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Bericht zur Priifung im November 1999 fiber Pensionsversicherungsmathematik (Grundwissen) Edgar Neuburger (Miinchen) Am 13. November 1999 ftihrte die DAV gem~il3 § 15 Abs. 1 ihrer Pr0fungsordnung die diesjahrige Priifung ~iber das Grundwissen in Pensionsversicherungsmathematik durch. Dieser Priifung unterzo- gen sich 229 Teilnehmer, von denen 203 Teilnehmer die Prafung bestanden haben. Die Pr0fung bestand aus einer 1l/2-stUndigen Klausur, in der zwei Aufgaben zu 16sen waren. Gem~ig den Priifungsanforderungen umfagte der Priifungsstoff zum einen elementare Wahrscheinlichkeits- rechnung, zum anderen Grundlagen der Pensionsversicherungsmathematik. Aufgabe 1 stammt vom Berichterstatter, Aufgabe 2 von Herin Dipl.-Math. Hartmut Engbroks. In Aufgabe 1 konnten hOch- stens 40 Punkte, in Aufgabe 2 h6chstens 30 Punkte erreicht werden. Insgesamt mugten mindestens 33 Punkte von 70 m6glichen Punkten erreicht werden. Bei beiden Aufgaben wurde die H6chstzahl der Punkte erreicht, ebenfalls insgesamt. Aufgabe I (40 Punkte) Gegeben sei ein geeignet gew~lter Wahrscheinlichkeitsraum (f2, ~ P). Wir betrachten die Zufalls- variable ,Anzahl der vollendeten Jahre einer Person zwischen Geburt und Tod" N : I2 ---, N o. Weiter- hin definieren wir fiir jedes Alter x E N Oeinen Wahrscheinlichkeitsraum (f2 x, A~, Px) verm6ge f2x := {N > x} ¢1 f2, Ax := {{N> x} fl S; S C.~}, P x mit Px gem~ig Px(A):= P {A IN > x }, A @ A x. Auf (S'2 x, A x, Px) betrachten wir die Zufallsvariable ,,Anzahl der vollendeten Jahre einer Person des Alters x bis zu ihrem Tod" Nx:K2×-'-N o, oat---~N(o))-x. Offenbar ist N = No. Bekanntlich ist B x = aNTq der Erftillungsbetrag einer Rentenverpflichtung gegen0ber einem x-jahri- gen bei j~ihrlich vorschassiger Zahlungsweise mit dem Erwartungswert ax=Ep, (Bx)= z~ ak+-;i 1Px{Nx=k} • k=0 1. (7 Punkte) Zeigen Sie, dal3 .~ eine o-Algebra auf .(2 x ist. 2. (5 Punkte) Zeigen Sie, dab gilt: ax = ~ak+~i]P{N=x+klN_>x}. k=0 3. (5 Punkte) Es sei mit m C N o max(m-l,N~) B (m) := amax(m,N,+l)l = ~ V k k=O der Erftillungsbetrag einer Verpflichtung. Edautem Sie diese Verpflichtung. 4. 06 Punkte) Berechnen Sie bCx 'm := Ep~(B~x m)) und beweisen Sie damit die Gleichung b(x m)= am7+ Urn" mPx' ax+m, indem Sie b~ 'm entsprechend umformen. 5. (7 Punkte) Charakterisieren Sie die Borel'schen Mengen des ~. 555

Bericht zur Prüfung im November 1999 über Pensionsversicherungsmathematik (Grundwissen)

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Bericht zur Priifung im November 1999 fiber Pensionsversicherungsmathematik (Grundwissen)

Edgar Neuburger (Miinchen)

Am 13. November 1999 ftihrte die DAV gem~il3 § 15 Abs. 1 ihrer Pr0fungsordnung die diesjahrige Priifung ~iber das Grundwissen in Pensionsversicherungsmathematik durch. Dieser Priifung unterzo- gen sich 229 Teilnehmer, von denen 203 Teilnehmer die Prafung bestanden haben. Die Pr0fung bestand aus einer 1 l/2-stUndigen Klausur, in der zwei Aufgaben zu 16sen waren. Gem~ig den Priifungsanforderungen umfagte der Priifungsstoff zum einen elementare Wahrscheinlichkeits- rechnung, zum anderen Grundlagen der Pensionsversicherungsmathematik. Aufgabe 1 stammt vom Berichterstatter, Aufgabe 2 von Herin Dipl.-Math. Hartmut Engbroks. In Aufgabe 1 konnten hOch- stens 40 Punkte, in Aufgabe 2 h6chstens 30 Punkte erreicht werden. Insgesamt mugten mindestens 33 Punkte von 70 m6glichen Punkten erreicht werden. Bei beiden Aufgaben wurde die H6chstzahl der Punkte erreicht, ebenfalls insgesamt.

