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PMR – PROFESSIONAL MOBILE RADIO 11 NET 6/18 „In den letzten zwanzig Jahren sind wir mit unserem Kongress weltweit unterwegs gewesen, letztes Jahr Hongkong, davor Amsterdam und Barcelona“, so Tony Gray, Geschäfts- führer von TCCA zur NET. „Aber Ber- lin ist am besten!“ TCCA steht im Übrigen nur noch für „Critical Com- munications Association“, Tetra ist dabei kürzelmäßig auf der Strecke geblieben. Schließlich ist der sicher- heitskritische Bedarf und das Ange- bot in die Breite gegangen – und um Breitband dreht sich auch in Berlin al- les. Da muss nun auch die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufga- ben (BDBOS) ihre einstige Schweig- samkeit zu diesem Thema aufgeben, stellt Erfahrungen als Betreiber des weltgrößten Tetra-Netzes zur Diskus- sion – und sieht sich für die Zukunft gut gerüstet bei bestehendem gro- ßen Handlungsbedarf. Darauf weist Andreas Gegenfurtner, Präsident der BDBOS und Co-Veranstalter, in sei- nem Grußwort hin: Das BOS-Netz hat jetzt fast 800.000 Nutzer, und daraus könnten im Endausbau „möglicher- weise zwei bis zweieinhalb Millionen Nutzer werden“, so der BDBOS-Boss. Stolz ist er auf die Serviceverfügbar- keit von 99,98 %, „ein sensationeller Wert“, was auch für die Netzabde- ckung mit 99 % der Fläche gilt. Als nächster Schritt steht nun die Netz- modernisierung an. „Spätestens bis Mitte 2021 wollen wir in Deutschland unser Netz auf den IP-Standard anhe- ben, und zwar das gesamte Netz“, er- klärt Gegenfurtner. „Danach wollen wir doch ab 2023 LTE im Feld und zwar im Release 16 sehen.“ So befin- det sich die BDBOS im engen Aus- tausch mit den kommerziellen Opera- toren wie Deutsche Telekom oder Vo- dafone. Release 16 sei wichtig, „weil sonst die Funktionen aus der Sprache wie mit Tetra nicht abgebildet sind“. Und weiter: „Heute haben wir in Deutschland Release 11 bei LTE, und da finden wir natürlich keinerlei Funk- tionen, die die Sprache wie bei Tetra auf LTE bringen würden, also Grup- penruf usw.“ Allerdings, laut Jeppe Jepsen, Vor- standsmitglied und Direktor Breitband Spectrum bei TCCA und Motorola Di- rektor für Internationale Geschäftsbe- ziehungen, „sind wir jetzt bei Release 14, wo es bereits um MCPTT, MCData und MCVideo geht“. Übrigens ist erst ab Release 15 und 16 von 5G die Re- de. Noch in diesem Herbst dürfte laut Jepsen Release 15 abgeschlossen wer- den, 16 steht für 2019 auf der Tages- ordnung, das „Gießen in Silizium” und die Geräteentwicklung brauchen dann noch mindestens zwei bis drei Jahre. Doch zuvor sind für Release 14 weitere Plugtests im Juni 2018 durch ETSI und TCCA vorgesehen. Dann noch ein Hinweis: 2018 rechnet IHS Markit weltweit mit 4,4 Mio. Tetra- Endgeräten im Einsatz, 2022 dürften es 5,5 Mio. sein. Wichtig für die BDBOS, dass der Digitalfunk auch künftig in gleicher Weise hoch verfüg- bar bleibt – auch während der Migra- tionsphasen. Aber selbst, wenn die Über IP zum Breitband Bericht von der Critical Communications World 2018 Rainer Bücken ist freier Journalist in Berlin Rainer Bücken Was mit einem kleinen Tetra-Kongress vor zwanzig Jahren und rund vierzig Delegierten sowie einem halben Dutzend Gerätepräsentationen im Berliner Hotel Adlon begann, hat sich inzwischen als „Critical Communications World“ zu einem Mammutkongress gemausert. 259 Aussteller sind zur 20. CCW nach Berlin gekommen, haben mit 152 Ständen in drei Messehallen des Berlin ExpoCenter City rund 15.000 m² Fläche belegt und 4.400 Delegierte sich intensiv um Theorie und Technik gekümmert. Andreas Gegenfurtner, Präsident der BDBOS und Co-Veranstalter der CCW 2018, bei seinem Grußwort

