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von 1995 bis 2005 Jahre BIG, Berliner Interventions- zentrale bei häuslicher Gewalt 10 DAS BIG-TEAM über die Arbeit, die Erfolge und die Zukunft

über die Arbeit, die Erfolge und die Zukunft von 10Gewalt ...Wegbereitend für unsere Arbeit waren: · die Bereitschaft von Politik und Institutio-nen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

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Page 1: über die Arbeit, die Erfolge und die Zukunft von 10Gewalt ...Wegbereitend für unsere Arbeit waren: · die Bereitschaft von Politik und Institutio-nen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

von 1995 bis 2005

Jahre BIG,BerlinerInterventions-zentralebei häuslicherGewalt10

DAS BIG-TEAM über die Arbeit, die Erfolge und die Zukunft

Page 2: über die Arbeit, die Erfolge und die Zukunft von 10Gewalt ...Wegbereitend für unsere Arbeit waren: · die Bereitschaft von Politik und Institutio-nen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt

Das BIG-Team:PATRICIA SCHNEIDER Diplom-Pädagogin, Mediatorin,

Mitbegründerin von BIG, seit 10 Jahren Koordinatorin

bei BIG, Projektleitung.

ULRIKE KREYSSIG Diplom-Pädagogin, Supervisorin,

Mediatorin, seit 1998 Koordinatorin bei BIG, zuständig

für die Bereiche Prävention und Unterstützungsangebote

für Kinder, die von häuslicher Gewalt mit betroffen sind.

DOROTHEA HECHT Juristin, Fachanwältin für Familien-

recht, seit 2000 Koordinatorin bei BIG, zuständig für juri-

stische Fragen im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt

in allen Rechtsgebieten.

MONIKA TRIESELMANN Bürokauffrau, seit 2002

Mitarbeiterin bei BIG, zuständig für Verwaltung und

Büroorganisation.

martin
Textfeld
Die Erstellung der Broschüre wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend realisiert.
martin
Notiz
Accepted festgelegt von martin
martin
Notiz
None festgelegt von martin
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2 VOM FELSBLOCK ZUR ROLLENDEN KUGEL 6 ZUR FESTVERANSTALTUNG8 ZAHLEN, DATEN, FAKTEN9 RÜCKBLICK AUF 10 JAHRE BIG

18 WIE DIE ARBEIT VON BIG HEUTE AUSSIEHT20 PERSPEKTIVENWECHSEL UND GESELLSCHAFTLICHER WANDEL

– EINE ERFOLGSBILANZ IN 10 PUNKTEN 26 AUFGABEN UND ZIELE DER NÄCHSTEN JAHRE30 ROSENSTRAßE 76 – DIE AUSSTELLUNG ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM

INHALT

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

Page 4: über die Arbeit, die Erfolge und die Zukunft von 10Gewalt ...Wegbereitend für unsere Arbeit waren: · die Bereitschaft von Politik und Institutio-nen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

VOM FELSBLOCK ZUR ROLLENDEN KUGEL„Aus einem eckigen Felsblock, der sich nichtvon der Stelle bewegte, wurde durch permanen-tes Klopfen, Hämmern und Schleifen schließ-lich eine Kugel, so dass der Stein ins Rollenkam. Die BIG-Kugel ist inzwischen zehn Jahrelang in Bewegung: Manchmal ging es steilbergauf und sie musste zu mehreren geschobenwerden. Gelegentlich hat sie derart Fahrt auf-genommen, dass wir das Gefühl hatten, atem-los hinterher zu hasten. In all den Jahren istdie Kugel aber in die richtige Richtung gerolltund sie hat dabei auch andere angestoßen undin Bewegung gebracht.“

PATRICIA SCHNEIDER Projektleitung BiG

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Wir freuen uns. Zehn Jahre nach Beginn des Berliner Interventionsprojektes gegenhäusliche Gewalt (BIG) können wir feststellen: Unser Optimismus war berechtigt. Das ge-meinsame Ziel, männliche Gewalt gegenFrauen im häuslichen Bereich als gesellschaft-liches Problem anzuerkennen, die Täter zurVerantwortung zu ziehen und die Frauen undihre Kinder umfassend zu schützen, ist einStück näher gerückt. „Wer schlägt, der geht“,eine Vision der ersten Stunde, ist mittlerweileKonsens und zur Leitlinie staatlicher Inter-vention geworden. Wir, die Mitarbeiterinnender Berliner Interventionszentrale bei häusli-cher Gewalt, sind froh und beeindruckt über die große Wirkung, die unser Projektbundesweit und auch in anderen europäi-schen Ländern entfaltet hat.

Was in Berlin erfolgreich begonnen hat, istauch in anderen Bundesländern übernom-men worden. Polizei, Justiz, Frauenprojekte,Kinder- und Jugendhilfe und der Gesund-heitsbereich – sie alle haben ihre Kräftegebündelt und ziehen beim Thema häuslicheGewalt weitgehend an einem Strang. Nur weil sich diese Institutionen darin einig sind,wie gegen häusliche Gewalt vorzugehen ist,hat in der gesamten Gesellschaft ein grund-legender Bewusstseinswandel eingesetzt.Häusliche Gewalt gegen Frauen wird heute,anders als vor zehn Jahren, nicht mehr als privater (Ehe-)Streit gesehen, bei dem

der Staat sich herauszuhalten hat. Sie wirdals das gesehen, was sie ist: Ein Unrecht, das unsere Gesellschaft mit ihren Institutio-nen nicht toleriert und gegen das sie mitEntschiedenheit vorgeht. Der Anspruch aufstaatlichen Schutz vor häuslicher Gewalt wird heute ausdrücklich formuliert.

Das Konzept von BIG ist aus unterschied-lichen Gründen und dank vieler Beteiligteraufgegangen. Ausgangspunkte waren einer-seits die Erkenntnis der Frauenprojekte, dass sie alleine häusliche Gewalt nicht ver-mindern können, sondern dass neue Wegebeschritten werden müssen. Und anderer-seits der politische Wille, diese neuen Wegemit zu gestalten und zu beschreiten.

Dieser Wille ist bis heute gegeben. Nach wievor finden wir auf politischer Ebene großeUnterstützung.

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

5VOM FELSBLOCK ZUR ROLLENDEN KUGEL

Die Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt

10 JAHRE KOOPERATION STATT KONFRONTATION

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Wegbereitend für unsere Arbeit waren:· die Bereitschaft von Politik und Institutio-

nen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fürdas Thema häusliche Gewalt für zuständig zu erklären und an den Runden Tisch zuentsenden;

· der Bewusstseinswandel bei den beteiligtenPersonen, dass sich das Problem der häus-lichen Gewalt auf die Arbeit der eigenenInstitution auswirken muss. Die Institutionen,die den Schutz der Frauen gewährleisten,haben das Anliegen, das BIG stellvertretendfür die Frauen formuliert hatte, auf bemer-kenswerte Weise zu ihrer Aufgabe gemacht;

· die Bereitschaft der Beteiligten, einen kriti-schen Blick auf das Handeln der eigenenInstitution zu richten sowie die Sichtweisenanderer Berufsgruppen ernst zu nehmenund aufzugreifen, also interdisziplinär undinterinstitutionell von anderen Qualifikatio-nen und anderen Stellen zu lernen;

· das in der Zusammenarbeit der Koopera-tionspartnerinnen und -partner gewonneneVertrauen, durch das eingespielte Ritualevon Hierarchien, Autoritätsgebaren undKonkurrenzdenken überwunden werdenkonnten;

· der Wille, an einem Tisch gemeinsam mitanderen zu Leitlinien des eigenen Handelnszu kommen und sie in die Praxis umzusetzen.

Rückblickend auf zehn Jahre BIG – „BerlinerInterventionszentrale bei häuslicher Gewalt“,wie das Projekt mittlerweile heißt – möchtenwir uns auch bedanken. Unsere Arbeit undihr Erfolg wären nicht möglich gewesen ohnedie finanzielle, politische und persönlicheUnterstützung von vielen Seiten.

Wir danken unseren Geldgeberinnen und Geldgebern· Das Bundesministerium für Familie, Seni-

oren, Frauen und Jugend und die BerlinerSenatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen haben uns finanziert und fach-lich begleitet.

· Die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlinhat zahlreiche Materialien für unsere Öffent-lichkeitsarbeit finanziert.

Wir danken den politisch Verantwort-lichen Berlins· Die Vertreterinnen und Vertreter aller Par-

teien haben die neuen Wege, die BIG be-schritten hat, unterstützt, indem sie denSchutz vor häuslicher Gewalt zu einer ei-genen Aufgabe gemacht haben.

6 VOM FELSBLOCK ZUR ROLLENDEN KUGEL

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Wir danken unseren Kooperations-partnerinnen und -partnern· bei der Polizei;· bei der Justiz;· in der Kinder- und Jugendhilfe;· im Sozial- und Gesundheitsbereich;· in den zuständigen Senatsverwaltungen

und Bundesministerien;· in anderen Bundesländern und auf Bundes-

ebene;· sowie den anderen Interventionsprojekten

in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Wir danken der wissenschaftlichenBegleitung (WiBIG) · Das Team von der Universität Osnabrück

hat uns konstruktiv und kritisch begleitet.

Wir danken den Kolleginnen· Die Mitarbeiterinnen aus früheren Jahren

bei BIG haben hier die entscheidendenWeichen gestellt.