Aufgabe I (40 Punkte)

Gegeben sei ein geeignet gew~lter Wahrscheinlichkeitsraum (f2, ~ P). Wir betrachten die Zufalls- variable ,Anzahl der vollendeten Jahre einer Person zwischen Geburt und Tod" N : I2 ---, N o. Weiter- hin definieren wir fiir jedes Alter x E N O einen Wahrscheinlichkeitsraum (f2 x, A~, Px) verm6ge

f2x := {N > x} ¢1 f2, Ax := {{N> x} fl S; S C .~} , P x

mit Px gem~ig Px(A):= P {A IN > x }, A @ A x. Auf (S'2 x, A x, Px) betrachten wir die Zufallsvariable ,,Anzahl der vollendeten Jahre einer Person des Alters x bis zu ihrem Tod"

Nx:K2×- '-N o, oat---~N(o))-x.

Offenbar ist N = N o. Bekanntlich ist B x = aNTq der Erftillungsbetrag einer Rentenverpflichtung gegen0ber einem x-jahri- gen bei j~ihrlich vorschassiger Zahlungsweise mit dem Erwartungswert

a x = E p , (Bx )= z~ ak+-;i 1Px{Nx=k} • k=0

1. (7 Punkte) Zeigen Sie, dal3 . ~ eine o-Algebra auf .(2 x ist.

2. (5 Punkte) Zeigen Sie, dab gilt:

ax = ~ak+~ i ]P{N=x+k lN_>x} . k=0

3. (5 Punkte) Es sei mit m C N o

max(m-l,N~ ) B (m) := amax(m,N,+l)l = ~ V k

k=O

der Erftillungsbetrag einer Verpflichtung. Edautem Sie diese Verpflichtung. 4. 0 6 Punkte)

Berechnen Sie bCx 'm := Ep~(B~x m)) und beweisen Sie damit die Gleichung

b(x m)= am7 + Urn" mPx' ax+m,

indem Sie b~ 'm entsprechend umformen. 5. (7 Punkte)

Charakterisieren Sie die Borel'schen Mengen des ~.

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LOsung:

1. A× ist eine o-Algebra auf g2 x, wenn gilt:

(i) ~2x c 4~, (ii) A @ A ~ ~ ~ x \ A E A x

(iii) A i E A x, i = l , 2 . . . . ~ ~ A i E A x i=1

Nun gilt:

(i) Wegen Q E A ( A ist o-Algebra auf ~ ) ist Qx = {N >_ x} C~ ~ E Ax.

(ii) Es sei A E Ax, d.h. es gibt ein B ~ A m i t A = {N _> x} N B, dann folgt

.Qx\A = (~Qx\ {N> x}) U (-Qx\B) = g2x\B = ({N>x} N ~Q)\B = ({N>x} 71 ~ ) N (.Q\ B)

= {N>x) 71 (.Q\B) E Ax

wegen { N > x } C £2 und K2 \ B @ A ( A ist o-Algebra auf g2).

(iii) Es seien A i E A x, i = 1, 2 . . . . . d.h. es gibt B i E A , i = 1, 2 . . . . mit A i = {N > x} O B i, i = 1, 2 . . . . . Dann folgt

6 Ai= (~ ({N>x} M Bi)= {N_>x) A ~ B, C A x i = l i = l i= l

wegen ~ B i E A ( A ist eine o-Algebra). i= l

Also ist A x eine o-Algebra auf g2 x.

2. Wegen

Px {Nx = k} = Px ({eoE g2x; Nx (o)) = k})

= P({~oE g2x; Nx (rn) = k}lN-> x)

P({m@K2x;N(~o)=x+k}O{N>x})

P{N > x}

P({w ~ g2; N ( o ) = x + k } N { N > x } )

P{N -> x}

= P { N = x + k I N _ > x }

folgt:

ax = k=~oak+-- ~ P { N = x + k l N > x } .

