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Berufsbildungswerk der Versicherungswirtschaft in München e.V. (BWV München) Dozentin Daniela Jüttner (Stand 2011 / 11) Haftpflicht Teil 1: Haftungsgrundlagen

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Berufsbildungswerk der Versicherungswirtschaft in München e.V. (BWV München)Dozentin Daniela Jüttner (Stand 2011 / 11)

Haftpflicht

Teil 1: Haftungsgrundlagen

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Geschichtliche EntwicklungGeschichtliche Entwicklung

Erste haftpflichtnahe Gemeinschaften bereits im 8. JH nach Christus für Seegemeinschaften, die nicht nur Schäden an der Ladung sondern auch Aufwendungen für Rettungskosten übernahmen.

Anfänge der Haftpflichtversicherung in der ersten Hälfte des 19. JH in Frankreich für Pferde- und Wagenbesitzer. Man versicherte sich gegen alle Unfälle, die an Pferd oder Wagen oder durch diese entstanden.

Erlass des Reichshaftpflichtgesetzes am 07.06.1871 bezogen auf Unfälle durch den Eisenbahnverkehr. Dadurch Entstehung der ersten Gegenseitigkeits-gesellschaften.

1875 trennte Carl Gottlob Molt (Stuttgarter Verein) das Unfallrisiko von dem Haftpflichtrisiko und gilt aus diesem Grund als der eigentliche Schöpfer der Haftpflichtversicherung.

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Geschichtliche Entwicklung

Durch die Industrialisierung und immer neu hinzukommenden Gefahrenquellen (z.B. Kraftfahrzeug, Flugverkehr) gewann die Haftpflichtversicherung immer mehr an Bedeutung und entwickelte sich äußerst rasch.

Ab 1900 galt im gesamten Reichsgebiet das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), welches auch heute noch die Grundlage für die Haftpflicht bildet.

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Haftpflicht

bedeutet die Verpflichtung für einen verursachten Schaden einzutreten und damit den Geschädigten so zu stellen, als wäre der Schaden nicht passiert.

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Rechtsquellen

Öffentliches Recht Privat-/Zivilrecht

Bürger

BürgerBürgerStaat

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Arten des Rechts

Gleichordnungs-

verhältnis

Über-/Unterordnungs-verhältnis

VerfassungsrechtSteuerrechtStrafrecht

BGBHGBVVG

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Öffentlich-rechtliche FolgenPrivatrechtliche Folgen

Rechtsquellen

Ein schuldhaft verursachter Schaden kann mehrere Hauptfolgen haben:

Schadenersatzansprüche aus

•Personenschaden•Sachschaden•Vermögensschaden

•Sanierungsverpflichtungen nach Umweltschäden•Strafrechtliche Folgen

Nur die privatrechtlichen Folgen sind Gegenstand der Haftpflichtversicherung auf Grundlage der AHB!

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Rechtsquellen

Die wesentlichen Anspruchsgrundlagen des deutschen Haftpflichtrechts stammen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Weitere Haftpflichtbestimmungen finden sich in Spezialgesetzen, wie z.B. dem Straßenverkehrsgesetz (StVG), dem Arzneimittelgesetz (AMG) oder dem Produkthaftungsgesetz (ProdHG).

Wenn es zwischen dem Schädiger und dem Anspruchsteller vor dem Schadenereignis keinerlei Rechtsbeziehungen gegeben hat, ergibt sich die Haftung aus unerlaubter Handlung (sog. Deliktshaftung).

Wenn zwischen dem Schädiger und dem Anspruchsteller ein Vertrag (z.B. Kauf- oder Werkvertrag) bestanden hat, spricht man von der Vertragshaftung.

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Haftpflichtdreieck

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Deckungsa

nspruch

Haftung gem. §§ 823 ff.

Versicherer (VR)

Versicherungsnehmer (VN) Anspruchsteller (AS)

Grundkonstellation: Haftung aus unerlaubter Handlung

Kein Direktanspruch

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Haftpflichtdreieck

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Deckungsa

nspruch

Haftung gem. §280 (1) BGB bzw.

§§ 823 ff.

Versicherer (VR)

Versicherungsnehmer (VN) Anspruchsteller (AS)

Grundkonstellation: Haftung aus Vertragsverhältnissen

Kein Direktanspruch

Vertragsverhältnis

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Haftungsarten

Deliktshaftung(Haftung aus unerlaubter Handlung)

Wir unterscheiden in

Verschuldenshaftung

Erwiesenes Verschulden:Der Geschädigte hat dem Schädiger ein schuldhaftes Handeln (Tun oder Unterlassen) nachzuweisen. Die gesetzliche Grundlage ist § 823 BGB.