· Die Mitarbeiterinnen von der BIG Hotlinehaben mit ihrem Beratungsangebot dieArbeit unseres Vereins mit einem wesent-lichen Baustein erweitert und bereichert.

Vor allem aber danken wir den Frauen-und Mädchenprojekten · Die Vertreterinnen aus den Frauenprojekten

arbeiten im direkten Kontakt mit den Be-troffenen. Ihre Momentaufnahmen aus derPraxis und ihre Rückmeldungen zu denaktuellen Lücken und Problemen beim Schutzvon Frauen und ihren Kindern vor häusli-cher Gewalt haben sie in alle Arbeitsgremi-en bei BIG eingebracht. Damit haben sie die Grundlage geschaffen, auf der – gemein-sam mit den beteiligten Kooperationspart-nerinnen und -partnern – genau passendeHilfen entwickelt wurden. Ihr Einsatz undihre unerschütterliche Motivation haben BIGvorangetrieben.

All das zusammen, dieses große Engage-ment aus ganz unterschiedlichen Rich-tungen, um ein gemeinsames Ziel zu errei-chen, hat den Erfolg von BIG möglich gemacht. Und so wird es hoffentlich auch in Zukunft sein. Vieles haben wir bereits erreicht, und es bleibt noch sehr viel mehr zu tun.Wir wollen auch weiterhin die Kugel in dierichtige Richtung bewegen.

DAS BIG-TEAM UND DER VORSTAND BIG E.V.

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

7VOM FELSBLOCK ZUR ROLLENDEN KUGEL

DOROTHEA ZIMMERMANN und BETTINA GEIßEL Vorstand BIG e. V.

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„Die Berliner Interventionszentrale bei häus-licher Gewalt (BIG) ist für das Bundesministe-rium für Familie, Senioren, Frauen und Jugendein ganz besonderes Projekt, das nicht nur in Berlin, sondern bundesweit Bedeutung er-langt hat. Von BIG gingen und gehen wichtigeImpulse zur Bekämpfung von Gewalt gegenFrauen sowohl in die Bundesrepublik als auchins Ausland aus.Ziel des 1995 initiierten Projekts war es, allebeteiligten Institutionen zusammen zu führen,sie mit den konkreten Schwierigkeiten undHindernissen einer effektiven Intervention beihäuslicher Gewalt in Berlin bekannt zu machenund gemeinsame Strategien zu vereinbaren. Im Laufe der Modelljahre entstand so – allenKrisen und Konflikten zum Trotz – ein breites,entschlossenes und handlungsfähigesBündnis.“

DR. URSULA VON DER LEYEN Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

VORWORT ZUR FESTVERANSTALTUNG

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9ZUR FESTVERANSTALTUNG

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

In der Rückschau kann ich sagen: Das Ber-liner Interventionsprojekt war eines der er-folgreichsten Modellprojekte des Bundesmi-nisteriums für Familie, Senioren, Frauen undJugend. Seine Ergebnisse haben sowohl die Gesetzgebung als auch das Handeln derBehörden und der Unterstützungseinrich-tungen maßgeblich beeinflusst und verändert. Ein wesentlicher Erfolg der Arbeit von BIG ist, das Thema Gewalt gegen Frauen ausdem privaten Bereich in die Öffentlichkeitgeholt zu haben. Häusliche Gewalt wird nichtmehr als Problem der Frauen angesehen,sondern alle zuständigen Institutionen, ins-besondere Polizei und Justiz, haben Verant-wortung für den Schutz von Frauen vor Ge-walt übernommen. Die Bundesregierung hat 1999 den Aktions-plan zur Bekämpfung von Gewalt gegenFrauen aufgelegt, in dem BIG mit seinenErfahrungen von Vernetzungen, Koopera-tionen, Fortbildungen und Täterarbeit einwichtiger Teil ist.Ich freue mich, dass inzwischen bundesweitviele ähnliche Interventionsprojekte entstan-den sind und dass es eine bundesweiteZusammenarbeit der bestehenden und dersich gründenden Projekte gibt. Wir habenVieles gemeinsam erreicht, aber wir wissenauch, dass noch viel zu tun ist. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt,dass die Spirale der häuslichen Gewalt beiden Frauen nicht Halt macht, sondern Kinder

und Jugendliche mit erfasst. Den eigenenVater als Gewalttäter zu erleben oder Gewaltan der Mutter mit ansehen zu müssen, schädigt die Kinder. Diese Erkenntnis mussbei allen Beteiligten deutlicher ins Bewusst-sein gerückt werden. Künftig werden wirnoch stärker präventiv arbeiten müssen, zumBeispiel in Schulen und Kindergärten mitLehrerInnen und ErzieherInnen. Mit dem BIG-Projekt „Kooperation zwischen Schule undJugendhilfe“ startet daher – mit Unterstüt-zung der Stiftung Deutsche Jugendmarkee.V. und meines Ministeriums – ein Modell-projekt im Bereich Prävention von häuslicherGewalt ab April 2006.Im Rückblick auf zehn Jahre erfolgreicheArbeit von BIG danke ich allen Beteiligten,die ihre Arbeitskraft, ihre Kompetenzen undihre Kreativität im Sinne des Projektes ein-gesetzt haben und weiter einsetzen. GehenSie weiter auf dem begonnenen Weg derZusammenarbeit und setzen Sie sich weiterso engagiert für das gemeinsame Ziel ein. Sie haben ja bereits die gute Erfahrung ge-macht: Es lohnt sich!

DR. URSULA VON DER LEYEN

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ZAHLEN, DATEN, FAKTEN„Die Opfer müssen wissen, dass häusliche Ge-walt keine Privatangelegenheit ist, mit der sie selbst fertig werden müssen, die Täter müs-sen erkennen, dass sie sich in ihren eigenenvier Wänden keine eigenen Gesetze schaffenkönnen, und jeder Einzelne muss sensibel aufdie Anzeichen häuslicher Gewalt in der eigenenUmgebung reagieren. Unsere Statistik zeigt,dass wir damit vorankommen: Während die Poli-zei im Jahr 2002 zu 7.552 Fällen von häusli-cher Gewalt gerufen wurde, haben wir im fol-genden Jahr bereits 10.371 Anzeigen gezählt. Im Jahr 2004 wurde eine weitere Steigerungauf 12.814 Fälle registriert. Dies bedeutetnicht etwa, dass die häusliche Gewalt in denletzten Jahren zugenommen hat. Durch diewachsende Anzeigebereitschaft der Betroffenenund eine zunehmende Sensibilität in der Be-völkerung sind wir vielmehr dabei, ein Dunkel-feld aufzuklären.“

DIETER GLIETSCH Der Polizeipräsident in Berlin

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11ZAHLEN, DATEN, FAKTEN

JEDE VIERTE

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

Jede vierte Frau, so heißt es in der jüngstenrepräsentativen Studie des Bundesministe-riums für Familie, Senioren, Frauen und Ju-gend (BMFSFJ) von 2004, hat in ihrem Lebenmindestens einmal körperliche und/odersexuelle Gewalt durch einen Beziehungspart-ner erlebt. Die Zahlen machen das Ausmaßder Gewalt deutlich, und sie erschrecken.Häusliche Gewalt ist ein gesamtgesellschaft-liches Problem, das sich durch alle Schichtenund sozialen Milieus zieht. Der Begriff „Häusliche Gewalt“ umfasst alleFormen der körperlichen, sexuellen, seeli-schen, sozialen und ökonomischen Gewalt,die zwischen erwachsenen Menschen statt-findet, die in einer nahen Beziehungen zu-einander stehen oder gestanden haben. Das sind vor allem Personen in Lebensge-meinschaften, aber auch in anderen Ver-wandtschaftsbeziehungen. Gewalt im vermeint-lichen Schutzraum des eigenen „Zuhauses“wird fast ausschließlich von Männern gegenFrauen ausgeübt. Sie ist Ausdruck des struk-turellen Machtverhältnisses zwischen Män-nern und Frauen in der Gesellschaft.

Welt, Europa, Deutschland · In allen Teilen der Welt werden 10-69% der

Frauen von einem männlichen Intimpartnertätlich angegriffen (Quelle: WHO).

· Häusliche Gewalt gefährdet Gesundheit undLeben von europäischen Frauen im mittle-ren Lebensabschnitt mehr als zum Beispiel

Krebs oder Autounfälle (Quelle: Europa-Rat).· Jährlich fliehen bundesweit etwa 45.000

Frauen mit ihren Kindern in ein Frauenhausoder eine Zufluchtswohnung.

Berlin 2005· 2005 gab es 11.659 Fälle häuslicher Gewalt,

in denen die Berliner Polizei eingeschritten ist.· Darunter waren 5.365 Fälle (46%) vorsätz-

liche leichte Körperverletzung und 1.198Fälle (10,3%) gefährliche und schwere Kör-perverletzung.

· Elf Frauen wurden im Jahr 2005 getötet. In vier Fällen registrierte die Polizei einenTötungsversuch.

· In rund 1.180 Fällen sprach die Polizei Weg-weisungen aus. Das heißt: Der Täter musstedie Wohnung verlassen, nicht die Betroffene.

· Ca. 3.200 Frauen und ihre Kinder suchtenSchutz in Frauenhäusern und Zufluchts-wohnungen.

· Innerhalb von sechs Jahren seit ihrer Grün-dung hat die BIG Hotline insgesamt etwa30.000 Anrufe erhalten und in etwa 750Fällen mit ihrer Mobilen Intervention betrof-fene Frauen unterstützt, z. B. im Anschlussan Einsätze der Polizei oder durch Beglei-tung zu Gerichten.