3. B(x '~1~ ist der ErfUllungsbetrag einer Zeitrentenverpflichtung gegentiber einem x-j~ihrigen. Dabei wird jfihrlich vorschtissig der Betrag 1 bezahlt bis einschlieBlich zu dem Jahr, in dem der Berech- tigte stirbt, mindestens jedoch m Jahre lang.

4. Es gilt

b(xm) = Ep~ (B(x m) ) = k_~0 a ~ • P× {N x = k}

(vgl. 2.)= ~ a ~ . P{N =x + kiN _> x} k = 0

m - I

= ~am- ] . P { N = x + k l N > _ x } k=0

+ ~ a ~ - P { N = x + k l N _ > x } k = m

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Nun ist

Damit folgt:

Wegen

fotgt

1n-1 = ~am-- ] .P{N=x+klN->x}

k=0

+ k__~0 a ~ . P { N = x + k + m l N _ > x }

k+m U k + m + l -- 1

ak+~m+~ = Z v J= j=0 U - l

= / ) m _ _ v k + l - 1 4 - - - v m - 1

v - 1 v - i

= v m ak+-- ~ + am-- ]

b(xm) = am~- "~ P{N = x + kiN > x} k=0

+ v m k=~0ak+--gi] P { N = x + m + k l N > x}

P { N = x + m + k l N _ > x }

= P { N = x + k + m l N > x + m } . P { N > x + m l N > x }

= P { N = x + k + m l N > x + m } 'mPx

b(xm) = am --] +urn" mPx' ~ ak+-gi] P l N = x + m + k l N > x + m } k=0

(vgl.2.) = am- q +vm" mPx'ax+m

5. Die Borelschen Mengen des ~ sind die Mengen, die in der Borelschen o-Algebra ~ enthalten sind. Die Borelsche o-Algebra 2~ ist die kleinste o-Algebra Uber R, die alle halboffenen Intervalle [a; b) mit a < b enth~ilt, d.h. sie wird von diesen halboffenen Intervallen erzeugt. Aufgrund der drei Eigenschaften einer o-Algebra (vgl. 1.) enthalt diese o-Algebra auch alle offe- hen und abgeschlossenen Intervalle, alle Punktmengen {a} mit a ~ ~ und die Halbgeraden ( -~ ; a], ( - ~ ; a), [a; ~) und (a; ~) mit a E ~. Insgesamt l~iBt sich sagen, dab ~ alle ,,relevanten" Teilmengen des N enth~,lt.

Aufgabe 2 (30 Punkte)

Der Aktuar Theobald S. ist ~berlastet. Einen Teil seiner Arbeit erledigt er daheim in seinem (steuer- lich nicht absetzbaren) Arbeitszimmer. An einem verregneten Novemberwochenende erstellte er den Formelteil zu einem versicherungsmathematischen Gutachten tiber drei unterschiedliche Pensionszu- sagen ftir drei verschiedene Personen. Dummerweise lieB er seine Ausarbeitung auf dem Schreibtisch liegen. Sein dreij~ihriger Sohn Archibald S. nahm die Unterlagen an sich und zerschnitt sie mit einer Schere; die Einzelteile waft er danach in einen Papierkorb, in dem sich schon andere Formelreste be- fanden. Am Ende der Aktion trat Sigrid S., die Mutter yon Archibald S., hinzu und befragte Archibald S. nach dem Verbleib der Formelbl~itter, von deren Bedeutung sie wegen des Grades der ErschOpfung ihres Gatten nach deren Erstellung eine Ahnung zu haben glaubte. Archibald S. verwies auf den Pa- pierkorb und erklfirte seinerseits, daB er seinem Vater einige Aufr~,umarbeiten habe abnehmen wollen. Sigrid S. entnahm dem Papierkorb die folgenden sieben Formelteile, von denen eines nicht zu dem zerschnittenen Fo~xnelblatt geh6rt.