Bericht von der Critical Communications World 2018 · PMR – PROFESSIONAL MOBILE RADIO NET 6/18 11 „In den letzten zwanzig Jahren sind wir mit unserem Kongress weltweit unterwegs

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PMR – PROFESSIONAL MOBILE RADIO

11NET 6/18

„In den letzten zwanzig Jahren sind wir mit unserem Kongress weltweitunterwegs gewesen, letztes Jahr Hongkong, davor Amsterdam undBarcelona“, so Tony Gray, Geschäfts-führer von TCCA zur NET. „Aber Ber-lin ist am besten!“ TCCA steht imÜbrigen nur noch für „Critical Com-munications Association“, Tetra istdabei kürzelmäßig auf der Strecke geblieben. Schließlich ist der sicher-heitskritische Bedarf und das Ange-bot in die Breite gegangen – und umBreitband dreht sich auch in Berlin al-les. Da muss nun auch die Bundesanstaltfür den Digitalfunk der Behörden undOrganisationen mit Sicherheitsaufga-ben (BDBOS) ihre einstige Schweig-samkeit zu diesem Thema aufgeben,stellt Erfahrungen als Betreiber desweltgrößten Tetra-Netzes zur Diskus-sion – und sieht sich für die Zukunftgut gerüstet bei bestehendem gro-ßen Handlungsbedarf. Darauf weistAndreas Gegenfurtner, Präsident derBDBOS und Co-Veranstalter, in sei-nem Grußwort hin: Das BOS-Netz hatjetzt fast 800.000 Nutzer, und darauskönnten im Endausbau „möglicher-weise zwei bis zweieinhalb MillionenNutzer werden“, so der BDBOS-Boss.Stolz ist er auf die Serviceverfügbar-keit von 99,98 %, „ein sensationellerWert“, was auch für die Netzabde-ckung mit 99 % der Fläche gilt. Alsnächster Schritt steht nun die Netz-modernisierung an. „Spätestens bisMitte 2021 wollen wir in Deutschlandunser Netz auf den IP-Standard anhe-ben, und zwar das gesamte Netz“, er-klärt Gegenfurtner. „Danach wollenwir doch ab 2023 LTE im Feld undzwar im Release 16 sehen.“ So befin-det sich die BDBOS im engen Aus-tausch mit den kommerziellen Opera-toren wie Deutsche Telekom oder Vo-dafone. Release 16 sei wichtig, „weilsonst die Funktionen aus der Sprachewie mit Tetra nicht abgebildet sind“.

Und weiter: „Heute haben wir inDeutschland Release 11 bei LTE, undda finden wir natürlich keinerlei Funk-tionen, die die Sprache wie bei Tetraauf LTE bringen würden, also Grup-penruf usw.“ Allerdings, laut Jeppe Jepsen, Vor-standsmitglied und Direktor BreitbandSpectrum bei TCCA und Motorola Di-rektor für Internationale Geschäftsbe-ziehungen, „sind wir jetzt bei Release14, wo es bereits um MCPTT, MCDataund MCVideo geht“. Übrigens ist erstab Release 15 und 16 von 5G die Re-de. Noch in diesem Herbst dürfte lautJepsen Release 15 abgeschlossen wer-den, 16 steht für 2019 auf der Tages-ordnung, das „Gießen in Silizium”und die Geräteentwicklung brauchendann noch mindestens zwei bis dreiJahre. Doch zuvor sind für Release 14weitere Plugtests im Juni 2018 durchETSI und TCCA vorgesehen. Dannnoch ein Hinweis: 2018 rechnet IHSMarkit weltweit mit 4,4 Mio. Tetra-Endgeräten im Einsatz, 2022 dürftenes 5,5 Mio. sein. Wichtig für die BDBOS, dass der Digitalfunk auchkünftig in gleicher Weise hoch verfüg-bar bleibt – auch während der Migra-tionsphasen. Aber selbst, wenn die