· 1.331 familien- und zivilgerichtliche Verfahrennach §1 und § 2 Gewaltschutzgesetz (Schutz-anordnungen und Wohnungszuweisungen)und 13.357 Ermittlungsverfahren der Staats-und Amtsanwaltschaft wurden eingeleitet.

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RÜCKBLICK AUF ZEHN JAHRE BIG„Die Anfänge von BIG wurden von den Frauen-häusern zunächst durchaus mit Skepsis aufge-nommen. Es wurde befürchtet, dass sich mitder Einbindung der verschiedenen Interven-tionsbeteiligten die Definition von häuslicherGewalt verändert und die opferparteiliche Sichtder Frauenhäuser verloren geht. Sehr bald hatsich jedoch gezeigt, dass BIG eindeutig aufSeiten der Opfer steht, hochkompetente Arbeitleistet und im Zusammenwirken mit allen Be-teiligten beachtliche Erfolge vorweisen kann.Die wunderbaren BIG-Materialien werden vonden Frauenhäusern inzwischen vielfach nachge-fragt und eingesetzt.“

EVA-MARIA BORDT Geschäftsführerin Frauenhauskoordinierung e. V., Frankfurt am Main, S. 11, Foto links

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13RÜCKBLICK AUF ZEHN JAHRE BIG

„Das Private ist politisch“ Dieser Leitgedanke erfährt gerade im Handelngegen häusliche Gewalt besondere Bedeu-tung. Ziel der Arbeit von BIG war und ist es,in der Gesellschaft das Bewusstsein zuerzeugen, dass Gewalt gegen Frauen keinePrivatsache ist, sondern geltendes Rechtverletzt. Der staatlich garantierte Schutz derPrivatsphäre muss dort enden, wo es umStraftaten und um Verstöße gegen das Grund-gesetz und gegen die allgemeinen Menschen-rechte geht. Die Gesellschaft muss erken-nen und bekennen, dass Gewalt gegenFrauen Unrecht ist. Daher gilt es, auf politi-scher Ebene wirksame Maßnahmen zurGewaltbekämpfung zu entwickeln, die vonstaatlichen und nichtstaatlichen Institutionenin der Praxis angewendet werden. Daranarbeitet BIG seit 1995 – und konnte dabeiaufbauen auf die Initiativen der deutschenund internationalen Frauenbewegung, die dasProblem bereits Anfang der 70er Jahre auf-griffen und zum Thema machten. Vorbild undModell für die Ziele und Wege, an denen

sich BIG orientiert hat, war das DomesticAbuse Intervention Project (DAIP), das1979 in Duluth/Minnesota, USA, gegründetwurde. DAIP war mit seiner Arbeit und dem Prinzipdes Zusammenwirkens von staatlichen undnichtstaatlichen Stellen enorm erfolgreich: 15 Jahre nach Gründung des Projekts gaben80 Prozent der Frauen, die in Duluth die recht-lichen Möglichkeiten und Angebote von DAIPgenutzt hatten, an, nicht mehr misshandeltworden zu sein.

DIE ERSTE DEKADE

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

„Nachdem 20 Jahre Forschung und die praktische und verdienstvolle Arbeit derFrauenprojekte zum Thema Gewalt gegen Frauen in Deutschland zu einigen Ver-besserungen, aber nicht zu einer effektiven gesamtgesellschaftlichen Reaktion und einer Verringerung der Gewalt geführt hatten, mussten Mitte der 90er Jahreneue Wege beschritten werden. Was uns fehlte, war ein breites, entschlossenes und handlungsfähiges Bündnis aller Projekte und Institutionen, die mit den Opfern und den Tätern zu tun hatten.“CHRISTA RIEMANN-HANEWINCKEL Parlamentarische Staatssekretärin, BMFSFJ von 10/2002 bis 11/2005, Foto rechts

Page 14: über die Arbeit, die Erfolge und die Zukunft von 10Gewalt ...Wegbereitend für unsere Arbeit waren: · die Bereitschaft von Politik und Institutio-nen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

14 RÜCKBLICK AUF ZEHN JAHRE BIG

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

Die Voraussetzung BIG nimmt die Arbeit als Bundesmodellpro-jekt auf. Das Bundesfrauenministerium und die Berliner Senatsverwaltung für Frauenfinanzieren das neue Vorhaben, das allegesellschaftlichen Kräfte in die Bekämpfunghäuslicher Gewalt einbeziehen will. Das heißt, die politischen Entscheidungsträgermüssen für dieses Ziel gewonnen werden.

Die ZieleWorum es BIG geht:· Rahmenbedingungen schaffen, die den

Schutz und die Unterstützung von Frauen und ihren Kindern gewährleisten;

· Rechte misshandelter Frauen stärken;· Täter in die Verantwortung nehmen;· koordiniertes Vorgehen aller beteiligten

Einrichtungen initiieren und praktizieren;· die Öffentlichkeit über männliche Gewalt

gegen Frauen aufklären;· Präventionsarbeit etablieren.

Die Prinzipien· KOMMUNIKATION: Unter allen Beteiligten

muss eine gemeinsame Wissens- undGesprächsbasis hergestellt werden.

· KOOPERATION: Für alle Beteiligten ist einegeeignete Kooperationsform und -kultur zu entwickeln.

· KOMPLEXITÄT: Allen Beteiligten muss klarsein, wie komplex das Problem häuslicheGewalt ist und wie entsprechend komplexdie Lösungsansätze sein müssen.

· KONZEPTIONIERUNG: Alle Beteiligten müssen gemeinsam ein Arbeits- undUmsetzungskonzept für die Hauptphaseerarbeiten.

· KONSENS: Über das Konzept muss zwi-schen allen Beteiligten Einigung erzielt werden.

· „TOP DOWN, BOTTOM UP“: „Von oben nachunten und von unten nach oben“ – für tief-greifende Veränderungen ist die Entschei-dungskompetenz auf hoher politischer Ebeneebenso unerlässlich wie das Expertenwissender Basis. Am Runden Tisch, an dem diepolitischen Beschlüsse gefasst werden, tref-fen sich beide Ebenen.

Der Runde TischIn allen Berliner Verwaltungen, die mit häus-licher Gewalt befasst sind, wirbt das BIG-Team mit Erfolg bei den zuständigen Sena-torinnen und Senatoren dafür, je eine Expertinbzw. einen Experten für eine Zusammen-arbeit zu entsenden. Darüber hinaus gelingtes, Vertreterinnen von Projekten und Einrich-tungen aus allen relevanten Bereichen zugewinnen. Ein erstes interdisziplinäres undinstitutionsübergreifendes Arbeitsgremiumentsteht.

Vorlaufphase: 10/1995 bis 10/1996

POLITISCHEN WILLEN BILDEN

„Die Interventionsprojekte haben durch koordinierte interinstitutionelle Kooperationdie Rahmenbedingungen für verbesserte Unterstützung und Intervention geschaffenund damit nicht nur die Praxis derjenigen Institutionen beeinflusst, die aktiv mit-arbeiteten, sondern weitreichende Veränderungen in angrenzenden Bereichen be-wirkt. In der Ausstrahlung auf andere Arbeitsfelder liegt ein entscheidender Erfolgder Interventionsprojekte.“ PROF. DR. BARBARA KAVEMANN Katholische Hochschule für Sozialwesen, Berlin, sowie Forschungsgruppe WiBIG*

* siehe Materialien, Seite 33

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15RÜCKBLICK AUF ZEHN JAHRE BIG

Das erste ArbeitsergebnisInnerhalb des ersten Jahres erörtern die Vertreterinnen und Vertreter von Polizei, Zivil-und Strafjustiz, der Jugendhilfe, der Aus-länderbeauftragten sowie der Kinderschutz-einrichtungen und Frauenprojekte die bis-herige Lage. Sieben Schwerpunktbereichewerden als Arbeitsfelder bestimmt:

1. POLIZEILICHE INTERVENTION2. STRAFRECHT3. ZIVILRECHT4. UNTERSTÜTZUNG VON FRAUEN5. MIGRANTINNEN6. LERN- UND TRAININGSKURSE FÜR TÄTER7. KINDER UND JUGENDLICHE

Ergebnis der Arbeit ist eine gemeinsame Bestandsaufnahme und Schwachstellenana-lyse der bisherigen Interventionsmaßnahmenund Hilfeangebote bei häuslicher Gewalt. Alle Beteiligten einigen sich auf konkrete Ziel-vereinbarungen und Arbeitsaufträge. Am Ende des ersten Jahres beschließt der RundeTisch gemeinsam mit den politischen Ent-scheidungsträgern ein umfassendes Aufga-benpaket. Neu gegründete Arbeitsgremien in den jeweiligen Schwerpunktbereichen sol-len innerhalb der folgenden Modellphase ausden grob umrissenen Vorgaben im DetailMaßnahmen und Lösungsansätze entwickeln.

