichenreak- tion fuhren. Es verbleiben damit nur Fliissigkeiten, die sich gegeniiber dem festen Stoff moglichst inert verhalten miissen. Hierin ist ein wesentlicher Grund zu sehen, warum Benetzungs- untersuchungen seit reichlich 30 Jahren wieder groBeres wissen- schaftliches Interesse gewonnen haben und seit Anfang der 60er Jahre in steigendem MaDe zur energetischen Oberfliichencharak- terisierung von Festkorpern und Feststoffen mit niederenergeti- schen Oberfllchen genutzt werden.

1. Zum derzeitigen Stand der theoretischen Grundlagen Ausgangspunkte sind zwei theoretische Konzeptionen iiber Wechselwirkungen an den Phasengrenzen zwischen zwei Fliissig- keiten oder zwischen einer Fliissigkeit und einem festen Stoff, die auf R. J . Good [1]-131 sowie auf F. M. Fowkes [4], [5] zuriick- gehen. In miteinander kombinierter und weiterentwickelter Form [GI-[8] lassen sie sich kurzgefaDt wie folgt darstellen:

Die spezifische freie Oberfliichenenthalpie bzw. Oberfliichen- spannung u fliissiger (1) wie auch fester Stoffe ( s ) mit niederener- getischen Oberfliichen setzen sich zusammen aus einem Anteil, der auf die ungerichteten Londonschen Dispersionswechselwir- kungen zuriickgeht (up bzw. 17:) und einem Anteil (up bzw. u:), in dem die gerichteten polaren, Dipol-Dipol-, Dipol-induzierter Dipol- und Wasserstoffbriicken- oder allgemeiner Donator-Ak- zeptor-Wechselwirkungen [9] enthalten sind [GI. ( la , lb)]. Dem- entsprechend lassen sich auch die nach GI. (2) definierten Adhii- sionsarbeiten W,, zwischen einer festen und einer flussigen Phase in zwei derartige Anteile aufspalten Grenzfliichenspannung an der Phasengrenze 5-1).

Fur Systeme, in denen eine Fliissigkeit mit einer festen Phasen- grenze einen (Gleichgewichts-)Randwinkel 0 bildet, gilt die Youngsche Gleichung. I n der mit GI. (3) angegebenen Form ist allerdings die Naherung enthalten, daB der Gleichgewichts- Oberfliichendruck (-Filmdruck) 7ce = us,,,c - us vernachliissig- bar klein ist. Da es bisher noch keine allgemein anwendbare Me- thode zur Ermittlung von n, gibt, andererseits in den meisten, SO auch in den von uns untersuchten Systemen eine Adsorption von Fliissigkeitsdiimpfen an den festen Oberflachen nicht ausge- schlossen werden kann, ist us als ein Ma13 fur den Energiezustand der realen festenOberfliichen unter denUntersuchungsbedingungen und nicht als Absolutwert der spezifischen freienOberfliichenentha1- pie der betreffenden Oberfllchen ,,an sich", d. h. angrenzend an ein Vakuum (a,,,,,), aufzufassen. Die Gleichungen (d) und (3) konnen miteinader kombiniert wer- den; auf der linken Seite von GI. (4) stehen dann experimentell zugiingliche GroBen. Fur den Dispersionsanteil der Adhiisions- arbeit W&, ergibt sich aus der Good-Fowkes-Theorie der Ausdruck GI. (5 a). Mit den Ergebnissen experimenteller Untersuchungen der verschiedenartigsten Benetzungssysteme durch mehrere Auto- pen und dem Nachweis der theoretischen Begrundbarkeit fur den ,,A.nsatz des geometrischen Mittels" aus der Londonschen Theorie der Dispersions-Wechselwirkungen wird heute als gesichert ange- sehen, daD W:, zwischen beliebigen niederenergetischen festen und fliissigen Phasen gut durch GI. (5a) wiedergegeben wird. Entsprechend einer Grundvorstellung der Fourkessehen Theorie sind die Dispersionsanteile u," und up unabhiingig davon, ob und welche polaren Wechselwirkungen iiber die Phasengrenze 5-1 hinweg noch auftreten. Es lag nahe, auch fur den polaren Anteil der Adhasionsarbeit in GI. (4) einen analogen Ansatz wie fur W:,j zu machen [GI. (5b)l. Dann ll13t sich die so resultierende Gleichung durch Unter- suchungen rnit zwei Fliissigkeiten auswerten. Durch geeignete Umformungen unter Einbeziehung von G1. (la) kann man aber auch zu G1. (6) gelangen. Mit bekannten u1 und up einer Reihe von ,,MeDfliissigkeiten" und deren Randwinkeln an der festen Ober-