Über IP zum BreitbandBericht von der Critical Communications World 2018

Rainer Bücken ist freier Journalist in Berlin

Rainer Bücken

Was mit einem kleinen Tetra-Kongressvor zwanzig Jahren und rund vierzig

Delegierten sowie einem halbenDutzend Gerätepräsentationen im

Berliner Hotel Adlon begann, hat sichinzwischen als „Critical

Communications World“ zu einemMammutkongress gemausert.

259 Aussteller sind zur 20. CCW nachBerlin gekommen, haben mit

152 Ständen in drei Messehallen desBerlin ExpoCenter City rund

15.000 m² Fläche belegt und 4.400 Delegierte sich intensiv umTheorie und Technik gekümmert.

Andreas Gegenfurtner, Präsident der BDBOS

und Co-Veranstalter der CCW 2018, bei seinem

Grußwort

Technik verfügbar ist – die Frequenzensind es noch lange nicht. Gewünschtsind laut BDBOS 2 x 10 MHz zurFlächenversorgung für BOS und Bun-deswehr, doch der 700-MHz-Bereichist bereits vergeben, und von der „Resterampe“ gibt es nur 2 x 5 + 2 x3 MHz, was kaum weiterhilft. Ob der450-MHz-Bereich die gewünschtenRessourcen hergibt, ist noch längstnicht in trockenen Tüchern – immer-hin, die 208. Sitzung der Innenmi-nisterkonferenz (IMK) in Quedlinburg(6. bis 8. Juni) sollte da erste Zeichengesetzt haben.

Lessons Learned

Die Basis der sicherheitskritischenKommunikation ist nun einmal die altbewährte Tetra-Technik. So stehtder erste Kongresstag ganz im Zei-chen des Erfahrungsaustauschs, zudem Barbara Held, Leiterin der Ab-teilung Betrieb der BDBOS, vor allemEnduser zum Tactical Day eingela-den hat. Ein knappes Dutzend Vor-träge beschäftigen sich mit weltweitstattgefundenen Großereignissen –von Politik, Naturkatastrophen, Sportund Kultur. So berichtet Eva-MariaEckmann, Leiterin der AutorisiertenStelle in Hamburg, über den G20-Gip-fel-Einsatz mit 6.000 Teilnehmern und3.000 Journalisten. Flughafen, Hotels,Innenstadt, Messe und Elbphilharmo-nie – das sind die neuralgischen Punk-te, die zu schützen sind. „10.000 ge-walttätige Teilnehmer, das war keinKindergarten, das hat Hamburg vor-her noch nie erlebt“, so Eckmann.30.000 Einsatzkräfte aus der ganzen

Republik und etwa 24.000 Tetra-Ter-minals: „Mehr Kräfte werden wirnicht auf einem Haufen haben – mehrgeht wirklich nicht“, so Eckmann.Über Störversuche kann Eckmannnicht berichten, auch nicht über denEinsatz sogenannter Jammer. Polizeili-che Fehleinschätzungen und -hand-lungen wird man dem Tetra-Systemfreilich nicht anlasten können.Ob Johann Skwara, Leiter der Autori-sierten Stelle Bayern, mit seinem Vor-trag über die Münchener Sicherheits-konferenz, Karsten Rückheim, Leiterder Autorisierten Stelle Berlin, zum 1. Mai, Christine Reinemann von derBDBOS über lastbasierte Nebenorga-nisationskanäle, Oliver Funke, eben-falls BDBOS, über Funktionen und Ein-satzmöglichkeiten des Echtzeitmoni-torings für den Digitalfunk-BOS bishin zu Michael Markwirth, ebenfallsBDBOS, mit einem Beitrag zu Funk-tionsumfang und Weiterentwicklungdes nutzereigenen Managements, mitdem die Teilnehmer- und Rufgruppen-verwaltung im Digitalfunk-BOS reali-siert wird, die behandelten Themensind vielfältig. Spannend auch die zahl-reichen Präsentationen ausländischersowie kommerzieller Betreiber.Am letzten CCW-18-Tag dann nochein weiterer BDBOS-Höhepunkt: Tho-mas Scholle spricht über die Moderni-sierung des Tetra-Netzes und die Mi-gration auf IP. Zunächst die Bestands-aufnahme – 4.600 Basisstationen, 62+ 2 Vermittlungsstellen, zwei Netzma-nagementcenter, über 50 Mio. Ge-spräche monatlich usw. Der derzeitigeVertrag mit den Lieferanten läuft bis2020, enthält die Tetra-Systemtech-