„In einer Einwanderungsstadt wie Berlin steht die Bekämpfung von häuslicher Ge-walt vor besonderen Herausforderungen. BIG hat es verstanden, frühzeitig den Schulter-schluss mit den Integrationspolitikerinnen und Integrationspolitikern sowie denMigrantenorganisationen zu suchen. Dadurch ist gelungen, breit zu informieren undzu sensibilisieren und den Schutz von Mädchen und Frauen mit Migrationshinter-grund zu verbessern. Mit diesem Zusammengehen von ,Frauenpolitik’ und ‚Integra-tionspolitik’ wurde in Berlin eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Arbeitfür Selbstbestimmung und gegen Diskrimierung und häusliche Gewalt geschaffen.“GÜNTER PIENING Beauftragter des Berliner Senats für Integration und Migration

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

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„BIG hat für die Entwicklung der Interventionsprojekte in der Bundesrepublik indreifacher Hinsicht große Bedeutung: Erstens hat die Arbeit von BIG gezeigt, dassinterdisziplinäre Koordination und Kooperation nicht nur nötig, sondern tatsächlichmöglich ist, zweitens hat BIG diese Erfahrungen unermüdlich im Rahmen der bun-desweiten Vernetzung weiter getragen und entwickeln geholfen, und drittens hatBIG zahlreiche Materialien erarbeitet, die jahrelang eine wichtige Arbeitsgrundlagefür viele Interventionsstellen und -projekte darstellten.“ANDREA BUSKOTTE Landespräventionsrat Niedersachsen, Foto links

„BIG hat unsere Aufbauarbeit enorm erleichtert. Als wir in der Schweiz vor rundzehn Jahren erste Interventionsprojekte gründeten, gab es kein schriftlichesMaterial, keine fachlichen und juristischen Grundlagen zur Interventionsarbeit beihäuslicher Gewalt. Viele dieser Unterlagen wurden von BIG zur Verfügung gestellt.(…) Die Hinweise für die Gestaltung von tragfähigen Kooperationen sind nochheute hilfreich.“MARLENE EGGENBERGER IST Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt des Kantons Zürich als Vertreterin der internationalenVernetzung der deutschsprachigen Interventionsprojekte und -stellen, Foto rechts

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

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17RÜCKBLICK AUF ZEHN JAHRE BIG

Kooperationspartner und -partne-rinnen findenDie Ziele sind benannt, die Aufgaben formu-liert. Jetzt muss kontinuierliche Überzeu-gungsarbeit geleistet werden, um Mitarbeiterund Mitarbeiterinnen in den Institutionen undderen Vorgesetzte für das Thema und dieBeteiligung am Projekt zu gewinnen. Dazumüssen Vorurteile und Berührungsängsteüberwunden werden. Um dies zu erreichen,entwickeln die BIG-Mitarbeiterinnen Vorträge,Präsentationen und eine persönliche An-sprache, die selbst Skeptiker für das Themaöffnen. Erst dadurch können in einer ArtSchneeball-Effekt viele engagierte Personengefunden und in Arbeitsgremien eingebun-den werden.

Voneinander lernenWie viele Aufgaben zu bewältigen sind, zeigtsich in aller Komplexität immer dann, wennEinzelfragen bearbeitet werden. In den Ar-beitsgremien ist es von entscheidender Be-deutung, dass alle Mitwirkenden aus ihrenunterschiedlichen Blickwinkeln und mit ihrenbereichsspezifischen Erfahrungen zu Wortkommen. Dadurch erhalten die Vertreterinnenaus den unterschiedlichen Bereichen in derZusammenarbeit Gelegenheit, die jeweils anderen Arbeitsfelder mit ihren Möglichkeitenund Grenzen kennen zu lernen und Hinder-nisse sowie Ansätze zu deren Beseitigung zudiskutieren.Durch das besondere Klima der konstruktivenZusammenarbeit und des Vertrauens, dassich nach anfänglichen Schwierigkeiten ent-wickelt, lassen sich die Beteiligten bei BIGauf einen offenen Dialog ein. Dank der Hal-tung der Mitwirkenden, die vom Willen nachVeränderung geprägt ist, können in der Phaseder Konzeptionierung von konkreten Maß-nahmen Ressortgrenzen überwunden undWissen gebündelt werden.

Stabile KooperationsstrukturenIn der Modellphase können deshalb stabileKooperationsstrukturen zwischen allen amProjekt Beteiligten etabliert werden. Die in der Vorlaufphase festgelegten Arbeitsaufträgewerden in Fachgruppen bearbeitet. Ca. 150aktiv Mitwirkende arbeiten an den Vorschlägenfür Gesetzesänderungen, innovativen Hand-lungskonzepten und neuen Projekten.Zahlreiche modellhafte Materialien werdenveröffentlicht und in vielen anderen Bundes-ländern als Vorlage genutzt.

So entstehen:· der erste Gesetzesvorschlag für verbes-

serten zivilrechtlichen Schutz: Er gibt denAnstoß für die Entwicklung des Gewalt-schutzgesetzes;

· der erste Leitfaden zur polizeilichen Inter-vention bei häuslicher Gewalt;

· eine erste Richtlinie zum Schutz gewalt-betroffener Migrantinnen ohne eigenstän-digen Aufenthaltsstatus;

· ein erstes landesweites Hilfetelefon, dieBIG Hotline;

· ein erstes Video zur Situation von Kindern, die von häuslicher Gewalt mitbetroffen sind.

· ein Konzept für ein Täterprogramm undbegleitende Informationsangebote für die (Ex-)Partnerinnen.

Das Modell BIG wird übernommenIm gesamten Bundesgebiet werden zahl-reiche Interventions- und Kooperationspro-jekte sowie Runde Tische gegründet, dienach dem Vorbild von BIG arbeiten.

Modellphase: 10/1996 bis 10/1999

KOOPERATION ORGANISIEREN

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18 RÜCKBLICK AUF ZEHN JAHRE BIG

Ab 2000 gilt es, das bisher Erreichte zu sichern und anzupassen. BIG begleitet undbeobachtet, wie die Maßnahmen und Stra-tegien in die Praxis umgesetzt werden, undkorrigiert, wenn nötig. Es werden weitereVorschläge entwickelt, wie die Hilfe undUnterstützung für gewaltbetroffene Frauenund ihre Kinder verbessert werden können – ein stetiger Prozess.

Bei der Bekämpfung häuslicher Gewalt werden Meilensteine gesetzt:· Das Gewaltschutzgesetz tritt in Kraft.· Die Änderung des Berliner Polizeigesetzes

wird vorbereitet. Sie ermöglicht ab 2003ausdrücklich die Wegweisung eines Tätersaus der Wohnung.

· In jeder Polizeidirektion und in jedem poli-zeilichen Abschnitt werden „Koordinato-rInnen und MultiplikatorInnen häusliche Gewalt“ als Ansprechpartnerinnen und -partner eingesetzt.

· BIG bietet neu entwickelte Fortbildungsver-anstaltungen für verschiedene Berufsgrup-pen und Schulungen für Multiplikatorinnenund Multiplikatoren an.

· Der erste Leitfaden für Ärztinnen und Ärztezum Umgang mit Patientinnen, die vonhäuslicher Gewalt betroffen sind, erscheint.

· Zahlreiche mehrsprachige Informationsbro-schüren über die Rechte und Möglichkeitenvon gewaltbetroffenen Frauen werden ver-öffentlicht.

Das Bundesmodellprojekt wird abgeschlossen.

Umsetzungsphase: 1/2000 bis 12/2002

ENTWICKELN, SICHERN, ANPASSEN

„Gemeinsam haben wir zum Beispiel erfolgreich für eine Verbesserung der Rechts-lage geworben. Unsere Konzepte, die wir in die politische Diskussion eingebrachthaben, finden sich in der neuen Gesetzgebung wieder. Das zeigt, welch große Wir-kung ein Gremium erzielen kann, in dem engagierte Kräfte aus Politik und Gesell-schaft mit einem gemeinsamen Ziel zusammenwirken.“DIETER GLIETSCH Der Polizeipräsident in Berlin

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

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19RÜCKBLICK AUF ZEHN JAHRE BIG

Seit Januar 2003 ist BIG als ständige Einrich-tung etabliert und wird von der Senatsver-waltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen ge-fördert. Jetzt gilt es, beschlossene Maßnah-men umzusetzen und zu beobachten, ob esHindernisse in der Praxis gibt, die in Hand-lungen einzelner Personen, im Verfahren oderin den Strukturen der jeweiligen Institutionbegründet sind. Diese Erkenntnisse und Er-gebnisse dienen dazu, in Abstimmung mitden Kooperationspartnerinnen und -partnerneinen kontinuierlichen Verbesserungsprozesszu initiieren.

Die Schwerpunkte der Arbeit konzen-trieren sich jetzt auf:· Monitoring (stetige Beobachtung der Praxis);· Clearing (Problemanalyse/Problemklärung)

und Konfliktvermittlung;· Entwicklung von Lösungsvorschlägen, um

die bestehenden Rahmenbedingungen kon-tinuierlich zu verbessern;

· Entwicklung weiterer Multiplikatorenschu-lungen und Fortbildungskonzepte fürBerufsgruppen, die mit häuslicher Gewaltbefasst sind, sowie deren Realisierung.