Vermutetes Verschulden:Dem Schädiger wird ein schuldhaftes Handeln (Tun oder Unterlassen) unterstellt, mit Entlastungsmöglichkeit. Die gesetzliche Grundlage ist z.B. § 832 BGB - Aufsichtspflicht

Gefährdungshaftung

Der Schädiger haftet ohne Verschulden, allein weil er im Besitz einer Sache ist oder diese Sache betreibt. Die gesetzliche Grundlage ist hier z.B. § 833 (1) BGB – Tierhalter von Luxustieren

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Haftungsarten

Deliktshaftung

Verschuldenshaftung

•Reine Verschuldenshaftung (§823 Abs.1 BGB)•Haftung aus vermutetem Verschulden (z.B. §832 BGB)

Gefährdungshaftung

•Nach dem BGB (z.B. §833 Abs.1 BGB)•Nach Spezialgesetzen (z.B. § 7 StVG)

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Haftungsarten

Reine Verschuldenshaftung

§823 Abs.1 BGB

§ 823 Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

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Haftungsarten

Reine Verschuldenshaftung

•Bei der reinen Verschuldenshaftung nach §823 Abs.1 BGB liegt die Beweislast beim Geschädigten (Anspruchsteller).

•Es ist kein Entlastungsbeweis des Verursachers möglich.

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Haftungsarten

Deliktshaftung

Verschuldenshaftung

•Reine Verschuldenshaftung (§823 Abs.1 BGB)•Haftung aus vermutetem Verschulden (z.B. §836 BGB)

Gefährdungshaftung

•Nach dem BGB (z.B. §833 Abs.1 BGB)•Nach Spezialgesetzen (z.B. § 7 StVG)

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Haftungsarten

Haftung aus vermutetem Verschulden

•Bei der Haftung aus vermutetem Verschulden unterstellt der Gesetzgeber, dass den Schädiger ein Verschulden trifft.

•Der Schädiger kann sich jedoch unter bestimmten Voraussetzungen entlasten.

•Der Schädiger muss beweisen, dass er kein Verschulden trägt.

Beispiele:

§832 BGB Haftung für den Aufsichtspflichtigen

§833 (2) Haftung des Tierhalters von Nutztieren

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Haftungsarten

Deliktshaftung

Verschuldenshaftung

•Reine Verschuldenshaftung (§823 Abs.1 BGB)•Haftung aus vermutetem Verschulden (z.B. §836 BGB)

Gefährdungshaftung

•Nach dem BGB (z.B. §833 Abs.1 BGB)•Nach Spezialgesetzen (z.B. § 7 StVG)

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Haftungsarten

Gefährdungshaftung

•Gefährdungshaftung ist die Verpflichtung zum Schadenersatz, ohne dass ein Verschulden des Schädigers vorliegt.

•Allein die Tatsache, dass ein „gefährlicher Umstand“ geschaffen wurde, verpflichtet zum Schadenersatz.

•Ein Entlastungsbeweis ist nur in wenigen Ausnahmefällen möglich.

Beispiele:

§ 833 (1) BGB Haftung des Tierhalters von Luxustieren

§ 7 StVG Haftung des Fahrzeughalters

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Haftungsarten

Vertragshaftung

Wir unterscheiden in

•Vertragliche Haftung kraft Gesetz (§280 Abs.1 BGB – Schadenersatz wegen Pflichtverletzung)

Beispiel: Wurde im Kaufvertrag vereinbart, dass der neu gekaufteFernseher frei Haus geliefert wird, so kann der Käufer Schadenersatzverlangen, wenn der Verkäufer dies nicht einhält.

•Durch Vertrag übernommene gesetzliche Haftpflicht Beispiel: Die Übertragung der Streupflicht vom Vermieter auf den Mieter.

•Reine Vertragshaftung (einer nicht im Gesetz geregelten Schadenersatz-verpflichtung)

Beispiel: Vereinbarung einer Konventionalstrafe

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Haftungsvoraussetzungen

reine Verschuldenshaftung

Diese 5 Tatbestände müssen erfüllt sein:

1.Verschulden

2.Deliktsfähigkeit

3.Rechtsgutverletzung

4.Widerrechtlichkeit

5.Kausalität

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Haftungsvoraussetzungen

1. Verschulden

Vorsatz•Absoluter VorsatzBewusstes und gewolltes Handeln, absichtlich einen Schaden erzielen wollenDen hab ich gut getroffen!