nik, die verschiedenen Komponentenwie Router usw. – danach bleibt nurdie Netzmodernisierung auf IP-Basis.„Wir wollen die Tetra-Hardware aufkommerzielle Off-the-Shelf-Hardwareumsetzen“, so Scholle. Erreicht wer-den sollen Zukunftsfähigkeit, günsti-gere Kosten und größere Hardware-flexibilität. Der Umbau soll im Kern-netz 2019 beginnen und bis Mitte2021 abgeschlossen sein. Auch dasAccess-Netz mit den Basisstationen istbetroffen. Gleichzeitig geht es um ei-ne leichte und schnelle Einführungdes einsatzkritischen Breitbanddiens-tes als Ergänzung zum Tetra-Sprech-funk. Eine weitere Kostenreduzierungwird es durch weniger Vermittlungs-stellen – 14 bis 24 anstatt 62 – geben.„Die hohe Verfügbarkeit muss auchwährend des IP-Migrationsprozessesgewahrt bleiben“, macht der BDBOS-Mann deutlich. Breitbanddienste wer-den immer wichtiger, auch für ein-satzkritische Aufgaben. Derzeit gehtes um die Gruppenkommunikationvon Sprache und Daten. Die Breitband-aktivitäten der BDBOS beziehen sichzunächst auf die Mitarbeit in den ent-scheidenden Gremien TCCA, ETSI so-wie 3GPP. Auch andere „Verticals“wie Energieversorger, Verkehrsbetrie-be oder Automotiv-Unternehmensind eingebunden. „Und natürlichsind wir auch an entsprechendem de-diziertem Spektrum interessiert. DerRegulator, die Bundesnetzagentur, hatjetzt 2 x 5 MHz und 2 x 3 MHz fürBOS und Bundeswehr gefunden, aberdie Suche geht weiter“, so Scholle.Ein hybrides Netz soll einen gemeinsa-men Betrieb möglich machen.

Über IP zum Breitband

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Der Stand von Motorola direkt im Eingangsbereich ist vollgepackt mit Lö-

sungen für professionelle MobilfunkanwenderBei Rohill sorgt eine gigantische 5K-LED-Videowand für spektakuläre Bild-

eindrücke

Über IP zum Breitband

Mit zweiter Ausbaustufe zumehr Sicherheit

Das Berliner BOS-Netz hat so seineSchwachstellen, Einsatzkräfte und Me-dien werden nicht müde, darüber zuberichten. So steht seit 2017 das The-ma zweite Ausbaustufe in Berlin aufder Tagesordnung – und 20 Mio. €

sind bereitgestellt. Die BDBOS zeigt,was das bedeutet. Derzeit stehen inBerlin 50 Basisstationen für den BOS-