Institutionalisierte Phase: Seit 1/2003

KONTINUIERLICH VERBESSERN

„Die Zusammenarbeit basiert auf der Erkenntnis, dass positive Veränderungen nur dann gelingen können, wenn alle Professionen kooperieren und ihre Reaktionenauf die Täter bzw. Hilfsangebote für betroffene Frauen und Kinder abstimmen.“THOMAS HÄRTEL Staatssekretär der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, Berlin

„Von BIG gingen und gehen nach wie vor wichtige neue Impulse für die Bekämpfungvon Gewalt gegen Frauen sowohl in die Bundesrepublik als auch ins Ausland aus.“CHRISTA RIEMANN-HANEWINCKEL Parlamentarische Staatssekretärin, BMFSFJ von 10/2002 bis 11/2005

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

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WIE DIE ARBEIT VON BIG HEUTE AUSSIEHT„BIG ist ein wichtiger Teil des Aktionsplans der Bundesregierung zur Bekämpfung von Ge-walt gegen Frauen. Die Grundstruktur diesesAktionsplans basiert auch auf den Erfahrungenvon BIG. Das betrifft die erforderlichen Ver-netzungen, die institutionalisierten Koopera-tionen, die Fortbildungen und die Täterarbeit.“

CHRISTA RIEMANN HANEWINCKEL Parlamentarische Staatssekretärin, BMFSFJ von 10/2002 bis 11/2005

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21WIE DIE ARBEIT VON BIG HEUTE AUSSIEHT

Beobachten· BIG beobachtet, ob Hilfe und Unterstützung

für die Opfer häuslicher Gewalt bestmöglichverlaufen.

· BIG erfasst Schwachstellen und Lücken in der Praxis und sorgt dafür, dass sie beseitigtwerden.

· BIG nimmt Beschwerden entgegen, um zu erreichen, dass die Hilfe für Frauen undihre Kinder auch in konkreten Einzelfällenverbessert wird.

· In solchen Beschwerde- oder Konfliktfällenbietet BIG auf Wunsch Mediation zwischenden beteiligten Institutionen oder Personen an.

Koordinieren· BIG bringt weiterhin Expertinnen und Ex-

perten zu häuslicher Gewalt miteinander ins Gespräch, um ihre Zusammenarbeitkontinuierlich zu verbessern. Das sind u. a.Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Frau-enprojekten und den Bereichen Polizei, Justiz, Jugendhilfe, Migration, Soziales und Gesundheit.

· BIG plant und beschließt weiterhin mit allenBeteiligten konkretes Handeln gegen Gewalt.

· BIG bietet umfangreichen Service und ver-mittelt an die richtigen Stellen oder Per-sonen – bei Anfragen zum Hilfesystem, zu spezifischen Themen und Fachliteratur, bei der Suche nach Expertinnen und Ex-perten, Fortbildungen und Veranstaltungen.

· Um die Qualität der Arbeit zu sichern, hältBIG den Kontakt zu Kollegen und Kolle-ginnen aus Wissenschaft und Forschungund arbeitet in nationalen und internationa-len Netzwerken und Gremien mit.

Handeln· BIG regt politische Beschlüsse und Gesetze

an, um Schutz, Hilfe und Informationen fürdie Opfer häuslicher Gewalt weiter zu ver-bessern.

· BIG entwickelt innovative Konzepte, bautneue Projekte auf und veröffentlicht ziel-gruppengenaue Informationsmaterialien.

· BIG entwickelt weitere Handlungsleitlinien zur Unterstützung von Berufsgruppen, diemit häuslicher Gewalt befasst sind.

· BIG bietet Fortbildungen für verschiedeneBerufsgruppen zu häuslicher Gewalt an.

„Wie wird das Gewaltschutzgesetz in der Praxis angewendet, wie die polizeiliche Wegweisung umgesetzt? Wie wirkt sich die Arbeitsmarkt- und Sozialreform ,Hartz IV’ konkret auf die betroffenen Frauen aus? Und wieläuft inzwischen das Verfahren bei Sorgerechts- und Umgangsregelungen? Das sind derzeit die Themen, zu denen BIG die Umsetzung gesetzlicher Regelungen und Schutzmaßnahmen sowie deren Auswirkungen auf gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder beobachtet. Auch die Frauen selbst, Mitarbeiterinnen aus Frau-enprojekten und anderen Institutionen und Behörden nutzen inzwischen häufig die Möglichkeit, Schwachstellenund Konflikte zu benennen und gemeinsam mit BIG eine Klärung zu erreichen. Dazu heißt es für BIG zunächst einmal zu analysieren: Wie hat sich das Problem im Alltag konkret gezeigt? Ist es ein einmaliger oder mehrmals gemeldeter Vorfall? Betrifft er eine Stelle oder generell das Handeln einerBerufsgruppe? Handelt es sich um ein Informations-, Kommunikations- oder Regelungsdefizit? Wer kann esbeheben? Welche Instrumente gibt es zur Veränderung? Fehlen Sonderregelungen, Erlasse, Dienstanweisungen,Fortbildungen, Gesetzesänderungen, andere Verfahrensabläufe? Im zweiten Schritt ist es die Aufgabe von BIG, die am Konflikt Beteiligten zusammenzubringen und sie bei der Klärung zu unterstützen (bei Bedarf auch Mediation). Im Falle eines strukturellen Problems ruft BIG Arbeits-gruppen ins Leben, in denen Expertinnen und Experten an der Entwicklung verbesserter Regelungen und(Schutz-)Maßnahmen mitwirken.“ ULRIKE KREYSSIG Koordinatorin BIG

Erst analysieren, dann Lösungen entwickeln – wie BIG an die Arbeit herangeht

BEOBACHTEN, KOORDINIEREN, HANDELN

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PERSPEKTIVENWECHSEL UND GESELLSCHAFT-LICHER WANDEL – EINE ERFOLGSBILANZ INZEHN PUNKTEN„Die Ergebnisse dieses Projekts haben sowohldie Gesetzgebung als auch das Handeln der Behörden und der Unterstützungseinrichtungenmaßgeblich beeinflusst und verändert. Ein wesentlicher Erfolg ist, dass Berufsgruppen,die sich zuvor mit Misstrauen begegnet sind,jetzt vertrauensvoll und effektiv zum Schutzvor häuslicher Gewalt zusammenarbeiten.Damit hat BIG einen wesentlichen Beitrag da-zu geleistet, dass häusliche Gewalt nicht mehrals Problem der Frauen angesehen wird, son-dern alle zuständigen Institutionen, insbeson-dere Polizei und Justiz ihre Verantwortung für den Schutz von Frauen vor Gewalt erkanntund übernommen haben. Dadurch ist dasThema Gewalt gegen Frauen aus dem privatenin den öffentlichen Bereich geholt worden.“

CHRISTA RIEMANN-HANEWINCKEL parlamentarische Staatssekretärin, BMFSFJ von 10/2002 bis 11/2005

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23PERSPEKTIVENWECHSEL UND GESELLSCHAFTLICHER WANDEL – EINE ERFOLGSBILANZ IN 10 PUNKTEN

1995 lautete der Einsatzauftrag derPolizei „Familienstreitigkeit“Nicht einmal fünf Jahre später hat sich derSprachgebrauch bei den Polizeidienststellendes Landes Berlin geändert und lautet heute„häusliche Gewalt“. Weit mehr als nur einsprachlicher Unterschied, spiegelt sich darinein grundlegender Wandel in der Art undWeise, wie häusliche Gewalt heute in derGesellschaft – nicht nur bei der Polizei –wahrgenommen wird. Auch im Denken undvor allem im Handeln zeigen sich die Erfolge,an denen BIG innerhalb von zehn Jahrenentscheidend mitgewirkt hat.

Punkt 1Von der Privatsache zur Aufgabe desStaatesVor zehn Jahren war man überwiegend derAnsicht, häusliche Gewalt sei Privatsache und der Staat habe sich nicht einzumischen.Heute ist es keine Frage mehr, dass es Auf-gabe des Staates und seiner Institutionen ist,häusliche Gewalt zu verhindern.

Punkt 2Vom Randproblem zum gesellschaft-lichen ProblemVor zehn Jahren war die Meinung verbrei-tet, häusliche Gewalt wäre ein reines Unter-schichtproblem und nur relativ wenige Frauenseien davon betroffen. Heute dagegen belegen die Zahlen, dassjede vierte Frau mindestens einmal von Ge-walt in einer Beziehung betroffen ist. Und:Häusliche Gewalt zieht sich durch alle sozia-len Schichten.

NEUES DENKEN, NEUES HANDELN

„Die Initiative BIG war der Beginn eines Paradigmenwechsels in der Bekämpfunghäuslicher Gewalt in Deutschland. Anfang der 90er Jahre ist es endlich gelungen,auch bei einigen Landesregierungen und der Bundesregierung Verständnis dafür zuwecken, dass für eine wirkliche Kampfansage an die häusliche Gewalt von Seitendes Staates eine ganz andere Herangehensweise nötig war als bisher. Dazu gehörtevor allem, den Blick stärker auf die Täter und damit auch auf die Prävention zurichten, anstatt wie bis dahin Frauen und Kindern lediglich nachträglich eineUnterkunft zur Verfügung zu stellen. Dazu bedurfte es aber auch einer viel besse-ren Kooperation aller staatlichen und öffentlichen Stellen, die mit von häuslicherGewalt betroffenen Frauen und Kindern zu tun hatten. Außerdem musste der Staataktiv werden, um das wie Mehltau über dem Problem liegende gesellschaftlicheTabu endlich zu brechen. Und die Justiz musste beginnen, die strafrechtliche Ver-folgung der Täter nicht mehr aufgrund mangelnden öffentlichen Interesses oderunzureichender Beweise einzustellen.“ IRMINGARD SCHEWE-GERIGK MdB Bündnis 90/Die Grünen, in ihrer Grußbotschaft zum 10-jährigen Jubiläum von BIG

