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Berufsbezogene sozialrechtliche Einzelberatung – Einzelfalldarstellung salus klinik Friedrichsdorf Abhängigkeitserkrankungen Zur Illustration der berufsbezogenen sozialrechtlichen Beratung in der salus klinik Friedrichsdorf wird im Folgenden ein Fallbeispiel geschildert. Angaben zum Rehabilitanden. Alter (Jahre) 35 Geschlecht männlich Diagnose(n) F10.2 Alkoholabhängigkeitssyndrom F90.0 ADHS F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung F33.0 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode M50 Z.n. Bandscheibenvorfall im HWS-Bereich Grad der Behinderung besteht nicht Bezeichnung der Tätigkeit Rettungssanitäter seit ca. 3 Jahren in Vollzeit, hohe Stressbelastung, wechselnde Schichten Arbeitsunfähigkeit vor Rehabilitation 9 Monate Behandlungsaufenthalt/Dauer 14 Wochen (Entwöhnungsbehandlung) 12 Wochen (Adaption) Anamnese. Der Patient berichtet, dass er bereits in seiner Kindheit durch seine ausgeprägte Impul- sivität, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen aufgefallen sei. Er habe im Kindergarten und später in der Schule erhebliche Probleme gehabt. Seine Mutter, die der Patient einerseits als über- behütend, andererseits aber auch als ausgeprägt impulsiv und jähzornig beschreibt, habe ihn häufig angeschrien und geschlagen, wenn „es mit den Hausaufgaben nicht geklappt habe“. Es habe zu Hau- se ein ausgeprägter Leistungsdruck geherrscht. In der Schule sei er ein Außenseiter gewesen und sei von seinen Mitschülern ausgegrenzt worden. Seine schulische und berufliche Entwicklung sei von starken Leistungsschwankungen gekennzeichnet gewesen. Zwei Ausbildungen habe er abgebrochen. Immer wieder habe er sich überfordert gefühlt und den Eindruck gehabt, dass er die Belastungen nicht aushalten könne. Der Patient beschreibt, dass es im Rahmen seiner Tätigkeit im Rettungsdienst immer wieder zu Ext- remsituationen gekommen sei, bei denen er als Ersthelfer mit dem Tod oder mit schwersten Verlet-

Berufsbezogene sozialrechtliche Einzelberatung ......nahmeerklärung der DRV Bund noch offen. Der Rehabilitand hat jedoch die Möglichkeit erhalten, bis zur abschließenden Klärung

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Page 1: Berufsbezogene sozialrechtliche Einzelberatung ......nahmeerklärung der DRV Bund noch offen. Der Rehabilitand hat jedoch die Möglichkeit erhalten, bis zur abschließenden Klärung

Berufsbezogene sozialrechtliche Einzelberatung – Einzelfalldarstellung

salus klinik FriedrichsdorfAbhängigkeitserkrankungen

Zur Illustration der berufsbezogenen sozialrechtlichen Beratung in der salus klinik Friedrichsdorf wird

im Folgenden ein Fallbeispiel geschildert.

Angaben zum Rehabilitanden.

Alter (Jahre) 35

Geschlecht männlich

Diagnose(n)

F10.2 AlkoholabhängigkeitssyndromF90.0 ADHSF43.1 Posttraumatische BelastungsstörungF33.0 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte EpisodeM50 Z.n. Bandscheibenvorfall im HWS-Bereich

Grad der Behinderung besteht nicht

Bezeichnung der Tätigkeit Rettungssanitäter seit ca. 3 Jahren in Vollzeit, hohe Stressbelastung, wechselnde Schichten

Arbeitsunfähigkeit vor Rehabilitation 9 Monate

Behandlungsaufenthalt/Dauer14 Wochen (Entwöhnungsbehandlung)12 Wochen (Adaption)

Anamnese. Der Patient berichtet, dass er bereits in seiner Kindheit durch seine ausgeprägte Impul-

sivität, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen aufgefallen sei. Er habe im Kindergarten und

später in der Schule erhebliche Probleme gehabt. Seine Mutter, die der Patient einerseits als über-

behütend, andererseits aber auch als ausgeprägt impulsiv und jähzornig beschreibt, habe ihn häufig

angeschrien und geschlagen, wenn „es mit den Hausaufgaben nicht geklappt habe“. Es habe zu Hau-

se ein ausgeprägter Leistungsdruck geherrscht. In der Schule sei er ein Außenseiter gewesen und sei

von seinen Mitschülern ausgegrenzt worden. Seine schulische und berufliche Entwicklung sei von

starken Leistungsschwankungen gekennzeichnet gewesen. Zwei Ausbildungen habe er abgebrochen.

Immer wieder habe er sich überfordert gefühlt und den Eindruck gehabt, dass er die Belastungen

nicht aushalten könne.

Der Patient beschreibt, dass es im Rahmen seiner Tätigkeit im Rettungsdienst immer wieder zu Ext-

remsituationen gekommen sei, bei denen er als Ersthelfer mit dem Tod oder mit schwersten Verlet-

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zungen und Verstümmelungen konfrontiert worden sei. Er habe sich dabei häufig ohnmächtig und

hilflos gefühlt und Fluchtimpulse gehabt, jedoch stets professionell gehandelt. Er habe allerdings

keine Möglichkeit gehabt, diese Ereignisse angemessen zu verarbeiten. Er empfinde seinen Beruf

durch die teilweise extremen Situationen und die hohe Verantwortung psychisch als sehr belastend.