Digitalfunk zur Verfügung. Weitereknapp 50 sollen bis 2021 noch einmalunter dem Stichwort Netzverdichtunghinzukommen. Anwender klagen zuRecht vor allem über schlechte Ver-sorgung in geschlossenen Gebäu-den, sofern die nicht „objektversorgt“sind. Doch beliebig viele Basisstatio-nen sind nicht möglich, die fehlendenFrequenzen lassen das nicht zu. Be-schafft werden nach wie vor die bis-herigen TB3-Basisstationen von Air-

bus, die erwähnte Netzmodernisie-rung durch IP-Umrüstung kommt danoch nicht zum Zuge. Immerhin solldie Ausfallsicherheit von 2 auf 72 h(GAN-0-Versorgung) erhöht werden.Brennstoffzellen wie in Brandenburgsind in Gebäuden nicht möglich (La-gerung der Wasserstoffflaschen).„Wir setzen vor allem auf mobileNetzersatzanlagen, die dieselbetrie-ben sind. Das ist eine bewährte Tech-nik, und wir müssen nicht an jedem

Hytera bietet ebenfalls ein breites Angebotsspektrum für sicherheitskriti-

sche Anwendungen für BOS & Co.Volles Haus bei Airbus: Die Networking-Bar der TCCA als kostenpflichtiger

Gesprächskatalysator (Foto: TCCA)

Über IP zum Breitband

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Standort eine feste Anlage haben“,erklärt BDBOS-Pressesprecher MichaelBaum gegenüber NET.

BOS-Funk im Untergrund

Dass BOS-Funk im Untergrund, sprichin der Berliner U-Bahn, nicht überallfunkt, ist bekannt. Doch das soll sichändern. Mit zehn neuen Basisstatio-nen und dem vorhandenen Schlitz-kabelnetz der BVG wird jetzt über-all BOS-Sprechfunk möglich. „Dannkann jeder Polizist und jeder Feuer-wehrmann ohne Abbruch seinerKommunikation und ohne einen Ge-rätewechsel vom Freifeld in den Un-tergrund gehen und überall mit vollerFunkversorgung rechnen. Und dasnicht nur in Bahnhöfen, sondern auchin der Strecke“, so Baum. Bei der BVG hat Tetra übrigens einelange Geschichte. Bereits 2002 habenT-Systems International als General-unternehmer und Nokia als Infra-strukturlieferant mit dem Ausbau derU-Bahn begonnen und bis 2004 ab-geschlossen (siehe NET 10/2002). Ins-gesamt 151 km Linienlänge und 170Bahnhöfe sind mit einer Vermittlungs-stelle und 14 inzwischen moderni-sierten Basisstationen versorgt. DieSchlitzbandkabel von damals funktio-nieren – mit entsprechenden Ergän-zungen – auch heute noch, der Fre-quenzversatz ist gering. Beide Tetra-Frequenzen werden über ein Koppel-feld eingespeist. Derzeit läuft die Er-probungsphase, ob es Störungen zumFreifeld gibt. Einsatzkräfte im allge-meinen Außeneinsatz sollen sich nichtins U-Bahn-Netz einbuchen kön-

nen – es sei denn, der Einsatz ver-langt das.

Büro im Streifenwagen

Im Mittelpunkt der BDBOS-Präsenta-tion auf der CCW steht der sogenann-te interaktive Streifenwagen. Das Pro-jekt läuft seit drei Jahren und hat esauf über hundert entsprechend aus-gerüstete Fahrzeuge gebracht. „Die-ses Fahrzeug ist so konzipiert, dass esauf den Straßen wie eine rollendeDienststelle funktioniert. Alles, wasein Polizist in der Dienststelle macht,kann er jetzt direkt am Einsatzort ma-chen“, erklärt Axel Vösterling, Presse-sprecher der Polizei Sachsen-Anhalt.„Er hat Zugriff auf alle polizeilichenSysteme, kann gleich die Anzeigenschreiben.“ Das Fahrzeug ist üblicher-weise mit zwei Personen besetzt. EinNotruf kommt in der Leitstelle an, diedann eine SDS-Meldung (Short DataService) über Tetra auf das Multifunk-tionsdisplay schickt und quittiert wird.Die Vorfallaufnahme erfolgt auf ei-nem Laptop, der mit dem Polizeisys-tem gekoppelt ist. Denkbar wäre nochder Einsatz von Bodycams oder Fahr-zeugkameras, die in Sachsen-Anhaltaber noch nicht zugelassen sind. „Das Fahrzeug verfügt über eine akti-ve Antenne auf dem Dach und hatüber das Mobilfunknetz von T-Mobileimmer eine stabile Funkverbindung“,so Vösterling. „Ansonsten müssen wirdas Fahrzeug nur ein paar Meter ver-setzen, dann geht es wieder.“ Der all-zeitige Empfang ist über drei SIM-Kar-ten von T-Mobile gesichert und er-möglicht eine große Bandbreite. Die

Verbindung über ein virtuelles privatesNetz (VPN) ist sicher, ein fremder Zu-griff ausgeschlossen.

Forschung für Breitband

Auch wenn das Thema Breitband bei einsatzkritischer Kommunikationnoch nicht die Regel ist, werdenschon munter Anwendungen entwi-ckelt. Dazu gibt es das multinatio-nale Forschungsprojekt MCOP (Mis-sion Critcal Open Platform), ausge-stattet mit 1,2 Mio. $ und zehn Mitar-beitern. Finanziert wird das zwei Jahrelaufende Projekt vom amerikanischenNational Institute of Standards andTechnologies NIS. „TCCA ist eines der Projektmitglie-der“, erklärt Vorsitzender Harald Lud-wig. „Es gibt vier Projektpartner, dieUniversität des Baskenlandes (UPV/EHU) als Projektleitung, Bittium, einfinnischer Gerätehersteller, EXPWAYein französischer Hersteller von Multi-cast-Lösungen, und eben TCCA.“ Zieldes Projektes ist, möglichst einfacheMC-Applikationen entwickeln zu kön-nen. „Dafür bieten wir jetzt ein APIan, eine Schnittstelle, die wir definie-ren, und die dann jeder verwendenkann“, so Ludwig.

eLTE – nicht warten, sondernmachen

Allein die Bezeichnung kommt dop-peldeutig daher – Enhanced oder En-terprise LTE, in jedem Fall ist es für einsatzkritische Push-to-x-Anwendun-gen (Talk, Video, Daten) gedacht.Huawei nutzt vor allem die Bezeich-

Auf dem Stand der BDBOS werden diverse Projekte vorgestellt, im Mittel-

punkt der interaktive Streifenwagen aus Sachsen-Anhalt

Huawei hat seinen Messeauftritt ganz unter das Thema eLTE MCCS ge-

stellt

Über IP zum Breitband

nung MCCS (Multimedia Critical Com-munications Solutions). „Es ist keinproprietäres System, obwohl das imMarkt häufig so dargestellt wird. LTEist ein 3GPP-Standard, die LTE-Trun-king-Funktionalität in LTE spezifiziert.Und wir arbeiten genau nach diesenReleases“, erklärt Norman Frisch, Vor-sitzender der eLTE Industry Alliance zuNET. Dass laut BDBOS Breitband in LTEerst ab Release 15 bzw. 16 und ab2022 abgedeckt wird, mag Frisch sonicht stehenlassen. „Huawei ist in der3GPP-Spezifizierung stark vertreten,da bringen wir unsere Papiere ein undsehen ganz genau, welche Spezifika-tionen und welche Protokolle dortverfolgt werden. Und dass implemen-tieren wir in unserer Technologie.“ Inzwischen gibt es auch zwei Unter-gruppierungen, die sich speziell aufPublic Safety bzw. den Controlleroder Dispatcher konzentrieren. 117Unternehmen und Institutionen ha-ben sich unter der eLTE-Fahne ver-sammelt. Derzeit sei LTE bereits bei Release 15 angekommen, das schon„eingefroren“ sei. „Man kann sehen,welche Spezifikationen da sind. Wanndie verschiedenen Hersteller ihre eigenen Produkte entwickeln, ist rechtunterschiedlich. Huawei ist da sehrfortschrittlich und steckt 10 % vomGewinn in Forschung und Entwick-lung, treibt solche Entwicklungenschnell voran und repliziert die Funk-tionen in 3GPP, was heute an Sprach-und Datenfunktionen von Tetra zurVerfügung stehen.“ So seien 90 %dieser Funktionen spezifiziert, es fehlenur noch ein ganz kleiner Schritt. „DieFunktionen PTT und Gruppenfunksind schon überführt“, ist Frisch stolz.Was aber heute durch Tetra gar nicht

erfüllt werde, müsse eh ganz neu ent-wickelt werden, zum Beispiel der Um-gang mit Breitbanddaten. Dabei sei esgleichgültig, ob es sich um ein dedi-ziertes Netz handele oder ob der Kun-de selbst nur ein Subscriber von einemexistierenden Mobile Network Opera-tor sei – mit allen Zwischenformen. Von den insgesamt 518 Verträgen sollen allein 233 im Public-Safety-Be-reich in 23 Staaten liegen, in Europabetrifft das Polen, die Niederlande,das Vereinigte Königreich und Spa-nien. So kommen in Rivas Tetra undeLTE für ein Smart-City-Projekt in derNähe von Madrid zusammen. Bei denEinsatzbeispielen aus den über 400eLTE-Netzen ist besonders eine Metro-linie in China interessant, bei der ausfahrenden Zügen Live-Videoübertra-gungen ins Kontrollzentrum möglichsind, und das schon seit einigen Jah-ren. Huawei bietet Tetra-Kunden dieMöglichkeit, langsam in die Breit-bandwelt zu migrieren und auf eineErweiterung mit „Legacy-Technik“ zuverzichten. Mit entsprechenden Gate-way-Funktionen werden die Übergän-ge zwischen alten und neuen Syste-men realisiert, so sind Multimode-geräte überflüssig. „Man möchte jaletztendlich auf einer Technik arbei-ten, die standardkonform ist undnicht ein Hybrid erzeugen, das aufzwei Standards basiert und nicht nur

auf einem“, erklärt Frisch. Übrigenseinen Direct-Mode zwischen Tetraund eLTE hält der Huawei-Mann nichtfür erforderlich. Sind Releases 15 und16 abgesegnet, sollen Softwareupda-tes die Geräte up to Date halten. Aufdem Stand zeigt Huawei auch Geräte,die hierzulande kaum auf Akzeptanzstoßen dürften. So gibt es Bodycamsund in die Brille integrierte Minidis-plays. Gesichtserkennung mit Rück-meldung holt den Gegenüber aus derAnonymität – und informiert den Poli-zisten über die nächsten erforderli-chen Schritte. Die Gespräche auf der CCW 2018 ergeben indes ein anderes Bild. „eLTEist ein proprietäres und kein standar-disiertes System“, so Bernhard Klin-ger, Vizepräsident von Hytera Mobil-funk. Wir arbeiten an Produkten, dienach internationalen Standards ent-wickelt werden. „In Afrika und Asienmag man das anders sehen, doch inEuropa dürfte eLTE beim professionel-len Mobilfunk keine Rolle spielen. InEuropa gilt Ökonomie of Scale.“ Standard bedeutet Wettbewerb undgünstige Preise, so heißt es allenthal-ben. Auch Interoperabilität ist we-sentlich. Andererseits kommt es dabeiauch immer wieder zu Verzögerungen– in Großbritannien sollte das MC-LTE-Breitbandnetz 2019 ans Netz ge-hen – jetzt dürfte es 2022 oder gar2023 werden. Das Warten auf MC-LTE hat längst begonnen. (bk)

NET 6/18

App-Entwicklung als Forschungsprojekt unter

dem Thema Mission Critical Open Platform

Tragbares LTE-Netz für sicherheitskritische Ein-

sätze von Motorola (Fotos: R. Bücken)

Die Berliner Feuerwehr stellt Kongressbesu-

chern ein Stroke-Einsatzmobil vor – eine be-

währte Maßnahme zur schnellen Erkennung

und Behandlung von Schlaganfällen

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