•Bedingter VorsatzBilligend in Kauf nehmen, dass ein Schaden eintritt Na wenn schon!

Fahrlässigkeit•Grobe FahrlässigkeitDie im Verkehr erforderliche Sorgfalt im besonderen Maße außer Acht lassenEs wird schon gut gehen!

•Leichte FahrlässigkeitDie im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lassen Nicht aufgepasst!

Für alles gilt: Sowohl ein Tun als auch ein Unterlassen ist ein Handeln!

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Haftungsvoraussetzungen

Beispiel:

Der Dachdecker Herr Maier repariert ein Dach.

Absoluter Vorsatz: Maier sieht seinen Erzrivalen und wirft ihm einen Dachziegel auf den Kopf. Er will ihn ganz bewusst am Kopf treffen.

Bedingter Vorsatz: Maier sieht, dass ein Fahrradfahrer auf der Straße entlang fährt, wirft aber trotzdem einen Dachziegel. Er will nicht unbedingt, nimmt aber in Kauf, den Radfahrer zu treffen.

Grobe Fahrlässigkeit: Maier wirft einfach, ohne nach unten zu sehen, einen Dachziegel runter, ein vorbeigehender Fußgänger wird getroffen.

Leichte Fahrlässigkeit: Maier fällt versehentlich ein Dachziegel aus der Hand und er trifft damit einen vorbeigehenden Fußgänger.

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Haftungsvoraussetzungen

2. Deliktsfähigkeit

§ 827 Ausschluss und Minderung der Verantwortlichkeit

Wer im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, ist für den Schaden nicht verantwortlich. Hat er sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in einen vorübergehenden Zustand dieser Art versetzt, so ist er für einen Schaden, den er in diesem Zustand widerrechtlich verursacht, in gleicher Weise verantwortlich, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last fiele; die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er ohne Verschulden in den Zustand geraten ist.

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Haftungsvoraussetzungen

2. Deliktsfähigkeit

§ 828 Minderjährige

(1) Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.

(2) Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn er die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt hat.

(3) Wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist, sofern seine Verantwortlichkeit nicht nach Absatz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.

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Haftungsvoraussetzungen

Deliktsfähigkeit (=Schuldfähigkeit)

Deliktsunfähig (nicht schadenersatzpflichtig) sind Kinder unter 7 Jahren sowie Geisteskranke und Bewusstlose, sofern der Zustand nicht durch Alkohol oder Drogen schuldhaft herbeigeführt wurde.

Ebenso sind Kinder bis zum 11. Lebensjahr deliktunfähig für Schäden, die sie bei der Teilnahme am motorisierten Straßen- und Bahnverkehr verursachen, soweit sie nicht vorsätzlich gehandelt haben.

Bedingt deliktsfähig sind Minderjährige bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Sie haften also nur für Schäden, für die sie bei Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatten.

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Haftungsvoraussetzungen

Exkurs: Deliktsfähigkeit versus Straffähigkeit

Deliktsfähigkeit dient der Einschätzung zivilrechtlicher Folgen einer Schädigung (= ob Schadenersatz geleistet werden muss).

Unabhängig davon können strafrechtliche Folgen (= Bestrafung der widerrechtlichen Handlung) eintreten (z.B. Geldbuße). Hier geht es um die Frage der Straffähigkeit:

Strafunfähig ist, wer zur Tatzeit noch keine 14 Jahre alt war.

Bedingt straffähig sind alle 14-18jährigen, sofern sie fähig sind, das Unrecht ihrer Tat einzusehen.

Straffähig sind alle ab dem vollendeten 18. Lebensjahr.

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Haftungsvoraussetzungen

3. Rechtsgutverletzung

= Verletzung des Persönlichkeits-, Eigentums- oder eines sonstigen Rechts

Beispiele zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts:•Tötung eines Menschen

•Verletzung eines Menschen

•Fesseln, Einsperren

•Ehrverletzungen

•Unbefugtes Eindringen in die Privatsphäre

Beispiele zur Verletzung des Eigentumsrechts:•Beschädigung, Zerstörung eines Eigentums

•Eigentumsentzug

•Beeinträchtigung der Nutzungsfähigkeit

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Haftungsvoraussetzungen

3. Rechtsgutverletzung

= Verletzung des Persönlichkeits-, Eigentums- oder eines sonstigen Rechts

Beispiele für sonstiges Recht:•Namensrecht

•Urheberrecht

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Haftungsvoraussetzungen

4. Widerrechtlichkeit

Eine Handlung ist dann widerrechtlich, wenn keine Einwilligung des Geschädigten vorliegt und keine gesetzlichen Rechtfertigungsgründe greifen.

Gesetzliche Rechtfertigungsgründe:

•Notwehr § 227 BGB

•Notstand § 228 BGB

•Selbsthilfe § 229 BGB

•Handeln im Interesse eines Dritten

•Behördliche Anordnung

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Haftungsvoraussetzungen

4. Widerrechtlichkeit

Eine Handlung ist dann widerrechtlich, wenn keine Einwilligung des Geschädigten vorliegt und keine gesetzlichen Rechtfertigungsgründe greifen.

Von einer Einwilligung des Geschädigten ist auszugehen:

•Bei einem ärztlichen Eingriff

•Bei der Teilnahme an einer sportlichen Betätigung, sofern der Schädiger nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

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Haftungsvoraussetzungen

5. Kausalität

Zwischen dem Schaden und der Schadenursache muss ein ursächlicher (=kausaler) Zusammenhang bestehen.

Für eine Schadenersatzpflicht im Zivilrecht muss es sich jedoch zusätzlich um eine adäquate (juristische) Kausalität handeln.

Nach der juristischen Kausalität ist ein ursächlicher Zusammenhang nur gegeben, wenn die vom Schädiger vollzogene Handlung nach der allgemeinen Lebenserfahrung generell geeignet war, den infrage stehenden Schaden herbeizuführen.

Besonders eigenartige und nach der Lebenserfahrung ganz unwahrscheinliche Umstände bleiben außer Betracht.

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Haftungsvoraussetzungen

5. KausalitätBeispiel:

1)Ein Blumentopf wurde auf dem Balkon schlecht befestigt und fällt nach unten auf die Straße. Ein vorbeifahrender Radfahrer sieht das Unheil und weicht vor Schreck auf die Fahrbahn aus, wo er von einem Auto erfasst und schwer verletzt wird. = adäquate Kausalität, der verletzte Radfahrer kann von dem Besitzer des Blumentopfes Schadenersatz verlangen.

2)Aufgrund eines durch Gertrud H. schuldhaft verursachten KFZ-Unfalls muss Werner B. sein Auto in die Werkstatt bringen und auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen. Der von ihm genutzte Zug entgleist und Werner B. wird schwer verletzt.

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Haftungsvoraussetzungen

Verkehrssicherungspflicht

Besondere Bedeutung hat die in der Rechtssprechung entwickelte allgemeine Verkehrssicherungspflicht (§823 Abs.1 BGB).

Verkehrssicherungspflichtig sind Personen, die auf einem Grundstück einen Zugang ermöglichen (z.B. Grundbesitzer, Ladeninhaber).

Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Eine absolute Gefahrenfreiheit kann nicht geschaffen und daher auch nicht verlangt werden.

Es genügt, wenn im Einzelfall alle Maßnahmen getroffen werden, die man bei vernünftiger Betrachtung als notwendig erkennen muss.

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Haftungsvoraussetzungen

Verkehrssicherungspflicht

Beispiel:

Ein Hausbesitzer erhält Besuch. Der Besuch stolpert auf der Treppe aufgrund eines seit längerem defekten Geländers und verletzt sich.

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Haftungsvoraussetzungen

Haftung aus vermutetem Verschulden

Die Haftung aus vermutetem Verschulden unterscheidet sich von der reinen Verschuldenshaftung dadurch, dass nicht der Geschädigte das Verschulden des Schädigers beweisen muss, sondern dass das Verschulden des Schädigers bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird.

Der Schädiger selbst muss haftungsbefreiend beweisen, dass sein Verhalten nicht schuldhaft war bzw. nicht ursächlich für den Schaden war.

Alle anderen Haftungsvoraussetzungen müssen gleichermaßen erfüllt sein.

Folgende Vorschriften sind für die Haftpflichtversicherung als Haftung aus vermutetem Verschulden bedeutsam:•Haftung für eigenes Handeln (Gebäudebesitzer, Nutztierhalter)•Haftung für fremdes Handeln (Aufsichtspflicht, Geschäftsherr für seinen Verrichtungsgehilfen•Haftung des Führers eines Kfz oder Anhängers

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Haftungsvoraussetzungen

Haftung des Gebäudebesitzers §836 BGB

Der Besitzer eines Bauwerkes haftet für Personen- und Sachschäden, die durch Einsturz oder Ablösung von Bauteilen entstehen. Sein Verschulden wird vermutet, soweit der Geschädigte nachgewiesen hat, dass der Bau mangelhaft errichtet bzw. unterhalten wurde.

Beispiel:

Während eines Sturms löst sich ein Dachziegel eines Gebäudes und fällt auf den PKW des Nachbarn.

Vermutetes Verschulden: Der Nachbar kann Ersatz des ursächlich an seinem PKW entstandenen Schadens verlangen, wenn das Dach des Hauses mangelhaft errichtet bzw. unterhalten worden ist, so dass es dem heftigen Sturm nicht standhielt.

Beweis des mangelnden Verschuldens: Kann der Hausbesitzer nachweisen, dass er regelmäßig oder kurz vor dem Schadenereignis das Dach durch einen zuverlässigen Fachmann überprüfen und ausbessern ließ, tritt keine Ersatzpflicht ein.

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Haftungsvoraussetzungen

Haftung des gewerblichen Tierhalters §833 (2) BGB

Tierhalter ist, wer das Tier zu eigenen Zwecken und in eigenem Interesse eine längere Zeit in Obdach und Unterhalt hält.

Es ist nicht unbedingt Voraussetzung, dass der Eigentümer oder Besitzer auch der Halter ist.

Nutztiere sind Haustiere, die dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dienen.

Beispiele:•Zuchtvieh (Kühe, Schweine)•Pferd des Jockeys•Jagdhund des Försters•Blindenhund•Gewerblicher Wachhund

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Haftungsvoraussetzungen

Haftung des Aufsichtspflichtigen für Minderjährige und sonstige Schutzbefohlene §832 BGB

Wer seine Aufsichtspflicht über einen Aufsichtsbedürftigen verletzt, haftet für den Schaden, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt.

Aufsichtsbedürftig sind Minderjährige sowie geistig oder körperlich Gebrechliche.

Die Aufsichtspflicht kann kraft Gesetz (Eltern, Lehrherr, Vormund, Lehrer) oder kraft Vertrag (Kindermädchen, Pfleger, Privatlehrer) entstanden sein.

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Haftungsvoraussetzungen

Haftung des Geschäftsherrn für seinen Verrichtungsgehilfen §831 BGB

Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt.

Verrichtungsgehilfe ist derjenige, der von dem Geschäftsherrn zu einer Verrichtung bestellt wurde und dabei weisungsgebunden ist.

Der Verrichtungsgehilfe muss in einem sozialen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis stehen.

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Haftungsvoraussetzungen

Gefährdungshaftung

Die Gefährdungshaftung basiert auf der Überlegung, dass derjenige, der für die Allgemeinheit eine besondere, wenn auch erlaubte Gefahrenanlage schafft und daraus seinen Nutzen zieht, einer verschärften – d.h. hier verschuldens-unabhängigen – Haftung unterliegt.

Merkmale:•Gefährdungstatbestand (Besitz, Betrieb, Gebrauch)•Rechtsgutverletzung•Kausalität

Entlastung ist nur möglich bei•Mitverschulden des Geschädigten•Unabwendbares Ereignis oder höhere Gewalt

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Haftungsvoraussetzungen

Gefährdungshaftung

Besondere gesetzliche Grundlagen sind:

•Haftung des Tierhalters für Luxustiere §833 (1) BGB•Haftung des Beherbergungsgastwirts § 701 ff. BGB•Haftung des Fahrzeughalters §7f. StVG•Haftung für Schäden durch Verseuchung von natürlichen Gewässern §22 WHG•Haftung für Umweltschäden aus dem genehmigten Normalbetrieb §1 UmweltHG•Verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers für Sicherheitsmängel §1 ProdHG

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Haftungsvoraussetzungen

Vertragshaftung(= Schadenersatz aus Vertragsverletzungen)

Personen, die zueinander in einem Vertragsverhältnis stehen (z.B. Kauf-, Miet-, Dienst-, Werkvertrag), schulden sich

•Die eigentliche Vertragsleistung (Hauptpflicht), z.B. die Übereignung einer Sache beim Kaufvertrag.