Er könne sich nicht mehr von der Arbeit abgrenzen und leide unter wiederkehrenden Bildern und

Alpträumen. Die beruflichen Belastungen sehe er als Auslöser für die Suchterkrankung, welche seit

ca. 3 Jahren bestehe. Den Alkohol habe er v. a. zum Abschalten und zur Beruhigung nach der Arbeit

eingesetzt. Vor ca. drei Jahren seien ebenfalls Depressionen aufgetreten, weswegen er bereits zwei-

fach in stationärer Behandlung gewesen sei. Er habe sich überfordert, gemobbt und kraftlos erlebt.

Während der stationären Suchtbehandlung wurden aufgrund der Diagnosen u. a. die Indikativgrup-

pen „ADHS“ und „Bewältigung traumatischer Belastungen“, Sporttherapie und Krankengymnastik

durchgeführt. Diese Behandlungsbausteine fokussierten auf die Wiedererlangung der Selbstwirksam-

keit in Belastungssituationen und dienten der Leistungssteigerung.

Sozialmedizinische Leistungseinschätzung. Im zuletzt ausgeübten Beruf als Rettungsassistent

besteht aufgrund der Posttraumatischen Belastungsstörung eine quantitative Leistungsminderung

von unter drei Stunden. Bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt besteht keine quantitative Leis-

tungsminderung für mittelschwere körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung. Folgende

qualitative Leistungseinschränkungen liegen vor: Tätigkeiten mit erhöhtem Risiko traumatisierender

Ereignisse und Kontakt mit Suchtmitteln sollten vermieden werden.

Aufgabenstellung der Sozialberatung. Unterstützung bei der Klärung der beruflichen Neuorien-

tierung und Organisation der viertägigen Belastungserprobung im kooperierenden Berufsförde-

rungswerk Bad Vilbel, Klärung des Übergangsgeldanspruchs, Beratung zu Wohnungsfragen, Klärung

sonstiger sozialer Anliegen, Vermittlung in Adaption.

§ Sozialrechtliche Beratung: Berufliche Perspektiven (2 Stunden; KTL Code D 021)

§ Sozialrechtliche Beratung: Wirtschaftliche Sicherung (45 Minuten; KTL Code D 023)

§ Sozialrechtliche Beratung: Wohnungsfragen (30 Minuten; KTL Code D 022)

§ Sonstige Hilfen zu weitergehenden Maßnahmen (2 Stunden; KTL Code D 049)

§ Sonstige Rehabilitationsberatung (30 Minuten; KTL Code D 039)

§ Sonstige sozialrechtliche Beratung (30 Minuten; KTL Code D 029)

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Behandlungsverlauf in der Sozialberatung. Die Zuweisung des Patienten zum Sozialdienst erfolg-

te nach der Leistungseinschätzung. Geplant wurde eine Reha-Beratung mit der Empfehlung einer

Erprobung im Reha-Assessment (Berufsförderungswerk Bad Vilbel). Im Rahmen einer viertägigen

Erprobung wurde geklärt, ob der Patient für eine berufsfördernde Maßnahme geeignet scheint. Als

Berufserprobung wollte der Patient im Rahmen der Adaption ein Praktikum im Bereich Sport und

Fitnesskaufmann absolvieren.

Zur Aufrechterhaltung seiner hergestellten Abstinenz sowie zur beruflichen Neuorientierung ist wei-

terführend eine Adaptionsmaßnahme indiziert.

Adaption (12 Wochen)

§ Organisation und Monitoring externer Belastungserprobung (während der Entwöhnung 5 x 20

Minuten, während der Adaption: 1 x 60 Minuten, 1 x 30 Minuten; KTL Code G 161)

§ Sozialtherapeutische Einzelbetreuung (nur Thema Arbeit 5 x 60 Minuten; KTL Code D 021)

§ Adaptionsgruppe – Sozialtherapeutische Aktivgruppe (3 x 1,5 Stunden; KTL Code D 090)

§ Bilanzierungsgespräch bei externer Belastungserprobung (1 x 30 Minuten; KTL Code E 040)

§ Ärztliche Beratung (1 x 30 Minuten, 3 x 15 Minuten; KTL Code D 029)

Der Patient hat in seinem Praktikum so überzeugt, dass er das Angebot erhielt, den betrieblichen Teil

einer Umschulung beim Praktikumsgeber ableisten zu können. Bei Entlassung war die Kostenüber-

nahmeerklärung der DRV Bund noch offen. Der Rehabilitand hat jedoch die Möglichkeit erhalten, bis

zur abschließenden Klärung das Praktikum fortzuführen.

Der Patient wurde im Anschluss an die Adaption weiterhin durch die örtliche Rehaberaterin betreut.

Im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben begann er ab März 2010 zunächst einen

dreimonatigen Reha-Vorbereitungslehrgang im BFW Heidelberg und kann im Anschluss daran ab Juni

2010 die Umschulung zum Sport- und Fitnesskaufmann beginnen.

Ansprechpartner Corinna Nels (Dipl.-Sozialarbeiterin, Sozialtherapeutin Leitung Sozialtherapie)salus klinik FriedrichsdorfLandgrafenplatz 161381 Friedrichsdorf/[email protected]/kliniken/friedrichsdorf/