Z. C l m n . , 2-1. Jg. (1954) FZcft 4 0 121

fliiche mu13 sich beim Auftragen der linken Seite von GI. (6) iiber IT-- eine Gerade ergeben, aus deren Schnittpunkt mit der Ordinate 0: und BUS deren Steigung uz zu erhalten sind. Damit war erstmals die prinzipielle Moglichkeit eroffnet, durch Benetzungsuntersuchungen mit Fliissigkeiten, von denen die ener- getischen Oberfliicheneigenschaften bekannt sind, polare und Dispersionsanteile der spezifischen freien Oberfliichenenthalpien niederenergetischer fester Oberflachen zu ermitteln, aus decen rnit GI. (1b) auch die us-Werte selbst folgen [6], [7]. Inzwischen sind eine groBere Zahl solcher Untersuchungen an unterschiedlichen Systemen mit sehr verschiedenartigen praktischen Zielstellungen veroffentlicht worden, vgl. z.B. [lo]-[16]. Die benotigten Werte fur uf konnen u. a. durch R,andwinkelmessungen dieser Flussig- keiten an vollig unpolaren festen Oberflachen mit bekannten spe- zifischen freien Oberflachenenthalpien u8 (= u:) nach GI. (7) erhalten werden, die aus GI. (6) rnit up = 0 folgt. Zu den us-Wer- ten solcher festen Oberflachen (PTFE, Paraffin, Monoschichten in Form von Langrnuir- Blodgett-Filmen von z. B. Stearinsiure) gelangt man wiederum durch entsprechende Benetzungsunter- suehungen mit vollig unpolaren Fliissigkeiten, z. B. gesattigten Kohlenwasserstoffen, bei denen also 0, = up ist. Pchon Fowkes selbst hatte festgestellt [17], daB es keine theore- tische Begriindung fur eine Allgemeingultigkeit von Gl. (5b) oder fiir die Annahme gibt, daB der mit Hilfe dieses Ansatzes und GI. (6) fur eine gegebene feste Oberflache ermittelte polare An- teil der spezifischen freien Oberflachenenthalpie ug immer konstant und unabhhgig von den verwendeten MeRfliissigkeiten sein sollte. Zur gleichen Feststellung gelangt neben anderen auch Wu [18], [19]; der von ihm fur die polaren Wechselwirkungen einge- fiihrte ,,Ansatz des harmonischen Mittels" up/ (ug + UP) ist allerdings ebenfalls vollig empirisch. Good zeigte [3], daR fur Ansatze entsprechend GI. (6b) 2.B. dann gro13ere Unsicherheiten zu erwarten sind, wenn an der Phasengrenze rela- tiv starke Dipol-Dipol- oder Dipol-induzierter Dipol-Wechselwir- kungen von Teilchen oder Atomgruppen mit Dipolmomenten > 1,2 bis 2,s D auftreten. AuRerdem erscheint es physikalisch nicht begriindbar, die unterschiedlichen polaren Wechselwirkun- gen an einer Phasengrenze durch ein und denselben Ansatz aus- driicken zu konnen. Nach dem gegenwiirtigen Stand der Theorie gibt es zwar von Fowkes einen neuen Ansatz fur WEd [20]-[22], dieser ist aber selbst zur Abschatzung der polaren Anteile von spezifischen freien Oberflachenenthalpien fester Oberflachen noch nicht geeignet. Trotz der bestehenden Unsicherheiten ist es gerechtfertigt,, unter Anwendung von GI. (6) 0,"- und oi-Werte z.B. zu Vergleichs- zwecken zu bestimmen, wenn man sich des Niherungscharakters der Ergebnisse bewuBt bleibt und die numerischen Werte als spe- zifisch aus dem Untersuchungsverfahren folgend ansieht. Dies betrifft auch die u,d-Werte, die nach der Art ihrer Ermittlung aus der Geradengleichung ( 6 ) unter Verwendung polarer Fliissigkeiten sicherlich nicht ausschlielilich eine Eigenschaft der festen Oberfla- che ,,an sich" wiedergeben. Andererseits kann man nachprufen, daB sich durch die gemeinsame Aus wertung von MeRergebnissen mehrerer Fliissigkeiten ein Teil der Unsicherheiten gegenseitig aufheben. Hauptanliegen der eigenen Untersuchungen war nach- zuweisen, ob trotz aller Einschrankungen diese Methode geeig- net ist, kleinere Unterschiede im oberflachenenergetischen Zu- stand chemisch verschiedenartig modifiziert,er Si -SiO,-Substrate zu erfassen. Es gibt derzeit zwei Moglichkeiten, zu ut-Werten rnit einer wahr- scheinlich groDeren Sicherheit zu gelangen. Einmal bei Vorliegen fester Oberflachen mit nur schwach polarem Charakter durch Verwendung vollig unpolarer MeDfliissigkeiten, wodurch das Glied Wld entfallt. Voraussetzung ist allerdings, daR diese Fliissigkeiten an der betreffenden festen Oberflache endliche Randwinkel aus- bilden; haufig tritt dann aber eine Spreitung auf, so auch bei den von uns untersuchten Substraten. Zweitens dadurch, daB das Glied Wid nicht weiter aufgelost wird. GI. (8) ist einer quanti-