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

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„Eine fortschrittliche Gesellschaft darf nicht zulassen, dass die Intimität der Pri-vatsphäre als rechtsfreier Raum missbraucht wird, in dem Frauen und Kinder schutz-los der Gewalt ausgeliefert sind. Diese Aufgabe kann die Polizei nicht alleinebewältigen, sondern nur gemeinsam mit allen politischen und gesellschaftlichenKräften, die hier Einfluss ausüben können.“ DIETER GLIETSCH Der Polizeipräsident in Berlin

„Dienten die Treffen zwischen Institutionsvertretern in der Vergangenheit oft dem ziemlich befristeten Austausch und der Abstimmung, der Konfliktausräumung und auch der Weiterbildung, so schafften die Interventionsprojekte einen Ort der politischen Willensbildung und Entscheidungen, in denen die Spitzen mächtigerInstitutionen sich auf Konsensgespräche mit Vereinen und Projekten der Zivil-gesellschaft einließen.“ PROF. DR. BARBARA KAVEMANN Katholische Hochschule für Sozialwesen, Berlin, sowie Forschungsgruppe WiBIG*

* siehe Materialien, Seite 33

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

24 PERSPEKTIVENWECHSEL UND GESELLSCHAFTLICHER WANDEL – EINE ERFOLGSBILANZ IN 10 PUNKTEN

Punkt 3Vom Schlichten zum Intervenieren Vor zehn Jahren war die Meinung weit verbreitet, bei häuslicher Gewalt handele es sich nur um einmalige Ausrutscher undStreitigkeiten, die sich schlichten lassen. Heute dagegen ist den meisten bewusst,dass Gewalt systematisch geschieht: Auchdas erste Mal ist kein „Ausrutscher“, son-dern Ausdruck einer Haltung gegenüberFrauen und damit ein gesellschaftliches Pro-blem. Schlichten ist daher nicht möglich. Um Gewalt zu beenden, ist eine klare Inter-vention nötig.

Punkt 4Von einzelnen Schutzmaßnahmen zum umfassenden InterventionssystemVor zehn Jahren dachte man, es reicheaus, gewaltbetroffenen Frauen Schutz undHilfe in Frauenhäusern anzubieten.Heute dagegen ist unumstritten, dass dasFrauenhaus als Schutzraum nur der ersteSchritt ist. Wirksamer Schutz vor häuslicherGewalt braucht ein umfassendes Hilfesystem.

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25PERSPEKTIVENWECHSEL UND GESELLSCHAFTLICHER WANDEL – EINE ERFOLGSBILANZ IN 10 PUNKTEN

Punkt 5Vom gelegentlichen Austausch zur kontinuierlichen KooperationVor zehn Jahren zeigte sich Kooperation zwischen Institutionen meist nur in einem ge-legentlichen und befristeten Austausch, umaktuelle Störungen zu beseitigen.Heute dagegen bestehen die neuen Wege der Interventionsprojekte darin, auf Koopera-tion und Konsens zwischen den Institutionenzu setzen, die bislang wenig oder keinenAustausch pflegten – und zwar strategischund auf Dauer.

Punkt 6Vom Misstrauen zur ZusammenarbeitVor zehn Jahren begegneten sich Berufs-gruppen, die mit häuslicher Gewalt zu tunhaben, häufig mit Misstrauen.Heute dagegen ist anerkannt, dass der ko-operative Umgang aller Stellen, die mit häus-licher Gewalt befasst sind, dem Schutz derFrauen dient. Die beteiligten Institutionenarbeiten einverständlich, wenn auch nichtimmer spannungsfrei, miteinander. Unter allenbeteiligten Institutionen ist großes Vertrauengewachsen und die Gewissheit, dass alle be-reits ein großes Stück vorangekommen sind.

„Stellen Sie sich vor, dass diese Menschen mit großem Zögern, großer Vorsicht,großer Skepsis ganz langsam ins Gespräch kommen über Gewalt, über Frauenbe-wegung, über Verantwortung von Männern, über problematische Erfahrungen mitStaat und Justiz, über neue Wege und alte Vorurteile, auf der Suche nach Wortender Gemeinsamkeit. (…) Das war revolutionär, weil es ein kooperatives Projekt war und ist. Es war revolutionär, weil es radikale Frauenbewegung und Staat zu-sammen brachte. Und es war übrigens auch revolutionär, weil nicht nur Männer und Frauen, sondern auch Juristinnen und Sozialarbeiterinnen, also Berufsgruppen,die voller Vorurteile aufeinander schauen, hier produktiv zusammenwirkten.“ PROF. DR. SUSANNE BAER Vizepräsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

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„Häusliche Gewalt, die sich fast ausschließlich gegen Frauen und Kinder richtet, ist besonders verwerflich, weil sie sich im privaten Schutzraum ereignet. Die Opferhaben es oft besonders schwer, sich aus dem Teufelskreis von Abhängigkeit, Schamund Gewalt zu befreien. Hier leistet BIG und seit fünf Jahren auch die BIG-Hotlinesehr wertvolle Arbeit. Die enge Zusammenarbeit von BIG und Strafverfolgungsbe-hörden hat dazu beigetragen, dass immer mehr betroffene Frauen den Mut finden,Anzeige zu erstatten.“SUSANNE AHLERS Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, Berlin

„Früher hatten wir allenfalls die Möglichkeit, den Täter kurzzeitig aus der Woh-nung zu entfernen. Mit dem Polizeieinsatz konnte die akute Bedrohung beseitigt,die Frau aber nicht dauerhaft aus ihrer Situation befreit werden. Ihr blieb nur dieMöglichkeit, selbst die Wohnung zu verlassen. (…) Ausgestattet mit dem neuenrechtlichen Instrumentarium der so genannten ‚Wegweisung’ kann die Polizei jetztnach dem Grundsatz verfahren: ‚Wer schlägt, der geht!’“ DIETER GLIETSCH Der Polizeipräsident in Berlin

„Kinder müssen miterleben, wie die Mutter gedemütigt und misshandelt wird. Studien belegen, dass solche alltäglichen Gewalterfahrungen die Wahrscheinlich-keit deutlich erhöhen, diese Verhaltensmuster zu übernehmen und später alsErwachsener Gewalt als normales Mittel zur Konfliktlösung einzusetzen. Daher gilt es, frühzeitig den Kreislauf der Gewalt in der Familie zu durchbrechen. (…)Kinder als Betroffene bedürfen der höchsten Aufmerksamkeit. Sie haben ein Rechtauf unseren Schutz und sind dabei noch mehr als Erwachsene auf unsere Hilfeangewiesen.“ THOMAS HÄRTEL Staatssekretär der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, Berlin

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

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Punkt 7Von der Unsicherheit zur KompetenzVor zehn Jahren machten viele Frauen dieErfahrung, dass Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter in Behörden und Ämtern wenig überGewaltbeziehungen wussten und daher nichtangemessen reagierten. Heute dagegen hat sich in vielen Behördenund Ämtern die Ansicht durchgesetzt, dasszur kompetenten Beratung gewaltbetroffenerFrauen ein gutes Basiswissen unabdingbar ist. Für fast alle Berufsgruppen, die mit häus-licher Gewalt zu tun haben, gibt es inzwi-schen Fortbildungsangebote, die genutzt wer-den und in der Praxis zu einer verbessertenUnterstützung für die Frauen führen.

Punkt 8Von der Flucht der Opfer zurWegweisung der TäterVor zehn Jahren glaubte man, häuslicheGewalt könne nur unterbrochen oder garbeendet werden, wenn die Frau die Wohnungverlässt.Heute dagegen gilt: Wer schlägt, der geht.Das ist nicht nur eine bloße Formel, sondernauch im Gewaltschutzgesetz und in geänder-ten Polizeigesetzen dokumentiert.

Punkt 9Vom Blick auf die Frauen zur Wahr-nehmung der KinderVor zehn Jahren glaubte man überwiegend,Hilfe für die Frauen reiche aus, da ihre Kindervon der Gewalt gegen ihre Mütter ja nicht be-troffen seien. Heute dagegen hat man erkannt, dass Kinder,die in ihrem Zuhause Gewalt miterleben müs-sen, dadurch selbst Opfer dieser Gewalt sindund viel stärker als bisher in den Blick ge-nommen werden müssen.

Punkt 10Von der Scham zum HilfeholenVor zehn Jahren war überwiegend zu be-obachten, dass Frauen sich der erlittenenGewalt schämen und deshalb schwer tun,darüber zu sprechen und die Gewalttatenanzuzeigen. Heute dagegen sind Frauen immer häufi-ger bereit, Gewalt nicht länger hinzunehmen.Auch an den steigenden Zahlen von An-zeigen ist zu erkennen, dass immer mehrFrauen den Mut fassen, sich zu wehren.

27PERSPEKTIVENWECHSEL UND GESELLSCHAFTLICHER WANDEL – EINE ERFOLGSBILANZ IN 10 PUNKTEN

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AUFGABEN UND ZIELE DER NÄCHSTEN JAHRE„Der Schutz vor häuslicher Gewalt kann undmuss stets und stetig verbessert werden. Hierzu sind alle Institutionen und Organisatio-nen in Berlin aufgerufen. Die Arbeit von BIGist daher auch noch nicht getan. BIG wird nachwie vor gebraucht. (...) Ich freue mich auf eine weitere fruchtbare Zusammenarbeit.“

KARIN SCHUBERT Senatorin für Justiz und Bürgermeisterin von Berlin

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29AUFGABEN UND ZIELE DER NÄCHSTEN JAHRE

Nach zehn Jahren lässt sich sagen: Das Fundament für einen wirksamen Schutzvor häuslicher Gewalt ist gelegt. Ein Ziel,nämlich häusliche Gewalt gegen Frauen alsein gesellschaftliches Problem zu begreifenund anzugehen, ist weitgehend erreicht. Um dem übergeordneten Ziel einer wenigergewalttätigen Gesellschaft aber tatsächlichnäher zu kommen, reicht das allein nochnicht aus. Es ist daher von großer Dringlich-keit, die Bemühungen um Prävention zuintensivieren und stärker als bisher auf eineVerhaltensänderung der Täter hinzuwirken.