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1. 1.500-((12)a]~lA+0,6"a]~')+100 D~5 ,(12)<aiA <aw • "t a55 +0 ,6 . a55 ) D~4

2. -[1.700. (12)a~i~ + 170. ~12)~,~i3A ] a~l;4-] a,~3; 2~]

3. 2.000.D.~9 (12)_aiA D63 (12).aiA] a -- a " a39 -- 240• " a63 ' a D31 D~I a31; 3-2]

[ D'~5 '(12)<aiA ] a-~4; 1~ 4. - 500- D]4 -((12)a,~A+0,6 aw)+100-~--a ' t a45 +0,6-~,~ v) • K7-- -a44 a D34 D34 a34;

5. 1.800" ((12)a,~A + 0 ,6 . a,~ ¢ ) + 50. D~° . tdl2)-<aiAa50 *-- u , o '~ " . a50<aw )" D]7

(12)<aiA <aw a47; 1~ 6 . - 1.800.(12)a~ij '+0,6.a-~6)+50 - D ~ ° . ( aso +0 ,6 .a5o) k - D ~ 0 a a3o; 3~]

(12).aiA 240- Dg3 (12), aiA 7. 2.000. -56 -- " a63 D~6

(i) Bitte helfen Sie ihr, die Formelteile sinnvoll zu drei Teilwertformeln aus je zwei Teilen zusammen- zusetzen. Identifizieren Sie das nicht in den Zusammenhang passende siebte Formelteil. (10 Punkte)

(ii) Beschreiben Sie die aus der Formel erkennbaren Elemente der Versorgungszusage, die ftir eine der drei Teflwertformeln die Grundlage sein k0nnte. (14 Punkte)

(iii) In welchem Zeitintervall wurde der Berechtigte geboren, auf den sich der Formelteil 1 bezieht, wenn die Bewertung zum 30. 9. 1999 durchzuftihren war? (3 Punkte)

(iv) In welchem Zeitintervall trat der Berechtigte, auf den sich Formelteil 3 bezieht, in das Unterneh- men ein? (3 Punkte)

L i i s u n g

i) Die einzelnen Formelfragmente geben zun~ehst Auskunft dartiber, ob es sich um Leistungs- oder Beitragsbarwerte handelt. In beiden F~illen ist das erreichte Alter am Bewertungsstichtag erkennbar. Damit ergibt sich:

Formelteil Art des Barwerts Alter am Stichtag

1 Leistungsbarwert 54 2 Beitragsbarwert 61 3 Beitragsbarwert 56 4 Beitragsbarwert 54 5 Leistungsbarwert 47 6 Beitragsbarwert 47 7 Leistungsbarwert 56

Hieraus folgt, dab folgende Formelteile zusammengeh6ren kiSnnten:

Iund 4 3 und 7 5 und 6

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Der Vergleich der in den jeweiligen Beitragsbarwerten abgebildeten Leistungen mit dem Leistungs- barwert best~itigt diese Zuordnung. Formel 2 gehOrt nicht zu dem von Archibald zerschnittenen Gutachten.

ii) Die einzelnen Formeln betreffen Iolgende Pensionszusagen

Formeln 1 und 4 Formeln 3 und 7 Formeln 5 und 6

lnvaliden- und Altersrente zzgl. 60% Witwenrente

Wartezeit 10 Jahre

monatliche Zahlungsweise

Grundrente nach 10 Jahren 500 p.a.

Erh6hung ab 11. Jahr um 100 p.a.

Schlul3alter 65

Invaliden- und Attersrente

Wartezeit 8 Jahre

monatliche Zahlungsweise

Grundrente nach 8 Jahren 2000 p.a.

Vers.math. Kiirzung um 0,5 % pro Rentenbezugsmonat vor Alter 65

Schlul3alter 63

Invaliden- und Altersrente zzgl. 60% Witwenrente

ohne Wartezeit

monatliche Zahlungsweise

Grundrente 1800 p.a.

Erh6hung um 50 p.a. ab Alter 50

SchluBalter 65

iii) Das versicherungstcchnische Alter des Pensionsbercchtigten betr~igt am Bewertungsstichtag 30.9. 1999 54 Jahre. Daher liegt sein Geburtsdatum innerhalb eines Zeitintervalls der L~.nge eines Jahres, in dessen Mitte sich der 30.9. 1945 befindet, d.h. in dem Intervall [1.4. 1945; 31.3. 1946].

iv) Das erreichte Alter am Bewertungsstichtag (30. 9. 1999) betr~igt 56 Jahre, das Eintrittsalter (Finanzie- rungsbeginnalter nach § 6a EstG) betr~igt 31 Jahre. Der Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem der Eintritt erfolgte, liegt damit 25 Jahre vor dem aktuellen Stichtag, d.h. am 1.10. 1974. Der Eintritt fand also in dem am 1.10. 1974 beginnenden Wirtschaftsjahr statt, d.h. im Zeitintervall [1.10. 1974; 30.9.1975].

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