WEd = 4 * ug

tativen Auswertung zugiinglich, wenn entsprechende Benetzungs- untersuchungen in Systemen s-ll-l, mit gedttigten Kohlenwasser- stoffen als 1, durchgefiihrt werden [22]-[26]. Fur u: werden daniit reeht siehere Werte erhalten; iiber die polaren Anteile der spezi- fischen freien Oberflichenenthalpien der festen Oberflachen sind dann jedoch keine Aussagen moglich. Eine neuere Ubersicht iiber alle theoretischen Konzepte und Wege zur Bestimmung spezifischer freier Oberflachenenthalpien von festen Stoffen rnit niederenergetischen Oberflachen gibt z. B. Schultz [27].

2. Oberilachenmodifizierung, Oberflachenspannungs- und Randwinkelmessungen

2.1. Substrate

Ausgangsmaterial waren polierte Gi-Einkristallscheiben rnit CVD- Si0,-Schichten von 380 nm Dicke. Vor der Modifizierung erfolgte eine griindliche Reinigung mit Chromschwefelsaure, ausgiebiges Spiilen mit destilliertem Wasser und Trocknen. Oberfliichenbe- handlung und -modifizierung:

Substrat 1: Si-OH; lstiindiges Ausheizen der Proben im gerei- nigten Ar-Strom bei 76@780"C zur vollstandigen Entfernung sehr fest adsorbierten Wassers; Oberfllchengruppen nuxschIie0- lich isolierte Si-OH (etwa 1,7 nm-,), daneben chemisorbiertes Wasser.

Substrat 2: Si-H/740; Ausheizen der Proben im Ar-Strom bis 740°C, anschlieflend Bstiindiges Behandeln mit gereinigtem H, bei der gleichen Temperatur ; Oberflachengruppen Si -H (etwa 1,5 nm-2) und noch Si-OH (etwa 0,3 nm-2).

Substrat 3: Si -H/800; Ausheizen und H,-Behandlung wie bei Sub- strat 2, beides jedoch bei 800°C; Oberfltichengruppen Bi-H (etwa 1,7 nrn-,) und Si-OH (noch etwa 0,2 nm-2).

Substrat 4: Si-CC,H,; Ausheizen der Proben im Ar-Strom bis 800"C, anschlieBend lstundiges Behandeln mit H, bei der gleichen Temperatur, zuletzt l/,stiindiges Behandeln mit einem Ar-Benzen- Strom bei 560-560°C; Oberflachengruppen Si-C,H, (etwa 0,4 nm-,), Si-OH (etwa 0,5 nm-,) und Si-H (etwa 0,2 nm-2), da- neben in sehr geringer Menge chemisorbiertes Wasser.

Substrat 5: Si-NH,; ll/,stundiges Behandeln der Proben in einem reinen NH,-Strom bei 800°C; Oberflachengruppen Si -NH, (etwa 1,2 nm-,), Si-NH-Si (etwa 3,2 nrn-,, i.w. in das Si0,- Volumen eingebaut) und Si-OH (etwa 0,3 nrn-,), dnneben ad- sorbiertes Wasser.

Die Abkiihlung aller oberflachenmodifizierten Proben erfolgte immer im Ar-Strom.