Dringend notwendig – Die Arbeit mit KindernDie Gewaltspirale macht bei den Frauen nichtHalt. Sie erfasst auch Kinder und Jugendliche.Den eigenen Vater als Gewalttäter zu erlebenund Gewalt an der Mutter mit ansehen zumüssen, schädigt Kinder. Wir müssen Jungenund Mädchen das Bewusstsein vermitteln,dass Gewalt in einer Partnerschaft nicht nor-maler Teil des Alltagslebens zwischen Män-nern und Frauen ist, dass es aber normal ist,

darüber zu reden und sich Hilfe zu holen,wenn sie zu Hause Gewalt gegen die Muttermiterleben müssen. BIG hat sich daher zum Ziel gesetzt, Berufs-gruppen, die mit Kindern arbeiten, dafür zu sensibilisieren und das Thema auch anOrte zu transportieren, an denen sich alleKinder tagtäglich aufhalten. Ab April 2006wird BIG deshalb an einem neuen Modell-projekt arbeiten. Es macht häusliche Gewaltzum Thema in Schulen und Schulbüchern.Mit Projekttagen, Informationsmaterialien fürMädchen und Jungen, Fortbildungen fürLehrende und Erziehende sowie mit Eltern-abenden und -briefen soll auf das in Schulenbislang nicht ausreichend beachtete Themaaufmerksam gemacht werden.

Wer schlägt, muss gehen – und dann?Die Arbeit mit TäternStärker noch als bisher muss sich das Augen-merk auf die Täter richten. Wir müssen ge-meinsam Maßnahmen für täterorientierteInterventionen entwickeln. Überall dort, woTäter mit Institutionen in Kontakt kommen,soll ihnen mit eindeutigen Sprachregelungen,mit klaren Botschaften und Signalen begeg-net werden. Ein erstes Umdenken hat zwar stattgefunden.Doch es ist bei weitem noch nicht ausrei-chend in die Praxis umgesetzt, gewalttätigeMänner für ihr Handeln konsequent zur

ES GEHT WEITER

BIG SIEHT DIE ZUKÜNFTIGENARBEITSSCHWERPUNKTE DEUTLICHVOR SICH

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

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30 AUFGABEN UND ZIELE DER NÄCHSTEN JAHRE

Verantwortung zu ziehen. Nach wie vor istder institutionelle Umgang mit ihnen von Uneindeutigkeit, Unsicherheit und teilweiseauch von Angst bestimmt. Es müssen Konzepte und Leitlinien für alleBerufsgruppen entwickelt werden, die Klar-heit vermitteln, welche Signale die jeweiligenStellen an Täter häuslicher Gewalt sendenwollen, wie sie sie ansprechen und wie sieihnen vermitteln können, was zukünftig vonihnen erwartet wird. Konkrete Maßnahmen für Verhaltensänderungen werden heute noch zu selten angeboten oder gar gefordert.Noch gilt überwiegend das Prinzip der Frei-willigkeit. Aufgabe in der Zukunft ist es, gesellschaftli-chen Konsens und eindeutiges Handeln zu erzielen, damit Täter häufiger als bisher an Sozialen Trainingskursen, die im Rahmen von Interventionsabläufen mit anderen Maß-nahmen abgestimmt sind, teilnehmen. AlsBewährungsauflage oder -weisung könnensolche Kurse den Tätern in Strafprozessenverordnet werden. Sie können auch vonFamiliengerichten oder Jugendämtern zurVoraussetzung gemacht werden, um denUmgang mit den Kindern zu gewähren. Diese Maßnahmen und Kurse verfolgen nichtnur das Ziel, ein Unrechtsbewusstsein beiden Tätern zu verankern, sondern ihnen auchPerspektiven für ein gewaltfreies Leben miteiner Partnerin und Kindern zu eröffnen.

Spezifische Maßnahmen – Verbesserter Schutz für MigrantinnenEs hat sich sowohl in der Praxis als auch imErgebnis der jüngsten Studie des BMFSFJgezeigt, dass Migrantinnen auch in hohemMaße von häuslicher Gewalt betroffen sind.Zukünftig ist eine genauere Analyse erfor-derlich, inwieweit Hilfeangebote und Schutz-maßnahmen ausreichend an ihre spezifischenSituationen angepasst sind.Nach wie vor gilt es, Modelle zu entwickeln,die es Migrantinnen ermöglichen, frühzeitigund ohne eigenen Nachteil – etwa bezüglich

ihres Aufenthaltes – Hilfe in Anspruch zunehmen. Weiterhin ist es erforderlich, Strate-gien zu entwickeln, die einen verbessertenSchutz für Mädchen und Frauen gewährlei-sten, die wegen vermeintlicher Ehrverletzungenverfolgt und mit dem Tod bedroht werden.Verstärkt werden sollen auch die Bemüh-ungen in der Prävention. BIG setzt sich z. B.dafür ein, dass gezielte Informationen überdas Rechtssystem – insbesondere über dieGleichstellung der Frauen, ihre Rechte unddie gesetzlich verankerten Schutzmöglich-keiten bei häuslicher Gewalt – als Themen in die Curricula von Integrationskursen nachdem neuen Zuwanderungsrecht aufgenom-men werden.

Wissen verankern – Die Arbeit mit BerufsgruppenSoll häusliche Gewalt strukturell verringertwerden, muss dafür gesorgt werden, dasssich das Wissen über ihre Entstehung undAusprägungen weiter ausbreitet. Das heißt,das Thema „Häusliche Gewalt“ muss in denInhalten der Aus- und Weiterbildung all jener Berufe und Fachrichtungen verankertwerden, die damit in Berührung kommen:

· POLIZEI: Funkwagenbesatzungen, Beschäf-tigte in der Notrufannahme, Sachbearbei-tung, Opferschutz- und Präventionsbeauf-tragte und Kriminalpolizei.

· AUSLÄNDER- UND MELDEBEHÖRDE· JUSTIZ: Richterschaft in Straf- und Zivil-

und Familiengerichten, Amts- und Staats-anwaltschaft, Rechtsanwältinnen und -anwälte, Rechtspflegerinnen und -pfleger,Gerichtsvollzieherinnen und -vollzieher.

· GESUNDHEITSVERSORGUNG: Ärzteschaft,Beschäftigte in der Gesundheits- undKrankenpflege, im psychiatrischen Bereich,Lehrkräfte für Pflegeschulen.

· SOZIALBEREICH: Beschäftigte in Jugend-und Sozialämtern, in Jobcentern, bei Trä-gern der Familienhilfe, in Einrichtungen derMädchen- und Jungenarbeit, in Unterstüt-

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31AUFGABEN UND ZIELE DER NÄCHSTEN JAHRE

zungseinrichtungen für Frauen, für Seni-orinnen und für Frauen mit Behinderungen.

· ERZIEHUNGSBEREICH: Beschäftigte inKindertagesstätten, Schulen und Heimen.

Weiter dranbleiben – Rückmeldung und RückkopplungEin Fazit der wissenschaftlichen Begleitungvon Interventionsprojekten (WiBIG) lautet:„Solange häusliche Gewalt alltägliche Realitätfür eine hohe Zahl von Frauen und ihreKinder bleibt, ist der Anstoß durch eine unab-hängige Stelle, die die Thematik permanentauf der Tagesordnung hält, die Kräfte imHilfesystem bündelt und die eine Entwicklungvon Maßnahmen und Strategien auf allenEbenen organisiert, erforderlich.“ Dabei kanngewährleistet werden, dass die bereits um-gesetzten Maßnahmen immer wieder auf ihreTauglichkeit in der Praxis hin überprüft, undfalls erforderlich, optimiert werden. Zu dieserAufgabe gehört aber auch, positive Entwick-lungen für die beteiligten Partnerinstitutionenzu dokumentieren. So können z. B. Frauen-hilfeeinrichtungen, Polizei und Jugendämtersich gegenseitig darüber informieren, dassder als Pilotprojekt erprobte proaktive Be-ratungsansatz von den Klientinnen sehr po-sitiv angenommen wird oder dass die kon-sequente polizeiliche Intervention eine wach-sende Zahl von Kindern aufdeckt, die von der Gewalt an ihren Müttern mitbetroffensind. Beides motiviert gleichermaßen, auf diesem Weg weiterzugehen und die Koope-ration am Leben zu erhalten.

Eigene Klischees aufspüren – Die Arbeit an sich selbst „One size fits all“ – eine Maßnahme, die füralle passt? Für den Schutz und die Unter-stützung bei häuslicher Gewalt stimmt dassicher nicht. Denn so verschieden die be-troffenen Frauen sind, so variabel müssenHilfe und Unterstützung sein.