•Die gegenseitige Rücksichtnahme und Vermeidung jeglicher Schädigung bei der Vertragserfüllung (Nebenpflichten).

Beispiel:

Der Verkäufer einer komplizierten Maschine muss den Käufer sachgemäß einweisen, damit dieser nicht durch Bedienungsfehler einen Materialausfall erleidet (Aufklärungspflicht).

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Haftungsvoraussetzungen

Vertragliche Haftung kraft Gesetz

Haftung für eigenes Verschulden§276 BGB

•Verschulden bei Vertragsanbahnung §311 (2) BGB•Mangelhafte Vertragserfüllung z.B. §§536, 536a BGB•Positive Vertragsverletzung §280 (1) BGB

Haftung für fremdes Handeln

•Haftung für den Erfüllungsgehilfen §278 BGB

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Übersicht über die Haftpflicht-VS relevanten gesetzl. Grundlagen

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Gesetzl. Grundlage Haftungsart Beweislast

§ 278 BGB Erfüllungsgehilfe

Vertragshaftung für fremdes Handeln

Wenn Erfüllungsgehilfe schuldhaft gehandelt, keine Entlastungsmöglichkeit für Geschäftsherr

§ 280 BGB Pflichtverletzung aus Schuldverhältnis

Vertragshaftung aus vermutetem Verschulden

Der Schuldner trägt die Beweislast

§ 823 BGB Deliktshaftung aus reinem Verschulden

Liegt beim Geschädigten, keine Entlastungsmöglichkeit für Schädiger

§ 823 (1) BGB allg. Verkehrssicherungspflichten

Deliktshaftung aus reinem Verschulden

Liegt beim Geschädigten, keine Entlastungsmöglichkeit für Schädiger

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Übersicht über die Haftpflicht-VS relevanten gesetzl. Grundlagen

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Gesetzl. Grundlage Haftungsart Beweislast

§823 (2) BGB Verletzung eines Schutzgesetzes

Deliktshaftung aus reinem Verschulden

Beweislastumkehr, Schädiger kann Entlastungsbeweis führen

§ 831 BGB Verrichtungsgehilfe

Deliktshaftung aus vermutetem Verschulden

Entlastungsmöglichkeit für Geschäftsherr, da Haftung nur für eigenes Verschulden

§ 832 BGB Haftung des Aufsichtspflichtigen

Deliktshaftung oder Vertragshaftung aus vermutetem Verschulden

Entlastungsmöglichkeit durch den Aufsichtspflichtigen

§ 833 (1) BGB Tierhalter Luxustier

Deliktshaftung Gefährdungshaftung

Keine Entlastungsmöglichkeit des Tierhalters

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Übersicht über die Haftpflicht-VS relevanten gesetzl. Grundlagen

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Gesetzl. Grundlage Haftungsart Beweislast

§ 833 (2) BGB Tierhalter Nutztier

Deliktshaftung aus vermutetem Verschulden

Entlastungsmöglichkeit des Tierhalters

§ 834 BGB Tier-hüter/Tieraufseher

Vertragshaftung aus vermutetem Verschulden

Entlastungsmöglichkeit des Tierhüters/Tieraufsehers

§ 836 Haftung des Grundstückbesitzers

Deliktshaftung aus vermutetem Verschulden

Entlastungsmöglichkeit des Grundstückbesitzers

§ 701 ff BGB Beherbergungsgastwirt

Deliktshaftung Gefährdungshaftung

Entlastungsmöglichkeit nur bei höherer Gewalt oder Selbstverschulden Gast/Begleitung

§ 7 StVG Betrieb eines KfZ

Deliktshaftung Gefährdungshaftung

Entlastungsmöglichkeit Schädiger nur bei unabwendbarem Ereignis

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Handelt als

Verrichtungsgehilfe

Schadenersatzanspruch aus Vertragsverletzung §278 BGB (Erfüllungsgehilfe)

Vergleich Erfüllungsgehilfe / Verrichtungsgehilfe

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Dachdecker-meister

Geselle = Schädiger

Hauseigen-tümer =

Geschädigter

Radfahrer = Dritter =

Geschädigter

Handelt als

Erfüllungsgehilfe

Vertragsverhältnis (hier: Werklieferungsvertrag)

Auftrag

Abhängigkeits-verhältnis

Schadenersatzanspruch aus unerlaubter Handlung §831 BGB (Verrichtungsgehilfe)

Anspruch aus reiner Ver-schuldenshaftung § 823 BGB

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Haftpflicht bei Ausichtspflichtsverletzung

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Schädiger ist bedingt

delikts-fähig? §828.3

Tritt Billigkeits-

haftung ein?§829

Ist die Aufsichts-

person zahlungs-

fähig? §829

Einsicht ist vorhanden

?§828.3

Wurde die Aufsichts-

pflicht verletzt?

§832

Wurde die Aufsichts-

pflicht verletzt?

§832

Person ist nicht deliktsfähig

§§ 827, 828.1

ja ja ja

ja ja

Schädiger

Kein Schaden-ersatz

Schädiger

Aufsichts-person

Schädiger und Aufsichts-

person

nein

nein nein nein

nein nein

ja

Schadenersatz-pflicht durch:

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Höhe des Schadenersatzes

Haftung der Höhe nach gem. §249 BGB

§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

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Höhe des Schadenersatzes

Haftung der Höhe nach gem. §249 BGB

In der Haftpflichtversicherung gilt der Zeitwertersatz, d.h. im Gegensatz zur z.B. Hausratversicherung wird in der Haftpflichtversicherung nur der aktuelle Wert der beschädigten Sache ersetzt. Dieser richtet sich nach•Alter•Abnutzung•Tlw. auch Verwendungszweck der beschädigten Sache

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Höhe des Schadenersatzes

Haftung der Höhe nach gem. §249 BGB

Beispiele:

Entschädigungsgrundlage Nettoeinkaufspreis

Beschädigt ein VN in einem Geschäft Ware, die zum Verkauf angeboten wird, so ist nur der Nettoeinkaufspreis des Händlers (ohne Gewinnaufschlag) zu ersetzen.

Schäden an Kleidung

Zur Feststellung des Zeitwertes werden Anschaffungspreis, Anschaffungsdatum, Erhaltungszustand und Lebensdauer (es gilt: max. 3-6 Jahre je nach Qualität) des Kleidungsstückes benötigt.

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Höhe des Schadenersatzes

Gemeinsame HaftungMitverschulden § 254 BGB

Ist dem Geschädigten ein Mitverschulden anzurechnen, so mindert sich dessen Entschädigungsanspruch entsprechend dem Grade des Mitverschuldens.

Der Anspruch wird ferner auch gemindert, wenn der Geschädigte es unterlässt, den Schaden nach Möglichkeit abzuwenden oder zu mindern.

Gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung §830 BGB

Sowohl Mittäter als auch unabhängig voneinander beteiligte Personen haften jeweils für den vollen Schaden.

Gesamtschuldnerische Haftung im Deliktsrecht §840 und §§421-423 BGB und im Vertragsrecht

Haben mehrere Personen gemeinsam einen Schaden angerichtet, so haften sie als Gesamtschuldner.

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Höhe des Schadenersatzes

Gesamtschuldnerische Haftung im Deliktsrecht §840 und §§421-423 BGB und im Vertragsrecht

Im Außenverhältnis (Schädiger zu Geschädigtem)

•Der Geschädigte kann von einem der Schädiger allein die Leistung in voller Höhe oder von mehreren zum Teil verlangen.•Zahlt einer der Gesamtschuldner in voller Höhe, so geht die Forderung gegen einen anderen Beteiligten auf ihn über.•Fällt ein Schuldner aus, so haben die anderen dessen Teil mitzutragen.•Insgesamt darf der Geschädigte nach dem Gesetz aber nicht mehr als den tatsächlich entstandenen Schaden erhalten.

Im Innenverhältnis (Schädiger untereinander)

•Es erfolgt, soweit das BGB nicht etwas anderes bestimmt, ein Ausgleich zu gleichen Teilen.

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Höhe des Schadenersatzes

Unterscheidung §§830, 840, 254 BGB

Schaden wurde von mehreren verursacht

Mehrere können in Anspruch genommen werden

Den Geschädigten trifft ein Mitverschulden

§830 BGBGesamtschuldnerische

Haftung

§830 BGBGesamtschuldnerische

Haftung

§840 BGBGesamtschuldnerische

Haftung

§840 BGBGesamtschuldnerische

Haftung

§254 BGBHaftung nur für den

„selbst“ verschuldeten Teil

§254 BGBHaftung nur für den

„selbst“ verschuldeten Teil

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