Substrat 6: Si-CH,; l/,stundiges Ausheizen der Proben im Ar- Strom, anschlieRend l/,stiindiges Behandeln mit Hexamethyldisi- lazan (CH,),-Si-NH-Si-(CH,), (HMDS) im temperierten Ex- sikkator bei 38°C; Oberflachengruppen Si-(CH,),, auBerdem adsorbiertes HMDS und evtl. NH,, keine Si-OH.

Art und Anzahl der Oberflachengruppen nach den Modifizierun- gen wurden IR-spektrosk.opisch an Aerosil-300-PreBlingen er- mittelt, die rnit einem PreRdruck von 350 MPa hergestellt worden waren. Die Oberflachen-Silangruppen konnten zusatzlich durch ATR-IR-Fourierspektroskopie nachgewiesen werden (Naheres zu diesen Untersuchungen vgl. ["I). Von einigen Modifizierungen ist bekannt, da13 sich die Obcrflachen- zusnmmensetzungen beim Lagern durch Reaktion mit Wasser- dampf wieder verandern. Dadurch bauen sich besonders die Si-NH,-Gruppen relativ leicht wieder zu Si-OH-Gruppen ab (die Si-NH-Si-Gruppen sind dagegen sehr stabil). Um solohe Effekte aiiszuschlieBen, wurden die Benetzungsuntersuchungen stets am Tage nach der Behandlung durchgefiihrt. Die zwischen- zeitliche Aufbewahrung erfolgte im Exsikkator iiber Silicagel (etwa 2% rLF) ; von den Oberflachen-Silangruppen ist erwiesen, daR ihre Anzahl dabei unverandert bleibt.

Tabelle 1

Literatur-Daten Uf U P UI 4 up Lit. - - - - - 0 1 0 an 01"

.,-I grad . m-1 . m-l .,-I . m-l . ,-1 MeBfliissigkeit -

mN mN mN ul mN PTFE/ mN - mN u1

60,8 41,8 37,8

47,8

- 1 Diiodmethan 2 Tribrommethan 3 Dibromethan

2,O 0,05 - 72,G 39.8 3,4 0,lO 70,4 34,4

90,O 30,9 16,9 O,35

- _.

- - - 4 1,1,2,2-

5 Ethylenglycol 6 Glycerol

- - - Tetrabrom-ethan

7 Wasser 72,2 116,4 21,7 50,5 0,70 - - -

50,8 49,5 - 1,3 - 0,025 P I 41,9 ~291 3 7 3 [301

47,5 ~301

PI

!31 P I

48,3 29,3 19,O 0,39 G4,O 34,O 30,O 0,47 72,8 21,8 51,0 0,70

- - - - - -

2.2. MeJjliissigkeiten

Bei der Auswahl sollten nach Maglichkeit folgende Anforderungen beriicksichtigt werden:

- Dipolmomente nicht iiber etwa 1,2 bis 2,5 D [3]; - Molekiile ohne hochgradig unsymmetrische Kraftfelder, wie

z. B. bei arornatischen Nitroverbindungen [3]; - wegen der Moglichkeit zusatzlicher Wechselwirkungen der

n-Elektronen rnit bestimmten Oberflachengruppen generell keine aromatischen Verbindungen [3] :

- ausreichende chemische Stabilitlt, gute Handhabbarkeit, gute Reinigungsmoglichkeiten, nicht zu hoher Dampfdruck;

- Ausbildung von Randwinkeln iiber etwa 5 bis 10 Grad an den zu untersuchenden festen Oberflilchen;

- inertes Verhalten gegeniiber diesen Oberflitchen, auch kein Anquellen oder Anlosen;

- moglichst breites Spektrum von up- und up-Anteilen.

Die von uns benutzten Fliissigkeiten sind in Tab. 1 zusammen- gestellt. Sie umfassen zwei Gruppen: Fliissigkeiten 1 bis 4 mit Di- pol-(Keesom)-Wechselwirkungen, Fliissigkeiten 5 bis 7 mit der Fiihigkeit zur Ausbildung von Wasserstoffbriickenbindungen. Alle Fliissigkeiten wurden nach in der Literatur zu findenden Vor- schriften, vor allem durch mehrfache fraktionierte Vakuumdestil- lation, gereinigt. Das Wasser war mehrfach, zuletzt in einer Quarz- anlage, destilliert. Die Brechungsindiees aller Fliissigkeiten stimm- ten sehr gut mit Literaturdaten uberein. Zur Aufbewahrung befanden sich die Flaschen mit den gereinigten Fliissigkeiten ein- zeln und unter AusschluB von Luftfeuchtigkeit in abgedunkelten Exsikkatoren.

2.3. Oberfluchenspannungs- und Randwinkelmeasungen

Von einigen der verwendeten MeBfliissigkeiten wurden die Oberfliichenspannungen crl nach der Tropfenvolumenmethode [31] bei 20°C bestimmt. Die erhaltenen Werte sind in Spalte 2 der Tab. 1 aufgefiihrt. Die Randwinkel wurden durch direkte Winkelmessung am Drei- phasenkontaktpunkt s-I-g von Tropfenprofilen auf den Substraten ermittelt. Als MeBvorrichtung diente ein Einbaumikroskop rnit WinkelmeBokular vom VEB Carl Zeiss Jena. Die Substrate befan- den sich wkihrend der Messung in einer geschlossenen MeBzelle am PTFE mit Fenstern aus Kiivettenglas; die Zelle wurde von einem langsamen Strom gereinigten Stickstoffs durchstromt. Zur Vermeidung einer Verdunstung der Tropfen befand sich zusatz- lich ein kleines offenes GefiiB mit der jeweiligen MeBfliissigkeit in der Zelle. Das Aufbringen der Tropfen auf die Substrate erfolgte mittels einer in die Zelle hineinragenden Mikrokolbenbiirette rnit aufgesteckter Kaniile. Es wurden stets Tropfen rnit einem konstanten Volumen von 2 . ml aufgebracht und immer der Vorriickwinkel gemessen. Alle Messungen erfolgten bei Raumtem- peratur.

Von jedem der Substrate 1 his 6 wurden mit jeder Fliissigkeit 2 bis 3 Proben untersucht, auf jeder Probe 4 bis 5 Tropfen gebildet und jeder Tropfen abwechselnd rechts und links je 2mal ver- messen.

2.4. up- Werte der Mejflissigkeiten Von Wasser und drei weiteren MeBfliissigkeiten (8. Tab. 1) wur- den die Randwinkel auf speziell priipariertem PTFE (us = 18,5 mN . m-l, [8]) ermittelt und daraus mit Hilfe von G1. (7) die Dispersionsanteile ihrer Oberflachenspannungen sowie mit G1. (1 b) die polaren Anteile berechnet. Fur jede der vier Fliissig- keiten wurde eine PTFE-Probe wie folgt hergestellt [32]: Die griindlich rnit warmer, wkiBriger Tensidlosung und anschlie- Bend mit destilliertem Wasser gereinigten, im Exsikkator iiber P,O, getrockneten, etwa 3 mm dicken PTFE-Stiicken wurden zwischen zwei vorher griindlich gereinigten optischen Glasschei- ben fest in einer Schraubvorrichtung eingepreBt und in dieser Form 30 Minuten auf etwa 250°C erwiirmt. Dabei trat eine deut- liche Dickenreduzierung auf ; nach langsamem Abkiihlen der Probe in der PreBvorrichtung in einem Exsikkator besaBen sie eine spie- gelglatte, glilnzende Oberflache, von der angenommen werden kann, daB sie im wesentlichen aus CF,-Gruppen besteht. Die Oberflilchen- rauheit der so hergestellten Proben lag unter 1 pm. Die auf diesen Proben mit den MeBfliissigkeiten ermittelten Rand- winkel sowie die daraus berechneten Werte ftir uf und up Bind in den Spalten 3 bis 5 der Tab. 1 aufgefiihrt. Wasser wurde zusiitz- lich auch noch auf einer Paraffinschicht untersucht, welche auf einen gereinigten Objekttrager aufgeschmolzen war (Schmp. 70°C). Es ergab sich ein Wasserrandwinkel von 110,8 Grad, was rnit us = 25,5 mN. m-l [8] zum gleichen Wert fur uf von Wasser fiihrte wie mit dem PTFE. Die auf beiden Substraten mit Wasser ge- messenen, rnit den hochsten in der Literatur angegebenen Werten ubereinstimmenden Randwinkel und die daraus folgenden up- Werte fur Wasser, die ebenfalls eine sehr gute Ubereinstimmung mit den in der Literatur verwendeten zeigen, waren Veranlassung, mit dem 0.a. us-Wert fur PTFE zu arbeiten, obgleich neuere Untersuchungen p21] auch einen Wert von 19,6 mN - m-1 miiglich erscheinen lassen. Die MeDfliissigkeiten sind in Tab. 1 nach ihren relativen Polari- tilten (fractional polarities) up/., geordnet (Spalten 6 und 10). Zur Ermittlung von ut und uf: der Si-Si0,-Substrate wurden die unterstrichenen Werte verwendet.

3. Ergebnisse und Diskussion

3.1. Ergebnisse der Benetzungsuntersuchungen

Fur jedes der Substrate 1 his 6 (Abschn. 2.1.) wurden entsprechend dem im Abschn. 1. skizziertenvedahren aus den gemessenen Rand- winkeln der jeweils 7 MeDfliissigkeiten mit den Werten aus Tab. 1

die GroBen - * (1 + COB 0) . u,/1/uf sowie I/(u, - u?)/u? be- - 1

2

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rechnet und daraus durch lineare Regression die polaren und Dispersionsanteile der spezifischen freien Oberflachenenthalpien ermittelt. Es ergaben sich dabei Korrelationskoeffizienten bei den Si-NH,-Substraten von 0,970, bei allen anderen von 0,990. Die Ergebnisse sind in der Tab. 2 zusammengestellt; im Bild 1 sind die Regressionsgeraden wiedergegeben. Dazu sei noch ein- ma1 damn erinnert, daR der jeweilige Ordinatenabschnitt ein MaB fur 0," und der Anstieg der Geraden ein MaR fur up ist. Wie die Tab. 2 zeigt, liefern die durchgefuhrten Benetzungsunter- suchungen nach dem beschriebenen Auswerteverfahren Ergeb- nisse, in denen zum Teil kleine, aber stets signifikanteunterschiede im grenzflachenenergetischen Zustand der verschiedenartig modi- fizierten Si-Si0,-Substrate zum Ausdruck kommen. Trotz aller im Abschn. 1. diskutierten Einschriinkungen gestattet es also diese Methode offensichtlich recht gut, Vergleichswerte zu erhalten.

""i- 1QU L

0

1- Bild 1 Regreesionsgeraden

Tabelle 2

1,O

1. Si-OH %7,9 20,8 48,7 0,43 2. Si-H/740 29,8 11,o 40,8 0,27 3. Si-H/SOO 29,9 10,G 40,5 0,"; 4. Si-C,H, 33,O 10,9 43,9 0,25

6. Si-CH, 27,3 7,2 34,5 0,21 5. 'Si-NH, 25,O 31,5 56,6 0,56

Zwei weitere mogliche Unsicherheitsfaktoren mussen noch kurz diskutiert werden:

Erstens die nicht eindeutig auszuschlieflende Moglichkeit, daR die gemessenen Randwinkelwerte beider oder einer der beiden Untersuchungsreihen durch Hystereseeffekte [R] fehlerbehaftet sind, d. h. die erhaltenen O-Werte nicht immer Gleichgewichts-

randwinkel darstellen. Wenn man einmal das Vorhandensein solcher Fehler als gegeben annimmt und die entsprechenden Am- wertungen durchspielt, ergeben sich die einzelnen Werte in Tab. 2 zmar um einige mN - m-l verlndert, ihre relative Lage zueinmder und vor allem die Reihenfolge der relativen Polaritaten bleiben jedoch erhalten. Zweitens ist trotz der Aufbewahrung der modifizierten Substrate in Exsikkatoren eine Adsorption von Wasserdampf nicht auszuschlie- Ren. Ihr Umfang hiingt nach den IR-spektroskopischen Unter- suchungen von der Art und der Anzahl der Oberflkichengruppen ab. So ist z.B. erwiesen, daR bei wasserstoffmodifizierten Sub- straten die Wasseradsorption mit steigender Anzahl der Ober- fliichen-Silangruppen abnimmt, bis ein gewisser Grenzwert er- reicht ist. Demgegenuber ist von den Si -NH,-Substraten eine besonders starke Wasseradsorption bekannt. Trotz einer mogli- chen Adsorption von Wasser iiberwiegen aber in den Ergebnissen von Tab. 2 zweifellos die Wirkungen der unterschiedlichen Modi- f izierungen.

Die bereits im Abschn. 2.1. erwahnte Instabilitiit der NH,-Ober- flachengruppen fuhrte im Vergleich zu den anderen Substraten zu deutlich starkeren Streuungen der MeBwerte bei diesen Proben. Dementsprechend ergab sich hier ein kleinerer Korrelationskoef- fizient der Regressionsgeraden.

3.2. Diskussion und Vergleich

Ails grenzfhchenchemischer Sicht sind alle erhaltenen Ergebnisse zwanglos erkliirbar, So erscheint es verstiindlich, daB die Ausgangs- Oberfliiche Si-OH (Substrat 1) im Vergleich zu den Substraten 2 bis 4 und G sowohl fur us als auch fur u,P die hochsten Werte zeigt. In der daraus folgenden hohen relativen Polaritiit spiegelt sich die bekannte hohe und iiberwiegend polare Wechselwirkungs- flihigkeit der OH-Gruppen wider. Ersatz von Oberfliichen-Silenolgruppen durch Silangruppen (Substrate 2 und 3) mu13 zur Herabsetzung der relativen Polari- tit bei gleiehzeitiger deutlicher Erhohung des Dispersionsanteiles der spezifischen freien Oberfliichenenthalpie fiihren; makrosko- pisch bewirkt eine Wasserstoffmodifizierung bekanntlich stets eine Hydrophobierung der betreffenden Oberflachen. Die zwar rela- tiv geringen, aber statistisch gesicherten Unterschiede im ober- flilchenenergetischen Zustand der Substrate 2 und 3 sind aus der geringeren Dichte von Si-OH-Gruppen und der etwas hoheren Dichte von Si-H-Gruppen an der Oberflache von Substrat 3 erklllrbar. Auf Si -CC,H,-Oberfllchen (Substrat 4) befinden sich durch die Art ihrer Erzeugung noch eine merkliche Anzahl Silangruppen; da speziell bei der Phenylierung die Anwesenheit von Spuren Sauerstoff nicht ausgeschlossen werden kann, finden sich aul3er- dem auf diesen Oberfliichen eine gegenuber den Substraten 2 und 3 deutlich groRere Anzahl Si -OH-Gruppen. Interessanterweise fuhrt dies aber nicht zu einer wesentlichen Veriinderung des polaren An- teiles der spezifischen freien Oberfliichenenthalpie. Der Disper- sionsanteil ist dagegen signifikant erhoht. Beide Peststellungen sind am einfachsten dadurch erklarbar, daR die Oberfliichen- Silanolgruppen zumindest teilweise durch die (groBeren) Ober- fliichen-Phenylgruppen verdeckt und damit ihre Wechselwirkungs- moglichkeiten mit Teilchen angrenzender Phasen verringert werden. Daruber hinaus konnte sich in den Ergebnissen der Be- netzungsuntersuchungen an diesem speziellen Substrat das aus- drucken, worauf Good mehrfaoh aufmerksam gemacht hat, vgl. z. B. [3] : Die Tatsache, da13 die n-Elektronensysteme aromatischer Ringe leicht polarisierbar sind und damit relativ starke zusatz- liche Induktions-Wechselwirkungen mit den Molekiilen der MeRfliissigkeiten moglich werden. Wegen der alleinigeri Aufteilung der verschiedenen moglichen Wechselwirkungsarten an der Phs- sengrenze in einerseits polare und andererseits Dispersioiisnnteile werden aber mit der darauf basierenden Auswertmg der Me&

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ergebnisse Induktions-Wechselwirkungen nicht gesondert erfadt, sondern driicken sich in nicht weiter aufteilbarer Weise letztlich in den Werten beider Anteile Bus.

Auf den ersten Blick iiberraschend erscheint die sehr hohe spezi- fische freie Oberfliichenenthalpie der Si -MI,-Oberfliichen (Sub- strat 5), die offensichtlich durch eine wesentliche VergroBerung des polaren Anteiles bewirkt wird, wodurch auch die relative Polaritit dieser Oberfliichen weit iiber den Wert der Si-OH-Oberflachen steigt. Allein rnit dem bekanntermaden stark polaren Charakter der NH,-Gruppen und den noch anwesenden Oberfliichen-Silanol- gruppen ist diese Sonderstellung nicht erkliirbar. Verstandlich wird sie aber mit den Ergebnissen der IR-spektroskopischen Un- tersuchungen, wonach ein groBer Teil dieser Gruppen nicht wie alle bisher diskutierten als isolierte Oberfliichengruppen vorliegen, sondern in Form von NH-Briicken zwischen zwei Si-Atomen, und zwar nicht nur direkt an der Oberflache, sondern auch im darunter- liegenden Si0,-Volumen. Derartige Briicken bjlden hochpolare Strukturen mit der Fiihigkeit zur Ausbildung von Waaserstoff- briicken, was auch die bereits emahnte hohere Adsorption von Wasser an solchen Oberflachen erkliirt. Nicht iiberraschend ist dagegen die deutliche Reduzierung der spezifischen freien Oberfliichenenthalpie durch eine starke Ver- ringerung des polaren Anteiles bei den Si-CH,-Oberfliichen (Sub- strat 6). Die CH,-Gruppen sind bekanntlich nach den CF,-Gruppen am wenigsten polar. Bedeckung oder auch nur teilweise Bedeckung einer Oberfliiche mit ihnen mu0 zu einem energiearmeren grenz- fliichenenergetischen Zustand fiihren. Interessant ist schliedlich noch ein Vergleich der Ergebnisse dieser Arbeit mit dem makroskopischen Verhalten der verschie- denartig modifizierten Si-Si0,-Substrat-Oberfliichen gegeniiber Fotolack. Eine wesentliche Voraussetzung fur die Haftung einer fliissigen Phase an einer festen Oberflache wird in einfachster Form allgemein so formuliert, daB die betreffende Fliissigkeit auf der festen Oberfliiche spreiten muB. In neueren Theorien der Adhiisionserscheinungen wird in Priizisierung dieser Feststellung postuliert, dai3 die Adhiision auf Grund zwischenmolekularer Wechselwirkungen dann maximal ist, wenn Fliissigkeit und feste Oberfliiche die gleichen relativen Polaritiiten op/a besitzen. AUS den derzeitigen Vorstellungen zu Wechselwirkungen iiber Phasen- grenzen erscheint dies auch einleuchtend. Der Fotolack AZ 1350 H (Fa. Shipleg) zeigt auf den verschiedenen Substraten unter- schiedlichesVerhalten; ein Spreiten tritt nur an Si-H-, Si-C,H,- und Si-CH,-Oberfliichen (Substrate 2, 3, 4 und 6) auf, d.h. an den Oberflachen mit den niedrigsten relativen Polaritkiten. Aus der chemischen Zusammensetzung des fliissigen Fotolackes ist zu vermuten, daB seine relative Polaritat ebenfalls in der GroDen- ordnung von 0,25 liegt. Die Bestiitigung und sichere Erkliirung dieser und anderer mit dem Verhalten des Fotolackes auf ober- fliichenmodifizierten Si -SiO,-Substraten sowie rnit wichtigen Ge- brauchseigenschaften des festen Filmes zusammenhiingender Fra- gen bedarf noch weiterer, such no& fortfiihrender grenzfliichen- energetischer Untersuchungen.

4. Zusanimenhssung Der gegenwiirtige Stand der Benetzungstheorie in der auf Good und Fowkes zuriickgehenden Form wird hinsichtlich der Mog- Iichkeiten wie auch der derzeitigen Grenzen ihrer Anwendbarkeit zur Ermittlung der polaren und der Dispersionsanteile der spezi- fischen freien Oberfliichenenthalpien niedernergetischer fester OberflLchen diskutiert. Bei der Darstellung der experinientellen Untersuchungen werden die wesent,lichen Gesichtspunkte und An- forderungen an die MeBflussigkeiten sowie die Bestimmung der Dispersionsanteile ihrer Oberfllchenspannungen beschrieben. Mit 7 MeDfliissigkeiten wurden Randwinkelmessungen auf oberflachen- modifizierten Si-Einkristallscheiben mit CVD-Si0,-Schichten und

vorherrschenden Oberfliichengruppen Si-OH, Si-H, Si-C,,H,’ Si-NH, (bzw. Si-NH-Si) sowie Si-(CH,), durchgefiihrt. Art und Anzahl der Oberfla chengruppen waren IR-spektrosko- pisch an Aerosilprefilingen bestimmt worden. Die Ergebnisse laasen signifikante Unterschiede im grenzfliichen- energetischen Zustand der verschiedenen Modifizierungen erken- nen, die sich aus grenzfliichenchemischer Sicht zwanglos erkliiren. Dies gilt auch fur das unterschiedliche makroskopische Verhalten der verschiedenen Oberfliichen gegeniiber Fotolack.

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