Das Zitat einer Klientin aus einer Beratungs-stelle zeigt das ganz deutlich:

Für die Mitarbeitenden im Unterstützungs-system heißt das, sehr genau die eigenenKlischees aufzuspüren und die eigenen Über-zeugungen immer wieder in Frage zu stellen.Denn es muss nicht automatisch Stärke be-deuten, wenn eine Frau sich von ihrem ge-walttätigen Partner trennt, und nicht automa-tisch Schwäche sein, wenn sie bei ihm blei-ben will. Opferbilder und -klischees beeinflus-sen nach wie vor den Blick auf die Frauen.Dies zum Thema zu machen und eine Aus-einandersetzung damit z. B. in Fortbildungenzu fördern, ist für BIG ebenfalls ein Arbeits-feld der Zukunft. Das bedeutet weiterhin für alle Beteiligten – Personen wie Instituti-onen – auch Arbeit an sich selbst.

Die notwendige Voraussetzung und Grund-lage dieser zukünftigen Arbeit sind dieAktionspläne auf Bundes- und Landesebenezur Bekämpfung von Gewalt an Frauen. Die Berliner Interventionszentrale bei häusli-cher Gewalt ist dank der Finanzierung durchdie Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeitund Frauen fester Bestandteil der bestehen-den Infrastruktur und langfristig etabliert.

„Und dann haben die mir gesagt: ‚Wenn ernicht zur Therapie geht, dann reichen Sie dieScheidung ein.’ Die sagen das so einfach. Ich meine, 19 Jahre, so einfach ist das nichtweggeschmissen!“ (Quelle: WiBIG (2004) Bd. 1:

Neue Unterstützungspraxis bei häuslicher Gewalt)

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ROSENSTRAßE 76 – DIE AUSSTELLUNG ZUMZEHNJÄHRIGEN JUBILÄUM„Die Ausstellung ,Rosenstraße 76’ will nichtnur informieren, sondern auch überraschenund aufrütteln. Sie erlaubt es den Besuche-rinnen und Besuchern, sich einzulassen undeinzufühlen. Das beeindruckt und erschüttert,erleichtert aber auch, über häusliche Gewaltzu sprechen und einen Zugang zum Thema zufinden – jenseits von Zahlen, Daten und Fakten.“

UNA HOMBRECHER Brot für die Welt, Kuratorin der Ausstellung, erstes Foto rechte Seite

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33ROSENSTRAßE 76 – DIE AUSSTELLUNG ZUM 10 JÄHRIGEN JUBILÄUM

Teil der Jubiläumsveranstaltung von BIG war die Eröffnung und Präsentation der inter-aktiven Ausstellung zu häuslicher Gewalt von„Brot für die Welt“ und dem DiakonischenWerk: Eine ganz normale Dreizimmerwoh-nung. Alles wirkt bekannt und vertraut. Erstbei genauerem Hinsehen sind Alltagsgegen-stände zu erkennen. Sie sind so platziert,dass sie Assoziationen mit Gewalttätigkeitenoder Psycho-Terror auslösen. Gegenstände,mit denen Gewalt ausgeübt wird oder die,wie z. B. Medikamente, (vermeintlich) helfen,Gewalt zu ertragen. Rosenstraße 76, eineWohnung, die exemplarisch für Räume steht,in denen die alltägliche Gewalt zu Hause ist.Auf Informationstafeln sind die Zahlen, Faktenund Schicksale nachzulesen, die sich hinterdieser Kulisse verbergen. Es kommen Betrof-fene und Täter zu Wort.

Zusätzlich zur Ausstellung hat BIG Zusatz-materialien erstellt, die speziell auf die Ber-liner Situation eingehen. Eine Woche langbetreuten Mitarbeiterinnen von Berliner Frau-enprojekten zahlreiche Besucherinnen undBesucher, Gruppen und Schulklassen.

HÄUSLICHE GEWALT ÜBERWINDEN

ZUM 10-JÄHRIGEN JUBILÄUM VON BIG

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Dokumentation anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der Berliner Interventionszentrale bei häuslicher GewaltBerlin, 2006

BIG, Berliner Interventionszentrale bei häuslicher GewaltSarrazinstr. 11-1512159 Berlin

Redaktion: DAS TEAM DER BERLINER INTERVENTIONSZENTRALE BEI HÄUSLICHER GEWALT

PFIFF, PresseFrauen In FrankFurt Frankfurt a. M.

Gestaltung: CHIARINA FAZIO Frankfurt a. M.

Druck und Weiterverarbeitung: C. ADELMANN GMBH Frankfurt a. M.

IMPRESSUM

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Von BIG erarbeitet und erstellt: (Siehe auch: www.big-interventionszentrale.de)

FÜR MULTIPLIKATORINNEN UND MULTIPLIKATOREN:

Broschüre 1: Gewalt gegen Frauen im häuslichenBereich 1996 informiert über Gewalt gegen Frauenund Interventionsmöglichkeiten

Broschüre 2: Jetzt erst Recht 3. Aufl. 2001informiert über die Rechte für misshandelte Frauen – Konsequenzen für die Täter

Broschüre 3: Grenzen setzen – verantwortlichmachen – Veränderung ermöglichen 1997informiert über Möglichkeiten und Grenzen derTäterarbeit im Rahmen eines Interventionsprojektesgegen häusliche Gewalt

Dokumentation: Alte Ziele auf neuen Wegen – Einneuartiges Projekt gegen Männergewalt stellt sichvor 1996 über das Berliner Interventionsprojekt gegenhäusliche Gewalt

Leitfaden: Polizeiliches Handeln in Fällen häuslicherGewalt Orientierung für Einsätze der Polizei bei häus-licher Gewalt

Video: Kennst du das auch? – Wahre Geschichtenvon zu Hause – Fünf Mädchen und Jungen erzählenvon ihren Erfahrungen mit häuslicher Gewalt

Broschüre: Begleiteter Umgang bei häuslicherGewalt + Standards zur Durchführung von begleite-tem Umgang bei häuslicher Gewalt Informationenund Empfehlungen für den begleiteten Umgang

Broschüre: Empfehlungen für Jugendämter inFällen häuslicher Gewalt Gesprächs- und Hand-lungsempfehlungen für MitarbeiterInnen der Jugend-ämter sowie freien Träger in der Kinder- und Jugendhilfe

Broschüre: Wenn Patientinnen von Gewalt betroffensind Informationen für Ärztinnen und Ärzte überGewalt gegen Frauen

Ordner: Gewalt gegen Kinder und Jugendliche – Was ist zu tun? Ein Wegweiser für BerlinerErzieherinnen/Erzieher und Lehrerinnen/Lehrer

WANDERAUSSTELLUNG: ROSENSTRAßE 76Über die alltägliche Gewalt in einer ganz normalenWohnung Auszuleihen über Agentur Grüßhaber in StuttgartAnsprechpartner: Thomas Knödl, Tel. 0170. 18 30 743

FÜR FRAUEN, DIE VON HÄUSLICHER GEWALT

BETROFFEN SIND:

Schutzantragsformulare: Zivilrechtliche Schutzan-ordnungen bei häuslicher Gewalt Muster und Er-läuterungen für die Antragstellung nach dem GewSchG

Broschüre: Mehr Mut zum Reden Von misshandeltenFrauen und ihren Kindern. Zur Situation von Mütternund Kindern

Infoheft: Ihr Recht bei häuslicher GewaltÜber polizeiliche, strafrechtliche und zivilrechtlicheMöglichkeiten des Schutzes vor häuslicher Gewalt(auch in arabisch, englisch, französisch, italienisch, polnisch, portugiesisch, russisch, serbo-kroatisch, spanisch, türkisch, vietnamesisch)

Wegweiser Migrantinnen Behörden- und Beratungs-stellenverzeichnis für Migrantinnen in Berlin, die vonhäuslicher Gewalt betroffen sind – mehrsprachig –

IM RAHMEN DER WISSENSCHAFTLICHEN

BEGLEITUNG SIND BEIM BMFSFJ FOLGENDE

MATERIALIEN UND BERICHTE VERÖFFENTLICHT

WORDEN:

Modelle der Kooperation gegen häusliche GewaltSchriftenreihe des Bundesministeriums für Familie,Senioren, Frauen und Jugend, Band 193Abschlussbericht der WiBIG Bd. 1/ Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung von BIG

Fortbildung für die Intervention bei häuslicherGewalt Schriftenreihe Bd. 193.1, Auswertung derFortbildungen für Polizeiangehörige sowie Juristinnenund Juristen

Materialienband zum Abschlussbericht der wissen-schaftlichen Begleitung des Berliner Interventionspro-jektes gegen häusliche Gewalt

Gemeinsam gegen häusliche Gewalt –Kooperation, Intervention, BegleitforschungForschungsergebnisse der Wissenschaftlichen Be-gleitung der Interventionsprojekte gegen häuslicheGewalt (WiBIG), Kurzfassung gedruckt und Langfas-sung zum downloadBand I: Neue Unterstützungspraxis bei häuslicherGewaltBand II: Staatliche Intervention bei häuslicherGewaltBand III: Täterarbeit im Kontext von Interventions-projekten gegen häusliche GewaltBand IV: Von regionalen Innovationen zu Maßstäbenguter Praxis

MATERIALIEN

Page 36: über die Arbeit, die Erfolge und die Zukunft von 10Gewalt ...Wegbereitend für unsere Arbeit waren: · die Bereitschaft von Politik und Institutio-nen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Tel. 030. 617 09 100Fax 030. 617 09 101

www.big-interventionszentrale.demail@big-interventionszentrale.de

Sarrazinstraße 11-1512159 Berlin

BiGBerliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt