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Klaus Brockhoff Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte

Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

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Klaus Brockhoff

Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte

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Klaus Brockhoff

Betriebswirtschaftslehrein Wissenschaftund GeschichteEine Skizze

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

1. Auflage 2009

Alle Rechte vorbehalten© Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009

Lektorat: Stefanie Brich | Renate Schilling

Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.www.gabler.de

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Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.deGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in the Netherlands

ISBN 978-3-8349-1276-3

Prof. Dr. Dr. h. c. Klaus Brockhoff war vor seiner Emeritierung Rektor und Inhaber des Lehrstuhls fürUnternehmenspolitik an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Heute ist er dort Inhabereiner Honorarprofessur.rr

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Vorwort

Im Gespräch mit Studierenden und Praktikern fiel mir auf, dass zwar eineVielzahl von Methoden, Konzepten und sogar Namen von Betriebswirtenbekannt sind, aber eine zeitliche Einordnung dieser Kenntnisse fehlt. Daserschwert zugleich das Verständnis, weil man sich nicht darüber klar wird,welcher Wissenschaftler mit welchem Konzept auf welchen Kenntnissenseiner Vorgänger aufbaute oder hätte aufbauen können. Letzteres ist beson-ders interessant. Bei näherem Hinsehen entdeckt man nämlich eine großeAnzahl von Fällen, in denen – vielleicht mit neuen Worten und größererEleganz – etwas dargestellt wird, das schon in früheren Zeiten wohl bekanntwar. Manchmal wird auch völlig unangemessen der Stab über einem Wis-senschafter oder seinen Erkenntnissen gebrochen, weil man glaubt einespätere Erkenntnis sei schon vor seiner Zeit gewonnen gewesen. Zu Beginnvon Vorlesungen habe ich gelegentlich einen kleinen Fragebogen ausfüllenlassen, in dem sehr prominente Vertreter der Betriebswirtschaftslehre und innahezu aller Munde befindliche Konzepte zeitlich eingeordnet werden soll-ten, wobei großzügig Zeiträume von bis zu einer Generation als richtig ge-wertet wurden. Die Ergebnisse sind teilweise grotesk falsch. Ich erspare esden genannten Wissenschaftlern und ihren Schöpfungen, hier zitiert zuwerden.

Sodann konnte ich bemerken, dass sich Studierende nicht darüber im Klarensind, ob die von ihnen erlernte Betriebswirtschaftslehre nun eine Wissen-schaft ist oder eine Menge von Regeln, die einem Rezeptbuch entnommenist. Was eine Wissenschaft ausmacht, ist dabei ebenfalls unbekannt. Es fehltan Ansatzpunkten, um die gewünschte Klarheit kriteriengestützt plausibelzu machen, wenn sie schon nicht empirisch beweiskräftig gewonnen werdenkann. Das hängt damit zusammen, dass die für die wissenschaftliche Arbeiteigentlich verbindlichen Kriterien weder allgemein bekannt scheinen, nochin ihrer Bedeutung gewürdigt werden.

Das bietet nun eine Fülle von Ansatzpunkten, um diese Aspekte in geordne-ter Form zu behandeln. Schon ein unsystematischer Blick in die dazu rele-vant scheinende Literatur lehrt aber, dass auch hier die Erkenntnis gilt, dassviel mehr an Geschichte vorhanden ist als tunlich dargestellt werden kann.Deshalb lag dieser Darstellung die Forderung zu Grunde, eine Skizze zuerstellen. Diese kann dann Anlass zur vertieften Behandlung oder eigen-

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ständigen Quellensuche geben. Das wird in der heutigen Zeit dadurch er-leichtert, dass viele Quellen in elektronisch lesbarer Form zugänglich sind.Leider sind die Fundstellen dafür, zum Beispiel in elektronischen Lexika,nicht immer verlässlich. Dem Verfasser war es eine große Freude, den meistsehr bekannten Autoren erstmals oder erneut in ihren eigenen Schriften zubegegnen. Ein wenig von dieser Freude soll an die Leser weitergegebenwerden, indem markant erscheinende Ausschnitte hier im Wortlaut präsen-tiert werden. Den Menschen hinter den zitierten Texten begegnen wir nichtpersönlich. Aber von einigen werden durch Plastik, Gemälde oder StichBilder vermittelt. Auch durch deren Betrachtung lernt man etwas über diePersönlichkeiten, weshalb solche Bilder hier wiedergegeben werden. Inwenigen Fällen konnte auch eine Schriftprobe dargestellt werden.

Anlass für diese Veröffentlichung waren die Vorlesungen, die ich an derWHU – Otto-Beisheim-Hochschule – hielt. Im Laufe der Jahre stieg die Zu-hörerzahl an, zugleich auch der Wunsch, über Folien hinaus informiert zuwerden. So wuchs das Manuskript aus Stichworten heraus. Die zugehörigeLehrveranstaltung richtete sich an das jeweils letzte Semester des Studien-gangs. Das scheint der richtige Zeitpunkt dafür zu sein. Die Erörterungenlangweilen nicht, wie zu Beginn des Studiums zu erwarten ist, wo wederNamen noch Konzepte bekannt sind und die Frage nach der Wissenschaft-lichkeit der gewählten Disziplin noch kaum wesentlich erscheint. Am Endedes Studiums gibt es bei vielen Studierenden das Bedürfnis nach Ordnungdes Wissens oder Orientierung über das zu diesem Zeitpunkt verfügbareWissen.

Erstaunlicherweise haben nun auch Praktiker im Gespräch erkennen lassen,dass ihnen eine solche Skizze zum Nachschlagen oder als Argumentations-hilfe nützlich erscheint. Nur kurz möge ein solcher Text sein, so wurdemehrfach betont.

Ob es gelungen ist, diese verschiedenen Wünsche und Orientierungen „un-ter einen Hut“ zu bringen, muss der Leser entscheiden. Korrekturhinweise,Kürzungs- und Ergänzungswünsche werden gerne aufgenommen; es ist janicht auszuschließen, dass vielleicht genügend Interesse für die Verbesse-rung des Textes besteht.

Frau Stephanie Daleki hat mir bei der technischen Vorbereitung der Veröf-fentlichung mit virtuoser Beherrschung des Schreibsystems sehr geholfen.Dafür sei ihr herzlich gedankt.

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Die Literatur wurde in Fußnoten an der jeweiligen Stelle voll zitiert. Da nurwenige Autoren mit denselben Werken häufiger zitiert werden, wurde des-halb auf ein Literaturverzeichnis verzichtet.

Das kleine Buch ist denjenigen Betriebswirten gewidmet, deren wissen-schaftliche Beiträge das Fach zu seiner heutigen Bedeutung haben wachsenlassen. Seine Veröffentlichung wird mit der Entschuldigung bei den Scharenungenannter Betriebswirte verbunden, die ebenfalls zu dem heute erreichtenEntwicklungsstand beitrugen. Es ist mehrfach beklagt worden, das Fachgehe mit seinen Vorfahren wenig freundlich um, weil es sie weitgehendvernachlässige. Eine „Skizze“ kann diesen Vorwurf nicht ausräumen. Im-merhin aber wird überhaupt auf das Herkommen hingewiesen.

Koblenz, 2008 Klaus Brockhoff

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Inhalt

Vorwort V

1. Betriebswirtschaftslehre – eine Wissenschaft 1

1.1 Einführung 11.2 Wissenschaft – Bedeutungsebenen eines Begriffs 31.3 Eine nicht endende Diskussion 8

2. Elemente einer Wissenschaft 13

2.1 Existenz bedeutender Problemstellungen oderFragen 13

2.2 Vorgehensweisen der Wissensgewinnung 19

2.2.1 Meinung und Erkenntnis 202.2.2 Induktion und Experiment 222.2.3 Sichtweisen der Betriebswirtschaftslehre 242.2.4 Anforderungen: Wertfreiheit 272.2.5 Anforderungen: Falsifizierbarkeit 302.2.6 Allgemeine Kontrollanforderungen 322.2.7 Skeptiker oder „anything goes“? 34

2.3 Wissensbewahrung 35

2.3.1 Kumulatives Wissen und „Tacitness“ 352.3.2 Beispiele der Betriebswirtschaftslehre 372.3.3 Eine kurze Bemerkung zu Moden 43

2.4 Institutionen der Wissensgewinnungund der Zusammenführung von Wissen 44

2.4.1 Funktionale Spezialisierung 442.4.2 Institutionalisierung und

Objektspezialisierung 472.4.3 Betriebswirtschaftslehre als Objekt-

spezialisierung in den Wissenschaften 48

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2.5 Ergebnis 52

3. Wissenschaftlicher Fortschritt 55

3.1 Ein kurzer Blick auf die individuelle Situation 553.2 Entwicklungswege von Disziplinen 57

3.2.1 Modellvorstellung der Entwicklung 573.2.2 Ungelöste Fragen als Ausgangspunkte 60

3.3 Ergebnis 66

4. Unternehmenstheorien als Beispiele 69

4.1 Das ist ein Unternehmen 704.2 Darum gibt es Unternehmen 724.3 Das ist ein Unternehmer 75

5. Geschichte der Betriebswirtschaftslehre 85

5.1 Erwartungen 855.2 Grenzen 88

6. Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte 101

6.1 Überblick 101

6.1.1 Von der physischen Dokumentation vonGeschäftsvorfällen bis zum Zeitalter derAufklärung 101

6.1.2 Aufklärung 1196.1.3 Vorschlag für eine Universitätsdisziplin 1316.1.4 Auf demWeg zu mikroökonomischen Theorien 1356.1.5 Anfänge der Institutionalisierung der Disziplin 1466.1.6 Die umstrittene Bezeichnung der Disziplin 1556.1.7 Schwerpunkte betriebswirtschaftlichen

Publizierens bis 1933 1626.1.8 Betriebswirtschaftslehre in der Zeit

nationalsozialistischer Herrschaft 1676.1.9 Ein kurzer Blick in das Ausland 1806.1.10 Ein Neubeginn 188

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6.2 Beispiel für die Wissensentwicklung:Die Kostenfunktion 200

7. Schluss 209

7.1 Rückblick 2097.2 Beitrag zur „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“ 216

8. Biographischer Anhang 225

8.1 Überblick 2258.2 Biographische Tabelle 229

Namensverzeichnis 251

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Einführung 1.1

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1 Betriebswirtschaftslehre –eine Wissenschaft

1.1 Einführung

Im deutschen Sprachraum ist die Betriebswirtschaftslehre im Vergleich zuanderen Feldern geistiger Erkenntnissuche als Wissenschaft erst sehr spätwahrgenommen worden. Das ist im Folgenden noch genauer zu beleuchten.Ebenso ist auf die Schwierigkeiten einzugehen, die auf dem Weg zur heuteakzeptierten Fachbezeichnung zurückzulegen waren. Das geschieht in denKapiteln 5ff. Es gibt in Deutschland bis heute Stimmen, die die Betriebswirt-schaftslehre als Wissenschaft in Frage stellen. Ihr Argument ist, der Praxis-bezug verlange kurze Studiengänge, die als Ganze in Fachhochschulen an-zubieten seien.1 Von Forschung zur Erkenntnisgewinnung ist dabei kaumdie Rede. Dass die Abschiebung einzelner Disziplinen der Idee der Universi-tät als „Symbol der Einheit der Wissenschaft“ widerspreche, hat schon derOrientalistik-Professor und spätere preußische Kultusminister Carl HeinrichBecker mit Bezug auf den „ungeheuren Fehler“ der Gründung von techni-schen Hochschulen vertreten.2 Das mag entsprechend für die Gründungspezieller Handelshochschulen gelten.

1 Weil sich Befürworter einer solchen Lösung in der Regel nur allgemein überzu verlagernde Fächer äußern, ist dies schwer zu belegen. Eine Ausnahme bil-det der Kommentar in der Deutsche Universitätszeitung, 5/1993, wo die Be-triebswirtschaftslehre durch den Konstanzer Philosophen Jürgen Mittelstraßvor dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ausdrücklich erwähntwird. „Geisteswissenschaftliche Voreingenommenheit“ hält Helmut Schelsky(Einsamkeit und Freiheit. Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Re-formen, Reinbek 1963, S. 247f.) dem ähnlichen Vorschlag von Wilhelm Flitnervor, die Universitäten durch Konzentration auf die vier klassischen Fakultätenvon den Studentenmassen zu befreien (Hochschulreife und Gymnasium, Heidel-berg 1960).

2 Carl Heinrich Becker, Gedanken zur Hochschulreform, Leipzig 1919, hier S. 5.

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1 Betriebswirtschaftslehre – eine Wissenschaft

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Dass eine wissenschaftliche Betriebswirtschaftslehre allerdings große Poten-ziale bereitstellt, soll hier wenigstens kurz angesprochen werden. Wir be-ginnen dabei mit dem Blick auf das Objekt der Disziplin.

Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist nicht ausschließlich durch dieReproduktion vorhandenen Praxiswissens, die oft zitierten Berichte „aus derPraxis für die Praxis“, zu erhalten. Die wissenschaftliche Behandlung derUnternehmenstätigkeit führt allerdings zu Diskrepanzen gegenüber derjeweils geübten Praxis. Der Praxisbezug der Betriebswirtschaftslehre istdaher ein insbesondere seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhundertsin fast regelmäßigem Abstand aus beiden Perspektiven behandeltes Thema.Das zeigt sich gut an den folgenden Stellungnahmen. „Was die Universitätder Praxis geben kann, sind nicht Schüler, die (sich) einen Lehrfundus ein-verleibt haben, sondern wissenschaftlich ausgebildete Menschen, die durcheine, wenn auch nur begrenzte Teilnahme an der wissenschaftlichen For-schung selbst, kritischen Sinn, Innovationsfähigkeit, Orientierungsvermögenvor neuen Aufgaben entwickeln und die durch die wissenschaftliche Arbeitan irgendeiner Stelle eine Disziplinierung des Denkens und Arbeitens ver-mittelt bekamen, verbunden mit der Verpflichtung und dem Ethos gegen-über erkannten Wahrheiten“, formuliert Alfred Müller-Armack in den sieb-ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in einem Rückblick auf zehnjährigeUniversitätsreform.3 Mit Blick auf Spannungsfelder zwischen Theorie undPraxis wird auch darauf hingewiesen, dass es unterschiedlich aufgeschlos-sene Praktiker gibt: „Die guten Praktiker hindert es nicht, immer wiedernach theoretischer Durchdringung der Praxis zu rufen. Sie tun es in derGewissheit, dass es ihnen schon gelingen wird, die für ihr Problem relevantetheoretische Substanz destillieren zu können“.4 Diese theoretische Substanzist Teil dessen, was Wissenschaft in heutiger Sicht ausmacht. Die Debattewird in dem Satz auf den Punkt gebracht: „Wer eine Wissenschaft anwen-

3 Alfred Müller-Armack, Holzwege der Universitätsreform. Aus Stätten wissen-schaftlicher Bildung werden höhere Schulen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.Mai 1977, S. 9-10, hier S. 10. Ganz ähnlich argumentieren aufgeklärte Praktiker:Hans-Martin Schleyer, Die Ausbildung von Führungskräften der Wirtschaft - An-forderungen der Praxis. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät derUniversität Erlangen-Nürnberg, Hrsg., Stuttgart et al. 1965.

4 Horst Albach, Über die Praxisnähe der betriebswirtschaftlichen Ausbildung:Non universitati sed vitae oeconomicae discimus. Hochschulnachrichten der wis-senschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung Koblenz, Heft 1/1992, S. 24-30, hier S.24.

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Wissenschaft – Bedeutungsebenen eines Begriffs 1.2

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den will, muss erst einmal eine Wissenschaft haben.“5Mit der deutschenVereinigung 1990 wurde der Blick auf das Hochschulsystem der DDR ge-schärft. Er lässt im Systemvergleich zur BRD keineswegs erkennen, dass diebranchenspezifische und praktisch ausgerichtete Hochschulausbildung derDDR bei Auslagerung der bedeutenderen Teile der Forschung in eine zent-ral organisierte Akademie der Wissenschaften zur Bereitstellung leistungs-fähigerer Potenziale gelangt wäre als dies im Westen der Fall war.

Schon in diesen kurzen Hinweisen wird deutlich, dass der Begriff „Wissen-schaft“ mit Bezug auf die Betriebswirtschaftslehre nicht in übereinstimmen-der Bedeutung verwendet wird. Das ist auch generell zu beobachten. Sehrinstruktiv ist es deshalb, einigen Entwicklungsstufen des Begriffes in sehrgeraffter Form nachzugehen. Das soll in den folgenden Kapiteln 2 bis 4 ge-schehen. Um die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft zu charakterisie-ren, bedarf es zunächst einmal der Kriterien für diesen Begriff. Diese werdenanschließend in 1.2 hergeleitet.

1.2 Wissenschaft – Bedeutungsebeneneines Begriffs

„Wissenschaft“ wird in sehr unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Dieim Jahre 1838 begonnene Veröffentlichung „Deutsches Wörterbuch“ derBrüder Jacob und Wilhelm Grimm (Abbildung 1) lässt dies in der neuestenAusgabe, unterlegt mit einer Vielzahl von Hinweisen auf den jeweiligenWortgebrauch in der Literatur, sehr deutlich werden. Dabei lassen wir gleichdiejenigen Bedeutungen aus, die „sich heute aus der Schriftsprache fast ganzverloren“ haben und personenbezogen sind: Nachricht, Kunde, Kenntnis,die man erhält, oder Informationsstand, den man sich persönlich erarbeitet;Klugheit, Einsicht, Verstand und Bildung werden hier als Synonyme ge-nannt.6 Auch die Idee einer objektiven Wissenschaft kann heute kaum über-zeugend vertreten werden, setzt sie doch allgemeine Akzeptanz voraus,zumindest bei denjenigen, die sich fachlich mit bestimmten Gegenständenbeschäftigen. Das kommt in einem der Literaturbelege zum Ausdruck: „sodiese wissenschafft unter den sternkundigen gemeine (also: allgemein ak-

5 Schneider, Managementfehler durch mangelndes Geschichtsbewusstsein inder Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 29. Jg., 1984,S. 114-130, hier S. 125.

6 Jacob Grimm/Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, 1838ff., hier zitiert nachder elektronischen Ausgabe: Der digitale Grimm®, bearbeitet von Hans-Werner Bartz et al., Frankfurt 2004, Artikel „Wissenschaft“.

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zeptiert oder verbreitet, K.B.) wehre, so (be-, K.B.) dürffte man nicht so vielrechnens und abmessens mit den planeten und anderen sternen“, wird A. V.Franckenberg aus dem Jahre 1644 zitiert.7 Stimmten alle Auffassungen zueinem Gegenstand überein, würde ein wesentlicher Impuls für die Weiter-entwicklung von Wissenschaft fehlen. Wer heute beispielsweise die Fragenach dem Unternehmenserfolg stellt, muss feststellen, dass es dazu keineallgemein akzeptierte Auffassung gibt, selbst wenn Definitionsversuche mitgleichem Zweck unternommen werden. Dies kann nicht als Begründungdafür herhalten, dem sich mit solchen Definitionsversuchen befassendenFachgebiet die Eigenschaft als Wissenschaft abzusprechen.

Damit gelangt man zur dritten Bedeutungsebene, der Wissenschaft als „Dis-ziplin“. Diese hat verschiedene Ausprägungen:

Das Grimmsche Wörterbuch beschäftigt sich zunächst mit dem Verhältnisder Begriffe „Kunst“ und „Wissenschaft“, die sich nach den dortigen Fest-stellungen bis in das 18. Jahrhundert hinein „überdecken“. In einer Fülle vonBelegen wird dies gezeigt, wobei vor allem bemerkenswert ist, dass bei derspäteren Differenzierung keine unterschiedliche Wertigkeit festzustellen ist.Theologie, Logik, Mathematik, Physik oder Philosophie werden zeitweiseals Künste bezeichnet.8 Das ist ersichtlich nicht der stark erfahrungsbasierteBegriff von Kunst, der die Betriebswirtschaftslehre in den Jahren nach 1911durch einen Aufsatz von Eugen Schmalenbach in eine Diskussion ihresSelbstverständnisses hineinzieht9 (auf die noch zurückzukommen ist) oderin den Jahren nach 1953 durch die Kritik von Konrad Mellerowicz an dertheoriebasierten Konzeption der „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“von Erich Gutenberg.10 Schmalenbach plädiert für eine empirisch-induktivzum Wissen gelangende angewandte Betriebswirtschaftslehre im Unter-schied zu einer normativ-wertenden Auffassung. Auch die heutige Sicht vonKunst als Kreativitätsäußerung im Vergleich zur Erfahrungs- und Theorie-gründung von Wissenschaft stellt eine andere als die wesentlich frühereSichtweise dar.

7 Ebenda: B.8 Ebenda: C 1 a.9 (Johann Wilhelm) Eugen Schmalenbach, Die Privatwirtschaftslehre als Kunst-lehre, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 6. Jg., 1911/1912, S. 304-316.

10 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion,Berlin/Heidelberg/New York, 1. A., 1951. Ders., Zum Methodenstreit, Zeit-schrift für handelswissenschaftliche Forschung, N.F., 5. Jg., 1953, S. 327-355. Kon-rad Mellerowicz, Eine neue Richtung in der Betriebswirtschaftslehre? Zeit-schrift für Betriebswirtschaft, 22. Jg., 1952, S. 145-161.

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Wissenschaft – Bedeutungsebenen eines Begriffs 1.2

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An zweiter Stelle wird Wissenschaft als eine allein stehende oder eine um-fassende Gruppe „gelehrter Disziplinen“ verstanden. Schon die Beschrän-kung auf die Betrachtung einer einzelnen Disziplin öffnet eine Vielzahl vonDifferenzierungsmöglichkeiten. Hier wollen wir uns nicht in die Schichtenoder Wertschätzungen bildenden Adjektive einlassen, wie dies mit höheren,anmuthigen, nützlichen, klugen, guten, soliden, rechten, unfehlbaren, reinenWissenschaften versucht wird.11 Liest man spätere Argumente gegen dieAufnahme der Betriebswirtschaftslehre als Fakultätsdisziplin in Universitä-ten oder muss man Prioritätsstreite innerhalb der Wirtschaftswissenschaftenausfechten, beispielsweise über die Ressourcenverteilung zwischen ihrenTeilbereichen, so erlebt man die Aktualität solcher Begriffsbildungen.12

Brüder Jacob (r.) und Wilhelm Grimm, Initiatoren und Herausgeber der erstenBände des Deutschen Wörterbuchs (Quelle: wikipedia.de)

11 Jacob Grimm/Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, 1838ff., hier zitiert nachder elektronischen Ausgabe: Der digitale Grimm®, bearbeitet von Hans-WernerBartz et al., Frankfurt 2004, Artikel „Wissenschaft“.

12 Am 22. Juni 1977 versucht die Mehrheit der Professoren einer deutschen Wirt-schaftsfakultät den zuständigen Minister von der Einführung eines betriebs-wirtschaftlichen Studiengangs nicht nur mit allerlei Ressourcenargumentenfernzuhalten, sondern auch mit dem Satz: “Die Erfahrungen, die andere Uni-versitäten mit der Einführung eines betriebswirtschaftlichen Studiums ge-macht haben, zeigen, daß damit – und zwar selbst bei ausreichender Ausstat-tung mit Lehrstühlen – in der Regel eine Qualitätseinbuße bei der volkswirt-schaftlichen Ausbildung verbunden ist.” Belege für die Behauptung werdennicht genannt.

Abbildung 1

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Auch „wissenschaftliche Disziplin“ ist näher zu charakterisieren. Wenig-stens die folgenden Merkmale sollten sie auszeichnen:�� Die Disziplin13 beschäftigt sich mit dem Einsatz knapper Ressourcen zur

Erzielung von Einkommen, der zielorientierten Verwendung von Ein-kommen und dies beides unter Berücksichtigung von Unsicherheitenund den Handlungen von „Gegenspielern“ mit eigenen Interessen. Dasspielt sich in Institutionen ab, einem spezifischen Objekttyp, dem Unterneh-men. Die damit auftretenden Fragen können aus der Disziplin selbst her-aus entstehen oder von außen her an sie herangetragen werden. Ähnlichsind zur Beschreibung der Richtung technischer Entwicklungen die Beg-riffe Angebotsdruck (supply push) und Nachfragesog (demand pull)verwendet worden.14 Je nachdem, wo man die stärkeren Wirkkräfte ver-mutet, kann dies für die Gestaltung und Ressourcenausstattung wissen-schaftlicher Disziplinen große Bedeutung erlangen. Auch feste Grenzenfür eine Disziplin sind aufgrund des Wandels der Fragestellungen imZeitablauf nicht festzustellen. Das kann auch immer wieder zu Ausei-nandersetzungen über die Abgrenzung führen. Eine wissenschaftlicheDisziplin setzt bedeutende Frage- oder Problemstellungen voraus.

�� Die Disziplin entwickelt und benutzt systematische Vorgehensweisen, umzu ihren Antworten zu gelangen. Sie kann dabei auf eine Fülle von Me-thoden zurückgreifen. Ein wesentlicher Teil der Theorie der Wissen-schaft oder Wissenschaftstheorie beschäftigt sich mit der Analyse undBeurteilung solcher Methoden.15 Wie sich noch zeigen wird, ist insbe-sondere die Überprüfbarkeit der Vorgehensweisen ein wesentlichesMerkmal einer Wissenschaft.

�� Die Disziplin verfügt über Techniken, das bisher gesammelte Wissen zubewahren, zugreifbar zu machen und mit Blick auf unterschiedliche Ver-wendungen sowie aus Sicht späterer Erkenntnisse zu beurteilen. DieBewahrung von Wissen durch systematische mündliche Überlieferung,auf Schrifttafeln, in Handschriften, im Buchdruck oder durch Speiche-rung auf digitalen Medien beschreibt dabei technische Veränderungen.Zeitschriften und Fachgesellschaften können über die wissensbewahren-den Funktionen hinaus auch als Kontrollinstanzen wirken.

13 Der Begriff wird hier objektbezogen verwendet. Daneben ist es möglich, ihnsubjektbezogen zu verwenden, in dem man an eine Menge von Personendenkt, die über spezifische, disziplinäre Eigenschaften verfügen.

14 Jacob Schmookler, Invention and Economic Growth, Cambridge/MA 1966.15 Beispielsweise: Helmut Seiffert, Einführung in die Wissenschaftstheorie, Bd. 1, 6.A., München 1973; Bd. 2, 5. A., 1973. Klaus Chmielewicz, Forschungskonzeptio-nen der Wirtschaftswissenschaft, 2. A., Stuttgart 1979.

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�� Die möglichen Produktivitätsgewinne der Arbeitsteilung bei der Güter-produktion, von Adam Smith in seinem Beispiel der Stecknadelproduk-tion eindrücklich beschrieben16, können grundsätzlich auch in der Pro-duktion von Wissen auftreten. Ob die Arbeitsteilung dann aufgrund ei-ner größeren Bedeutung individuellen, assoziativen Lernens wenigerweit geht als bei einfacheren manuellen Tätigkeiten, wie dies AlfredMarshall meint17, muss wohl noch dahingestellt bleiben. Die Arbeitstei-lung macht aber nur Sinn, wenn die einzelnen Wissensbestandteileschließlich zusammengefügt werden. Die für die arbeitsteilige Güterpro-duktion verfügbaren Koordinationsinstrumente sind bei der Koordinati-on von Wissensbestandteile nicht alle oder nicht in gleichem Maße ein-setzbar. Das gilt vor allem für Märkte. Das Wissen hat nämlich unter an-derem die Eigenschaft, bei seiner Nutzung nicht verzehrt zu werdenoder ohne Entstehung von Grenzkosten erneut genutzt werden zu kön-nen. Außerdem ist Wissen asymmetrisch verteilt.18 Zum Abbau der A-symmetrie der Wissensverteilung sind der Aufbau von Vertrauen undReputation in persönlichen Netzwerken19, die Unterstützung bestimmterVerhaltensstandards, beispielsweise durch wissenschaftliche Fachgesell-schaften, oder die hierarchische Organisation der Arbeitsteilung und derKoordination durch große Organisationen (supranationale Forschungs-einrichtungen, Ministerien, Forschungsinstitute, Unternehmen) nützlich.Auch die Institutionalisierung kennzeichnet Disziplinen.

Das sind überprüfbare Beschreibungselemente20, die selbst der inhaltlichenVeränderung unterliegen. Sie sollen im folgenden 2. Kapitel mit Bezug aufdie Betriebswirtschaftslehre illustriert werden.

16 Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations,Vol. I, London 1776, S. 4f.

17 Alfred Marshall, Principles of Economics, Vol. I, London 1890, S. 313.18 A. J. Lotka, The frequency distribution of scientific productivity, Journal of theWashington Academy of Sciences, Vol. 16, 2/ S. 161-174.

19 Eindrucksvoll zu lesen ist, wie Gottfried Wilhelm Leibniz (1667-1716) trotz derBeschwerlichkeiten von Reisen, später auftretender Krankheiten, unsichererund langer Postwege eine Gelehrtenkorrespondenz durch Besuche und Mittei-lungen aufbaut und unterhält. Dabei wird sorgfältig auf die Menge und Quali-tät des ausgetauschten Wissens geachtet, nicht zuletzt, um Prioritäten zu si-chern. Vgl.: Eike Christian Hirsch, Der berühmte Herr Leibniz. Eine Biographie,München 2000.

20 Für die Volkswirtschaftslehre hat Joseph Schumpeter einen ganz ähnlichenKatalog von Kriterien entwickelt, dem er explizit die Wissenschaftler als Trä-ger der Prozesse und ihre Ergebnisse hinzufügt: History of Economic Analysis,New York 1954, S. 380.

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1.3 Eine nicht endende Diskussion

Die Frage nach der Wissenschaftlichkeit der Betriebswirtschaftslehre, ihrerForschung und der von ihr angebotenen Aus- und Weiterbildung hat sie seitwenigstens dreieinhalb Jahrhunderten begleitet. Das wird im Einzelnennoch sichtbar werden. Sie wird in fast regelmäßigen zeitlichen Abständengestellt. Das kann einerseits ein Indiz dafür sein, dass neu auftretende Rätseldurch das jeweils bekannte Wissen nicht zufriedenstellend zu lösen sind.Dann werden radikale Neuerungen gefordert. Das kann andererseits einIndiz dafür sein, dass sich durch Grundlagenforschung die Wissenschaftvom aktuellen Stand der zu lösenden Rätsel entfernt hat. Ob dies eine Inves-tition in die Zukunft ist, kann ex ante nicht beantwortet werden. Die Investi-tion ist mit Risiken verbunden, wie Investitionen in Unternehmen auch.

Diese Risiken werden unterschiedlich eingeschätzt und getragen: (1) DieSuche nach Wissen schafft persönliche Befriedigung, ist also Konsum. Derdamit befasste Privatgelehrte muss das selbst finanzieren oder sich einenebenso eingestellten Mäzen suchen. Benjamin Franklin soll auf die Fragenach dem Nutzen solcher Beschäftigungen die Gegenfrage gestellt haben:„What use is a newly born baby?“ (2) Die Suche nach Wissen wird unter-nommen, weil ein Markt für die Verwertung des Wissens vermutet wird.Das kann der Markt der Beratung sein, der Markt des Reputationsaufbausoder einer anderen Form der Einkommensgenerierung. Faraday soll auf dieFrage des Premier Gladstone nach dem Nutzen der elektrischen Experimen-te gesagt haben: „One day, Sir, you will draw taxes from it.“ Glaubt auch einDritter an einen Markt für das neue Wissen, so wird er den Forscher zuunterstützen bereit sein. Ein Minister, weil ein Teil der Reputation auf seinenStaat und seine Politik ausstrahlen soll. Ein Unternehmer, weil er einen Teilder erwarteten Einkünfte mit dem Forscher gemeinsam erzielen möchte. Istder Forscher zugleich Unternehmer, so kann beides zusammenfallen. Nach-dem Thomas A. Edison mit der magnetischen Trennung niedrig konzen-trierter Erze aus dem amerikanischen Norden nicht erfolgreich war, soll erfestgestellt haben: „Well, it’s (das eingesetzte Geld, K.B.) all gone, but wehad a good time spending it.“ (3) Die Forschung kann herangezogen wer-den, um eine spezifische Nachfrage nach Wissen zu befriedigen. Dann stehtin der Regel auch die Finanzierung fest. Um einen Mann auf den Mond zubringen und sicher zurück zur Erde, verlangte der amerikanische PräsidentKennedy am 25. Mai 1961 vom Kongress: „I therefore ask the Congressabove and beyond the increases I have earlier requested for space activities,to provide the funds which are needed to meet the following national goals…“Die Verbindung zwischen Forschung als Wissensgewinnung und Praxis alsWissensnutzung ist allerdings keineswegs so, dass die eingangs erwähnten

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Eine nicht endende Diskussion 1.3

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Diskussionen unterbleiben würden. Eine ganz besondere Antwort darauf,insbesondere die sogenannte Dichgans-Debatte21 des Jahres 1965, findet sichin einem unter einem Pseudonym veröffentlichten Pseudo-Interview:22

In der „Volkswirt-Diskussion“ über das Thema „Professoren und Praxis (vgl. Nr. 18/65 –Die große Kluftzur Praxis; Nr. 27/65 – Theorie und Praxis im Streitgespräch; Nr. 35/65 –Die Schwimmakademie) gebenwir noch einmal der „angegriffenen“ Seite dasWort. Der folgende Bericht ist in Inhalt und Form eineEntgegnung auf denArtikel „Die Schwimmakademie“. Die Redaktion

Ergänzend zu dem Bericht vonMykiMoto über die Schwimm-Akademie in der Spectachei, erreicht unsfolgender Bericht über ein Interview, um das Herr Shimbunshi, ein angesehener Journalist und Absolventder Schwimm-Akademie des Jahres 1929, Herrn Professor Dr. Kyoshi von der Schwimm-Akademie gebetenhatte.

S:Herr Professor, Ihnen sind die Vorwürfe bekannt, die Professoen der Schwimm-Akademiehätten keinen „Kontaktmit demWasser“. Darf ichmir die Frage erlauben: Können Sie schwim-men?

K:Wie darf ich diese Frage verstehen?Würden Sie, bitte, den Begriff „Schwimmen“ präzisieren?

S: Haben Sie schon einmal „Berührung mit demWasser“ gehabt?

K: Diese Frageweicht dochwohl vomThema ab. Berühungmit demWasser scheintmir eher einGebot der Hygiene als Gegenstand der Forschung an der Schwimm-Akademie!

S: Ichmeine: Besitzen Sie „Kenntnisse des konkreten Schwimmens“?

K:Was verstehen Sie unter demTerminus „konkretes Schwimmen“?

S: Unter „Schwimmen“ verstandenwir, als ich dieAkademie absolvierte, etwas anschaulich sehrleicht Fassbares: die Fortbewegung imWasser. Ichmöchte dahermeine Frage anschaulich stellen.Angenommen, ich stieße Sie vor demParlament in Bakufu in denKawa. Könnten Sie das jensei-tigeUfer erreichen?

K: Das vermag ich nicht ohneweiteres zu beantworten. Ich bin in einer solchen Situation noch niegewesen.

S: DerAbgeordnete TeburuGacho ist aber, wie Siewissen, der „unverblümten“Meinung, dassjeder Professor „Kenntnis des konkreten Schwimmens“, also doch offenbar der Durchquerungdes Kawa haben sollte!

K: Haben Sie denHerrnAbgeordneten schon einmal in denKawa gestoßen?

S: Nein. Herr Professor. Ich sehe dort einen Pokal.Wofür haben Sie ihn erhalten?

K: Für den Sieg im 200-Meter-Delphin fürMänner, Seniorenklasse, auf 50-Meter-Bahnen bei 22GradWassertemperatur, den ich bei der Kaki-Ryoshi Games 1963 errang.

S: Aber dann können Sie doch schwimmen,Herr Professor!

K: Ich glaube nicht, dass die Kritiker derAkademie das als „konkretes Schwimmen“ bezeichnenwürden. Schwimmhallenmit 50-Meter-Bahnen sind für sie nur einModell derWirklichkeit.

S: Soweitmir bekannt, schwimmt auch derHerrAbgeordnete nicht imKawa, sondern im

21 Dr. Hans Dichgans war ein prominenter Abgeordneter des Deutschen Bundes-tages.

22 Jiu-ichi-Nomi-Midzu, Schwimmen – wissenschaftlich gesehen, Der Volkswirt,Nr. 41, 15.10.1965, S. 2287.

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1 Betriebswirtschaftslehre – eine Wissenschaft

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Schwimmbecken des Parlaments.

K: Ich habe ja auch nicht behauptet, dass er sehr „konkret“wäre!

S: Darf ichmir die Frage erlauben,wie viel Jahre Sie geschwommen hatten, bevor Sie Professor ander Schwimm-Akademiewurden?

K: Diese Frage ist wegen der ungenauen Begriffsdefinition des Terminus „Schwimmen“ schwerzu beantworten. Vor zwanzig Jahrenwurde ich an einemSchwenkkran aufgehängt, undmirwurde gesagt, ich solle nur immer denKopf hübsch in denNacken legen undmit Armen undBeinenwie ein Frosch rudern. Zwei Tage später brauchte ich nur noch einenKorkring, undweitere zwei Tage später auch diesen nichtmehr. In dieserWeise habe ichmich vierzehn Jahre„imWasser fortbewegt“.

S: Dann haben Sie aber doch sehr ausgedehnte Erfahrungen im Schwimmen,Herr Professor!

K: Als ich vor sechs Jahren in dieAkademie aufgenommenwurde, erwiesen sie sich eher alshinderlich.

S: Soll ich das nicht lieber aus dem Interview streichen?

K:Wie Siewollen. Tatsächlich konnte ichmich aber nicht daran gewöhnen, denKopf nicht in denNacken zu legen. Das ist aber beimKraulen erforderlich. Siewissen, damals stand an derAka-demie dieNavaltechnik desKraulens imMittelpunkt von Forschung und Lehre.

S: Haben Sie sich denn beimKraulen praktisch bewährt?

K: Ichwar nachmeinem Studium, das damals noch drei Jahre dauerte, drei Jahre imVorstanddes KraulsportvereinsUmi-Owo.

S: Sie sind also nicht konkret geschwommen?

K:Nein. Ich habe nur jedes Training und jedenWettkampf beobachtet. Ich bin nie ein guterKrauler gewesen.

S: Sie haben sich also in der Praxis nicht bewährt, Herr Professor?

K:Wenn Sie das so formulieren, nein.

S: DieAkademie hat sie aber dennoch habilitiert.Wie kommt das?

K: Ich habe imAnschluß anmeine Vorstandstätigkeit ein Jahr lang theoretisch gearbeitet. AufGrundmeiner Veröffentlichung über die Ergebnisse dieser Forschungsarbeitenwurde ich habili-tiert.

S: Überwelches theoretische Problemhaben Sie gearbeitet?

K: Das Problem ist sehr komplex. Ichwill versuchen, seineGrundzüge auch für den nicht-schwimmakademischen „Schwimmer“ verständlich darzustellen. BeimKraulen geht derAntriebnur von demnach oben schlagenden Bein aus. Das nach unten schlagende Bein dagegenwirktwie eine Bremse.Manmuß daher beimKraulen das eine Bein kräftig nach oben schlagen, dasandere dagegen locker nach unten sinken lassen. Es gibt vieleMenschen, die diese asymmetri-sche Beinbewegung nicht vollbringen können. Ihr Kraulen ist daher kein „optimales aqua-adäquatesNavalverhalten“, einAusdruck, den ich vonMykiMoto übernehme. Das theoretischeProblem bestand nun darin, ein Verfahren zu entwickeln, das dieseAsymmetrie nicht aufweist.

S:Wie haben Sie dieses Problem gelöst?

K: Ich habe ein System vonDifferentialgleichungen n-ter Ordnung unter nichtlinearenNebenbe-dingungenmit der Zielfunktion einerMinimierung der Zeit aufmMeter gelöst. DieOptimallö-sungwar derDelphin-Stil.

S: Das ist der Stil, mit dem Sie ein Jahr nach Ihrer Berufung den Sieg in denKaki-Ryoshi-Gameserrangen?

K: Ganz recht.

Page 20: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Eine nicht endende Diskussion 1.3

11

S: Herr Professor, gestatten Siemir noch eine abschließende Frage. Zumeiner Zeit dauerte dasStudiumderNavalogie zwei Jahre. Siemussten drei Jahre studieren. Inzwischen ist die Studien-zeit auf vier Jahre verlängert worden.Diese Entwicklung steht imGegensatz zu Bestrebungen inderÖffentlichkeit, die Studienzeit zu verkürzen.Was halten Sie von diesen Bestrebungen?

K: Um„schwimmen“ in Ihrem Sinne zu lernen, brauchtman,wie gesagt, vier Tage. UmKraulenzu lernen, brauchtmanmindestens zwei Jahre. DerDelphin-Stil erfordert einschließlich derkomplizierten strömungstheoretischenGrundlagenmindestens drei Jahre. Zur Zeit wird in derAkademie an einemVerfahren derNavaltechnik gearbeitet, bei demdie Luft nichtmehr einfachin dasWasser ausgeatmetwird, sondern so unter die Brust geblasenwird, dass der Körper sichstärker aus demWasser hebt undwie auf einemLuftkissen über dasWasser gleitet.Wir rechnendamit, dass in zwei Jahren jeder, der diese neueMethode nicht beherrscht, imWettkampf keineChancemehr habenwird. Die Studiendauerwird aber, wenn diese neueMethode in den Lehr-plan aufgenommenwird, verlängertwerdenmüssen.

S: Können auch ehemaligeAbsolventen der Schwimm-Akademie diese neueMethode erlernen?

K: Siemüssten sich einer intensiven Schulung in den Fortbildungskursen derAkademie unter-ziehen. Aber auch dannwerden nurwenige dieseMethode erlernen können, da sie eineAt-mungstechnik voraussetzt, die derjenige leichter erlernt, der nicht ein zu intensives Trainng ineiner anderen speziellenNavalmethode gehabt hat.

S: Darf ich IhrenWorten, Herr Professor, entnehmen, dass die Forderung nach Studenzeitverkür-zung also letztlich ein „Methodenstreit“ ist?

K: Ich habe Ihnen,Herr Shimbunshi, Fakten geschildert.Wie Sie diese interpretiren, undwelcheForderungen Sie daraus ziehen, überlasse ich Ihnen.

S: Ich danke Ihnen für das Interview,Herr Professor.

Die Antworten von „Kyoshi“ weisen auf das Problem der Definition vonWissenschaft, sie praktizieren „Wertfreiheit“, sie erläutern das durch Fach-sprachen sowie Modelle geschaffene Verständigungsproblem mit der Praxisund sie behaupten, dass man Wissenschaftler sein kann ohne Praktiker imüblichen Sinne geworden zu sein. Das sind Themen, die für die Betriebs-wirtschaftslehre über mehrere Jahrhunderte aktuell und relevant gebliebensind.

Interessanterweise gibt es eine vergleichbare Auseinandersetzung auch inden Technikwissenschaften. Sie ist in jüngster Zeit in eine Diskussion überihre Benennung eingetreten, unter Aufgabe der lange üblichen BezeichnungIngenieurwissenschaften. Auch dies hat eine Parallele in der Betriebswirt-schaftslehre, wenn auch aus ganz anderer Ursache heraus. Für die Charakte-risierung als Wissenschaft werden ähnliche Kriterien herangezogen wie siehier aufgestellt wurden. Als Disziplin gilt dabei nicht nur eine Anhäufungvon Wissen, sondern „ein geordnetes System des Wissens, … also ein vonWissenschaftlern formuliertes Programm.“ Weiter wird als wichtig angese-hen, dass sich die Angehörigen der Disziplin einer Ordnung unterwerfen,

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1 Betriebswirtschaftslehre – eine Wissenschaft

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„Normen und Regeln, welche die wissenschaftliche Arbeit anleiten.“23 DieDisziplin wird in der folgenden Abbildung 224 abstrakt dargestellt. Ganzlinks wird die Disziplin in personaler Hinsicht beschrieben, nämlich durchdie in Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen tätigen Wissen-schafter. Statt der Disziplinbezeichnung Technikwissenschaften wäre Be-triebswirtschaftslehre einzusetzen. Diese erhalten Impulse für die Ausrich-tung ihrer Arbeit aus der Praxis, aber – so wäre hier die Abbildung zu er-gänzen – auch aus dem Wissenssystem heraus durch Kombinationvorhandenen Wissens mit dem von ihnen neu gewonnenen Wissen. Prob-lematisch ist hier, dass der Begriff des Wissenschaftlers nicht unabhängigvon dem der Wissenschaft formuliert ist. Im „Wissenschaftssystem“ werdenaufgrund der Wissensgewinnung durch Wissenschaftler dann zwei Artenvon miteinander in Beziehung stehendem Wissen bereit gestellt: Das alsErgebnis der Forschung gewonnene Wissen und das in der Lehre vermittelteWissen. Insbesondere durch Aus- und Weiterbildung oder durch Beratungwird Wissen beiderlei Art in die Praxis übertragen, dort genutzt und weiterentwickelt. Auch deshalb kann die Praxis auf die Wissenschaftler ausstrah-len. Sie kann aber auch den im mittleren Feld „Wissenschaftssystem“ ge-sammelten Wissensbestand direkt ergänzen. Dabei würde für die Betriebs-wirtschaftslehre eine „wirtschaftlich handelnde Praxis“ anzunehmen sein.

Stuktur einer Wissenschaft und Einflussrichtungen zwischen ihren Elementen(Quelle: Wolfgang König, Struktur der Technikwissenschaften …, Berlin 2006, S.38)

23 Wolfgang König, Struktur der Technikwissenschaften, in: Gerhard Banse et al.,Hrsg., Erkennen und Gestalten. Eine Theorie der Technikwissenschaften, Berlin2006, S. 37-44, hier S. 39.

24 Ebenda, S. 38.

Abbildung 2

Page 22: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Existenz bedeutender Problemstellungen oder Fragen 2.1

13

2 Elemente einer Wissenschaft

Im Abschnitt 1.2 wurden Kriterien angegeben, die gemeinsam als Indizienfür die Existenz einer Wissenschaft herangezogen werden können. Ob dieseKriterien für die Betriebswirtschafslehre aus heutiger Sicht zutreffen, wird inden folgenden Abschnitten untersucht.

2.1 Existenz bedeutender Problem-stellungen oder Fragen

Die Existenz bedeutender einzelwirtschaftlicher Problemstellungen ist unbe-streitbar. Weniger offensichtlich ist die Existenz einer Gruppe von Personen,die sich diesen Fragestellungen annimmt und Lösungswissen erarbeitet. Daskann am ehesten exemplarisch gezeigt werden. Hier ist auf den glücklichenUmstand zurückzugreifen, dass zwei bedeutende Betriebswirte im Abstandvon 35 Jahren – etwa einer Generation - dazu eine Vorlage geliefert haben.Sie ist auch im Folgenden noch mehrfach heranzuziehen.

Dem nach mehreren beruflichen Stationen, auch dem Wechsel zwischenPraxis und Wissenschaft, an der Universität Köln lehrenden und forschen-den Erich Gutenberg (1897-1984)25 wird die Ehre zuteil, am 22. Mai 1957 zurGründungsfeier seiner Universität den Festvortrag zu halten. Er stellt ihnunter den Titel: „Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft“26, womit vor derakademischen Öffentlichkeit der im Titel formulierte Anspruch begründetwerden soll. Einer der Argumentationsbausteine ist der Hinweis auf „dreiProblemstände“, denen sich die Betriebswirtschaftslehre nach dem erstenWeltkrieg widmete:

25 Zu Leben und Werk, aus der Vielzahl der Veröffentlichungen: Hermann Sabel,Erich Gutenberg. Sein Werk. Die Wurzeln, das Werden, das Wirken. In: Horst Al-bach et al., Hrsg., Die Theorie der Unternehmung in Forschung und Praxis, Ber-lin/Heidelberg 1999, S. 15-34. Im Folgenden jeweils Lebensdaten in Klammern.

26 Erich Gutenberg, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Akademische Festrede,gehalten bei der Universitätsgründungsfeier am 22. Mai 1957, Krefeld 1957, S. 5-38.

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2 Elemente einer Wissenschaft

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„1. Die katastrophale Entwicklung der Währungsverhältnisse in Deutsch-land nach dem ersten Weltkrieg hatte zur Folge, dass alle diejenigen Kon-trollinstrumente der Unternehmensführung unbrauchbar wurden, diePreise als Maßeinheiten enthalten. Das ist aber im betrieblichen Rech-nungswesen der Fall. …

Wie also sollte man dieses nicht mehr leistungsfähige Kontrollinstrument,das betriebliche Rechnungswesen, mit all seinen Verzweigungen wieder zueinem leistungsfähigen Instrument der Unternehmenskontrolle und Un-ternehmensführung machen? Es ist ein großes Glück für die Betriebswirt-schaftslehre gewesen, dass diese für den Fortbestand der Unternehmenund damit für uns alle so entscheidend wichtigen Fragen auf Gelehrtetrafen, die ihnen gewachsen waren und sie auf höchstem Niveau behandel-ten. Das alles um so mehr, als sich bald herausstellte, dass mit der Fragenach der richtigen Behandlung von Geldwertschwankungen im Kontroll-apparat der Unternehmen ein sehr viel vielschichtigeres Problem ange-schnitten wurde. Es hat bis auf den heutigen Tag noch keine endgültigeLösung gefunden. …

Ich stehe nicht an zu erklären, dass nach meinem Dafürhalten die Be-triebswirtschaftslehre an dem Problem der Eliminierung von Geldwert-schwankungen aus Bilanz, Kostenrechnung, Preispolitik und … an demVersuch, die betrieblichen Führungs- und Kontrollinstrumente technischzu verfeinern und auszugestalten, zu sich selbst als Wissenschaft gefundenhat. Ein neuer Abschnitt betriebswirtschaftlichen Denkens begann. DasObjekt, das es zu durchdenken und zu durchforschen galt, lohnte größtenEinsatz. …

2. Schon früh war es einem Mann, dessen Name hier heute nicht zu nennenunverzeihlich sein würde, ich meine Schmalenbach, gelungen, durch dasNetz des betrieblichen Rechnungswesens in jenes Gewebe von Abhängig-keiten vorzustoßen, das der Kostenbereich er Unternehmen darstellt. …Die Frage … lautet: Welches sind die Größen, die das Kostenniveau einesBetriebes bestimmen? In Welcher Weise beeinflussen sie die Kosten? Lässtsich der Einfluss dieser Größen quantitativ bestimmen? In welchem Maßeist der gestaltende Einfluss betriebspolitischer Maßnahmen an Gesetzmä-ßigkeiten gebunden, die nicht übersprungen werden können? Bereits einabtastender Blick auf die quantitativen Abhängigkeiten im Kostengefügeder Unternehmen und die dispositionellen Möglichkeiten zeigt, dass dieZahl der Variablen sehr groß ist, mit denen man es hier zu tun hat. … DasProduktionskostenniveau eines Unternehmens wird einmal durch quanti-tative Abhängigkeiten zwischen den Elementen des Produktionsprozesses,zum anderen durch die betriebspolitischen Dispositionen bestimmt, die

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Existenz bedeutender Problemstellungen oder Fragen 2.1

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aber nicht willkürlich getroffen werden können, sondern an die Maximaund Minima des Wirtschaftlichkeitskalküls gebunden sind. Die Betriebs-wirtschaftslehre hat die Probleme, die im Kostenbereich der Unterneh-mung liegen, verhältnismäßig früh gesehen. Bereits im Jahre 1899 hattesich Schmalenbach … mit Kostenfragen beschäftigt. … Die Ergebnisseseiner Bemühungen … enthalten bereits die Elemente seiner späteren kos-tentheoretischen Lehren. So war die Betriebswirtschaftslehre nicht völligungerüstet, als die wirtschaftlichen Katastrophen nach dem ersten Welt-kriege und später Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre dieDisziplin dazu zwangen, sich ganz grundsätzlich mit dem Kostenproblemauseinanderzusetzen. … So hat denn die Betriebswirtschaftslehre auch amKostenproblem zu sich selbst als Wissenschaft gefunden.

3. Es gibt noch einen dritten Problemkreis, der für die wissenschaftlicheEntfaltung der Betriebswirtschaftslehre von großer Bedeutung gewesen ist;ich meine gewisse absatzpolitische oder, wie man auch sagen könnte, ab-satzwirtschaftliche Probleme…

Alle absatzpolitischen Entscheidungen, die ein unter marktwirtschaftlichenBedingungen arbeitendes Unternehmen trifft, beruhen auf unbekanntenAktions-, Reaktions- und Trenderwartungen. Ist es angesichts einer sol-chen Situation verwunderlich, dass sich die betriebswirtschaftliche For-schung mit Energie in alle Bestrebungen einschaltete, die das ‚Unbere-chenbare’ der wirtschaftlichen Vorgänge so weit wie möglich berechenbarmachen sollten? … Es sind die zwanziger Jahre, in denen die betriebswirt-schaftliche Forschung nicht ohne Erfolg an der Entwicklung von Methodengearbeitet hat, die das Marktgeschehen transparent machen sollten, um dieAbsatzräume der Unternehmen gegen unvorhergesehene, gefahrvolleEreignisse abzuschirmen. Pointiert ausgedrückt, man wollte das unbere-chenbare marktwirtschaftliche Geschehen mit Hilfe der Methoden derMarktforschung so weit wie möglich berechenbar machen. Damit wurdezugleich der gesamte Marktprozeß, soweit er vom einzelnen Unternehmenaus gesehen relevant erscheint, in den wissenschaftlichen Bereich der Be-triebswirtschaftslehre einbezogen. Die Disziplin hat auf diese Weise einewesentliche Erweiterung und Bereicherung ihres Gegenstandes erfahren.…

In Wirklichkeit stehen diese drei Problemgruppen in weitverzweigtenZusammenhängen. Und dieser Gesamtzusammenhang ist es gewesen, andessen … Problembeständen die moderne Betriebswirtschaftslehre ihrewissenschaftliche Form gefunden hat.“

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2 Elemente einer Wissenschaft

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Professor Dr. Dr. h. c. mult Erich Gutenberg (1897 – 1984)(mit Genehmigung von Frau Dr. R. Albach)

Die drei beispielhaft herausgegriffenen Problembereiche aus der Zeit derzwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts zeigen das Zusammenspiel von Anre-gungen an die Disziplin von außen und selbständigen Aufgreifens vonProblemen von innen. Sie zeigen auch die Veränderung der Disziplin unterdem Aufgreifen der Fragestellungen und der Wege, die zu ihrer Lösungführen sollen. Der Begriff „Disziplin“ erscheint ausdrücklich. Natürlich wirdin diesem Rahmen keine Detailbeschreibung der Ansätze und Lösungengeboten, vor allem nicht in personeller Hinsicht. Wenn auch Eugen Schma-lenbach ausdrücklich erwähnt wird, so fehlt doch beispielsweise mit Blickauf die Probleme der Eliminierung von Geldwertschwankungen aus demRechnungswesen der Hinweis auf Erich Gutenbergs Lehrer Fritz Schmidt(1882-1950). Seine Fehleranalyse, die Verknüpfung betrieblicher Vorgängemit ihren Wirkungspotenzialen für volkswirtschaftliche Entwicklungen unddie Therapievorschläge durch Pufferung von Wertschwankungen über stilleReserven oder die Anlage eines Kapitalunterkontos zur Sammlung vonWertänderungen und damit ihre Offenlegung sind zusammenfassend ineinem kurzen Aufsatz 1927 dargelegt worden.27

27 Fritz Schmidt, Die Industriekonjunktur – ein Rechenfehler! Zeitschrift für Be-triebswirtschaft, 2. Sonderheft, 1927, S. 61-72. Das Wertänderungskonto heißtheute Neubewertungsrücklage nach IFRS.

Abbildung 3

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Existenz bedeutender Problemstellungen oder Fragen 2.1

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Das zweite Beispiel geht auf einen Vortrag am 12. Februar 1993 zurück. Der„Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft“ sah sich veranlasst,zur Situation des Faches vor dem Hintergrund kontinuierlicher Überlastungmit Lehraufgaben, dem damit verminderten Stellenwert der Forschung, demVerhältnis der Universitäten zu den Fachhochschulen, der Nachwuchssitua-tion und der Stellung im Vergleich zum Ausland öffentlich Stellung zunehmen. In diesem Zusammenhang übernahm es Horst Albach28 (1931)unter dem schon bekannten Titel von Gutenbergs Rede zu sprechen.29 Wasdie Themenfelder angeht, werden einerseits gesellschaftliche Trends er-wähnt (Globalisierung der Wirtschaft, Intensivierung des internationalenWettbewerbs, Ausbreitung der sozialen Marktwirtschaft, zunehmendeFrauenarbeit, ökologisches Bewusstsein), die in der Betriebswirtschaftslehreaufzugreifen sind und aufgegriffen wurden. Sie werden von außen an sieherangetragen. Andererseits wird auf wissenschaftsimmanente Trends ver-wiesen, die auf zwei Zeitabschnitte verteilt sind. Wie bei Gutenberg werdenjeweils drei Problemfelder angesprochen. Dies wird auszugsweise zusam-mengefasst:

„1. Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre in den sechziger und sieb-ziger Jahren…Drei Probleme waren es also, deren Lösung sich die Be-triebswirtschaftslehre in dieser Zeit zuwandte: das Interdependenzprob-lem das Problem langfristiger Entscheidungen das Unsicherheitsproblem.…

2. Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre in den achtziger und neun-ziger Jahren Die achtziger und neunziger Jahre sahen eine Entwicklung inder Betriebswirtschaftslehre, die die Frage nach der Entscheidung im Un-ternehmen ganz neu stellte. Entscheidungen im Unternehmen werdennicht von einem Einzelnen getroffen. Vielfach sind daran Gremien betei-ligt. Im allgemeinen müssen bestimmte Entscheidungen delegiert werden.Es darf jedoch nicht als gesichert angenommen werden, dass Delegation zuderselben Entscheidung führt, wie sie der Leiter des Unternehmens selbsttreffen würde. Damit war das Organisationsproblem der Unternehmungneu gestellt. Die Beschäftigung mit diesem Problem lässt sich durch dreiEntwicklungstendenzen kennzeichnen. Sie betreffen: das Problem der

28 Klaus Brockhoff, Betriebswirtschaftliche Theorie für die unternehmerischePraxis – Zum 65. Geburtstag von Horst Albach, Zeitschrift für betriebswirtschaft-liche Forschung, 48. Jg., 1996, S. 761-764.

29 Horst Albach, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft. Entwicklungstenden-zen in der modernen Betriebswirtschaftslehre. Zeitschrift für Betriebswirtschaft,Ergänzungsheft 3/1993, S. 7-26.

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2 Elemente einer Wissenschaft

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Dynamik das Problem der Information - das Problem der Motivation.“

Professor Dr. Dr. h. c. mult Horst Albach (Quelle: Preker, Münster, mit Genehmi-gung von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. H. Albach)

Die hier genannten Problemstellungen sollen kurz erläutert werden. Mitdem Interdependenzproblem wird eine Menge von Fragestellungen angespro-chen, die sich aus der Konkurrenz um knappe Ressourcen und um die Rei-henfolge von Ressourcennutzungen vor allem in Mehrproduktunternehmenergeben. Das Problem langfristiger Entscheidungen behandelt die die Kapazitätder auf Dauer angelegten Unternehmen verändernden Investitionsentschei-dungen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Finanzierungsmöglichkei-ten. Das Unsicherheitsproblem ist zu einer Theorie des Risikomanagementsentwickelt worden, in der sowohl über Wahrscheinlichkeiten abgebildeteErwartungen künftiger Ereignisse modelliert werden als auch rivalisieren-des Akteursverhalten, letzteres durch die Spieltheorie. Für diese drei Prob-lemgebiete seien, so stellt Albach fest, „grundsätzliche Wenn-Dann-Aussagen, die logisch wie experimentell überprüfbar sind und die allgemei-ne Gültigkeit haben“30, entwickelt worden.

30 Horst Albach, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft. Entwicklungstenden-zen in der modernen Betriebswirtschaftslehre. Zeitschrift für Betriebswirtschaft,Ergänzungsheft 3/1993, S. 7-26, hier S. 12.

Abbildung 4

Page 28: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Vorgehensweisen der Wissensgewinnung 2.2

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Gleiches gilt auch für die dem folgenden Zeitraum zugeordneten Problem-gebiete. „Die dynamische Theorie der Firma macht Wenn-Dann-Aussagenüber die zeitliche Wirkung betrieblicher Entscheidungen“, beispielsweise ineiner dynamischen Preistheorie oder in einer dynamischen Theorie der Nut-zung natürlicher Ressourcen. Mit dem Informationsproblem werden explizitKosten und Wirkungen von Informationen in betrieblichen Entscheidungs-prozessen erfasst. Anreiz- und Vertrauenswirkungen werden berücksichtigt.Die Koordination der divergenten Ziele einzelner Entscheidungsträger zueinem Unternehmensziel wird schließlich im Motivationsproblem behandelt.Das reicht bis zur Gestaltung von Arbeitsverträgen einerseits oder den gera-de in jüngster Zeit intensiv behandelten Fragen der Unternehmensverfas-sung (corporate governance) andererseits.

Die von Albach hervorgehobene Qualität der Ergebnisse wird durch kon-trollierten und systematischen Methodeneinsatz erreicht. Das ist im Folgen-den noch näher zu betrachten. Nicht zu verkennen ist aber auch, dass dieBehandlung der hier skizzierten Problemstellungen in erheblichem Maßevom Austausch mit benachbarten Disziplinen, etwa der Mathematik, derBürokratismustheorie oder der Psychologie, Gewinn hatte. Das gilt auch fürtechnische Neuerungen, wie insbesondere der Informations- und Kommu-nikationstechnik. Auch dies hat zur Veränderung der Disziplingrenzenbeigetragen.

In einer ersten Annäherung kann das „Erkenntnisobjekt“ der Disziplin Be-triebswirtschaftslehre als Lösung wirtschaftlicher Fragestellungen von Ein-zelwirtschaften bezeichnet werden. Wie immer beim Wirtschaften ergebensich die Fragen aus der Knappheit der verfügbaren Ressourcen gegenübergrundsätzlich unbeschränkten Bedürfnissen der Menschen.

2.2 Vorgehensweisen der Wissens-gewinnung

Als zweites Kennzeichen einer wissenschaftlichen Disziplin wurde die sys-tematische Wissensgewinnung genannt. Im Laufe der Zeit sind unterschied-liche Vorgehensweisen dazu entwickelt worden. Diese werden auch in derBetriebswirtschaftslehre genutzt. Das soll beispielhaft dargestellt werden.

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2 Elemente einer Wissenschaft

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2.2.1 Meinung und Erkenntnis

Bloßes „Meinen“ stellt kein Wissen dar. Das Bedürfnis nach Überprüfbarkeitvon Erkenntnissen hat sich schon sehr früh herausgebildet. Im Laufe derZeit sind die Anforderungen daran gestiegen. Im 18. Jahrhundert wurde vondem Kieler Juristen Reinhard Friedrich Terlinden von Gelehrsamkeit als„Inbegriff aller logischen, nicht gemeinen, wichtigen und in Form der Kunstgebrachten Wahrheiten“ gesprochen.31 Dies verknüpft die Sichtweise mit derdes vorhergehenden Abschnitts.

Die Erkenntnismethoden unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. In der„westlichen Welt“ bezieht man sich oft auf griechische Philosophen, wennman den Beginn einer systematischen Erkenntnissuche charakterisieren will.

Platon (aus: Baumeister, Denkmäler des klassischen Altertums. 1888. Band III.,Seite 1335, wikipedia.de:Bild:Platon-2.jpg)

31 Rudolf Stichweh, Der frühmoderne Staat und die europäische Universität. ZurInteraktion von Politik und Erziehungssystem im Prozess ihrer Ausdifferen-zierung, Frankfurt 1991, S. 113.

Abbildung 5

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Vorgehensweisen der Wissensgewinnung 2.2

21

Blickt man auf die griechische Klassik zurück, so wird dort mit der im Dia-log entwickelten Dialektik ein Weg aufgezeigt, um Meinen von Wissen zuunterscheiden. Als Beispiel sei auf einen kleinen Abschnitt aus der Staatsleh-re „Politeia“ von Platon32 (Abbildung 5) verwiesen, in dem Sokrates mitGlaukon diskutiert:

„….Denn du meinst doch nicht, dass die in diesen Dingen stark sind, schonDialektiker sind? – Nein, beim Zeus, außer nur gar wenige von denen, diemir bekannt geworden. – Aber auch das nicht, dass solche, die nicht einmalvermögen, irgend Rede zu stehen oder zu fordern, irgend etwas wissenwerden von dem, was man, wie wir sagen, wissen muss? – Auch das ge-wiss nicht, sagte er. – Also dieses, o Glaukon, ist nun wohl die Melodieoder der Satz selbst, was die Dialektik ausführt? Von dem auch, wie er nurmit dem Gedanken gefasst wird, jenes Vermögen des Gesichts ein Abbildist, von welchem wir sagten, dass er bestrebt sei, auf die Tiere selbst zuschauen und auf Gestirne selbst, ja zuletzt auch auf die Sonne selbst. Soauch wenn einer unternimmt, durch Dialektik ohne alle Wahrnehmungnur mittels des Wortes und Gedankens zu dem selbst vorzudringen, wasjedes ist, und nicht eher ablässt, bis er, was das Gute selbst ist, mit derErkenntnis gefasst hat, dann ist er an dem Ziel alles Erkennbaren, wie jenerdort am Ziel alles Sichtbaren. – Auf alle Weise. – Und diesen Weg, nennstdu den nicht den dialektischen? – Wie sonst? …. Nun aber, sprach ich, gehtallein die dialektische Methode, auf diese Art alle Voraussetzungen aufhe-bend, gerade zum Anfange selbst, damit dieser fest werde, und das inWahrheit in barbarischem Schlamm vergrabene Auge der Seele zieht siegelinde hervor und führt es aufwärts, wobei sie als Mitdienerinnen undMitleiterinnen die gebraucht, welche wir zwar mehrmals Wissenschaftengenannt haben, der Gewohnheit gemäß, die aber eines anderen Namensbedürfen, der mehr besagt als Meinung, aber dunkler ist als Wissenschaft –wir haben sie schon früher irgendwo Verständnis genannt; indes, denkeich, müssen die nicht über die Wörter streiten, denen eine so große Unter-suchung wie uns vorliegt. – Freilich nicht! Sagte er, sondern wenn einesnur das bestimmte bezeichnet für den Vortrag … genügt es. – Es genügtuns also, sprach ich, wie zuvor die erste Abteilung Wissenschaft zu nen-nen, die zweite Verständnis, die dritte Glaube, die vierte Wahrscheinlich-keit; und diese beiden zusammen genommen Meinung, jene beiden aberErkenntnis…“.

32 Platon, Sämtliche Werke, Bd. 3, Phaidon, Politeia, Hamburg 1963, S. 67ff., hier S.238ff.

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2 Elemente einer Wissenschaft

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Die im letzten Satz zusammengefasste Begriffsdifferenzierung zeigt sehrklar, wie früh die Notwendigkeit einer methodischen Wissensgewinnungerkannt wurde. Der Versuch, durch eine bestimmte, voraussetzungsfreierscheinende Methode verallgemeinerbares Wissen zu finden, auch ohnespezifische Zweckbestimmung, ist für die griechische Klassik kennzeich-nend. Schon in römischer Zeit wird dem Verwendungsaspekt des Wissensein viel höheres Gewicht zukommen.33

2.2.2 Induktion und Experiment

Mit einem großen Schritt wenden wir uns nun einer Alternative der syste-matischen Wissensgewinnung zu, die zugleich bewusst die dialektischeLogik ablehnt. Francis Bacon (1561-1626)34 propagiert ein erfahrungswissen-schaftliches Vorgehen der Induktion und das Experiment als eine Methode derWissensgewinnung. Diese richtet sich auf natur- oder ingenieurwissen-schaftliche Phänomene. Gleichwohl darf in den Methodenvorschlägen aucheine Anregung für die Wissensgewinnung in anderen Disziplinen gesehenwerden. Für die Betriebswirtschaftslehre sind zwei Aspekte schon hier zuerwähnen. Erstens wird schon im dritten „Aphorismus“ seines Werkes „No-vum organum“ von 1620 postuliert: „Menschliches Wissen und menschlicheMacht treffen in einem zusammen; denn bei Unkenntnis der Ursache versagtsich die Wirkung.“35 Das ist nicht nur die Stelle, aus der sich der oft zitierteSatz „Wissen ist Macht“ ableitet. Nicht immer wird dabei berücksichtigt,dass es sich um Macht gegenüber der Natur handelt. Es ist auch die Stelle,aus der man die Bedeutung der Erklärung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen für die Wissensgewinnung erschließt. Wenn die Betriebswirt-schaftslehre über Erklärung hinausgehend auch Grundlagen des Handelnsbereitstellen will, muss sie sich um solche Beziehungen bemühen.

33 H. J. Störig, Kleine Weltgeschichte der Wissenschaft, 2. A., Frankfurt a. M. 2007.34 Eine kurze Einführung zu Leben und Werk gibt: Wolfgang Krohn, FrancisBacon,München 1987.

35 Francis Bacon, Novum organum, hier zitiert nach der Ausgabe: J. Spedding/R.L. Ellis/D.D.Heath, Hrsg., The Works of Francis Bacon, Vol. I, London 1858(Reprint: Stuttgart-Bad Cannstadt 1963).

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Vorgehensweisen der Wissensgewinnung 2.2

23

Frontispiz der „Instauratio Magna“ von Francis Bacon, London 1620. Das „no-vum organum“ ist der zweite Teil der „Instauratio Magna“

Zweitens wird darauf hingewiesen, dass Bacon eine „nützliche Prinzipien-wissenschaft“ anstrebt, ohne diesen Ausdruck selbst zu benutzen: „er behilftsich meist damit, Nützlichkeit und Wahrheit zu parallelisieren: Nimmt mandas eine zu, dann auch das andere. Da dies aber kein Zufall ist, sondern aufKonstruktion … beruht, ist es für das Verständnis der baconischen Philoso-phie grundlegend, die innere Beziehung von Nützlichkeit und Prinzipien-wissen genau zu bestimmen.“36 Für die Auseinandersetzung um die Akzep-tanz der Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft spielt auch dies eine Rol-

36 Wolfgang Krohn, Francis Bacon,München 1987, S. 82f.

Abbildung 6

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2 Elemente einer Wissenschaft

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le: Nützlichkeit und Wahrheit eben nicht als Gegensätze anzusehen oder alsnur zufällig zusammenfallend zu akzeptieren.

Das „novum organum“ ist der zweite Teil eines unter dem Titel „instauratiomagna“ veröffentlichten Buches (Abbildung 6). Dieses hat einen sehr be-kannten Kupferstich als Titelblatt, in dem die Methodenfragen schon allego-risch angesprochen werden. Beginnen wir mit den in’s Auge stechendenSäulen. Zwei Fehlurteile, das „Erreichte zu hoch, das Erreichbare zu geringzu bewerten – nennt er (Bacon, K.B.) die ‚Schicksalssäulen der Wissenschaft’…, über die hinauszustreben die Menschen bisher weder den Wunsch nochdie Hoffnung haben.“37 Etwas weitergehend stehen sich hier Neuerungs-feindlichkeit und – ohne genügende Steuerung des Schiffes – die Kraft derWellen des Experimentierens ohne Gesetz oder Plan gegenüber, die dieKlippen im Vordergrund zur Gefahr werden lassen. Darin werden klassi-sche Universitätsdisziplinen und ihre Methodik, insbesondere der „dialecti-ae“, gesehen. Sie bringen nach Bacons Auffassung keine wirklichen Neue-rungen hervor.38

Mit den beiden präsentierten Methodiken wird deutlich, dass es keine ein-heitliche, von allen akzeptierte Vorgehensweise der Wissensgewinnung gibt.Vielmehr konkurrieren unterschiedliche Vorgehensweisen miteinander. Daserfordert dann eine Auswahl, für die wiederum Kriterien entwickelt werdenmüssen. In den Abschnitten 2.2.4 bis 2.2.6 wird darüber berichtet.

2.2.3 Sichtweisen der Betriebswirtschaftslehre

Nach diesen exemplarischen Hinweisen wenden wir uns wieder der Darstel-lung zu, die Erich Gutenberg in der zitierten Rede gibt. Er verweist ausführ-lich auf die Bedeutung von „Methoden“, durch die wissenschaftliches Den-ken „Rationalität, Präzision, Festigkeit und Nachprüfbarkeit“ erreicht.39

„Erst die Härte der methodischen Prozedur vermag den Einfall zu einemBestandteil wissenschaftlicher Erkenntnis zu machen.“40 Sodann zählt er auf:

37 Ebenda, S. 64.38 Ebenda, S. 66.39 Erich Gutenberg, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Krefeld 1957, S. 27.40 Ebenda.

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Vorgehensweisen der Wissensgewinnung 2.2

25

„…a)…Gewinnung von Tatsachenkenntnisb) … Kausalanalysec) … Finalanalysed) … Analyse nach der Methode ‚verstehender’ Sozialwissenschaft.

Zu a): Tatsachenkenntnis kann beruhen�) auf eigener Erfahrung und Sachkenntnis�) auf der Einholung von Informationen zur Ergänzung persönlicher Er-fahrung und Sachkenntnis�) auf monographischen Arbeiten vornehmlich beschreibender Art�) auf systematisch durchgeführten Befragungen�) auf primär statistischen Erhebungen�) auf der Bearbeitung sekundär-statistischen Materials.Es ist klar, dass das Sammeln und Ordnen von Material nur der ersteSchritt zur wissenschaftlichen Analyse betriebswirtschaftlicher Vorgängesein kann. Denn es genügt nicht zu wissen, dass etwas so ist, wie es ist. Diewissenschaftliche Aufgabe besteht vielmehr darin, zu erkennen, warum esso ist.Zu b): KausalanalyseMan kann sagen, dass das gesamte Geschehen in einem Unternehmen oderBetrieb zu einem bestimmten Zeitpunkte durch jeweils eine ganz bestimm-te Konstellation inner- und außerbetrieblicher Daten bestimmt sei. … Diebetriebswirtschaftlich relevante Frage lautet deshalb: Wie ändert sich dieGröße A, wenn sich die Größe B ändert? Dieser Kausalnexus ist es, welcherdie Betriebswirtschaftslehre interessiert und dessen Analyse ihr so großeSchwierigkeiten bereitet.Zu c): Von Finalanalyse kann man sprechen, wenn untersucht wird, zuwelchem Ergebnis bestimmte Maßnahmen angesichts einer bestimmtenAusgangslage führen werden ….Zu d): Besteht die wissenschaftliche Aufgabe darin, die Unternehmen alsganzheitliche Gebilde zu analysieren, dann wird man versuchen, durch‚Verstehen’ die Sinngehalte zu erschließen ….“

Diese gerafften Hinweise zeigen die Vielfalt der Methoden, die Interdepen-denz von Methodenwahl und Aufgabenstellung sowie die besondere, schonbei Bacon erwähnte Aufgabenstellung der Kausalanalyse und einer daraufaufbauenden „Finalanalyse“. Außerhalb von a) werden – im hier nicht wie-dergegebenen Text - auch Experimente erwähnt. Dass mit d) auch die„Hermeneutik“ als Methode herangezogen wird, mag Erstaunen auslösen.In jüngster Zeit steht sie nicht im Vordergrund der Erkenntnisgewinnungs-methoden. Den Ort der historischen Betrachtung findet man unter a) be-stimmt und im Rang deutlich hinter die Kausalanalyse zurückgesetzt.

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2 Elemente einer Wissenschaft

26

Die historische Fortsetzung dieser Betrachtungsweise findet sich wiederumbei Horst Albach. Er verweist auf zwei Wege wissenschaftlicher Entwick-lung: die „objektive Theorie“ und die „empirische“ Wissensgewinnung. Die „ob-jektive Theorie“ ist von unbeteiligten Dritten überprüf- und nachvollziehbar.Insbesondere leitet sie ihre Erkenntnisse aus Grundannahmen (sogenanntenAxiomen) nach den Regeln mathematischer Logik ab und führt Beweise.Klassisch wurden zum Beispiel die Beweise für die vielen Varianten derOptimierungsbedingung „Grenzerlös gleich Grenzkosten“ unter Heranzie-hung der Infinitesimalrechnung geführt. Mit der Optimierung unter Neben-bedingungen in Ungleichungsform kamen für den Fall linearer Beziehungendann das Preistheorem von Koopmanns41 und für nicht-lineare Beziehungendie Kuhn-Tucker-Bedingungen42 hinzu. Diese Methoden können unmittel-bar zur Erkenntnis führen. Das Konzept der Dualität in der linearen Pro-grammierung beispielsweise legt die Grundlagen für den Satz: „Das Rech-nungswesen und die Produktionsplanung wurden als duale Ansätze er-kannt“43.

Der empirischen Methodik zuzurechen sind die verschiedenen Verfahrender beschreibenden, der schließenden Statistik und der Ökonometrie. Hier-her gehört auch die Entdeckung des Experiments für die Wirtschaftswissen-schaften.44 Als Marktforschungsmethode werden Experimente 1974 behan-delt,45 als Entdeckungsverfahren für Erkenntnis aber schon weit früher.46

Die empirische Wissensgewinnung ist gegenüber der Darstellung bei ErichGutenberg in den von Horst Albach überblickten Jahrzehnten darüber hin-aus auch an anderer Stelle sehr viel weiter gekommen. Bei Gutenberg heißtes noch: „Wie ändert sich die Größe A, wenn sich die Größe B ändert?“,wobei A und B einzelne Variablen bedeuten. Heute können auch solche

41 Tjalling C. Koopmanns, Hrsg., Activity Analysis of Production and Allocation, NewYork 1951.

42 H. W. Kuhn/A. W. Tucker, Nonlinear Programming, in: J. Neymann, Ed., SecondBerkeley Symposium on Mathematical Statistics and Probability, Berkeley, CA 1951, S.481-492.

43 Horst Albach, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Zeitschrift für Betriebswirt-schaft, Ergänzungsheft 3/1993, S. 7-26, hier S. 10.

44 In Deutschland sehr früh: Heinz Sauermann/Reinhard Selten, Anspruchsanpas-sungstheorie der Unternehmung, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 118.Bd., 1962, S. 577-597.

45 Karl Christian Behrens, Marktforschung, Methoden der, Handwörterbuch der Ab-satzwirtschaft, Stuttgart 1974, Sp. 1354-1362, hier Sp. 1358f.

46 Johann Heinrich von Thünen, Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft undNationalökonomie, oder Untersuchungen über den Einfluß, den die Getreidepreise, derReichthum des Bodens und die Abgaben auf den Ackerbau ausüben, Hamburg 1826(Nachdruck Düsseldorf 1986), Bd. 2 Rostock 1842, Bd. 3 Rostock 1863.

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Vorgehensweisen der Wissensgewinnung 2.2

27

Beziehungen untersucht werden, in denen A als Vektor und B als Matrixvon Variablen verstanden werden oder die Variablen als „Konstrukte“ auf-zufassen sind, die empirisch durch mehrere „items“ oder „Elemente“ gebil-det werden.

2.2.4 Anforderungen: Wertfreiheit

Konkurrierende wissenschaftliche Methoden sollen bestimmten Kriteriengenügen. Auch um diese Kriterien gibt es Auseinandersetzungen, da sienicht von allen an Erkenntnisgewinnung Interessierten ohne weiteres akzep-tiert werden. Ein erstes prominentes Beispiel dafür ist die Forderung nachWertfreiheit.

Professor Dr. Max Weber, 1894 (Max_Weber_1894.jpg aus wikipedia.de)

Für die empirische Wissensgewinnung sind – neben der Prüf- und Nach-vollziehbarkeit durch Dritte - zwei wichtige Kriterien zu nennen:Wertfreiheitund Falsifizierbarkeit. Die Forderung nach Wertfreiheit als Grundnorm wis-senschaftlichen Arbeitens geht auf Max Weber (1864-1920) zurück (Abbil-dung 7).47 Sie ist auch in der Betriebswirtschaftslehre heftig debattiert wor-den. Eine sehr knappe Darstellung und Kritik der Position sowie eine Diffe-

47 Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftstheorie, Tübingen 1922 (3. A.,Tübingen 1970).

Abbildung 7

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2 Elemente einer Wissenschaft

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renzierung der Werturteilsarten ist Hans Albert (1921) zu verdanken.48 Da-nach werden drei Arten von Werturteilen unterschieden: „Werturteile imBasisbereich sind eine Voraussetzung für jede Forschungstätigkeit. Sie entste-hen beispielsweise durch das angesprochene oder praktizierte Bekenntnis zuwissenschaftstheoretischen Auffassungen und durch die Auswahl der For-schungsprobleme. Bei Werturteilen im Objektbereich geht es um wissenschaft-liche Aussagen über Werte, z. B. um … Untersuchungen der Zielsystemevon Unternehmungen. Werte sind hier Objekte wissenschaftlicher Untersu-chungen. BeiWerturteilen im Aussagenbereich geht es dagegen um Wertungenim Rahmen wissenschaftlicher Aussagen über Objekte. Es wird gefragt, obwissenschaftliche Aussagen wertfrei sein müssen. Dieses Problem ist ge-meint, wenn über das Werturteilsproblem in der Betriebswirtschaftslehrediskutiert wird.“49 Vor diesem Hintergrund sind die Sätze zu lesen: „Aberdie Ziele dürfen nicht vom Wissenschaftler postuliert sein, sondern müssender Wirklichkeit entnommen werden. Sie sind Bestandteil des wissenschaft-lich zu erforschenden Problems.“50

Allerdings wird immer wieder auch eine wertende Betriebswirtschaftslehrevertreten. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts erfolgte dies bei-spielsweise durch Heinrich Nicklisch und seine Anhänger. Es ist eine huma-nistisch an sogenannten „ewigen Werten“ im „Gewissen“ orientierte Sicht-weise mit strengen, nicht marktbezogen formulierten Gerechtigkeitspostula-ten. Das führt zu Folgerungen, wie etwa der folgenden:51

„Die kapitalistische Entwicklung unseres Wirtschaftslebens hat den Ge-winnbegriff an den des Kapitals geknüpft, statt an den des Schöpferischenim Leben, der Arbeit. Das war irrig. Diese Denkweise hat das, was in derBemessung der Wirkungsanteile grundsätzlich richtig ist, verschleiert undKapitaleigentümern gestattet, mehr Anteil einzuheimsen als ihnen zukam.Nicht durch das Kapital, sondern nur durch diese Ungerechtigkeit ist dasentstanden, was Kapitalismus heißt. Es ist Zeit, dass das Aktienrecht

48 Hans Albert, Wissenschaftstheorie, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 3,4. A., Stuttgart 1976, Sp. 4674-4692, bes. Sp. 4687; ders.,Marktsoziologie und Entschei-dungslogik, Neuwied et al. 1967.

49 Gerold Behrens, Wissenschaftstheorie und Betriebswirtschaftslehre, in: Handwörter-buch der Betriebswirtschaft, Bd. 3, 5. A., Stuttgart 1993, Sp. 44763-4772, hier Sp. 4770f.

50 Horst Albach, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Zeitschrift für Betriebswirt-schaft, Ergänzungsheft 3/1993, S. 7-26, hier S. 9.

51 Heinrich Nicklisch, Der Weg aufwärts! Organisation. Versuch einer Grundlegung,Stuttgart 1920, hier 2. A. 1922, S. 100. ders., Die Betriebswirtschaft, 7. A., 1. Lieferung,Stuttgart 1929, S. 29: „vom Reich der Zwecksetzungen kann es keine wertfreie Wis-senschaft geben, deshalb auch nicht von der Betriebswirtschaft.“

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Vorgehensweisen der Wissensgewinnung 2.2

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gründlich umgestaltet wird, besonders auch die Rechtsvorschriften überdie Verteilung der Gewinne. Gegen das Privateigentum an Kapital sindmeine Äußerungen nicht gerichtet, sondern gegen die ungerechte Vertei-lung der Gesamtwirkung an die Beteiligten. Als eins der größten Übel derZeit erscheint mir unter dem noch geltenden Recht einer, der nichts ist alsAktionär.“

Das muss hier nicht inhaltlich beurteilt werden. Erstaunlich ist aber doch,dass der Gedanke etwa 50 Jahre später wieder auftaucht. Im Rahmen derstudentischen Protestwelle des Jahrzehnts nach 1968 wurde von den unter-schiedlichsten sozialistischen bis kommunistischen Gruppen der Versuchunternommen, Betriebswirte zu einer genehmen, wertenden Position zu be-wegen. Intensive „Befragungen“ in Lehrveranstaltungen, vorbereitet durchWandzeitungen und Flugblätter, sowie Zwang zur „Selbstkritik“ warenInstrumente, die gewünschte Werthaltung zu erreichen. Etwas zurückhal-tender wirkt dagegen der Versuch zur Etablierung einer „arbeitsorientiertenEinzelwirtschaftslehre“,52 die unmittelbar an dem hier wiedergegebenenNicklisch-Zitat hätte anknüpfen können.

Wertend ist auch, wenn Regeln guter oder ordnungsgemäßer Unterneh-mensleitung nicht nur abgeleitet, zur Diskussion gestellt und auf ihre Ver-breitung hin untersucht werden, sondern mit normsetzendem Anspruchvorgetragen werden.53 Natürlich ist die Verbindlichkeit des Deutschen Cor-porate Governance Kodex durch die Anwendungspflicht nach § 161 desAktiengesetzes die Etablierung einer wertenden Norm. Dass auch „complyor explain“ unter ausreichend starkem öffentlichen und politischen Druckzur verbindlichen, gesetzlich geregelten Erklärungspflicht mutiert, hat manin der Frage des individualisierten Ausweises der Vorstands- und Aufsichts-ratsbezüge erlebt. Die dann im Jahre 2007 begonnene Diskussion über dieGerechtigkeit der Höhe der Management-Bezüge, populistisch dem teilssozialpolitisch, teils wettbewerbspolitisch begründeten Begehren nach Min-destlöhnen gegenübergestellt, demonstriert die Folgen wertender Argumen-tationen.

52 Zum Beispiel: N. Koubek, Grundelemente einer arbeitsorientierten Einzelwirt-schaftslehre, in: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut des DeutschenGewerkschaftsbundes, Hrsg., Arbeitsorientierte Einzelwirtschaftslehre contra Kapitalori-entierte Betriebswirtschaftslehre, WSI-Studien zur Wirtschafts- und Sozialforschung,Nr. 24, Köln 1973, S. 69ff. Zur Kritik u.a.: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre.Bd. 4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S.250.

53 Beispielsweise: Axel von Werder, Management – Mythos oder regelgerechteKunst? Plädoyer für die Formulierung von Grundsätzen ordnungsgemäßer Unter-nehmensführung (GoU), Der Betrieb, Bd. 48, 1995, S. 2177-2183.

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2 Elemente einer Wissenschaft

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2.2.5 Anforderungen: Falsifizierbarkeit

Nach diesem Ausflug ist wieder zum Hauptthema zurückzukehren, derEtablierung von Regeln für systematisches wissenschaftliches Arbeiten. Esgeht um Verifizier- oder Falsifizierbarkeit empirisch gewonnener Erkenntnis-se.

Die Auseinandersetzung darüber ist durch Karl Raimund Popper (1902-1994) in die Debatte gebracht worden (Abbildung 8). Er argumentiert gegendie induktive Methode, wie sie von Francis Bacon vertreten wurde54:

„Now in my view. There is no such thing as induction. Thus inference totheories, from singular statements which are ‚verified by experience’(whatever that may mean), is logically inadmissible. Theories are, there-fore, never empirically verifiable. If we wish to avoid the positivist’s mis-take of eliminating, by our criterion of demarcation, the theoretical systemsof natural science, then we must choose a criterion which allows us to ad-mit to the domain of empirical science even statements which cannot beverified. But I shall certainly admit a system as empirical or scientific onlyif it is capable of being tested by experience. These considerations suggestthat not the verifiability but the falsifiability of a system is to be taken as thecriterion of demarcation. In other words: I shall not require of a scientificsystem that it shall be capable of being singled out, once and for all, in apositive sense; but I shall require that its logical form shall be such that itcan be singled out, by means of empirical tests, in a negative sense: it mustbe possible for an empirical scientific system to be refuted by experience.”

In der Folge ist oft diskutiert worden, ob die Anforderungen der Falsifizier-barkeit, die in den Naturwissenschaften angebracht sein mögen, auch inSozialwissenschaften mit derselben Rigorosität zu stellen und zu erfüllensind. Die Variabilität des in diesen Wissenschaften mit erfassten mensch-lichen Verhaltens und bewussten Handelns sind es insbesondere, die hierbei der Festlegung der Kriterien für eine Zurückweisung einer Hypothese„einer etwas großherzigeren Sichtweise gewichen”55 ist. Eine Demarkations-linie für die Zurückweisung von Hypothesen setzt natürlich zunächst vor-aus, dass diese überhaupt in einer solchen Form formuliert sind, dass sie

54 Karl Raimund Popper, The Logic of Scientific Discovery, New York 1959, S. 40f. (Ori-ginalausgabe: Logik der Forschung, Wien 1935).

55 Horst Albach, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Zeitschrift für Betriebswirt-schaft, Ergänzungsheft 3/1993, S. 7-26, hier S. 9.

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Vorgehensweisen der Wissensgewinnung 2.2

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zurückweisbar sein können. („Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, dannändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist,“ erfüllt diese Bedingungnicht. Trotzdem findet man immer wieder solche Sätze in Dissertationen, wosie sogar als Hypothesen ausgegeben werden.) Bedeutung hat die Demarka-tionslinie nicht nur für die intersubjektive Überprüfung, sondern auch fürden einzelnen Wissenschaftler auf der Suche nach dem überlegenen Erklä-rungsmodell. Dafür ist heute eine Fülle von Empfehlungen verfügbar, diebeispielsweise auch den einführenden Texten zur Nutzung statistischerTestsoftware beigefügt werden.56

Sir Karl Raimund Popper (Karl Popper Institut, Universität Wien:www.univie.ac.at/science-archives/popper/de/index.html)

56 Z.B.: Klaus Backhaus et al., Multivariate Analysemethoden, Eine anwendungsorientierteEinführung, 11. A., Berlin/Heidelberg/New York 2006.

Abbildung 8

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2 Elemente einer Wissenschaft

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2.2.6 Allgemeine Kontrollanforderungen

Mit den bisher behandelten Kriterien der Wertfreiheit von Aussagen undder Falsifizierbarkeit empirisch überprüfbarer Hypothesen ist noch nichtgewährleistet, dass eine intersubjektive Kontrolle der Vorgänge bei der Wis-sensgewinnung erfolgt. Dies ist erforderlich und definiert so eine weitereGruppe von Kriterien wissenschaftlicher Arbeit. Diese auf Kontrolle gerich-teten Aspekte wissenschaftlichen Prozessgestaltung sind in vier Punkten zu-sammengefasst worden57:

�� Universalismus: Wissenschaftliche Beiträge sollen nach Kriterien beurteiltwerden, die vor ihrer Erarbeitung und unabhängig vom Bearbeiter fest-gelegt werden; sie bauen auf bisher allenfalls im Rahmen der akzeptier-ten Fehlergrenzen falsifizierten Beiträgen auf.

�� Kommunalismus: Wissenschaftliche Beiträge müssen offen gelegt werden.Nur so sind sie überprüfbar und können Gegenstand des organisiertenSkeptizismus werden.

�� Innere und äußere Freiheit: Wissenschaftliche Tätigkeit soll nicht durchDrittinteressen oder Interessenkonflikte bestimmt sein. Geld und Ruhmsind große Verführer, wie spektakuläre Fälle von Ergebnisfälschungenzeigen.

�� Organisierter Skeptizismus: Durch Kritik können Erkenntnisse präzisiert,erweitert oder gesichert werden. Das setzt grundsätzlich Widerlegbar-keit voraus. Die Rolle der Referenten zur Beurteilung von Veröffentli-chungswünschen oder Fördervorschlägen stellt einen Teil des Systemsorganisierten Skeptizismus dar.58 In ganz extremer Form kann auf dieseWeise auch das Plagiat entdeckt werden.59 Ob dazu allerdings die bishe-rigen Vorkehrungen ausreichen, kann bezweifelt werden.

Insbesondere der Kommunalismus ist von bisher noch nicht gewürdigterBedeutung. Zunächst kann er in Interaktion mit der inneren Freiheit zumProblem werden, wenn etwa durch Geheimhaltung persönliche Vorteile zu

57 H. Zuckerman, The Sociology of Science, in: N. J. Smelser, Ed., Handbook of Sociolo-gy, Newbury Park et al. 1988, S. 511-574; dabei bezieht sich der Autor auf eine Ar-beit von Robert King Merton (1910-2003) von 1942.

58 Freilich ist einzuräumen, dass die Reliabilität dieser Begutachtungen nicht sehrhoch ist. Zusammenfassend dazu: Dean Keith Simonton, Creativity in Science, Chan-ce, Logic, Genius and Zeitgeist, Cambridge 2004, S. 84ff.

59 Auf einen besonders gravierenden Fall aus den Sozialwissenschaften mussten –wenn auch mit zeitlichem Abstand – die Herausgeber der Zeitschrift „Research Po-licy“ erst kürzlich hinweisen. Ironie ist dabei, dass der Plagiator H. G. selbst plagi-iert wurde: Ben R. Martin, Keeping plagiarism at bay – A salutary tale, Research Po-licy, Vol. 36, 2007, S. 905-911.

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Vorgehensweisen der Wissensgewinnung 2.2

33

erlangen sind. So ist beispielsweise in der Diskussion um die Möglichkeitder Patentierung von Hochschullehrererfindungen nach deutschem Rechtklar, dass vorherige Veröffentlichungen schädlich für die Patentierung sind,weil sie dem Zulassungswunsch den notwendigen Neuheitscharakter rau-ben. Leicht sind viele andere Situationen vorstellbar, etwa der Nutzung vonvermeintlichen Erkenntnissen zur entgeltlichen Beratung.

Eine weitere Interaktion bringt Kommunalismus in ein Spannungsfeld zuReputation. Spektakulär hervorgetreten sind hier verschiedene Fälle in denNaturwissenschaften (was aber nicht bedeutet, dass sie in den Sozialwissen-schaften unmöglich wären). Hohe Reputation kann offenbar zu Nachsichtbei der Überprüfung verleiten. So hatte 1988 der Franzose Jacques Benevistein Paris behauptet und in der hoch angesehenen Zeitschrift „Nature“ publi-ziert, dass er beweisen könne, dass hoch verdünnte Flüssigkeiten auch ohneerkennbare Inhaltsstoffe biologische Wirkungen erzielten. Drei Personenschritten schließlich zur Überprüfung: „Doch als das Trio die Laborbücherpersönlich inspizierte und sich die Versuchsausführungen näher betrachtete,waren Benevenistes Entdeckungen endgültig als Fälschungen entlarvt. DasRenommee von ‚Nature’ war aber auch beschädigt, mußte man sich docheingestehen, die Arbeit Benevistes voreilig veröffentlicht zu haben. SiebzehnJahre später wiederholt sich die Geschichte. Die Protagonisten heißen Woo-suk Hwang und ‚Science’. Dieses Mal sei es blinder Ehrgeiz gewesen, derden einst hochgelobten (Hervorh., K.B.) Klonforscher dazu getrieben habe,Bilder zu manipulieren, geklonte Zellkulturen zu fälschen sowie Gutachterund Forscherkollegen hinters Licht zu führen. Und wieder stellen sich die-selben Fragen: Warum hat niemand den Betrug rechtzeitig erkannt? Viel-leicht hätte man nur einfach mal das Labor in Seoul besuchen und einenBlick in die Versuchsprotokolle werfen sollen. Doch offenkundig fehlt esvielen Forschern an dem nötigen Mut für einen kritischen Besuch.“60 Diehohe Reputation von Robert Koch schützte ihn, als er auf einem medizini-schen Kongress 1890 fälschlich behauptete, Tuberkulin könne bei Meer-schweinchen Tuberkulose heilen. Viele weitere Beispiele kommen in denSinn. Allerdings ist es nicht nur fehlender Mut, der die Aufdeckung vonFälschungen verhindert. Die Aufdeckung ist kaum durch bloßes Ansehenmöglich, sondern fordert intensive, kriminalistische Nacharbeit, da der Fäl-scher natürlich auch Spuren verwischt. Natürlich kann die Überprüfungüberraschender und angezweifelter Ergebnisse auch zur völligen Bestäti-gung des Gefundenen führen oder dazu, dass unbewusstes „tacit knowled-ge“ expliziert und aufgedeckt wird.61

60 mli, Unglaublich, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Januar 2006, S. N 1.61 Die spannende campus novel des Hormonforschers Carl Djerassi, Cantor’s Dilemma,München 1989, gibt hierfür ein besonders schönes Beispiel.

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2 Elemente einer Wissenschaft

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Regeln für gute wissenschaftliche Arbeit sind vielfach aufgestellt worden. InDeutschland sind die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft formu-lierten Regeln von besonderer Bedeutung. Diese Bedeutung ergibt sich dar-aus, dass Forschungsmittel nur an solche Institutionen vergeben werden, diesich zur Einhaltung dieser oder äquivalenter, selbst formulierter Regelnverpflichtet haben.

2.2.7 Skeptiker oder „anything goes“?

Dass fehlende Regelanwendung eine Einladung an Fälscher ist, haben wireben gesehen. Allerdings gibt es auch den sogenannten „postmodernenRelativismus“, der alle Erkenntnis als individualisiert ansieht. Nach dieserAuffassung ist organisierter Skeptizismus unmöglich. Aus unserer Sichternsthafter ist der Instrumentalismus. Danach werden in Theorien Hypothe-sen mit Beobachtungen wie durch Werkzeuge verknüpft. Die Duhem-Quine-These besagt, dass die Forscher viele Möglichkeiten solcher Verknüp-fung haben, also sie selbst wiederum durch ihre Arbeit das Ergebnis beein-flussen. Karl Popper würde hier vermutlich darauf verweisen, dass auch dereinzelne Forscher durch Anwendung der Prinzipien zu Entscheidungendarüber kommen kann, welche Verknüpfung die bessere ist.

Natürlich kann man sich auf organisierten Skeptizismus nicht vollständigverlassen. Man weiß aus Tests beispielsweise, dass ein hoher Anteil vonbereits veröffentlichten Aufsätzen aus besten Zeitschriften und von Wissen-schaftlern mit hoher Reputation bei einer anonymen Wiedereinreichung vonden organisatorisch vorgesehenen Skeptikern nur zu einem sehr geringenTeil als bereits erschienen erkannt, zu einem ebenfalls geringen Anteil ak-zeptiert aber zum größten Teil mit methodischen Begründungen zurückge-wiesen werden. Immerhin hat der organisierte Skeptizismus in letzter Zeitaber auch dadurch Unterstützung gefunden, dass Suchmaschinen entwickeltwurden, die das „world wide web“ auf bereits vorhandene Textpassagenhin absuchen. So kann wenigstens dem Plagiat leichter Einhalt gebotenwerden.

Das Ende dieses Abschnitts ähnelt dem vorhergehenden: Es gibt eine ausge-prägte Weiterentwicklung der Methoden des systematischen Erkenntnisge-winns, die Betriebswirtschaftslehre entwickelt dazu neue Methoden und siebedient sich neuer Methoden, die an anderer Stelle entwickelt werden. Da-mit werden zugleich Fragestellungen zugänglich, die früher verschlossenwaren. Auch so ändern sich die Grenzen der Disziplin.

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Wissensbewahrung 2.3

35

2.3 Wissensbewahrung

2.3.1 Kumulatives Wissen und „Tacitness“

Der Physiker, Philosoph und Aphorismenverfasser Georg Christoph Lich-tenberg (1742-1799) meint: „Man kann das Streben nach Entdeckung demVogelschießen vergleichen … Wer die Krone abschießt, muß bedenken, dassdie Schüsse seiner Vorgänger auch etwas dazu beigetragen haben, dass ereinen Flügel abkriegt oder gar die Krone (um 6 Uhr abends wurde der ganzeVogel heruntergeschossen).“62 Auf den Grundlagen von Vorgängern aufzu-bauen, müsste deshalb auch auf dem Weg zu wissenschaftlicher Erkenntnisnützlich sein. Das setzt voraus, dass diese Erkenntnis den Nachfolgenden alsPlattform zugänglich ist. „Wir sind wie Zwerge, die auf den Schultern vonRiesen stehen, damit wir mehr und weiter sehen können als diese, und zwarnicht weil unsere Augen schärfer und unser Wuchs größer wäre als ihrer,sondern weil wir empor gehoben werden von der Größe der Riesen unddiese nutzen“, wird Bernhard von Chartres (1126) zitiert.63 Man spricht hiervon kumulativem Wissen. In den früheren Jahrhunderten und Jahrtausen-den mögen die weiten geographischen Distanzen, das Fehlen einer „Wissen-schaftssprache“ oder die beschränkten Möglichkeiten der Dokumentationdie Ausbildung solcher Plattformen besonders erschwert haben. Hans J.Störig schildert, dass die „Null“ von Sumerern (ca. 4000 v. Chr.) und denIndern (ca. 700 v. Chr.) entdeckt wurde, den Ägyptern, Griechen und Rö-mern unbekannt blieb, von Arabern aus Indien übernommen wurde (mitder Bezeichnung für „das Leere“ oder „sifr“) und so schließlich auch nachEuropa gelangte.64 Leonardo Fibonacci Pisano stellt 1202 in „Il Liber Abbaci“die indischen Zahlzeichen einschließlich der Null dar, was als „Revolution“charakterisiert wird.65

62 Georg Christoph Lichtenberg, Einfälle und Bemerkungen, Heft J, 1789-1793, Nr. 114,Berlin/Weimar 1975, S. 125.

63 Vgl. Robert King Merton, Auf den Schultern von Riesen, Frankfurt a. M. 1983.64 Hans Joachim Störig, Kleine Weltgeschichte der Wissenschaft, 2.A., Frankfurt 2007, S.27, 37, 46, 130.

65 Bernhard Bellinger, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1967, S. 21. Al-lerdings ist es eine schleichende Revolution, denn es dauert doch mehrere Jahrhun-derte, bis das neue Zahlensystem durchgesetzt ist. Vielleicht spielt dabei auch dieFurcht vor Schäden durch Verwechslungen der nicht normierten Schreibweise derZahlen mit; auch Amerikaner und Deutsche wählen ja heute unterschiedliche Un-terscheidungsmerkmale zwischen 1 und 7.

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2 Elemente einer Wissenschaft

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Dass immer wieder Wissen verloren geht, hat eine Vielzahl von Ursachen,selbst ohne die oben angesprochenen Begründungen. Michael Polanyi (1891-1976) hat den Begriff des „tacit knowing“ verwendet um zu erklären, „thatwe can know more than we can tell“.66 Das meist erwähnte Beispiel ist derVersuch, das einmal erlernte Fahrradfahren zu erklären. Wenn solche Erklä-rungen misslingen, wird dadurch kumulatives Wissen eingeschränkt. DieUnfähigkeit zu Erklären hat die Beschäftigung mit dem Lernen durch unmit-telbare Beobachtung ebenso gefördert wie die Konzentration bestimmterHandwerke oder Fähigkeiten an ganz bestimmten Orten. Daneben tritt – beigängiger Umdeutung von „tacit knowing“ zu „tacit knowledge“ - die Un-willigkeit zum Transfer von Wissen aus Eigennutzerwägungen. Ob deshalbLichtenberg, um ihn noch einmal zu zitieren, Recht hat mit seinem Apho-rismus: „Die Kosmographen werden freilich keine nordwestliche Durchfahrt(also den Weg von Europa nach Asien am Nordpol vorbei, K.B.) finden, aberdie Pelzhändler. Man würde selbst in philosophischen Dingen sehr vielweiter sein, wenn man die Untersuchungen so einrichten könnte, dass derGewürz- oder Pelzhandel dadurch befördert würde“?67 Den Kosmographenwäre trotz längerer Suchzeit zuzutrauen, dass sie ihr Wissen schnell teilten;bei den Pelz- oder Gewürzhändlern wäre dies nicht zu vermuten. An dritterStelle sind Kosten der Wissensspeicherung und Wissenstransformation zubedenken, die zu „tacitness“ führen können. Je nach eigener Zeitperspektive(„Morgen werde ich mich schon wieder daran erinnern!“ In einer Wocheerst komme ich wieder dazu und habe alles vergessen.), sollen möglicher-weise Kosten der Dokumentation eingespart werden. Ein verwandter As-pekt liegt darin, dass Artikulation des Wissens nicht als effizient angesehenwird oder nicht als effektiv, weil für andere Problemstellungen nicht er-kennbar geeignet.68

Trotz einer Vielzahl technischer Speichermöglichkeiten und einer inzwi-schen etablierten systematischen Aus- und Weiterbildung in der Betriebs-wirtschaftslehre ist die Bewahrung von Wissen nicht perfekt. Betrachten wirdas an Hand von Beispielen.

66 Michael Polanyi, The Tacit Dimension, London 1966, S. 4.67 Georg Christoph Lichtenberg, Einfälle und Bemerkungen, Heft J, 1789-1793, Nr. 114,Berlin/Weimar 1975, S. 138.

68 Mit Bezug auf die Globalisierung von Forschung und Entwicklung wurde dieseDifferenzierung erstmals entwickelt in: Allen W. Pearson/Klaus Brock-hoff/Alexander von Boehmer, Decision Parameters in Global R&D Management,R&DManagement, Vol. 23, 1993, S. 249-262.

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Wissensbewahrung 2.3

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2.3.2 Beispiele der Betriebswirtschaftslehre

(1) Im Jahre 2007 stürzte unter anderem die Industriekreditbank, Düsseldorf,in eine schwere Finanzierungskrise. Über eine besondere Gesellschaft wareninsbesondere amerikanische Hypothekarkredite mit variablem Zins über-nommen worden. Diese wurden durch kurzfristige Instrumente refinanziert,für die aber Käufer ausblieben, als sich zeigte, dass die zugrundeliegendenKredite zu einem erheblichen Teil durch die Kreditnehmer nicht mehr be-dient werden konnten. Vorstand und Aufsichtsgremien der Bank wurdeunter anderem vorgeworfen, eine solche Art von Bankgeschäft überhauptgeduldet zu haben. Am 27. August 2007 erschien in der Frankfurter Allge-meine Zeitung dazu ein Leserbrief69, dessen Autor darauf hinweist, dass inähnlicher Weise (durch sogenannten Revolving-Kredit) bereits einmal einBankier ein Bankhaus (Investitions- und Handelsbank, Frankfurt) zumScheitern geführt hatte. Über diesen Vorgang wird berichtet70:

„… Rudolf Münemann (1908 bis 1982), Sohn eines Textilfilialisten mit biszu 56 Stützpunkten in Norddeutschland. Das väterliche Unternehmenkrachte 1926 zusammen, als Münemann 18 Jahre alt war. Der Jüngling ließsich für mündig erklären und erwarb aus der Konkursmasse des Vaterseinen Textilladen im hannoverschen Alfeld. Zwei Jahre später fuhr er mit125 Reichsmark in der Tasche nach München, um dort eine Finanzmakler-firma zu starten: Wenn schon kein eigenes Geld, dann eben fremdes. …Rudolf Münemann entwickelte das Prinzip ‚Aus kurz mach lang’. Er wälz-te kurzfristige Kredite und Schuldscheine bündelweise um und entwickel-te daraus langfristiges Kreditgeld. … Nach dem Krieg gab Altvater Abs(Vorstandsvorsitzender und späterer Aufsichtsratsvorsitzender der Deut-sche Bank AG, K.B.) die Parole aus: ‚Mit Münemann macht man keineGeschäfte.’ Dennoch hatte es das Unternehmerkartell mit ihm zunächstnicht leicht. Einige der ihren, so Flick, Daimler-Benz und Mannesmann,wußten Münemanns Dienste wohl zu schätzen. 1960 aber schlugen dieBanken mit der ‚Lex Münemann’ zu, die auch die Finanzmakler den stren-gen Regeln des Kreditwesengesetzes unterwarf. ‚Wenn wir im Mittelalterwären, würde man mich auf den Scheiterhaufen bringen’, beschrieb Mü-nemann die Szene. Er ist lange der einzige deutsche Finanzmann geblie-ben, von dem Risikokapital zu bekommen war. Mit seinem Einstieg in die

69 Dr. Wolfang Philipp, Münemann lässt grüßen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. 8.2007, S. 7.

70 Werner Meyer-Larsen, Legenden des Wirtschaftswunders, Der Spiegel,http://www.spiegel.de/spiegel/ 0,1518,22750,00.html .

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Uhren Weiß AG, einem Billigfilialisten, verhob er sich dann aber selbst.Seine Investitions- und Handelsbank mußte er verkaufen. Als die Frank-furter Bundesbank 1969 den Kredit verknappte, versiegten Münemannsbillige Geldquellen. Er wurde zahlungsunfähig und mußte aufgeben.“

(2) Der „Price in Economic Sciences in Memory of Alfred Nobel“ (meistWirtschaftsnobelpreis genannt) wurde 1996 James A. Mirrlees und WilliamVickrey zuerkannt. Vier Jahre vorher zeigte der Ökonom Manfred Tietzel,dass die berühmte „Zweitpreisauktion“ von Vickrey in spezieller Formdurch Johann Wolfgang von Goethe genutzt wurde.71 Dieser versuchte vomUnternehmer Hans Friedrich Vieweg einen möglichst hohen Preis für denDruck und Verlag seines Werkes „Hermann und Dorothea“ zu erhalten. Inseinem Brief vom 16. Januar 1797 führt er aus: „Was das Honorar betrifft, sostelle ich Herrn Oberkonsistorialrat Böttiger ein versiegeltes Billet zu, worinmeine Forderung enthalten ist, und erwarte, was Herr Vieweg mir für meineArbeit anbieten zu können glaubt. Ist sein Anerbieten geringer als meineForderung, so nehme ich meinen versiegelten Zettel uneröffnet zurück unddie Negation zerschlägt sich, ist es höher, so verlange ich nicht mehr als indem, alsdann von Herrn Oberkonsistorialrat zu eröffnenden Zettel ver-zeichnet ist.“ Leider hat sich Böttiger nicht ganz an die Spielregeln gehaltenund Vieweg einen Tip gegeben. Das Prinzip der Zweitpreis-Auktion aber istdeutlich zu erkennen und damit nicht in Frage gestellt.

(3) Deutlich umfangreicher ist der dritte Hinweis. Wer sich mit strategi-schem Management beschäftigt, wird das Wertkettenmodell von MichaelPorter kennenlernen.72 Sein Ziel ist, ein analytisches Instrument bereitzustel-len, das die Ursachen von Wettbewerbsvorteilen erkennen lässt und zu ihrervorteilhaften Gestaltung genutzt werden kann. Dieses analytische Instru-ment ist die „Wertkette“. Das in ein durch Zulieferer und Kunden hierar-chisch strukturiertes „Wertsystem“ eingebettete Unternehmen ist in solcheWertketten gegliedert. Die folgende Abbildung 9 zeigt die „Unterteilung desWertkettenmodells“.73

71 Darauf weist hin: Benedikt Fehr, Von Goethe erdacht, von Ebay genutzt: Zweit-preis-Auktionen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. 12. 2007. Manfred Tietzel/BennyMoldovanu, Goethe’s Second-Price Auction, Journal of Political Economy, Vol. 106,1998, S. 854-859.

72 Michael E. Porter, Wettbewerbsvorteile (Competitive Advantage). Spitzenleistungenerreichen und behaupten, Frankfurt 1992, hier S. 49-80.

73 Ebenda, S. 74.

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Wissensbewahrung 2.3

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Element der Wertkette nach Michael Porter

Im Unternehmen werden nach der Darstellung von Porter „Wertaktivitäten“durchgeführt. Dabei sind zunächst „primäre Aktivitäten“ zu betrachten, fürdie beispielhaft Eingangslogistik, Operationen (also Produktionsaktivitäten),Ausgangslogistik, Marketing und Vertrieb sowie Kundendienst genanntwerden. Sie sind mit vier Kategorien von „unterstützenden Aktivitäten“verknüpft. Genannt werden Beschaffung, Technologieentwicklung (Pro-dukt- und Verfahrensverbesserungen), Personalwirtschaft und die Bereit-stellung der Unternehmensinfrastruktur. Letzteres umfasst das Manage-ment, die Finanzwirtschaft usw. In jeder Kategorie von Aktivitäten gibt esdirekte, indirekte und qualitätssichernde Aufgaben, wobei die beiden erstennach der Unmittelbarkeit ihres Kundenbezugs zu unterscheiden sind. DieAktivitäten richten sich letztlich darauf, die Gewinnspanne zu ermöglichenund ggf. zu erhöhen.

Das Modell hat große Verbreitung in Wissenschaft und Praxis gefunden. Esist auch als grundsätzlich neu wahrgenommen worden. Dies allerdingsüberrascht, wenn man in der betriebswirtschaftlichen Literatur zeitlich zu-rückgeht und dabei die Ausführungen von Heinrich Nicklisch (1876-1946)stößt (Abbildung 10). Wertprobleme und ihre Lösung stellten zeitweise einHauptthema der Disziplin dar. Ergebnisse Nicklischs Überlegungen zum

Abbildung 9

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Wertproblem hat er in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhundertsvorgelegt.74 Die dabei benutzte Sprache ist allerdings aus heutiger Sichtweniger eingängig und schon von daher ein Hindernis anwendungsorien-tierter Verbreitung des Konzepts. Anders als bei Porter ist das Ziel der Aus-führungen, ein grundsätzliches Verständnis des Problembereichs zu erlan-gen. Wie bei Porter auch, ist das Betrachtungsobjekt, der autonome, arbeits-teilige Betrieb, in einen ihn umgebenden Wirtschaftsprozess eingebettet, mitdem er in einen Geld- und Leistungsaustausch tritt. Aus den beiden genann-ten Quellen wird versucht, eine Zusammenschau zu präsentieren.

Professor Dr. Dr. oec. H. c. Heinrich Nicklisch (ca. 1910)

74 Heinrich Nicklisch, Der Betriebsprozeß und die Wertumläufe in der Wirtschaft,Zeitschrift für Handels-Wissenschaft & Handelspraxis, 20. Jg., 1927, S. 121-125; ders., DieBetriebswirtschaft, 7. A., Stuttgart 1932.

Abbildung 10

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Betrachtungseinheit von Nicklisch ist nicht eine „Aktivität“, sondern ein„Prozess“, der Betriebsprozess: er umfasst die Vorgänge, die zur Zwecker-füllung des Betriebes in Gang gesetzt werden. Als „überragend“ werdenangesehen: Beschaffung, Produktion (im engeren Sinne), Absatz und Er-tragsverteilung. Während die ersten drei bereits aus dem Modell Porters alsprimäre Aktivitäten bekannt sind, geht Nicklisch mit dem vierten Prozessnoch darüber hinaus. Die drei ersten Prozesse werden unter dem Begriff des„Produktionsprozesses im weiteren Sinne“ zusammengefasst. Er steht„gleichrangig“ dem Ertragsverteilungsprozess gegenüber, der den Gegen-wert der Betriebsleistung, den Ertrag, aufnimmt. Damit aus dem Produkti-onsprozess im weiteren Sinne im „inneren Wertumlauf“ die betrieblicheLeistung bereitgestellt werden kann, sind beispielsweise „Geldbestände“erforderlich, also Finanzierungen. Das entspricht einer der unterstützendenAktivitäten bei Porter. „Vom Ertrage aus“ werden die betrieblichen Produk-tionsfaktoren entlohnt, also Löhne und Gehälter gezahlt und Gewinne aus-geschüttet, wodurch der „äußere Wertumlauf“ gestartet wird, der die Nach-frage für die betrieblichen Leistungen ermöglicht.

Durch den Produktionsprozess im weiteren Sinne wird der Aufwandswertoder der Produktionswert bestimmt. Ihm steht der „produzierte Wert“ ge-genüber. Er ist „von der Qualität der Betriebsleitung abhängig“ und „eineunbekannte Größe, bis die Entscheidung im Markt gefallen ist. So kommt esregelmäßig zu Unterschieden zwischen Aufwandswert und produziertemWert.“ Der Unterschied ist der Gewinn. Voraussetzungen für seine Entste-hung sind die Existenz von Bedürfnissen, von Märkten, Arbeitsteilung undeben die Betriebsleitung.

Im Kern sind bei Nicklisch alle Elemente des Porterschen Wertkettenmodellsvorhanden. Mehr noch: die unmittelbare Verknüpfung mit den Märktenüber den detailliert ausgearbeiteten Ertragsverteilungsprozess erscheintnoch enger als bei Porter.

(4) Der Gedanke der Maximierung eines „shareholder value“75 wird vonRolf Bühner auf seine Definitionselemente zurückgeführt. Er sieht diese alskünftige Cash-flows aus betrieblicher Tätigkeit an, eine Planungsperiodeund einen Diskontierungsfaktor.76 Er zeigt sodann, dass alle diese Elemente

75 Alfred Rapoport, Creating Shareholder Value. The new Standard for Business Perform-ance,New York 1986.

76 Rolf Bühner, Der Shareholder Value im Spiegel traditioneller betriebswirtschaftli-cher Bilanzansätze, in: Hans-Ulrich Küpper/Ernst Troßmann, Hrsg., Das Rech-nungswesen im Spannungsfeld zwischen strategischem und operativem Management. Fest-schrift für Marcell Schweitzer, Berlin 1997, S. 28-41.

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bei Wilhelm Rieger77 und Erich Kosiol78 bereits vorhanden sind. Auch hiersind Sprache und Absicht der Darstellung andere als in späterer Zeit.

(5) Der Begriff des „economic value added“™ als Maß des Unternehmens-wertes wird durch Stern und Stewart auf Grund einer Vielzahl von Anpas-sungen aus der Bilanz abgeleitet.79 Er ist sogar rechtlich geschützt. Deshalbkann doch nicht übersehen werden, dass der geschützte Begriff ein Konzeptrepräsentiert, welches schon sehr lange bekannt ist. Der Wert berechnet sichaus der Differenz zwischen einem geeignet bestimmten „net operating pro-fit“ und den gewichteten Kapitalkosten. Spätestens seit 1890 wird genaudies gefordert: „We may briefly say here that when a man is engaged inbusiness, his profits for the year are the excess of his receipts from his busi-ness during the year over his outlay for his business. … What remains of hisprofits after deducting interest on his capital may be called earnings of un-dertaking or management.”80 Es ist nicht schwer, weitere Vertreter desselbenKonzepts in der Literatur aufzutun.

Die hier willkürlich herausgegriffenen Beispiele zeigen, dass die Aufbewah-rung und Nutzung betriebswirtschaftlichen Wissens keineswegs perfektist.81 Die Vielzahl der Zitate in wissenschaftlichen Arbeiten der Betriebswirt-schaftslehre ist umgekehrt ein Hinweis darauf, dass früheres Wissen genutztwird und nicht vollständig verloren ist. Zu den schon angedeuteten Ursa-chen für den Wissensverlust tritt hinzu, dass früheres Wissen dann eherungenutzt bleibt, wenn es in einer in der Gegenwart nur noch schwer ver-ständlichen Sprache gespeichert ist. Auch technische Aspekte treten hinzu.Wird Wissen in einer Weise gespeichert, die zu den aktuellen Speicherme-dien oder Arbeitsmitteln nicht „aufwärts kompatibel“ ist (um diesen Aus-druck aus der Informationstechnik zu benutzen), so wird es leicht ungenutztbleiben. So ist sehr gut zu beobachten, dass beispielsweise in den heuteüblichen elektronischen Suchsystemen nicht erfasste Literatur kaum mehrentdeckt oder genutzt wird. Aber auch der Bedeutungswandel von Begriffen

77 Wilhelm Rieger, Einführung in die Privatwirtschaftslehre, Nürnberg 1928.78 Erich Kosiol, Pagatorische Bilanz, Berlin 1976.79 Joel M. Stern/John S. Shiely/Irvin Ross, The EVA Challenge. Implementing Value AddedChange in Organizations, New York 2001.

80 Alfred Marshall, Principles of Economics, London 1890, S. 142.81 Sieht man das umfangreiche Werk von Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd.4: Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, durch,so gewinnt man den Eindruck, dass es dem Autor gelingt, für nahezu jedes Kon-zept der Betriebswirtschaftslehre eine frühere Quelle zu nennen. Erstens aber musseiner einmal der Erste gewesen sein, zweitens ist die explizite Ausformung der je-weiligen Konzepte nicht immer gleich, so dass sich ihre Bedeutung für die Zeitge-nossen nicht erschließt. Deshalb wäre der Schluss falsch, nun nur noch historisch zuforschen. Siehe weiter auch im Abschnitt 3.1.

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Wissensbewahrung 2.3

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und die Veränderungen in der Art, in der eine Sprache genutzt wird, kön-nen späteren Generationen die Verwendung früherer Erkenntnisse erschwe-ren. Wenn man so will, liegt hier ein allgemeiner Mangel an kommunikati-ver Aufwärtskompatibilität vor.

2.3.3 Eine kurze Bemerkung zu Moden

Natürlich ist zu beobachten, dass zu späteren Zeiten ein Wandel in denBedürfnissen der Wissensverwendung, die Verfügbarkeit neuer Datenquel-len und Methoden der Wissensaufbereitung die bekannten Grundkonzeptevariiert. Elemente des Zeitgeistes oder der Wissensnachfrage können aufsolche Variationen ebenfalls einwirken. Sehr selten nur kommt „empirischesWissen“ in dem Sinne vor, dass es nicht auf „den Schultern von Riesen“aufsetzt. Das spiegelt sich auch in dem Satz „Gute Managementprinzipiensind zeitlos. Managementmoden kommen und gehen.“ 82 Deshalb ist es inder Regel erfolglos, bewusst oder in Unkenntnis gegen solche Prinzipien zuverstoßen. Allerdings kann es schwer sein, Prinzipien von Moden zu tren-nen.

Zur Implementierung von Managementmoden kommt es, weil dies eine fürdie handelnden Personen attraktive, weil innovativ erscheinende und Kom-plexität reduzierende Verhaltensweise ist. Wegen ihres Modecharakterserscheint beim Fehlschlag die individuelle Verantwortlichkeit wenig bedeu-tend.83 Durch bibliometrische Methoden kann zudem gezeigt werden, dassje nach dem Verwendungszweck betriebswirtschaftlicher Konzepte eineunterschiedliche Nutzung von Vorwissen erfolgt. Langfristig wirkende,anwendungsnahe Konzepte greifen auf andere Quellen zurück als die Kon-zepte in der Tagesdiskussion und diese wiederum auf andere als die promi-nenten Ansätze der aktuellen wissenschaftlichen Debatte.84 Schon deshalbkann kaum vorausschauend festgelegt werden, welches Wissen bewah-renswert erscheint und welches eher nicht. Immerhin wird man vielfachfalsifizierte Wenn-Dann-Aussagen eher aufgeben dürfen als solche, bei de-nen dies nicht zu beobachten ist. Die vielfach bewährten Aussagen sind die

82 Hermann Simon, Think! Frankfurt a. M./New York 2004, S. 17. Vgl. auch: AlfredKieser, Moden und Mythen des Organisierens, Die Betriebswirtschaft, 56. Jg., 1996, S.21-39.

83 Alfred Kieser, Wissenschaft und Beratung, (=Schriften der Philosophisch-histroischenKlasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften), Heidelberg 2002, S. 59.

84 Thorsten Teichert/Till Talaulicar, Managementkonzepte im betriebswirtschaftlichenDiskurs: Eine bibliometrische Klassifizierung, Die Betriebswirtschaft, 62. Jg., 2002, S.409-426.

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Kandidaten für Managementprinzipien. Dazu zählt beispielsweise die Op-timierungsbedingung „Grenzerlös = Grenzkosten“ in ihrer jeweils problem-adäquaten Formulierung oder der empirisch beobachtbare Tatbestand, dassStörungen des finanziellen Gleichgewichts das Insolvenzrisiko erhöhen.

Moden werden nachgeahmt, weil man sich daraus Erfolg verspricht. In dermassenhaften Nachahmung liegt aber zugleich der Kern des Misserfolgs.Das gilt auch für betriebswirtschaftliche Moden zumindest insoweit, alsdurch modebewusstes Verhalten keine originären Wettbewerbsvorteile zuerwarten sind.

2.4 Institutionen der Wissensgewinnungund der Zusammenführung von Wissen

2.4.1 Funktionale Spezialisierung

Arbeitsteilung erfolgt nicht allein durch Spezialisierung auf immer engerformulierte Fragestellungen oder Objekte hin. Auch eine funktionale Spezia-lisierung ist möglich, was vor allem in der sogenannten Großforschung derNatur- und Technikwissenschaften zu beobachten ist. Aber auch der Be-triebswirtschaftslehre ist diese Form der Spezialisierung nicht völlig fremd.Sie ist übrigens schon sehr früh (162385) beschrieben worden. Der schonerwähnte Francis Bacon (Abbildung 11) hat in der Utopie von „Nova Atlan-tis“, die 1638 nach seinem Tode erschien86, das „Haus Salomons“ der utopi-schen Pazifikinsel Bensalem als eine funktional spezialisierte Forschungsein-richtung beschrieben. Neben einer Spezialeinheit zur Aufdeckung von Be-trügereien und Fehlern sind Funktionsbereiche vorgesehen, die jeweils mitdrei Personen besetzt sind (und eventuell Novizen oder Schüler ausbilden).In der folgenden Tafel (S. 46) werden die Funktionen genannt.

85 Vgl. Wolfgang Krohn, Francis Bacon,München 1987, S. 158.86 Franciscum Baconum, Nova Atlantis, Fragmentarum alterum, Londini 1638. (DeutscheÜbersetzung in: Der utopische Staat, Reinbek 1960, S. 171-215).

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Sir Francis Bacon (Quelle: wikipedia.org)

Bei Bacon steht das Experiment zur Wissensgewinnung neben der Suche nachVorwissen in Büchern und Schriften im Vordergrund. Wie schon erwähnt,ist nach den Versuchen von Thünens87 und seit den sechziger Jahren des 20.Jahrhunderts das Experiment etwa in der empirischen Spieltheorie, derPreistheorie als einem Sonderfall, der Untersuchung von Informations- undKommunikationsvorgängen, insbesondere des „behavioral finance“, auchaus der Betriebswirtschaftslehre nicht wegzudenken. Das signalisiert bei-spielsweise auch die Aufnahme eines eigenen Stichworts im „Handwörter-buch des Marketing“ von 1995.88

87 Johann Heinrich von Thünen, Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft undNationalökonomie, oder Untersuchungen über den Einfluß, den die Getreidepreise, derReichthum des Bodens und die Abgaben auf den Ackerbau ausüben, Hamburg 1826(Nachdruck Düsseldorf 1986).

88 Bernd Erichson, Experimente, Handwörterbuch des Marketing, Stuttgart 1995, Sp. 639-654. Zur Geschichte des Experiments in den Wirtschaftswissenschaften: Alvin E.Roth, Introduction to Experimental Economics, in: John H. Kagel/Alvin E. Roth,Edts., Handbook of Experimental Economics, Princeton/N.J. 1995, S. 3-110, hier S. 3-20.

Abbildung 11

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Name Funktion

Mercatores lucis(Lichthändler)

Sammlung von Büchern und Experimentbeschrei-bungen im Ausland

Depredatores(Beutesammler),venatores (Jäger)

Sammlung aller beschriebenen oder sonst bekanntgewordener Experimente

Fossores sive ope-ratores in Mineris(Grubenarbeiter)

Verantwortliche für neue Versuche

Divisores(Aufteiler)

Darstellung der Versuchsergebnisse in leicht fassli-cher Form, wie Tabellen oder Lehrsätzen

Euergetas(Wohltäter)

Überwachung der Versuche; Extraktion von Wissenzum täglichen Gebrauch; Hinweise auf Ausgangs-punkte für die Weiterentwicklung von Wissen

Lampadas(Leuchter)

Anregung und Leitung völlig neuer Versuche auf derGrundlage des vorhandenen Wissens

Insitores (Pfropfer) Ausführung der und Ergebnisberichterstattung überdie von den lampadas angeregten Versuche

Interpretes naturae(Ausleger)

Nach Unterredung mit der „Gesamtheit der Brüder“Ausbau und Zusammenfassung von Erkenntnissenzu Axiomen und Aphorismen

(Gesamtheit derBrüder)

Siehe vorstehende Zeile sowie: Beschlussfassungüber Aufhebung der Geheimhaltung der Erkenntnis-se, auch gegenüber der eigenen Regierung; Bereisungder Insel und Verbreitung der Kenntnisse sowieBeratung

Bacon präsentiert eine sehr modern wirkende Funktionsspezialisierung.89

Jede der Funktionen wird auch heute angesprochen, wenn auch mit etwasanderen Bezeichnungen. Die Arbeitsteilung zeigt auch Vorkehrungen zur

Der Autor führt den Begriff „experimental economics“ auf die von Heinz Sauer-mann ab 1967 herausgegebenen „Beiträge zur experimentellen Wirtschaftsforschung“(Tübingen 1967ff.) zurück.

89 Klaus Brockhoff, A utopian view of R&D functions, R&D Management, Vol. 33,2003, S. 31-36.

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Eindämmung von Opportunismus, beispielsweise bei der Trennung derFunktionen der „lampadas“ von denen der „insitores“. Koordinationsfunk-tionen üben die „euergetas“ sowie die Konferenzen der Gesamtheit der„Brüder“ der jeweiligen Einrichtung aus. Inwieweit die zugleich vorgesehe-ne öffentliche Anerkennung und hohe Belohnung für wichtige Entdeckun-gen die dabei vorgesehene Konsensfindung stören, wird nicht diskutiert.Vermutlich halten die idealen Eigenschaften der Inselbewohner sie davonab, solchen Versuchungen nachzugeben. In einer Utopie darf man sich dasvorstellen. Zwanzig Einrichtungen sollten auf der Insel bestehen, die diesemOrganisationsmuster folgen.

Durch Realisierung der Kontrollanforderungen (Abschnitt 2.2.6) wird in derGegenwart versucht, die Wissensgewinnung vor Fehlentwicklungen zuschützen. Wir haben bereits gesehen, dass dies nur unvollständig gelingt.Die Zusammenführung von Wissen und der Transfer an mögliche Nutzerstellen Funktionen dar, deren optimale Ausgestaltung nach wie vor disku-tiert wird. Die installierten Lösungen erscheinen vielfach unbefriedigend.

2.4.2 Institutionalisierung und Objekt-spezialisierung

Der „Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft“ mit etwa 1.600Mitgliedern und vielen wissenschaftlichen Kommissionen, eine nahezuunüberschaubare Vielzahl von Fachgesellschaften90, Fakultäten und De-partments, persönliche und im Internet gepflegte Netzwerke sind nur weni-ge Beispiele für Gelegenheiten der Zusammenführung arbeitsteilig gewon-nenen betriebswirtschaftlichen Wissens. Dies wurde als ein weiteres Kriteri-um einer wissenschaftlichen Disziplin hervorgehoben. Freilich wird auchbeobachtet, dass mit dem Anwachsen der Zahl der Wissenschaftler und derIntensität der Konkurrenz um Professorenstellen oder Beratungsmandateeine zunehmende Spezialisierung in Wissensnischen hinein erfolgt.91 Obdieser Prozess durch die bestehenden und sich entwickelnden Organisatio-nen der Wissenszusammenfassung in fruchtbarer Synthese mündet odersich doch schneller entwickelt als die Zusammenführung gelingt, wird heuteeher im letzteren Sinne erlebt. Selbst Modelle von „Arbeitsakademien“ müs-

90 Das „Project Management Institute“ als eine solche Gesellschaft hat weltweit etwa270.000 Mitglieder aus Wissenschaft und Praxis.

91 R. Whitley, The Intellectual and Social Organization of the Sciences, Oxford 1984; PeterWeingart, Die Stunde der Wahrheit,Weilerswist 2001. Vgl. Kapitel 7.

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sen sich auf koordinierte Projektarbeit92 an Stelle von allgemein formulierterInterdisziplinarität konzentrieren93, um eine solche Integration zu erreichen,während in früheren Zeiten schon das Zusammentreffen in der „Gelehrten-gesellschaft“ synergetische Integrationserfolge versprach.94

2.4.3 Betriebswirtschaftslehre als Objekt-spezialisierung in den Wissenschaften

Die Betriebswirtschaftslehre als Disziplin stellt selbst eine Objektspezialisie-rung gegenüber der Menge aller „Wissenschaften“ dar, vor allem denjeni-gen, mit denen sie zu deren oder zum eigenen Nutzen in Austausch trittoder treten sollte. Die Notwendigkeit eines solchen Austauschs ist daszwölfte Argument dafür, „die Lehre von der Kauffmannschafft öffentlichauff Universitäten zu tractiren“, das erstmals 1715 vorgetragen wird.95 WennWissenschaften selbst bestimmen, was zu ihnen gehört und was nicht96, istes natürlich schwer, einen Ort für eine Disziplin relativ zu anderen Diszipli-nen festzulegen. Gleichwohl ist dies erforderlich. Das ist nicht allein demSelbstverständnis der Disziplin geschuldet. Die ganz praktische Frage etwa,ob ein Forschungsförderungsprogramm für „Sozialwissenschaften“ auch dieBetriebswirtschaftslehre erfasst, kann nur beantwortet werden, wenn manweiß, ob diese Disziplin eine Sozialwissenschaft ist. Wenn schon in einem

92 Die Geschichte von den Blinden, die jeweils Teile eines Elefanten untersuchen undihn daraufhin ohne Koordination beschreiben sollen, ist sogar zum Buchtitel ge-worden: David Schmaltz, The Blind Men and the Elephant: Mastering Project Work,San Francisco/CA 2003.

93 Horst Albach, Die Akademie der Wissenschaften zu Berlin – Ein Experte für dasAllgemeine, in: Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Jahrbuch 1987, Berlin / NewYork 1988, S. 135-145, hier S. 141f.: „Das innovative Element liegt vor allem in derMethodik, mit der die Akademie die selbstformulierten oder von außen gestelltenFragen behandelt und löst. Die Akademie der Wissenschaften zu Berlin hat nachsehr intensiven Diskussionen das Arbeitsgruppenprinzip als Form der wissen-schaftlichen Arbeit gewählt. Eine Arbeitsgruppe ist mit Wissenschaftlern verschie-dener Fachrichtungen besetzt. … Wir haben alle erlebt, wie das ‚Elend der Exper-ten’ die naive Wissenschaftsgläubigkeit früherer Jahrzehnte zerstört hat.“ Die Aka-demie bestand nicht wegen Erfolglosigkeit, sondern aus politischen Gründen nurfünf Jahre. Das formulierte Prinzip ist beispielsweise auch in der in Hamburg 2006gegründeten Akademie eingeführt worden.

94 Rudolf Vierhaus, Die Organisation wissenschaftlicher Arbeit. Gelehrte Sozietätenund Akademien im 18. Jahrhundert, in: Jürgen Kocka et al., Hrsg., Die KöniglichPreußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Kaiserreich, Berlin 1999, S. 3-21.

95 Paul J. Marperger, Erste Fortsetzung seiner so nothwendig als nützlichen Fragen über dieKauffmannschafft, Flensburg 1715, S. 284, 289. (Nachdruck: Köln 1997).

96 R. Stichweh,Wissenschaft, Universität, Profession, Frankfurt a. M. 1994, S. 52ff.

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„Ökonomen-Lexikon“97 Betriebswirte, wie die schon bisher erwähnten PaulJ. Marperger, Eugen Schmalenbach, Heinrich Nicklisch oder Erich Guten-berg, fehlen, ist offenbar nicht einmal gesichert, dass die Betriebswirtschafts-lehre in das Gebiet der ökonomischen Wissenschaften fällt!

Seit der Feststellung des Mitherausgebers der berühmten „Encyclopédie“von 1751, alle Klassifikationen des Wissens seien letztlich unhaltbar98, hatsich an diesem Urteil nichts geändert.99 Das gilt vor allem für die Versuche,die wechselseitigen Beziehungen in zwei Dimensionen als Stammbaum,Weltkarte, Labyrinth oder in einer tabellarischen Systematik darzustellen.Dasselbe gilt für den Versuch, auf der Grundlage von Zitatanalysen Bezie-hungen zu identifizieren und gegebenenfalls auf eine Kugeloberfläche zuprojizieren.100 Vermutlich kann die jeweilige Auffassung nur mehrdimensio-nal dargestellt werden, beispielsweise unter Benutzung eines „morphologi-schen Kastens“101.

Eine solche Darstellung zeigt in einer unbestimmten Anzahl von Zeilenjeweils ein mögliches Unterscheidungskriterium und alle dafür denkbarenoder vorkommenden Ausprägungen. Durch die Verknüpfung jeweils einerAusprägung einer Zeile mit der in einer folgenden Zeile entsteht eine Lauf-linie, die als Charakterisierung der Disziplin angesehen wird. Diese kanndann mit anderen Charakterisierungen oder anderen Disziplinen verglichenwerden. Die Anzahl der Ausprägungen jedes aufgenommenen Kriteriumskann von Zeile zu Zeile unterschiedlich sein.

Im folgenden Beispiel ist das erste Kriterium der Bezeichnung des Erkennt-nisobjekts gewidmet. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten, von deneneine angedeutet ist. Die beiden folgenden Zeilen beziehen sich auf die Krite-rien, deren Ausprägungskombinationen zu vier Typen von Erkenntnisge-

97 Helge Hesse, Hrsg., Ökonomen-Lexikon. Unternehmer, Politiker und Denker der Wirt-schaftsgeschichte in 600 Portraits, Düsseldorf 2003.

98 Jean d’Alembert, Discours préliminaire, in: ders/Denis Diderot, Hrsg., Encyclopédie,ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des metiers, Bd. 1, Paris 1751 (Nach-druck Stuttgart-Bad Cannstadt 1988), S. xv.

99 Lorraine Daston, Die Akademien und die Einheit der Wissenschaften. Die Diszipli-nierung der Disziplinen, in: Jürgen Kocka et al., Hrsg., Die Königlich Preußische Aka-demie der Wissenschaften zu Berlin im Kaiserreich, Berlin 1999, S. 61-84, hier S. 61.

100 Richard Klavack/Kevin W. Boyack, Quantitative evaluation of large maps ofscience, Scientometrics, Vol. 68, 2006, S. 475-499.

101 Fritz Zwicky, Entdecken, Erfinden, Forschen im Morphologischen Weltbild, Mün-chen/Zürich 1966. Die dort gegebenen Idealisierungen des „Morphologen“ und dieErwartungen an den Kasten gehen weit über das hinaus, was hier mit dem Vor-schlag bezweckt werden soll. Vgl. Klaus Brockhoff, Probleme und Methoden tech-nologischer Vorhersagen, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 39. Jg., 2. Ergänzungsheft1969, S. 1-24.

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winnung führen: der Grundlagenforschung (Suche nach grundlegendemVerständnis ohne Anwendungsabsicht), der anwendungsorientiertenGrundlagenforschung (Suche nach grundlegendem Verständnis mit An-wendungsabsicht), der angewandten Forschung und Entwicklung (Anwen-dungsabsicht ohne Suche nach grundlegendem Verständnis) und der Daten-sammlung oder Taxonomie (keine Anwendungsabsicht und keine Suchenach grundsätzlichem Verständnis).102 Es folgt eine Zeile, in der die bevor-zugte Methodik angegeben wird, wobei hier partiell den oben zitierten Aus-führungen Gutenbergs gefolgt wird. Schließlich wird in der nächsten Zeiledie Wertfreiheit zur Kennzeichnung herangezogen.

Die folgende Abbildung 12 dient allein der Illustration. Sie zeigt durch dieKombination kursiv gesetzter Begriffe eine Betriebswirtschaftslehre: Einewertfrei, empirisch-induktiv arbeitende, angewandte, auf grundsätzlichesVerständnis gerichtete Wirtschaftswissenschaft. Man kann dann fragen, obeine solche Kennzeichnung widerspruchsfrei ist und weiter, ob eine solcheBetriebswirtschaftslehre existiert. Die Vielzahl der Alternativen unterstreichtzwar erneut die Erkenntnis von der Subjektivität der Abgrenzungen, dochkann das Instrument immerhin kommuniziert werden und damit in derAuseinandersetzung mit anderen zur Klarheit in der Positionsbestimmungbeitragen. Dass damit die Kontroversen nicht ausgeräumt sind, muss manhinnehmen. Würde beispielsweise in den Katalog der Wissenschaften „Sozi-alwissenschaften“ aufgenommen und die Betriebswirtschaftslehre als solchegekennzeichnet, würde die insbesondere von Dieter Schneider geführteKontroverse und Kritik an einer sozialwissenschaftlichen Betriebswirt-schaftslehre nicht verschwinden.103

Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden: Die Betriebswirtschaftsleh-re kann in Systeme von Wissenschaften eingeordnet werde. Sie wird arbeits-teilig betrieben. Sie verfügt über Einrichtungen, die der Zusammenführungder Ergebnisse funktionaler oder objektbezogener Spezialisierung dienen.

102 Donald E. Stokes, Pasteur’s Quadrant, Basic Science and Technological Innovation,Washington/D.C. 1997.

103 Hier wären viele Arbeiten Schneiders zu nennen. Vgl. Dieter Schneider. Betriebs-wirtschaftslehre. Bd. 4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, Mün-chen/Wien 2001, pass.

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Institutionen der Wissensgewinnung und der Zusammenführung von Wissen 2.4

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Illustration eines morphologischen Kastens

Kriterium Ausprägungen

Gegenstand Naturwis-senschaft

Tecnik-wissen-schaft

… Wirtschafts-wissenschaft

Suche nach grundsätzlichemVerständnis

ja nein

Anwendungsabsicht rein angewandt

Methodik Deduktiv/Axioma-tisch

Induktiv/Gewin-nung vonTatsa-chen-kenntnis

… Hermenetisch/Verstehend

Wertung Wertend im Aussa-genbereich

Wertfrei im Aussa-genbereich

Eine andere Darstellungsweise mit spezifischem Blick auf die Forschungs-konzeptionen der Betriebswirtschaftslehre hat Klaus Chmielewicz (1935-1994) gegeben.104 Die Technologie entspricht der Kunstlehre. Deutlich er-kennbar wird auch, dass Werturteile im Aussagenbereich nicht auf ihrenWahrheitsgehalt hin beurteilt werden können. Definitionen wegen ihrerZweckbezogenheit ebenso wenig. Der empirische Informationsgehalt betrifftReliabilität und Validität der empirisch gewonnenen Erkenntnisse. Diesesauf die Wirtschaftswissenschaft insgesamt hin orientierte Schema ist natür-lich auf den speziellen Fall der Betriebswirtschaftslehre anwendbar, sobalddie Begriffe ein wenig angepasst werden.

104 Klaus Chmielewicz, Forschungskonzeptionen der Wirtschaftswissenschaft, 2. A., Stutt-gart 1979, S. 9.

Abbildung 12

Page 61: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

2 Elemente einer Wissenschaft

52

Sogenannte „Forschungskonzeptionen“ nach Chmielewicz (1979)

2.5 Ergebnis

Durch die Entsprechung mit vier Kriterien zur allgemeinen Kennzeichnungvon Wissenschaften (siehe 1.2) ist die Betriebswirtschaftslehre als Wissen-schaft identifiziert worden. Nur eine Bezeichnung oder ein Name, wie es in„management science“ anklingt, ist dazu nicht ausreichend. Wie schon ganzzu Beginn angedeutet, ist eben auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts das hierdargestellte Ergebnis nicht allgemein akzeptiert. Das gilt auch außerhalbwissenschaftlicher Kreise. Im Dezember 2001 veröffentlichte die EuropäischeKommission Befragungsergebnisse über „Wissenschaft und Technik im

Abbildung 13

Page 62: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Ergebnis 2.5

53

Bewusstsein der Europäer“. Die sich zu 60% aus dem Fernsehen informie-renden Antwortpersonen zeigen sich zu 46% an Wissenschaft und Technikweder interessiert noch darüber informiert, während das Gegenteil von 29%behauptet wird. Muss man sich wundern, dass 53% der Antwortenden dieAstrologie als ziemlich wissenschaftlich einstufen (mit höheren Zustim-mungswerten bei jüngeren Antwortenden), während die „Ökonomik“ nurvon 42% dieses Urteils gewürdigt wird? Auch dieser Anteil ist – unabhängigvom Vergleich mit der Astrologie - kein sehr überzeugendes Urteil.

Im folgenden Kapitel 3. soll nun der Frage nachgegangen werden, was alswissenschaftlicher Fortschritt anzusehen ist. Dabei soll etwas weiter vorge-drungen werden, als es in den oben angeführten Überlegungen PopperszumWert der Falsifizierung von Hypothesen erreicht ist.

Page 63: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Ein kurzer Blick auf die individuelle Situation 3.1

55

3 Wissenschaftlicher Fortschritt

3.1 Ein kurzer Blick auf die individuelleSituation

Bevor darzustellen ist, wie die Disziplin wissenschaftlich voranschreitet, istin Erinnerung zu halten, dass solche Schritte von Individuen vorzunehmensind. Es ist der schöne Satz geprägt worden: „Creative thinking is a scarceresource, but it comes in fairly inexpensive man-sized lumps …“105. Auf dasDebattengewirr darüber, zu welchen Teilen diese knappe Ressource gene-tisch verteilt ist oder im Laufe persönlicher Entwicklung erworben wird,kann hier nicht eingegangen werden. Es soll lediglich darauf hingewiesenwerden, dass mehrere der im vorangehenden Abschnitt angesprochenenAspekte auch in der Erklärung individueller Kreativität ihren Platz finden.Die individuelle Betrachtungsweise darf auch nicht negieren, dass Individu-en in der Interaktion mit anderen und ihrer Umwelt in ihrer kreativen Leis-tung gesteigert werden können. Die Lehre von den Kreativitätstechniken istvoll von – allerdings nicht immer auch empirisch geprüften - Hinweisenhierzu. Das Brainstorming etwa zieht seine Synergien aus der Interaktionvon Personen. Die Bionik unterstützt den Menschen bei der Lösungssuchedurch die selektive Beobachtung der Natur.106

Eine Reflexion darüber, aus welchen Anlässen und wie bedeutende Organi-sationswissenschaftler zu ihren Erkenntnissen gelangten, fördert eine Füllevon Einzelbeobachtungen zu Tage.107 Die folgenden Modellvorstellungenstehen dazu nicht im Widerspruch.

105 Frederic M. Scherer, Industrial Market Structure and Economic Performance, Chi-cago/IL. 1971, S. 356. Schon 1962 hat Kenneth Arrow sich so geäußert (Economicwelfare and the Allocation of Resources for Invention, in: Richard R. Nelson, TheRate and Direction of Inventive Activity, Princeton/NJ 1962, S. 609-625) und später gibtes dazu empirische Untersuchungen.

106 Jürgen Hauschildt/Sören Salomo, Innovationsmanagement, 4.A., München 2007, S.435ff.; Helmut Schlicksupp, Kreativitätstechniken, in: Handwörterbuch des Marketing,Stuttgart 1995, Sp. 1289-1309.

107 Ken G. Smith/Michael A. Hitt, Great Minds in Management – The Process of TheoryDevelopment, New York/Oxford 2005: 30 Autoren berichten hier über ihre Theorie-

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3 Wissenschaftlicher Fortschritt

56

Individuelle Kreativität kann vor allem im Zusammenwirken von Zufall,Methodik, Geist und Zeitgeist entstehen, meint Simonton.108 Die Analysestatistischer Information über Publikationen von Wissenschaftlern als einemIndiz für ihre Kreativität einerseits und andererseits von Mehrfach- oderWiederholungsentdeckungen führt ihn zu dem Schluss, dass keine der ge-nannten Variablen allein zur Erklärung von Kreativität ausreicht. Die hoheBedeutung zufälliger Ereignisse für das Aufgreifen einer Fragestellung, denAblauf der gedanklichen Prozesse zu ihrer Lösung oder der spontanen Ein-gebungen lassen ihn dem Zufall einen besonders prominenten Platz zuwei-sen: „Chance must be considered the primary basis for scientific creativi-ty“109. Allerdings wird eingeräumt, dass Zufall sehr eng mit „genius“ zu-sammenwirkt, was bis an die Grenze einer Identität gehen könne. DenZufall in seiner Bedeutung zu erkennen erfordert eine geistige Vorbereitung.Kurz ist gesagt worden: „Discovery commences with the awareness ofanomaly…“110 “Awareness” ist hierbei ein wichtiges Wort, durch das dieAnomlie des Versagens herkömmlicher Erklärungen erkannt wird. Auchalle anderen genannten Variablen interagieren. In der Variablen „logic“finden die Methodiken zur Wissensgewinnung ihren Platz. Hier ist auch deroben erwähnte Einfluss von „technology push“ zu integrieren. „Zeitgeist“interagiert sowohl mit der Lösungsmethode als auch mit dem, was oben als„demand pull“ erwähnt wurde: Das derzeit wahrgenommene Problem unddas Bedürfnis, es lösen zu müssen. Die Hinweise von Gutenberg und Albachauf solche Probleme zu unterschiedlichen Zeiten illustrieren diesen Punkt.„Genius“ ist durch persönliche Eigenschaften bestimmt, würde aber alleinnicht ausreichen, wenn die Interaktion mit dem „zeitgeist“ fehlte und mitden Verfahren systematischer Wissensgewinnung.

Die neben dem Zufall hier genannten Variablen üben in den Vorstellungenvon Simonton einen moderierenden Effekt auf die wissenschaftliche Kreati-vität aus. Das steht nicht in Widerspruch zu dem bisher Gesagten. In derfolgenden Abbildung wird versucht, die skizzierten Zusammenhänge dar-zustellen. Das kann hier nur die Bedeutung haben darauf hinzuweisen, dassdie im Folgenden dargestellten Entwicklungen auf der Ebene ganzer Diszip-linen die Grundlage im Individuellen haben müssen (Abbildung 14).

entwicklung, woraus die Herausgeber in einem „Epilogue : Learning to DevelopTheory from Masters“ (ebenda, S. 572-588) zusammefassende Schlüsse ziehen.

108 Dean Keith Simonton, Creativity in Science. Chance, Logic, Genius and Zeitgeist,Cambridge 2004.

109 Ebenda, S. 161.110 Thomas S. Kuhn, The Structure of Scientific Revolutions, Chicago/Il. 1962, S. 52.

Page 65: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Entwicklungswege von Disziplinen 3.2

57

Kreativitätseinflüsse nach Simonton

Wissensch. KreativitätZufallseinflüsse

Methodik

Genius

Zeit-geist

Bedürfnis/Nachfrage

3.2 Entwicklungswege von Disziplinen

3.2.1 Modellvorstellungen der Entwicklung

Im zweiten Weltkrieg war der amerikanische Präsident Franklin D. Roose-velt einer Empfehlung von Vannevar Bush gefolgt, unter Bushs Leitung ein„National Defense Research Committee“ zu errichten. „To a remarkabledegree it succeeded in bringing the nation’s strength in science and engi-neering to bear in the war.“111 Trotzdem war die Einrichtung in der Admi-nistration, der Politik und der Öffentlichkeit umstritten. Für eine Zeit nachdem Krieg schlug beispielsweise Senator Harley M. Kilgore als Alternativezur Weiterführung des Komitees die Errichtung einer „National ScienceFoundation“ vor. Besorgt über die Rolle von Bushs Einrichtung in derNachkriegszeit im Vergleich zu der vorgeschlagenen, regte Bush den Präsi-

111 Donald E. Stokes, Pasteur’s Quadrant, Basic Science and Technological Innovation,Washington/D.C. 1997, S. 47.

Abbildung 14

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3 Wissenschaftlicher Fortschritt

58

denten zu einem am 17. November 1944 an ihn geschriebenen Brief an. Dar-in wird er aufgefordert, aus seiner Sicht zu Fragen der Wissenschaftsorgani-sation nach dem Kriege Stellung zu nehmen. Daraufhin entsteht „Science,the Endless Frontier“.112 Darin wird die Gründung einer „National ScienceFoundation“ vorgeschlagen, die insbesondere die staatliche Unterstützungder reinen Grundlagenforschung als der wesentlichen, langfristig wirkendenQuelle technologischer Innovationen vornehmen soll. Während die organi-satorischen Vorschläge insbesondere zu den Kompetenzen der „NationalScience Foundation“ stark beschnitten wurden, triumphierte das dargestellteModell eines Kausalnexus von Grundlagenforschung und technologischerInnovation. Dieses wird auch das lineare Modell der wissenschaftlichen Ent-wicklung oder – enger - des Technologietransfers genannt.

Rückschläge im technologischen Wettlauf während des „Kalten Krieges“führen das amerikanische Verteidigungsministerium zur Initiierung von„Project Hindsight“.113 Darin wird gezeigt, dass das lineare Modell für dieEntwicklung von Waffensystemen keine überzeugende Hypothese ist. Die„National Science Foundation“ stellt dem prompt ihre Sicht der Dinge ge-genüber. TRACES („Technology in Retrospect and Critical Events in Scien-ce“) zeigt an fünf Beispielen (Ferritmagnete, Videobandrecorder, oraleKontrazeptiva, Elektronenmikroskop, „Unterbrechung“ chemischer Reakti-onen durch sogen. matrix isolation), dass das lineare Modell zwar nichtimmer gilt, aber doch häufig genug, um es nicht aufzugeben114 – und damitauch die Aufgabe der „National Science Foundation“ weiterzuführen. Im-merhin erheben sich aber genügend Stimmen und werden ausreichendHinweise gesammelt, um Alternativen zum linearen Modell zu begründen.

Auch für die Betriebswirtschafslehre stellt sich die Frage, ob das lineareModell gültig ist oder eher nicht. Mit dem Blick auf die Entscheidungsfor-schung als einem Teilgebiet der Betriebswirtschaftslehre konnte gezeigtwerden, dass zwischen Theorie, Technologie und Technik jede Form zeitli-

112 Vannevar Bush, Science - the Endless Frontier. A Report to the President on a Programfor Postwar Scientific Research,Washington/D.C. (NSF) 1945 (Nachdruck 1960).

113 U.S. Department of Defense. Office of the Director of Defense Research and Engi-neering, Hrsg., Project Hindsight, Final report AD 495905, Washington/DC 1969.

114 Illinois Institute of Technology Research Institute, Technology in Retrospect andCritical Events in Science, National Science Foundation Contract C535, Vol. 1 1968;Vol. 2 1969. Hier ist nicht der Ort einer kritischen Methodendiskussion. Die Aus-zählung von Ereignissen, wie sie sich beispielsweise in Publikationen niederschla-gen, ihre Addition und Anordnung auf der Zeitachse bringt eine Reihe von Prob-lemen mit sich. In späteren Jahren wird sich die „science of science“-Forschung sol-chen Problemen annehmen.

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Entwicklungswege von Disziplinen 3.2

59

cher Kausalität zu finden ist.115 Hier hat diese Feststellung deshalb Relevanz,weil die Theorie typischerweise in der Grundlagenforschung weiterentwi-ckelt wird, die Technologie in der angewandten Grundlagenforschung oderder Entwicklung und die Technik häufig daneben allein in der Praxis. DieseBeobachtung spricht gegen die strenge Gültigkeit des linearen Modells.Welche Alternative gibt es?

Donald Stokes hat an die Stelle des linearen Modells eine Vorstellung ge-setzt, die in der folgenden Abbildung wiedergegeben wird. VorhandenesWissen kann sowohl die Grundlagenforschung als auch die anwendungs-orientierte Forschung (use-inspired basic research) stimulieren. Die bekann-ten Techniken und Technologien, die Begriffe werden im amerikanischenSprachgebrauch nicht getrennt, wirken in gleichartiger Weise sowohl auf dieanwendungsorientierte Grundlagenforschung als auch auf die reine An-wendungstechnik und Entwicklung. Aus den grundlagenorientierten For-schungsaktivitäten erwächst neues Verständnis, aus der anwendungsorien-tierten Grundlagenforschung und der Entwicklung neues technologischesWissen. Sieht man die Abbildung als auf einen Zeitabschnitt bezogen unddie Pfeile als Entwicklungen in der Zeit an, so wird deutlich, dass nach die-sem Modell jeder der Forschungstypen jeden anderen anregen und mitVorwissen versehen kann. Dieses „revidierte dynamische Modell“ (Abbil-dung 15) ist etwas völlig anderes als das lineare Modell.116

Ein solches Modell hat einen weiteren Vorteil. Es gestattet Methodenvielfalt,da es z. B. weder auf Induktion noch Deduktion festgelegt ist. Es erkenntdamit an, dass auf beiden Wegen das Fortschreiten einer Disziplin möglichist. „Methodenstreite“, wenn sie nicht mit dem Ziel der Dominanz einerVorgehensweise geführt werden, erübrigen sich damit. Freilich müssen dieMethoden Kriterien unterworfen sein, wie sie oben mit Universalismus,Kommunalismus, Vermeidung von Interessenkonflikten und Anwendungeines organisierten Skeptizismus angegeben wurden (vgl. oben, 2.2.6).

115 Klaus Brockhoff, Entscheidungsforschung und Entscheidungstechnologie, in:Eberhard Witte, Hrsg., Der praktische Nutzen empirischer Forschung, Tübingen 1981,S. 61-77, hier bes. S. 69ff.

116 Donald E. Stokes, Pasteur’s Quadrant, Basic Science and Technological Innovation,Washington/D.C. 1997, S. 88.

Page 68: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

3 Wissenschaftlicher Fortschritt

60

Das „revidierte Modell“ der Wissenschaft und ihres Fortschritts nach Stokes

3.2.2 Ungelöste Fragen als Ausgangspunkte

Durch welchen „Zufall“ kommt nun ein Wissenschaftler dazu, auf dem Wegüber die Forschung zu wissenschaftlichem Fortschritt beizutragen? „Exis-ting understanding“ und „existing technology“, die beiden Kennzeichnun-gen des Wissensstandes aus der Abbildung von Stokes, werden auch be-nutzt, um die durch „genius“ oder „zeitgeist“ mitbestimmten Fragestellun-gen zu beantworten. In einer anderen Sprache: Es sind mit demvorhandenen Wissen, den Mustern oder Paradigmen der Erkenntnis, „Rät-sel“ („puzzles“) zu lösen. So beschreibt es Thomas S. Kuhn (1902-1994) (Ab-bildung 16), jedenfalls mit Blick auf die Naturwissenschaften.117

Können die Rätsel ohne Widerspruch zu den bekannten Lösungsparadig-men aufgelöst werden, so erweitert dies als „normal science“ den Wissens-bestand. Das ist recht unspektakulär. So wachsen die „scientific achieve-ments, achievements that some particular scientific community acknowl-

117 Thomas S. Kuhn, The Structure of Scientific Revolutions, Chicago/London 1962.

Abbildung 15

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Entwicklungswege von Disziplinen 3.2

61

edges for a time as supplying the basis for its further practice“.118 Zwar wirddas Entstehen im Vergleich mit anderen lösungsmächtigeren Paradigmataals ein Reifezeichen einer Wissenschaft angesehen, doch zugleich nicht ge-fordert, dass alleMitglieder einer Disziplin sie als Lösungsinstrument für dievon ihnen wahrgenommenen Rätsel übernehmen. Ein Paradigma muss auchnicht vollständig in dem Sinne sein, dass es erlaubt, „(to) explain all factswith which it can be confronted“.119 In der folgenden Abbildung 17 bewegenwir uns mit der bisherigen Betrachtung auf dem linken, senkrecht verlau-fenden Weg zu „normal science“.

Prof. Thomas Samuel Kuhn, PhD (by Alexander Bird, wikipedia.org)

Gelingt es allerdings nicht, auf diesem Wege zu einer Lösung zu kommen,so kann nur eine „scientific revolution“ mit neuen methodischen Regeln,Mustern oder Paradigmen die Aussicht auf eine Rätsellösung eröffnen.

118 Ebenda, S. 10.119 Ebenda, S. 18.

Abbildung 16

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3 Wissenschaftlicher Fortschritt

62

Kuhn beschreibt näher „the recognition that nature has somehow violatedthe paradigm-induced expectations that govern normal science. It then con-tinues with a more or less extended exploration of the area of anomaly. Andit closes only when the paradigm theory has been adjusted so that theanomalous has become the expected.”120 Der Wissenschaftler bleibt hiernicht beim Lösen von Rätseln, sondern er muss nun zusätzlich Paradigmentesten. Das Ergebnis muss nicht alles Vorwissen für ungültig erklären. Im-merhin erscheint ein neues Paradigma aber als spektakulär. Es wird auchseltener vorkommen als die Entwicklung der „normal science“. Schließlichwird es den Widerständen begegnen, die sich Innovationen typischerweiseentgegenstellen.121 Das Schema, das nun auch den Weg zur „scientific revo-lution“ beschreibt, wird im Folgenden (Abbildung 17) gezeigt.

Das Modell der wissenschaftlichen Entwicklung nach Kuhn

Bedürfnis, Nachfrage,Zeitgeist, Zufall

Rätsel, Puzzle

Lösung durch be-kannte Paradigmen?

ja

Normal science

nein

Entwicklung neuerParadigmen?

ja

Scientificrevolution

nein

120 Ebenda, S. 52f.121 Bernard Barber, Resistance by Scientists to Scientific Discovery, Science, Vol. 84,1961, S. 596-602.

Abbildung 17

Page 71: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Entwicklungswege von Disziplinen 3.2

63

Dass diese Vorstellungen zu wissenschaftlichem Streit Anlass gaben undgeben, muss nicht besonders hervorgehoben werden. Sie stehen teilweise imWiderspruch zu anderen Auffassungen, zum Beispiel auch denen von KarlPopper, sie sind unscharf formuliert und die mögliche Unvergleichbarkeit(Inkommensurabilität) von Paradigmen macht es schwer, sich so etwas wiekumulatives Wissenswachstum vorzustellen. Das wird hier zurückgestellt,zumal sehr viel dazu geschrieben wurde.122

Kann diese Vorstellung einer wissenschaftlichen Entwicklung in den Na-turwissenschaften auch ein Modell für die Entwicklung der Betriebswirt-schaftslehre sein? Das ist plausibel anzunehmen, wenn zunächst einmal dieFrage nach der Existenz von Paradigmen zurückgestellt wird. Am Beispielder Entwicklung des strategischen Management ist – allerdings ohne explizi-ten Rückgriff auf Kuhn – eine sehr ähnliche Vorstellung vorgetragen undbelegt worden.123 Nehmen wir uns die Freiheit, diese Vorstellungen in mög-lichst enge Übereinstimmung mit dem Modell Kuhns zu bringen. Die fol-gende Abbildung 18 zeigt das Ergebnis.

Auf die Fragen des strategischen Managements wird in der VorstellungHermanns zunächst im Rahmen eines anerkannten Wissens, dem dominie-renden Lösungsdesign, zu antworten versucht. Bleibt dies unbefriedigend,so deutet sich eine Diskontinuität an. Finden sich gegenüber dem dominie-renden Design überlegene Antworten, so beginnt die Fermentierungsperio-de. In ihr wir das bisherige Design abgelöst und durch das überlegen er-scheinende Neue ersetzt. Dies darf als Indiz für die Anwendbarkeit derKuhnschen Modellvorstellung herangezogen werden.

122 Eine der letzten Arbeiten ist: Uwe Rose, Thomas Samuel Kuhn: Verständnis undMissverständnis. Zur Geschichte einer Rezeption, Diss. Göttingen 2004.

123 Pol Hermann, Evolution of strategic management: The need for new dominantdesigns, International Journal of Management Reviews, Vol. 7, 2005, S. 111-130. DerVerfasser wählt Literatur zum Technologiemanagement als Ausgangspunkt, insbe-sondere: M. Tushman/L. Rosenkopf, Organizational determinants of technologicalchange: toward a sociology of technological evolution, Research in Organizational Be-havior, Vol. 14, 1992, S. 311-347.

Page 72: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

3 Wissenschaftlicher Fortschritt

64

Das Modell wissenschaftlicher Entwicklung nach Herrman

Bedürfnis, Nachfrage,Zeitgeist, Zufall

Rätsel, Puzzle

Lösung durch „do-minant design“?

ja

Era of incremental change

nein

„TechnologicalDiscontinuity“

ja

Era of ferment

nein

Nun muss aber noch die Frage beantwortet werden, ob in der Betriebswirt-schaftslehre ein wichtiges Element des Kuhnschen Modells, das Paradigma,nachweisbar ist. Kuhn selbst war unsicher, ob sein Modell auf Sozialwissen-schaften anwendbar sei, weil entsprechende, durch hohen Konsens inner-halb der Disziplin ausgezeichnete Paradigmen fehlen könnten: „it remainsan open question what parts of social sciences have yet acquired such para-digms at all.”124 Radikal ablehnend ist aus mehreren Gründen DieterSchneider (1935): (1) Der Begriff werde bei Kuhn nicht eindeutig definiert,(2) die Bedeutung des Paradigmas sei in späteren Auflagen des KuhnschenModells von diesem deutlich zurückgenommen worden, (3) das Modellrichte sich auf Theoriedynamik, nicht auf Technologiedynamik, die aber inder Betriebswirtschaftslehre im Vordergrund stehe, (4) es fehle eine gemein-same empirische Basis der Wissenschaftler, wird von ihm behauptet.125 Da-bei wird Kuhn teilweise schärfer wiedergegeben als dieser selbst formuliert.Kuhns Theorie gehöre „in den wissenschaftlichen Papierkorb, aus dem sich

124 Thomas S. Kuhn, The Structure of Scientific Revolutions, Chicago/London 1962, S. 15.125 Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3.A., 2. Nachdr., Mün-chen/Wien 1994, S. 184ff. ders., Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methodender Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 402ff.

Abbildung 18

Page 73: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Entwicklungswege von Disziplinen 3.2

65

freilich manch einer noch eine Zeitlang bedienen wird.“126 Dass die aufge-führten Gründe ein solches Verdikt rechtfertigten, ist von anderen Betriebs-wirten bestritten worden. Besonders weit geht die Formulierung von Joa-chim Wolf (1957), der den Eindruck gewinnt, dass Kuhns Vorstellungen „inden Sozialwissenschaften in besonderem Maße zutreffen. Diese Vermutungist damit zu begründen, dass es… an absoluten (Hervorh., K.B.) Referenz-punkten der Erkenntnis(gewinnung) mangelt.“127

Nachdem Erich Gutenberg und Horst Albach, wie oben ausführlich berich-tet, auf wichtige Rätsel oder Puzzles für die Betriebswirtschaftslehre undihren Lösungsstand aufmerksam gemacht haben, stellt sich die Frage, ob sieauch Paradigmen erkennen. Tatsächlich geht Albach explizit darauf ein128:

„In den fünfziger Jahren setzte sich in der Betriebswirtschaftslehre derproduktivitätsorientierte Ansatz von Erich Gutenberg durch. Die betriebs-wirtschaftliche Forschung baute in den Folgejahren im wesentlichen aufdiesem Ansatz auf. In den siebziger Jahren aber setzten Versuche ein, die-ses ‚produktivitätsorientierte Paradigma’ abzulösen. … Inzwischen werdenin der deutschen Betriebswirtschaftslehre neben dem produktivitätsorien-tierten

- der entscheidungsorientierte Ansatz

- der systemorientierte Ansatz

- der koalitionstheoretische Ansatz

- der verhaltenswissenschaftliche Ansatz

- der normativ-ethische Ansatz

- der EDV-orientierte Ansatz

- der ‚unsichtbare Hand’-Ansatz

- der handlungstheoretische Ansatz

126 Ebenda, S. 186.127 Joachim Wolf, Organisation, Management, Unternehmensführung. Theorien und Kritik,Wiesbaden 2003, S. 24.

128 Horst Albach, Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, Zeitschrift für Betriebswirt-schaft, Ergänzungsheft 3/1993, S. 7-26, hier S. 16. Natürlich werden dort auch Hin-weise auf Vertreter der Ansätze gegeben.

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3 Wissenschaftlicher Fortschritt

66

als verschiedene Paradigmata, weitgehend ohne Bezug zu einander undmeist im Widerspruch gegeneinander, vertreten.“

3.3 Ergebnis

Dass es eine Vielzahl von Ansätzen gibt, deren Anhängerschaft und Ausar-beitung sie zu Paradigmen qualifizieren kann, sollte nicht verwunderlichsein. Es wurde ja darauf hingewiesen, dass auch Kuhn nicht davon ausgeht,dass alle Vertreter einer Disziplin auf ein Paradigma eingeschworen sind.Außerdem, das hat der Hinweis auf Simonton’s Vorstellungen von wissen-schaftlicher Kreativität gezeigt, werden die Rätsel nicht von allen identischwahrgenommen und die zu überwindenden Engpässe bei der Rätsellösungwerden auch von der subjektiven Komponente „genius“ gesteuert. Bedenk-licher ist Albachs Wahrnehmung von der Widersprüchlichkeit der Paradig-men, wenn man nicht auf eine dialektische Auflösung hoffen dürfte. Daskann aber im Rahmen des Systems Betriebswirtschaftslehre nicht von vorn-herein ausgeschlossen werden, zumal in der Vergangenheit solche Synthe-sen vorkamen.

Die Frage, wie sich Wissenschaften verändern, ist Gegenstand einer Vielzahlvon Untersuchungen. Ein gemeinsames Thema ist dabei, ob Wissen aus-schließlich in einem akademischen Umfeld gewonnen wird oder auch inunmittelbarer Zusammenarbeit mit seiner Anwendung. Ein zweites Themabetrifft das Ausmaß an Autonomie in der Auswahl von Themen und Me-thoden bzw. die Verantwortung für beides gegenüber Ditten, auch denfinanziellen Trägern der jeweiligen Forschungseinrichtungen. Beides sindCharakteristika von Systemen der Wissenserzeugung. Große Debatten der„science of science“-Forschung entwickeln dazu Modelle mit unterschiedli-chen Ausprägungen, teils deskriptiven, teils auch normativen Charakters,unterschiedlicher Aussagen über zwingende zeitliche Abfolgen der ver-schiedenen Formen der Wissensproduktion sowie unterschiedlicher Gel-tungsansprüche für einzelne Disziplinen. Schwache empirische Belegeschränken bisher den Geltungsbereich vor allem derjenigen dieser Vorstel-lungen ein, die mit historisch festen Abläufen und hohen Allgemeinheitsan-sprüchen argumentieren.129

129 Ein kritischer Überblick findet sich bei: Laurens K. Hessels/Harro van Lente, Re-thinking new knowledge production: A literature review and research agenda, Re-search Policy, Vol. 37, 2008, S. 740-760.

Page 75: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Ergebnis 3.3

67

Selbst in Tageszeitungen, wie der Frankfurter Allgemeine vom 9. Juni 2008,findet man Hinweise auf die Vorstellungen Kuhns über die Dynamik wis-senschaftlicher Entwicklung.

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3 Wissenschaftlicher Fortschritt

68

Im folgenden Kapitel soll wiederum exemplarisch gezeigt werden, wie un-terschiedlich die Wahrnehmung des Objekts der Betriebswirtschaftslehre alsAusgangspunkt für die Lösung von ihm ausgelöster „Rätsel“ ist.

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Ergebnis 3.3

69

4 Unternehmenstheorien alsBeispiele

Studierende und Praktiker fragen immer wieder nach der Theorie des Un-ternehmens. Sie sind manchmal verzweifelt, manchmal enttäuscht, wennihnen diese Frage nicht mit einem Hinweis beantwortet werden kann. Mög-licherweise würde auch eine alle Rätsel, Sichtweisen und Foci integrierendeTheorie entweder für die Technologie der Betriebswirtschaftslehre aussagen-leer bleiben oder einen Komplexitätsgrad erreichen, der einer Handhabungentgegensteht. Ähnliches ist schon einmal festgestellt worden, als in dieSimulationsmodelle vom „industrial dynamics“-Typ immer mehr integriertwurde, um das gesamte Unternehmen, seine Führung und sein Marktum-feld zu erfassen. Allein das Marketing-Modell eines Unternehmens nachdiesem Ansatz wurde im Rückblick von einem der führenden Marketing-Forscher als „sinnlos“ und „viel zu kompliziert“ bezeichnet.130

Ein Blick auf Unternehmenstheorien soll die vorausgehenden Darstellungenkonkretisieren. Dabei ist nicht an einen historischen oder an Vollständigkeitorientierten Überblick gedacht. Es soll deutlich werden, wie Elemente vonParadigmen durch unterschiedliche Problemausschnitte nach Wahl ihrerBetrachter geprägt werden. Auch der Zweck einer bestimmten Betrachtungbeeinflusst die in eine Erklärung oder Definition aufgenommenen Gesichts-punkte. Die Darstellung ausgewählter Unternehmenstheorien zeigt exem-plarisch unterschiedliche Antworten auf drei Fragen:

�� Was ist ein Unternehmen?

�� Warum gibt es Unternehmen?

�� Was tut ein Unternehmer – oder wie rechtfertigt er sein Einkommen?

130 D. B. Montgomery, Perspektiven der Entwicklung von computergesteuertenMarketing-Informationssystemen und Marketing-Modellen in den 70er Jahren, in:Hans Robert Hansen, Hrsg., Computergestützte Marketing-Planung, München 1974, S.707-726, hier S. 707. Zusammenfassend zur Kritik dieses Modelltyps auch: HelmutSchmalen,Marketing-Mix für neuartige Gebrauchsgüter. Ein Simulationsmodell zur Wir-kungsanalyse alternativer Preis-, Werbe- und Lizenzstrategien, Wiesbaden 1979, S. 12-21.

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4 Unternehmenstheorien als Beispiele

70

4.1 Das ist ein Unternehmen

Eigentlich sollte man annehmen, dass das Objekt einer Wissenschaft relativscharf bestimmt ist, zumindest unter denjenigen, die sich der Wissenschaftals Wissenschaftler zugehörig fühlen. Das ist in der Betriebswirtschaftslehre– wie auch in anderen Wissenschaften – allerdings nicht der Fall. Wir zeigendas an zwei Beispielen von Wissenschaftlern, die nun schon mehrfach zitiertwurden und sich nicht nur in ihren Auffassungen in der Regel sehr nahestehen.

�� „Die Kombination der elementaren Faktoren (objektbezogene und dispo-sitive Arbeit, Betriebsmittel, Werkstoffe, K.B.) schlechthin ist die be-triebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Aufgabe der Unternehmerin marktwirtschaftlichen Systemen.“131 Nach dem produktivitätsorien-tierten Paradigma ist ein Unternehmen eine autonom handelnde, zielori-entierte, effiziente Kombination von Produktionsfaktoren oder – nochabstrakter – eine Produktionsfunktion. Nun soll zunächst noch nicht ü-ber den dispositiven Faktor gesprochen werden, sondern über die Ab-grenzung von Betrieb und Unternehmen. Den Betrieb als technische Ein-heit aufzufassen, ist Gutenberg zu eng. Er charakterisiert verschiedeneBetriebstypen durch systemindifferente und systembezogene Tatbestän-de, wobei das „System“ die gesellschaftliche Ordnung meint, in die derBetrieb eingebettet ist. Als systemindifferent arbeitet Gutenberg die Pro-duktionsfaktoren und das ökonomische Prinzip („Prinzip der Wirtschaft-lichkeit“) sowie die Sicherstellung des finanziellen Gleichgewichts her-aus. Es sind Existenzvoraussetzungen von Betrieben. Zu den systembe-zogenen Tatbeständen werden ein betriebseigener Absatzbereichs, daserwerbswirtschaftliche Prinzip (das unterschiedliche Ausmaße des Ge-winnstrebens umfassen kann) sowie die Entscheidungsautonomie nachinnen und außen gezählt. Der in der Marktwirtschaft typische Betriebs-typ, die „Unternehmung“, ist durch diese systembezogenen Tatbeständecharakterisiert.132

Dass in der Zentral-Planwirtschaft das finanzielle Gleichgewicht keineRolle spiele, dies also kein systemindifferenter Tatbestand sein könne,dass auch andere Dispositionsmängel als die über die Finanzmittel denBetrieb zu Fall bringen können, hält Schneider dieser Auffassung entge-gen. Sie sei empirisch unzutreffend. Das Grundproblem sei, dass hier Er-fahrung als Grundlage wissenschaftlicher Aussagen diene. Eine Abgren-

131 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion,Berlin/Göttingen/Heidelberg 1951, S. 5.

132 Ebenda, 10. A., 1962, S. 340ff., bes. S. 402.

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Das ist ein Unternehmen 4.1

71

zung von „Unternehmung“ sei überdies auf die gewählte Weise nichtmöglich.133

�� In einer institutionellen Perspektive stellen sich die Abgrenzungen etwasanders dar. Hierbei ist ein Betrieb gekennzeichnet durch Ressourcen diefür den Ablauf von Entscheidungsprozessen erforderlich sind, Entschei-dungsprozesse über Ressourceneinsätze mit bestimmten Zweckorientie-rungen, integrative Beziehungen zwischen personellen Ressourcen (wasKommunikationsbeziehungen, Dienstwege oder Weisungsverhältnissebedeuten kann) sowie eine Verfassung, die das Maß an Selbständigkeitund die intendierte Dauer festlegt. In der Verfassung ist auch ein Teil derintegrativen Beziehungen geregelt. Über die definiert sich dann auch einUnternehmen. Es ist der von Kapitaleigentümern beherrschte Betrieb.134

Auch wenn man hier wieder systemindifferente und systembezogeneDefinitionselemente festlegt, wird man erkennen, dass diese Kennzeich-nung nicht mit der in (1) übereinstimmt. Die Beziehungen zwischen denMitgliedern des Betriebes und ihre zumindest teilweise Regelung in derVerfassung sind hier erforderlich, um den institutionellen Charakter un-tersuchen zu können. Das ist eine andere Sichtweise als die in (1) darge-stellte. Darüber hinaus ist ein Ein-Personen-Betrieb (und damit auch einsolches Unternehmen) nicht erfasst, weil dieser Erscheinungsform die in-tegrativen Beziehungen fehlen. Wer also beispielsweise Ein-Personen-Neugründungen untersuchen möchte, muss die Definition unzweckmä-ßig finden.

Je nachdem, auf welches der Definitionsmerkmale aus Gründen der je-weiligen Fragestellung oder des zu untersuchenden Wirklichkeitsaus-schnitts ein besonderes Gewicht gelegt wird, werden verschiedene Kon-zepte vom Unternehmen oder vom Betrieb entwickelt und eingesetzt (zueinem weiteren Beispiel vgl. Abschnitt 6.1.6). So wird bei einem großenGewicht auf die Rolle der persönlichen Beziehungen Betrieb oder Unter-nehmen als soziales System analysiert werden. Bei Konzentration auf dieEntscheidungsprozesse wird man eine entscheidungsorientierte Sicht desUnternehmens oder Betriebs einnehmen, wobei beispielsweise das Un-ternehmen der Ort der strategischen Entscheidungen sowie der Integra-tion von Entscheidungen sein kann, der Betrieb dagegen der Ort der o-

133 Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirt-schaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 246.

134 Horst Albach, Renate Albach, Das Unternehmen als Institution. Rechtlicher undgesellschaftlicher Rahmen. Eine Einführung. Wiesbaden 1989, S. 13f. Diese Charakteri-sierung hat Albach an anderer Stelle als “axiomatisch” bezeichnet: Horst Albach,Betrieb, in: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft. Eine vergleichende Enzyk-lopädie, Freiburg/Basel/Wien 1966, Sp. 637-646.

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4 Unternehmenstheorien als Beispiele

72

perativen Entscheidungen. Wer entdeckt, dass in der klassischen Be-triebswirtschaftslehre die Verteilung der Informationen im Unternehmennicht thematisiert wird und die Informationen selbst kostenlos zur Ver-fügung zu stehen scheinen, wird sich zur Überwindung dieser Sichtwei-se das Unternehmen als informationsverarbeitendes System vorstellen.Diese Beispiele konkretisieren unterschiedliche Vorstellungen davon,was ein Unternehmen ist.

4.2 Darum gibt es Unternehmen

Eine Definition von Unternehmen ist nicht zugleich eine Erklärung für ihreExistenz. Auch das als selbstverständlich empfundene Vorhandensein vonUnternehmen muss ursächlich erklärt werden. Auch hierbei werden wiederunterschiedliche Blickwinkel eingenommen.

�� Unternehmen könnten allein oder durch Zusammengehen mit anderendas Angebot beschränken, im Extremfall ein Monopol errichten. Dasführt nach den Standardmodellen der Preistheorie zu einer Produzenten-rente. Das könnte erleichtert werden, wenn Skaleneffekte die Ergebnissemit zunehmender Größe relativ ansteigen lassen oder andere Formenvon Markteintrittsbarrieren errichtet werden. Nur durch staatliche Auf-sicht und ihr Eingreifen kann diesen Entwicklungen begegnet werden.Es folgt die Hypothese, dass sich aufgrund der Marktstruktur ein ent-sprechendes Verhalten einstelle und daraus die Ergebnissituation zu er-klären sei.135 Man spricht hier von der Bain-Erklärung für die Existenzvon Unternehmen. „Despite ambivalent empirical results and seriousquestions concerning Bain-type Industrial Organization’s theoretical un-derpinnings, the view of the firm …. continuous to have appeal.”136

�� Implizit ist die eben gegebene Begründung statisch. Die einmal gewon-nene Überlegenheit scheint unangreifbar zu sein. Unternehmen könntenaber auch existieren, weil sie durch Innovationen die bestehenden Wett-bewerbsstrukturen dekonstruieren. „Creative destruction“ wird dieserVorgang durch Schumpeter genannt. In dem mit diesem Begriff über-

135 Vgl. dazu: Joe S. Bain, Relation of profit rate to industry concentration: Americanmanufacturing industries, American Economic review, Vol. 40, 1950, S. 35-47; ders.,Economies of scale, concentration, and the condition of entry in twenty manufactur-ing industries, American Economic Review, Vol. 44, 1954, S. 15-39.

136 Kathleen J. Conner, A Historical Comparison of Resource-Based Theory and FiveSchools of Thought Within Industrial Organization Economics: Do We Have a NewTheory of the Firm? Journal of Management, Vol. 17, 1991, S. 121-154.

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Darum gibt es Unternehmen 4.2

73

schriebenen Kapitel („Der Prozess der schöpferischen Zerstörung“) heißtes:137

„In der kapitalistischen Wirklichkeit jedoch … zählt nicht diese Art vonKonkurrenz (die Preiskonkurrenz, K.B.), sondern die Konkurrenz der neu-en Ware, der neuen Technik, der neuen Versorgungsquelle, des neuenOrganisationstyps (zum Beispiel der größtdimensionierten Unterneh-mungseinheit) – jene Konkurrenz, die über einen entscheidenden Kosten-oder Qualitätsvorteil gebietet und die bestehenden Firmen nicht an denProfit- und Produktionsgrenzen, sondern in ihren Grundlagen, ihrem ei-gentlichen Lebensmark trifft. Diese Art der Konkurrenz ist um so viel wir-kungsvoller als die andere, wie es ein Bombardement ist im Vergleich zumAufbrechen einer Tür …“

Die mit diesen Vorgängen verbundenen großen Risiken erfordern vonden Angreifern hohe Finanzkraft, die nur große Unternehmen zur Ver-fügung haben. Dass diese Annahme nicht zwingend ist, ist sowohl in ei-ner unübersehbaren Zahl empirischer Untersuchungen gezeigt wordenals auch gerade in den letzten Jahrzehnten deutlich sichtbar geworden.Die „Garagenfirmen“ des „silicon valley“ haben Großunternehmen derElektronikindustrie begründet. In der Biotechnologie-Industrie kommenradikale Neuerungen von kleinen Unternehmen. Der eigentliche Engpassfür sie ist der Aufbau eines Produktions- und Vertriebsapparats einer-seits und die Gewährleistung von Sicherheiten gegenüber den Produkt-nutzern andererseits. Deshalb kommt es zur Kooperation mit Großun-ternehmen oder dazu, dass der radikale Innovator übernommen wird.Effiziente Produktion und effizientes Marketing können deshalb alterna-tive Erklärungen für die Existenz von Unternehmen sein. Die Neugrün-dungen können nämlich im folgenden Schritt zu Angreifern werden undetablierte Unternehmen verdrängen.

Im Vergleich zum dem geschilderten Konzept von Bain wird hier eineneue Dimension der Betrachtung geöffnet. Die radikale Neuerung wirdeingeführt. Sie entzieht den traditionellen Unternehmen, deren Wettbe-werb in den Angebots- und Nachfragekurven abgebildet wird, die Exis-tenzgrundlage.

137 Joseph A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 4.A., München1975, S. 141 (ursprünglich unter dem Titel: Capitalism, Socialism and Democracy,New York 1942).

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4 Unternehmenstheorien als Beispiele

74

�� Für einen großen Teil der neueren Unternehmenstheorie ist eine Erklä-rung der Unternehmensexistenz entscheidend, die auf einem Kostenver-gleich beruht. Die arbeitsteilige Güterproduktion führt zu der Problem-stellung: „What has to be explained is why one integrating force (the en-trepreneur) should be substituted for another integrating force (the pricemechanism).“138 Dem Unternehmer entstehen ganz offensichtlich Pro-duktionskosten. Aber auch die Koordination durch Märkte, durch denPreismechanismus, ist kein freies Gut. „We may sum up … by sayingthat the operation of a market costs something and by forming an or-ganisation and allowing some authority (an ‚entrepreneur’) to direct theresources, certain marketing costs are saved.”139 Ein Unternehmen ent-steht also, weil Dispositionen über Ressourcen bei der Leistungserstel-lung und –verwertung innerhalb der Organisation geringer sind als beiNutzung von Märkten. Diese Vorstellung erklärt natürlich auch dieMaximalgröße von Unternehmen: „…a firm will tend to expand until thecosts of organising an extra transaction within the firm become equal tothe costs of carrying out the same transaction by means of an exchangeon the open market or the costs of organising in another firm.“140 Damitist die transaktionskostentheoretische Erklärung für die Existenz vonUnternehmen gegeben.

Mit dieser Sichtweise werden später auch sogenannte hybride Existenz-formen von Unternehmen erklärt,141 solche etwa, die in Kooperation mitanderen oder noch weiter gehend in Netzwerken von Unternehmen exis-tieren. Das ist wiederum ein Aspekt, der in den erstgenannten beidenSichtweisen nicht vorkommt, wo implizit die Unternehmen jeweils wei-testgehend unabhängig voneinander mit den Marktpartnern – abgebildetdurch Angebots- und Nachfragefunktionen – Produktionsfaktoren undLeistungen austauschen.

�� Auch die sogenannte ressourcenbasierte Unternehmenstheorie schaut indas Unternehmen hinein. Sie erklärt seine Existenz daraus, dass das Un-ternehmen über spezifische Ressourcen verfügt, die ihm das Angebotüberlegener Produkte gegenüber dem Wettbewerb sichert. Die Überle-genheit kann im Preis oder in der Produktqualität zum Ausdruck kom-

138 Ronald H. Coase, The Nature of the Firm, Economica, Vol. 4, 1937, S. 386-405; hierzitiert nach dem Nachdruck in: Readings in Price theory, Chicago/Homewood IL1952, S. 331-351, hier S. 344.

139 Ebenda, S. 338. „Marketing costs“ sind alle Kosten der Nutzung des Preismecha-nismus.

140 Ebenda, S. 341.141 Oliver E. Williamson, Markets and hierarchies: Analysis and antitrust implications,New York 1975.

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Das ist ein Unternehmer 4.3

75

men, jedenfalls vermittelt das Angebot dem Käufer einen höheren Nut-zen. Die Ressourcen müssen idealerweise vier Eigenschaften haben,nämlich wertvoll, selten, schwer zu imitieren und durch das Unterneh-men einsetzbar sein.142

Dieser Ansatz wird wegen der Vielzahl der kritischen Merkmale und derfehlenden Integration mit einer marktbezogenen Sichtweise als „vorpa-radigmatisch“ bezeichnet.143 Das ist aber keine Prognose, dass er zum Pa-radigma avancieren könnte. Bemerkenswert ist auch, dass die Eigen-schaften der entscheidenden Ressourcen nicht völlig unabhängig von-einander sind.

Natürlich können weitere Sichtweisen angeführt werden, die die Existenzvon Unternehmen begründen. Es erscheint aber ausreichend, hier erneut dieunterschiedlichen Perspektiven dargetan zu haben. Sie werden eingenom-men, um zum Teil auch im Laufe der Zeit neu aufkommende Rätsel adres-sieren zu können.

4.3 Das ist ein Unternehmer

Eine personale Sicht kennzeichnet Unternehmer an Hand von persönlichenEigenschaften. Es wäre durchaus reizvoll, den Katalog persönlicher Eigen-schaften und Anforderungen im Laufe der Zeit zu verfolgen. Man könntebeispielsweise bei Bernhardino von Siena (1380-1444) beginnen, der „Bega-bung, Verantwortung, Arbeitseinsatz und die Bereitschaft, Unsicherheitenzu übernehmen“ fordert.144 Im Jahre 1714 führen ehrlicher und untadeligerWandel, freundliche und höfliche Sitten und Gebräuche, Beredsamkeit,Entscheidungskraft, Fleiß die Liste an.145 Auf den folgenden Seiten wird einAuszug aus der Schrift von Jacob Marperger gezeigt. Es ist ein „Heroenkata-log“ der Kaufmanns- oder Unternehmereigenschaften.

Eine solche personale Sicht wird hier nicht eingenommen.

142 J. B. Barney, Gaining and Sustaining Competitive Advantage, Reading et al. 1996.143 Joachim Wolf, Organisation, Management, Unternehmensführung, Theorien und Kritik,Wiesbaden 2003, S. 431.

144 Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirt-schaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 121.

145 Paul Jacob Marperger, Nothwendig und nützliche Fragen über die Kauffmannschafft,Leipzig/Flensburg 1714, S. 49f.

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4 Unternehmenstheorien als Beispiele

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Marpergers Katalog der Unternehmereigenschaften, 1714

Hier wird eine funktionale Sichtweise bevorzugt. Als Unternehmer bezeich-nete Personen müssen aus ökonomischer Sicht für andere Funktionen über-nehmen, die diese wertschätzen und deshalb dem Unternehmer ein Ein-kommen ermöglichen. In der Geschichte der Betriebswirtschaftslehre gibt esnun eine Fülle von Vorstellungen darüber, welche Funktionen den Ein-kommenserwerb des Unternehmers rechtfertigen könnten. Zwölf nicht

Abbildung 19-a

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Das ist ein Unternehmer 4.3

77

Marpergers Katalog der Unternehmereigenschaften (Fortsetzung)

überschneidungsfreie Funktionen wurden herausgearbeitet,146 die sich auffolgenden Katalog verdichten lassen:

(1) Übernahme von Risiken im Allgemeinen, mit Bezug auf Einkommenoder durch Arbitrage bezüglich Raum oder Menge

146 Robert F. Hébert, Albert N. Link, The Entrepreneur: mainstream views and radicalcritiques, 2.A., New York/London 1988, bes. S. 107. Die Autoren verdichten ihre Ka-tegorien auf vier.

Abbildung 19-b

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4 Unternehmenstheorien als Beispiele

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(2) Durchsetzung von Innovationen

(3) Entscheidungsträger, Manager, Aufseher oder Koordinator ökonomischer Ressourcen, der diesen die bestmögliche Verwendung zuweist

(4) Bereitstellung von Kapital, insbesondere auch als Eigentümer einesUnternehmens; damit ist eine Arbitrage in der Zeit verbunden

(5) Industrieführerschaft ausüben und

(6) Vertragspartner sein.

Diese und ähnliche Definitionen werden als essentialistisch kritisiert, da sienicht als Hilfsmittel für Problemlösungen aufgestellt werden.147 Die beidenletzen Funktionen berühren keine ökonomischen Kategorien. Die vierte istwenig überzeugend.148 Deshalb werden zunächst Beispiele der drei erstenFunktionen gegeben.

Ad (1): Risikoübernahme oder Arbitrage

Als Beispiel ist auf das Werk von Richard Cantillon zu verweisen.149 Er be-schäftigt sich vorzugsweise mit einem speziellen Unternehmertyp, nämlichdem Händler mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Das kann der Pächtereines Landgutes sein, der sich weiterer Unternehmer bedienen kann, die dieLogistikkette in die Stadt realisieren, wo die Landprodukte verkauft undkonsumiert werden. Das ist verständlich, weil nur die ProduktionsfaktorenBoden und Arbeit vorkommen und allein die Grundeigentümer durch ihr

147 Thomas Hermann, Zur Theoriegeschichte des dispositiven Faktors, Stuttgart 1994, S.17.

148 Kurz und dogmengeschichtlich argumentierend erklärt dies: (Joseph A.) Schum-peter, Unternehmer, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4.A., Jena 1927, S.476-487, hier S. 481.

149 Richard Cantillon, Abhandlung über die Natur des Handels im allgemeinen, Jena 1931.Die Originalschrift hat den Titel: Essai sur la Nature du Commerce en Général.Traduit de l’Anglois, Londres 1755, ohne dass ein Verfasser angegeben ist. In demumfangreichen Beitrag zur Einführung in die deutsche Ausgabe (S. V bis LXVI) vonFriedrich A. Hayek wird die Autorenschaft von Cantillon nachgewiesen, zugleichaber auch darauf aufmerksam gemacht, dass möglicherweise der Text in französi-scher Sprache vorlag und in Frankreich mit dem genannten Titelblatt gedrucktwurde. Das passt zu den nur schwer rekonstruierbaren Lebensumständen, zu de-nen der Tod des Bankiers und Unternehmers in London durch den von einem ent-lassenen Dienstboten gemeinsam mit anderen begangenen Mord und der Versuchder Vertuschung des Verbrechens durch Feuer in seinem Hause gehören. In derWirkungsgeschichte wird gezeigt, dass das Werk vor der Verbreitung der Schriftenvon Adam Smith eine enorme Bedeutung hatte, nicht zuletzt als Grundlegung derNationalökonomie.

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Das ist ein Unternehmer 4.3

79

Eigentum unabhängig sind. Die potenziellen Käufer in der Stadt könnenkeine Vorratshaltung betreiben (mit Ausnahme von Wein, der ausdrücklicherwähnt wird). Wegen schwankender Familiengröße und schwankenderPräferenzen sowie schwankender Einkommen aufgrund täglicher Entloh-nung ist die Nachfrage unbestimmt. Die Unternehmer schaffen Waren zueinem „bestimmten Preis nach dem des Platzes, an dem sie kaufen“ heran,„um sie im Groß- oder Kleinhandel zu einem ungewissen Preis weiterzu-verkaufen.“150 Als weiterer Gesichtspunkt kommt der Wettbewerb hinzu:151

„Diese Unternehmer können niemals die Größe des Verbrauchs in ihrerStadt kennen, ja nicht einmal wissen, wie lange ihre Kunden von ihnenkaufen werden, da doch ihre Konkurrenten mit allen Mitteln danach trach-ten, die Kunden von ihnen zu sich abzuziehen; all dies verursacht so vielUnsicherheit unter all diesen Unternehmern, daß man täglich sehen kann,wie manche von Ihnen zahlungsunfähig werden.“

Sodann wird gezeigt, dass wegen der Arbeitsteilung bei der Güterprodukti-on in der Stadt prinzipiell jeder Unternehmer jeden anderen zum Kundenhat, sie also wechselseitig voneinander abhängig sind. Außerdem wird dar-gestellt, dass Gewinne zusätzliche Unternehmer einer Branche anziehen, biseine Zahl erreicht ist, bei der diejenigen mit dem geringsten Zulauf durch„Bankrott“ ausscheiden. Dies gelte ebenso für Unternehmer, die Kapitalbenötigen, wie für solche, die ohne Kapital auf eigene Rechnung tätig wer-den: „Handwerksgesellen, Kesselflicker, Flickschneider, Rauchfangkehrer,Wasserträger“, aber auch die Unternehmer in Kunst und Wissenschaft, „wieMaler, Ärzte, Advokaten“.152 „Selbst Bettler und Diebe sind Unternehmervon dieser Art.“153 Im Staatswesen existieren also die unabhängigen Grund-eigentümer, die abhängigen Unternehmer mit unsicherem Lohn und dieabhängigen Lohnempfänger, deren Einkommen sicher ist, so lange sie esbeziehen.

Ad (2): Durchsetzung von Innovationen

Statisches Wirtschaften ohne individuelle Initiative kennzeichnet eine großeAnzahl von Wirtschaftssubjekten, die „Wirte“ genannt werden. Ihr Handeln

150 Ebenda, S. 33f.151 Ebenda, S. 34.152 Ebenda, S. 36.153 Ebenda, S. 37.

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4 Unternehmenstheorien als Beispiele

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ist routinisiert und mit Blick auf die erwarteten Ergebnisse verhältnismäßigsicher. Der Durchsetzung von Neuem stehen äußere und innere Widerstän-de entgegen.154 Sie werden durch „dynamisches Handeln“ überwunden, dasdurch die Motive „Freude an sozialer Machtstellung und die Freude anschöpferischem Handeln“ geleitet wird.155 Das führt zu der Behauptung:156

„dass ein Unternehmer derjenige ist, der neue Kombinationen durchsetzt,wozu, wie wir sahen, nichthedonisches Handeln so gut wie stets nötig ist.Der Unternehmer ist unser Mann der Tat auf wirtschaftlichem Gebiete. Erist der wirtschaftliche Führer, ein wirklicher, nicht bloß ein scheinbarerLeiter wie der statische Wirt.“

Worin bestehen die neuen Kombinationen? Sehr knapp wird festgestellt:157

„1. Die Erzeugung und Durchsetzung neuer Produkte oder neuer Qualitä-ten von Produkten.2. Die Einführung neuer Produktionsmethoden.3. Die Schaffung neuer Organisationen der Industrie …4. Die Erschließung neuer Absatzmärkte.5. Die Erschließung neuer Bezugsquellen.“

Der Durchsetzung neuer Kombinationen widmen sich vier Typen von Un-ternehmern. Die sich im Hinblick auf die Spezifizierung ihres Tätigkeitsmo-tivs, ihres Herkommens und der Quellen für ihre Ressourcen (insbesondereder Finanzierungsmittel) unterscheiden (vgl. Abbildung 20).158

154 Joseph Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig 1912, S. 120.155 Ebenda, S. 138.156 Ebenda, S. 172.157 (Joseph A.) Schumpeter, Unternehmer, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften,4.A., Jena 1927, S. 476-487, hier S. 483.

158 Ebenda, S. 484f.

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Das ist ein Unternehmer 4.3

81

Unternehmertypen nach J. Schumpeter

Unter-nehmer-Typen

Fabrikherr,Kaufmann

Industrie-kapitän

Direktor,Manager

Promotor,Gründer

Motiv Vor- undFürsorge fürFamilie undBeschäftigte;Liebe zurFirma

Gewinn,Macht,Einfluss,Anerken-nung

Streben nachAnerkennungdurch Leis-tung

Durchset-zung neuerKombi-nationen

Auslese Erbschaft,Klassenzu-gehörigkeit

Durch Akti-enmehr-heiten;Aufsichtsrä-te der Ban-ken

Laufbahn(analog zuBeamten)

Selbst-selektion;sozialeHeimatlo-sigkeit

Beschaffungder Produk-tionsmittel

Eigentum Ohne kon-krete Bezie-hung

Verwaltungdes Kapitalsder Eigentü-mer

Durch„Vermitt-lung“ vonDritten

Wenn häufig von dem Schumpeter-Unternehmer gesprochen wird, so ist derneue Kombinationen durchsetzende Promotor, Gründer oder Innovatorgemeint. Er benötigt kein eigenes Kapital, sondern erhält es durch Dritte. Erist an das von ihm gegründete Unternehmen nicht gebunden, wie etwa derFabrikherr oder Kaufmann. Seine Tätigkeit ist „der Idee nach rein auf dieUnternehmerfunktion“ beschränkt. Bei den anderen Unternehmertypenkommt diese Funktion ebenfalls vor, sie ist aber nicht so hervortretend wiebeim Promotor oder Gründer. Sehr sympathisch erscheint dieser Typusnicht. - Vom Direktor oder „manager“ wird angenommen, dass er „interes-siert“ ist. Das kann als Existenz von Anreizen zur Unternehmertätigkeitinterpretiert werden.

„Das Wesen des Unternehmergewinns“ wird bei Schumpeter (1883 – 1950)(Abbildung 21) als Resultat der Durchsetzung neuer Kombinationen“ er-klärt.159 Dieser Unternehmergewinn ist nur zeitlich begrenzt zu realisieren.Gleichwohl, auch nicht bei einem Misserfolg, wird der Unternehmer als„Risikoträger“ angesehen. „Hier kommt der Kreditgeber zu Schaden, wenn

159 Joseph Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig 1912, S. 288.

Abbildung 20

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die Sache misslingt. Denn obgleich eventuelles Vermögen des Unternehmershaftet, so ist doch ein solcher Vermögensbesitz nichts Wesentliches, sondernnur etwas Zufälliges.“ Das Risiko treffe ihn „als Geldgeber oder als Güterbe-sitzer, nicht aber als Unternehmer. … Mag er auch seinen Ruf riskieren, diedirekte ökonomische Verantwortung eines Misserfolges trifft ihn nie.“160

Diese Form von Persönlichkeits- oder Funktionenspaltung ist möglicherwei-se abstrakt denkbar, in der Realität aber kaum nachvollziehbar.

Professor Dr. Joseph Schumpeter auf dem Campus der Harvard University undWidmungsunterschrift auf dem Deckblatt des Artikels „Unternehmer“

160 Ebenda, S. 290.

Abbildung 21

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Das ist ein Unternehmer 4.3

83

Ganz explizit wird auch die neue Kombination von Produktionsfaktoren alsUnternehmerfunktion angesehen.161 Das kann als organisatorische Innovati-on begriffen werden und als wesentliche Entscheidungsfunktion des „dispo-sitiven Faktors“ aufgefasst werden. Das ist die von Gutenberg eingenomme-ne Sichtweise, wie sich im nächsten Absatz zeigt.

Ad (3): Koordination von Produktionsfaktoren

Die Notwendigkeit einer Koordination der durch Arbeitsteilung getrenntenVerrichtungen erfordert ebenso eine unternehmerische Leistung wie die mitBlick auf ihre Preise und den zu erzielenden Output im Hinblick auf ein Zieloptimal zu kombinierenden Produktionsfaktoren. Die Koordination funkti-onal spezialisierter Produktion wird an demselben Beispiel der Stecknadel-produktion wie bei Adam Smith von Friedrich List erläutert: „Die Arbeits-leistungen aller müssen im richtigen Verhältnis zueinander stehen; die Ar-beiter müssen möglichst nahe beisammen wohnen; ihr Zusammenwirkenmuß verbürgt seyn.“162 Die Koordination von Produktionsfaktoren als Un-ternehmerfunktion hat eine bedeutende Tradition.163 Bei Alfred Marshallwird der für einen anonymen Markt arbeitende „ideal manufacturer“ als„organizer of production“ und „leader of men“ bezeichnet.164 Bei Gutenbergwird auf den „dispositiven Faktor“ der Geschäfts- und Betriebsleitung hin-gewiesen, dessen Aufgabe in der Kombination der Elementarfaktoren (Be-triebsmittel, Werkstoffe, objektgebundene Arbeit) besteht. Dies geschiehtdurch „bewußtes menschliches Handeln nach Prinzipien“. Funktional kanndas Handeln des dispositiven Faktors oder Unternehmers als Leitung, Pla-nung und Organisation charakterisiert werden.165

Das hier dargestellte Funktionenschema stellt nicht das einzige dar. Sehrausführlich und kritisch hat Schneider weitere Funktionen in historischerBetrachtung dargestellt.166 Er hat auch den Versuch einer Integration ver-

161 Joseph Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig 1912, S. 175.162 Friedrich List, Das nationale System der politischen Oekonomie. Erster Band: Der inter-nationale Handel, die Handelspolitik und der deutsche Zollverein, Stuttgart/Tübingen1841, S. 224.

163 G. Koolman, Say’s Conception of the Role of the Entrepreneur, Economica, Vol. ,1971, S. 269-286; Thomas Hermann, Zur Theoriegeschichte des dispositiven Faktors,Stuttgart 1994, S. 70ff.

164 Alfred Marshall, Principles of Economics, Vol. I, London/New York 1890, S. 359.165 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Band 1. Die Produktion,Berlin/Göttingen/Heidelberg 1951, S. 7f. Vgl. dazu: Horst Albach, Der dispositiveFaktor in Theorie und Praxis, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 60. Jg., 1990, S. 533-548.

166 Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4: Geschichte und Methoden der Wirt-schaftswissenschaft,München/Wien 2001, S. 511-602.

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4 Unternehmenstheorien als Beispiele

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schiedener Unternehmerfunktionen vorgelegt. Wer durch Einsatz von Wis-sen, Arbeit oder Vermögen Unsicherheiten beim Erwerb oder der Verwen-dung von Einkommen zu reduzieren bestrebt ist, wird als Unternehmerbezeichnet. Er hat drei Funktionen.

�� Erstens errichtet er Institutionen, um seiner Funktion gerecht zu werden.�� Zweitens erhält er diese Institutionen in Märkten, indem er Arbitrage-

oder Spekulationsgewinne anstrebt.�� Drittens sorgt er für den Erhalt nach innen, indem er wirtschaftliche

Führerschaft einsetzt und erneuert.167 Hierzu sind Planung, Änderungenin der Organisation und Führung einzusetzen.

Allerdings ist dieser wissenschaftsgeschichtlich ausgerichteten Sichtweiseein Verbindungsmangel zu neueren theoretischen Konzepten des Unter-nehmens vorgehalten worden, wie etwa der Transaktionskostentheorie vonCoase.168

167 Dieter Schneider, Neubegründung der Betriebswirtschaftslehre aus Unternehmer-funktionen, Annals of the School of Busines Administration; Kobe University, 1988, No.32, S. 31-47.

168 Viele Hinweise bei: Thomas Hermann, Zur Theoriegeschichte des dispositiven Faktors,Stuttgart 1994, S. 18ff.

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Erwartungen 5.1

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5 Geschichte der Betriebs-wirtschaftslehre

5.1 Erwartungen

Man kann aus der Geschichte lernen, auch wenn sie keine Prognosen imwissenschaftlichen Sinne169 ermöglicht. Zu diesem Schluss kommt der Histo-riker Karl Dietrich Erdmann, der die möglichen Zukunftsaussagen zwischenzwei bildhaft beschriebenen Extrempositionen ansiedelt: dem Kreis170, alsdem Bild des zyklisch Wiederkehrenden, und der Linie171, als dem Bild dereschatologisch-teleologischen Geschichtsdeutung.172 Welche Erwartungenkönnen sich dann darauf richten, die Geschichte der Betriebswirtschaftslehrezu erforschen und sie wahrzunehmen? Stiftet ihr Studium Konsumnutzen

169 Darunter werden verstanden: Wahrscheinlichkeitsurteile über das Auftreten einesoder mehrerer Ereignisse in einem Zeitraum der Zukunft, die auf Beobachtungender Vergangenheit, einer möglicherweise nur wenig ausgearbeiteten Theorie überdie Erklärung dieser Beobachtungen sowie einer Annahme über die Fortgeltungder Erklärung in der Zukunft beruhen: Klaus Brockhoff, Prognosen, in: Franz XaverBea/Birgit Friedl/Marcell Schweitzer, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 9.A., Stutt-gart 2005, S. 759-800, hier S. 759.

170 Ein Beispiel aus dem Alten Testament illustriert dies: „Was gewesen, wird wie-derum sein. Was geschehen, wird wieder geschehen. Nichts Neues gibt’s unter derSonne. Wär’ einmal etwas, davon man sagte: ‚Siehe da, ein Neues’, längst ist es ge-wesen in Zeiten, die hinter uns liegen“ Der Prediger (Das Buch Ekklesiastes), Kap.1, Verse 9-10.

171 Ein Beispiel aus der marxistischen Lehre illustriert die Position: „Die Wucht dergeschichtlichen Ereignisse verlangt die Anerkennung des Wirkens gesellschaftli-cher Gesetzmäßigkeiten. Aber die bürgerliche Klassenposition verlangt die Leug-nung der objektiven Determiniertheit der gesamtgesellschaftlichen Erscheinungenund Prozesse, weil deren Anerkennung unvermeidlich die Perspektive des gesetz-mäßigen Sieges des Sozialismus über den Imperialismus und die Richtigkeit deshistorischen Materialismus implizieren würde.“ Wolfgang Eichhorn/Günter Krö-ber, Das Gesetz und die bewußte Ausnutzung gesellschaftlicher Gesetze, in:Marxis-tische Philosophie, 2.A., Berlin 1967, S. 296-352, hier S. 321.

172 Karl Dietrich Erdmann, Historische Prognosen – rückschauend betrachtet, in:Erich Burck, Hrsg., Die Idee des Fortschritts,München 1963, S. 59-84.

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5 Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

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als intellektuelles Vergnügen oder darf mehr erwartet werden? Kann eineventueller Nutzen neben der Wissenschaft auch die Praxis erreichen?173

Den Fragen soll kurz nachgegangen werden. Auf ihre Relevanz wurdeschon dadurch hingewiesen, dass oben Fälle dargestellt wurden, in denenzurückliegendes Wissen in modernen Managementansätzen (das Wertket-tenmodell Porters oder die Zweitpreis-Auktion) erst wiederentdeckt wurde.Einen Überblick über den Nutzen geschichtlicher Kenntnisse im Unterschiedzu einer „geschichtslosen Managementwissenschaft“ hat Dieter Schneider(1935) gegeben.174 Auch er beginnt mit Hinweisen auf vier Beispiele aus derPlanungs- und der Kostenlehre, in denen früher vorhandenes Wissen nichtnur vergessen und sehr viel später nicht bloß wiederentdeckt, sondern neuerarbeitet und mit neuer, eigener Terminologie zur Verfügung gestellt wur-de. Es handelt sich bei diesen vier Beispielen um Zustands- und Entschei-dungsbäume in der Entscheidungslehre, die Methode des kritischen Wertesoder der Sensitivitätsanalyse, die Plankostenrechnung und die Lehre vom„toten Punkt“. Er wurde als „break-even point“ später neu entwickelt. Wel-che Folgen hat diese „Geschichtslosigkeit“?

Aufgrund von Beispielen wird festgestellt: „Bei mehr wissenschaftsge-schichtlichem Interesse hätten die Grundlagen heutiger betriebswirtschaftli-cher Planung, Plankostenrechnung und Investitionsrechnung über ein hal-bes Jahrhundert früher gelehrt werden können.“175 Dies wird in fünf einzel-nen Argumenten vorgetragen, wobei die deutliche Ablehnungmathematischer Symbolik und Methodik erkennbar mitschwingt:176

„(a) Verständnis einzelner Theorien: Das Wissen, wie eine Theorie sich ge-schichtlich entwickelt hat, erleichtert die Antwort auf jede der fünf Teilfra-gen (deren Beantwortung das Theorieverständnis erschließt, K.B.). JenenStudierenden, die der formalen Darstellungsweise wenig Geschmack ab-gewinnen können, hilft die Beschreibung der Entstehungsgeschichte beimVerständnis des Problems und des Lösungsansatzes …(b) Anwendung von Theorien: … Wenn von der Praxis verwandte Lösungs-verfahren für Problemstellungen auf einzelwirtschaftliche Theorien Bezug

173 Ähnliche Fragen erörtert Friedrich Schiller in seiner Antrittsvorlesung an derUniversität Jena: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschich-te? In:Werke in drei Bänden, Bd. II, München 1966, S. 9-22.

174 Dieter Schneider, Managementfehler durch mangelndes Geschichtsbewusstsein inder Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 29. Jg., 1984, S.114-130.

175 Ebenda, S. 117.176 Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3.A., 2. Nachdr., Mün-chen/Wien 1994, S. 74ff.

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Erwartungen 5.1

87

nehmen, so gehen häufig die Voraussetzungen jener vor Jahrzehnten erar-beiteten Theorien unter; das ursprüngliche Begriffsverständnis, die still-schweigenden Umweltannahmen werden nicht mehr beachtet. Schon einwenig Wissen um die Geschichte einzelwirtschaftlichen Denkens verankertbei demjenigen, der eine Theorie anwenden will, ein Störgefühl gegenvoreilige Schlüsse.(c) Verständnis für Theoriezusammenhänge: Hier bietet die Wissenschaftsge-schichte eine Gelegenheit, unter dem Blickwinkel der Theorienentwicklungeine Verknüpfung aufgefächerten Wissens zu versuchen. Das Studium derWissenschaftsgeschichte soll den Blick für die wesentlichen Problemstel-lungen und Problemlösungsansätze schärfen. …(d) Entwicklung verbesserter Theorien: … Das Studium der Originalarbeiten… erweitert den Blick nicht nur für Kritikpunkte, sondern auch für dasEntwerfen von Lösungsalternativen. …(e) Standortbestimmung der Wissenschaft: Mangelndes oder grob unvollstän-diges Wissen um die Geschichte einer Wissenschaft begünstigt eine Fehl-einordnung neuer Problemstellungen (die teilweise nur wissenschaftlicheModen sind), eine schiefe Sicht des Verhältnisses zu Nachbarwissenschaf-ten, Überschätzung sogenannter Methodenprobleme und Fehlurteile hin-sichtlich des gesellschaftlichen Bezugs des eigenen Faches.“

An anderer Stelle wird hinzugefügt, dass geschichtliches Bewusstsein auchdie Sammlung „bestätigender oder widerlegender Musterbeispiele zu ein-zelnen … Theorien“ ermöglicht.177 Das leistet einen Beitrag zur Beurteilungder Hypothesen oder Theorien im Sinne Poppers. Auch Denkfehler könnenso leichter entdeckt und vermieden werden.

Das ist ein eindrucksvoller Katalog. Dass er in leicht veränderter Form nichtnur Studierende oder Wissenschaftler anspricht, hat Hermann Simon (1947)in einem Satz zusammengefasst: Nur wer die Vergangenheit versteht, inter-pretiert die Gegenwart richtig und gewinnt dadurch ein besseres Verständ-nis für die Zukunft.“178 Er fügt dem Katalog Schneiders ein weiteres Elementhinzu: Geschichtsbewusstsein hilft bei der Unterscheidung zwischen Mana-gementmoden und dem, was Simon Managementprinzipien nennt.179 Diesehaben einen lange fortdauernden Charakter. Nur soweit dabei an die Samm-

177 Dieter Schneider, Managementfehler durch mangelndes Geschichtsbewusstsein inder Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 29. Jg., 1984, S.114-130, hier S. 130.

178 Hermann Simon, Think! Frankfurt/New York 2004, S. 15.179 Ebenda, S. 17.

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5 Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

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lung von Musterbeispielen gedacht ist, stimmt das Argument mit demSchneiders überein.

Die sechs oder gar sieben Argumente veranlassen sofort zu der Frage, wa-rum das Geschichtsbewusstsein nicht stärker ausgeprägt ist. Dieter Schnei-der antwortet darauf mit vier Argumenten: (1) Wissenschaftlicher Wettbe-werb erzeugt Druck, der „rasche Vermarktung entscheidungslogischer Re-chentechniken und verhaltenswissenschaftlicher Experimentergebnisse“fördert. (2) Der Wunsch nach schnellen Umsetzungserfolgen in der Beratungwird nicht durch historische Erwägungen aufgehalten. (3) Es scheint einenHang zur Übervereinfachung zu geben. (4) Einseitigkeiten schaden, auchdann, wenn Historiker nicht über ausreichende Kenntnisse der Betriebswirt-schaftslehre verfügen.180

Vielleicht finden sich Antworten aber auch außerhalb des Faches. Die Uni-versitätsreformen seit etwa 1970 haben zur geschichtslosen Wissenschaftbeigetragen. Zunächst ist das Schlagwort von der notwendigen „Entrümpe-lung“ der zu umfangreich erscheinenden Studiengänge vorgetragen undvon eifrigen Reformkommissionen umgesetzt worden. Vielfach sind dabeihistorische Aspekte in der Lehre auf der Strecke geblieben. Das gilt für gan-ze Lehrveranstaltungen ebenso wie für Teile von Lehrveranstaltungen. DieEinführung der sogenannten Bologna-Struktur (mit Bachelor- und Master-Studiengängen) führt diese Entwicklung unter dem freundlicheren Etikettder Modernisierung oder der Heranführung an internationale Standardsweiter. Wo so gelehrt wird, fehlen schnell die Lehrer fachgeschichtsbezoge-ner Darstellungen und zugleich die Forscher, die historische Perspektivenpflegen. Das von Francis Bacon beschriebene „Haus Salomon“ war da besserausgerüstet!

5.2 Grenzen

Wer für eine geschichtsorientierte Betriebswirtschaftslehre eintritt, muss sichauch der Grenzen einer solchen Ausrichtung bewusst sein. In einer Aussagezusammengefasst liegen sie darin, dass geschichtlich orientierte Darstellun-gen nicht als objektiv verstanden werden dürfen. Das hat zur Folge, dass aufdie jeweils eigene Nachprüfung grundsätzlich nicht verzichtet werden kann.

180 Dieter Schneider, , Managementfehler durch mangelndes Geschichtsbewusstseinin der Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 29. Jg., 1984, S.114-130, hier S. 125ff.

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Grenzen 5.2

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Die generelle Aussage zu den Grenzen wird durch zwei Aspekte illustriert:(1) Auch an geschichtsorientierter Wissenschaft Interessierten unterlaufenFehler. (2) Die geschichtsorientierten Darstellungen sind auf Grund vonWerturteilen im Basisbereich unterschiedlich. Sie geben den jeweiligen „Be-trachtungswinkel“ wider oder sie sind zweckgerichtet.

(1) Das erste Problem kann wiederum mit Bezug auf Dieter Schneider ver-deutlicht werden. Über Luca Pacioli181 heißt es: „So erwähnt er keine Inven-tur, obwohl Inventuren schon im römischen Recht über ein Jahrtausendzuvor verlangt werden. Er kennt keinen Jahresabschluß, obwohl Großkauf-leute in Florenz schon ein Jahrhundert von Pacioli in mehr oder wenigerregelmäßigen Abständen Jahresabschlüsse anfertigen.“182 Ein kurzer Blick inden 11. Abschnitt (Tractatus XI) der deutschen Übersetzung von PaciolisWerk bietet dagegen Überraschungen:183

„Kapitel 2. Von dem ersten Hauptteile dieser Abhandlung, dem Inventar, was esist und wie es unter Kaufleuten angefertigt wird.… Zuerst muß der Kaufmann sein sorgfältiges Inventar in der Weise abfas-sen, dass er immer zuerst auf ein Blatt oder in ein besonders Buch daseinschreibt, was er in der Welt an Immobilien und Mobilien zu besitzenglaubt, indem er immer mit den Dingen beginnt, die kostbar sind undleicht verloren gehen können, wie bares Geld, Edelsteine, Silbergeräteusw., weil die Immobilien, wie Häuser, Felder, Lagunen, Brakwasserteiche,Fischteiche und ähnliche Dinge nicht verloren gehen können wie bewegli-che Sachen. Sodann muß man die anderen Vermögensteile der Reihe nachaufschreiben, indem man immer zuerst den Tag, die Jahreszahl, den Ortund dessen Namen in das Inventar einschreibt. Dieses Inventar muß an ein

181 Luca Pacioli, Summa de arithmetica geometria, proportinoni: et proportionalita:…1494;auszugsweise Übersetzung unter dem Titel: Abhandlung über die Buchhaltung 1494.Nach dem italienischen Original von 1494 ins Deutsche übersetzt und mit einer Einleitungüber Die italienische Buchhaltung im 14. und 15. Jahrhundert und Paciolis Leben undWerk versehen von Balduin Penndorf, Stuttgart 1933 (Nachdruck Stuttgart 1968).

182 Dieter Schneider, , Managementfehler durch mangelndes Geschichtsbewusstseinin der Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, 29. Jg., 1984, S.114-130, hier S. 118. Im Hinblick auf die Bilanz hat sich Schneider später korrigiert:Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft,München 2001, S. 79.

183 Luca Pacioli, Summa de arithmetica geometria, proportinoni: et proportionalita:…1494;auszugsweise Übersetzung unter dem Titel: Abhandlung über die Buchhaltung 1494.Nach dem italienischen Original von 1494 ins Deutsche übersetzt und mit einer Einleitungüber Die italienische Buchhaltung im 14. und 15. Jahrhundert und Paciolis Leben undWerk versehen von Balduin Penndorf, Stuttgart 1933 (Nachdruck Stuttgart 1968), Kapi-tel 2, 3, 36.

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5 Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

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und demselben Tage angefertigt werden, sonst würde es den zukünftigenHandel stören …

Kapitel 3. Musterbeispiel eines Inventars mit all seinen erforderlichen Formalitä-ten.Im Namen Gottes 1493 am 8. November in Venedig. …..

Kapitel 36. Zusammenfassung der Regeln und Arten über die Führung eineskaufmännischen Hauptbuches.…. 6. Unter der Bilanz des Hauptbuches versteht man ein der Länge nachzusammengefaltetes Blatt, auf dem man rechts die Gläubiger und links dieSchuldner aufschreibt. Wenn Du siehst, dass die Sollsumme soviel beträgtwie die des Habens, so ist das Hauptbuch in Ordnung.7. Die Bilanz des Hauptbuches muß gleich sein, das heißt die Summe sollgleich sein, ich sage weder Debitoren noch Kreditoren, sondern die Summedes Habens muß gleich sein der Summe des Solls. Ist das nicht der Fall, soist ein Fehler im Buche. ….“

Das Inventar wird nicht nur erwähnt, sondern sogar mit einer begründetenGliederungsvorschrift dargestellt. Das Prinzip des einheitlichen Abschluss-tages wird explizit erwähnt. Das Beispiel in Kapitel 3 verlangt eine Rech-nung in einheitlicher Währung. Zugleich wird darin durch die Aufnahmevon Privateigentum (Kleidung, Betten, Hausrat) deutlich, dass eine wirksa-me Trennung zwischen Privat- und Unternehmerhaushalt hier nicht erfolgt.Auch die Bilanz wird nicht nur erwähnt. Die Hinweise auf ihre Gliederungfehlen nicht, Abschlussbuchungen werden explizit erwähnt, die Forderungnach zeitlicher Kontinuität wird vorgetragen. Auch hilfreiche Hinweisefehlen nicht, wie der, dass ein Kassenkonto nie negativ abschließen darf.

Damit ist der erste Punkt behandelt.

(2) Der zweite Punkt hat wenigstens zwei Facetten. Die eine ist erkennbar,wenn wissenschaftliche Entwicklung ausschließlich als kumulativ präsen-tiert wird. Damit wird alles beiseite gelassen, was diesen Eindruck stört. DiePublikationstradition amerikanischer Fachzeitschriften folgt diesem Muster.Das verstärkt das Beharren auf „normal science“.

Die zweite Facette betrifft ein Basis-Werturteil, nämlich die Einnahme einerbestimmten Perspektive, aus der auf die Entwicklung geblickt wird. DieserPunkt soll durch ein Beispiel illustriert werden. Horst Albach und Wolfgang

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Grenzen 5.2

91

Breuer (1966) haben sich 1975184 bzw. 1999185 zur Entwicklung der Investiti-onstheorie geäußert. Bis 1975 werden dieselben Zeiträume abgedeckt. Wirstellen deshalb tabellarisch gegenüber, wie die Autoren ihr Thema behan-deln. In der ersten der beiden folgenden Tafeln wird zunächst festgehalten,dass die Autoren aus unterschiedlicher Perspektive an ihre Darstellungherangehen. Albach führt in eine Sammlung wichtiger Aufsätze ein, wäh-rend Breuer unmittelbar mit einer historischen Skizze befasst ist. WährendAlbach das einzelne Projekt zum Ausgangspunkt wählt (das natürlich ineiner Folge von Projekten ebenso stehen kann wie in Interdependenzen mitgleichzeitig realisierbaren Projekten und den Finanzierungsmöglichkeiten),wählt Breuer die Sichtweise des Kapitalmarkts, aus der heraus eine Projekt-bewertung abzuleiten ist. Als Gliederungselemente für die Ausführungensind bei Albach die Einbettung der Projekte in Projektfolgen, Annahmenüber Ausfall durch Verschleiß und Störungen, Berücksichtigung oder Nicht-berücksichtigung von Interdependenzen zwischen Projekten und Finanzie-rungsalternativen sowie die Sicherheit oder Unsicherheit vorgesehen. Von20 möglichen Kombinationen der Gliederung sind 16 logisch zulässig, denendann Autoren mit ihren Beiträgen zugeordnet werden. Breuer benutzt dreiKriterien (wobei sich Statik vs. Dynamik mit dem Kriterium der Perioden-anzahl teilweise überlappen), woraus 8 bis 12 Kombinationen abzuleitensind.

184 Horst Albach, Entwicklung und Stand der Investitionstheorie, in: ders., Hrsg.,Investitionstheorie, Köln 1975, S. 13-26, 427-438.

185 Wolfgang Breuer, Geschichte der Finanzwirtschaftslehre: Investitionstheorie, in:Michael Lingenfelder, Hrsg., 100 Jahre Betriebswirtschaftslehre in Deutschland, Mün-chen 1999, S. 157-168.

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Horst Albach: Investitionstheorie Wolfgang Breuer: Investitionstheorie

Sichtweise: Entwicklung ausKapitaltheorieund Abschrei-bungstheorie(S.13): Projektbe-zogen

Sichtweise: Investitionstheorieals „angewandteKapitalmarkttheo-rie“ (S. 160)

Gliederungs-elemente:

Rechnungsanfor-derungen:

a) statisch vs.dynamisch

b) Sicherheit vs.Unsicherheit

c) Ohne Neben-bedingungen vs.mit Nebenbedin-gungen (Investiti-onsbudgets)

d) Einzelprojektevs. Folgen vonProjekten

e) Ohne vs. mitAusfall oderVerschleiß

Gliederungs-elemente:

Rechnungs-anforderungen:

a) statisch (ein-oder zwei Perio-den) vs. dynamisch(zwei oder mehrPerioden)

b) Sicherheit vs.Unsicherheit

c) Vollkommene vs.unvollkommeneKapitalmärkte

Insbesondere die von den Autoren begründete Sichtweise führt neben derDifferenziertheit der Projektbedingungen zu einer deutlich erkennbarenVerschiedenheit der Auswahl bedeutender Beiträge, die in historischer Ab-folge dargestellt werden. Dies wird, mit dem Erscheinungsjahr der älterenArbeit endend, in der folgenden Tafel gezeigt. Sie verweist für jeden derbeiden Autoren auf die von ihnen erwähnten Beiträge, allerdings beschränktauf das Erscheinungsjahr (bei mehrfachen Nennungen in der Regel nur das

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Grenzen 5.2

93

erste) und den Autor, sowie erläuternde Stichworte. Außerdem werden alleArbeiten aus dem Beitrag von Albach ausgeklammert, die sich mit soge-nannten Sonderproblemen beschäftigen. Diese betreffen beispielsweise dieBehandlung von Steuern in der Investitionsrechnung oder die empirischenErkenntnisse zur Beurteilung von Investitionsprojekten oder Investitions-programmen.

Horst Albach: Investitionstheorie Wolfgang Breuer:Investitionstheorie

Jahr Autor Jahr Autor

1889 E.v.Böhm-Bawerk (Kapitalbegriff, Zins-theorie, Produktionsperiode)

1889

1893 K. Wicksell (ähnlich Böhm-Bawerk) 1893

1907 J. B. Clark (Kapitalbildung durch Kon-sumzurückhaltung)

1906/

1930

I. Fisher(Kapital-wert)

1925 H. Hotelling (Abschreibungstheorie) 1925

19341936

F. H. Knigth (Auseinandersetzung mitKapitalbegriff der österreichischen Schule)

1934

1936 F. A: v. Hayek (Investition und zeitlicheZahlungsstruktur)

K. E. Boulding (zeitliche Zahlungsstrukturbei einzelnen Projekten)

1936

1937 A. G. Hart (Unsicherheit und Flexibilität) 1937

1940 W. Eucken (Ausreifungszeit, Kapitalbeg-riff)

G. A. D. Peinreich (Ersatzproblem)

1940

1945 L. Hurwicz (opt. Investitionspolitik) 1945

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5 Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

94

1951 F. u. V. Lutz (Kapitalbegriff) 1951 J. Dean (Ka-pitalangebotvs. Kapital-nachfrage,unvollkom-mener Kapi-talmarkt)

E. Schneider(Projektbe-wertungdurch Kapi-talwert undinternenZinsfuß;Zahlungsori-entierung)

1952 A. Alchian (Verbindung Kapital- undAbschreibungstheorie)

1952 H. Marko-witz (Portfo-lio Selection:Unsicherheit,�--Kriterium)

1955 E. Solomon (Kalkulationszins) 1955

1957 P. Massé, R. Gibrat (Investitions-programm)

1957

1959 A. Charnes, W. W. Cooper, M. H. Miller(Chance constraint programming)

1959

1960 E. Kuh (Investitionsbudget) 1960

1962 H. Albach (Simultanplanung von Investi-tion und Liquidität)

1962

1963 H. M. Weingartner (Horizontwertmodell;Kalkulationszins als Schattenpreis)

A. Moxter (Übergang Sicherheit zu Unsi-cherheit)

1963 H. M. Wein-gartner (Ho-rizontwert-modell)

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Grenzen 5.2

95

1964 D. B. Hertz (Simulation zur Behandlungder Unsicherheit)

H. Hax (Kritik an Kalkulationszinsbe-stimmung; Kalkulationszins als Schatten-preis)

H. Albach (Spekulationskasse für unbe-kannte Alternativen)

1964 W.F. Sharpe(capital assetpricingmodel– CAPM -bei Unsi-cherheit)

H. Hax (Kri-tik an Kalku-lationszins-bestimmung)

1965 R. F. Hespos, P. A. Strassmann (Simulati-on von Investitionsprogrammen)

R. F. L’hermitte, F. Bessière

1965 J. Lintner(CAPM beiUnsicher-heit)

1966 1966 J. Mossin(CAPM beiUnsicher-heit)

1967 E. Schneider (Kapitalwert vs. internerZinsfuß)

H. Schneeweiß (Integration der Entschei-dungstheorie bei Kriterien zur Ungewiss-heitsbehandlung)

R. F. Byrne, A. Charnes, W. W. Cooper(Erweiterung durch chance constraintprogramming)

1968 F. Hanssmann (Robuste erste Schritte)

G. Franke, H. Laux (Kalkulationszins alsSchattenpreis; Horizontwertmodell)

M. Heider (Bedingte Simulationen vonProjekten)

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5 Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

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1969 K. P. Bauer (Entscheidungstheorie undZielkriterien)

H. Hax, H. Laux (Endwertmaximierungals Ziel)

1970 H. Albach, W. Schüler (Chance ConstraintProgramming, Spekulationskasse)

1971 R. F. Byrne et al. (Erweiterung chanceconstraint programming)

H. Laux (Flexible Investitionsplanung)

D. Schneider (Flexible Planung vs. Unge-wissheit)

1972 H. Hax/H.Laux (Endwertmaximierung)

1973 1973 F. Black,M.Scholes(Options-preisbil-dung)

1974 1974 M.C.Bogue,R.R.Roll(Risiko,unvollk.Märkte)

Die Unterschiedlichkeit der Darstellungen ist damit, auch ohne Eingehenauf Details, klar demonstriert. Eine weitere Version der Entwicklung derInvestitionstheorie würde man erhalten, wenn man der Darstellung von

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Grenzen 5.2

97

Dieter Schneider folgte.186 Das heißt in der Konsequenz, dass historischeDarstellungen vor einer Übernahme zunächst einmal auf die Übereinstim-mung zwischen der Perspektive des Autors und der eigenen Perspektive zuüberprüfen sind. Darüber hinaus ist zu fragen, ob der Grad an Detailliertheitdes jeweiligen Autors mit den eigenen Zwecken oder Ansprüchen überein-stimmt oder nicht. Schließlich ist auf einen früheren Punkt zurückzukom-men: Die Präzision der jeweils mitgeteilten Ereignisse ist nicht garantiert,weshalb eigene Prüfungen grundsätzlich nicht auszuschließen sind. Insge-samt sind das sehr anspruchsvolle Anforderungen. Immerhin aber gibt esLehrbücher, zusammenfassende und oft auch wertende Überblicksartikel,die zumindest als Ausgangspunkt eigener Untersuchungen gute Diensteleisten.

Damit ist auch der zweite Punkt behandelt. Aus mehreren Gründen ist alsofestzuhalten, dass auch eine historisch orientierte Darstellung der Disziplinnicht als objektiv gelten kann.

Eine weitere Grenze kann darin erblickt werden, dass trotz aller Bemühun-gen um Aussagen, die unabhängig von Raum und Zeit gelten sollen, diespezifischen Kontextbedingungen betriebswirtschaftlichen Handelns demBemühen immer wieder entgegen wirken. Dies ist am besten wieder durchein Beispiel zu belegen. In Kapitel 2.1 wurde Erich Gutenbergs Aussagedargestellt, wonach die Elimination von Geldwertschwankungen aus derBilanz eines der Probleme war, die die Betriebswirtschaftslehre zur Wissen-schaft haben reifen lassen. Auch die Vorstellung von Fritz Schmidt über dievolkswirtschaftlichen Wirkungen der Bewertungsregeln in der Bilanz wurdeerwähnt. Man könnte also die Ansicht gewinnen, dass diese Themenberei-che endgültig geklärt sind. Das ist aber nicht der Fall.

Im April 2008 veröffentlichte das private „Institute of International Finance“,dem führende Banken angehören, einen Bericht, in dem Vorschläge zurReaktion auf die sogen. „subprime crisis“ an den Finanzmärkten festgehal-ten werden. Ein Abschnitt beschäftigt sich mit Bewertungsfragen. Mit Bezugauf die Bilanzierung wird zwar von einer Bewährung der Zeitwert-Bewertung von Anlagen „in liquid markets“ gesprochen. Es heißt dannweiter:187

186 Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4: Geschichte und Methoden derWirtschaftswissenschaften,München/Wien 2001, S. 755ff.

187 IIF, Interim Report of the IIF Committee on Market Best Practices, April 2008, Textziffer73.

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5 Geschichte der Betriebswirtschaftslehre

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„When there is no or severely limited liquidity in secondary markets, how-ever, it has the potential to create serious and self-reinforcing challengesthat both make valuation more difficult and increase the uncertaintiesaround those valuations. In addition, there is a wide perception that mar-ket-to-market accounting in circumstances of widespread illiquidity devi-ates from underlying values. There are questions about whether fair-valueaccounting approaches have increased the severity of the market stressrelative to other possible alternatives and, if so, whether this reflects afundamental feature of such approaches or weaknesses in the current stateof their implementation. In the light of the magnitudes of the writedownsand their systemic impact, it is essential that these broadly encounteredquestions be addressed.”

Es wird also eine erweiterte Diskussion bank- und situationsspezifischerBewertungsregeln gefordert. Es wird zwar festgestellt, dass die Bewertungs-fragen grundsätzlich nicht neu sind, aber doch wegen ihrer volkswirtschaft-lichen Effekte neue Beachtung verdienten.

Natürlich ist dieser Vorschlag schnell in der Tagespresse diskutiert worden.Die meisten Kommentare lehnen neue Regeln speziell für Banken ab. EinMitglied des International Accounting Standards Board erklärt, dass dieProbleme der Finanzinstitute „keine Frage der Rechnungslegung (seien,K.B.) und … durch Änderungen der Bilanzierungsregeln nicht gelöst wer-den (können).“ Zwar führt der seit 2005 geltende Zeitwert-Bewertungsgrundsatz bei Preissenkungen zu stärkeren Abschreibungen alsfrüher gebräuchliche Bewertungsverfahren, doch schüre dies nicht die Kri-se.188 Ähnlich argumentieren die von der Krise wenig betroffenen Genossen-schaftsbanken.189 „Bilanzregeln … können niemals Ursache von Fehlent-wicklungen sein, egal welchen Methoden und Grundsätzen sie folgen.“190

Das würde Fritz Schmidt vermutlich anders sehen, nämlich eher wie IIFoder der Bundesverband deutscher Banken, auch wenn heute nicht dasImparitätsprinzip im Vordergrund steht. Die nach IFRS (International Fi-nancial Reporting Standards) bilanzierenden Banken haben grundsätzlich

188 Marietta Kurm-Engels, Experte sieht keinen Grund für neue Bilanzstandards,Handelsblatt, 7. April 2008 (www.handelsblatt.com/News/Unternehmen/Banken-Versicherungen/_pv/_p/20...)

189 Pleister kritisiert Manager, Telebörse (www.teleboerse.de/945968.html) , 10. April 2008.190 Rolf Lebert, Bilanztricks helfen nicht, www.ftd.de/meinung/kommentar%20Bilanztricks/341103.html, 10. April 2008.

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Grenzen 5.2

99

beim Erwerb zu entscheiden, ob Wertpapiere bis zur Endfälligkeit gehaltenwerden sollen, auf mittlere Sicht „available for sale“ sein sollen oder ihrjederzeitiger Verkauf geplant ist, was die Bewertung zu Tagespreisen erfor-dert. Danach entscheidet sich der Wertansatz in jeder dieser Kategorien undauch, ob eventuelle Bewertungsverluste sich unmittelbar in der Gewinn-und Verlustrechnung niederschlagen oder durch Veränderung des Rückla-genkontos zu ergebnisneutralen Kapitaländerungen führen. Interessant ist,dass die spezifischen Kontextbedingungen nun erneut zu einer Diskussionführen. Die Geschichte ist also nicht abgeschlossen.

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Überblick 6.1

101

6 Betriebswirtschaftslehre inder Geschichte

Führt man sich die 1184 Seiten der unvollendeten „History of Economic Ana-lysis“ von Joseph Schumpeter191 vor Augen, so müsste ein etwa gleicherUmfang von einer Geschichte der Betriebswirtschaftslehre erwartet werden,die spätestens im klassischen Griechenland beginnt und bis zur Neuzeitreicht sowie eine Vielzahl von Kulturen umfasst. Auch das Werk von DieterSchneider kommt auf 1036 Seiten. 192 Vergleichbares soll hier nicht geleistetwerden. Angestrebt wird eine Skizze, ein Überblick, der wesentlich erschei-nende Entwicklungsschritte dokumentiert. So können Herkommen undEinordnung gegenwärtiger Wissensstände etwas besser beurteilt werden.Freilich muss man sich mit der Feststellung abfinden: „Periodizing, as weknow, is a necessary evil“193, wenn man, wie hier, eine Darstellung nachhistorischen Epochen wählt.

6.1 Überblick

6.1.1 Von der physischen Dokumentation vonGeschäftsvorfällen bis zum Zeitalter derAufklärung

(1) Das Bedürfnis nach Abrechnungen oder der Dokumentation von Vermö-gen sowie Schuldverhältnissen war offenbar schon gegeben, bevor Men-schen Schrift und Zahl hervorbrachten. Zunächst stehen allein physischeMöglichkeiten zur Verfügung, um die Bedürfnisse zu erfüllen. In einer Zu-

191 Joseph Schumpeter, History of Economic Analysis, 1.A., Cambridge 1954; 6.A., 1966.192 Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4: Geschichte und Methoden der Wirt-schaftswissenschaft,München/Wien 2001.

193 Joseph Schumpeter, History of Economic Analysis ,Cambridge,MA 1966, S. 379.Zusammenfassend zur Methodik der Periodisierung: Ursula Hansen/Matthias Bo-de, Entwicklungspfade der deutschen Marketingwissenschaft seit dem zweitenWeltkrieg, in: Hartmut Berghoff, Hrsg., Marketing-Geschichte. Die Genese einer mo-dernen Sozialtechnik, Frankfurt 2007, S. 179 - 204, hier S. 180ff.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

102

sammenschau archäologischer Befunde und ihrer Interpretation legt RichardMattesich folgende Entwicklungsstufen nahe (vgl. Abbildungen 22 – 24):194

Zeit(v.Chr.)

Art des Rechnungswesens

8.000 Relativ einfache kleine Gegenstände aus Ton („tokens“), z. B.Scheiben, repräsentieren Bestände und Übertragungen vonlandwirtschaftlichen Produkten oder Leistungen.

4.400 Die Tongegenstände werden flacher und mit Linien oderPunktmustern versehen, die für Gegenstände und Mengenstehen. Ein Schaaf wird durch eine Scheibe mit eingeritztemKreuz symbolisiert (später in der Schrift ein Kreis mit Kreuz).

3.250 Eine bessere Kontrolle, praktisch eine Art doppelter Buchfüh-rung, wird erreicht durch versiegelte Hohlkugeln oder Ketten,die die einzelnen Tongegenstände als Repräsentanten für La-gerbestände oder Schulden umschließen.

3.200 Die Oberflächen der Hohlkugeln oder anderer „Umschläge“werden mit den Abdrucken der eingeschlossenen Tongegens-tände bezeichnet oder mit Symbolen dafür. Von außen kannder Inhalt ermessen und nach einer Öffnung kontrolliert wer-den.Tontafeln, die auf der Vorderseite Einzelangaben und auf derRückseite deren Summennachweis zeigen sowie Unterschrifts-symbole von Zeugen oder Beamten treten auf.

3.100–3.000

In Stein geritzte Bilddarstellungen, Keilschriften auf Tontafeln,Entwicklung von Zahlen und der Schrift.

Mit dem Beginn der Entwicklung von Schrift werden die Geschäftsvorfälleabstrakt dokumentiert und rechenbar. Im Folgenden werden Beispiele fürdie drei in der vorstehenden Tafel zuletzt genannten Repräsentationsformenwirtschaftlicher Vorgänge gezeigt.

194 Richard Mattesich, The Beginnings of Accounting and Accounting Thought. Account-ing Practice in the Middle East (8.000 B.C. to 2.000 B.C.) and Accounting Thought in In-dia (300 B.C. and the Middle Ages), New York/ London 2000, hier S. 92. Mattesichstützt sich vor allem auf: Denise Schmandt-Besserat, Before Writing, Vol. I: FromCounting to Cuneiform, Austin/TX 1992.

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Überblick 6.1

103

Sieben „tokens“ und ein „Umschlag“, der Souren des Eindrückens der „tokens“ inden noch feuchten Umschlag zeigt (Quelle: Mattesich, S. 31)

Skizze (Umzeichnung) und Darstellung der Vorder- und Rückseite einer Tontafelaus der Zeit vor Nutzung der Keilschrift, die Verteilung von Gerste an zwei Beamtebetreffend (Quelle: Mattesich, S. 107)

Abbildung 22

Abbildung 23

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

104

Keilschrifttafel, ca. 2800 v. Chr. Halbmondsymbole sind Einer, Kreissymbole sindZehner.

Große Bestände an Keilschrifttafeln sind Urkunden, die über das Rechts-und Wirtschaftsleben in Babylon Auskunft geben. Gesetze wurden schonvor dem allseits bekannten König Hammurapi (1793 – 1750 v. Chr.) erlassen.Dessen Gesetzessammlung spricht z. B. Kauf, Miete, Pacht, Darlehn undLehrverträge an. Darlehnszinsen lagen zwischen 20% und 33%. Der Kodexdes Hammurapi legt auch Höchstsätze für Preise, Löhne und Zinsen fest;wegen des „dominierenden Anteils der königlichen Wirtschaftsimperien amgesamten Güterverkehr“ üben diese Preisführerschaft aus.195 Die Wirt-schaftsführung war ergebnisorientiert. Es existierten große Betriebe in derTextilwirtschaft, der hoch entwickelten Landwirtschaft und dem Keramik-handwerk. Tempelwirtschaften waren teils spezialisiert, teils aber auch aufAustausch und Handel angewiesen. Hohe Kreativität wurde entfaltet, umverbotene Geschäftsformen durch Umgehungsgeschäfte zu ermöglichen.196

Eine schöne Spekulation von Henry David Thoreau (1817 – 1862) besagt:„Die meisten Menschen haben lesen gelernt, um einer erbärmlichen Be-

195 Waldemar Wittmann,Mensch, Produktion und Unternehmung, Tübingen 1982, S. 26.196 Zusammenfassend: Hans Neumann, Das Recht in Babylon, in: (Ausstellungskata-log) Babylon Wahrheit, München 2008, S. 207 – 230; Joachim Marzahn, Die Arbeits-welt – Wirtschaft und Verwaltung, Handel und Profit, ebenda, S. 231 - 276; CorneliaWunsch, Geld- und Kreditwirtschaft in neubabylonischer Zeit, ebenda, S. 443 - 448.Der Katalog enthält eine Vielzahl von Quellennachweisen.

Abbildung 24

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Überblick 6.1

105

quemlichkeit zu frönen, wie sie rechnen lernten, um Buch führen zu könnenund nicht im Handel übervorteilt zu werden.“197 Zur Abwendung dieserGefahr kann sich schnell auch die Pflicht zur Abrechnung durchsetzen. Sowird berichtet, dass 1728 v. Chr. Kaufleute in Babylonien buchführungs-pflichtig waren, über eine Büroorganisation verfügten und Sekretärinnenbeschäftigten.198 Das lässt auf einen beachtlichen Stand betriebswirtschaftli-chen Wissens schließen. Ein entsprechendes Lehrbuch ist allerdings nichtbekannt. Die in Form von Lehrgedichten gehaltenen Anweisungen für dieLandwirtschaft betreffen technische Fragen, z. B. der Bewässerung. Mögli-cherweise waren die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen, soweit sienicht gesetzlich gelenkt wurden, relativ einfach, weil in hohem Maße vonSubsidiarität Gebrauch gemacht wurde. Beispielsweise musste der königli-che Bauherr von Großbauten nicht auch alle eingesetzten Sklaven verpfle-gen, weil vielen von diesen die Pflicht zur eigenen Unterhaltung auferlegtwar. Sie werden wohl von wandernden Kleinhändlern besucht worden sein.

(2) Ein beachtliches kaufmännisches Wissen ist auch an anderem Ort entwi-ckelt worden. In der Maurja(Maurya)-Periode Indiens (4. und 3. Jahrhundertv. Chr.) ist ein Werk entstanden, das ein Kapitel über Kontenführung imRechnungsbüro enthält. Das Erscheinen von Artha��stra von Kautilya wirdetwa auf das Jahr 300 v. Chr. datiert.199 Vier Beiträge dieses Autors werdenvon Mattesich identifiziert:�� Eine bedeutende Anzahl von Definitionen für Begriffe des Rechnungs-

wesens (Umsatz, Auszahlungen, Ausgaben, Kosten, Umsatzsteuer, Kapi-tal usw.) wird vorgelegt.

�� Der Umgang mit nicht abgeschlossenen Arbeiten, Zwischenprodukten,Versicherungen und Risiken im Rechnungswesen sowie langfristigenAspekten der Gewinnoptimierung werden gepflegt.

�� Prüf-, Revisions- und Besteuerungsprozeduren werden dargestellt.

�� Scheingewinne werden erläutert.200

Das ist weit mehr als bisher an anderer Stelle behandelt wurde und auchmehr, als für fast zwei Jahrtausende in Europa dargestellt wird. Das indischeZahlensystem ist offenbar auch den vielen Zahlensystemen der Sumerer

197 Henry David Thoreau, Walden oder Leben in den Wäldern, Zürich 1979, S. 160 (Ori-ginalausgabe 1854).

198 Berhard Bellinger, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1967, S. 12.199 Richard Mattesich, The Beginnings of Accounting and Accounting Thought. Account-ing Practice in the Middle East (8.000 B.C. to 2.000 B.C.) and Accounting Thought in In-dia (300 B.C. and the Middle Ages), New York/ London 2000, hier S. 92. Hier stützt ersich stark auf: A. K. Bhattacharyya, Modern Accounting Concepts in Kautilya’sArtha��stra, Calcutta 1988.

200 Ebenda, S. 195ff.

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überlegen und vor allem dem römischen, das in Europa bis zu Beginn des13. Jahrhunderts dominiert.

(3) Gehen wir nun über zur Entwicklung in Griechenland, zumal wenigandere Quellen herangezogen werden können. Dieser Sprung mag mit demWort des Historikers entschuldigt sein, die Welt sei rund und endlich, dieGeschichte aber zackig und unendlich.201 In der klassischen griechischenDichtung werden zwar ökonomische Aspekte berührt, doch nicht systema-tisch dargestellt.202 Eine systematische, wenn auch nicht analytische Darstel-lung der gesammelten Erfahrungen zur Bewirtschaftung eines landwirt-schaftlichen Betriebes bietet Xenophon (ca. 430-354 v. Chr.) in „Oikonomi-kos“.203 Überschüsse anstreben und Reichtum mehren – jedenfalls aufanständige Weise, so wird gefordert - werden als Wirtschaftsziele anerkannt.

Auf die älteren Dichter und auf Xenophon greift auch gelegentlich zitierendAristoteles (384 – 322 v. Chr.) zurück. Hier interessiert sein Werk „Politika“,das zwischen 325 und 323 entstanden sein soll.204 Als wirtschaftliche Einheitinnerhalb eines Staates wird das „Haus“ betrachtet. Personell ist es durchdie in ihm lebende Familie im weiteren Sinne bestimmt (1, § 6)205, der einEntscheider vorsteht. Er beherrscht die Haushaltungskunde (2., § 1). Zunächstsind dabei Hierarchie und Funktionen von Herrn und Sklaven, Gattin undGatten, Vater und Kindern zu verstehen. Die Beziehungen sind naturgege-ben (3, § 9). Hinzu tritt als spezifische Erwerbskunst die Gelderwerbs- oderBereicherungskunst. Während die generelle Erwerbskunst dazu dient, dieVersorgung der überwiegend autonom gedachten Hauswirtschaft zu si-chern, auch Mangel durch Außenhandel mit Überflussgütern zu vermeiden,und damit Grenzen gesetzt erscheinen, ist dies bei der Bereicherungskunstnicht der Fall. Der internationale Tauschhandel ist auch die „notwendige“Ursache für das Entstehen von Geld als einem Tauschmittel. Es erhält seinenWert aus dem Münzmetall (3, § 9). War das Geld da, so erleichterte es Han-dels- und ermöglichte Geldgeschäfte. „…bereits bald aber (wurde, K.B.)durch die Übung in künstlicherer Weise darauf gerichtet, wie und mit wel-

201 Michael Salewski in einer Buchbesprechung in der Frankfurter Allgemeine vom 30.Januar 2008.

202 Bertram Schefold, Aristoteles: Der Klassiker des antiken Wirtschaftsdenkens, in:Vademecum zu einem Klassiker des antiken Wirtschaftsdenkens, Düsseldorf 1992, S. 19-69.

203 Xenophon, Ökonomische Schriften, Berlin 1992. Ökonomik wird als vernünftigesHandeln gedeutet.

204 Aristoteles’ Politik, Griechisch und Deutsch, herausgegeben von Franz Susemihl,Leipzig 1879 (Nachdruck Düsseldorf 1992).

205 Hier und im Folgenden beziehen sich die Paragraphenangaben auf die „Politik“ inder Ausgabe der vorausgehenden Fußnote.

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chen Mitteln man beim Umsatz möglichst viel Gewinn machen kann.“ (3, §9). Der aus dieser Art von Geschäften erwachsende Reichtum ist „ohne Zielund Grenze“ (3, § 9), was kritisiert wird. Es geht nun in 3, § 23 wie folgtweiter:

„Wenn nun aber die Erwerbskunst, wie gesagt, eine doppelte ist, theils aufden bloßen Handelsgewinn, theils auf die Zwecke der Haushaltung be-rechnete, und nur die letztere nothwendig und löblich ist, die erstere, ausdem bloßen Umsatz gezogene dagegen mit Recht getadelt wird, weil sienicht in der Natur gegründet ist, sondern die Menschen diesen Gewinnvoneinander ziehen, so ist vollends mit dem größten Recht Zinsdarlehenund Wuchergeschäft verhasst, weil dies unmittelbar aus dem Gelde selberden Erwerb zieht und nicht aus dem, wofür das Geld doch allein erfundenist. Denn nur zur Erleichterung des Tausches kam es auf, der Zins abervermehrt es an sich selber. Daher denn auch der griechische Name für‚Zins’ so viel als ‚Junges’ bedeutet, denn das Junge pflegt seinen Erzeugernähnlich zu sein, und so ist auch der Zins wieder Geld vom Geld. Und dieseArt von Erwerbskunst ist denn hiernach die widernatürlichste von allen.“

Die Gelderwerbskunst oder Chrematistik ist nun mit einem Jahrhundertelang geltenden Urteil belastet, dem Urteil der Widernatürlichkeit. Es istspekuliert worden, dass dieses Urteil noch durch Erfahrungen aus der Zeitvor der Einführung des Geldes beeinflusst sei oder durch die Vorstellung,die Kreditgewährung erfolge ausschließlich zur Überbrückung von Notla-gen, die aus ethischen Gründen, auch zum Erhalt des Gemeinwesens, nichtausgenutzt werden dürften.

Der Hinweis auf die Notwendigkeit der Sicherung des finanziellen Gleichge-wichts ist grundlegend, weil er bis heute seine Gültigkeit nicht verloren hat.Erstaunlich ist, dass die wirtschaftlichen Betrachtungen auf den Haushaltbeschränkt sind. Die Bedürfnisse zur Ausrüstung einer Kriegsflotte, zumBeispiel, erforderten doch vermutlich das Zusammenwirken von Hand-werksbetrieben. Deren Leitung stellt vermutlich andere, oft auch über dieLeitung eines, wenn auch ausgedehnten landwirtschaftlichen Haushaltshinausgehende Kenntnisse. Auch der Bergbau stellte hohe Anforderungenan die Planung, die Organisation und die Führung, die aber nicht wissen-schaftlich entwickelt wurden.206 - Die Verabsolutierung von Werturteilen

206 Siegfried Löffler, Die Bergwerkssklaven von Laureion, Abhandlungen der geistes-und sozialwissenschaftlichen Klasse der Akademie der Wissenschaften und der Literatur,Mainz, Teil 1: Jg. 1955, S. 1101-1217; Teil 2: Jg. 1956, S. 883-1018.

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stört Schumpeter besonders an Aristoteles.207 Das ist erwähnenswert, weilsolche Werturteile das Denken bis in das Mittelalter hinein ganz entschei-dend prägen.

(4) Im Nahen Osten entstehen etwa zur selben Zeit - bis vermutlich 200 v.Chr. - die zum Alten Testament gehörendenWeisheitsbücher. Davon sind hierinsbesondere das Buch der Sprüche (oder Salomos) aus Jerusalem und dasBuch Jesus Sirach von Interesse. In diesen Texten werden Lebensweisheitenmitgeteilt. Die Forderungen richten sich auf Redlichkeit im Handel, Vermei-dung von Bestechung und Bestechlichkeit, Warnung vor der Übernahmevon Bürgschaften und vor Kreditgeschäften. Sehr spezifisch sind diese Aus-führungen nicht. Allerdings ist „Deuteronomium“, das fünfte der Moses-Bücher des Alten Testaments, eindeutig: „Du darfst von deinen Volksgenos-sen keinen Zins nehmen, weder Zins für Geld noch Zins für Nahrungsmittel,noch Zins für irgend etwas, das man auf Zins leihen kann. Von dem Aus-länder darfst du Zins nehmen …“208 Das führt später dazu, Juden das Zins-nehmen zu gestatten.

(5) Wir dürfen auch deshalb den Blick auf das Römische Reich richten. Auchhier entsteht eine Literatur, die sich vor allem der Führung von Landgüternwidmet und teilweise erstaunlich tiefe Spezialisierungen in diesem Bereichaufweist.

An erster Stelle ist Cato der Ältere, das ist Marcus Porcius Cato (234 – 149),zu nennen. Der Politiker und Feldherr schrieb etwa um 150 v. Chr. „de agricultura“.209 Es soll die älteste und vollständig erhaltene lateinische Prosa-schrift sein. In 162 Abschnitten werden von der Sklavenhaltung über dieViehfütterung bis zur Olivenernte, von Rezepten über religiöse Bräuche biszu Verträgen Ratschläge erteilt. Für Bauern zeigt der Autor große Hochach-tung, nicht zuletzt als tapfere Soldaten. Cato räumt ein, dass der Handelmanchmal ertragreicher sei als die Landwirtschaft, aber auch sehr viel risi-koreicher. Ebenso risikoreich sei das Geldverleihen, „wenn es denn ehren-haft wäre“. Die Unehrenhaftigkeit erkenne man schon daran, dass Personen,die Zins nehmen, doppelt so stark bestraft würden wie Diebe. - Erkanntwird das heute so genannte Problem der fixen Kosten, hier mit Bezug aufdie Aufsichtskapazität, die bei variierender Feldgröße erforderlich ist.

207 Joseph Schumpeter, History of Economic Analysis, 6.A., New York 1966, S. 57.208 Kapitel 23, Verse 20 und 21, in der Herder-Bibel (Freiburg/Basel/Wien 1965, S.205).

209 Eine englischprachige und lateinische Version findet sich bei: www.//penelope/uchicago.edu/Thayer/E/Roman/ Texts/Cato/De_Agricultura/home.html (abgefragt:12.1.2008)

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An zweiter Stelle ist gleich – ohne über Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v.Chr.) und Marcus Terentius Varro (116 – 27 v. Chr.) zu sprechen, zumal dieeinzelwirtschaftlichen Aspekte in deren Werken randständig sind - auf Lu-cius Iunius Moderatus Columella (0 – 70 n. Chr.) zu verweisen. Neben einemWerk über die Obstbaumzucht sind die zwölf Bände „De re rustica“ erwäh-nenswert.210 Die ersten fünf Bücher beschäftigen sich mit dem Ackerbau, diefolgenden fünf mit der Viehwirtschaft. Die verbleibenden Bände sind derGutsverwaltung gewidmet. Zusammenhänge zwischen Bewirtschaftungsin-tensität und Bodenertrag, Überlegungen zu Vorgabezeiten für Landarbeiterund Hinweise auf die Bedeutung der Transportkosten des Absatzes für denErfolg eines Gutes sind in den Schriften enthalten. Auch die Kontrollspannewird geschildert, die mit zehn überwachten Arbeitern angegeben wird. Dassind Erfahrungswerte, die natürlich noch nicht durch wissenschaftlich be-triebene Empirie belegt sind.

Neben den Inhalten ist auch das diskursive und nicht analytische Vorgehender Autoren festzuhalten. Ebenso ist die Themenkonzentration auf denlandwirtschaftlichen Betrieb erstaunlich. Vor allem im späteren Römerreichmuss es handwerkliche und industrielle Produktionen gegeben haben, dieihre Produkte nicht nur lokal absetzten. Was Waldemar Wittmann (1925-1988) für die technische Entwicklung in der Römerzeit feststellt, muss offen-bar auch auf die ökonomische Entwicklung in der Fertigungswirtschaft unddem Bergbau übertragen werden: Die Erkenntnisse werden aus der Praxisgewonnen und eingesetzt, nicht wissenschaftlich abgeleitet oder verfeinert.Dabei sind die Betriebe, gemessen am Personaleinsatz, keineswegs immernur kleine Familienbetriebe. „…Aufzeichnungen von Geschäften, Buchungs-techniken, Wirtschaftsrechungen und Schuldnerlisten gab es im klassischenGriechenland und bei den Römern in ansehnlicher Zahl. Umständlich war… die kaufmännische Arithmetik durch recht unzweckmäßige Zahlensys-teme. … Es ist naheliegend, von solchen Dokumenten Rückschlüsse auf dieBuchführung großer Landgüter und Manufakturen zu ziehen.“211

Der Tuffstein vom Rande des Neuwieder Beckens, der teilweise sogar unterTage abgebaut wurde, wurde in Xanten verbaut. Mühlsteine aus MayenerBasaltlava wurden im weiten Umkreis gefunden. Das lässt auf Industrie undLogistik schließen, die so komplexe Vorgänge abzuwickeln gestatteten. Eswurden hier Handmühlen, Kraftmühlen und Mörser hergestellt; der Abfallwurde in näherer Umgebung als Baumaterial verwendet. „Sehr auffällig ist… die perfekte Organisation des Gewerbes: Die Brüche lieferten nur noch

210 Lucius Iunius Moderatus Columella, De re rustica, lateinisch-deutsche Ausgabe,München/Zürich 1981 – 1983.

211 Waldemar Wittmann, Mensch, Produktion und Unternehmung, Tübingen 1982, S.68f.

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Rohlinge (vergleiche die Abbildung 25, K.B.). Deren Endbearbeitung zufertigen Mühlsteinen erfolgte in zahlreichen spezialisierten Werkstätten imMayener vicus nördlich des Winterfeld-Lavastroms und in der Nähe desrömischen Hafens von Andernach (Abbildung 25). Die fertigen Handmüh-len erhielten einheitliche Verzierungen. Anscheinend gab es sogar speziali-sierte Metallwerkstätten, in denen Eisenteile für die Mühlen gefertigt wur-den. … Eine vergleichbare Arbeitsteilung ist für römische Mühlsteinbrüchebisher nur ein weiteres Mal bekannt …“212 Die Produktion von Handmühlenwird auf fast 40.000 pro Jahr geschätzt, was etwa 585 Arbeitskräfte beschäf-tigte. Der Handel erreichte die Westschweiz, das Voralpengebiet, die briti-schen Inseln und das freie Germanien.213

Geographisches Schema römischer Mühlsteinproduktion im Raum Mayen (Quelle:Mangartz, 2006)

212 Fritz Mangartz, Vorgeschichtliche bis Mittelalterliche Mühlsteinproduktion in derOsteifel, in: Alain Belmont/Fritz Mangartz, Hrsg., Mühlsteinbrüche. Erforschung,Schutz und Inwertsetzung eines Kulturbetriebes europäischer Industrie (Antike – 21. Jahr-hundert), Internationales Kolloquium Grenoble, 22. – 25. September 2005, Mainz2006, S. 25-34, hier S. 29f.

213 Ebenda, mit Bezug auf verschiedene weitere Quellen.

Abbildung 25

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Systematisch wurde auch die Produktion und Verbreitung von Keramikuntersucht, also von Töpferwaren (Abbildung 26). Hierzu wird bemerkt:„Sowohl die handwerklichen Betriebe als auch die Massenproduzentenbenötigten qualifizierte, spezialisierte Arbeitskräfte und mussten, um zuüberleben, ihre Güter in großen Mengen oft über beträchtliche Entfernungenhinweg verkaufen. … Es ist nicht überraschend, dass die wirklich großenrömischen Keramikindustrien das eindrucksvollste Zeugnis komplexer undhoch entwickelter Produktionsmethoden liefern.“214 Insbesondere Töpferei-betriebe im südfranzösischen La Graufesenque markierten ihre Produkte,sonderten zweite Wahl-Qualitäten aus und konnten die Produkte vonNordafrika bis Britannien, von Spanien bis an den Rheinischen Limesverbreiten (was durch Funde gesichert ist). Die Betriebsführer konnten auchdas Problem lösen, die Beschickung großer kommunaler Brennöfen durchmehrere Konkurrenten am Ort zu regeln.

Fundorte (Punkte) und Produktionsstätte (Raute) von Tafelgeschirr aus La Grau-fensenque (Quelle: Ward-Perkins, 2007)

214 Bryan Ward-Perkins, Der Untergang des Römischen Reiches und das Ende der Zivilisa-tion, Darmstadt 2007, hier S. 106.

Abbildung 26

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Hinzu kommt die Versorgung eines großen Verwaltungs- und Militärappa-rats, der teilweise in großen Städten konzentriert ist. „Um dann denVerbraucher zu erreichen, benötigte man ein Netzwerk von Kaufleuten undHändlern sowie eine Transportinfrastruktur von Straßen, Wagen und Last-tieren oder manchmal auch Booten, Schiffen, Fluss- und Seehäfen. Wie alldies genau funktionierte werden wir nie erfahren, weil wir zu wenig schrift-liche Aufzeichnungen aus der römischen Epoche besitzen, die dies doku-mentierten …“215 Wie planten, organisierten und arbeiteten die kaiserlichenManufakturen, die um 400 n. Chr. in einer Liste erfasst sind, wenn sie inMantua Brustpanzer oder in Pavia Bogen produzierten?216 Offensichtlichgeht viel von dem know-how dieser Epoche nach dem Untergang des Rei-ches verloren.

Für größere Produktionseinrichtungen, die Abwicklung des Handels oderdie Ausdehnung von Landgütern waren Geldgeschäfte erforderlich. Das giltauch für die Staatsfinanzierung durch Private, die dadurch gegebenenfallsVorteile erwarten konnten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das Verbotvon Spekulationen mit Geldgeschäften für Senatoren (Lex Claudia von 218 v.Chr.) oder des Eigentums an Schiffen, deren Größe über den Eigengebrauchbei der Bewirtschaftung des Gutes hinausging, relativ schnell der Verges-senheit anheimfiel. Um die Verbote zu umgehen, wurden stille Teilhaber-schaften an Kapitalgesellschaften begründet, freigelassene Sklaven alsStrohmänner eingesetzt usw. Das alles erforderte eine gewisse Sachkunde,die aber wohl wegen des Charakters dieser Aktivitäten kaum in Lehrbuch-form übermittelt worden sein dürfte.217 Tugendprediger wie Cato oder we-niger tugendsame Menschen wie Brutus betrieben den Geldverleih auch anKommunen, wobei Zinssätze um 50% vereinbart und erzielt wurden (aller-dings wird an dieser Stelle die Inflationsrate nicht genannt).218

(6) Eine hervorragende Entwicklung betriebswirtschaftlichen Wissens er-folgte im arabischen Raum. Insbesondere nach dem Eindringen der Maurenin Spanien (711) konnte dies auch in Europa bekannt werden; vielleicht istaber auch über oberitalienische Kaufleute Kenntnis der indischen Handels-bräuche und des Rechnungswesens nach Europa eingedrungen. Über „DasBuch des Hinweises auf die Schönheiten des Handels und die Kenntnis der gutenund schlechten Waren und die Fälschungen der Betrüger an ihnen“ von Ali AdDimisqi aus dem 12. Jahrhundert berichtet Bellinger, dass es informiere über

215 Ebenda, S. 109.216 Ebenda, S. 112.217 Vgl. hierzu: Werner A. Krenkel, Varro: Menippeische Satiren. Wissenschaft undTechnik, Berichte aus den Sitzungen der Joachim Jungius Gesellschaft der WissenschaftenHamburg,Hamburg 2000, 18. Jg., Heft 1, S. 27ff.

218 Moses J. Finley, The Ancient Economy, Berkeley et al. 1973, S. 55ff.

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„… theoretische Untersuchungen über die Entstehung des Geldes, die Kal-kulation von Waren, die Einsicht, dass der Marktpreis aus Angebot undNachfrage zustande kommt, (es, K.B.) erklärt die Faktoren, von denen diePreise abhängen, und gründet darauf preispolitische, absatzpolitische undallgemeine geschäftspolitische Empfehlungen.“219 Die technische Überle-genheit der arabischen Kaufleute durch die Nutzung der „Null“ und dieindischen Zahlzeichen, die literarisch – wie wir oben gesehen haben – ver-breitete schlechte Meinung von Kaufleuten und andere Gründe mögen dazubeigetragen haben, dass ein vergleichbarer Wissensstand in Mitteleuropanicht anzutreffen ist. Diese Situation begünstigt es auch, dass kaufmänni-sches Wissen möglichst geheim gehalten wird.

(7) Etwa ein Jahrhundert später lehrt Thomas von Aquin (1225-1274). Eräußert sich in mehreren Schriften auch zu wirtschaftlichen Fragestellungen.Besonders bekannt wird die „Summa Theologiae“, die 1267 bis 1273 er-scheint.220 Aristotelisches Erbe und christliche Lehre werden in diesem Werkzusammengeführt. Vermutlich ist die wirtschaftliche Entwicklung in derEntstehungszeit des Werkes Anlass dafür, dass sich der Autor intensiv mitWirtschaftsfragen beschäftigt. Dazu gehören einmal das Problem der Preis-bestimmung im Handel und zum anderen das der Begründung des Verbotsvon Zinsen. Tauschgerechtigkeit (iustitia communativa) und Verteilungsge-rechtigkeit (iustitia distributiva) werden gleichzeitig erörtert.221

Tauschgerechtigkeit ist hergestellt, wenn der Wert der ausgetauschten Leis-tungen identisch ist, der Preis „gerecht“ (iustum pretium) ist. Um den Wertzu operationalisieren benötigt man einen Maßstab, der im „bezahlten Preis“gefunden wird. Will man darin keinen Zirkelschluss entdecken, so mussman diesen als einen Marktpreis annehmen. Selbstverständlich sind Quali-tätsmanipulationen oder der Austausch von Scheingütern unzulässig, esmuss Sachgerechtigkeit im Austausch gelten. Als in diesem Sinne preisbe-einflussend sind die Beschaffungskosten bzw. die Kosten der Herstellunganzusehen, vor allem die standesgemäßen Lohnkosten, sowie die Erhaltungder gesellschaftlichen Stellung des Herstellers. Der Händler darf daher auch

219 Bernhard Bellinger, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1967, S. 20.Siehe auch: Montgomery Watt, Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter,Berlin 2002, S. 33ff.

220 Ein schöner Nachdruck der 1496 in Nürnberg erschienenen Ausgabe ist 1991 inder Serie „Klassiker der Nationalökonomie“ erschienen.

221 Hier und im Folgenden: Arthur F. Utz, Die Ethik des Thomas von Aquin, in:Vademecum zu einem Klassiker der Wirtschaftsethik, Düsseldorf 1991, S. 23-31; PeterKoslowski, Ethische Ökonomie und theologische Deutung der Gesamtwirklichkeitin der ‚Summa Theologiae’ des Thomas von Aquin, ebenda, S. 43-59. Beide Vertei-lungsaspekte gehen auf Aristoteles zurück: Nikomachische Ethik, 8.A., Berlin 1983, S.97ff.

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angemessene Gewinne anstreben. Es gibt ein Recht auf Eigentum. Geld wirdauch bei von Aquin in seiner Funktion als Tauschmittel wahrgenommen.Ein Darlehen kann deshalb auch nur nominal zurückgezahlt werden. EinZins ist ungerechtfertigt:222

„Zins für geliehenes Geld nehmen, ist an sich ungerecht, weil etwas ver-kauft wird, was nicht besteht. … Das Geld aber ist nach Aristoteles vorallem zur Bewirkung von Tauschhandlungen erfunden worden. Und so istder eigentliche und tatsächliche Gebrauch des Geldes zugleich seinVerbrauch oder sein Ausgeben, soweit es zu Tauschgeschäften aufgewen-det wird. Deshalb ist es an sich unerlaubt, für den Gebrauch geliehenenGeldes einen Preis, der Zins heißt, anzunehmen. Und wie der Menschgehalten ist, anderes, was er gegen die Gerechtigkeit erworben hat, zu-rückzugeben, so ist er auch verpflichtet, das Geld, das er als Zins empfan-gen hat, wieder zu erstatten.“

Allerdings gibt es Ausnahmen, die ganz offensichtlich auch als Umge-hungsmöglichkeiten des Verbots genutzt werden. Wenn der vereinbarteRückzahlungszeitpunkt nicht eingehalten wird, so kann ein in der folgendenZeit entstehender Schaden als Säumniszins verlangt werden. Das kann etwadazu führen, dass zwischen Gläubiger und Schuldner eine schnelle Rück-zahlung fest vereinbart wird, beide aber insgeheim darin übereinstimmen,dass dieser Termin nicht eingehalten wird, sondern ein viel späterer. Dannwird für die Restzeit ein Schadensausgleich fällig. Das geht nicht so weit,dass Opportunitätskosten der Geldverwendung beim Gläubiger generell alsGrund für eine Zinsberechnung akzeptabel sind. Aber auch die Beteiligungam Risiko des Schuldners erlaubt es, eine Prämie dafür zu fordern. DieKehrseite des Zinsverbotes ist, dass die relativ sichere Kapitalanlage fehlt.Das beschränkt die Vermögensbildung.

Die Konzeption für die Wirtschaft „stellte eine imponierende wissenschaftli-che Leistung dar, weil seine (Thomas von Aquins, K.B.) Erklärung des Wirt-schaftsgeschehens in seinem philosophisch-theologischen System fest ver-ankert war, sie es andererseits aber erlaubte, dieses neue System zu verselb-ständigen und aus ihm generelle Lösungen für spezielle Fragen …abzuleiten.“223

222 Thomas von Aquin, Summa theologiae, Bd. II, 2, 78, zitiert nach dem „Vademecumzu einem Klassiker der Wirtschaftsethik, Düsseldorf 1991, S. 15.

223 Bernhard Bellinger, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1967, S. 26.

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Thomas von Aquin (Frontispiz der Ausgabe von 1496. Dies ist kein Portrait. Tho-mas von Aquin trägt bereits einen Heiligenschein, der Heilige Geist in Gestalt derTaube flüstert ihm ins Ohr, im Hintergrund ist eine große Anzahl von Büchern zuerkennen (Hinweis auf Gelehrsamkeit und eigene Autorenschaft) und die Schreib-hand liegt auf einem Buch, davor Schreibgerät)

(8) Insbesondere der Fernhandel verlangt ein ausgebautes Geldwesen, Fi-nanzierungsinstrumente, wie Wechsel und Risikoverteilungen sowie Versi-cherungen. In der Praxis entwickeln sich alle diese Instrumente. Ihre Doku-mentation und Abrechnung erfordert parallel dazu die Weiterentwicklungdes Rechnungswesens. Eine Dokumentation dieses Rechnungswesens mitder doppelten Buchhaltung als Kernelement und der Bilanz als Übersichtder Gläubiger- und Schuldnerpositionen224 wird von Luca Pacioli (1445-1509) im Jahre 1494 als Teil eines mathematischen Unterrichtswerks vorge-legt.225 Das Titelblatt berichtet ausführlich über das Programm des Werkes(Abbildung 28).

224 Vgl. dazu Abschnitt 5.2 (1).225 Luca Pacioli, Summa de arithmetica, geometria, proportioni et proportionalita …, Vene-dig 1494.

Abbildung 27

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Pacioli(a) lässt das Rechnungswesen als mathematische und damit auch logischaufgebaute Technik erkennen,(b) weist ausdrücklich auf seine Kontrollfunktion hin und(c) macht „Geheimwissen“ öffentlich, so dass es zur Verbesserung des Ma-nagements herangezogen werden kann.

Titelblatt des Werkes von Luca Pacioli

Es wird gesagt, Pacioli habe bereits eine Trennung von Privat- und Unter-nehmerhaushalt vorgenommen.226 Schaut man sich an, dass im Inventar aberauch Kleidung, Betten, Wäsche oder Tischgeschirr aufgeführt werden sollen,so kann dieser Meinung kaum gefolgt werden.

226 Bernhard Bellinger, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1967, S. 22.

Abbildung 28

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(9) Nur eine Generation oder 30 Jahre nach dem Erscheinen dieses berühm-ten Werkes wird in Wittenberg eines der Sendschreiben Martin Luthers(1483 – 1546) veröffentlicht, in dem er sich mit den gleichen Problemen be-schäftigt, die auch schon Thomas von Aquin umgetrieben hatten.227 Ganzdeutlich wird hierin angesprochen, dass ethische Gebote und Marktgesetzeunterschiedliche Sphären berühren:228

„Wyr wollen hier von misbrauch und sinden des kauffhandels reden / soviel es das gewissen betrifft / Wie es des beuttels schaden trifft / lassen wyrfursten und herrn fur sorgen / das sie yhr pflicht daran ausrichten.“

Zum Problem des „iustum pretium“ wird, unter Berufung auf das Gebot derNächstenliebe, dieselbe Position vertreten wie bei Thomas von Aquin. Derzu vereinbarende Preis soll „recht und billich“ sein, was natürlich eine Prä-zisierung erfordern würde. Da dies generell nicht gelingt, ruft Luther nacheiner Obrigkeit, die die Kalkulationen zu überprüfen hätte. Ihr wird geraten,sie solle die Kosten berücksichtigen sowie eine Bruttogewinnspanne („wasdem kauffmann kund zukomen“), die ihm „seyne zymliche nahrung“ (dasist standesgemäßer Unterhalt) garantiert. Eine höhere Preisforderung würdeWucher bedeuten. Gleiches gilt für den Fall, dass durch spekulative Nut-zung voraussehbarer Verknappungen, Monopole, Kartelle oder Betrügerei-en der Preis beeinflusst wird.

In den Fragen des Zinsverbots ist die Auffassung Luthers eher enger als dievon Thomas von Aquin. Sie bezieht sich auf das Alte Testament, vor allemdie Bücher Mose, und das Neue Testament, vor allem die Bergpredigt.229 Anmehreren Stellen seines Textes geht er darauf ein:

„Item wer also leyet (leiht, K.B.) / das ers besser odder mehr widder nemenwill / das ist eyn offentlicher und verdampter wucher …Zum achtzehnten. Das ist / das wyr willig und gerne leyhen odder borgensollen / an (ohne, K.B.) allen auffsatz und zinsen ….Zum zwenzigsten. Daraus folgt / das die allesampe wücherer sind / die

227 Martinus Luther, Von Kauffshandlung und Wucher, Wittemberg 1524 (NachdruckDüsseldorf 1987).

228 In der faksimilierten Ausgabe der „Klassiker der Nationalökonomie“ ist dies aufdem 3. Blatt zu finden. Seitenzahlen fehlen.

229 Es wird gelegentlich darauf hingewiesen, dass Calvin gerade aus der Bergpredigtdie Erlaubnis zur Berechnung von Zinsen ableitet.

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weyn / korn / gellt / und was das ist / yhrem nehisten (Nächsten, K.B.) alsoleyen / das sie ubers iar odder benannte zeyt dieselben zu zynssen ver-pflichten …“

Das Gebot der Nächstenliebe spricht gegen den Zins, vor allem wenn derReiche ihn vom Armen fordert. Auch Naturrechtsinterpretationen, die denZins als ungerecht erscheinen lassen oder den Darlehensvertrag als Eigen-tumsübertragung von Geld interpretieren, werden als Verbotsbegründun-gen herangezogen. Völlig ausgeschlossen ist der Zinseszins, der als Aus-druck sündigen Geizes behandelt wird. Luther verschließt nicht die Augendavor, dass nun Situationen auftreten oder bewusst herbeigeführt werden,in denen es zu Zinsen und ihrer Zahlung kommt. Das mag zwar wider dieGebote „hessig und feyndselig“ sein, vor allem wenn von Zinswucherernund reichen Kaufleuten durchgesetzt.

Dr. Martin Luther (Briefmarke von 1996)

Die Realitätssicht lässt Luther erkennen, dass das Zinsverbot eine Vielzahlvon Umgehungstatbeständen geradezu herausfordert. Die Geldwirtschaftverdrängt die Tauschwirtschaft, es werden mehr Anlagemöglichkeitensichtbar, das Geld wird als produktives Investivkapital wahrnehmbar. Sotreten auf: Der Rentenkauf (bei dem beispielsweise eine Immobilie gegenZahlung einer Rente abgegeben wird), das Darlehen in der Form des Gesell-schaftsvertrages, der Ämterkauf (bei dem sich mehrere zusammentun, umeiner dritten Person ein lukratives Kirchenamt zu kaufen, wogegen diesePerson die Rückzahlung mit einem Gewinnanteil verspricht), die Ermögli-chung gewinnbringender Geschäfte, die Kompensation von Schäden beiverspäteter Rückzahlung (wozu die Parteien einverständig einen Vertragabschließen, der die Darlehenstilgung in kurzer Frist vorsieht, aber beidewissen, dass dies nicht einhaltbar ist, so dass bei Fristüberschreitung der

Abbildung 29

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Überblick 6.1

119

Schaden festgestellt werden kann). Nach weltlichen Maßstäben mag diesalles hingenommen werden („…zinskauff … als ein ziemlicher kauff undgelassener handel …“), aber nicht nach ethischen („… so ist er doch hessigund feyndselig…“). In diesem Sinne mögen auch Opportunitätsgewinne,Risiken oder die Ermöglichung eines Handelsgeschäfts nach weltlichenMaßstäben gebilligt sein. Allerdings ist auch dann zu beachten, dass dieGrenze zum Wucher spätestens bei einem über 6 % hinausgehenden Zins-satz überschritten ist:230

„Zum anderen mal geschichet er / das keuffer und verkeuffer beyder teyldes yhrigen bedürffen / Derhalben noch leyen noch geben vermügen /sondern sich mit des kauffswechsels behelfen mussen / Wenn nu das ge-schicht an ubertrettung des geystlichen gesetzes / das man auffs hundet 4.5. 6. gulden gibt / lest sichs tragen / Doch soll allzeyt Gottis forscht sorgfel-tig seyn …“

Wer mehr nimmt, ist den Räubern und Wucherern zuzurechnen, insbeson-dere, wenn solche Forderungen von Kirchendienern erhoben werden.

6.1.2 Aufklärung

Im selben Jahrhundert noch wird die Position gegenüber dem Zinsverbotdurch die Rückbesinnung auf römisches Recht oder andere Bibelinterpreta-tion weiter erheblich aufgeweicht. Eine Reichspolizeiverordnung von 1530setzt 5% als Obergrenze für den Zins, spätestens 1638 argumentiert ClaudiusSalmasius (Claude de Saumaise, 1588 - 1653) für die Zulässigkeit des Zin-ses.231 Unter Berücksichtigung späterer Argumentationen werden in derFolgezeit auch generelle Gesetze zur Begrenzung der Zinsen aufgehoben.

Zu erinnern ist auch an Francis Bacon als einem Vertreter einer Zeit, die mandas Zeitalter der Aufklärung nennt. Über einige seiner Ideen und methodi-schen Fortschritte wurde bereits im Abschnitt 2.4 berichtet. Rationalitätüberwindet schrittweise naturrechtlich erscheinende oder theologische Be-gründungen. Natürlich erfordert dies Auseinandersetzungen. Diese befas-

230 Martinus Luther, Von Kauffshandlung und Wucher, Wittemberg 1524 (NachdruckDüsseldorf 1987).

231 Claudius Salmasius, De usuris, Leiden 1638.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

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sen sich auch wieder mit der Begründung von Zinsen und - darüber hinaus -von Zinseszinsen.

(1) Das Verbot von Zinseszinsen ist noch nicht aufgehoben. In dieser Frageerreicht Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) einen Durchbruch. Dazumuss er sich schrittweise durchringen. In verschiedenen Versionen seinerManuskripte „De interusurio“ („Über den zwischenzeitlichen Zins“, 1680 -1683) wird noch die herkömmliche Position vertreten232:

„Aber ist vielleicht der zwischenzeitliche Zins nicht nach einfachen Zinsen,sondern nach dem Zinseszins („anatocismum computandum“) zu berech-nen? Ich denke, dass eine Berechnung nach dem Zinseszins nicht gebilligtwerden kann. Nach dem Gesetz nämlich ist der Zinseszins, und zwar mitGründen, verboten; und die Angelegenheiten der meisten Menschen anden meisten Orten verhalten sich nicht so, dass sie aus den Zinsen desersten Jahres wieder andere Zinsen nach demselben Verhältnis erwerbenkönnen, und daher ist die auf dem Prinzip des Zinseszinses beruhendeBerechnung weder im Sinne des Gesetzgebers noch der Sache selbst.“

Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716)

232 Gottfried Wilhelm Leibniz, Über den zwischenzeitlichen Zins, 1. Version, in:Eberhard Knobloch/J.-Matthias Graf von der Schulenburg, Hrsg., Handschriften zurVersicherungs- und Finanzmathematik, Berlin 2000, S. 60-71, hier S. 69.

Abbildung 30

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Überblick 6.1

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In einer fast zeitgleich entstandenen Arbeit („Juristisch-mathematische Betrach-tung darüber, wie viel mehr jemand fordert, wie man annimmt, der vorzeitig for-dert, oder über die Kürzung bei vorzeitigem Empfang, umgangssprachlich Rabatt“)kommt Leibniz zu einer anderen Lösung. Er konstruiert den Fall einer nachzehn Jahren fälligen bestimmten Schuld, die in beiderlei Einverständnisvorzeitig getilgt werden soll. So ergibt sich die Frage, in welcher Höhe derTilgungsbetrag angesetzt werden soll, wenn grundsätzlich von einem ein-heitlichen Soll- und Habenzins von 5% (vollständiger Kapitalmarkt) auszu-gehen ist. Die komplizierte Erörterung der auf Seiten von Schuldner undGläubiger jeweils veranlassten Zahlungen und ihrer Anlagemöglichkeitenbis zum ursprünglichen Horizont des Geschäfts mündet in der Erkenntnis,dass Zinseszinsen zu verrechnen sind. Drei methodische Elemente kommenLeibniz zur Hilfe, um die kompliziert erscheinenden Rechnungen abzukür-zen und ihnen die notwendige, nachprüfbare Sicherheit zu geben: (a) DasRechnen mit Logarithmen, (b) die Einführung einer allgemeinen Symbolik,(c) seine Entdeckung der Formeln für unendliche und endliche geometrischeReihen. Ohne Beweis gibt er an:233

„Sei also z die Anzahl der Jahre, a der Geldbetrag, welcher nach diesenJahren geschuldet wird, und die Höhe des Zinses werde durch den Buch-staben v ausgedrückt, dergestalt, dass, gesetzt, die erlaubten Zinsen betrü-gen ein zwanzigstel Münze oder fünf auf hundert, der Buchstabe v dann 20bedeutet. Dies vorausgesetzt wird nach Abzug der Kürzung vom Geldbe-trag a wegen des um z Jahre vorgezogenen Erhalts der Summe, die demvorzeitig Empfangenden geschuldet wird, a(v/(v+1))z übrigbleiben. ….

Damit aber umständliche Multiplikationen vermieden werden, werden dieLogarithmen dienlich sein …“

Diese Position wird dann in drei weiteren Versionen der Ausarbeitung undin weiteren Manuskripten zum zwischenzeitlichen Zins beibehalten. Einwesentlicher Durchbruch ist erfolgt. Die Barwertformel ist gefunden: Wer in10 Jahren 100 Geldeinheiten zu erwarten hat, kann bei Sicherheit und 5%Zins heute auf einen Wert von 61,39 blicken. Die Investitionsrechnungenkönnen auf eine neue Grundlage gestellt werden. Um so erstaunlicher ist,dass statische Verfahren der Investitionsrechung, wie der Kostenvergleichoder die Bestimmung der Rückflussdauer, bis in die sechziger Jahre des 20.Jahrhunderts hinein nicht nur in der Praxis dominierten, sondern auch ingroßen Teilen des Schrifttums.

233 Gottfried Wilhelm Leibniz, Juristisch-mathematische Betrachtung, 1. Version, in:Eberhard Knobloch/J.-Matthias Graf von der Schulenburg, Hrsg., Handschriften zurVersicherungs- und Finanzmathematik, Berlin 2000, S. 106-113, hier S. 112f.

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An dieser Stelle darf auch ein Eindruck davon nicht fehlen, wie schwer esist, aus den handschriftlichen Ausführungen von Leibniz (und Ähnlichesgilt für viele andere Wissenschaftler) einen lesbaren Text zu erstellen, diezeitliche Reihenfolge der Bemerkungen und Ergänzungen zu erfassen undschließlich eine Übersetzung zu liefern, die das Gemeinte wiedergibt. Des-halb wird hier eine Manuskriptseite von Leibniz gezeigt (Abbildung 31).

(2) Dieser Nachweis der Notwendigkeit des Zinseszinses fällt fast in dieMitte einer Periode, die durch das Erscheinen von breit angelegten Lehrbü-chern gekennzeichnet ist. Sie breiten das Wissen für den Kaufmann aus,eingebettet in merkantilistische Auffassungen von der Wirtschaft. Damit trittdas betriebswirtschaftliche Wissen zugleich an die Öffentlichkeit, also ausdem Schatten des Geheimwissens hervor. Das ist im Zeitalter der Aufklä-rung (age of enlightenment, l’âge de la lumière) auch nicht anders zu erwar-ten. Häufig werden fünf Werke hervorgehoben, die diese Aufklärung inbesonders eindrucksvoller Weise erreichen:

�� Giovanni Domenico Peri (1584 – 1639), Il Negotiante, geschrieben 1636,erschienen 1658

�� Jacques Savary (1622 - 1690), Le parfait négotiant …, Paris 1675�� P(aul) J(acob) Marperger (1656 – 1730), Nothwendig und nützliche Fragenüber die Kauffmannschafft …, Leipzig/Flensburg 1714

�� Carl G. Ludovici (1707 – 1778), Grundriß eines vollständigen Kaufmanns-Systems, Leipzig 1756

�� Johann Michael Leuchs (1763 – 1836), System des Handels, Nürnberg 1804.

Die genannten Werke sind mehrfach aufgelegt worden. Die Autoren sinddaneben mit weiteren Werken, auch lexikalischer Art, hervorgetreten. Die indiesen Werken behandelte „Handlung“ ist die Fortführung der Hauswirt-schaft, allerdings mit anderer Schwerpunktsetzung. Um den Charakter derArbeiten zu kennzeichnen, ist es ausreichend, zwei herauszugreifen.

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Leibniz’ Manuskript zu Meditatio juridico-mathematica quanto plus petere intelli-gatur qui plus tempore petit seu de resegmento anticipationis, vulgo Rabat (Quelle:Niedersächsische Landesbibliothek, Hannover LH 5,1, Bl. 9r))

(3) Jacques Savary ist bis 1658 als Kaufmann tätig, wird dann Partner imKupferhandel und schließlich Leiter staatlicher Einrichtungen. Auf diesenreichen Erfahrungsschatz greift er zurück. Auch hier steht also kein theoreti-sches System als Grundlage zur Verfügung. Er betrachtet ein gutes Rechts-system als nützlich für die Wirtschaft und nimmt Einfluss auf das unter

Abbildung 31

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Jean-Baptiste Colbert (1619 – 1683)234 entstehende französische Handelsge-setzbuch. Colbert ist die Schrift „Le parfait négotiant“ auch gewidmet (Ab-bildung 32). Sie ist in zwei Bücher mit mehreren Kapiteln gegliedert.235

Handel ist notwendig und nützlich, so wird im ersten Buch ausgeführt, vorallem wegen seiner Arbitragefunktion. Er wird durch Unternehmenszu-sammenbrüche gestört, die auf Unkenntnis, Unvorsichtigkeit und Ehrgeizzurückzuführen sind. Beachtung der Rechtslage, der im Buch gegebenenEmpfehlungen und hoher ethischer Normen könnten dem gemeinsam ent-gegenwirken. Die Darstellung gibt an eine Person, den Leser, Ratschläge zurBerufswahl und zur Entwicklung im Kaufmannsberuf. Dabei wird eineVielzahl von Details behandelt, wie Währungsumrechungen und Qualitäts-beurteilung von Waren. Wer die Ratschläge befolgt, kann ehrlich und relativsicher Wohlstand erwerben, so dass sich damit auch der Kaufmannsberufdem Adel erschließe. Der Zahlungsverkehr schließt den Wechsel, den Wech-selprotest und das Clearing ein. Dafür werden sogar Mustervordrucke an-geboten. Das Rechnungswesen umfasst Inventar, Kassenbuch, Journal sowieBewertungsregeln und Regeln zur korrekten Buchführung.

Im zweiten Buch folgen eine Darstellung verschiedener Rechtsformen undVerhaltensregeln für Partner in Gesellschaften. Durch die Trennung vonPrivat- und Geschäftsvermögen im Rechnungswesen wird unter anderemauch dem Streit zwischen Partnern vorgebeugt. Eine Bilanz zur Gewinner-mittlung findet sich ebenso wie eine Insolvenzbilanz. Verschiedene Artendes Handels und der Manufaktur werden erläutert. Kaufleute sollten beach-ten, dass Import, Imitation und Innovation in der Güterproduktion unter-schiedlichen Erfolgsregeln folgen. Der Handel mit anderen Ländern, dasEngagement der Bürger dort für den Handel, der sogenannte Dreieckshan-del zwischen Europa, Afrika und Amerika werden geschildert.236 Letzteresverwundert wegen der Akzeptanz eines regelgebundenen Sklavenhandels,wo doch vorher hohe ethische und moralische Standards formuliert wurden.Versicherung, Spedition und Maklerei werden als Handelshilfsfunktionendargestellt.

234 Unter Ludwig XIV. ist er Finanzminister und oberster Bauinspektor.235 Im Folgenden wird der „neuen Auflage“ gefolgt: Jacques Savary, Le parfait négo-tiant ou instruction générale pour ce qui regarde le commerce des marchandises de France,& des Pays Etrangers, Paris 1757 (Herausgegeben von Jacques Savary des Bruslons).

236 Dieser Typ des Handels mit Tuch oder anderen Waren von Europa nach Afrika,von dort mit Sklaven nach Amerika und zurück mit Zucker nach Europa machtebesonders Heinrich Carl (Graf) Schimmelmann, zeitweise Schatzmeister des däni-schen Königs, wohlhabend.

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Titelblatt und erste Seite der Widmung der neuen Auflage des „Parfait Négotiant“von 1757

Abbildung 32

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Zur Illustration seien nur zwei Stellen ausgewählt. Das ältere Französisch istetwas gewöhnungsbedürftig, aber doch heute noch ebenso gut verständlich,wie etwa das Deutsch Luthers. Langfristorientierung des Handelns undKundenbindung sind für Savary wichtig:237

„Ce n’est pas assez à un Marchand d’avoir de la marchandise dans uneboutique, il faut ou que cette boutique soit achalandée de longue main, parune grande réputation que lui ont acquise ceux qui l’ont occupée pour yavoir toujours de belle & bonne marchandise, & a bon marché, ou bien queceux qui la veulent occuper ayent acquis beaucoup d’habitudes depuislongtems, sans quoi un Marchand ne peut rien faire …”

Zur Präsentation unternehmerischer Erfolgsfaktoren einer Manufaktur rätSavary, sich zunächst über den Charakter des Unternehmens klar zu wer-den:238

„C’est une chose bien importante que d’entreprendre des Manufactures;car il n’y va pas moins que de la ruine des Entrepreneurs, si elle n’estconduite avec prudence & jugement, & si l’on ne prend pas toutes les pré-cautions nécessaires.C’est pourquoi les Négocians qui voudroient établir des Manufactures,doivent bien prendre garde à ce qu’ils feront auparavant que s’y engager.Il y a trois choses à observer avant que d’entreprendre une Manufacture.La premiere, si c’est une Manufacture étrangere que l’on veut imiter.La seconde, si c’est une Manufacture nouvelle de quelque sorte de mar-chandise que l’on veut inventer.La troisiéme, si c’est une Manufacture déja établie, de laquelle les mar-chandises ont un cours ordinaire tant dans le Royaume que dans les PaysEtrangers …”

An diese Klassifikation von Situationen, der Innovation, der Imitation (dieoffenbar als „schneller Zweiter“ gedacht ist) und des Eintritts in einen eher

237 Jacques Savary, Le parfait négotiant ou instruction générale pour ce qui regarde le com-merce des marchandises de France, & des Pays Etrangers, Paris 1757, 1. Buch, S. 132.

238 Ebenda, 2. Buch, S. 78f.

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Überblick 6.1

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polypolistischen Konkurrenzmarkt schließen sich differenzierte Empfehlun-gen an. Das mutet recht modern an, wenn natürlich auch nicht mit breiterempirischer Forschungsbasis argumentiert wird, wie dies heute üblich ist.

(4) Versuchen wir nun, einen Eindruck von einem zweiten umfassendenWerk zu vermitteln. Carl Günther Ludovici bezeichnet sich als ordentlichenProfessor der Vernunftlehre auf der hohen Schule zu Leipzig, Mitglied derPreußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und der Gesellschaftder „Oeconomick“, der freyen Künste und der Deutschen Sprache zu Leip-zig. Interessant ist hier schon der Hinweis auf eine Gesellschaft der Ökono-mik. Offenbar beginnt also die Disziplin mit ihrer Institutionalisierung.Schon in der Vorrede weist der Verfasser darauf hin, dass „zwischen denenRegeln, wie man die Handlung eines ganzen Landes, und denen Lehren, wieman eine Privathandlung, zur Erreichung des vorgesetzten Zweckes regie-ren soll“239 ein Unterschied zu machen ist. Letzteres muss deshalb systema-tisch dargestellt und gelehrt werden. Das unternimmt der Autor auf 622Seiten (in der hier herangezogenen Ausgabe) mit großem Detailreichtumund geschichtlichem Verständnis auf der Grundlage einer vorangestelltenSystematik. Sie kann gut in der Form eines Organigramms (Abbildung 33)präsentiert werden. Die Paragraphen beziehen sich dabei auf LudovicisBuch. Das Organigramm vermittelt den Gesamtüberblick über das Kauf-mannssystem sowie die einzelnen kaufmännischen Hilfswissenschaften. DieBreite des für nützlich erachteten Wissens ist dabei besonders eindrucksvoll.Es wird damit das Ideal eines allseits gebildeten Kaufmanns vermittelt.Dabei fehlt gelegentlich nicht der Hinweis, dass man auch dann erfolgreichsein kann, wenn man weiß, wann der jeweils Fachkundige, zum Beispiel derJurist, beratend heranzuziehen ist oder im Auftrage des Kaufmanns handelnsollte. Über die Angaben im Organigramm hinaus empfiehlt Ludovici Rei-sen, das Erlernen von Fremdsprachen, regelmäßige Zeitungslektüre undGeschichtskenntnisse.

Die Darstellung der kaufmännischen Hauptwissenschaften gliedert diese indrei Teile. Es sind die „Waarenkunde“, die Handlungswissenschaft und dieBuchhaltung (§§ 3, 4 und 5). Dazu gibt es jeweils erläuternde Angaben. Meh-rere Kapitel (§ 26 ff.) sind den unterschiedlichen Preisen und Werten ge-widmet, wobei Preise für Sachen, Werte auf Arbeiten bezogen sein sollen.Das wird nicht streng durchgehalten. „Nutzbarkeit“ und „Seltenheit“ wer-den gemeinsam als preisbestimmend dargestellt. Nutzen kann dabei kon-sumtiv oder investiv sein, letzteres im Sinne von fruchtbringend.

239 Carl Günther Ludovici, Grundriß eines vollständigen Kaufmanns-Systems, nebst denAnfangsgründen der Handlungswissenschaft, und angehängter kurzer Geschichte derHandlung von Europa, auch bis in die anderen Welttheile, 2.A., Leipzig 1768, o.S.

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Die Hilfswissenschaften geben Orientierung für den Unternehmer. Die nöti-gen „Beywissenschaften“ zählen auf, was man als Kaufmann wissen muss.Kaufmännisches Rechnen und Grundlagen des Rechts stellen bis heute Teileeines in die Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre einführenden Lehr-plans dar. Geografie und Korrespondenzkünste werden allerdings nichtmehr in diese Lehrpläne aufgenommen. Das muss nicht nachteilig sein,wenn man davon ausgehen darf, dass entsprechende Fähigkeiten in derModerne durch einen vorbereitenden Schulunterricht vermittelt werden.

Die geforderten oder erwünschten Kenntnisse können nicht wirksam wer-den, wenn der Kaufmann nicht durch „fleißiges Nachsinnen“ und „gutesSpeculieren“ seine eigenen Schlüsse zieht und entscheidet:240

„… da ein Kaufmann bey seinen Handelsgeschäfften und sich ereignendenFällen (zum Exempel ob dieser oder jener Wechselcours, der Preis dieseroder jener Waare, muthmaßlich steigen oder fallen werde) die Gründe fürund dagegen wohl erwäget, und sodann seine Entschließung … nimmt.“

Einen besonderen Hinweis verdient die Erwähnung einer Wahrscheinlich-keitslehre als Hilfswissenschaft des Kaufmanns. Dem Kaufmann können „…gar viele Fälle in Ansehung des Gewinnst oder Verlusts vorkommen, die eralle nach den Graden der Wahrscheinlichkeit beurtheilen muß, und wozuihm die Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung vortreffliche Dienste thunwerden.“241 Diese Regeln sind schon für viele Fälle ausgearbeitet. Eine fre-quentistische Sicht beispielsweise wird von Jacob Bernoulli (1655 - 1705)veröffentlicht242 und Daniel Bernoulli (1700 - 1782) zeigt auf, wie der Nutzeneines Spiels in Abhängigkeit von der Vermögensposition des Spielers vari-iert243 (Bernoulli-Nutzenfunktion). Es ist zu vermuten, dass solche und ande-re relativ „neue“ Literatur auch Ludovici bekannt war.

Dass er auch Kaufleuten diese neuen Erkenntnisse als nützlich für ihre Tä-tigkeiten empfiehlt, ist sehr beachtlich und weitsichtig. Etwa 25 Jahre später

240 Ebenda, S. 21 (§ 22).241 Ebenda, S. 18f. (§ 20).242 Jakob Bernoulli, Ars Conjectandi, Basel 1713 (deutsche Übersetzung von RobertHausner,Wahrscheinlichkeitsrechnung, 3. und 4. Teil, Leipzig 1899).

243 Daniel Bernoulli, Specimen theoriae novae de mensura sortis, Commentarii Acade-miae Scientiarum Imperialis Petropolitanae, Bd. 5, 1738, S. 175-192 (deutsche Überset-zung von A. Pringsheim, Versuch einer neuen Theorie der Wertbestimmung von Glücks-fällen, Berlin 1896).

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Überblick 6.1

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wird daraus ein Hauptkapitel in einer der Gesamtdarstellungen.244 Es dauertimmerhin weitere 150 Jahre, bis die Behandlung der Unsicherheit in derwirtschaftswissenschaftlichen Literatur deutlich erkennbar behandeltwird.245 Weitere 50 Jahre dauert es dann, bis die Entscheidungen unter Unsi-cherheit generell in die Lehrpläne der Allgemeinen BetriebswirtschaftslehreEinzug halten.

244 Johann Michael Leuchs, Allgemeine Darstellung der Handlungswissenschaft, Nürn-berg 1791 (Nachdruck Vaduz 1979), S. 63ff.

245 Frank H. Knight, Risk, Uncertainty and Profit, New York 1965 (1. Auflage 1921). DasVorwort zur 1. Auflage beginnt mit den Worten: „There is little that is fundamen-tally new in this book. It represents an attempt to state the essential principles of theconventional economic doctrine more accurately, and to show their implicationsmore clearly, than has previously been done.” Wie die Aufnahme des Buches zeigt,ist dies ein großes “understatement”.

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Das Kaufmannssystem nach LudoviciAbbildung 33

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6.1.3 Vorschlag für eine Universitätsdisziplin

Es ist nicht erstaunlich, dass Ludovici sich für eine Lehre der „Kauffmann-schaft“ auf Akademien und in Universitäten einsetzt. Da er sich dabei alsdem angeblich246 ersten Befürworter auf Paul Jacob Marperger bezieht, wol-len wir von dessen Plädoyer ausgehen.

Ein solches Plädoyer ist 1715 in sehr ausführlicher Weise gehalten worden.247

Auf 23 Seiten (!!) wird auf die Frage 13 geantwortet, die lautet: „Ob es nichtrathsam wäre / auff Universitäten öffentliche Professores Mercaturae zuverordnen / welche die Kauffmannschafft und alles / was in dieselbe hineinlaufft / oder von solcher dependiret / dociren müssen.“ Die randständigeBehandlung ökonomischer Fragen in Philosophischen oder JuristischenFakultäten reicht für Marperger ebenso wenig aus wie gelegentliche Disser-tationen dazu. Außer einer sehr umfangreichen Liste untersuchungswürdi-ger Fragen oder Puzzles setzt er sich mit 12 Begründungen und drei Ein-wänden auseinander. Die Argumente sind:

„1. Die Kaufmannschaft hat hohe Bedeutung für das Wohlergehen einesGemeinwesens und sollte deshalb durch Universitätslehre unterstützt wer-den.2. Kaufmannswissen kann nach methodischen, institutionellen oder perso-nenbezogenen Aspekten gegliedert werden und ist damit systematischerLehre zugänglich.3. Insbesondere für den Nachwuchs der Kaufleute ist die Vermittlung derKenntnisse „von höchster Nothwendigkeit“.4. Auch Studierende der Theologie, Jurisprudenz und Medizin würden vonder Aufnahme kaufmännischer Kenntnisse während ihres Studiums einenNutzen haben.

246 Es wird daneben auf Francis Bacon und Christian Thomasius (1655-1728) verwie-sen: Dieter Schneider, Die ersten Handelshochschulen, in: Eduard Gaugler/RichardKöhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin –zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 39-59, hier S. 42.

247 P(aul) J(acob) Marperger, Erste Fortsetzung Seiner so nothwendig als NützlichenFragen Über die Kauffmannschafft…in Ein und Zwanzig Fragen, Leipzig/Flensburg 1715(Nachdruck Köln 1997). Derselbe, Trifolium Mercantile Aureum, oder Dreyfaches Gül-denes Klee-Blatt der werthen Kauffmannschaft, Dreßden/Leipzig 1723, nimmt das hierbehandelte Thema auf den Seiten 1 – 34 auf: Vorschlag zur Eröffnung einer Kauf-manns-Akademie. Dabei scheint aber eher an eine kaufmännische Berufsschule ge-dacht zu sein. Auch die sogenannten Kameralhochschulen und Kameralfakultäten,die im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts entstehen, werden nur wenig weiterrei-chende Lehrinhalte vertreten haben, was schon angesichts der Berufungsproblemefähiger Lehrer naheliegt: Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3.A., 2.Nachdruck, München/Wien 1994, S. 112.

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5. Wie in der „Chirurgia“ können Professoren ihren Nachwuchs auch „inder edlen Mercantie“ heranbilden.6. Es bestehen starke Verbindungen zu Natur- und Völkerrecht, Geschichte,Geografie und Philosophie, die in Universitäten gelehrt werden.7. „Fehler und Gebrechen“ kaufmännischen Handels resultieren aus einemVorgehen nach „Gutdüncken des irrigen Wahns und übel eingeführter Ge-wohnheit“. Dem kann durch Vermittlung von „Vernunfft-mäßigen Reguln“entgegen gewirkt werden.8. Die Entwicklung eines „Kauffmanns-Rechts“ würde gefördert.9. Die Aufnahme der Lehrtätigkeit würde zusätzliche Studierende anziehen.Dabei wäre es kein Schade, wenn in Deutsch unterrichtet würde, so dass dieStudierenden nicht Latein zu können brauchen. In Deutsch werde auch jetztim einem oder anderen Fach teilweise unterrichtet.

Titel eines Hauptwerkes von Marperger, 1714Abbildung 34-a

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Frontispiz desselben Werkes von Marperger

10. Die Wertschätzung der Kaufmannschaft würde steigen, so „dass solchevon unverständigen oder hochmüthigen Politicis (sonderlich von denen / diedas Wort Pfeffer-Sack immer im Munde führen) nicht mehr so verächtlichals wie bishero geschehen / gehalten würde …“ In England wendeten sichsogar die Söhne adliger Häuser der Kaufmannschaft zu, zumal in Frieden-zeiten nichts im Kriegshandwerk verdient werde und zu Hause auf dem Gutzu sitzen zu wenig produktiv sei.11. Die Mitgift reicher Kaufmannstöchter bei Eheschließung mit Adligenund Gelehrten entziehe den Unternehmen das Kapital. Dem solle entgegengetreten werden. In Universitäten ausgebildete Kaufleute stellen offenbareine wenigstens gleich gute „Partie“ dar.12. Die Lehre ist mit vielen anderen Wissenschaften eng verbunden. Nichtzuletzt Deshalb haben die zu berufenden Professoren hohe Wissensanforde-rungen zu erfüllen.“

Das ist eine den Zeitgeist eindrucksvoll spiegelnde Liste. Die Auseinander-setzung geht weiter mit der Zurückweisung von drei Gegenargumenten:

Abbildung 34-b

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1. Die Kaufmannschaft sei etwas „Gemeines“, es kämen Missbräuche vorund sie werde verächtlich gemacht, besonders von Vertretern anderer Fakul-täten. Dort kommen ebenfalls Missbräuche vor, die der Art nach benanntwerden.2. Die Existenz von Schreib-, Rechen- und Buchhalterschulen reiche aus.Weiter gehende „Information“ sei nicht erforderlich, und Praxisbezug in derUniversitätslehre könne schädlich sein. Dem wird mit Hinweis auf neueBedürfnisse widersprochen.3. Es sei nicht klar, wer die Professoren zu besolden habe. Hier wird dannauf das Budget für die Universität ebenso verwiesen wie auf die Möglich-keit, weniger wichtige Professoren zugunsten der geforderten einzusparen.

Mit Blick auf die Argumente für die Wissenschaftlichkeit der Betriebswirt-schaftslehre ist es interessant, dass hier auf Methoden, ihre Institutionalisie-rung zur Rationalitätssicherung und wichtige ungelöste Fragen hingewiesenwird. Dass es nun fast 200 Jahre dauert, bis der Forderung nach betriebs-wirtschaftlichen Universitätsstudien entsprochen wird, zeigt, wie wenig dieArgumentation Gehör findet. Marpergers Vorschlag wird unterstützt vonLudovici, der eine „Kaufmannsakademie“ fordert. Er weist zugleich daraufhin, dass ähnliche Einrichtungen in Portugal 1759, in Hamburg 1767, inHanau 1764 errichtet worden seien. Die Handelsstadt Leipzig sei übrigensder perfekt für ein solches Vorhaben geeignete Ort. Alternativ kämen Uni-versitäten als Institutionen der Lehre in Betracht („oder wenigstens könnteauf Universitäten … die Verfügung getroffen werden, dass ein besondersbestellter Lehrer die Kaufmannschaft … lehren müsste“).248 Schließlich könn-ten auch Preisaufgaben dazu dienen, die Theorie der Handlung weiter zuentwickeln. In England seien damit gute Erfahrungen gemacht worden. AlsBeispiel wird die Preisaufgabe von 1755 angeführt, wonach die Frage zubeantworten sei: „Auf was für Weise die Handlung und die bürgerlicheFreyheit sich unterstützen und gegenseitig beystehen?“249 Das ist nun eineFrage, die in der Form der Interdependenz von Staatsverfassung und Wirt-schaftsordnung zweihundert Jahre später nicht allein im Ordoliberalismusimmer noch von aktuellem Interesse ist.

248 Carl Günther Ludovici, Grundriß eines vollständigen Kaufmanns-Systems …,Leipzig1768, S. 24f.

249 Ebenda, S. 26f.

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Überblick 6.1

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6.1.4 Auf dem Weg zu mikroökonomischenTheorien

Das Fehlen universitärer betriebswirtschaftlicher Forschung und Lehre er-klärt, dass in der Folgezeit wesentliche Beiträge zum betriebswirtschaftli-chen Verständnis aus der Volkswirtschaftslehre stammen. Zunächst wardies die Kameralistik. Allerdings stellt Dieter Schneider fest, dass von dendieses Fach vertretenden Professoren sich „keiner mit Einzelproblemen derUnternehmensführung“ beschäftigt habe, vielmehr Gesamtdarstellungen,Geschichte und Methode bevorzugt wurden.250 Hier wird darauf nicht ein-gegangen. Auf zwei Gebieten werden Fortschritte erzielt: der land- undforstwirtschaftlichen Betriebslehre und der mikroökonomischen Theorie.

(1) Die Forstwirtschaft muss sich notwendigerweise mit langfristigen Ent-wicklungen beschäftigen. Die Veränderung des Vermögens durch Verände-rung der Holzmasse muss abgeschätzt, der optimale Zeitpunkt für das Fäl-len von Bäumen bestimmt und die Risken für die Einkommensentwicklungfassbar gemacht werden. Dazu werden Berechnungsgrundlagen erarbeitet,die Dieter Schneider zusammenfassend schildert.251 In die Mitte des 19.Jahrhunderts fällt auch eine Formulierung des Wirtschaftlichkeitsprinzips:„Aller Fortschritt, alle Vervollkommnung im geschäftlichen Leben strebteinzig darauf hin, mit einer bestimmten Menge von Löhnen und Capital-Nutzungen entweder einen höheren Ertrag zu erzielen, oder aber den glei-chen, wo nicht einen größeren Ertrag bei einem geringeren Aufwand anKräften zu erhalten.“252 Im letzten Teil klingt die heute noch vielfach anzu-treffende doppelte Extremwertbetrachtung noch an. Die zwei Versionen desWirtschaftlichkeitsprinzips werden aber schon erkennbar.

(2) Zeitlich an die bisherige Darstellung anschließend sei zunächst auf Jean-Baptiste Say (1767 – 1832) hingewiesen. Seine Kritik an den wirtschaftlichenFolgen der napoleonischen Kriege mag dazu beigetragen haben, dass seinHauptwerk zu Zeiten von Napoleons Regierung nicht erscheinen durfte. DieSchaffung und Verteilung des Volksvermögens in einer industrialisierten

250 Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirt-schaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 154, auch S. 169ff.

251 Ebenda, S. 171ff.252 Jean Gustave Courcelle-Seneuil, Theorie und Praxis des Geschäftsbetriebs in Ackerbau,Gewerbe und Handel, Stuttgart 1868, S. 20 (Übersetzung von: Traité théorique et prati-que des entreprises industrielles, commerciales & agricoles ou manuel des affaires, 2.A., Pa-ris 1857).

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Nation ist sein Hauptthema.253 Zunächst wird verdeutlicht, dass perfekteIndustrie auf Theorie, Anwendung und Ausführung gründet. Die Verfü-gung über „les lumières directement utiles à l’industrie” dürfen, um wirk-sam zu werden, nicht durch Unwissenheit und Vorurteile gestört werden.254

Solche Innovationswiderstände werden uns später nochmals vor Augentreten. Das hohe Vertrauen in die mittlerweile erreichten Fähigkeiten zumManagement von Industriebetrieben kommt darin zum Ausdruck, dass Saydiese als weniger risikoreich einstuft als den Handel (der trotz der Experi-mente der Bauern in der Agrarwirtschaft risikoreicher sei). Das setzt natür-lich eine gewisse unternehmerische Klugheit voraus, worauf schon Ludovicihingewiesen hatte. Als risikomindernde Eigenschaften industrieller Unter-nehmertätigkeit werden angesehen: 255

„Dans l’industrie manufacturière, les expériences sont moint hasardeuses.1. Elle reposent sur des calculs plus sûrs.2. On peut les tenter sur des quantités plus petites et par conséquents’exposer à une moindre perte.3. On peut ordinairement les répéter plusieurs fois dans le cours d’uneannée; elles occupent moins long-tems les capitaux.4. Enfin quand elle réussissent, on jouit plus long-tems exclusivement deleurs succès; le secret des procédés est moins exposé aux regards, et chezquelques nations leur emploi exclusif est garanti par un brevetd’invention.”

Die Sorge um eine ausreichende Sicherheit des Unternehmens regt zu zweiÜberlegungen an. (a) Nicht das Warten auf einen glücklichen Zufall bringtden geschäftlichen Erfolg. Man soll ihn durch Forschung suchen. Dafürsollen aber nicht die Ressourcen eingesetzt werden, mit denen sicher aufandere Weise Gewinne erzielt werden können. „Il faut y consacrer des reve-nus qu’on aurait pu, sans faire tort à sa fortune et à son pays, employer untems qu’on aurait pu donner à l‘oisiveté ou à l’amusement.“256 Das erinnertan den Großen Kurfürsten, dessen bedeutende Aufwendungen für das aufder Pfaueninsel in Berlin errichtete chemische Labor für Johann Kunckel

253 Jean-Baptiste Say, Traité d’économie politique ou simple exposition de la manière dont seforment, se distribuent, et se consomment les richesses, Tome 1, Paris 1803 (NachdruckDüsseldorf 1986).

254 Ebenda, S. 8.255 Ebenda, S. 144.256 Ebenda, S. 145.

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(1630 oder 1638 – 1703) nach dessen Aussage begründet wurden mit derEinlassung, die Summen rechneten wie jene, die der Große Kurfürst „ver-spielt oder im Feuerwerk verpufft habe“ und da er nun „weniger spiele, sodürfe er das dadurch Gesparte an Forschungen in der Wissenschaft set-zen“.257 Forschung ist hier Konsum, nicht Investition.

(b) Der Staat soll nicht allein für die Forschung verantwortlich sein. Er kannaber die Forschungstätigkeit anregen, indem er gewerbliche Schutzrechteeinführt. England sei dabei vorbildlich. Frankreich habe mit Patentgesetzten1791 und 1792 nachgezogen.258 Dem Innovator komme höchste Ehre zu,besonders die Unsterblichkeit seines Namens: 259

„Honneur aux hommes qui ont cherché leurs plaisirs dans si noble travaux!Honneur aux hommes qui ont dépensés leur revenus dans si utiles con-sommations! Je ne crois pas qu’il y ait un plus digne, un plus noble emploide la richesse et du loisir. Ces hommes font à leur concitoyens, au mondeentier, des présens qui surpassent de beaucoup la valeur de ce qu’ils don-nent…”

Es ist der volkswirtschaftliche Nutzen der Innovation, der hervorsticht. Dasser auch ein einzelwirtschaftlicher ist, tritt in den Hintergrund. Immerhinaber wird ein Thema angesprochen, das erstmals bei Savary aufschien unddas in der Folge vielfach wieder aufgenommen wird: Die hohe Bedeutungder Innovation für die Erzielung von Einkommen. Bei John Stuart Mill (1806- 1873) wird schon 45 Jahre später beispielsweise für die Gewährung indivi-dueller Anreize für Erfinder (eigentlich im Beispiel Designer) plädiert.260

(3) Für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts werden drei „Auffassungen“der Betriebswirtschaftslehre mit deutlichen Folgewirkungen identifiziert: (a)die „normativ-wertende“, (b) die „empirisch-realistische“ und (c) die „theo-

257 So berichtet es Theodor Fontane, Johann Kunckel, in: Wanderungen durch die MarkBrandenburg,Wiesbaden o.J., Bd. 4, S. 502.

258 Jean-Baptiste Say, Traité d’économie politique ou simple exposition de la manière dont seforment, se distribuent, et se consomment les richesses, Paris 1803, S. 261-265.

259 Ebenda, S.145.260 John Stuart Mill, Principles of Political Economy with some of their applications to socialphilosophy, London 1848, S. 51ff.

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retische“ Richtung261. Sie haben allerdings im 19. Jahrhundert, das hier be-handelt wird, ihre Vorläufer. Das soll kurz skizziert werden. Die beidenletztgenannten, als wertfrei charakterisierten Richtungen gehen methodischunterschiedlich vor. Die empirische Richtung geht in der Regel induktiv, dietheoretische Richtung in der Regel deduktiv vor, teilweise mit logischenSchlüssen und Beweisen. Solche Vorgehensweisen sind aber nicht zwin-gend. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass erst zu Be-ginn des 19. Jahrhunderts die Schriften von Adam Smith in Deutschlandeinen gewissen Einfluss erlangen.262 Auch die normativ-wertende Richtunghat zwei Ausprägungen in ihren Vorläufern. Wenn im Folgenden eine Zu-ordnung von Autoren zu solchen Richtungen vorgenommen wird, so muss –insbesondere für das 20. Jahrhundert – berücksichtigt werden, dass nicht alleAutoren die Richtung, mit der sie hier assoziiert werden, über ihr ganzeswissenschaftliches Leben beibehalten haben.

Zu (a): Eine normativ-wertende Klasse ist in der sogenannten historischenSchule anzutreffen. Dazu ist der Marxismus zu zählen. Er entwickelt sichauch aus der Beobachtung der auf reinen Wirtschaftsliberalismus ohne Mög-lichkeiten eines gewerkschaftlichen Zusammenschlusses „ausgebeuteten“Arbeiter und einer unvollständigen Auffassung von den Produktionsfakto-ren sowie ihrer jeweiligen Wertbeiträge. Damit werden Positionen der Klas-sik angegriffen. Die vom Marxismus in den als gesellschaftliche Weiter-entwicklung angesehenen Stufen des Sozialismus und des Kommunismusfür die Betriebe auftretenden Konsequenzen liegen im Verlust der autono-men Entscheidungskompetenzen. Durch extern vorgegebene Pläne sind ihreAktivitäten festgelegt. Darauf wird hier nicht eingegangen, zumal festge-stellt wird, dass die als analytisch bezeichnete Methodik gestört sei durch„the influence of practical purposes, … the influence of passionate valuejudgments, … also by ideological delusion.“263 Als Randnotiz wird festgehal-ten, dass Karl Heinrich Marx (1818 - 1883) und Friedrich Engels (1820 - 1895)als Entdecker des Kapazitätserweiterungseffekts gelten. Der Schriftwechseldarüber wurde 1867 begonnen. Der Effekt stellt sich bei sofortiger Re-Investition der Abschreibungsgegenwerte ein. Später wurde dieser Effekt alsLohmann-Ruchti-Effekt beschrieben und von den beiden genannten Be-triebswirten wiederentdeckt.264

261 Günter Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, Entwicklungstendenzen der Gegenwart,Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 4.A., Stuttgart 1974, Sp. 710-747, hier bes. Sp.713ff.

262 Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 2 Bände,London 1776.

263 Joseph Schumpeter, History of Economic Analysis, Oxford 1954, S. 385.264 Karl Hax, Karl Marx und Friedrich Engels über den ‚Kapazitätserweiterungsef-fekt’, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 10. Jg. N.F., 1958, S. 222-226.

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Die andere Klasse der historischen Schule – mit der erstgenannten gelegent-lich in Auseinandersetzungen verstrickt - ist insofern als empirisch zu be-trachten, als sie – wenigstens gegen Ende des 19. Jahrhunderts - in der Dar-stellung wirtschaftlichen Handelns der Vergangenheit eine Grundlage fürinduktive Schlüsse sieht. Dies wird im schon erwähnten Werturteilsstreitheftig bestritten. Die Vorgehensweise hat, wie oben zu lesen ist, eine langeTradition. Sie führt zugleich zu einer öffentlichkeitswirksamen Aktion: derGründung des Vereins für Socialpolitik im Jahre 1872. Als prominente Ver-treter der Klasse gelten u.a. Gustav Schmoller (1838-1919) und Lujo Brentano(1835-1917). Letzterer tut sich in besonderer Weise mit einem Angriff auf die„Privatwirtschaftslehre“ hervor, der er Interessennahme für Unternehmer inihrem Bestreben nach öder Profitmacherei vorwirft.265 Dem versuchen Hein-rich Nicklisch mit einem aus dem Idealismus heraus geprägten normativenAnspruch an ein humanitäres Unternehmertum266 ebenso entgegen zu tretenwie Eugen Schmalenbach mit der Formel der gemeinwirtschaftlichen Pro-duktivität oder Wirtschaftlichkeit.267 Interessanterweise machen sich Be-triebswirte in dieser Auseinandersetzung nicht die Erkenntnisse von derFunktion der Unternehmergewinne im gesamtwirtschaftlichen Kreislauf zuNutze. Immerhin ist die Kreislaufvorstellung damals schon seit mehr alseinem Jahrhundert bekannt.268

Einen Eindruck von der Argumentationsweise Schmollers vermittelt derfolgende Abschnitt:269

„Die moderne Unternehmung, hauptsächlich der Großbetrieb. Die Fabrik.Wo in den Staaten des klassischen Altertums aus dem Haus- der Berg-werks-, Plantagen-, Fabriksklave wurde, da entstanden große, wesentlichauf Gewinn bedachte Geschäftsbetriebe. Wie Nikias von Athen 1000 Skla-ven in den laurischen Bergwerken hatte, so zählten die sogenannten famili-

Heinz Langen, Einige Bemerkungen zum Lohmann-Ruchti-Effekt, Zeitschrift für Be-triebswirtschaft, 32. Jg., 1962, S. 307-313; Robert Buchner/Jürgen Weinreich, DerEinfluß des Abschreibungsverfahrens auf die Kapazitätsveränderung im Zeitablaufbeim Marx-Engels-Effekt, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 23. Jg. N. F.,1971, S. 454-466.

265 Georg Obst, Hrsg., Kaufmännische Betriebswirtschaftslehre, in: Das Buch desKaufmanns, 7. A., Bd. II, Stuttgart 1928, S. 1-579, hier S. 11f.

266 Besonders in: Heinrich Nicklisch, Der Weg aufwärts! Organisation, Stuttgart 1920.267 Vgl. Eugen Schmalenbach, Dynamische Bilanz, Leipzig 1931.268 François Quesnay, Tableau économique, Versailles 1758/1759.269 Gustav Schmoller, Grundriß der Volkswirthschaftslehre, Erster, größerer Teil, 1. bis 3.Auflage, Leipzig 1900, S. 428f.

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ae reicher römischer Ritter und Freigelassener bis 5, 10, und 20000 Sklaven;es waren halb fürstliche Haushaltungen, halb hart disciplinierte Großun-ternehmungen, welche Handel, Verkehr und Kredit, landwirtschaftlicheund gewerbliche Produktion mit großen Kapitalien und vollendeter Tech-nik zu glänzender Entwicklung brachten, bedeutende Gewinne abwarfen…

Das ganze Mittelalter war von Ähnlichem weit entfernt, wenn auch aufeinzelnen Fronhöfen und in so manchen Klöstern Werk- und Arbeitshäusermit einem Dutzend Arbeiter und mehr sich fanden. … Doch entstehen mitder Renaissancezeit in den großen italienischen Kommunen neben Hand-werk und Hausindustrie große gewerbliche (Betriebe, K.B.), da und dortbeginnen im Norden die größeren Gutsbetriebe; … Aber doch erst im Lau-fe unseres Jahrhunderts, und hauptsächlich seit 1850 hat der Großbetriebeine erheblichere Verbreitung in Westeuropa und in den Vereinigten Staa-ten gefunden. …Wir können so die moderne Geschäftsunternehmung, welche im Großbetriebihre Natur am prägnantesten ausbildet, definieren als die selbständige,von der Familienwirtschaft der Unternehmer, Beamten und Arbeiter äu-ßerlich, lokal losgelöste Geschäftsanstalt, welche nach rein kaufmännischenund technischen Gesichtspunkten angelegt und betrieben, in der Hand desdas Kapital beschaffenden oder besitzenden Unternehmers mit Hülfegeldgelohnter Beamter, Commis, Techniker und Arbeiter einen Zweig desHandels oder der Produktion auf ihre Gefahr übernimmt, für den großenMarkt, oft einem nationalen oder internationalen, arbeitet, aber in ersterLinie einen Gewinn machen will.“

Erstaunlich ist, dass nicht danach gefragt wird, wie man sich die Leitung derGroßbetriebe des Altertums oder der jüngeren Zeit vorstellen sollte. In Fair-ness muss zugleich darauf hingewiesen werden, dass den jeweiligen Kapi-teln Hinweise auf frühere Veröffentlichungen des Autors und weitere Lite-raturhinweise vorangestellt werden. Darin sind auch statistische Angabenenthalten, deren Validität aber kaum einzuschätzen ist. Definitionen werdenmit recht allgemeinem Gültigkeitsanspruch vorgetragen. Dieser Anspruchist bei spezifischen Untersuchungszwecken dann in der Folge nicht immerdurchzuhalten.

Zu (b): Vorläufer einer „empirisch-realistischen“ Richtung ist Johann Hein-rich von Thünen (1783-1850), der mit zehnjährigen realen Versuchen undGedankenexperimenten zu neuem Wissen vordringt. Um die Reinertrags-maximierung des landwirtschaftlichen Gutes zu erreichen, bedient er sich

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der Marginalanalyse.270 Er argumentiert „ceteris paribus“ (das heißt, sich aufeine Einflussgröße konzentrierend und alle anderen gedanklich unveränderthaltend) und mit isolierender Abstraktion. Mit diesen Methodiken undLogik gelingt ihm eine betriebliche Standorttheorie, in der unterschiedlicheLandnutzung um eine als Markt gedachte Stadt herum abgeleitet wird.Später wird man dies in Anlehnung an das dabei entstehende und der Ver-öffentlichung als Grafik beigegebene Bild als „Thünensche Kreise“ bezeich-nen. Auch eine produktivitätsorientierte Lohntheorie wird vorgelegt, dieallerdings auf der Annahme beruht, dass sich Arbeiter einen zinstragendenKapitalstock aufbauen. Auch diese bis heute für die Mehrheit wenig realisti-sche Vorstellung hat die gefundene „Lohnformel“ nicht wirksam werdenlassen. Wie überzeugt ihr Schöpfer von ihr war, belegt, dass er sie auf seinenGrabstein meißeln ließ.

Von Thünen zeigt schon auf der ersten Seite seines Buches, wie ein Modellzu bilden ist. Er abstrahiert von der Realität, die er in späteren Kapiteln mitden aus dem Modell folgenden Überlegungen konfrontiert, führt plausibleAnnahmen ein und zieht auf dieser Grundlage Schlüsse. Das Buch beginntwie folgt:271

„Man denke sich eine sehr große Stadt in der Mitte einer fruchtbaren Ebenegelegen, die von keinem schiffbaren Flusse oder Kanal durchströmt wird.Die Ebene selbst bestehe aus einem durchaus gleichförmigen Boden, derüberall der Kultur fähig ist. In großer Entfernung von der Stadt endige sichdie Ebene in eine unkultivirte Wildniß, wodurch dieser Staat von der übri-gen Welt gänzlich getrennt ist.Die Ebene enthalte weiter keine Städte, als die eine große Stadt, und diesemuß also alle Produkte des Kunstfleißes für das Land liefern, so wie dieStadt einzig von der sie umgebenden Landfläche mit Lebensmitteln ver-sorgt werden kann. Die Bergwerke und Salinen … denken wir uns in derNähe dieser Zentralstadt …Es entsteht nun die Frage: wie wird sich unter diesen Verhältnissen derAckerbau gestalten, und wie wird die größere oder geringere Entfernungvon der Stadt auf den Landbau einwirken, wenn dieser mit höchster Kon-

270 Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd. 4, Geschichte und Methoden der Wirt-schaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 176ff., zeigt, dass Zeitgenossen (vor al-lem Graf Buquoy-de Longeval) ebenfalls marginalanalytisch argumentierten, umErtragsmaxima zu bestimmen.

271 Johann Heinrich von Thünen, Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft undNationalökonomie, oder Untersuchungen über den Einfluß, den die Getreidepreise, derReichthum des Bodens und die Abgaben auf den Ackerbau ausüben, Hamburg 1826(Nachdruck Düsseldorf 1986), S. 1f.

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sequenz betrieben wird.Es ist im Allgemeinen klar, dass in der Nähe der Stadt solche Produktegebauet werden müssen, die im Verhältniß zu ihrem Werth ein großesGewicht haben, oder einen großen Raum einnehmen, oder deren Trans-portkosten nach der Stadt so bedeutend sind, dass sie aus entfernten Ge-genden nicht mehr geliefert werden können; so wie auch solche Produkte,die dem Verderben leicht unterworfen sind und frisch verbraucht werdenmüssen …Aus diesem Grund allein, werden sich um die Stadt ziemlich scharf ge-schiedene konzentrische Kreise bilden, in welchen diese oder jene Gewäch-se das Haupterzeugnis ausmachen.“

In der folgenden Abbildung 35 wird in der oberen Hälfte dieser Gedanke fürden beschriebenen Fall dargestellt, während die untere Hälfte die Annahmeder Erreichbarkeit der Stadt durch einen schiffbaren Fluss erweitert. Vonaußen nach innen gehend sind Viehzucht, Dreifelder-Wirtschaft, Koppel-wirtschaft, Fruchtwechsel-Wirtschaft, Forstwirtschaft und sogen. „freyeWirtschaft“ mit Garten- und Obstbau vorgesehen. In der Mitte liegt dieStadt.

Eine scharfe Analytik tritt als Instrument der Wissensgewinnung hier deut-lich hervor. In ihr verbinden sich Empirie und verallgemeinernde Theorie.Die Forderung von Leibniz, „theoriam cum praxi“ zu vereinen,272 wird da-mit geradezu ideal erfüllt.

Zu (c): Auch die theoretische Richtung hat ihre Vorläufer. Eine aus vierGrundannahmen aufgebaute ökonomische Theorie entwickelt Nassau Willi-am Senior (1790-1864). Daraus werden die Erkenntnisse deduktiv schließendabgeleitet. Von besonderem Interesse sind hier die erste und vierte seinerAnnahmen: die des Strebens nach maximalem Nutzen aller Wirtschaftssub-jekte und die der abnehmenden Grenzerträge.273 Sie bilden eine Grundlagefür folgende Arbeiten, insbesondere denen von Menger.

272 Es wurde das Motto der am 11. Juli 1700 in Berlin begründeten Akademie derWissenschaften (Churfürstlich Brandenburgische Societät der Wissenschaften). Einekurze Darstellung der Bemühungen um die Errichtung der Akademie, Aufgaben,Finanzierungsvorschläge und die schwierigen ersten Jahre in: Eike ChristianHirsch, Der berühmte Herr Leibniz,München 2000, Kapitel 11, bes. S. 406.

273 Nassau William Senior, An Outline of the Science of Political Economy, London 1836(Nachdruck Düsseldorf 2000).

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Darstellung der „Thünenschen Kreise“ (1826)

Als ein weiterer Repräsentant der theoretischen Richtung ist AugustinCournot zu nennen.274 Er entwickelt eine mathematisch formulierte Preis-Absatz-Funktion („loi de la demande ou du débit“275). Er bestimmt das Net-toertragsmaximum eines Unternehmens für den Monopolfall276 und dehntseine Überlegungen auf andere Marktformen aus, vor allem auch auf dasDyopol (unter der Überschrift: „Du concours des producteurs“). Dafür ge-lingt ihm die Bestimmung eines Gleichgewichtspreises. Er unterstellt, dassdie voneinander in ihren Entscheidungen abhängigen Anbieter jeweils da-von ausgehen, der Wettbewerber halte die Angebotsmenge konstant. Unterdieser Annahme wird ein Preis gesucht, der den Gewinn maximiert. DieAnnahme kann sich als unzutreffend erweisen, so dass eine neue Preisbil-dungsrunde ausgelöst wird. Schließlich wird so ein Punkt erreicht, an dembeide Anbieter kein rationales Interesse an weiteren Preisänderungen haben

274 Augustin Cournot, Recherches sur les principes mathématiques de la théorie des riches-ses, Paris 1838 (Nachdruck Düsseldorf 1991).

275 Ebenda, S. 46ff.276 Ebenda, S. 61ff.

Abbildung 35

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können. Es ist in diesem Sinne ein Gleichgewichtspunkt.277 Später zeigt sichin der Spieltheorie, dass das Nash-Gleichgewicht auf dieselbe Lösungführt.278

Um die Bedeutung der Arbeiten von Cournot im Vergleich zu den voraus-gehenden (und etlichen folgenden) zu ermessen, ist hier ein Blick auf dieAbleitung des Gewinnmaximums für den Monopolfall erhellend und aus-reichend. Funktionen und ihre mathematischen Umformungen oder Ablei-tungen werden als neue Methodik genutzt. Die Nachfragefunktion wird F(p)genannt, wobei p der Preis ist. Die Umsatzfunktion ist dann p F(p). Die vonder Menge D abhängige Kostenfunktion lautet (D). Natürlich geht derausgewählten Stelle eine Diskussion der Kurvenverläufe und der Realitäts-nähe der Funktionen voraus. Es folgen Diskussionen von Spezialfällen, wieder Produktionsbeschränkung oder der Wirkung von Steuern. Mit diesenInformationen kann der folgende Text gelesen werden (Abbildung 36).

Cournot über Monopolpreisbildung, 1838

277 Ebenda, S. 112ff.278 John F. Nash, Non-cooperative Games, Annals of Mathematics, Vol. 54, 1951, S. 286-295. ders., Two-Person Cooperative Games, Econometrica, Vol. 21, 1953, S. 128-140.

Abbildung 36-a

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Überblick 6.1

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Cournot über Monopolpreisbildung (Fortsetzung)

Formal weniger mathematisch, gleichwohl logischer Argumentation folgendgeht Carl Menger (1840-1921) vor. 279 Auch seine Modellvorstellungen sollen„ungestört durch nebensächliche Einflüsse sein“280, was den Leser mit be-sonderen Situationen vertraut macht: dem Publikum an Bord eines Ozean-schiffes auf langer Reise einmal mit unterschiedlichen Proviantsvorrätenoder ein anderes Mal ausschließlich mit Schiffszwieback versehen, denHandelsversuchen von zwei Blockhausbesitzern im Urwald oder demTausch von Pferden und Kühen zwischen zwei Bauern, die beide benötigenaber ungleich mit ihnen ausgestattet sind. An diesem Beispiel wird unterVorgabe von Nutzungsgrößen für jede Art von Vieh und jeden der Han-delspartner gezeigt, dass beide ihren Nutzen steigern, wenn sie das Vieh biszum Ausgleich der Grenznutzen austauschen:281

„Diese Grenze ist aber dann erreicht, wenn sich keine Güterquantität mehrim Besitze des einen Contrahenten befindet, die für ihn einen geringeren

279 Carl Menger, Grundsätze der Volkswirthschaftslehre, Wien 1871 (Nachdruck Düssel-dorf 1990).

280 Ebenda, S. 162-281 Ebenda, S. 167f.

Abbildung 36-b

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Werth hätte, als eine Quantität eines anderen in der Verfügung des zweitenContrahenten befindlichen Gutes, während zugleich bei dieser letzterenPerson das umgekehrte Verhältnis der Werthschätzung stattfindet.“

Die „allgemeine Anwendbarkeit“ dieser Marginalanalyse auf ökonomischeProbleme sieht Schumpeter als den ausschlaggebenden Beitrag Mengersan.282

Damit sind die drei Auffassungen der für die Betriebswirtschaftslehre rele-vanten Forschungen charakterisiert und beispielhaft belegt. An der Schwellezum 20. Jahrhundert beginnt nun die sichtbare Institutionalisierung dieserDisziplin auf anspruchsvollerem Niveau als bisher. Allerdings wird dabeizunächst nur verhalten auf die dargestellten Forschungen zurückgegriffen.

6.1.5 Anfänge der Institutionalisierung der Disziplin

Auf Veranlassung seiner Mutter, die ihn zum „Finanzfach“ bestimmt hatte,sollte Alexander von Humboldt an der Handelsakademie von Büsch inHamburg lernen.283 Diese Einrichtung bestand von 1768-1800 und genosseinen guten Ruf. Sie war, neben einem Schwerpunkt in der Geografie, aufdie Kameralwissenschaften ausgerichtet. Das umfasste auch eine Lehre vomGeldumlauf, von „Comptoirgeschäften“ und natürlich von der Buchhal-tung.284 Damit ist eine der kameralistischen Ausbildungsinstitutionen ge-nannt, die eine primär staatswirtschaftlich ausgerichtete Ausbildung anbo-ten. Für die Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre war dies auf Dauerallerdings nicht das förderlichste Umfeld.

Erschwerend war auch, dass im Jahre 1825 Karl Heinrich Rau (1792-1870)die „bürgerliche Wirtschaftslehre“ als Spezialrichtung der Volkswirtschafts-lehre dargestellt hatte, die nicht an den Universitäten gelehrt werden soll-te.285 Diese „Privatökonomie“ gilt als „abstrakt“ und die Volkswirtschafts-

282 Joseph Schumpeter, History of Economic Analysis,New York 1954, S. 912.283 Alexander von Humboldt, Aus meinem Leben. Autobiographische Bekenntnisse. KurtR. Biermann, Hrsg., München 1987, S. 53.

284 Karl Bruhns, Alexander von Humboldt, 1. Bd., Leipzig 1872, S. 108.285 Karl Heinrich Rau, Über die Kameralwissenschaft, Entwicklung ihres Wesens und ihrerTheile, Heidelberg 1825. Von Rau stammt auch die ebenfalls bis heute übliche Ein-teilung der Volkswirtschaftslehre in Volkswirtschaftstheorie, Volkswirtschaftspoli-tik und Finanzwissenschaft. Schumpeters Urteil über Rau und seine Lehrbücher ist

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Überblick 6.1

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lehre nimmt ihr gegenüber einen „höheren Standpunkt“ ein. In dieser Auf-fassung sieht Dieter Schneider eine bis in die heutige Zeit reichende Belas-tung im Verhältnis zwischen den beiden Teildisziplinen der Wirtschaftswis-senschaft.286

Die Lehre an Handelsakademien reicht offenbar in der zweiten Hälfte des19. Jahrhunderts nicht mehr aus, um den Bedürfnissen der Leitung vonUnternehmen zu entsprechen. Dies gilt besonders für die Leitung der ent-standenen großen Industrieunternehmen, der großen Banken und Waren-häuser. Es entstehen deshalb verschiedene Initiativen, die – fast 180 Jahrenach Marpergers Ausführungen in gleicher Richtung – auf eine akademischeBetriebswirtschaftslehre hin arbeiten. Noch aber ist der direkte Weg an dieUniversitäten versperrt, wobei nicht allein die Ausführungen von Rau einHindernis darstellen. Im Ausland bestehen erfolgreich arbeitende Einrich-tungen, die der kaufmännischen Ausbildung dienen.287

Im Jahre 1897 legt Hermann Raydt (1851-1914) im Auftrag der Handels-kammer zu Leipzig eine Denkschrift „Zur Begründung einer Handels-Hochschule in Leipzig“ vor. Der Verfasser ist an einer neu errichteten Han-dels-Lehranstalt tätig. Wie groß die Bedenken oder gar Widerstände waren,ist dem Text an verschiedenen Stellen indirekt zu entnehmen. Ein Kongressam Ort hatte das Bedürfnis unterstrichen, man wollte auf „günstigem Boden… klein anfangen, an Bestehendes anknüpfen“ und flexibel vorgehen. Mitder Universität war gesprochen worden, die Handelskammer versprach eineAusfallbürgschaft und die zuständigen Ministerien mussten für eine Ge-nehmigung gewonnen werden.288 Die Argumentation ist geschickt: Man willklein bleiben und nicht auffallen. Man muss nicht in die Universität einzie-

scharf: ein guter Lehrer mit „common sense, learning and mediocrity“ der Lehrbü-cher schafft als Zusammenfassung von etwas Adam Smith und gelegentlich miss-verstandenem David Ricardo, vielen Tatsachen, der Beseitigung überflüssigenVerwaltungwissens des 18. Jahrhunderts – „just what the future lawyer or civil ser-vant was able and willing to absorb“: History of Economic Analysis, Oxford 1954, S.503 (Fußnote). Ohne die Forderung der Verbannung von der Universität: KarlBernhard Arwed Emminghaus, Allgemeine Gewerkslehre, Berlin 1868; Moritz Wey-ermann/H. Schönitz, Grundlegung und Systematik einer wissenschaftlichen Privatwirt-schaftslehre und ihre Pflege an Universitäten und Fach-Hochschulen, Karlsruhe 1912, S.48ff.; Johann Friedrich Schär, Das Verhältnis von Nationalökonomie zur Privatwirt-schaftslehre in kaufmännischen Betrieben (allgemeine Handelsbetriebslehre), Bank-archiv, 12. Jg., 1912/1913, S. 297ff.

286 Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3. A., 2. Nachdruck, Mün-chen/Wien 1994, S. 113.

287 Hierzu: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd. 4, Geschichte und Methoden derWirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 190ff.

288 Hermann Raydt, Zur Begründung einer Handels-Hochschule in Leipzig, Leipzig 1897(Nachdruck 1991), hier aus dem „Vorwort“ der Denkschrift.

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hen. Die Ausbildung soll etwas Zusätzliches bieten, denn der gut ausgebil-dete und geschätzte „deutsche Kaufmann“ steht vor neuen Herausforde-rungen. Diese Herausforderungen lesen sich, übersetzte man sie in die heu-tige Sprache, wie die Einführung zu einem Kurs im strategischen Manage-ment:289

„…so hat man doch in unserem Handelsstande das Gefühl, dass seineheutige Ausbildung mit den wachsenden Verkehrsverhältnissen, demFortschreiten der industriellen Technik, der immer mehr zunehmendenBedeutung der socialpolitischen Verhältnisse und demimmer schwieriger werdenden Kampfe um das Dasein nicht gleichenSchritt hält. In noch stärkerem Maße empfindet man es im deutschen Han-delsstande als schmerzlich, dass bei der Leitung unseres Staatslebens, imReiche wie in den einzelnen deutschen Staaten, der Einfluss des Kauf-manns ein zu geringer ist. Man hofft beiden Übelständen durch eine nochgediegenere Ausbildung und Erziehung unserer jungen Kaufleute für dieZukunft abhelfen zu können.“

Für eine relativ geringe Anzahl von Kaufleuten, Juristen, Lehrern (für dieWeiterbildung zu Handelslehrern) und pensionierten Offizieren solltenHandelshochschulen errichtet werden. Eine „direkte Angliederung“ an dieUniversität Leipzig wurde in Beratungen ausgeschlossen. Es sollte eineselbständige Organisation entstehen, deren künftige Studenten allerdings zuden „akademischen Vorlesungen der Universität als Hörer zuzulassen“seien. Notwendig sei ein zweijähriger Kursus, der reguläre Studierende undGasthörer ansprechen sollte. Die Aufnahme war für Abiturienten ebensovorgesehen wie für Kaufleute mit abgeschlossener Lehre (die einen Bil-dungsstand nachweisen, der zum einjährig-freiwilligen Militärdienst berech-tigt). Ausländer mit vergleichbarem Bildungsstand konnten ebenfalls aufge-nommen werden. Nach dem Studium besteht die „Berechtigung“ zu einerSchlussprüfung.290

Der Lehrplan sah Veranstaltungen in Volkswirtschaftslehre, Betriebswirt-schaftslehre, Recht, Mathematik, Fremdsprachen und Einführungen in ver-schiedene Techniken (Stenographie, Schreibmaschine) vor. Der betriebswirt-schaftliche Teil beschränkt sich auf Warenkunde, Handelsgeographie, kauf-männisches Rechnen und Buchhaltung. Er umfasst etwa ein Viertel aller

289 Ebenda, S. 1.290 Ebenda, S. 9-13.

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Überblick 6.1

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Lehrveranstaltungsdauern. Das Konzept zielt auf die Vermittlung einesrecht schmalen und wenig ausgebauten betriebswirtschaftlichen Wissens.Die volkswirtschaftlichen Lehrveranstaltungen reflektieren auch nicht denim vorigen Abschnitt skizzierten Wissensstand, etwa in der Preistheorieoder der Marginalanalyse. Sie vermitteln eher institutionelles Wissen, so-weit man das aus den Titeln schließen kann. Von Forschung als Aufgabe derHochschule ist nicht die Rede. Das Programm folgt „kameralistischem Wis-senschaftsverständnis“.291

Das Königliche Ministerium des Innern erlässt am 14. Januar 1898 eine Ver-ordnung, die die Gründung genehmigt, eine Finanzierungszusage von 5.000Mark jährlich gibt und zugleich begründet, dass die Hochschule wegen„gewisse(r) ungünstiger Besonderheiten“ nicht der Universität angeschlos-sen werden soll. Dazu werden die „bekannten Formen studentischer Gesel-ligkeit“, auch wenn sie nur von einer Minderheit gepflegt würden, Bumme-lei trotz übermäßig langer Semesterferien sowie Vertragsbrüche gegenüberHandwerkern gezählt.292 Damit ist der Weg zur Aufnahme des Lehrbetrie-bes frei.293

Im deutschen Sprachraum erfolgen im selben Jahr Gründungen ähnlicherArt in Aachen, St. Gallen und in Wien294, dort mit einem Schwerpunkt aufdem Exportgeschäft. In Philadelphia/Pa war 1881 auf Initiative des Stahlfab-rikanten Joseph Wharton eine Handelshochschule gegründet worden, inChicago/IL bildete sich eine Handelsfakultät, und 1888 wurde am Dart-mouth College in Hanover/NH die Amos Tuck School gegründet. Das zurGründung von Handelshochschulen führende Bildungsbedürfnis ist alsonicht nur in Deutschland gegeben. In der Folgezeit entstehen schnell weitereHandelshochschulen, so dass von einer „Handelshochschul-Bewegung“gesprochen werden kann. Die meisten privaten deutschen Handelshoch-schulen müssen spätestens nach Ende des ersten Weltkrieges aufgeben oder

291 Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3.A., 2. Nachdruck, Mün-chen/Wien 1994, S. 130.

292 Hermann Raydt, Zur Begründung einer Handels-Hochschule in Leipzig, Leipzig 1897(Nachdruck 1991), o.S. (nach S. 16).

293 Eine die Kontroversen in Praxis und Wissenschaft um die Gründung von Han-delshochschulen nicht aussparende Darstellung gibt: Dieter Schneider, Die erstenHandelshochschulen, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Hrsg., Entwicklungen derBetriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stutt-gart 2002, S. 39-59.

294 Karl Oberparleiter, Geschichte der Exportakademie und der Hochschule für Welt-handel, in: 50 Jahre Hochschule für Welthandel in Wien,Wien 1948, S. 5-12. Über Han-delshochschulen in einer Vielzahl von Ländern wird in den Bänden 2 (S. 1557-1599)und 3 (S. 1-55) des Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Stuttgart 1926/1927, berich-tet.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

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in staatliche Einrichtungen eingegliedert werden: „Defeat and inflation en-ded wealth and weakened the willingness, and capacity, of firms to maintainthe business schools financially.“295

Langsam ändern sich in der Folgezeit die Vorstellungen über die Akzeptanzder Betriebswirtschaftslehre an Universitäten.296 In Deutschland wie in denUSA gibt es an den Universitäten Vorbehalte gegen das Fach. Auf die deut-sche Situation wird im Abschnitt 6.1.6 zurückzukommen sein. In den USAwendet sich Thorstein Veblen (1857-1929) gegen das Fach, weil es auf leichteweise Mittel und Wege zum persönlichen Nutzen fördere.297 Die UniversitätZürich richtet dagegen 1903 den ersten Universitätslehrstuhl für Betriebs-wirtschaftslehre ein. Er wird durch Johann Friedrich Schär (1846-1924) be-setzt. Der Gastwirt und Exporthändler legt die Lehramtsprüfung am Lehrer-seminar in Bern ab, wird Schulleiter in Biel und von 1892 bis 1903 Handels-schullehrer in Basel. Von dort wird er an die Universität Zürich berufen, vonwo er 1906 an die Handelshochschule in Berlin wechselt. Hier wird alsonoch keine fachspezifische akademische Karriere nachgewiesen. SolcheNachweise beginnen aber etwa zeitgleich aufzutreten. Eugen Schmalenbachwurde 1903 habilitiert; er gilt als der erste in seinem Fach habilitierte. ImJahre 1906 wird er berufen.

Neben der Professionalisierung der Karrieren in der Betriebswirtschaftslehresteht die Entwicklung des Objekts der Disziplin. Die Veränderungsge-schwindigkeit kann ermessen werden, wenn man den Studienplanentwurfvon Raydt mit einem Entwurf von Schär vergleicht, der nur 13 Jahre späterveröffentlicht wird.298 Hierin wird eine deutlich veränderte Vorstellung derHandelshochschulen entworfen. Nicht Berufsfertigkeit, sondern Berufsfä-higkeit soll das Ausbildungsziel sein (und so steht es bis heute in einer Viel-zahl universitärer Prüfungsordnungen). Die Praxis muss eine theoretischeGrundlage erhalten. Die folgenden Auszüge zeigen den Wandel:299

295 Horst Albach, Business Administration: History in German Speaking Countries,in: Handbook of German Business Management, Vol. 1, Stuttgart et al. 1990, Sp. 246-270.

296 Die emotionale und boshafte Ablehnung von Max Weber muss hier nicht wieder-holt werden. Vgl. Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Me-thoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 193, mit Fußnote 346.

297 Thorstein Veblen, The Higher Learning in America: A Memorandum on the Conduct ofUniversities by Business Men, New York 1918.

298 Johann Friedrich Schär, Allgemeine Handelsbetriebslehre, I. Band, Leipzig 1911.299 Ebenda, S. 14ff.

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Überblick 6.1

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„Nach wie vor wird der Weg zu hohen und höchsten Stellen im kaufmän-nischen Beruf durch die Praxis hindurchgehen müssen; … Allein das zu-gegeben, ist auch das andere unzweifelhaft richtig …, dass die praktischeHandelslehre allein durchaus ungenügend ist … Überhaupt ist es im Zeit-alter der Erfindungen und des Fortschritts nicht mehr angängig, einenunüberbrückbaren Gegensatz zwischen Theorie und Praxis zu konstruie-ren … Praxis (ist) eben nichts anderes als angewandte Theorie, und dieTheorie nur die abstrakte Praxis. Ja noch mehr, dass die Praxis ihre Haupt-fortschritte der Theorie verdankt. … Die Wissenschaft ist es eben, die hierdie besten Betriebsmethoden an die jungen Generationen überliefert, sieprüft, systematisiert, ausbaut und verbessert. Ganz dasselbe muß mit demHandelsbetrieb geschehen. Bleibt er nach alter Väter Sitte ein Geschäftsge-heimnis der Prinzipale … so geht dies auch mit dem Tode des Trägersverloren.“

Die skizzierten Aufgaben der Handelswissenschaft sollen besonders durchHandelshochschulen wahrgenommen werden. Dazu ist ein „vollständigesLehrgebäude“ zu entwerfen. Der kurze Abschnitt zeigt aber auch For-schungsaufgaben auf. Das ist im Vergleich zur Raydt’schen Denkschrift neu.Lehre und Forschung verfolgen „im Gegensatz zur Nationalökonomie pri-vatökonomisch“300 orientierte Zwecke. Das rechtfertige besondere Einrich-tungen oder eine besondere Stellung in einer Universität.

Die Gliederung des Lehrprogramms wird in der folgenden Abbildung 37zusammengefasst. Der Überblick über das Lehrprogramm auf den oberstenEbenen ist nicht numerisch auszuwerten, weil Schär den einzelnen „Fä-chern“ keine Unterrichtsstunden zuordnet und von einer Gleichverteilungnicht auszugehen ist. Die Bezeichnungen bedürfen keiner besonderen Erläu-terung.

300 Ebenda, S. 18.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

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Ein Unterrichtskonzept für die Betriebswirtschaftslehre von Schär, 1914

So wie in dem Element „Allgemeine Betriebslehre“ dargestellt, ist in jedemder Kästen auf dieser Ebene eine Menge von etwa drei unterschiedlichen„Fächern“, also Lehrveranstaltungen, zu veranschlagen. Die Zusätze inKlammern (außer in dem soeben genannten Falle) wurden erläuternd hin-zugefügt. Die Hervorhebung von Branchenbetriebslehren deutet auf Spezia-lisierungen in der Disziplin hin. Erst wesentlich später werden sie durchFunktionsspezialisierungen (Finanzen, Produktion, Marketing usw.) odersituative Spezialisierungen (Gründung, Familienbetriebe usw.) abgelöstoder ergänzt. Den Branchenspezialisierungen entsprechend entstehen Lehr-bücher, die teilweise über weitere drei oder vier Generationen zum festen

Abbildung 37

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Überblick 6.1

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Bestand des Unterrichtsmaterials zählen.301 An 36 Handelshochschulen oderUniversitäten gibt es bis zum Jahre 1929 ein betriebswirtschaftliches Lehran-gebot,302 allerdings nicht in allen Fällen auch einen Studiengang.

Die Entwicklung der Handelshochschulen ermöglicht es, dass sie 1922 dasPromotionsrecht erlangen. So können sie endgültig zu den Universitätenaufschließen. Vorausgegangen ist dem die Gründung eines ersten For-schungsinstituts an der Handelshochschule in Mannheim durch HeinrichNicklisch. Es trägt die umständliche, aber einen sehr weiten Anspruch be-gründende Bezeichnung „Betriebswissenschaftliches Institut für Forschungen aufdem Gebiet des Betriebslebens“.

Über die wachsende Anzahl betriebswirtschaftlicher Professoren, derenAusbildung im Laufe der Zeit auch immer häufiger den akademischenNormen entspricht, macht u.a. Bellinger Angaben, die in der folgendenTabelle 1 zusammengefasst werden.303

Entwicklung der Anzahl der Professoren der Betriebswirtschaftslehre in Deutsch-land, 1910 – 1938

Jahr 1910 1920 1923 1925 1926 1931 1938

Anzahl 10* 6 14 23 32 29 34*/26

*) einschl. hauptamtlichen Dozenten

Ein weiteres Indiz für die Institutionalisierung einer Disziplin ist das Entste-hen wissenschaftlicher Fachzeitschriften. Im Jahre 1906 gründet EugenSchmalenbach die „Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung“, dieheute „Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung“ heißt. Weitere Zeit-schriften folgen: 1907 erfolgt die Gründung der „Zeitschrift für Handelswis-

301 Ein markantes Beispiel bietet: Georg Obst, Lehrbuch des Geld-, Bank- und Börsenwe-sens. Ein Handbuch für Handels- und Fortbildungsschulen sowie zur Selbstbelehrung.Stuttgart 1900. Das Werk erscheint bis heute, natürlich von anderen Wissenschaft-lern betreut, und erreichte im Jahre 2007 die 40. Auflage.

302 Fritz Klein-Blenkers/Frank Deges/Ralf Hartwig, Gesamtübersicht über die Hochschul-lehrer der Betriebswirtschaft in der Zeit von 1898-1955, Köln 1992, S. 35ff.

303 Bernhard Bellinger, Geschichte der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1967, S. 98.Biographische Angaben finden sich in: Fritz Klein-Blenkers/Frank Deges/RalfHartwig, Gesamtübersicht über die Hochschullehrer der Betriebswirtschaft in der Zeit von1898-1955, Köln 1992. Ihre Auszählung führt zu leicht abweichenden Zahlen.

Tabelle 1

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senschaft und Handelspraxis“ durch die Betriebswirte H. Rehm, G. Obst, A.Schmid und Heinrich Nicklisch. Sie wird 1930 in „Die Betriebswirtschaft“umbenannt, der Name, unter dem sie heute wieder erscheint. Im Jahre 1924wird die „Zeitschrift für Betriebswirtschaft“ durch Fritz Schmidt gegründet.Die Jahrgangszählungen der Zeitschriften offenbaren, dass sie während deszweiten Weltkrieges ihr Erscheinen unterbrechen mussten. Neben den Zeit-schriften muss eine enzyklopädische Ordnung des Wissens erfolgen. DemBedürfnis nach solchen überblicksartigen Gesamtdarstellungen der Diszip-lin wird durch die Herausgabe eines „Handwörterbuch der Betriebswirtschaft“entsprochen (Abbildung 38). Wiederum ist es Heinrich Nicklisch, der dieAufgabe des Herausgebers übernimmt und das Erscheinen in den Jahren1926 bis 1928 ermöglicht.

Erste Auflage des „Handwörterbuch für Betriebswirtschaft“, 1926

Zur Institutionalisierung gehört auch die Bildung von Fachgesellschaften.Auch dafür gibt es in der hier betrachteten Zeit markante Beispiele. Im Jahre1905 wird der „Verband der Inhaber deutscher Handelshochschuldiplome“ ge-gründet, der heute als „Bundesverband der Volks- und Betriebswirte“ tätig ist.Im Jahre 1921 folgt den seit 1914 regelmäßigen Zusammenkünften zu Pfings-ten die Gründung des „Verband der Dozenten für Betriebswirtschaftslehre andeutschen Hochschulen“. Diese Gründung wird von Heinrich Nicklisch, ErnstPape und Fritz Schmidt betrieben. Heinrich Nicklisch, Eugen Schmalenbach

Abbildung 38

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Überblick 6.1

155

und Fritz Schmidt bilden bis 1933 den Vorstand. Dann lässt der Verbandseine Tätigkeit ruhen. Nach einer Tagung in Frankfurt 1948 erfolgt eineWiederbegründung. Heute heißt die Vereinigung „Verband der Hochschulleh-rer für Betriebswirtschaft“.304 Er hat im Jahre 2007 fast 1.600 Mitglieder, istüberall präsent, wo deutschsprachige Betriebswirte lehren oder forschen,und ist Gründungsmitglied der „International Federation of Scholary Associati-ons in Management“. Sie wurde 1990 in Frankfurt gegründet.305

Insgesamt kann man feststellen, dass sich die Disziplin institutionalisiertund damit ein weiteres Merkmal einer Wissenschaft erfüllt.

6.1.6 Die umstrittene Bezeichnung der Disziplin

Die Institutionalisierung der Disziplin (Abschnitt 6.1.5) hat allerdings nichtzur Folge, dass sie sofort auch unter einer von allen ihren Mitgliedern akzep-tierten Bezeichnung auftreten kann. Tatsächlich wird über den Namen in-tensiv gestritten.

Die Debatte über die Wertfreiheit einerseits und die Bestimmung des Er-kenntnisobjekts andererseits läuft zeitgleich zu den ersten Schritten zurInstitutionalisierung der Disziplin ab. In einem Satz werden wesentlicheAlternativen von Erich Kosiol (1899-1990) zusammengefasst: „Von der be-scheidenen Umschreibung als Handelstechnik und der ironischen Hinnah-me des diffamierenden Vorwurfs einer wissenschaftlichen Kunstlehre gehtder suchende Weg des Forschergeistes über die Überwindung der zu engumrissenen Handelswissenschaft oder Handelsbetriebslehre und der schiefformulierten Antithese einer eigennützig ausgerichteten Privatwirtschafts-lehre hinweg bis zur umfassenden Sinngebung des Faches als Betriebswirt-schaftslehre.“306 Mit dem Begriff der Kunstlehre wird ein Vorstoß von EugenSchmalenbach aufgenommen.307 Er spricht sich für eine technologische Aus-richtung der Disziplin aus und gegen einen Typ von Wissenschaft, der aufdie Ableitung von „Verfahrensregeln“ verzichtet. Für die Kunstlehre wirdPraxisorientierung und Praxisbewährung gefordert. Sie ist eine von dreiMöglichkeiten, ein Gewerbe zu erlernen: handwerksmäßig, kunstmäßig

304 Vgl. www.v-h-b.de, Abfrage 20.2.2008.305 Vgl. www.ifsam.org, Abfrage 20.2.2008.306 Erich Kosiol,Wegbereiter der Betriebswirtschaftslehre, Berlin/Stuttgart 1950, S. 2.307 Eugen Schmalenbach, Die Privatwirtschaftslehre als Kunstlehre, Zeitschrift fürhandelswissenschaftliche Forschung, 6. Jg., 1911/1912, S. 304-316.

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oder wissenschaftlich.308 Das kennzeichnet vor allem im Gegensatz „wissen-schaftlich“ und „kunstmäßig“ 100 Jahre früher die Positionen. Freilich ist esnicht trivial, erklärende Theorien der Wissenschaft von gestaltenden Tech-nologien der Kunstlehre zu unterscheiden.309

Die Auseinandersetzung über die Benennung hinterlässt auch in Buchtitelnnachvollziehbare Spuren. Heinrich Nicklisch veröffentlicht 1920 vier Aufla-gen von „Allgemeine kaufmännische Betriebslehre als Privatwirtschaftslehre desHandels (und der Industrie)“. Dem schließen sich 1922 und 1925 zwei Aufla-gen unter dem Titel „Wirtschaftliche Betriebslehre“ an. Die 7. Auflage erscheint1932 dann unter dem Titel „Die Betriebswirtschaft“. An anderer Stelle wirdberichtet, dass Eugen Schmalenbach sich erstmals 1919 als Professor derBetriebswirtschaftslehre bezeichnet habe. Dies sei erfolgt, nachdem keineEinigung auf den Namen der Disziplin zu erzielen gewesen sei. Schmalen-bachs Meinung nach müsse das Fach von gemeinwirtschaftlichen Einstel-lungen beherrscht werden, was den Begriff der Privatwirtschaftslehre aus-schließe.310 Damit wird aber nur eine Front der Auseinandersetzung ange-sprochen. Die zweite Front betrifft die angemessene Abgrenzung desForschungsobjekts. Hier spielt unter anderem die Abgrenzung von Betriebund Unternehmen eine Rolle (vgl. auch Abschnitt 4.1).

„Gegenstand (des Buches, K.B.) sind ausschließlich die privaten Erwerbs-wirtschaften, insbesondere die Unternehmung, die man allenfalls als einebesondere Art von Betrieb, nämlich als erwerbsorientierten Betrieb, bezeich-nen kann“,311 schreibt Wilhelm Rieger (1878-1971) (Abbildung 40). In derfolgenden Abbildung 39 wird dargestellt, dass Unternehmungen bei Riegerals risikotragende Erwerbswirtschaften angesehen werden, die in einerGeldwirtschaft operieren. Sie sind in eine „geordnete Reihe“312 wirtschaftli-cher Objekte gestellt. Diese hat die Elemente Betrieb, Unternehmung,Volkswirtschaft und Weltwirtschaft. Vom Begriff des „Wirtschaftens“ aus-gehend stellt Rieger fest, dass die Fachbezeichnung „Betriebswirtschaftsleh-re“ schon deshalb zu eng sei, weil „… Betriebe an sich überhaupt keinewirtschaftlichen Größen sind, dass sie im eigentlichen Sinne gar nicht wirt-schaften. Vielmehr wird mit ihnen gewirtschaftet: sie sind Objekt, aber nichtSubjekt irgendeiner Wirtschaft. Sie sind rein technische Institutionen und

308 Albrecht Daniel Thaer, Grundsätze der rationellen Landwirthschaft, 1. und 2. Band,Berlin 1809, S. 3f.

309 Vgl. Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4: Geschichte und Methoden derWirtschaftswissenschaften,München/Wien 2001, S. 306ff.

310 Vgl. Sönke Hundt, Zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre, Köln 1977, S. 47,Fn. 1.

311 Wilhelm Rieger, Einführung in die Privatwirtschaftslehre, Nürnberg 1928, S. 32.312 Ebenda, S. 32.

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Überblick 6.1

157

bedürfen einer übergeordneten Instanz, einer wirtschaftlichen Idee, der sieeingegliedert werden müssen, damit man sie als Wirtschaftseinheiten an-sprechen kann.“ 313

Gegenstand der Privatwirtschaftslehre nach Rieger, 1928

Mit der Charakterisierung der „auf Gewinnerzielung“ ausgerichteten Un-ternehmungen wird das Wertfreiheitsproblem berührt (Abschnitt 2.2.4). DieAblehnung des Begriffs „Privatwirtschaftslehre“ wird nämlich darin gese-hen, dass man deutlich zu erkennen geben wollte, von einer „Profitlehre“abzurücken. Eine umfangreiche Auseinandersetzung widmet sich deshalbder Frage, ob die Gewinnorientierung normativ oder deskriptiv zu verste-hen sei. Selbst die ethischen Aspekte, die bei Thomas von Aquin, MartinLuther und Paul Jacob Marperger schon eine Rolle spielten, werden hierwieder aufgegriffen. Ein umfangreicher Auszug soll die Positionen vonWilhelm Rieger verdeutlichen:314

„Daß die Privatwirtschaftslehre die Unternehmung in den Mittelpunktihrer Betrachtungen stellt, dass sie ferner zugibt, dass der Unternehmernach Gewinn streben muß, und dass sie endlich die Unmöglichkeit be-kennt, ihm dabei Grenzen zu setzen, hat ihr den Vorwurf eingetragen, dasssie eine Profitlehre sei: Privatwirtschaftslehre ist die Lehre von der Kunst

313 Ebenda, S. 32.314 Ebenda, S. 72ff.

Abbildung 39

Verbrauchswirtschaft("Haushalt")

nichtrisikotragend

auf Gewinnerzielungausgerichtet:Unternehmung

nicht auf Gewinnerzielungausgerichtet

risikotragend

Geldwirtschaft Naturalwirtschaft

(private)Erwerbswirtschaft

Einzelwirtschaft

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(sic! K.B.), wie man Gewinne macht.Die Privatwirtschaftslehre … hat zu zeigen, was eine Unternehmung ist,was dort vorgeht. … Keineswegs ist es das Gewinnstreben an sich, was dieUnternehmung für uns so interessant macht, sondern die Tatsache, dasswir in ihr ein höchst wichtiges und charakteristisches Glied der arbeitstei-ligen Wirtschaft vor uns haben …Wenn nun in der Unternehmung nach Gewinn gestrebt wird, so muß diePrivatwirtschaftslehre dies sagen, sie ginge ja sonst am Leben vorbei …Denn um des Ertrags willen – so behaupten wir - werden die Unterneh-mungen gegründet und nach dem Ertrag müssen sie in ihrer Führungausgerichtet werden, wenn anders sie bestehen wollen.Ob die Privatwirtschaftslehre damit ihre Jünger zum Gewinnmachenertüchtigt, erscheint trotzdem recht zweifelhaft. Was sie will, ist jedenfallsein anderes: sie versucht, Erkenntnis zu vermitteln über das, was wir Wirt-schaft nennen; sie will nicht Anleitung und Rezept zum praktischen Han-deln geben; sie will auch nicht Wirtschaftsführer oder Unternehmer aus-bilden, überläßt es vielmehr ganz dem Studierenden, was er mit der ge-wonnenen Einsicht in das Wirtschaftsleben anfangen will. Es ist ganz undgar nicht ausgeschlossenen, dass angehende Vertreter von Arbeitgebernebenso zu ihren Füßen sitzen wie zukünftige Gewerkschaftsführer. …Aberdie Privatwirtschaftslehre ist hier in einer äußerst günstigen Position (imVergleich zu den Vertretern der Betriebswirtschaftslehre, K.B.). Da sie nurbeabsichtigt, eineBeschreibung unserer Wirtschaft zu geben … kann sie über alles, auch überdas Profitstreben, mit völliger Harmlosigkeit und Unbefangenheit spre-chen. Es wird ja niemandem der Rat erteilt, Unternehmer zu werden undnach Gewinn zustreben …Wenn sich aus den dargelegten Gründen diePrivatwirtschaftslehre frei weiß von dem Verdacht des Profitstrebens, soscheint es doch angebracht, die Frage aufzuwerfen, warum denn das Ge-winnstreben vielfach als etwas Entehrendes angesehen wird, und zwargerade beim Kaufmann. Bei anderen Berufen ist man merkwürdigerweisenicht so empfindlich. Niemand wirft es einem Künstler vor, obwohl es dortfast noch befremdlicher ist, sieht man es als eine Selbstverständlichkeit an,dass die Prominenten recht ansehnliche Gagen beziehen und auch gele-gentlich wacker darum kämpfen. Auch findet man es ganz in Ordnung,dass ein bedeutender Arzt, ein vielbeschäftigter Anwalt hohe Einkünftebeziehen. Woher diese andere Einstellung gegenüber dem Unternehmer?Ja, wendet man ein, jene verdienen es durch angestrengte Arbeit. – Schön,und der Kaufmann? – Da drängen sich unwillkürlich die Vorstellungenvon mühelosen Spekulationsgewinnen, von unlauteren Manipulationenund Kniffen aller Art auf: er macht Profit und beutet seine Volksgenossenaus.Endlich muß noch die Vorstellung bekämpft werden, als ob das Streben

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Überblick 6.1

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nach Gewinn keinen Raum ließe für redliches Handeln …“

Professor Dr. Dr. h. c. mult. Wilhelm Rieger (1878 – 1971)

Es wird hier deutlich, dass es Wilhelm Rieger um eine Theorie der Unter-nehmung geht. Wenn hierbei an einigen Stellen durch das Wort „muß“ imZusammenhang mit dem Ziel der Gewinnerzielung eine Norm vorgegebenscheint, so ist dabei auf die „geordnete Reihe“ zu achten: die Unternehmungist in eine wettbewerbliche Volkswirtschaft oder Weltwirtschaft gestellt.Risikoübernahme erzwingt die Anlage von Sicherheitsreserven und beiAnnäherung an perfekte Märkte ist ohnehin der Gewinn von Null nur dannzu sichern, wenn die Gewinnmaximierung angestrebt wird. Die Frage nacheiner Exzesse kontrollierenden Wirtschaftsordnung ist Rieger sicher be-wusst, aber noch nicht im Sinne einer „sozialen Marktwirtschaft“ beantwor-tet. Ganz deutlich wird wenig später auch herausgearbeitet, dass es keineLehre eines „objektiven“ Rezepts zur Gewinnmaximierung geben könne,weil viele Unternehmen es aufgreifen könnten und dann die Gewinne weg-konkurriert würden. Auch hier steht die Vorstellung der wettbewerblichenMarktordnung im Hintergrund.

Abbildung 40

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Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass der Gegner in der Auseinan-dersetzung nicht nur der Marxismus oder Sozialismus ist315, sondern auchSchmalenbach (Abbildung 41). Letzteres ergibt sich explizit, sowie implizitaus dem fein eingestreuten Begriff der „Kunst“ im obigen Text. Dessen Kon-zept der „gemeinwirtschaftlichen Wirtschaftlichkeit“ fällt in vollkommenenMärkten notwendig auf die Gewinnmaximierung zurück. Darüber hinausgibt es den „Idealisten“ und den „Realisten“ in Schmalenbach, der den nut-zenmaximierenden Unternehmer im Blick hat.316 In der Zeit nach dem 2.Weltkrieg lernt man den wertfrei argumentierenden Schmalenbach kennen:„Zweifellos geht es den meisten Kaufleuten, wenn sie eine Gewinnrechnungaufmachen, darum zu wissen, was sie verdient haben. Das ist begreiflichund nicht zu tadeln; in der freien Wirtschaft ist es ein Pfeiler der Wirt-schaftsorganisation. Aber uns interessiert dies nicht. Der für uns wesentlicheZweck der kaufmännischen Gewinnrechnung ist die Nötigung, den Erfolgdes kaufmännischen Betriebes zum Zwecke richtiger Betriebssteuerung festzu-stellen.“317 Das ist ein großer Unterschied zum „Betriebswirtschaftler dieserRichtung … als Staatswirtschaftler“, den „der Betrieb als privatwirtschaftli-che Erwerbsanstalt“ im Jahre 1931 nach eigenem Bekunden nicht fesselt.318

Wie gut auch immer die Argumente Riegers sein mögen: das Ergebnis derAuseinandersetzung ist, dass die Disziplin den Namen „Betriebswirtschafts-lehre“ angenommen und in der Folge geführt hat. Dazu trug bei, dass dieHandelshochschule in Köln unter Schmalenbachs Einfluss diese Bezeich-nung wählte. Die Beschränkung der Benennung der jungen Disziplin aufHandelsbetriebe in einer zunehmend industrialisierten Welt erschien zu eng.Eine Interpretation des Begriffs im Sinne Theorie des Handelns auf derGrundlage rationaler Entscheidungen gelingt auch nicht.319 Auch „Einzel-wirtschaftslehre“ bot keine akzeptierte Alternative. Die Erbitterung, mit derdie Kontroverse um die Fachbenennung geführt wurde, ist auch daran zuerkennen, dass Wilhelm Rieger die Aufnahme in den „Verband der Dozen-ten an deutschen Handelshochschulen“ verweigert wird und er die ihm 1957angetragene Ehrenmitgliedschaft der Nachfolgeorganisation zunächst ab-

315 Das wird in der feinen Anspielung Riegers deutlich, man könne mit es gleicherGelassenheit beschreiben, „wenn wir einmal zu einer veredelten“ solchen Form„übergegangen“ seien (ebenda, S. 73). Die Auseinandersetzung richtet sich auchgegen sogenannte „Kathedersozialisten“. Lujo Brentano, Privatwirtschaftslehre undVolkswirtschaftslehre, Bankarchiv, 1912/1913, 12/S. 1-6

316 Günter Wöhe, Betriebswirtschaftslehre, Entwicklungstendenzen der Gegenwart,Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 4.A., Stuttgart 1974, Sp. 710-747, hier Sp. 714.

317 Eugen Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 10.A., Bremen-Horn et al. 1948, S. 14f.318 Eugen Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 5.A., Leipzig 1931, S. 94f.319 Diese Idee hat Helmut Koch entwickelt: Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft vomHandeln, Tübingen 1975.

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Überblick 6.1

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lehnt.320 Der Name „Betriebswirtschaftslehre“ hat Geschichte321 und eröffne-te leichter als „Privatwirtschaftslehre“ den Zugang zur Politikberatung.

Professor Dr.Dr. h. c. mult. Eugen Schmalenbach (1873 – 1955)

Nicht nur die Benennung einer Disziplin hat Signalcharakter. Auch die Ent-wicklung einer disziplinspezifischen Sprache trägt zu ihrem Selbstverständ-nis bei. Beispielsweise sind die bei Schmalenbach entwickelten Definitionenund Unterscheidungen von Kosten, Ausgabe und Aufwand einerseits sowieLeistung, Einnahme und Ertrag andererseits322 für die Entwicklung desRechnungswesens von hoher Bedeutung. Wegen der hervortretenden Be-

320 Wilhelm Hasenack, Wilhelm Rieger, der Schöpfer einer geschlossenen ‚Privatwirt-schaftslehre’, 80 Jahre alt, Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 1958, S. 129 –142.

321 Eduard Baumstark, Kameralistische Encyclopädie, Heidelberg/Leipzig 1835, S. 39.322 Eugen Schmalenbach, Kostenrechnung und Preispolitik, 8.A., Köln/Opladen 1963, S.6ff. Dort wird auch auf die historischen Entwicklungsschritte der Begriffe kurz hin-gewiesen.

Abbildung 41

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deutung des Rechnungswesens in den ersten Jahren der wissenschaftlichenEntwicklung der Disziplin gilt dies darüber hinaus auch für diese selbst. Derin den Anfangsjahren noch verwendete Begriff der „Unkosten“323 wird dabeiüberwunden. Zusammensetzungen wie der noch täglich außerhalb derFachliteratur anzutreffende Ausdruck „Kostenaufwand“ kommen erst garnicht vor.

6.1.7 Schwerpunkte betriebswirtschaftlichenPublizierens bis 1933

Die Hinweise von Erich Gutenberg, mit welchen Themen die Betriebswirt-schaftslehre in der hier betrachteten Zeit „zu sich selbst gefunden“ habe,sind von deutlich erkennbar exemplarischem Charakter. Einer der Wege zueinem Überblick über die Schwerpunkte der Forschung, deren Ergebnissesich in der Regel in Publikationen niederschlagen, führt zur quantitativenAuswertung der Aufsatztitel in Fachzeitschriften. Auch das ist nur ein Indiz.Es werden nämlich darüber hinaus Forschungsergebnisse in Monographienfestgehalten. Das wird früher sogar mehr ins Gewicht gefallen sein als heute.Heute nämlich ist die Veröffentlichung von Aufsätzen vermutlich bedeut-samer zur Verbreitung wissenschaftlicher Ideen als früher. Dies mag einer-seits mit der der Veröffentlichung in den respektierten Zeitschriften voran-gehenden Prüfung durch „peers“ zusammenhängen und andererseits mitder zumindest vermuteten größeren Schnelligkeit neue Erkenntnisse imWettbewerb der Ideen durch Aufsätze zu präsentieren. Die Titel könnenaußerdem missweisend sein. Die Auswahl der Fachzeitschriften kann au-ßerdem zu einem systematischen Fehler führen. Dieser ist allerdings in derFrühzeit der Entwicklung weniger zu befürchten als später, als die Disziplinstark aufgespaltet ist. Trotz solcher Vorbehalte werfen wir einen Blick aufdie in der „Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung“ seit ihrer Grün-dung bis einschließlich 1932 erschienenen Beiträge.324 Die Sachgebietsgliede-rung der Zeitschrift wird hier nach neuerem Verständnis umgestellt. Nichterfasst werden 208 Beiträge, die sich spezifischen Branchenproblemen wid-men. Sie berühren dabei aber Funktionsbereiche, die im Folgenden aufge-führt sind. So verbleiben 654 Beiträge.

323 Georg Obst, Kaufmännische Betriebslehre, in: ders., Hrsg., Das Buch des Kauf-manns, Bd. II, Stuttgart 1928, hier S. 120ff.; Eugen Schmalenbach, Unkostenbücher,Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 6. Jg., 1913, S. 156.

324 Sonderhefte bleiben unberücksichtigt. Die Auswertung beruht auf den Angabender Zeitschrift im Jahre 1935. Ausgeschlossen sind durch die Redaktion „unbedeu-tende“ oder frühere Fassungen später aktualisierter Beiträge.

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Überblick 6.1

163

Schwerpunkte betriebswirtschaftlichen Publizierens in der ZfhF bis 1932

Gebiet Anteil(%)

Rechnungswesen und Schriftenverwaltung 46,4Finanzen ( einschl. Kapitalwirtschaft, Kreditschutz, Geld- undKapitalverkehr)

29,5

Materialwirtschaft und Logistik (Lagerung, Versand, Verkehrs-technik)

8,7

Personalwirtschaft (einschl. Lohnfindung) 3,7Revisions- und Treuhandwesen 2,8Grundlagen und Allgemeine Fragen (auch Geschichte, ohneGeschichte des Rechnungswesens)

2,6

Absatzwirtschaft (Propaganda, Preisstellung, Geschäftsbedin-gungen)

2,5

Organisation (Gesamtordnung des Betriebs) 0,6Investition (Anlagenwirtschaft) 0,5Sonstiges (z.B. Nachrichtenverkehr) 3,2Summe (mit Rundungsfehler) 100,5

Sofort fällt auf, dass „Rechnungswesen und Schriftenverwaltung“ mit – hiernicht erwähnten - 14 Unterpunkten den größten Raum einnimmt. Tatsäch-lich sind diesem Gebiet 46 % aller Beiträge zuzuordnen. Es stellt denSchwerpunkt der betriebswirtschaftlichen Forschung dieser Zeit dar. DerBereich umfasst zunächst die Diskussion der verschiedenen Bilanztheorien.Dabei ist der Zweck der Bilanz (Vermögensübersicht oder Gewinnermitt-lung?) ebenso in der Diskussion wie die unterschiedlichen Bewertungsme-thoden für Aktiva und Passiva. Daraus wurde oben schon im Anschluss anGutenberg hingewiesen. Der Bereich umfasst aber auch die Kostenrechnungals Grundlage der Kalkulation sowie die Kostentheorie. In deren Rahmenwird nicht nur das Problem der Kosteneinflussgrößen aufgegriffen, sondernauch die Bedeutung der fixen Kosten herausgearbeitet. Das führt bis zu derpessimistischen Sicht, aus zunehmenden Fixkostenanteilen an den Gesamt-kosten (die trotz anderer Erfahrungen mit verschiedenen Formen des techni-schen Fortschritts als gegeben angenommen werden) auf eine angeblichnotwendige Entwicklung zu einer Planwirtschaft zu schließen.325

325 Eugen Schmalenbach, Die Betriebswirtschaftslehre an der Schwelle der neuenWirtschaftsverfassung, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 25. Jg., 1928,S. 241-251. Eine knappe Kritik formuliert: Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirt-schaftslehre, 3.A:, 2. Nachdruck, München/Wien 1994, S. 143f.

Tabelle 2

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

164

Der Bereich der Kapitalwirtschaft der Unternehmen ist am zweithäufigstenzum Gegenstand von Veröffentlichungen geworden. Das ist nicht weitererstaunlich, wenn man an die Problemstellungen der fraglichen Zeitperiodedenkt. Erstaunlich sind einerseits eher die vergleichsweise hohe Bedeutungvon inner- und außerbetrieblichen Logistikthemen sowie andererseits diegeringe Häufigkeit von Absatzfragen, Organisationsproblemen (vgl. dazuAbschnitt 6.1.9) und Investitionsfragen. Bei letzteren ist allerdings zu be-rücksichtigen, dass die Behandlung von Abschreibungen dem Rechnungs-wesen zugewiesen sind.

Am Beispiel der „Absatzwirtschaft“ ist zu erkennen, dass in der Disziplineine größere Vielfalt von Beiträgen erarbeitet wird als in der Zusammenstel-lung der Häufigkeiten von Zeitschriftenbeiträgen erkennbar ist. Allerdingssind dies weniger wissenschaftliche als praktische Beiträge. Schon 1913 wirdin einem an Praktiker gerichteten Unterrichtswerk festgestellt, dass Absatzvon „Bedürfnissen, Mitteln und Meinung der Käufer“ abhänge; der Kauf-mann müsse es verstehen „Kunden zu gewinnen und festzuhalten“.326 In derPraxis wurde auch die Funktion der Marke schon gut verstanden. Die Wis-senschaft zieht nach. Unter dem Einfluss von Heinrich Nicklisch war 1914an der Handelshochschule Mannheim eine werbewissenschaftliche Abtei-lung errichtet worden; nach seinem Wechsel an die HandelshochschuleBerlin wurde dort ein entsprechendes Lehr- und Forschungsprogramminitiiert. Der Assistent Nicklischs, Rudolf Seyffert (1893 – 1971), wurde mitgleicher Intention an der Universität Köln tätig.327 Einzelhandel und Agrar-wirtschaft hatten bis zum Beginn des Nationalsozialismus staunenswerteMarketingleistungen hervorgebracht, die durch Marktforschung und syste-matisierende Ansätze unterstützt wurden.328 „Die Nachfrage nach wissen-schaftlicher Ableitung“ von Marketing-Wissen wird sowohl auf Prosperi-täts- als auch auf Krisenerfahrungen, auf komplexeres Käuferverhalten undauf technische Entwicklungen, die sich vor allem in der Marktforschung

326 Tony Kellen, Kaufmännische Propaganda, in: Georg Obst, Hrsg., Das Buch desKaufmanns. Ein Hand- und Lehrbuch der gesamten Handelswissenschaft, Bd. 1, 4.A.,Leipzig 1913, S. 305-313, hier S. 305.

327 Robert Nieschlag, Die Werbung in Forschung und Lehre an deutschsprachigenHochschulen, in: Deutsche Werbewissenschaftliche Gesellschaft, Hrsg.,Werbung alsForschungsgebiet und Lehrfach an Hochschulen, Köln 1967, S. 53-64, hier S. 62; ClaudiaRegnery, Deutsche Werbeforschung 1900-1945,Münster 2003.

328 Vgl. Uwe Spiekermann, „Der Konsument muß erobert werden.“ Agrar- undHandelsmarketing in Deutschland während der 1920er und 1930er Jahre, in: Hart-mut Berghoff, Hrsg., Marketing-Geschichte. Die Genese einer modernen Sozialtechnik,Frankfurt 2007, S. 123-147. Erich Schäfer, Grundlagen der Marktbeobachtung, Nürn-berg 1928.

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Überblick 6.1

165

auswirken, zurückgeführt.329 Dieser Nachfrage wird schon in der hier be-trachteten Periode entsprochen. Schließlich darf vorausblickend auf das 1940erschienene „Handbuch der Verbrauchsforschung“ verwiesen werden. In ihmwird nicht nur der Stand der Marktforschung referiert, sondern auch dasVerständnis des Güternutzens explizit über seine physischen Bestandteilehinaus auf sozio-psychische Elemente erweitert.330 Auch die Notwendigkeitder Marktsegmentierung wird bereits gesehen. Horst Kliemann (1896-1965),der publizistisch außerordentlich rege tätige Verlagsdirektor (und späteregeschäftsführende Gesellschafter des Oldenbourg-Verlages) schlägt dieBildung von Käuferschichten nach sozio-demographischen Merkmalen odernach Freizeitinteressen vor. Auf solche Schichten habe sich dann die Wer-bung auszurichten.331

Mit diesen Hinweisen wird einer der Ansätze einer funktionalen Spezialisie-rung der Betriebswirtschaftslehre erwähnt. Zeitlich nahezu parallel werdenBranchenspezialisierungen entwickelt. Beispielsweise entstehen Werke zurIndustriebetriebslehre,332 zur Bankbetriebslehre333 oder zur Handelsbetriebs-lehre.334

Die Themengebiete der Forschung werden in methodischer Hinsicht aufunterschiedliche Weise behandelt. Es wurde schon darauf hingewiesen, dassdrei unterschiedliche Auffassungen in dieser Hinsicht zu unterscheidensind: normativ-wertend, empirisch-realistisch und theoretisch. Für die ersteAuffassung steht Heinrich Nicklisch, für die zweite Eugen Schmalenbachund für die dritte Wilhelm Rieger. Das sind hier bereits bekannte Namen.Natürlich sind um sie weitere Wissenschaftler als Anhänger derselben Me-thodik oder auch als Schüler gruppiert. Tatsächlich bilden sich „Schulen“,

329 Hartmut Berghoff, Marketing im 20. Jahrhundert. Absatzinstrument – Manage-mentphilosophie – universelle Sozialtechnik, in: Hartmut Berghoff, Hrsg., Market-ing-Geschichte. Die Genese einer modernen Sozialtechnik, Frankfurt 2007, S. 11-60, hierS. 37ff.

330 Wilhelm Vershofen, Handbuch der Verbrauchsforschung, Bd. 1, Berlin 1940.331 Horst Kliemann, Wie und wo erfasse ich Käuferschichten? Einteilung der Käufermassenin Interessenschichten als Grundlage des Verkaufs- und Produktionsplanes, Berlin/Leipzig1928.

332 Zum Beispiel: Albert Calmes, Der Fabrikbetrieb, 7.A., Leipzig 1922; Enno Hei-debroek, Industriebetriebslehre, Berlin 1923; Alfred Isaac, Der Industriebetrieb, Leipzig1930.

333 Zum Beispiel: Ernst Walb, Die Weiterbildung der Betriebslehre der Banken, Zeit-schrift für handelswissenschaftliche Forschung, 9. Jg., 1914/1915, S. 179-186; HeinrichSommerfeld, Die Technik des börsenmäßigen Termingeschäfts, Berlin 1923; WilhelmHasenack, Betriebskalkulation im Bankgewerbe, Berlin 1925.

334 Zum Beispiel für einen bedeutenden Vorläufer: Josef Hellauer, System der Welt-handelslehre, Berlin 1910.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

166

sei dies durch ihre führenden Köpfe gewollt oder auch ungewollt auf Grundübereinstimmender Überzeugungen. Wissenschaftliche Betreuung führtaber nicht immer zu übereinstimmenden methodischen Haltungen. Dassieht man schnell, wenn man sich vor Augen führt, dass sowohl FritzSchmidt als auch Heinrich Nicklisch zu Richard Lambert (1846-1926) ineinem Betreuungsverhältnis standen.335

In den Forschungsansätzen wird explizit oder implizit auf Vorgehensweisenzurückgegriffen, die im vorausgehenden Jahrhundert zur Perfektion entwi-ckelt worden waren. Die Deduktion und die isolierende Abstraktion leitenbeispielsweise die Überlegungen Gutenbergs in seiner Habilitationsschrift.336

Es wird angenommen, dass von der Organisation des Unternehmens keineWirkungen auf das betrachtete Erkenntnisobjekt ausgehen:337

„Die Unternehmung als Objekt betriebswirtschaftlicher Theorie kann alsonicht unmittelbar die empirische Unternehmung sein. Es muß für die dieAnnahme gemacht werden, dass die Organisation der Unternehmung vollkommenfunktioniert. Durch diese Annahme wird die Organisation als Quelle eigenerProbleme ausgeschaltet und soweit aus ihrer wissenschaftlich und praktischbedeutsamen Stellung entfernt, dass aus ihr keine Schwierigkeiten mehrfür die theoretischen Gedankengänge entstehen können. Die Annahmeeiner solchen eingestimmten, den reibungslosen Vollzug der betriebswirt-schaftlichen Grundprozesse gewährleistenden Organisation bedeutet nichteine Negation, sondern lediglich eine Neutralisierung der Probleme derOrganisation.“

Ausdrücklich verweist Gutenberg darauf, dass er in seinen Überlegungendurch von Thünen, das durch Schumpeters Schriften ihm vermittelte walra-sianische Denken (worin u.a. mit Hilfe linearer Gleichungssysteme ein wirt-schaftliches Gleichgewicht abgeleitet wird) und Schmalenbach beeinflusstworden sei. Die Betrachtung des Unternehmens als „soziales System“ seieine Alternative zu dem von ihm vorgestellten Ansatz.338

335 Einige Prominenten-Stammbäume zeigen: Fritz Klein-Blenkers/Frank Deges/RalfHartwig, Gesamtübersicht über die Hochschullehrer der Betriebswirtschaft in der Zeit von1898-1955, Köln 1992, S.100ff.

336 Erich Gutenberg, Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theorie,Berlin/Wien 1929

337 Ebenda, S. 26.338 Horst Albach, Hrsg., Zur Theorie der Unternehmung. Schriften und Reden von ErichGutenberg. Aus dem Nachlass. Berlin et al. 1989, S. 29-43, 48f.

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Überblick 6.1

167

Die Betriebswirtschaftslehre hat zur behandelten Zeit auch aufgrund ihrerForschung Wirkung im Ausland entfaltet (vgl. Abschnitt 6.1.9). Sie wurdeals „sehr ‚wissenschaftlich’ fundiert, analytisch tief, empfunden…“339 Vorallem in St. Gallen und in den skandinavischen Ländern waren in Deutsch-land ausgebildete Betriebswirte beim Aufbau des Faches tätig. In Japan undden USA wurden ebenfalls, wenn auch nicht in gleicher Häufigkeit, Impulsedurch Betriebswirte mit Ausbildung in Deutschland gegeben.340

6.1.8 Betriebswirtschaftslehre in der Zeitnationalsozialistischer Herrschaft

Dem hier betrachteten Zeitabschnitt wird der 30. Januar 1933 als Beginn undder 8. Mai 1945 als Ende zugewiesen. Die Einflussnahme des Nationalsozia-lismus auf die Disziplin steht im Mittelpunkt. Diese hat sowohl eine perso-nelle als auch eine inhaltliche Dimension.

(1) Die personelle Dimension ist einmal im Rückzug von der Lehrtätigkeit,ihrer Unterbindung, der Auswanderung und der Flucht aus deutschemHerrschaftsgebiet, in Mord oder Veranlassung zum Suizid oder andererFormen der Verfolgung zu erkennen.341 Der Grund dafür ist regelmäßig

339 Eduard Gaugler/Peter Mantel, Auslandskontakte der Betriebswirtschaftslehre im Drit-ten Reich, Manuskript Mannheim 2006, S. 35; erweiterte Fassung des Beitrags „In-ternationale Kontakte der deutschen Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich(1933-1945)“ in Michael-Jörg Oesterle/Joachim Wolf, Hrsg., Internationalisierung undInstitution,Wiesbaden 2005, S. 449-480).

340 Kurze Darstellungen, die allerdings nur vereinzelt auf deutschen Einfluss einge-hen, geben: Hanns Martin Schoenfeld, Betriebswirtschaftslehre im anglo-amerikanischen Raum, Sp. 747-759; Erich Loitlsberger, Betriebswirtschaftslehre imdeutschsprachigen Ausland, Sp. 759-767; Louis Perridon, Betriebswirtschaftslehreim niederländischen Raum, Sp. 767-772; Sven-Åke Nilsson, Betriebswirtschaftslehreim nordeuropäischen Raum, Sp. 772-779; Andreas Schranz, Betriebswirtschaftslehreim osteuropäischen Raum, SP. 779-787; Louis Perridon, Betriebswirtschaftslehre imromanischen Raum: Frankreich, Sp. 787-792; Egidio Gianessi, Betriebswirtschafts-lehre im romanischen Raum: Italien, Sp. 792-802; Toshiyoshi Shimizu, Betriebswirt-schaftslehre in Japan, Sp. 802-808; alle in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 4.A.,Stuttgart 1977. Horst Albach, Ernst Walb – den förste professoren i handelsteknik,S. 49-66; ders., Walter Mahlberg – den förste företags-ekonomiprofessoren i Göte-borg, S. 87-107 in: Lars Engwall, Företg�ngare inom företagsekonomin, Stockholm1995.

341 Dies ist u.a. auf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.April 1933 zurückzuführen. Die detailreichste Schilderung der Verhältnisse andeutschen Universitäten und der Lebensverläufe der Dozenten gibt: Peter Mantel,Betriebswirtschaftslehre und Nationalsozialismus. Eine institutionen- und personenge-

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

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darin zu sehen, dass der Betroffene Jude ist oder jüdische Verwandtschafthat.342 Zum anderen liegt die personelle Dimension in der Verweigerungeiner Unterstützung des Nationalsozialismus, der teilweise lange herausgezögerten und nur formalen Unterstützung der Staatsideologie oder der oftidealistisch geprägten, unterschiedlich stark erscheinenden Unterstützung.Ab 1939 war die formale Unterstützung der Staatsideologie notwendig, weilnach einer Verordnung vom 28. Februar 1939 für die Einstellung eines Be-amten die Mitgliedschaft in der Partei oder einer ihrer Gliederungen ver-bindlich war.343

Es wurde gezeigt, dass von 26 deutschen oder in Deutschland geborenenBetriebswirten mit Tätigkeiten im Ausland 13 (unter Einschluss von zweiZweifelsfällen) zur Emigration gezwungen wurden. Von den verbleibendenwaren wenigstens 5 bereits vor 1933 im Ausland tätig geworden und 7 zoges an Hochschulen in von Deutschland besetzten Gebieten. Von denzwangsweise emigrierten kehrten drei nach dem Kriege nach Deutschlandzurück.344 Auslandskontakte verbliebener deutscher Betriebswirte bestandenzwar, waren aber vergleichsweise spärlich, „…da die meisten deutschenBetriebswirte die – durch nationalsozialistische Stellen ohnehin stark be-schränkten bzw. instrumentalisierten – Möglichkeiten, die ihnen zur Verfü-gung gestanden hätten, nicht nutzten. Eine sich schon vor 1933 abzeichnen-de Tendenz wurde im Dritten Reich verstärkt: Die Entwicklung der deut-schen BWL war bis 1945 weitgehend isoliert von internationalen theore-tischen Einflüssen.“345

schichtliche Studie unter besonderer Berücksichtigung der Opfer des NS-Regimes unter denHochschullehrern der BWL, Diss. FU Berlin 2008. Der Autor berichtet von einemMord, drei Suizid-Fällen, 11 Emigrierten, 6 Entlassungen oder ähnliche Vorgängeund wenigstens 14 verzögerten oder verhinderten Karrieren von Hochschullehrern.Vgl. auch: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden derWirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 218ff.

342 Eugen Schmalenbach stellt deshalb den per 1. Oktober 1933 wirksam werdendenAntrag auf Emeritierung aus Altersgründen, weil er sich von seiner jüdischen Fraunicht trennen will: Erich Potthoff, Betriebswirtschaftslehre im Nationalsozialismus(1933-1945) bei politischer Gleichschaltung und staatlicher Wirtschaftslenkung, in:Eduard Gaugler/Richard Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre.100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 87-110, hierS. 105.

343 Ebenda, S. 90.344 Eduard Gaugler/Peter Mantel, Auslandskontakte der Betriebswirtschaftslehre im Drit-ten Reich, Manuskript Mannheim 2006, S. 35; erweiterte Fassung des Beitrags „In-ternationale Kontakte der deutschen Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich(1933-1945) in Michael-Jörg Oesterle/Joachim Wolf, Hrsg., Internationalisierung undInstitution,Wiesbaden 2005, S. 449-480), S. 8f.

345 Ebenda, S. 37f.

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Überblick 6.1

169

Die im Amt verbliebenen Hochschullehrer haben sich in ihren Veröffentli-chungen teils systemunterstützend, teils systemneutral und teils systemun-abhängig verhalten.346 Als Beispiel für eine idealistische Unterstützung desNationalsozialismus wird hier auf Heinrich Nicklisch verwiesen. Auf dessenVerdienste um die Betriebswirtschaftslehre wurde bereits mehrfach hinge-wiesen, auch auf seine idealistische, werturteilsbeladene Position. Sein spä-ter Eintritt in die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“347 ist einweiteres Indiz dafür, dass Nicklisch kaum zu den entschiedenen Vorkämp-fern ihrer Politik zu zählen ist. Gerade deshalb sind seine Äußerungen über„Betriebswirtschaftslehre im nationalsozialistischen Staat“ vom Juli 1933besonders bemerkenswert:348

„Die Betriebswirtschaftslehre hat bisher noch nicht zu erkennen gegeben,in welcher Weise sie an den Aufgaben des neuen Staates mitwirken will.Mit der vorliegenden Nummer unserer Zeitschrift werfen wir deshalbbewusst diese Frage auf. Sie ist ein Appell zur Mitarbeit und gibt zugleichin ihrem einführenden Aufsatz einen Aufriß der vordringlich zu lösendenAufgaben des Faches …

Was unter dieser Überschrift folgt, ist dem Sinne nach ein Aufruf an dieBetriebswirtschaftslehre, dem Führer des neuen Deutschland alle ihreKräfte zur Verfügung zu stellen, die Ziele ihrer Forschung nach den Be-dürfnissen der politischen Gestaltung zu setzen und in erster Linie die fürdiese maßgebenden Zusammenhänge klären zu helfen.Diesen Typ (einen auf Bedarfsdeckung im Rahmen staatlicher Planunggerichteten Unternehmertyp, K.B.) zu verbreiten darf kein frommer

346 Erich Potthoff, Betriebswirtschaftslehre im Nationalsozialismus (1933-1945) beipolitischer Gleichschaltung und staatlicher Wirtschaftslenkung, in: EduardGaugler/Richard Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 JahreFachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 87-110, hier S. 92 ver-wendet eine ähnliche Dreiteilung.

347 Hierfür werden 1940 oder 1942 angegeben. Bei Sönke Hundt, Zur Theoriegeschichteder Betriebswirtschaftslehre, Köln 1977, S. 95f., werden aufgrund eines Verzeichnissesvon 1938 5 NSDAP-Mitglieder und 3 SA-Mitglieder genannt. Hundt knüpft darandie Bemerkung, dass von der Mitgliedschaft nicht immer auf eine „faschistischeEinstellung“ geschlossen werden könne, vor allem dann nicht, wenn Mitgliedschaftin der SA „vor weiteren Ergebenheitsbekundungen schützen konnte“. So auch bei:Peter Mantel, Betriebswirtschaftslehre und Nationalsozialismus. Eine institutionen- undpersonengeschichtliche Studie unter besonderer Berücksichtigung der Opfer des NS-Regimes unter den Hochschullehrern der BWL, Diss. FU Berlin 2008, S. 74.

348 Heinrich Nicklisch, Die Betriebswirtschaftslehre im nationalsozialistischen Staat,Die Betriebswirtschaft – Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis, 26. Jg.,1933, S. 173-177.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

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Wunsch sein, sondern es gilt, an die Arbeit zu gehen und mit allen Kräftenan der Bewegung teilzunehmen, die sich die gigantische Erzieheraufgabegestellt hat (gemeint ist offensichtlich der Staat, K.B.). Gerade den Be-triebswirtschaftern, die ja die Verhältnisse in den Betriebsgemeinschaftenzu betreuen haben, fällt ein Großteil der zu vollbringenden Leistung zu.Darum an die Arbeit und mit allen Kräften voran!“ …

Mit diesen Worten wird ein mit verschiedenen fachlichen Problemen (aufdie noch zu sprechen zu kommen ist) befasster Beitrag eingeleitet und abge-schlossen. Zunächst ist einmal dieser Aufbau interessant, der sich auch inVeröffentlichungen aus anderen Diktaturen findet.349 Sodann ist bemer-kenswert, wie selbstverständlich die „politische Gestaltung“ als normge-bend übernommen wird. Abweichungen werden nicht akzeptiert, da „dieBetriebswirtschaftslehre“ „alle Kräfte“ verfügbar machen soll. Von Freiheitder Lehre, wie sie im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in §5 für das Individuum und seine Einbindung in die Institution als Grund-recht im Rahmen der Verfassung garantiert ist, wird hier natürlich nichtgesprochen. Der letzte Satz im Textbeispiel erinnert an einen anderen Ap-pell: „Der Weg aufwärts! Organisation!“ von Heinrich Nicklisch.

(2) Die inhaltliche Dimension, in der sich die Entwicklung der Betriebswirt-schaftslehre zeigt, ist nicht einfach zu beschreiben. Zu den 1932 dargelegtenwirtschaftspolitischen Parteigrundsätzen zählen: Recht auf Arbeit; Abschaf-fung des arbeits- und mühelosen Einkommens; Brechung der Zinsknecht-schaft; Verstaatlichung der Trusts; Gewinnbeteiligung; Gemeinnutz geht vorEigennutz.350 Solche politischen Grundsätze ergeben aber noch kein wider-spruchsfreies System. So ist es auch keine Überraschung, wenn Mantel zudem Ergebnis kommt: „Alle Versuche, eine nationalsozialistische BWLdurchzusetzen, scheiterten letztlich. Nicht die ideologischen Protagonistender völkischen Betriebsgemeinschaft, sondern zweckrationale Expertenwaren gefragt.“351 Formal wird von einem System der „verpflichteten Wirt-

349 Dies gilt etwa für die DDR. Wolfgang Leonhardt, der in seiner Autobiographie„Die Revolution entlässt ihre Kinder“ (Köln/Berlin 1955) seine Wandlung vom in derSowjetunion erzogenen Kommunisten zu einem Gegner des Kommunismus schil-dert, hat dem Verfasser gegenüber von einer einzuhaltenden Regel für den Aufbauvon Aufsätzen gesprochen: Erst die Klassiker des Sozialismus, ergänzt durch füh-rende Beschlüsse auf Parteitagen, dann das Problem und schließlich die Forderungzur Unterstützung der Partei im Sinne der vorgetragenen Problemlösung.

350 Harald Braeutigam,Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus, Berlin 1932, S. 1ff.351 Peter Mantel, Betriebswirtschaftslehre und Nationalsozialismus. Eine institutionen- undpersonengeschichtliche Studie unter besonderer Berücksichtigung der Opfer des NS-Regimes unter den Hochschullehrern der BWL, Diss. FU Berlin 2008, S. 69.

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Überblick 6.1

171

schaft“ und später einer „kriegsverpflichteten Wirtschaft“ gesprochen.352 ImUnterschied zu einem System wird festgestellt, dass sich die wirtschaftlichenRahmenbedingungen für Unternehmen schrittweise entwickeln („emer-gent“, sich durch Gelegenheit oder Notwendigkeit ergebend) und eine Folgepolitischer Kompromissentscheidungen sind; unklare, teilweise wider-sprüchliche Kompetenz- und Weisungsbefugnisse353, informelle Abstim-mungen und Verhandlungen, Einsatz repräsentativer Macht durch Verweisauf den Willen hierarchisch höher stehender Führer sind an der Tagesord-nung.354 Unternehmen sind oft sowohl in ein Kartell als auch in eine Bran-chenorganisation („Reichsgruppe“) eingebunden. Da der Regelungsfähig-keit von Märkten grundsätzlich kein Vertrauen entgegen gebracht wird, diePreise mehr und mehr reguliert werden,355 dominiert ein Denken in techni-schen - oder Mengengrößen über ein wirtschaftliches Denken.356 Es wirdfestgestellt, dass der Nationalsozialismus nach „… Überwindung des Kapi-talismus und der freien Marktwirtschaft sowie nach dem Aufbau einerWehrwirtschaft mit stark planwirtschaftlichen Elementen und einer ökono-mischen Autarkie, die die deutsche Wirtschaft aus weltwirtschaftlichenAbhängigkeiten lösen sollte“ strebte.357 Damit sei eine Umbruchsituation in

352 Erich Potthoff, Betriebswirtschaftslehre im Nationalsozialismus (1933-1945) beipolitischer Gleichschaltung und staatlicher Wirtschaftslenkung, in: EduardGaugler/Richard Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 JahreFachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 87-110, hier S. 90, 100,mit Bezug auf die entsprechenden Quellen.

353 Das galt auch innerhalb des politischen Systems. Der Reichswirtschaftsministerund Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht „hatte die schmerzliche Erfahrung ma-chen müssen, dass sich Hitler nicht um die angestammten Kompetenzen seiner Mi-nister kümmerte und den darwinistischen Konkurrenzkampf zwischen Göring undihm bewusst förderte“: Christian Kopper, Hjalmar Schacht. Aufstieg und Fall von Hit-lers mächtigstem Bankier,München/Wien 2006, S. 318.

354 Michael von Prollius, Das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten 1933-1939, Steue-rung durch emergente Organisation und politische Prozesse, Paderborn et al. 2003, S.78ff.

355 Ebenda, S. 278, mit einem Verweis auf J. Winschuh, Gerüstete Wirtschaft, Berlin1940.

356 Sehr gut herausgearbeitet wird dies auch am Beispiel des „Volkswagens“, seineswirtschaftlich unrealistischen Konzepts und der Gedankenwelt von Heinz Nordhoff,dem Generaldirektor der Volkswagen GmbH in der Nachkriegszeit: Heidrun Edel-mann, Heinz Nordhoff und Volkswagen. Ein deutscher Unternehmer im amerikanischenJahrhundert, Göttingen 2003. Vgl. Arthur Schweitzer, Der ursprüngliche Vierjahres-plan, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 168, 1956, S. 348-396, bes. S.351; hier fordert Hitler Erzabbau „ohne Rücksicht auf die Kosten“ nach einem Me-morandum von Hjalmar Schacht; Adam Tooze, Ökonomie der Zerstörung. Die Ge-schichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus,München 2007, S. 143f.

357 Eduard Gaugler, Peter Mantel, Auslandskontakte der Betriebswirtschaftslehre imDritten Reich,Manuskript Mannheim 2006, S. 3; erweiterte Fassung des Beitrags „In-ternationale Kontakte der deutschen Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

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der Orientierung der Betriebswirtschaftslehre gegeben gewesen. Zu deneher systemneutral arbeitenden Betriebswirten zählen in dieser Situationdann solche, die das sich ausbreitende Geflecht von Regelungen für dasRechnungswesen oder die Preisbildung zu interpretieren helfen.

Die Entwicklung mag dazu beigetragen haben, dass die für den früherenZeitabschnitt gelegentlich gelobte theoretische Gründung der Betriebswirt-schaftslehre und ihre analytische Tiefe verloren gehen. (Ob durch dieseEigenschaften die Emigranten wirklich behindert waren, wie Mantel358

meint, oder es ihnen zu einem Vorteil verhalf, müsste näher geprüft werden.Die starke Bindung des Rechnungswesens an die Rechtslage könnte hiereher ausschlaggebend gewesen sein.) Die fachlichen Ausführungen werdenbei einzelnen Betriebswirten verwirrend, vielleicht darf man sie sogar alswirr bezeichnen. Als Beispiel kommen wir auf den schon eben zitiertenAufsatz von Nicklisch zurück. Zunächst wird hier das Problem der Lohn-findung (Leistungslohn oder Zeitlohn) bei hoher Arbeitslosigkeit behan-delt:359

„Was uns hilft, kann nur die Arbeit nach dem Grundsatz: ‚Jeder leiste seinBestes’ sein. Das ist eine Unterstreichung des Leistungsprinzips. Dazugehört auch für jede Leistung der gerechte Lohn.Es ist der, bei dem berücksichtigt ist, dass der Leistende Glied eines Gan-zen ist, das gedeihen muß, wenn er leisten und leben können soll. Hierklingt die Forderung der Pflege des gemeinen Nutzens auf. Für den ein-zelnen Leistenden geht diese aber über ein gerechtes Verhältnis zwischenLohn und Leistung noch hinaus: Er muß für das Ganze ein Übriges tunkönnen; er muß bereit sein, auch ohne Gegenwert zu leisten; er muß dieseHingabe bis zum Opfer steigern können. Das Ganze aber muß, wenn esbestehen will, die Leistungen immer anerkennen; es muß immer bereitsein, die Taten seiner Angehörigen nachihrem Wert zu belohnen. Es darf sich nie davon freimachen, das Leis-tungsprinzip im Verhältnis zu seinen Gliedern anzuwenden, wenn es vor-wärts will. Gilt das auch vor allem im Verhältnis des einzelnen zu Nationund Staat, so doch entsprechend auch für jedes Ganze und seine Glieder

(1933-1945), in Michael-Jörg Oesterle, Joachim Wolf, Hrsg., Internationalisierung undInstitution,Wiesbaden 2005, S. 449-480).

358 Peter Mantel, Betriebswirtschaftslehre und Nationalsozialismus. Eine institutionen- undpersonengeschichtliche Studie unter besonderer Berücksichtigung der Opfer des NS-Regimes unter den Hochschullehrern der BWL, Diss. FU Berlin 2008, S. 448.

359 Heinrich Nicklisch, Die Betriebswirtschaftslehre im nationalsozialistischen Staat,Die Betriebswirtschaft – Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis, 26. Jg.,1933, S. 173-177, hier S. 173f.

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Überblick 6.1

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innerhalb dieser. Auch für die Betriebe bedeutet es noch eine Verstärkungder Betonung des Leistungsprinzips … und zwar in dem Sinne, dass es,vom Ganzen her gesehen, den gerechten Lohn einschließt. Dieser aber istder Leistungslohn auf einwandfreier Grundlage.Dieses Lohnsystem hindert nicht, den Nöten der Arbeitslosen entgegenzu-kommen. Wie bekannt, ist es auf demWege der Kurzarbeit auch geschehen…“

Dass hier tatsächlich ein Weg zu einer „einwandfreien Grundlage“ derLohnfindung eröffnet würde, kann wirklich nicht behauptet werden. Mittel-alterliche Ideen vom „gerechten Preis“ verbinden sich widerspruchsvoll mitdem Wunsch nach Produktivitätssteigerung. Noch wirrer wird die Argu-mentation, wenn für Arbeitsdienstlager „wegen der Beschränktheit derMittel“ der Zeitlohn gefordert wird, obwohl der Akkordlohn möglich wä-re.360 Sollte man daraus lesen, dass in Unternehmen die Mittel unbeschränktseien? Für Märkte und ihr Wirken ist durchgängig kein Verständnis zu er-kennen.

Das wird auch deutlich, wenn sich Nicklisch in seinem Aufsatz auf derGrundlage seines Modells der Wertumläufe in der Wirtschaft der Gestaltungder Wirtschaftsordnung und insbesondere dem Problem der Kartelle zu-wendet. Rationalisierung allein reiche für den wirtschaftlichen Fortschrittnicht aus. Vielmehr komme es auf „das Stimmen der Wirtschaft“ an, gege-benenfalls durch Eingriffe in die Wertumläufe. Klein- und Mittelbetriebewürden die Abstimmungen zwischen Angebot und Nachfrage besser be-wirken als Großunternehmen. Deshalb komme es zu Konjunkturschwan-kungen, woraus Kartelle oder ähnliche Verbände entstehen würden. Dieseschränkten aber „die Unübersichtlichkeit der Marktbeziehungen zu ihremVorteil ein“. Das hänge „immer – auch dort wo es nicht ausgesprochen wird– mit Planung zusammen.“ Betriebswirte sollten sich mit diesem Themabeschäftigen, sowohl methodisch als auch mit der Materie selbst: „An’s Zielmuß er!“ Dem folgen nun wieder merkwürdige Sätze:361

„Es lässt sich schon jetzt erkennen, dass die deutsche Wirtschaft der Zu-kunft keine Planwirtschaft mit Anordnung und Vollzug im russischenSinne sein wird, sondern – unter Rückbildung der Konzerne und Einschal-tung der Mittel- und Kleinbetriebe – eine geplante Wirtschaft mit scharfkontrollierten Richtzahlen, in der die Anpassung und das Stimmen von der

360 Ebenda, S. 174.361 Ebenda, S. 176.

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geistigen Mitarbeit jedes einzelnen … abhängt. Sie gilt es schaffen zu hel-fen.Sie (die Kartelle, K.B.) verdanken ihr Dasein und die Bedeutung, die sieerlangt haben, der Unübersichtlichkeit der freien arbeitsteiligen Wirtschaftund am Mangel an ausreichender Einordnung der einzelnen Wirtschaften-den. … Die Schwierigkeiten, aus denen die Kartelle entstanden sind, erga-ben sich daraus, dass jeder drauflos wirtschaftete, als wenn er, er allein,das Ganze wäre. Entscheidende normative Zusammenhänge wurden inden Wind geschlagen …Hier ist eine vollkommene geistige Umstellung nötig, die den einzelnenbefähigt, die normativen Zusammenhänge zu achten und sich so, wie derVerlauf es erfordert, einzugliedern. Sie muß auch das Unternehmertumvon innen heraus umbilden: mit einem Geist erfüllen, der nicht mehr sosehr auf den Erwerb als auf die Aufgaben eingestellt ist, die die Wirtschaftals Bedarfsdeckungswirtschaft stellt.“

Dass der Markt Anarchie sei, ist ein frühsozialistischer Gedanke: „Del’anarchie industrielle et scientifique“ ist der Titel eines 1847 in Paris erschiene-nen Büchleins von Charles Fourier.

Das Gedankengut von Adam Smith, wonach Bäcker, Brauer und Fleischernicht aus Gutmütigkeit („benevolence“), sondern aus Eigennutz handeln(„own interest“)362 und damit in Kontrolle durch den Wettbewerb dem Gan-zen dienen, scheint hier völlig unbekannt. Gerade darin aber liegt der „nor-mative Zusammenhang“ einer Wettbewerbswirtschaft. Wie die Wirtschafts-planung einzurichten ist, bleibt ebenfalls ungeklärt. Auch wie die Beiträgeder einzelnen darin Eingang finden sollen, kann nicht erklärt werden. Dasist auch deshalb erstaunlich, weil Gutenberg bereits sehr klar formulierthatte: „Ganz allgemein kommt den Preisen überhaupt die Aufgabe zu, dieGüterströme so in die einzelnen Verwendungen zu lenken, dass jeweils diewichtigsten Verwendungen den Vorrang haben. Diese regulative Funktionder Preise kommt darin zum Ausdruck, dass sie Schlüssel zur Verteilungder Güter sind.“363 Und wenig später wird für die Preisbildung verlangt,dass sie die Kapitaldispositionen eines Unternehmens so regulieren, dass dieGewinne maximiert werden.364 Damit werden schon bedeutende Wider-sprüche bei Betriebswirten sichtbar.

362 Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, London1776, S. 17.

363 Erich Gutenberg, Die Unternehmung als Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Theo-rie, Berlin/Wien 1929, S. 33f.

364 Ebenda, S. 90.

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Vor diesem Hintergrund ist es besonders erstaunlich, dass in einer betriebs-wirtschaftlichen Zeitschrift zumindest Grundgedanken zur Wirtschaftsord-nung vorgetragen werden können. Ludwig Erhard (1897-1977), der spätereWirtschaftsminister und Bundeskanzler, bemüht sich um Klärung (Abbil-dung 42).

Briefmarke zum 10. Todestag von Professor Dr. Ludwig Erhard 1987 nach einemFoto von Gerhard Heisler

In dem Aufsatz geht es um die Begriffe Marktregelung und Marktordnung,ihrem zeitgemäßen Gebrauch und die Entwicklung einer Vorstellung voneiner zukunftsfähigen Wirtschaftsordnung.365 Einerseits seien die Unter-nehmen in Kartelle eingebunden, die über koordinierte Preispolitik eineMarktregelung betreiben würden. Andererseits gehörten sie Gruppen(Reichsgruppen, gewerblichen Organisationen) an. Deren Aufgabe liege inMarktordnung. Damit sei die Förderung „kaufmännischer Betriebsgebah-rung“ gemeint, wozu Muster der Branchenkalkulation, Ergebnisse von Be-triebsvergleichen und Verbandsstatistiken beitrügen. Dies ermögliche dieBefolgung „anständiger Wettbewerbssitten“. Diese Betrachtungsweise seiaber einseitig, weil sie den Markt außer acht lasse. Erhard fährt dann fort:366

365 Ludwig Erhard, Marktordnung und Betriebswirtschaft, Der praktische Betriebswirt– Die aktive betriebswirtschaftliche Zeitschrift, 17. Jg., 1937, S. 111-117.

366 Ebenda, S. 112ff.

Abbildung 42

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„Es wäre müßig, sich mit jenen auseinandersetzen zu wollen, die im Mark-te nichts anderes sehen können als eine liberalistisch-kapitalistische Ein-richtung, ohne sich der logischen Konsequenz klar zu sein, dass eine Besei-tigung des Marktes notwenig zu einer kommunistischen Warenverteilungführen müsste. … Die Aufgabe lautet jedenfalls eindeutig dahin, zwischenfreier Wirtschaft in liberalistischem Sinne und kollektiver Planwirtschafteine Synthese zu finden, die der deutschen Wirtschaftsstruktur Rechnungträgt und gleichzeitig der Forderung nach größter Wirtschaftlichkeit undhöchster Leistung gerecht zu werden vermag.Es bedeutet nach unserem Dafürhalten einen Rückfall in liberalistischesDenken, wenn man dieses weitgesteckte Ziel durch innerbetriebliche Maß-nahmen allein erreichen zu können glaubt. … Solange sich aber die imMarkte anbietenden und nachfragenden Menschen und Gruppen nichtrationalisieren lassen, so lange muß sich auch der Markt einem solchenZugriff entziehen. Das aber besagt gleichzeitig, dass sich die reibungsloseOrdnung des Marktes nicht zwangsläufig aus dem Vorhandensein be-triebswirtschaftlich gut geleiteter Unternehmungen ableiten lasse, sonderndass vielmehr umgekehrt die Marktordnung das Fundament der gedeihli-chen Entwicklung der Einzelwirtschaften darstelle. … Problemstellung,dass Marktordnung nicht mehr in den Bereich der Unternehmertätigkeitfallen kann, sondern zur Wirtschaftspolitik der Marktverbände, der Grup-pen, gehört. Aus dem gleichen Grunde aber kann die Verantwortung fürdie Verwirklichung dieser Ordnung auch nicht von den Gruppen durchEmpfehlungen betriebswirtschaftlicher Art auf die Betriebe zurück über-tragen werden …“

Der Gegensatz zu den Auffassungen von Nicklisch über die Ordnung derWirtschaft könnte nur dann noch gravierender ausfallen, wenn Erhard sichfür eine Struktur der Wirtschaftspolitik ganz ohne die Gruppen ausgespro-chen hätte. Vermutlich wäre dann aber der Beitrag nicht erschienen. Immer-hin wird hier für eine Marktordnung als wirtschaftspolitische Aufgabe plä-diert. Sie soll zwischen reiner Marktwirtschaft und Planwirtschaft stehen.Der Begriff der „sozialen Marktwirtschaft“ steht hier noch nicht zur Verfü-gung.367 Er würde aber zu dem von Erhard skizzierten Konzept passen.Auch die Markt- und Absatzorientierung ist in diesem Konzept bemerkens-

367 Dieser Begriff wird durch Alfred Müller-Armack (1901-1978) entwickelt und dannals Leitbild der Wirtschaftspolitik auch von Ludwig Erhard genutzt. Alfred Müller-Armack, Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft, Hamburg 1947; ders., SozialeMarktwirtschaft, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 9, Stuttgart/Tübin-gen/Göttingen 1956, S. 390-392.

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wert, weil sie im Gegensatz zu der Mehrheit sonst veröffentlichter Meinun-gen steht. Dass der Vorschlag zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung keineRealisierungschance hat, was vielleicht auch Erhard wusste, macht ihn nichtweniger interessant und lässt zugleich die mutige Überzeugung des Autorshervortreten. Der Begriff der Marktwirtschaft war durchaus programma-tisch gemeint und wurde so in Erhards unmittelbarem beruflichem Umfeldauch verwendet. Dort galt sogar: „Allem Wirtschaften ist die Entfaltung zurMarktwirtschaft immanent.“368

Die geringe Wertschätzung oder das fehlende Verständnis für die Funktio-nen von Märkten bei der Mehrzahl der Betriebswirte zur damaligen Zeitbegünstigt die gemeinwirtschaftlichen Orientierungen, durch die privatwirt-schaftliches Renditestreben, seine Erklärung und Beeinflussung, in den Hin-tergrund treten. In der 1931 erschienenen 5. Auflage seines Werkes „Dyna-mische Bilanz“ äußert Schmalenbach: „Und so ist es nicht der Sinn unsererBetriebswirtschaftslehre, zuzuschauen, ob und wie irgendjemand sich einEinkommen oder ein Vermögen verschafft. Sinn unserer Lehre ist lediglichzu erforschen, wie und auf welche Weise der Betrieb seine gemeinwirt-schaftliche Produktivität beweist.“369 Die Aussage, dass diese Wirtschaft-lichkeit als Unternehmensziel zu gelten habe, hatte der Autor schon früherexplizit gemacht. „Profitmacherei“ gehe die Betriebswirtschaftslehre nichtsan, meinte er.370 Es ist gezeigt worden, dass diese Vorstellung weder wider-spruchsfrei durchgehalten wird, noch operationalisiert werden kann.371

Extrem ist in dieser Frage die Position von Walter Thoms (1899-1995), dereine „nationalsozialistische Betriebswirtschaftslehre“ konzipieren will, inder er ein Recht auf Arbeit vorsieht und der „Vormachts- und Herrschafts-stellung der Rentabilität“ seine „vollständige Ablehnung“ entgegenbringt.372

Allerdings bleibt diese Auffassung nicht unwidersprochen. Bedeutendepraktische Konsequenzen hat dieser Widerspruch nicht nach sich gezogen.Es fehlt auch noch an der Durchsetzung der Erkenntnis, dass der Staat eineOrdnungsfunktion für Märkte übernehmen sollte, ohne eine Lenkungsfunk-

368 Werner Halbach, Gedanken zu ‚Marktwirtschaft und Wirtschaftswissenschaft’, in:Georg Bergler, Ludwig Erhard, Hrsg., Marktwirtschaft und Wirtschaftswissenschaft.Eine Festgabe aus dem Kreise der Nürnberger Schule zum 60. Geburtstag von WilhelmVershofen, Berlin 1939, S. 27-40, hier S. 32.

369 Eugen Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 5.A., Leipzig 1931, S. 93.370 Eugen Schmalenbach, Die Privatwirtschaftslehre als Kunstlehre, Zeitschrift fürhandelswissenschaftliche Forschung, 4. Jg., 1911/1912, S. 304ff., hier S. 312f.

371 Sönke Hundt, Zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre, Köln 1977, S. 78ff.,110ff. Siehe auch oben S. 160.

372 Walter Thoms, Die Wirtschaftstheorie im Dienste der Leistungssteigerung, in:Bericht über den Tag der Deutschen Wirtschaftswissenschaft 1938, S. 75ff (zitiert nach:Sönke Hundt, Zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre, Köln 1977, S. 112).

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tion anzunehmen.373 Die Lenkungsfunktion, insbesondere auch über Preis-regulierungsvorschriften ausgeübt, strebt eine Normierung der zulässigenGewinne an; der Markt hat keine erkennbare Funktion mehr.

(3) Neben diesen Hauptströmungen sind allerdings Arbeiten entstanden, dieman durchaus als Perlen der betriebswirtschaftlichen Literatur bezeichnenkann. Einige erscheinen aus heutiger Sicht auch versteckt, wie die Perlen inder Muschel.374 Ein Beispiel dafür ist der erste, von Erich Gutenberg formu-lierte originär betriebswirtschaftliche Beitrag zum Unternehmenswachstum.Er erschien 1942 in einem Festschriftbeitrag. Darin stehen Vorschläge füreinen operational formulierten Wachstumsbegriff, eine Kategorisierung vonWachstumstreibern sowie einer Diskussion der Anreize zum Wachstum fürUnternehmer in verschiedenen Wirtschaftsordnungen im Vordergrund.375

Seither hat das Thema große Beachtung gefunden; zeitweise beherrschte eswirtschaftswissenschaftliche Diskussionen. Als Beleg für das richtungwei-sende Denken Gutenbergs sei hier allein auf seinen Wachstumsbegriff ein-gegangen.

Die geradezu quälende Suche nach einem operational handhabbaren undtheoretischen Anforderungen entsprechenden, ein- oder mehrdimensionalenBegriff des Unternehmenswachstums ist auch bisher nicht zu einem Endegekommen. Das ist unbefriedigend, selbst wenn man sich den Zweckbezugvon Definitionen in Erinnerung ruft, welcher die gleichzeitige Existenz un-terschiedlicher Definitionen erklärt.

Gutenberg hat zur Operationalisierung des Wachstumsbegriffs drei Hinwei-se gegeben:

�� (a) Gewinn sollte als Indikator für unternehmerische Leistung verwendetwerden,

�� (b) Dauerhaftigkeit ist als Indikator für den Zeitbezug zu fordern und�� (c) Relativierung, insbesondere gegenüber der Branchenentwicklung,

wird als unternehmensspezifischer Maßstab für erforderlich gehalten.376

373 Walter Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 1. A., Jena 1940; 4. A., Jena1944, bringt diesen Gedanken in seiner Lehre der Wirtschaftssysteme zum Aus-druck.

374 Oben wurde schon auf das „Handbuch für Vebrauchsforschung“ von Wilhelm Vers-hofen aus dem Jahr 1940 verwiesen.

375 Erich Gutenberg, Zur Frage des Wachstums und der Entwicklung von Unterneh-men, in: Friedrich Henzel, Hrsg., Leistungswirtschaft. Festschrift für F. Schmidt, Ber-lin/Wien, S. 148 – 163.

376 Ebenda, pass.

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Zu (a): Nach dem Vorstehenden ist das Plädoyer für den Gewinn als Maß-stab wirtschaftlicher Wertentwicklung nicht nur überraschend, sondernauch mutig. Das gilt umso mehr, als es bis zur Aktienrechtsreform 1965keinen Pflichtausweis für den Umsatz in der Gewinn- und Verlustrechnunggab und Gewinn allenfalls über die Angaben zu den Steuerzahlungen derUnternehmen retrograd abzuschätzen war. Heute stehen aufgrund größererPublizität und Transparenz andere Wertmaßstäbe zur Verfügung, die aberletztlich erfolgsbezogen sind.

Zu (b): Dauerhaftigkeit kann nur einen problemspezifisch abgegrenztenZeitraum meinen. Er kann von vornherein begrenzt sein, wie dies beispiels-weise für Private Equity Fonds vorgesehen wird, oder unbegrenzt. Im All-gemeinen ist der Planungshorizont so zu wählen, dass bei einer marginalenAusdehnung eines beliebig bestimmten kleinen Ausgangswertes die Präfe-renzordnung heutiger Unternehmensentscheidungen, insbesondere derwertbestimmenden Investitionsentscheidungen, nicht verändert wird.377

Dauerhaftigkeit ist unternehmensspezifisch zu bestimmen bzw., soweit einUnternehmen repräsentativ ist, auch branchenspezifisch.

Zu (c): Wachstum ist „Erfolg besonderer unternehmerischer Leistung.“378

Gewinn oder Differentialrente, wie es in Anlehnung an Fritz Schmidt379

heißt, wird sowohl als Anreiz für spezifische unternehmerische Leistung alsauch als Indikator für geglückte Pionierleistungen betrachtet. Durch denBranchenvergleich soll die erzielte Leistung relativiert und der unternehme-rische Beitrag des Managements erkennbar gemacht werden.

Ein solches Konzept für das Unternehmenswachstum nimmt eine Vielzahlfolgender Entwicklungen vorweg. Es wird hier auch als Beleg dafür heran-gezogen, dass im Einzelnen sehr moderne Auffassungen in der Betriebswirt-schaftslehre ihren Platz hatten. An solchen Auffassungen konnte in derNachkriegszeit angeknüpft werden. Es wird sogar festgehalten, „dass esdem Nationalsozialismus nicht gelungen ist, die Pluralität der betriebswirt-schaftlichen Lehrmeinungen aufzuheben.“380 Das klingt relativ freundlich.Tatsächlich „ist die Zeit 1933-1945 mit ihren Folgen in den ersten Nach-

377 H. Teichmann, Der optimale Planungshorizont, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 45.Jg., 1975, S. 295-312.

378 Erich Gutenberg, Zur Frage des Wachstums und der Entwicklung von Unterneh-men, in: Friedrich Henzel, Hrsg., Leistungswirtschaft. Festschrift für F. Schmidt, Ber-lin/Wien, S. 148 – 163, hier S. 153.

379 Fritz Schmidt, Differentialrente und Leistungsprämie, Zeitschrift für Betriebswirt-schaft, Bd. 16, 1940, S. 89-102.

380 P. Gmähle, Betriebswirtschaftslehre und Nationalsozialismus, Diss. Univ. Erlangen-Nürnberg 1968, S. 183.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

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kriegsjahren als Schädigung betriebswirtschaftlicher Forschung neben denmenschlichen Tragödien … anzusehen.“381

Allerdings zeigt sich dann auch, dass im Ausland wissenschaftliche Er-kenntnisse gewonnen worden waren, die angewandter Grundlagenfor-schung entstammten,382 Erfahrungen scharfen Wettbewerbs ausgesetzterGroßunternehmen aufarbeiteten383 und weit über eine Organisationslehrehinausreichten, wie sie aus praktisch-ingenieurtechnischer Sicht nach derJahrhundertwende propagiert wurde.384 Insbesondere in den USA warendiese Strömungen an den enorm wachsenden „business schools“ zusam-mengeflossen. Auch an diesen Erkenntnissen musste angeknüpft werden,wenn die Betriebswirtschaftslehre nicht bedeutungslos werden wollte. Imnächsten Abschnitt werfen wir einen Blich auf diese Strömungen.

6.1.9 Ein kurzer Blick in das Ausland

Es ist selbstverständlich, dass betriebswirtschaftliche Fragestellungen auchim Ausland bestehen und wissenschaftlich bearbeitet werden. Allerdingswurde im vorigen Abschnitt festgestellt, dass die Auslandsbeziehungendeutscher Betriebswirte nicht sehr intensiv waren. In der Nachkriegszeitmuss deshalb vor allem von denjenigen viel aufgeholt werden, die keineoder nur geringe Auslandskontakte hatten. Aus der ersten Hälfte des 20.

381 Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirt-schaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 235.

382 Hier ist etwa an die seit 1947 geradezu explosionsartig sich vermehrenden Beiträ-ge zur „linearen Programmierung“ (das ist die Maximierung oder Minimierung ei-ner linearen Zielfunktion unter Berücksichtigung linearer Nebenbedingungen inder Form von Ungleichungen) zu denken; ihre Darstellung durch einen ihrerSchöpfer beginnt mit dem Satz: „The final test of a theory is its capacity to solve theproblems which originated it.“ George B. Dantzig, Linear Programming and Extensi-ons, Princeton/NJ 1963. Weiter ist auf die seit 1928 schrittweise entwickelte Spiel-theorie zu verweisen, die dann 1944 in Buchform erscheint: John von Neu-mann/Oskar Morgenstern, Theory of Games and Economic Behavior, Princeton/NJ1944. Zu deren Vorläufern: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichteund Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001, S. 435ff.

383 Eines der lehrreichsten Bücher ist: Alfred P. Sloan, jr., My Years with General Mo-tors, (Edited by John McDonald/Catherine Stevens), New York 1963.

384 Zu denken ist hier beispielsweise an: Fred(erick) W(inslow) Taylor, Die Betriebslei-tung insbesondere der Werkstätten, autorisierte deutsche Ausgabe von „shop mana-gement“ von A. Wallichs, 2. A., Berlin 1912; ders., Die Grundsätze wissenschaftlicherBetriebsführung, München 1913. Dazu: Alfred Kieser, Geschichte der Organisations-lehre, in: Michael Lingenfelder, Hrsg., 100 Jahre Betriebswirtschaftslehre in Deutsch-land 1898-1998, München 1999, S. 107-124, hier S. 110ff.

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Überblick 6.1

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Jahrhunderts sollen hier nur zwei Teilgebiete erwähnt werden, in denen sichim Ausland eine intensive Forschung feststellen lässt, die zur selben Zeit inDeutschland nur schwache Spuren hinterläßt. Ergebnisse beider Gebietenehmen später Einfluss auf die Orientierungen und Arbeiten deutscherBetriebswirte. Die Hervorhebung zweier Teilgebiete bedeutet natürlichnicht, dass es keinerlei erwähnenswerte Ergebnisse anderer Teilgebiete gäbe.

(1) Der effiziente Arbeitseinsatz war schon in den Großprojekten der Antike zuplanen. Zwangsarbeit unter hierarchischer Organisation spielte dabei einegroße Rolle. Interessanterweise ist dies von Charles Babbage (1791-1871)bereits beschrieben worden, der sich zur Zeit der industriellen Revolution inEngland mit der Steuerung des Arbeitseinsatzes und der Zusammenarbeitvon Mensch und Maschine detailreich beschäftigt.385 Offenbar unabhängigdavon entwickelt sich in den USA eine von seinem Protagonisten „scientificmanagement“ genannte Richtung, die von anderen nach ihrem einfluss-reichsten Vertreter auch als „Taylorismus“ bezeichnet wird.

Frederick Winslow Taylor (1856-1915) macht sich aus der Praxis herausGedanken darüber, wie auf systematische Weise die Effizienz der Arbeitgesteigert werden kann, wobei in idealistischer Sichtweise die dadurch ge-wonnenen Ersparnisse den Verteilungsspielraum für alle vergrößern sollten(Abbildung 42). Ein erster Grundsatz ist: „Hohe Löhne, geringe Herstel-lungskosten“.386 Dies sollte durch anreizgesteuerten Arbeitseinsatz undmotivierte Arbeiter erreichbar gemacht werden. Die Realisierung desGrundsatzes sollte durch die folgenden Maßnahmen erreicht werden:387

„1. jedem Arbeiter die höchste Klasse der Arbeit (zuzuweisen, K.B.), die zuverrichten er fähig ist;2. jeder Arbeiter sollte angeregt werden, die Höchstleistung eines geschick-ten Mannes seiner Klasse bei nicht zu großer Anstrengung zu erreichen;3. jeder eifrig vorwärts strebende Arbeiter sollte je nach der Natur derArbeit um 30 bis 100 % höher als der Durchschnitt seiner Klasse entlohntwerden.“

385 Charles Babbage, On the Economy of Machinery and Manufacture, London 1832, S.35ff.

386 Frederick W. Taylor, Shop Management, Transactions of the American Society ofMechanical Engineers, Vol. 16, 1903, S. 1337-1480; ders., Die Betriebsleitung insbesonde-re in Werkstätten, 2.A., (ergänzt und herausgegeben von: A. Wallichs), Berlin 1912,hier S. 7.

387 Ebenda.

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Frederick Winslow Taylor (Quelle: wikipedia.org)

Dazu werden Zeitstudien durchgeführt, aus denen Vorgaben (Normalien)entwickelt werden, und anregende Entlohnungsformen eingesetzt. DieWerkstatt soll nicht durch einen Meister überwacht werden, sondern durchfunktional spezialisierte Meister: Vorrichtungsmeister, Geschwindigkeits-meister, Prüfmeister, Instandhaltungsmeister. Unterstützt werden diesedurch ein Arbeitsbüro. In ihm gibt es einen Arbeitsverteiler, der die Reihen-folge der Auftragsbearbeitung bestimmt, einen Anweisungsbeamten, derArbeiter und Meister über technische und abrechnungsökonomische Detailsunterrichtet, einen Zeit- und Kostenbeamten, der Arbeitszeiten regelt unddie auftragsspezifischen Arbeitszeitaufzeichnungen prüft und weiterleitet,einen für die Disziplin zuständigen Aufsichtsbeamten und ggf. einen „An-weisungsoberbeamten“ für die Schlichtung von Konflikten.388 Über dieseSystematisierung geht leicht der Gedanke Taylors verloren, dass zwischen

388 Ebenda, S. 41ff.

Abbildung 43

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Überblick 6.1

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ausführenden Arbeitern und Führungskräften eine gute und vertrauensvolleZusammenarbeit gepflegt werden sollte. Die Überzeugung einer Interessen-identität von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist in Taylor tief verwurzelt.

Diese auf praktischen Erfahrungen beruhenden Gedanken werden in einemSystem zusammengeführt:389

„Scientific management, in its essence, consists of a certain philosophy,which results as before stated in a combination of four great underlyingprinciples of management.First. The development of a true science.Second. The scientific selection of the workman.Third. His scientific education and development.Fourth. Intimate friendly cooperation between the management and themen.”

Insbesondere auch Henry Ford verwirklicht eine Vielzahl der EmpfehlungenTaylors in der Autoproduktion. Solche ingenieurtechnisch-empirisch be-gründeten Studien werden von den Hauptströmungen der deutschen Be-triebswirtschaftslehre zunächst kaum wahrgenommen.390 Die fehlende Be-achtung „sozialer und psychologischer Folgerungen“ haben dazu geführt,dass „die meisten … Lehrsätze bald wieder verworfen“ wurden; eine „Ver-wissenschaftlichung“ ist nicht gelungen.391 Aus Sicht der Technik ist Taylorin seinem Streben nach Maximalleistung vorgehalten worden, dies sei einallenfalls theoretisches Modell, wie man es auch bei von Thünen finde, undes sei eine „Entartung“, eine „Alterserscheinung“ der modernen Technik.392

389 Frederick Winslow Taylor, The Principles of Scientific Management, New York/London 1911 (Nachdruck Düsseldorf 1996), S. 67f.

390 Erich Frese, Organisation – Hundert Jahre Betriebswirtschaftliche Organisations-wissenschaft in Deutschland: Aus der nationalen Nische in die Welt der internatio-nalen Paradigmen, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Entwicklungen der Betriebs-wirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002,S. 223-246, hier S. 226f. Auf wenige Arbeiten mit ähnlicher Thematik weist zum Bei-spiel hin: Gertraude Krell, Geschichte der Personallehre, in: Michael Lingenfelder,Hrsg., 100 Jahre Betriebswirtschaftslehre in Deutschland 1898-1998, München 1999, S.125-140.

391 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion, 7. A.,Berlin et al.1962, S. 106.

392 Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld, Wirtschaft und Technik, (Grundriss der Sozial-ökonomik, II. Abtlg., Die natürlichen und technischen Beziehungen der Wirtschaft,II. Teil) 2. A., Tübingen 1923, S. 164.

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Auch die Untersuchungen im Verwaltungsbereich der Unternehmen bliebenzunächst nahezu wirkungslos393. Hier setzt Henry Fayol (1841 – 1920) an.Fayols Erfahrungsbericht enthält unter anderem eine Funktionenlehre desUnternehmens und eine Beschreibung von Management-Aufgaben. Alsallgemein vorhandene Funktionen werden identifiziert: die Produktion, diekaufmännische Funktion (Einkauf und Verkauf), die Finanzen, das Rech-nungswesen, die Sicherheit, die Verwaltung (Management). Dieses hatPrognosen als Grundlage einer Planung zu erstellen, die Organisation einzu-richten, Führung auszuüben, Abstimmungs- oder Koordinationsmaßnah-men durchzuführen sowie Kontrolle auszuüben. Das sind bis in die Gegen-wart als gültig angesehene Funktionsmuster. Dabei interpretiert man heutedie „technische Funktion“ (= Produktion) in umfassenderem Sinne (Techno-logie- und Innovationsmanagement) und spaltet die kaufmännische Funkti-on in zwei unterschiedliche Funktionen auf (Beschaffung und Marketing).Mehr Interesse haben die in den zwanziger Jahren angestellten Experimenteüber Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen und Arbeitsergebnisausgelöst. Die sogenannten Hawthorne-Experimente, von Mayo und White-head 1924 in einem Western Electric-Werk durchgeführt, wurden erst späterallgemein bekannt.394 Psychologie und Soziologie werden nicht nur hier,sondern vereinzelt auch in Deutschland auf die Welt innerhalb der Unter-nehmen aufmerksam. Die Verhaltenswissenschaften bleiben zunächst abernoch im Schatten der ökonomischen Orientierung der Betriebswirtschafts-lehre, auch noch bis in die siebziger Jahre hinein.

Die deutsche Organisationsforschung greift etwa 15 bis 20 Jahre später aufdiese Ansätze zurück. Sie behandelt dann Fragen der Lohnfindung, derRationalisierung, der Arbeitsbedingungen, der Gestaltungsalternativen fürAufbau- und Ablauforganisation.395 Am Beispiel von drei Autoren wirdgezeigt, wie diese das Organisationsproblem auffassen.396 Der Kürze halbersoll dies in tabellarischer Form geschehen.

393 Henry Fayol, Administration Industrielle et Générale, Paris 1916 (Allgemeine undindustrielle Verwaltung, München/Berlin 1929). Ein darauf aufbauender Studiengangfür „Verwaltungsingenieure“ scheiterte schon in den 1920er Jahren.

394 F. J. Roethlisberger/W. J. Dickson, Management and the Worker, Cambridge/MA1939. Spezialisten kannten die Untersuchungen aus dem Aufsatz : Guido Fischer,Betriebspsychologische Untersuchungen bei der Western Electric Company, Inc.(USA), Der Organisator, 13. Jg., 1931, S. 207-210.

395 Zum Beispiel: Konrad Mellerowicz, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre der Unter-nehmung, Berlin/Leipzig 1929; Fritz Nordsieck, Die schaubildliche Erfassung und Un-tersuchung der Betriebsorganisation, Stuttgart 1932; Karl Wilhelm Hennig, Einführungin die betriebswirtschaftliche Organisationslehre,Wiesbaden 1934.

396 Im Folgenden vgl.: Erich Gutenberg, Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirt-schaftlicher Theorie, Berlin/Wien 1929; Konrad Mellerowicz, Allgemeine Betriebswirt-

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Überblick 6.1

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Der folgenden Tabelle 3 sind unterschiedliche und gemeinsame Elemente zuentnehmen. Bei Gutenberg richtet sich der Zweck der Betrachtung auf dasUnternehmen, weshalb durch isolierende Abstraktion die Organisation„neutralisiert“ wird. Bei den beiden anderen Autoren soll die Organisationselbst theoretisch erfasst werden. Deshalb können bei Gutenberg auch Stö-rungen (irrationale Bedingtheiten bei Mellerowicz oder Nichtbefolgung vonRegelungen bei Nordsieck) keine Rolle spielen. Die innerbetriebliche Orga-nisation richtet sich auf Prozesse bei Gutenberg oder auf Aufgaben beiNordsieck. Diese müssen durch Arbeitsteilung und Koordination unterGeltung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips (oder des Prinzips der Wirt-schaftlichkeit) erledigt werden. Dass Nordsieck sich dabei auf Daueraufga-ben beschränkt, die dann doch nicht identisch bleiben, ist wenig verständ-lich. Während bei Gutenberg und Mellerowicz eine ökonomische Zielbe-trachtung erfolgt, ist bei Nordsieck das Ziel sehr abstrakt angegeben(„sozial-objektiviert“). Bei Nordsieck werden Management-Aufgaben unterdem Organisationsbegriff vereint, die bei Fayol als selbständig angesehenwerden. Auf das „scientific management“ wird besonders bei MellerowiczBezug genommen; bei Gutenberg macht ein solcher Bezug keinen Sinn. Sozeigen sich also beispielhaft drei ganz unterschiedliche Arten der Behand-lung des Organisationsproblems und der Bezugnahme auf den internationa-len Erkenntnisstand. Mellerowicz und Erich Kosiol (1899-1990) (in der Fort-führung der Arbeiten von Nordsieck)397 werden in der Nachkriegszeit die-sen Forschungsstrang weiterführen.

Drei Organisationsauffassungen

Gutenberg (1929) Mellerowicz(1929)

Nordsieck (1934)

Verhältnis vonUnternehmenund Organisation

Der Betrieb hateine Organisati-on. Sie ist nichtlosgelöst vomBetrieb.

Organisation istein Produktions-faktor. Er betrifftZustände undProzesse.

Organisation istOrdnung einesRegelungssys-tems, das durchdie Aufgabe desBetriebes be-stimmt ist.

schaftslehre der Unternehmung, Berlin/Leipzig 1929; Fritz Nordsieck, Grundlagen derOrganisationslehre, Stuttgart 1934.

397 Erich Kosiol, Organisation der Unternehmung,Wiesbaden 1962.

Tabelle 3

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

186

Aufgabe/Objekt Objekt der Orga-nisation sindbetrieblicheGrundvorgänge(Prozesse). Rege-lung der Arbeits-teilung und vonAbläufen.

Gebiete: Rechts-formenwahl,Standortwahl,innerbetrieblicheOrganisation.Hinsichtlich die-ser: Arbeitstei-lung, Arbeitsver-einigung, Spezia-lisierung,Kooperation.

KoordinationmenschlicherArbeitsleistungenzur Erledigungvon Daueraufga-ben. ZielbezogeneTrennung undVereinigung vonObjekten. Struk-tur- und Prozess-aspekte (Voraus-planen undInkraftsetzen).

Ziel Erwerbswirt-schaftliches Prin-zip. In der Orga-nisation: Allge-meineVerfahrensregelnsuchen, auch ausder Praxis heraus.

Kombination vonKapital und Ar-beit unter Beach-tung der Wirt-schaftlichkeitsbe-dingung und vonNebenbedingun-gen

Lösung einerAufgabe, d. h.eines sozial-objektiviertenZieles.

Nebenbedingun-gen

Organisationwird als Quelleeigener Problemeausgeschaltet;Kompetenzsys-tem und Kom-munikations-system.

Rationale Be-dingtheiten desBetriebes (Tech-nik; Ertragsgeset-ze) und irrationa-le Bedingtheitender Unterneh-mung (Marktab-hängigkeit)

SanktionierteNichtbefolgungvon Regelungen,die Störungenverursachen

Hilfsmittel Mittel und Ein-richtungen,Rechnungswesen

Technik, Mittel Ressourcen

Besonderheiten Es soll die Unter-nehmung beineutralisierterOrganisationuntersucht wer-den.

Auf das „scienti-fic management“von Taylor wirdausdrücklich,aber distanzie-rend hingewiesen

Daueraufgabenunterliegen Ob-jekt-, Rhythmus-und Zielwandel.

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Überblick 6.1

187

Dass die Organisationsforschung in Deutschland einen nur eingeschränktenStellenwert in dieser Zeit einnimmt, wird aus drei Ursachen erklärt: DerAusblendung von Erkenntnissen sozialwissenschaftlicher Nachbardiszipli-nen, der strikten Grenzziehung zu den Ingenieurwissenschaften und einerfehlenden Nachfrage nach organisationsökonomischen Erkenntnissen, wo-für verschiedene situative Umstände – z. B. Reduzierung des Wettbewerbs-drucks durch Kartellbildung oder staatliche Regulierungen - verantwortlichgemacht werden.398

(2) Von erheblicher Bedeutung für das bis 1969 in Deutschland einheitlichals „Absatzwirtschaft“ bezeichnete Gebiet sind die Beiträge anglo-amerikanischer Wissenschaftler zur Theorie der Preisbildung in unvollkom-menen Märkten mit wenigen Anbietern, also des Polypols oder des Oligo-pols. Die Unvollkommenheit äußert sich in dem Angebot nicht völlig identi-scher, aber der Erfüllung einer Art von Bedürfnis dienender Produkte.

Im Jahre 1926 war erneut399 der Hinweis erfolgt, dass Formen eines monopo-listischen Wettbewerbs größere Aufmerksamkeit verdienten, weil der Wett-bewerb in der Realität irgendwo zwischen Monopol und vollkommenemMarkt liege.400 Offenbar war damit eine Art von Puzzle bezeichnet, dessenLösung etwa zeitgleich mehrere Wissenschaftler herausforderte. In den USAerschien 1933 die „Theory of Monopolistic Competition“401, im selben Jahr inEngland „Economics of Imperfect Competition“402 und im folgenden Jahr inDeutschland „Marktform und Gleichgewicht“403. Für Schumpeter ist dies „astriking proof of the intellectual, still more than practical, need for this typeof theory and a not less striking illustration of how the logic of the scientificsituation may drive different minds along similar lines of advance.”404 In denBeiträgen, denen eine sehr große Zahl von Arbeiten in den folgenden Jahr-zehnten folgt, müssen vier Fragen befriedigend beantwortet werden: (1) Wie

398 Erich Frese, Organisation – Hundert Jahre Betriebswirtschaftliche Organisations-wissenschaft in Deutschland: Aus der nationalen Nische in die Welt der internatio-nalen Paradigmen, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Entwicklungen der Betriebs-wirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002,S. 223-246, hier S. 227f.

399 Zur Geschichte der Marktformenlehre vgl. Dieter Schneider, Betriebswirtschaftsleh-re, Bd. 4: Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaften,München/Wien 2001,S. 726ff.

400 Piero Sraffa, The Laws of Returns under Competitive Conditions, The EconomicJournal, Vol. 36, 1926, S. 535-550.

401 Edward Hastings Chamberlain, The Theory of Monopolistic Competition. A Re-orientation of the Theory of Value, Cambridge/MA 1933.

402 Joan Violet Robinson, Economics of Imperfect Competition, London 1933.403 Heinrich von Stackelberg,Marktform und Gleichgewicht, Berlin 1934.404 Joseph Schumpeter, History of Economic Analysis,New York 1954, S. 1150.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

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sind die Zustände zwischen vollkommenem Wettbewerb und Monopol zubeschreiben? (2) Welche Verhaltensweisen können die voneinander abhän-gigen Anbieter (bzw. Nachfrager) an den Tag legen? (3) Welche Gleichge-wichtspreise bilden sich bei diesen Annahmen? (4) Sind eher die Preise oderdie Mengen die jeweiligen Aktionsvariablen? Daran schließen sich weitereFragen an, wie etwa die der Begründung der Macht der Anbieter oder derWirkung von Werbung usw. In der Diskussion werden Vorstellungen ent-wickelt, die später in anderer Form wieder auftreten werden. So wird dieunstetige Nachfragefunktion für das Oligopol plausibel gemacht405, die spä-ter mit gänzlich anderer Begründung bei Gutenberg erscheint. Oder es wirdauf Wechselkosten der Nachfrager hingewiesen,406 die später in der Interpre-tation der Gutenbergschen Preis-Absatz-Funktion durch Albach eine erwei-terte Rolle spielen.

Die Abgeschlossenheit der verwandten Disziplinen der Volks- und der Be-triebswirtschaftslehre voneinander mag erklären, dass diese Diskussionendie Betriebswirtschaftslehre zunächst nicht erreichen. Ihre an Preispolitikinteressierten Vertreter sind vor allem in den dreißiger und vierziger Jahrenganz überwiegend damit befasst, kostenbasierte Kalkulationsmodelle zuentwerfen, zu erklären oder hinsichtlich ihrer Wirkungen zu beschreiben.

6.1.10 Ein Neubeginn

Natürlich hat der Zusammenbruch des Dritten Reiches im Jahre 1945 auchdie Universitäten empfindlich getroffen, soweit diese überhaupt noch phy-sisch erkennbar waren und mit verbliebenen oder aus Krieg und Kriegsge-fangenschaft zurückkehren Hochschullehrern mit Genehmigung der jewei-ligen Besatzungsmächte ihren Lehrbetrieb wieder aufnahmen.407 Die Ge-nehmigung erstreckt sich auch auf die Feststellung persönlicher Belastungs-freiheit von formaler oder aktiver Unterstützung des Nationalsozialismus.Selbst eine nur formal und zur Sicherung einer Anstellung erklärte Mitglied-

405 George J. Stigler, The Kinky Oligopoly Demand Curve and Rigid Prices, The Jour-nal of Political Economy, Vol. 55, 1947, S. 432-449.

406 Nicholas Kaldor, Market Imperfection and Excess Capacity, Economica, Vol. 2,1935, S. 33-50.

407 Von den vertriebenen Hochschullehrern kehrten nur drei zurück: EduardGaugler/Peter Mantel, Auslandskontakte der Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich,Manuskript Mannheim 2006, S. 35; erweiterte Fassung des Beitrags „InternationaleKontakte der deutschen Betriebswirtschaftslehre im Dritten Reich (1933-1945) inMichael-Jörg Oesterle/Joachim Wolf, Hrsg., Internationalisierung und Institution,Wiesbaden 2005, S. 449-480), S. 8f.

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Überblick 6.1

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schaft in der Partei konnte zur vorläufigen oder schließlich endgültigenEntlassung aus dem Amt des Professors führen, auch wenn gutachtlich dieDistanz zur nationalideologischen Ideologie festgestellt wurde.408

Zum Neubeginn war auch eine Wiedererrichtung der für die Wissenschaftessentiellen Institutionen erforderlich. Die Wiederbegründung des „Verbandder Hochschullehrer für Betriebswirtschaft“ wird 1948 vorbereitet und imdarauf folgenden Jahr vollzogen, die führenden Zeitschriften werden ab1949 wieder herausgegeben und verlegt und die Fakultäten nehmen ihreArbeit wieder auf.409 Die Anzahl der Professoren der Betriebswirtschaftsleh-re entwickelt sich rasant. Aus Sicht der Forschung ist es ein Unglück, dassdie Zahl der Studierenden noch stärker wächst. Das führt ab den siebzigerJahren des 20. Jahrhunderts zu einer Situation, die als Höchstauslastung undals Überauslastung auch offiziell beschrieben wird.410

Für die Darstellung der Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre tritt inDeutschland eine besondere Schwierigkeit auf. Die ab 1949 in zwei deut-schen Staaten immer stärker wirksam werdende Beeinträchtigung des wis-senschaftlichen Austauschs und die ganz unterschiedlichen gesellschaftli-chen Entwicklungen in den Staaten lassen es nicht zu, eine gemeinsameEntwicklung der Betriebswirtschaftslehre zu beschreiben. Zunächst richtetsich die Politik auf die Abschaffung des Faches aus.411 Die „sozialistischeBetriebswirtschaftslehre“, wie sie im Rahmen des Planungssystems der DDRentwickelt wurde, kann hier nicht Gegenstand der Darstellung sein. Das giltumso mehr, als die Systementwicklung in der DDR mehrere Phasen durch-laufen hat, die jeweils mehr oder weniger Planvorgaben für Betriebe vorsa-hen.412 So schienen 1951 betriebswirtschaftliche Lehrstühle eher überflüssig,

408 Vgl. hierzu: Fred G. Becker/Heiko Nikolaus Lorson, Gutenberg in Jena, Baden-Baden 1996.

409 Edwin Rühli, Betriebswirtschaftslehre nach dem zweiten Weltkrieg, in: EduardGaugler/Richard Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 JahreFachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 111-133, hier S. 113f.

410 Zur Situation vgl.: Klaus Brockhoff/Jürgen Hauschildt, Plädoyer für eine bedürf-nisgerechte Differenzierung der Ausbildung in der Betriebswirtschaftslehre, Zeit-schrift für Betriebswirtschaft, Ergänzungsheft 3/1993, S. 27-40.

411 Eindrucksvoll sind hier die Originalzitate bei: Dieter Schneider. Betriebswirtschafts-lehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 236.

412 Es existierten verschiedene Lehrbücher und Zeitschriften (Finanzwirtschaft,Volkswirtschaftliche Planung, Wirtschaftswissenschaft sind entsprechende Titel) inder DDR, die sich eng an Vorgaben aus der Sowjetunion anlehnten. Drei Lehrbü-cher aus den ersten Jahren seien beispielhaft erwähnt: Autorenkollektiv, PolitischeÖkonomie, 1.A., Berlin 1955, 5.A., Berlin 1964, S. 441ff.; H. Arnold/H. Borchert/J.Schmidt, Ökonomik der sozialistischen Industrie in der DDR, 7.A., Berlin 1961; S. E.Kamenizer, Organisation und Planung des sozialistischen Industriebetriebes, Berlin 1955.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

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weil die Betriebe in die staatliche Planung eingebunden waren. „Ende der60er Jahre wurden Bestandteile der Betriebswirtschaftslehre in die „Marxis-tisch-Leninistische Organisationswissenschaft“ aufgenommen, um das „ö-konomische System des Sozialismus“ als Variante des „neuen ökonomi-schen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ zu unterstüt-zen. Ab 1973 stand fest, dass auch der sozialistische Staat nicht ohnebetriebswirtschaftliche Forschung und Lehre auskam, und es entstandenerneut betriebswirtschaftliche Lehrstühle.“413 Der verbindliche ideologischeRahmen reduziert allerdings die Bedeutung der Ansätze sozialistischerBetriebslehren für marktwirtschaftliche Systeme. Vermutlich sind daraufauch die Qualifikationsdefizite ostdeutscher Geschäftsführer in Transforma-tionsunternehmen zurückzuführen.414

Eine Beschränkung auf die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschlanddroht demgegenüber in der Vielzahl konkurrierender wissenschaftlicherAnsätze verloren zu gehen. Tatsächlich wird beklagt, dass der Gedankeeiner „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“ verloren geht, der bis dato alsAusgangspunkt unterschiedlicher Spezialisierungen ausgemacht werdenkonnte. Diese Spezialisierungen sind weniger Branchenlehren (bei weiterInterpretation des Begriffs ist die Einbeziehung von Organisationen ohneGewinnerzielungsabsicht allerdings erwähnenswert), wie in der Vergan-genheit, sondern vielmehr Funktionenlehren (Absatz, Produktion, Finanzie-rung usw.) oder situative Ansätze (Betriebswirtschaftslehre der Gründung,Wachstumslehre, Umweltorientierte Betriebswirtschaftslehre usw.). DerVersuch einer Verständigung auf eine „Allgemeine Betriebswirtschaftsleh-re“ auf der Jahrestagung des „Verbands der Hochschullehrer für Betriebs-wirtschaft“ in Münster 1989 war jedenfalls nicht nachhaltig. Im folgendenKapitel 7 wird hierauf noch einmal eingegangen. Auch die Verfolgung derverschiedenen Äste der Spezialisierung kann hier nicht erfolgen, zumal dietheoretischen Grundlagen konkurrierend sind.

Die Umstellung von einer gelenkten Wirtschaft auf eine Marktwirtschaftbrachte den Unternehmen ebenso betriebswirtschaftliche Probleme wie dieUmstellung im Geldwesen auf die 1948 eingeführte Deutsche Mark (D-

Aus westlicher Sicht vgl.: Hannsjörg Buck, Technik der Wirtschaftslenkung in kommu-nistischen Staaten, Bd. 2, Coburg 1969. Ein erfahrungsgestützter Rückblick: KlausTragsdorf, Organisationsarbeit in Industriekombinaten und –betrieben der DDR,Journal of East European Management Studies, 7. Jg., 2002, S. 57-78.

413 Heribert Meffert, Betriebswirtschaftslehre in den Siebziger- und Achtzigerjahren,in: Eduard Gaugler/Horst Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre.100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 135-164, hierS. 138.

414 Horst Albach, Zerrissene Netze. Eine Netzwerkanalyse des ostdeutschen transformati-onsprozesses, Berlin 1993.

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Überblick 6.1

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Mark). Damit war unter anderem die Aufstellung einer D-Mark-Eröffnungsbilanz verbunden, in der eine Neubewertung der Aktiva undPassiva vorzunehmen war. Dies wurde von einer Vielzahl von Gesetzen undVerordnungen begleitet. Das konnte beispielsweise dazu führen, dass bereitsvoll abgeschriebene Gegenstände des Anlagevermögens nach ihrer Neube-wertung erneut abgeschrieben werden konnten.

Für die ersten zwei Jahrzehnte nach dem Kriegsende ist die Darstellung derBetriebswirtschaftslehre noch überschaubar. Die Mehrzahl der Betriebswirteknüpft an den Traditionen der auf das Rechnungswesen schwerpunktmäßigausgerichteten Betriebswirtschaftslehre der Vorkriegszeit an. Das geschiehtdurchaus als Weiterentwicklung, oft aber in der Tradition einer der Praxisstark verhafteten Kunstlehre. Zwei Beispiele für Weiterentwicklungen mö-gen dies illustrieren. (1) Die 1926 dargestellte „Bewegungsbilanz“415 mündetin Kapitalflussrechnungen. Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhundertswerden sie von einem Drittel der größeren Aktiengesellschaften publi-ziert.416 Heute gehören sie zum Standard der Berichterstattung. (2) Das in-terne Rechnungswesen ist durch die Entwicklung der Grenzplankosten-,Einzelkosten-, Deckungsbeitrags- und Prozesskostenrechnungen als Ent-scheidungsgrundlage des Managements erheblich weiterentwickelt worden.Die von Eugen Schmalenbach angeregte Grenzplankostenrechnung417 wurdebesonders von H.-G. Plaut ausgebaut und in die Unternehmen auf demWege der Beratung eingeführt.418 Sie hat, ebenso wie die Einzelkostenrech-nung Riebels, breite Aufnahme in die Systeme R/2 und R/3 von SAP gefun-den.419 In der weltweiten Verbreitung der Softwareangebote bleibt der Ur-sprung in der Forschung verborgen.

415 W. Bauer, Die Bewegungsbilanz und ihre Anwendbarkeit, insbesondere als Kon-zernbilanz, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 20. Jg., 1926, S. 485-544.

416 Walter Busse von Colbe, Aufbau und Informationsgehalt von Kapitalflussrech-nungen, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 36. Jg., 1966, Ergänzungsheft 1, S. 82-114.

417 Eugen Schmalenbach, Buchführung und Kalkulation im Fabrikgeschäft, Leipzig 1928.Das Buch geht auf Beiträge in der „Deutsche Metall-Industrie-Zeitung“ ab 1899 zu-rück.

418 H.-G. Plaut, Grenzplankosten- und Deckungsbeitragsrechnung als moderne Kos-tenrechnungssysteme, in: W. Männel, Hrsg., Handbuch Kostenrechnung, Wiesbaden1992, S. 203-225.

419 H. Müller, Prozeßkonforme Grenzplankostenrechnung als Plattform neuererAnwendungsentwicklungen, Kostenrechnungspraxis, 1994, S. 112-119. W. Sinzig, Re-lative einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung im SAP-System, Kostenrech-nungspraxis, 1994, S. 52-54.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

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Ganz anders, nämlich wirtschaftstheoretisch sind die Arbeiten von ErichGutenberg begründet.420 Gutenberg ist – neben den oben schon erwähntenEinflüssen von Vorgängern - von den theoretischen Arbeiten von ErichSchneider und Heinrich von Stackelberg beeindruckt, die er in den dreißigerJahren lesen konnte. Die Vorarbeiten zu seinen „Grundlagen“ beginnendeshalb bereits 1935, das Manuskript der beiden ersten Bände ist im Winter1948 auf 1949 fertig.421 Die Entstehungszeit zu erwähnen ist wichtig. Sie wirftnämlich ein zusätzliches Licht auf diese für wenigstens zwei bis drei Jahr-zehnte nach ihrer Veröffentlichung maßgebenden und einflussreichstenWerke deutscher betriebswirtschaftlicher Literatur. Die heftige Diskussionim sogenannten „Methodenstreit“ (die ebenfalls bereits oben erwähnt wur-de) hat am Ende die Überlegenheit der Arbeiten in methodischer und inhalt-licher Sicht bei der Erklärung von Fragen gezeigt, die sich mit herkömmli-chen Mitteln nicht ebenso schlüssig beantworten ließen.

420 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion,Berlin/Heidelberg/New York 1951; Bd. 2: Der Absatz, ebenda, 1955; Bd. 3: Die Finan-zen, ebenda 1969.

421 Horst Albach, Hrsg., Zur Theorie der Unternehmung. Schriften und Reden von ErichGutenberg. Aus dem Nachlass, Berlin et al. 1989, S. 55, 57.

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Überblick 6.1

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Auszug aus einem handgeschriebenen Lebenslauf von Professor Gutenberg (Quelle:Albach, Zur Theorie der Unternehmung, 1989, S: 282f.)

Abbildung 44

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Im ersten Band wird zunächst ein System von Produktionsfaktoren entwi-ckelt. Es umfasst als „Elementarfaktoren“ die menschliche Arbeitsleistung,die Betriebsmittel und den Werkstoffeinsatz. Diese werden zur Erzielungoptimaler Ergiebigkeit der Prozesse durch eine „Geschäfts- und Betriebslei-tung“ als dispositivem Faktor planerisch zusammengeführt und durch Or-ganisation zum Einsatz gebracht. Der Produktionsprozess bildet die Kombi-nation der Produktionsfaktoren ab. Neu ist hier die Entwicklung eines Pro-duktionsprozesses für die industrielle Produktion aus denEinsatzbedingungen der Produktionsfaktoren an Aggregaten heraus, wobeidiese mit unterschiedlicher Intensität genutzt werden können. Das führtunmittelbar zu der Frage der daraus abzuleitenden Kostenfunktionen. Kos-tenfunktionen werden also nicht mehr einfach als solche betrachtet, sondernals aus den Produktionsbedingungen resultierend. Da Aggregatebestand,zeitliche Nutzung der Aggregate und Intensität ihres Einsatzes variabelsind, wird anschließend auf die Frage nach der kostenminimalen Anpassungder Produktion an wechselnde Beschäftigungsniveaus eingegangen. DieAggregate sind durch technische Eigenschaften gekennzeichnet, die in derBetrachtung als unverändert angenommen werden. Das Werk schließt mitder schon erwähnten Betrachtung der Unterschiede von Unternehmen undBetrieb.

Die limitationale, d. h. allein von der zu erstellenden Ausbringung abhängi-ge Faktoreinsatzmenge jedes Produktionsfaktors ist, mit den Faktorpreisenbewertet, die Grundlage für die Kostenbestimmung. Damit wird eine Theo-rie der variablen Kosten der Produktion vorgelegt. Dass die Faktoreinsatz-menge r eines n-ten Faktors bei j = 1, 2, …, m Aggregaten von der am jewei-ligen Aggregat eingestellten Intensität dj = j(x) abhängt, wobei x die ge-wünschte Aggregatleistung ist, wird durch die Gleichung

))x(j(m

jnjf

m

jnjrnjr �

��

�� ��

11

ausgedrückt. Darin ist f(·) Symbol für eine Funktion, nämlich die sogenannteVerbrauchsfunktion. Allein der hier verwendete mathematische Symbolap-parat war aus zeitgenössischer Sicht für die Kritiker äußerst anstößig.

Diese Verknüpfung von Produktions- und Kostentheorie hilft bei der Be-antwortung wesentlicher Fragen an die Kostenverläufe in der Industrie. Soerklärt sie die Möglichkeit sogenannter S-förmiger Kostenfunktionen aus U-förmigen Verbrauchsfunktionen bei ausschließlich intensitätsmäßiger An-passung. Sie macht zugleich deutlich, dass der S-förmige Verlauf im Bereichkleiner Ausbringungsmengen zugunsten eines wirtschaftlicheren Verlaufs

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Überblick 6.1

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aufgegeben werden kann, sobald zeitliche Anpassung zugelassen wird.422

Die Produktions- und Kostentheorie sind als duale Ansätze erkannt wor-den.423 Die Produktions- und Kostentheorie der einstufigen Einproduktpro-duktion ist auf komplexe Situationen ausgeweitet worden.424

Der zweite Band der „Grundlagen“ ist ebenso systematisch aufgebaut wieder erste. In einem ersten Teil werden die Aufgaben der Geschäftsleitung inder Absatzpolitik dargestellt, die sich auf Prognose (durch Marktforschunggestützt), Planung und Organisation erstrecken. Ein besonderer Punkt giltden Absatzkosten. Im zweiten Teil werden die absatzpolitischen Instrumen-te dargestellt und ihre Wirkungen beschrieben. Es sind die Absatzmethode(Vertriebssysteme, Absatzformen und Absatzwege), die von den jeweiligenMarktformen bestimmte Preispolitik, die Produktgestaltung und die Wer-bung. Im Schlusskapitel wird auf die optimale Kombination der Instrumenteeingegangen.

Wenn später in der angelsächsischen Literatur von den 4P (place, price,product, promotion) gesprochen wird, so kann man diese auch hier finden.Besonders originell ist in der Preispolitik die doppelt geknickte Preis-Absatz-Funktion für den Fall des unvollkommenen Oligopols und des Poly-pols. Es werden Reaktionserwartungen für die Wettbewerber in solchenMärkten dargestellt, die sich auf die von Cournot gelegten Grundlagenbeziehen. Neu ist die am Beispiel des Autohandels entwickelte Vorstellungeiner solchen Funktion mit reaktionsbehafteten und einem reaktionsfreienoder autonomen Bereich. Dafür werden Grenzerlöse abgeleitet und bei ent-sprechenden Kostenkurven auch die Gewinnverläufe sowie die Gewinnop-tima. Diese Vorstellungen haben sich als äußerst fruchtbar erwiesen, um vorallem besser verstehen zu lernen, dass auf den betrachteten Märkten in derRealität gleichgerichtete Preisentwicklungen von Wettbewerbern auch ohneAbsprache aus der durch Gewinnmaximierung diktierten Rationalität in dergegebenen Situation folgen oder Positionen mit divergierenden Preisen ausrationalen Gründen nicht aufgegeben, die Preise also nicht angeglichenwerden.425 Erschlossen wurden auch die Absatzsituationen, in denen auf-

422 Wolfgang Schüler, Kostenoptimaler Anlageneinsatz bei mehrstufiger Mehrpro-duktfertigung, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 445. Jg., 1975, S. 393-406.

423 Klaus-Peter Kistner/Alfred Luhmer, Die Dualität von Produktionsplanung undKostenverrechnung bei komplexen Produktionsstrukturen, Zeitschrift für Betriebs-wirtschaft, 47. Jg., 1977, S. 767-786. ders./Susanne Sonntag, Ansätze einer Theorie derGutenberg-Produktionsfunktion, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 63. Jg., 1993, S.1297-1329.

424 Josef Kloock, Betriebswirtschaftliche Input-Output-Modelle, Wiesbaden 1969.425 Horst Albach/Norbert Kloten, Gutachtliche Stellungnahme zu der Preispolitik auf demFarbstoffmarkt in der EWG in der Zeit von 1964 bis 1967, Tübingen 1973; Horst Albach,

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grund einer entsprechenden Verteilung der Anbieterwechselkosten bei denNachfragern die wettbewerbsfreien Bereiche und den wettbewerbsträchti-gen Bereich im Vergleich zum Gutenbergschen Ansatz genau ausgetauschthaben.426

Auch der dritte Band der „Grundlagen“ folgt einem strengen Gliederungs-schema. Der Kapitalbedarf eines Unternehmens wird zunächst aus denProduktionsbedingungen abgeleitet. Sodann wird der Kapitalfonds darge-stellt, der die Möglichkeiten der Kapitalbedarfsdeckung systematisch erfasst.Im Schlussteil wird die optimale Abstimmung von Kapitalbedarf und Kapi-taldeckung behandelt. Sie muss das finanzielle Gleichgewicht jederzeit si-chern.

Dieser Band ist weniger einflussreich als die beiden vorangehenden. Daskann damit erklärt werden, dass die amerikanische Kapitalmarkttheoriezum Zeitpunkt seines Erscheinens bereits wesentlichen Einfluss gewonnenhat. Dieser Auffassung gegenüber ist bei Gutenberg die Erfahrung veran-kert, dass auf unvollkommenen Kapitalmärkten die Unternehmensrisikennicht einfach durch Zuschläge zum risikolosen Zins behandelt werden.Vielmehr sind Dispositionen der Geschäftsleitung erforderlich, um die op-timale Abstimmung zwischen güterwirtschaftlicher Sphäre und Finanzsphä-re herbeizuführen.427 Dabei ist das „erwerbswirtschaftliche Prinzip“ zu be-achten.

Die Gutenbergschen „Grundlagen“ haben sich als hervorragende Instru-mente zur Lösung von „puzzles“ in den von ihnen jeweils angesprochenenProblembereichen erwiesen. Sie haben zu vielen Weiterentwicklungen ange-regt, was besonders für die beiden ersten Bände gilt. Vor allem aber habendie „Grundlagen“ die Betriebswirtschaftslehre wieder mit einer tragfähigenTheorie versehen. Ihr Ziel ist es, der Praxis Hinweise auf ein Optimierungs-handeln zu vermitteln, das „nicht nur auf Wirklichkeitsnähe, sondern auchauf Richtigkeit“ zielt.428 Das Unternehmen als Ganzes zu betrachten ist dabei

Market Organization and Pricing Behaviour of Oligopolistic Firms in the EthicalDrugs Industry, Kyklos, Vol. 32, 1979, S. 523-540; Klaus Brockhoff, Die Bewährungvon Gutenbergs Preis-Absatz-Funktion im Zigarettenmarkt, Zeitschrift für Betriebs-wirtschaft, 58.Jg., 1988, S. 828 - 838.

426 Klaus Brockhoff, On a Duopoly with a Doubly Kinked Demand Function, Zeit-schrift für die gesamte Staatswissenschaft, 124. Bd., 1968, S. 451-466.

427 Damit setzt sich auseinander: Jan Piet Krahnen, Finanzierungstheorie: Ein selekti-ver Überblick, in: Horst Albach et al., Hrsg., Die Theorie der Unternehmung in For-schung und Praxis, Berlin/Heidelberg 1999, S. 93-124.

428 Dazu: Horst Albach, Zur Theorie der Unternehmung. Schriften und Reden von ErichGutenberg. Aus dem Nachlass. Berlin 1990, S. 30.

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das durchgängige Kompositionsprinzip der Gutenbergschen Theorie. “Thecentre of Gutenberg’s theory is the proposition that the firm is an economi-cally autonomous unit which, on its own responsibility, efficiently, combinesfactor inputs in satisfying the demand for the output of this combinationprocess in order to optimise its economic objective function.”429

Der Unterschied zu der durch Eugen Schmalenbach repräsentierten Be-triebswirtschaftslehre ist neben dem methodischen Vorgehen ein Grund fürdie Wahrnehmung von Erich Gutenberg als Revolutionär in der Betriebs-wirtschaftslehre. Im Anschluss an Horst Albach können die beiden Para-digmen wie folgt charakterisiert werden:430

Eugen Schmalenbach Erich GutenbergUnternehmensziel Gemeinwirtschaftliche

WirtschaftlichkeitErwerbswirtschaftlichesPrinzip

Beschaffungsmärkte Unvollkommen VollkommenAbsatzmärkte Vollkommen UnvollkommenVerhalten derBeschäftigten

? Rational, teamorientiert

Alle diese Unterschiede können auch als Übergänge von Verkäufer- zu Käu-fermärkten und von Märkten mit großen Unvollkommenheiten zu solchenmit geringen Unvollkommenheiten interpretiert werden. Das spiegeltzugleich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unternehmerischer Tä-tigkeit, die der Vorgänger und sein Nachfolger auf demselben Lehrstuhl derUniversität zu Köln in ihren Arbeiten berücksichtigten. Das Verhalten derBeschäftigten wird bei Gutenberg im Sinne einer Übereinstimmung derpersönlichen Ziele mit denen des Unternehmens angenommen. Wird dieseAnnahme aufgegeben, so folgen daraus weitere Ansätze: Im entscheidungs-orientierten Ansatz sollen die individuellen Entscheidungen und Entschei-dungsgrenzen in einem grundsätzlich produktivitätsorientierten Unterneh-men berücksichtigt werden.431 Grundlagen für die Untersuchung zielgerich-teten Handelns sind Analysen des Entscheidungsverhaltens und derEntscheidungslogik bei Entscheidungen unter Sicherheit oder Unsicherheit.Dieser Ansatz ist nicht allein wirtschaftlich orientiert, sondern verhaltens-

429 Horst Albach, Business Administration: History in German-Speaking Countries,in: Handbook of German Business Management, Vol. I, Stuttgart et al. 1990, Sp. 246-270,hier Sp. 252.

430 Ebenda, Sp. 253f.431 Edmund Heinen, Grundfragen der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre,München 1976.

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wissenschaftlich. Im systemtheoretischen Ansatz wird die Leistung der Unter-nehmensleitung in der Zielbildung und ihrer Problemlösungskapazität inden Mittelpunkt gerückt, die aber die Aktivitäten der übrigen Mitarbeiter zuberücksichtigen hat.432 Alle Handelnden beeinflussen sich wechselseitig.Diese Verflechtungen werden in einem System von Regelkreisen abgebildet,die auf sie einwirkende Impulse verstärken oder abschwächen können. DasZiel ist ein kybernetisches (sich selbst steuerndes) System, das die Entwick-lung des Unternehmens in bestimmten Grenzen hält. Eine der vielenSchwierigkeiten der Modellierung eines solchen sozialen Systems ist seineOffenheit. Im koalitionstheoretischen Ansatz sind die einzelnen Ziele der Un-ternehmensbeteiligten aufeinander abzustimmen, wofür die Unternehmens-leitung Macht und Anreize einsetzt.433 Letztere müssen, um den Koordinati-onserfolg zu sichern, von den Empfängern als ihrem jeweiligen Einsatz fürdas Unternehmen nutzengleich wahrgenommen werden. Diese Ansätze sindnicht in erster Linie produktivitätsorientiert, sondern verhaltensorientiert.Sie nehmen damit Gedanken auf, die in der amerikanischen verhaltensorien-tierten Managementforschung große Bedeutung haben.434 Grundlegend fürdiese Betrachtungsweisen ist das Individualverhalten als Ausgangspunkt,um von dort aus ein Verständnis für Verhalten in Organisationen zu entwi-ckeln (methodischer Individualismus). In diesen Sichtweisen sind nur be-schränkt Spezialfälle der Gutenbergschen Betrachtung zu erkennen, wieAlbach meint.435 Es wird im Kern ein ganz anderer, nämlich nicht eigentlichökonomischer Ansatz bereitgehalten. Deshalb seien sie kritisch zu betrach-ten, wie Schneider argumentiert.436 Die drei Ansätze weisen auf Entwicklun-gen hin, durch die der produktivitätsorientierte Ansatz Gutenbergs in derFolgezeit überwunden werden sollte.

Die eben genannten Ansätze erscheinen in den siebziger Jahren des 20. Jahr-hunderts. Bis dahin ist der Ansatz von Erich Gutenberg dominant. Trotz derÜbersetzungen seiner Werke in fremde Sprachen ist außerhalb des deut-

432 Hans Ulrich, Die Unternehmung als produktives soziales System, Bern/Stuttgart 1968.433 Werner Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 1-3, 2.A.,Wiesbaden 1977.

434 Herbert A. Simon, Administrative Behavior. A Study of Decision Making Process inAdministrative Organization. New York 1945; James G. March/Herbert A. Simon, Or-ganizations, New York 1958; Richard M. Cyert/ James G. March , A behavioral theoryof the firm, Englewood Cliffs/NJ 1963. Zur Kritik, unter Einschluss der entschei-dungsorientierten Richtung, u.a.: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Ge-schichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 257ff.

435 Horst Albach, Business Administration: History in German-Speaking Countries,in: Handbook of German Business Management, Vol. I, Stuttgart et al. 1990, Sp. 246-270,hier Sp. 255.

436 Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3.A., 2. Nachdruck, Mün-chen/Wien 1994, S. 190f.

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Überblick 6.1

199

schen Sprachraums keine ebenso mächtige Wirkung wie innerhalb zu ver-zeichnen. Zwei Entwicklungen laufen nun zusammen: (1) Der wieder aufle-bende wissenschaftliche Austausch mit dem Ausland bringt deutsche Be-triebswirte in Berührung mit Strömungen, die im eigenen Lande nur wenigbekannt sind. Das wurde im Abschnitt 6.1.9 für zwei Felder exemplarischgezeigt. (2) Es entsteht der Eindruck, dass die mit der wirtschaftlichen undgesellschaftlichen Entwicklung auftretenden Fragen mit den herkömmlichenAnsätzen nicht mehr beantwortet werden können. So entstehen neue Ansät-ze und neue Strömungen.

Bei der Darstellung dieser Strömungen wird radikal vereinfacht, wenn nurvon zweien die Rede ist: (1) einer „Managementlehre unter den Fittichen derVerhaltens- und Sozialwissenschaften“ und (2) einer auf der Wirtschaftsthe-orie aufbauenden Betriebswirtschaftslehre.437 Der ersteren werden die Funk-tionenlehren der Organisation, des Personalwesens, der Unternehmensfüh-rungslehre, der Absatzwirtschaft und des Controlling zugeordnet. In derzweiten soll die Institutionentheorie von Organisationen und Märkten sowiedie mikroökonomisch fundierte und später auf der Kapitalmarktorientie-rung aufbauende Investitions- und Finanzierungstheorie ihren Platz gefun-den haben.438 Mit dieser Aufspaltung in unterschiedliche Richtungen sei derAuflösungsprozess der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre einhergegan-gen, meint Meffert.439 Vereinfacht ist diese Darstellung aus mehreren Grün-den. Erstens ist keine Funktionenlehre so homogen entwickelt, dass sie alleineiner dieser Strömungen zuzuordnen wäre. Am Beispiel der Absatzwirt-schaft oder des Marketing, wie diese Funktionenlehre seit der entsprechen-den Benennung des Münsteraner Lehrstuhls im Jahre 1969 durch HeribertMeffert auch in Deutschland allgemein heißt, lässt sich dies sehr gut zeigen.Es kommen zeitgleich psychologisch orientierte Ansätze und solche vor, diewirtschaftstheoretisch geprägt sind. Ersteres zeigt sich beispielsweise in denArbeiten zum Konsumentenverhalten,440 letzteres an denen zur Marketing-

437 Später formuliert Schneider: „eine Managementlehre, die auf eine verhaltens- undsozialwissenschaftliche Integration hinarbeitet und deren methodologische Grund-lagen auf Holismus beruhen; eine aspektbezogene Einzelwirtschaftstheorie, die aufLeitbilder zur Marktkoordination setzt und hierbei methodologischem Individua-lismus folgt“: Dieter Schneider. Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methodender Wirtschaftswissenschaft, München/Wien 2001,S. 270.

438 Dieter Schneider, Geschichte der BWL, Handwörterbuch der Betriebswirtschaftslehre,6.A., Stuttgart 2007, Sp. 591-599, hier Sp. 598.

439 Heribert Meffert, Betriebswirtschaftslehre in den Siebziger- und Achtzigerjahren,in: Eduard Gaugler/Horst Köhler, Hrsg., Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre.100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte, Stuttgart 2002, S. 135-164, hierS. 138.

440 Werner Kroeber-Riel, Konsumentenverhalten, München 1975. Werner Kroeber-Riel/Peter Weinberg, Konsumentenverhalten, 7.A., München 1999.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

200

Strategie,441 zur Produktpolitik442 oder zur Preisbildung.443 Auch die Fi-nanzwirtschaft hat einen mehr wirtschaftstheoretisch geprägten Teil und mit„behavioral finance“ einen verhaltenswissenschaftlich orientierten Zweig.Solche Beispiele können beliebig vermehrt werden. Zweitens ist in der er-wähnten Zweiteilung nicht ersichtlich, wie beispielsweise empirisch undmathematisch orientierte Ansätze der Erkenntnisgewinnung zu berücksich-tigen sind. Der vielleicht naheliegende Hinweis, das ökonomische Prinzipregiere alle diese Ansätze und ordne sie daher der theoretischen Richtungzu, ist wiederum mit Blick auf den Ausgangspunkt der einen oder anderensozialpsychologischen Arbeit nicht überzeugend. Eine Fülle von Arbeitenzur Organisation, zur Produktionsplanung usw. wie sie in Zeitschriften wie„Management Science“ erschienen sind, wäre einer oder mehreren neuenStrömungen zuzuordnen.

Die Vielfalt der Strömungen ist im Rahmen einer Skizze nicht zu verfol-gen.444 Hier ist auf die Eingangsbemerkung dieses Kapitels zu verweisen.

6.2 Beispiel für die Wissensentwicklung:Die Kostenfunktion

Am Beispiel lässt sich erkennen, wie betriebswirtschaftliches Wissen voran-schreitet und in welcher Weise es an das Beobachtungsobjekt gebunden ist.Das hier ausgewählte Beispiel ist die Entwicklung der Vorstellungen überdie Kostenfunktion bei schwankender Beschäftigung.

(1) Auf die landwirtschaftliche Produktion richtet Anne Robert JacquesTurgot (1727-1781) sein Augenmerk (Abbildung 45). Im Rahmen von „An-merkungen“ über die Vorteilhaftigkeit indirekter Steuern macht der Autorsich auf Beobachtungen gestützte Gedanken über das Verhältnis von Inputs

441 Helmut Schmalen,Marketing-Mix für neuartige Gebrauchsgüte. Ein Simulationsmodellzur Wirkungsanalyse alternativer Preis-, Werbe- und Lizenzstrategien,Wiesbaden 1979.

442 Sönke Albers/Klaus Brockhoff, A Comparison of Two Approaches to the OptimalPositioning of a New Product in an Attribute Space, Zeitschrift für Operations Re-search, Bd. 23, 1979, S. 127-142.

443 Horst Albach, Das Gutenberg-Oligopol, in: Helmut Koch, Hrsg., Zur Theorie desAbsatzes, Erich Gutenberg zum 75. Geburtstag,Wiesbaden 1973, S. 9-34.

444 Kurzdarstellungen bieten nicht nur die Artikel in den Handwörterbüchern, son-dern auch die Beiträge in: Michael Lingenfelder, 100 Jahre Betriebswirtschaftslehre inDeutschland 1898-1998, München 1999; Eduard Gaugler/Richard Köhler, Entwick-lungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsges-chichte, Stuttgart 2002.

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Beispiel für die Wissensentwicklung: Die Kostenfunktion 6.2

201

zu Outputs in der landwirtschaftlichen Produktion. Dabei werden marginaleInputveränderungen von vorausbezahltem Saatgut bei Variation der Feldbe-stellung mit den erzielbaren Outputs verglichen (Abbildung 45).445

Turgot über den Verlauf von Ertragsfunktionen in der Landwirtschaft, 1844

Hier werden also zunächst ansteigende und dann sinkende Grenzerträgedes variablen Faktoreinsatzes beschrieben. Die Ertragskraft des Bodens wirdschließlich erschöpft. Nimmt man nun gegebene Faktorpreise der Feldbestel-lung an, so kann man aus der Schilderung einen Verlauf der Kosten in Ab-

445 Observations sur le mémoire de M. de Saint-Peravy en faveur de l’impôt indirect,couronné par la société royale d’agriculture de Limoges, (vermutlich 1767), in: Eu-gène Daire, Hrsg., Oeuvres de Turgot, Nouvelle Edition, 1. Bd., 1844 (NachdruckOsnabrück 1966), S. 418-432, hier S. 421.

Abbildung 45

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

202

hängigkeit von gewünschten Ertragsniveaus ableiten. Es entsteht das Bildder sogenannten s-förmigen Kostenfunktion oder des ertragsgesetzlichenKostenverlaufs. Der Verlauf ist identisch, gleichgültig ob man ihn aus zu-nehmenden oder abnehmenden Ertragsniveaus ableitet. Die Kosten nehmenbei zunehmender Beschäftigung zunächst unterproportional und anschlie-ßend überproportional zu. Dieses Bild begleitet die betriebswirtschaftlicheKostentheorie bis in die jüngste Zeit hinein. Das ist erstaunlich, weil es füreine bestimmte Branche abgeleitet ist und nicht explizit über die variablenProduktionskosten hinausgeht.

Anne Robert Jacques Turgot, 1727 - 1781

(2) An der letztgenannten Beobachtung anknüpfend wird Dionysius Lardner(1793-1845) das Verdienst zugesprochen, zwischen variablen und fixen Kos-ten zu unterscheiden.446 Offenbar ist diese Quelle wenig bekannt geworden.

446 Dionysius Lardner, Railway Economy: A Treatise on the New Art of Trans-port…,London 1850, hier zitiert nach Dieter Schneider, Allgemeine Betriebswirtschafts-lehre, 3.A:, 2. Nachdruck, München/Wien 1994, S. 126. Derselbe weist darauf hin,dass das Fixkostenproblem auch schon bei dem Römer Marcus Terentius Varro er-kannt wurde (Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4, Geschichte und Metho-den der Wirtschaftswissenschaft,München/Wien 2001, S. 109). Dabei spielt aber weder

Abbildung 46

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Beispiel für die Wissensentwicklung: Die Kostenfunktion 6.2

203

Dasselbe Verdienst wird nämlich auch Eugen Schmalenbach zugesprochen.Er weist darauf hin, dass er erstmals in der Deutsche Metallindustriezeitungvon 1899 auf die Notwendigkeit der Unterscheidung hinwies, sodann inmehreren Folgeveröffentlichungen die Aufmerksamkeit für das Thema zugewinnen versuchte. Hier stützen wir uns auf die Version von 1919.447 Zu-nächst einmal werden Kosten als durch wirtschaftliche Leistungserstellungverursachter (bewerteter, K.B.) Güterverzehr charakterisiert. Um die Wir-kung der Kosten in der Kalkulation darzustellen, erfolgt eine genauere Be-trachtung der Kosten in Abhängigkeit vom „Beschäftigungsgrad“. Ein Blickauf „moderne Fabrikationsbetriebe“ scheint zu zeigen, dass in einigen vonihnen die Kosten sich ungefähr proportional zum Beschäftigungsgrad ver-halten. Es kommen aber auch Betriebe vor, in denen eine Variation des Be-schäftigungsgrades die Kosten praktisch unverändert lässt. Als Beispiel wirdauf den Mautbetrieb einer Brücke verwiesen, was zugleich auch einen Hin-weis auf die Kapazitätsgrenze gestattet. Solche Kosten seien als fix anzuse-hen. Sodann wird das Problem erläutert, das bei einer Umlage fixer Kostenauf die Leistungsmenge entsteht und die darauf gegründete Preiskalkulati-on ad absurdum führt. Nun folgen Hinweise darauf, dass variable Kostensich zur Ausbringungsmenge nicht proportional oder linear verhalten müs-sen, sondern degressiv oder progressiv steigen können, wenn die Beschäfti-gung ansteigt. Progressive Kostenanstiege seien eine Übergangserscheinung,weil die Betriebe ihre Vermeidung durch Kapazitätserweiterung (zeitlicheoder quantitative Anpassung) versuchten.

Gegenüber Turgot ist hier ein geänderter Branchenfokus zu erkennen. DerBoden spielt als Produktionsfaktor keine erkennbare Rolle mehr. Kapitalund Arbeit sind als Faktoren zu betrachten. Es sind unterschiedliche Verläu-fe der Kostenfunktion möglich, nicht allein der S-förmige Verlauf Turgots.Die an Beispielen plausibel gemachten Vorstellungen benötigen trotz deraus heutiger Sicht leichten Eingängigkeit eine lange Zeit, bis sie sich durch-setzen können.

(3) Wie viele Ingenieure beschäftigte auch Kurt Rummel (1883-1953) dieFrage nach der Kostenfunktion. In mehreren Punkten konnte er über denbisherigen Kenntnisstand hinausgehen.

Natürlich beschäftigt Rummel sich mit den Kosteneinflussgrößen und hier-bei insbesondere mit der Beschäftigung. Das ist zunächst statisch. Er nimmtauch ein dynamisches Problem in der Kostenverursachung wahr. Näheres

die Kostenfunktion noch das Problem der Fixkosten in der Kalkulation eine Rolle.Darin sind originäre Beiträge Schmalenbachs zu sehen.

447 Eugen Schmalenbach, Selbstkostenrechnung, Zeitschrift für handelswissenschaftlicheForschung, 13. Jg., 1919, S. 259-299 und 321-356.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

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Interesse erlangt die Beobachtung dessen, was dann Kostenremanenz ge-nannt wird.448 Nimmt man beispielsweise drei unterschiedliche, zeitlichaufeinander folgende Ausbringungsmengen x1 < x2 < x3 an, die zu KostenK(x1) < K(x2) < K(x3) führen. Dann ist bei einer von x 3 aus vorkommendenSenkung der Ausbringung auf x 4 = x 2 und x 5 = x 1 keineswegs zu beobach-ten, dass die Kosten auf die bekannten Werte K(x1) < K(x2) sinken, sondernauf Werte K(x5) < K(x4), wobei K(x2) < K(x4) und K(x1) < K(x5) gelten. Dafürwerden unter anderem verzögerte Anpassung der Arbeitskapazitäten, unterUmständen mit Blick auf künftig erwartete höhere Beschäftigungen und dieVermeidung dann wieder einsetzender Kosten der Herstellung der Betriebs-bereitschaft, ins Feld geführt.449

Sodann wird das Thema der Kalkulation wieder aufgenommen. Durch dielange bekannte Amoroso-Robinson-Relation wird für den Fall ohne Konkur-renzreaktion ein gewinnmaximaler Preis nach der Regel

Preiselastizität * Grenzkosten / (1 + Preiselastizität)

bestimmt. Wir haben schon darauf hingewiesen, dass in Deutschland in dendreißiger Jahren zunehmend eine gelenkte Wirtschaft entstand, in der Preisesich nicht als Ergebnis von Marktprozessen bildeten, sondern grob gespro-chen nach der Formel „Kosten + Gewinnzuschlag“ zu ermitteln waren.Hierbei spielen dann nicht die Grenzkosten die entscheidende Rolle, son-dern die Durchschnittskosten. Bei deren Ermittlung stehen die fixen Kostender Schlüsselung auf die einzelne Ausbringungseinheit im Wege, wie schonSchmalenbach erkannte. Deshalb kommt Rummel zu einer stärkeren Diffe-renzierung der Kosten, um mit der Schlüsselung möglichst weit zu kommen.Er unterscheidet fünf Typen von Kosten:450

„1. Kosten, die unabhängig von der Erzeugung, aber proportional zurKalenderzeit sind, wie z.B. Zinsen des Anlagekapitals, Abschreibung fürtechnische Überalterung, ein Teil der Gehälter;2. Kosten, die von Haus aus proportional zur Erzeugung sind, wie Ferti-gungsmaterial, Fertigungslöhne;3. Kosten, die zwar nicht unmittelbar zur Erzeugung proportional sind,

448 Vgl. Dazu: H. D. Brasch, Zur Praxis der Unkostenschwankungen und ihrer Erfas-sung, Betriebswirtschaftliche Rundschau, 4. Jg., 1927, S. 41-44, 65-72, hier S. 67ff.; ErichStrube, Kostenremanenz und Beschäftigungsschwankungen, Zeitschrift für handels-wissenschaftliche Forschung, 30. Jg., 1936, S. 505-541, bes. S. 511f.

449 Kurt Rummel, Einheitliche Kostenrechnung auf der Grundlage einer vorausgesetztenProportionalität der Kosten zu betrieblichen Größen, 3.A., Düsseldorf 1949, S. 210f.Grundlegende Veröffentlichungen dazu erschienen ab 1929.

450 Ebenda, S. 215.

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Beispiel für die Wissensentwicklung: Die Kostenfunktion 6.2

205

sich aber mit Hilfe anderer betrieblicher, von der Erzeugung abhängigerGrößen auf die Erzeugung bringen lassen, z. B. Rüstkosten , die der Rüst-zeit proportional sind und den Einfluß der Losgröße widerspiegeln;4. Kosten, die gemäß Planung proportional gemacht werden können, ge-wissermaßen etatsmäßig, wie Hilfsstoffe und Hilfslöhne;5. Kosten, die darüber hinaus entstehen, z. B. durch Halten von Fachkräf-ten … alles auch nach Planung. Diese Kosten folgen keinerlei Proportionali-tät zu betrieblichen Größen, sie lassen sich infolgedessen nicht schlüsseln,denn jedes Schlüsseln ist eine Anwendung des Proportionalitätsgesetzes.“

Man sieht in dieser Liste das Bemühen, möglichst viele Kosten zumindestauf Fertigungslose umzulegen. Natürlich gelingt das nicht mit den fixenKosten 1. und den Remanenzkosten 5. Konsequent ist aber nur die Erkennt-nis, dass die Preisuntergrenze in der Kalkulation durch die „gesamten pro-portionalen Kosten“ bestimmt wird. „Jede Gelegenheit, zu der ein Erzeugnisüber diese proportionalen Kosten verkauft werden kann, vermindert den imWettbewerb in schlechten Zeiten unvermeidlichen Verlust …“ 451 Damit istim Grunde die Deckungsbeitragsrechnung erkannt, die später vertieft undmit der aufkommenden linearen Programmierung verbunden wird.452

Trotz dieser Erkenntnisse ist keine Theorie der Kostenfunktion in den Aus-führungen zu erkennen. Insbesondere auch ihre Verknüpfung mit den Pro-duktionsbedingungen erscheint allenfalls ad hoc und aus der unmittelbarenAnschauung gewonnen.

(4) Diesen Zustand beendet Erich Gutenberg im ersten Band seiner „Grund-lagen der Betriebswirtschaftslehre“.453 Er stellt sich einen Betrieb vor, in deman verschiedenen Aggregaten in einer einstufigen Produktion ein Produktzu erzeugen ist. Die technischen Produktionsbedingungen, also dieLeistungs- und Verbrauchsdaten der Aggregate, werden als gegeben und inder Betrachtung nicht variierbar unterstellt. Sie bilden die sogenannte z-Situation. Die Aggregate können in unterschiedlicher Anzahl, über unter-schiedliche Dauer und mit unterschiedlicher Intensität betrieben werden. Zueiner bestimmten Intensität gehören dann aufgrund der technischen Bedin-gungen bestimmte Einsatzmengen jedes Produktionsfaktors. Gewichtet mandiese mit den Beschaffungspreisen, so erhält man Verbrauchswerte. Diese

451 Ebenda, S. 213.452 Hans-Hermann Böhm/Friedrich Wille, Deckungsbeitragsrechnung und Programmop-timierung, München 1965 (2. Auflage von „Direct Costing und Programmplanung“,München 1960).

453 Vgl. hierzu Abschnitt 6.1.10.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

206

kann man additiv zusammenfassen und erhält so einen Punkt auf einerKostenkurve. Die gesamte Kostenkurve ergibt sich bei Variation von Zeitund Intensität. Auf veränderliche Ausbringungsmengen kann das Unter-nehmen nun mit unterschiedlichen Anpassungsformen reagieren. Bei reinintensitätsmäßiger Anpassung wird aus den Verbrauchsfunktionen derAggregate eine Kostenfunktion bei intensitätsmäßiger Anpassung abgeleitet.Sie kann ein S-förmiges Bild haben, wie die Kostenfunktion bei Turgot. Aberihr Verlauf findet hier eine völlig andere Erklärung. Bei rein zeitlicher An-passung hat die Kostenfunktion wegen der festen Intensität für jedes Aggre-gat einen linearen Verlauf. Quantitative Anpassung bildet sich durch Stufenin der Kostenfunktion ab. Aus alle diesen Möglichkeiten wird das am er-werbswirtschaftlichen Prinzip orientierte Unternehmen diejenige wählen,die zu den geringsten Kosten führt.

Die von Gutenberg abgeleitete Produktionsfunktion wird von ihm als Typ Bbezeichnet. Sie ist damit von der „ertragsgesetzlichen Produktionsfunktion“,dem Typ A, abgegrenzt. Das ist aber nicht nur ein definitorischer Unter-schied, sondern einer, der auf unterschiedliche Bedingungen des Faktorein-satzes zurückgeführt wird: die Faktoreinsatzmengen sind nicht frei variier-bar. Der Typ B wird als für die industrielle Produktion geeignet angesehen.Mit der Herleitung dieser Produktionsfunktion wird die Kostenfunktion, diedaraus abzuleiten ist, auf eine produktionstheoretische Grundlage gestellt.Das ist die Kostenfunktion der variablen Kosten. Die fixen Kosten müssenunabhängig davon betrachtet und mit der Investitionstheorie verknüpftwerden.454

Neben der Ausbringungsmenge oder Beschäftigung werden von Gutenbergweitere Kosteneinflussgrößen identifiziert: Die Veränderung der technischenProduktionsbedingungen, der Betriebsgröße, der Faktorpreise und der Pro-duktionsprogramme.

(5) Der so erreichte Zustand der Kostentheorie kann nun schrittweise an dieRealität angepasst und an dieser überprüft werden. Die Anpassung an dieRealität erfolgt in der Ableitung der auf Arbeitsgänge als sogenannten Ele-mentarkombinationen bezogenen Produktionsfunktion vom Typ C für sub-stitutionale Faktorkombinationen455 und die Erweiterung für die mehrstufi-

454 Horst Albach, Zur Verbindung von Produktionstheorie und Investitionstheorie,in: Helmut Koch, Hrsg., Zur Theorie der Unternehmung, Festschrift zum 65. Geburtstagvon Erich Gutenberg, Wiesbaden 1962, S. 137-204. Josef Kloock, Perspektiven derKostenrechnung aus investitionstheoretischer und anwendungsorientierter Sicht,in: Eduard Gaugler/H. G. Meissner/Norbert Thom, Hrsg., Zukunftsaspekte der an-wendungsorientierte Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1986, S. 289-302.

455 Edmund Heinen, Betriebswirtschaftliche Kostenlehre, Bd. 1,Wiesbaden 1965.

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Beispiel für die Wissensentwicklung: Die Kostenfunktion 6.2

207

ge Produktion durch den Typ D.456 Sodann kann eine Dynamisierung erfol-gen. Sie führt zur Produktionsfunktion des Typs E.457 Schließlich könnenauch Unsicherheiten berücksichtigt werden.458

Eine Verallgemeinerung durch Aufgabe funktionaler Abhängigkeiten in derBetrachtung stellt die auf mengentheoretischen Konzepten basierende Akti-vitätsanalyse dar.459 Auch auf dieser Grundlage können die Produktionskos-ten abgeleitet werden.

(7) Die Vorstellung, dass die Kosten aus Elementarvorgängen abzuleitenseien, ist auch als Prozesskostenrechnung (activity based costing) entwickeltworden. Damit verschwindet die Bedeutung der von Beschäftigungs-schwankungen abhängigen Kostenfunktionen. Dazu trägt auch bei, dass dieVerbreitung von elektronischen Rechenanlagen das „computer integratedmanufacturing“ fördert. Im Extremfall ist damit die Produktion des einzel-nen Produkts nach Kundenwünschen („Losgröße 1“) wieder ebenso realis-tisch, wie in den Jahren des Handwerksbetriebes, der die Kunden nach indi-vidueller Bestellung bedient. Dafür verliert die herkömmliche Kostenfunkti-on an Bedeutung. Die Kostenrechnung ist selbstverständlich auch in dieserSituation höchst relevant, zumal die hohen Kosten der Produktionsvorberei-tung oder die Komplexitätskosten auftragsspezifisch zu erfassen sind.Kommt dann eine wachsende Nachfragermacht zum Tragen, so muss einKostensoll aus Sicht der Situation am Markt und damit auch der konkurrie-renden Anbieter abgeleitet werden. Das „target costing“ als eine besondereForm der Soll- oder Plankostenrechnung gewinnt an Bedeutung. Die Bedeu-tung ragt über die Routinevorgänge hinaus bis in die Steuerung der Ent-wicklungsanstrengungen hinein.

In diesen Kurzdarstellungen kann verfolgt werden, wie ein bestimmtesKonzept schrittweise entwickelt wird. Das wird einmal durch die Verände-rung der Objektbereiche bewirkt: Von der landwirtschaftlichen zur indus-triellen Produktion und hier zu schrittweise komplexeren Produktionssys-temen. Zum zweiten wird dies durch die Methodik bewirkt: Vom Verstehender Situation und ihrer Beschreibung über die Versuche präziser Erfassungzur formalen Darstellung. Bei dieser wird dann auf möglichste Verallgemei-nerung hin gearbeitet. Zum dritten erfolgen empirische Untersuchungen,

456 Josef Kloock, Betriebswirtschaftliche Input-Output-Modelle,Wiesbaden 1969.457 Ulrich Küpper, Dynamische Produktionsfunktion der Unternehmung, Zeitschriftfür Betriebswirtschaft, 49. Jg., 1979, S. 93-106.

458 Zusammenfasend hierzu: Günter Fandel, Produktion I, Produktions- und Kostentheo-rie, 2.A., Berlin et al. 1989, S. 149ff. (1.A., Berlin et al. 1986). Zu empirischen Arbei-ten: Ebenda, S. 188ff.

459 Waldemar Wittmann, Produktionstheorie, Berlin et al. 1968.

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6 Betriebswirtschaftslehre in der Geschichte

208

um die Theorie zu überprüfen oder um Anregungen für die Weiterentwick-lung der Theorie bereit zu stellen. Damit werden zugleich Kriterien geliefert,nach denen der wissenschaftliche Fortschritt in einem abgegrenzten Fragen-bereich beurteilt werden kann. Eine wesentliche Einschränkung sollte hiernicht verschwiegen werden. Die Skizze vermittelt nur eine Idee, sie ist keineHistoriographie der Kostenfunktion.

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Rückblick 7.1

209

7 Schluss

7.1 Rückblick

(1) Zwei Auffassungen werden hier miteinander verknüpft. (a) Die Be-triebswirtschaftslehre ist eine Wissenschaft. Das wird an Hand von Kriterienbelegt, die aus heutiger Sicht eine Wissenschaft kennzeichnen. (b) DieseWissenschaft ist nicht plötzlich geschaffen worden, sondern hat sich imLaufe der Zeit entwickelt. Die Vorstellung von einer Dynamik der wissen-schaftlichen Entwicklung im Sinne von Thomas Kuhn (Abschnitt 3.2) lässt eszu, dass zunächst ungelöste Fragen immer besser beantwortet werden. Sielässt es auch zu, dass die Fragen aus unterschiedlicher Sichtweise angegan-gen werden. Und sie erfordert wegen der Veränderung der Fragen zu einerbestimmten Zeit eine wissenschaftliche Revolution. So können nebeneinan-der unterschiedliche Erklärungsmuster fortbestehen. Das macht, neben demEinfluss menschlichen Verhaltens in den Unternehmensentscheidungen,Schwierigkeiten beim Verständnis der Disziplin.

Die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft bemüht sich um Theorien. DieTheoriebildung umfasst fünf Stufen:460 (a) Erarbeitung möglichst eindeutigerund das Untersuchungsfeld abdeckender Begriffe. Sie können nicht aufWahrheit hin geprüft werden, sondern nur auf Zweckmäßigkeit. Deshalbmuss eine Vorstellung von dem Objekt der Begriffsbildung und ihremZweck bestehen. (b) Beschreibung der von den Begriffen erfassten Objekte.Das müssen nicht physische Gegenstände, sondern können auch Prozessab-läufe, Organisationsformen o. ä. sein. Auf dieser Ebene werden Existenzaus-sagen vorgelegt, also festgestellt, was es tatsächlich gibt. (c) Auf der Grund-lage von „wenn-dann“-Aussagen, den Hypothesen, werden Erklärungenangestrebt. Die Hypothesen müssen grundsätzlich widerlegbar sein undüberprüft werden können. Eine Menge widerspruchsfreier und vorläufigbewährter Hypothesen mit Bezug auf einen Ausschnitt der Wirklichkeitkann man als eine Theorie ansehen. (d) Damit ist eine Grundlage für Prog-

460 Vgl. Joachim Wolf, Organisation, Management, Unternehmensführung. Theorien undKritik. Wiesbaden 2003, S. 7ff.. Vgl. Dieter Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 4:Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaft,München/Wien 2001, S. 42.

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7 Schluss

210

nosen gefunden. Um solche Wahrscheinlichkeitsaussagen zu machen ist esnotwendig, dass Hypothesen über den Zeitpunkt ihrer Prüfung hinaus Gül-tigkeit behalten. Das ist natürlich nicht selbstverständlich. Hinzu kommt,dass Prognosen sich selbst zerstören können. Setzen beispielsweise alle kon-kurrierenden Unternehmen dieselben Erfolgsvariablen der Vergangenheitein, so können sich diese in der Zukunft als unwirksam erweisen. (e) Aufder Grundlage von Prognosen sollen Handlungsempfehlungen gegebenwerden. Da die Prognosen jeweils auf bestimmten Voraussetzungen beru-hen, gilt dies auch für die Handlungsempfehlungen. Sie sind jeweils nurbedingt. Sie verlassen, insbesondere, wenn sie nicht als Alternativen formu-liert sind, die Sphäre der Wertfreiheit. Sie stellen daher das Feld für dieBeratung dar, das einige Wissenschaftler nicht betreten möchten. Dafür gibtes Berater, die ihre Empfehlungen nicht auf die hier entwickelten Vorausset-zungen gründen.

Die historische Darstellung hat Beispiele zu den ersten drei Stufen der Theo-riebildung erkennen lassen. Die Stufen, insbesondere die Stufe (c), folgenhier einer bestimmten wissenschaftstheoretischen Auffassung. Dazu gibt esAlternativen.461 Letztlich geht es darin darum, wie Wahrheit gewonnenwerden kann: durch einen im Dialog gefundenen Konsens, durch wider-spruchsfreie Einordnung einer neuen Aussage in ein System von Aussagenoder Erkenntnissen (Kohärenz) oder durch Korrespondenz zwischen Reali-tät und beschriebenem Sachverhalt. Nimmt man dazu auch noch die Forde-rung nach Nützlichkeit (etwa im Sinne von Bacon oder Leibniz), dann sindwenigstens vier Möglichkeiten zu unterscheiden. (a) Es wird nach wahrenund nützlichen Aussagen gesucht, was Theoriebildung im hier verstande-nen Sinne zum Gegenstand hat. (b) Es treten unwahre und unnütze Aussa-gen auf. (c) Es werden wahre, aber unnütze Aussagen vorgelegt. Man kannhier auch von Trivialitäten sprechen. (d) Leider gibt es auch unwahre, abernützlich erscheinende Aussagen. Dies ist Blendwerk, unabhängig davon,worauf die Unwahrheit beruht. Die historische Betrachtungsweise der Theo-rieentwicklung kann Beiträge dazu leisten, zwischen diesen Situationen zuunterscheiden. Sie kann aber nicht von vornherein eine Konzentration aufden ersten Fall herbeiführen.

461 Schon ein erster Blick offenbart deutliche Unterschiede zwischen diesen: UlrichFrank, Wissenschaftstheorie, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 6.A., Stuttgart2007, Sp. 2010-2017.

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Rückblick 7.1

211

Die Bemühungen um die Theoriebildung werden zu einem großen Teil vonProfessoren getragen. Deren Zahl ist in Deutschland beachtlich gestiegen.Das zeigt die folgende Zusammenstellung (Tabelle 4).462

Entwicklung der Anzahl der Professoren der Betriebswirtschaftslehre in der Bun-desrepublik Deutschland, 1949 - 1998

Jahr Anzahl Professorengesamt

Anzahl ProfessorenC4/H4*

Anzahl Universi-täten

1949

1960

1964

1966

1970

1977

1980

1986

1992

1998

24

68

90

105

128

345

400

478

573

811

-

-

-

-

-

262

306

358

471

-

-

-

-

-

-

51

54

60

62

64

* Das ist die jeweils höchste Besoldungsgruppe für Professoren, in späterenJahren dann umgestellt zu W3. Für die früheren Jahre sind exakte Zahlennicht zu beschaffen. Teilweise abweichende Angaben bei Dieter Schneider.Betriebswirtschaftslehre. Bd.4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissen-schaft, München/Wien 2001,S. 237.

Die Zusammenstellung zeigt auch, an wie vielen wissenschaftlichen Hoch-schulen und Universitäten ein betriebswirtschaftliches Lehrprogramm(wenn auch nicht in allen Fällen zu einem betriebswirtschaftlichen Ab-schluss führend) angeboten wird. Die Zahlen legen auch nahe, dass diegroße Anzahl der Professoren nicht auf nur wenigen Teilgebieten tätig sein

462 Quelle: Eduard Gaugler, Entwicklung der Professorenstellen und des wissen-schaftlichen Nachwuchses in der Betriebswirtschaftslehre, Zeitschrift für Personal-wirtschaft, 4/1992, S. 452-481 sowie ergänzende persönliche Mitteilungen.

Tabelle 4

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7 Schluss

212

wird. Der Wettbewerb führt zur Ausdifferenzierung oder anders gesagt zurSpezialisierung. Das wird uns gleich noch einmal beschäftigen.

(2) In der Forschung wechseln die Fragestellungen und die Methodiken. EineEntwicklung sticht besonders hervor, nämlich die im Laufe der Zeit gewach-sene Bedeutung der empirischen Forschung. Neben die herkömmlichen For-men der Informationsgewinnung ist dabei das Experiment getreten. Dieanalytische Methodik ist stark verfeinert worden und gegenwärtig grund-sätzlich multivariat ausgeprägt. Dazu hat geführt, dass Informationspflich-ten und Informationsbereitschaft gestiegen sind. Beide Entwicklungen ha-ben sich gegenseitig beeinflusst. Ein Beispiel für die Veränderung der In-formationspflichten ist die Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung imJahresabschluss. Eine Vielzahl der Saldierungsmöglichkeiten, die das Akti-engesetz von 1937 in seinem § 132 vorsah, wurde in der sogenannten großenAktienrechtsreform von 1965 durch die Gliederungsvorschriften des § 275des Handelsgesetzbuches abgeschafft. Man sieht dies in der folgenden Tafelsehr gut an der früheren Position „Jahresertrag“ und der sie aus heutigerSicht bildenden Positionen. Auch der Zinsausweis erfolgte früher saldiert,entweder als Aufwand oder als Ertrag, während heute dafür zwei unsaldier-te Positionen vorgesehen sind. Später wurde darüber hinaus außer demGesamtkostenverfahren das Umsatzkostenverfahren zugelassen. Damitwurde beispielsweise bei einer größeren Anzahl technologieorientierterUnternehmen der freiwillige Ausweis der Forschungs- und Entwicklungs-aufwendungen im Jahresabschluss ermöglicht. Das hat interessante neueAuswertungsmöglichkeiten eröffnet. Wie aber die folgende Gegenüberstel-lung zeigt, wurde beispielsweise erst ab 1965 ein Pflichtausweis für denUmsatz eingeführt. Man muss sich vor Augen halten, wie eingeschränkt dieanalytischen Möglichkeiten vorher waren. Betrachten wir also die Mindest-gliederung von Gewinn- und Verlustrechnungen vor 1965 und heute:

Gliederung der GuV bis 1965 Aktuelle Gliederung der GuV

Umsatzerlöse

Erhöhung oder Verminderung des Be-standes an fertigen und unfertigen Er-zeugnissen

Andere aktivierte Eigenleistungen

Jahresertrag

Materialaufwand

Abschreibungen auf Umlaufvermögen**

Page 220: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Rückblick 7.1

213

- Löhne und Gehälter Löhne und Gehälter

- Soziale Abgaben Soziale Abgaben

- Abschreibungen und Wertberichtigun-gen auf das Anlagevermögen

Abschreibungen auf Anlagevermögen

Abschreibungen auf Finanzanlagen undWertpapiere des Umlaufvermögens

Zinsen und ähnliche ErträgeZinsen, soweit sie Ertragszinsen überstei-gen* - Zinsen, soweit sie Aufwandszinsenübersteigen * Zinsen und ähnliche Aufwendungen

- Steuern vom Einkommen, Ertrag oderVermögen, mit Ausnahme der regelmäßigdurch Abzug erhobenen Steuern

Steuern vom Einkommen und vom Ertrag

- Außerordentliche Aufwendungen Außerordentliche Aufwendungen

- Übrige Aufwendungen Sonstige betriebliche Aufwendungen

Erträge aus Beteiligungen Erträge aus Beteiligungen

Außerordentliche Zuwendungen Sonstige betriebliche Erträge

Erträge aus anderen Wertpapieren undAusleihungendesFinanzanlagevermögens

- Beiträge zu gesetzlich vorgeschriebenenBerufsvertretungen

-

- Sonstige Steuern

Jahresüberschuss oder -fehlbetrag

- Wertminderungen oder sonstige Verlus-te, durch Auflösung gesetzlicher Rückla-ge ausgeglichen

-

Außerordentliche Erträge, einschl. derAuflösungen von Rückstellungen, Wert-berichtigungen, freien Rücklagen

Außerordentliche Erträge (Rücklagenän-derungen erscheinen nach Feststellungdes Jahresergebnisses)

Bilanzgewinn/Bilanzverlust Bilanzgewinn/Bilanzverlust

* Eine der beiden Positionen wird alternativ ausgewiesen. ** Nach Litera-turmeinung

Page 221: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

7 Schluss

214

Die hier wiedergegebenen Gliederungen folgen nicht den gesetzlichen Vor-gaben. Sie wurden so gewählt, dass die Gleichheiten und Ungleichheitenmöglichst unmittelbar erkennbar sind. Das ist nicht voll durchzuhalten.Beispielsweise waren als „außerordentliche Zuwendungen“ eher Subventi-onen, Schenkungen, Kostenzuschüsse im Rahmen der staatlichen Planungenetc. gemeint.463 Damit wird erkennbar, wie viel mehr an Möglichkeiten derJahresabschlussanalyse heute gegeben sind und wie viel mehr Anknüp-fungspunkte für die empirische Unternehmensanalyse auf diese Weise ge-wonnen werden können.

Wenn die Daten aus den Jahresabschlüssen heute in elektronischer Formangeboten werden und genutzt werden können, ist ein weiterer Schritt derVerbesserung der Analysemöglichkeiten getan. Auch die Frequenz der Ver-öffentlichung vieler Daten ist erhöht worden, beispielsweise durch Quartals-oder Halbjahresberichte. Zusätzlich wurde die Aktualität der Daten erhöht.In früheren Jahren fehlten beispielsweise sogen. „ad hoc“-Mitteilungen, diegenutzt werden können, um Unternehmensdaten mit den Finanzmarktreak-tionen in Beziehung zu setzen. Ähnliches gilt für eine Vielzahl weitererUnternehmensdaten.

(3) Die Betriebswirtschaftslehre hat im Laufe der Zeit auf vielfache Weiseihre Foci verändert. Diese Veränderungen sind nicht ausschließlich durchvöllige Verdrängung des jeweils Früheren gekennzeichnet, sondern durcheine partielle Verdrängung, die das Vorhergehende erweitert. In der folgen-den Abbildung 47 soll dies zusammenfassend zum Ausdruck kommen.

In der Mitte der Abbildung 47 steht eine grob gegliederte Zeitachse. Darun-ter ist zunächst zu erkennen, dass betriebswirtschaftliche Texte zunächstFragen der Hauswirtschaft und – wie hier ergänzt wird – der Führunglandwirtschaftlicher Betriebe behandeln. Es folgt eine Auseinandersetzungmit den durch große und kleine Handelsbetriebe aufgeworfenen Fragen. Inder Mitte des 19. Jahrhunderts rücken die Probleme der Industriebetriebe inden Blick. Erst in den letzten Jahrzehnten werden Dienstleistungsbetriebeintensiver betrachtet und erforscht. Ein besonderer Fokus liegt auf der Er-zeugung von Wissen als Dienstleistung. Darunter ist skizziert, dass zu-nächst Erfahrungen gewonnen und weitergegeben wurden. Wissensgewin-nung durch theoriebasierte Arbeiten, seien diese nun analytisch oder empi-risch orientiert, beginnt erst mit dem Zeitalter der Aufklärung. DieBegründung der Zinseszinsen durch Leibniz kann hier als ein frühes Bei-spiel gelten. Die Bedeutung dieser Art der Wissensgewinnung scheint in denletzten Jahren zurückzugehen. Darauf weisen Versuche der Erkenntnisge-

463 Hans Adler/Walther Düring/Kurt Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung derAktiengesellschaft, 2.A., Stuttgart 1948, S. 296f. Zu ** in der Tabelle: Ebenda, S. 279f.

Page 222: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Rückblick 7.1

215

winnung durch Fallstudien oder durch teilnehmende Beobachtung hin. Daswird in der Abbildung 47 auch angedeutet. Über dem Zeitstrahl ist der regi-onale Fokus betriebswirtschaftlicher Arbeiten angedeutet. Zunächst ist dieEinbettung in die Region ein Gesichtspunkt, der beispielsweise für die An-bauentscheidungen in landwirtschaftlichen Gütern von Interesse ist. Soweitdann Nationen als solche erkennbar sind, wird die Einbettung der Unter-nehmen in diese berücksichtigt. Allerdings sind Aspekte der Internationali-sierung keineswegs eine spätere weitere Folge betriebswirtschaftlicher Ent-wicklung. Vielmehr wird auf internationale Aspekte, beispielsweise dieWechselkursprobleme, die Handelsbräuche in verschiedenen Nationen,schon früh hingewiesen. Der dünn ausgezogene Pfeil soll andeuten, dasserst viel später die vielfältigen, darüber hinausgehenden Aspekte der Inter-nationalisierung bearbeitet wurden.

Schwerpunkte betriebswirtschaftlicher Arbeiten

HauslehrenHandelslehren

IndustrielehrenDienstl.lehr.

Ca. 300 v. Chr ca. 1600 n. Chr. Zeit ca.1850 ca. 1960

Wissensgewinnung durchErfahrung - Kunstlehren Wissensgewinnung durch

theoriebasierte Arbeiten

RegionalNational

International

Abbildung 47

Page 223: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

7 Schluss

216

7.2 Beitrag zur „Allgemeinen Betriebs-wirtschaftslehre“

Die historische Betrachtung endet hier etwa in den 1970er Jahren. Das liegtnun auch schon mehr als eine Generation zurück. Der wesentliche Grundfür diese Einschränkung ist, dass bis zu diesem Zeitraum eine „AllgemeineBetriebswirtschaftslehre“ noch erkennbar war. Dass sie heute kaum mehrerkennbar ist, liegt nicht an einem Mangel, neuere Erkenntnisse in sie auf-zunehmen. Das wurde mehrfach demonstriert.464 Die Ausdifferenzierungvieler „Spezieller Betriebswirtschaftslehren“ hat den Kern der Disziplin injüngster Zeit verdeckt. Allgemeine Erkenntnisse werden bestenfalls in jederSpezialisierung wieder erneut eingebracht und schlechtestenfalls als bekanntvorausgesetzt. Der erste Fall ist ineffizient, der zweite Fall ist ineffektiv.Dann fehlt nämlich eine wesentliche Grundlage betriebswirtschaftlichenArbeitens. Damit ist aber noch nicht geklärt, welches Verhältnis zwischenAllgemeiner Betriebswirtschaftslehre und Speziellen Betriebswirtschaftsleh-ren besteht. Hierüber ist eine interessante Diskussion geführt worden, ausder einige Gedanken aufgegriffen werden sollen.465

In der folgenden Abbildung 48 wird modellhaft von der Existenz von zweiunterschiedlichen Speziellen Betriebswirtschaftslehren ausgegangen. Siekönnen eine nicht leere Schnittmenge E haben. Beispielsweise gibt es ge-meinsame Lehr- und Forschungsinhalte in Personalwirtschaft und Organisa-tionstheorie. Es wird aber auch Spezielle Betriebswirtschaftslehren geben,für die sich keine solche Schnittmenge finden lässt, oder: diese leer ist.

Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre könnte sich nun einmal aufSchnittmengen mit den Speziellen Betriebswirtschaftslehren beschränken.Das sollte im Sinne der Schnittmenge D der Fall sein. Die Schnittmengen Bund C stellen D gegenüber einen Typ von Wissen dar, der zu einem Wider-spruch zwischen allgemein und speziell führt. Es kann nämlich kaum einWissen als allgemein bezeichnet werden, das zwar für eine, aber nicht für dieandere Spezielle Betriebswirtschaftslehre relevant ist. Die „Einführung indas Marketing“ (oder eine andere Spezielle Betriebswirtschaftslehre) könnteman sich hier angeordnet denken. Das kann aber nur dann gelten, wenn dieWissensbestände auch für andere Spezielle Betriebswirtschaftslehren zum

464 Zum Beispiel: Horst Albach, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Einführung, Wies-baden 2000.

465 Erwartungen an eine Allgemeine Betriebswirtschaftslehre aus der Sicht von For-schung und Lehre (Podiumsdiskussion unter Leitung von Horst Albach mit JürgenBloech, Erwin Dichtl, Günter Schanz, Henner Schierenbeck, Dieter Schneider, Gün-ter Vogelsang), in: Dieter Adam et al., Hrsg., Integration und Flexibilität. Eine Heraus-forderung für die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre.Wiesbaden 1990, S. 137-180.

Page 224: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Beitrag zur „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“ 7.2

217

Schnitt- und Vereinigungsmengen des Wissens von Allgemeiner und SpeziellenBetriebswirtschaftslehren

notwendigen Wissensbestand zählen. Dann aber befindet man sich in derTeilmenge D. Es verbleibt die Frage, ob die Teilmenge A leer ist oder nicht.In dynamischer Betrachtung sollte A nicht als leer angenommen werden. Instatischer Betrachtung ist dies denkbar, wenn zugleich D nicht leer ist. Fürdie Teilmengen A oder D werden verwandte Interpretationen angeboten.Die Theorie des Unernehmens dient als Basis der Identifikation der Be-triebswirtschaftslehre als Wissenschaft von wirtschaftlichen Vorgängen undTatbeständen in Unternehmen oder als Lehre von Institutionen menschli-chen Zusammenlebens unter dem Aspekt der Verringerung von Einkom-mensunsicherheiten im Rahmen einer größeren staatlichen oder überstaatli-chen Gemeinschaft. Aus dieser Grundlage heraus entwickeln sich – wie dieÄste aus einem Stamm, so formuliert es Dieter Schneider in der Podiums-diskussion - die Speziellen Betriebswirtschaftslehren. Das ist möglich, weildie Aussagen und Methodiken „allgemein“ im Sinne von „übergreifend“sind. Ist D eine leere Menge, so sind in A die von Details Spezieller Be-triebswirtschaftslehren freien Wissensbestandteile enthalten. Es wirdzugleich ein Überblick gewährt. Damit wird eine Orientierungsfunktion fürdie Speziellen Betriebswirtschaftslehren gegeben. Ist D nicht leer, wird eineQuerschnittsfunktion angeboten. Sind weder A noch D leer, kann eine Brü-

Abbildung 48

Page 225: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

7 Schluss

218

ckenfunktion ausgeübt werden. Es ist danach plausibel anzunehmen, dassAllgemeine Betriebswirtschaftslehre die nicht leeren Mengen A und D um-fassen sollte. Konzepte mit den Wissensmengen B und C sind unplausibel,es sei denn, sie tauchen als jeweils beschränkte Spezialisierungswahlmög-lichkeiten in der Lehre auf. Damit erfüllen sie aber eher eine auf die Speziali-sierung hinweisende, orientierende Funktion aus.

Allerdings ist die Kennzeichnung der Mengen A und D durch Elementenicht objektiv vorzunehmen. Problemrelevantes Wissen wird subjektivwahrgenommen.466 Deshalb kommen auch an verschiedenen Hochschulenjeweils unterschiedliche Konzepte von Allgemeiner Betriebswirtschaftslehrevor.

Beispiele für eine Ausdifferenzierung spezieller Betriebswirtschaftslehren

Die Betriebswirtschaftslehre für ein einzelnes Unternehmen kann aus heuti-ger Sicht in wenigstens drei Dimensionen467 dargestellt werden: Der jeweils

466 Klaus Brockhoff, Informationsverarbeitung in Entscheidungsprozessen: Skizzeeiner Taxonomie, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 53. Jg., 1983, S. 53-62.

467 Weitere Dimensionen können als zweckmäßig erachtet werden. So wäre etwa dieEigentümerstruktur eine solche Dimension, vor allem wenn Familienunternehmenvon anderen unterschieden werden. Zusätzliche Dimensionen unterstreichen diehier für drei Dimensionen entwickelte Argumentation.

Abbildung 49

Page 226: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Beitrag zur „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“ 7.2

219

betrachteten Funktionen, der Branche und der Situation, in der sich dasUnternehmen befindet. In Bezug auf jeweils ein Element dieser Mengen istdies in der folgenden Abbildung 49 dargestellt.

Unten links erscheint die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre im Sinne vonA und D der Abbildung 48. (Die Größenverhältnisse sind nicht mit derMächtigkeit der Inhalte korreliert.) Sie ist weder funktionen-, noch bran-chen-, noch situationenspezifisch angelegt. Ihre Inhalte können nicht bei dentradierten Gegenständen stehen bleiben. Beispielsweise ist die Erkenntnis,dass Information nicht überall im Unternehmen gleichmäßig verteilt ist undkostenlos zur Verfügung steht von so genereller Bedeutung, dass ihre wirt-schaftlichen Aspekte in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre aufzuneh-men sind. Die sich im Laufe der Zeit verschiebenden Engpässe für die Reali-sierung guter Unternehmensergebnisse können auf neue Inhalte oder dieVerschiebung der Anteile der früher vermittelten Inhalte Einfluss nehmen.Neu ist beispielsweise die Beschäftigung mit dem Technologie- und Innova-tionsmanagement,468 nachdem diese Funktionen in ihrer wettbewerblichenBedeutung immer stärker in den Vordergrund getreten sind – und zwarauch in Dienstleistungsunternehmen. Auf eine Verschiebung der Anteilewirkt beispielsweise auch der hohe Kapitalbedarf der Unternehmen unddamit ihre Abhängigkeit von den Kapitalmärkten. Das hat dem Gebiet derFinanzierung einen Bedeutungszuwachs gebracht. Ein anderes Beispielbietet die zunehmende Internationalisierung der Unternehmen, die in Lehreund Forschung einzubeziehen ist. Wo die Puzzles der Unternehmen nichtmehr durch „orthodoxe neoklassiche“ Theorien zu lösen sind, wird nacheiner Neuorientierung gesucht, die beispielsweise die „Neue Institutionenö-konomik des Unternehmens“ bereitzustellen verspricht.469

Die Klage, dass das Spezialwissen überhand nehme und die verbindendeKlammer einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre in Forschung undLehre immer mehr zurückgedrängt werde, ist nicht auf Deutschland be-schränkt. Auch in den USA, wo immer wieder die Leistungen der „businessschools“ zur Debatte stehen, wird seit Ende der fünfziger Jahre des vorigenJahrhunderts von Autoren, die sich im übrigen durch vieles in ihren Vorstel-lungen unterscheiden, zu bedenken gegeben, dass die Gesamtsicht der un-

468 Klaus Brockhoff, Technologie- und Innovationsmanagement – Zur Entfaltungeiner wissenschaftlichen Teildisziplin, in: Eduard Gaugler/Richard Köhler, Entwick-lungen der Betriebswirtschaftslehre. 100 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsge-schichte, Stuttgart 2002, S. 385-410.

469 Rudolf Richter/Eirik G. Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3. A., Tübingen 2003,S. 393ff.

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7 Schluss

220

ternehmerischen Tätigkeit verloren gehe.470 Selbst für alle „graduate studies“ist warnend darauf hingewiesen worden, dass die Spezialisierung in derWissenschaft Folgen haben könne, die „as severe as those described by in-dustrial sociologists and psychologists“ sein könnten und daher korrigie-rende Maßnahmen nötig seien.471 In den ersten Jahren der Diskussion überden Wert von MBA-Studiengängen im Vergleich zum Diplom-Studiengangwurde nach sorgfältiger Analyse der Kritik in den USA und eigenen Recher-chen vor Ort festgestellt, dass immer wieder Mythen verbreitet würden:„Unzutreffende Mythen sind insbesondere die Einschätzung, dass MBA-Absolventen Generalisten statt Spezialisten seien (Ausbildung zum generalmanager), dass das dortige Studium immer praxisnah sei, dass insbesondereFührungsfähigkeiten und andere Verhaltenskompetenzen vermittelt würdenund die vermeintlich hohe Qualität der Hochschullehrer.“472 Diese Feststellungist als statistische Aussage zu werten: an einzelnen Orten sind davon abwei-chende Verhältnisse anzutreffen. Viele business schools klagen heute überzu viel Spezialisierung, die bis zur Begründung einer Organisationsform(wie des Projektmanagement) als Disziplin reicht.

Kommen wir zu unserer Abbildung 49 zurück. Unten rechts ist im vorderenTeil des Quaders die Spezielle Betriebswirtschaftslehre Marketing ohneSituationenbezug angesiedelt. Im hinteren Teil wäre beispielsweise die Spe-zielle Betriebswirtschaftslehre Marketing in Gründungssituationen anzu-ordnen. Situative Ansätze der Betriebswirtschaftslehre haben sich an ver-schiedenen Stellen teils eigenständig entwickelt (zum Beispiel die Betriebs-wirtschaftslehre der Gründung) oder mit Speziellen Betriebswirtschafts-lehren verknüpft (beispielsweise prominent in der Organisationsforschung473).

Im Vordergrund oben rechts erscheint die Spezielle BetriebswirtschaftslehreMarketing für eine Branche ohne Situationenbezug, während im Hinter-grund ein Situationenbezug innerhalb der Branche gegeben wäre. Alleverbleibenden Teilquader erfüllen die Bedingungen der Teilmengen B und Cder vorausgehenden Abbildung 48. Sie sind konsequenterweise als leer zubetrachten.

470 Frank Cook Pierson, Education of American Business Men: A Study of University-College Programs in Business Administration, New York et al. 1959; Robert A.Gordon/James E. Howell, Higher Education for Business, New York 1959; Robert Gi-esson/Steven Schlossman, The Beginnings of Graduate Management Education in theUnited States, Graduate Management Admission Council 1994.

471 Report of the Select Committee on Education [to the Academic Senate of the Uni-versity of California, Berkeley], Education at Berkeley, [Berkeley/CA]1966.

472 Rüdiger Pieper, Business Schools in den USA, Berlin/New York 1989, S. 6.473 Alfred Kieser/Herbert Kubicek, Organisation, Berlin/New York 1976.

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Beitrag zur „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“ 7.2

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Das Bild zeigt – ohne damit ein nicht weiter differenzierbares Endstadium –die Vielfältigkeit der Betriebswirtschaftslehren mit Bezug auf das Objekt.Nimmt man nun auch noch den jeweiligen Betrachter als Subjekt hinzu, soergibt sich eine weitere Auffächerung. Diese Auffächerung ist der seit densiebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstandene Zustand, der eineGeschichte „der“ Betriebswirtschaftslehre nicht mehr möglich erscheinenlässt. Es ergeben sich vielmehr viele Spezialgeschichten. Diese werden hiernicht ausgebreitet. Zusammen mit der vorausgehenden Abbildung ist plau-sibel zu machen, welche Bedeutung die Allgemeine Betriebswirtschaftslehrefür das Verständnis der Speziellen Betriebswirtschaftslehren haben kannund dass die hohe Anzahl von Kombinationsmöglichkeiten Spezieller Be-triebswirtschaftslehren bei beschränkter Ausbildungszeit notwendigerweisezur Spezialisierung in der Lehre und in der Forschung führt.

Das Anwachsen der wissenschaftlichen Veröffentlichungen und die Vielfaltder Teilgebiete der Disziplin haben spätestens in den sechziger Jahren desvorigen Jahrhunderts das Bedürfnis nach geordneten Wissensüberblickenmanifest werden lassen. Es entstehen deshalb „Meta-Fachzeitschriften“, alsosolche, die ausschließlich Zusammenfassungen aus den in anderen Fachzeit-schriften veröffentlichten Beiträgen publizieren („Journal of Economic Abs-tracts“ ab 1963) oder in Ergänzung dazu Überblicke zu Fragengebieten ausder Disziplin anbieten (die Nachfolgeveröffentlichung zu der eben genann-ten Zeitschrift ab 1969 „Journal of Economic Literature“) oder ausschließlichsolche Überblicke geben („International Journal of Management Reviews“ ab1999). Auch in den Fachzeitschriften werden Überblicksartikel häufigerveröffentlicht.

(5) Wie kommen die Hochschullehrer mit diesen Entwicklungen zurecht?Verlängert sich ihre Ausbildungszeit deutlich? Im Vorgriff auf den nächstenAbschnitt ist es interessant zu vermerken, dass sich im 20. Jahrhundert fürdie bis 1945 geborenen Hochschullehrer das Alter bei der Promotion seit1919 leicht erhöht hat. Dagegen ist das Alter bei der Habilitation oder – wodiese nicht erfolgt ist oder ihr Alter unbekannt ist – das Alter bei der Erstbe-rufung in die Position eines „ordentlichen Professors“ (wie man das her-kömmlich nannte) leicht zurückgegangen (Abbildung 50). Auf der Abszisseder Abbildung wird das jeweilige Geburtsjahr abgetragen. Die geringenVeränderungen der Daten sprechen dafür, dass eine Konzentration derWissensbereiche erfolgte. Ein anderes Ergebnis der Spezialisierung könntedie Verringerung der Zeitspanne zwischen Promotion und Habilitation bzw.Erstberufung sein. Der frühere Brauch, das Thema der Habilitationsschriftvon dem der Dissertation deutlich abzusetzen, um die Beherrschung derDisziplin in großer Breite zu zeigen, ist der Spezialisierung auf das gleicheFeld in beiden Arbeiten in den meisten Fällen gewichen.

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7 Schluss

222

Auch die Foren wissenschaftlicher Diskussion spezialisieren sich. So wurdenbeispielsweise eine European Accounting Association im Jahre 1977 und eineEuropean Finance Association 1974 gegründet. In Deutschland bilden sichbeispielsweise eine Controller Akademie im Jahre 1971 und ein Controller Ver-ein im Jahre 1975. In der Schweiz entsteht eine Gesellschaft für Finanzwirt-schaft, usw. Solche Fachgesellschaften übernehmen ein breites Spektrum anAufgaben. Sie dienen der „Selbstorganisation einer Disziplin“ durch

�� „Förderung des fachwissenschaftlichen Diskurses“ durch Tagungen,Literaturübersichten, Herausgabe von Fachzeitschriften usw.

�� „Förderung der Forschung“ durch Anregung von Forschungsthemenoder Preise

�� „Verständigung über wissenschaftliche und wissenschaftsethische Stan-dards“

�� „Förderung der internationalen Zusammenarbeit“�� „Vertretung der Disziplin gegenüber der wissenschaftlichen und nicht-

wissenschaftlichen Öffentlichkeit“

�� „Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Praxis“.474

An die Ausführungen zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre anknüp-fend ist es interessant zu vermerken, dass den wissenschaftlichen Fachge-sellschaften nach Ansicht des „Wissenschaftsrats“ eine ganz besondere Auf-gabe zukommt: „…die Gestaltung des Verhältnisses von fachlicher Speziali-sierung und Interdisziplinarität. Die wissenschaftlichen Fachgesellschaftender Bundesrepublik Deutschland und der zeitliche Verlauf ihrer Gründungsind ein Ausdruck der tiefgreifenden fachwissenschaftlichen Spezialisierungund der damit verbundenen Entwicklung der Wissenschaften.“475 Ob dieWahrnehmung dieser Aufgabe allerdings in den fachlich spezialisiertenGesellschaften gelingt, ist zweifelhaft. Ob fachlich weniger spezialisierteGesellschaften auf Dauer für ihre Mitglieder, die sich fachlich stark speziali-sieren, ausreichend attraktiv bleiben ist allerdings ebenfalls zweifelhaft.Worin die vielfach geforderte Lösung der Gestaltungsaufgabe zweckmäßigzu finden ist, scheint heute weniger klar zu sein als in früheren Jahren.

Am Ende ist gut zu erkennen, dass die für den Beginn des 20. Jahrhundertsnachgewiesenen Indikatoren für die Betriebswirtschaftslehre als Wissen-schaft, die sich auf diese als Ganze und auf nationales Gebiet bezogen, nunfür Teile der Disziplin und mit internationaler Ausbreitung festzustellensind.

474 Wissenschaftsrat, Zur Förderung von Wissenschaft und Forschung durch wissenschaft-liche Fachgesellschaften, Drucksache 823/92 (1992), S. 20ff., 31ff.

475 Ebenda, S. 43f.

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Beitrag zur „Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“ 7.2

223

Entwicklung des Promotions-, Habilitations- bzw. Erstberufungsalter in der Be-triebswirtschaftslehre in Deutschland

Abbildung 50Prom

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252729313335373941

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1920

1930

1940

Alter

Promotionsalter

Habilitations-/Berufungsalter

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Überblick 8.1

225

8 Biographischer Anhang

8.1 Überblick

Ein vollständiges Verzeichnis der etwa seit Gründung der Handelshoch-schulen 1898 an deutschen Universitäten lehrenden Betriebswirte existiertnicht. In diesem Anhang wird versucht, eine Grundlage für ein solches Ver-zeichnis zu schaffen. Es reicht bis zum Geburtsjahrgang 1945. Dieser Jahr-gang tritt frühestens Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts als Hoch-schullehrer in die Verantwortung, also etwa dem Zeitpunkt, an dem dievoranstehende Darstellung endet. Angestrebt ist, neben dem Namen dasGeburts- und ggf. Todesjahr, das Jahr der Promotion und den Hauptbetreu-er sowie entsprechend das Jahr der Habilitation und den Hauptbetreuer zuermitteln. Damit könnten die Lehrer-Schüler-Beziehungen leicht nachge-schlagen werden, auf die gelegentlich im Text verwiesen wird. Das kannzum Verständnis der Werke beitragen, insbesondere dann, wenn auf dieBildung von „Schulen“ einheitlicher Auffassungen Wert gelegt wird.

Eine Vielzahl von Quellen kann dafür herangezogen werden. Für die hiernicht abgedeckte Zeit früherer Jahrhunderte ist das Universallexikon, nachseinem Verleger allgemein „Zedler“ genannt, eine wichtige Quelle.476 Eineweitere wichtige Quelle ist die Gesamtübersicht über die betriebswirtschaft-lichen Hochschullehrer 1898 bis 1955.477 Hier finden sich sehr viel mehrInformationen als in der folgenden Tabelle 6 und eine Sammlung von Port-raitfotos. Weiterhin ist ein alle Fakultäten umfassendes biographischesNachschlagewerk zu nennen, das allerdings fast nie über die Lehrer-Schüler-

476 http://imdz.bib-bvb.de/digbib/lexika/zedler : Joh. Pet. von Ludwig, Grosses Univer-sal Lexikon aller Wissenschaften und Künste …, Halle/Leipzig Bd. 1ff., 1732ff. Wie heu-te bei Wikipedia konnten allerdings vom Buchstaben „L“ an, von dem an Carl Gün-ter Ludovici (siehe oben, 6.1.2) die Redaktion übernommen hatte, auch Lexikonbei-träge aufgenommen werden, die zugesandt wurden. Das kann zu Darstellungs-fehlern und Gewichtungsfehlern führen. Sehr kurz dazu: Ulrich JohannesSchneider, Das ‚Universal-Lexicon’ von Johann Heinrich Zedler oder: Die ‚Wikipe-dia’ des 18. Jahrhunderts, Gegenworte, 19. Heft, Frühjahr 2008, S. 58-61.

477 Fritz Klein-Blenkers/Frank Deges/Ralf Hartwig, Gesamtübersicht über die Hochschul-lehrer für Betriebswirtschaft in der Zeit von 1898-1955, 2.A., Köln 1992.

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8 Biographischer Anhang

226

Verhältnisse Auskunft gibt. Dafür aber wird es in relativ kurzen Zeitabstän-den neu aufgelegt und enthält einen Nekrolog, so dass wenigstens in einigenFällen über das Ableben der Wissenschaftler berichtet werden kann.478 Ins-besondere in der „Zeitschrift für Betriebswirtschaft“ und in der „Zeitschriftfür betriebswirtschaftliche Forschung“ wird über die meisten Habilitationenberichtet, einige Wissenschaftler erfahren aus Anlass ihrer GeburtstageWürdigungen und manchem wird ein Nachruf gewidmet. Einige Festschrif-ten und Klappentexte von Büchern enthalten biographische Informationen,die an anderer Stelle nicht zu finden sind. Im wohl verbreitetsten elektroni-schen Nachschlagewerk („wikipedia.de“) sind nur wenige Betriebswirte zuidentifizieren. Über die Suchmaschinen findet man zwar viele Namen undTätigkeitsorte der aktiven Betriebswirte, selten aber auch Informationenüber bereits im Ruhestand lebende Wissenschaftler. Oft wird dabei zwarüber abgelegte Examina berichtet, aber nur weniger häufig unter Angabevon Jahreszahlen oder Betreuungsverhältnissen. Erstaunlicherweise sind vorallem Wirtschaftsinformatiker sehr zurückhaltend mit solchen Angaben. Dasgilt trotz einer beispielhaften genealogischen Datenbank.479 Es ist, beispiels-weise durch Suche in Universitätsarchiven, möglich, alle fehlenden Informa-tionen zu erhalten. Das konnte hier nicht versucht werden.

Das abgedruckte Verzeichnis (8.2) umfasst auch Wissenschaftler aus derSchweiz und aus Österreich. Aber auch bei diesen fehlen häufig die ge-wünschten Angaben. In Deutschland ausgebildete, aber ersichtlich aus-schließlich im nicht deutschsprachigen Ausland tätige wurden unberück-sichtigt gelassen.

In den Tabellen finden sich kursiv gedruckte Angaben. Diese sind mit Zwei-feln behaftet. Teilweise rühren die Zweifel daher, dass in verschiedenenQuellen divergierende Informationen zu finden sind. In den ersten Jahrendes 20. Jahrhunderts ist es – wie berichtet – durchaus möglich, Hochschul-lehrer zu werden, ohne habilitiert, sehr selten auch ohne promoviert zu sein.In den Jahren nach 1970 kommt es vor, dass Hochschullehrer ohne Habilita-tion berufen werden. Das ist nicht zuletzt dem schnellen Ausbau der Diszip-lin geschuldet. Die Hochschulen verweisen dann auf „habilitationsgleicheLeistungen“ im Berufungsverfahren. Solche Fälle werden hier durch ein derJahreszahl vorangestelltes B gekennzeichnet. Berücksichtigt wird hier dieBerufung zum „ordentlichen Professor“, wie es früher hieß, wenn in die inDeutschland höchste Besoldungsstufe (später H4, in Berlin H6, oder W3)eingetreten wurde. Allerdings ist es möglich, dass in einem solchen Falleeine Habilitation vorlag, darüber aber in den herangezogenen Quellen nicht

478 Kürschner’s Deutscher Gelehrten-Kalender 2007, Bio-bibliographisches Verzeichnisdeutschsprachiger Wissenschaftler der Gegenwart, 21. A., Berlin/New York 2007.

479 http://www.isym.bwl.uni-mainz.de/wige/personen.html (abgefragt 4.4.2008)

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Überblick 8.1

227

berichtet wird. In derselben Spalte bedeutet ein der Jahreszahl vorangestell-tes „h.c.“ die Berufung zum Honorarprofessor. Dafür ist regelmäßig keineHabilitation erforderlich. Allerdings gibt es auch hier den Ausnahmefall,dass ein Habilitierter – beispielsweise nach einer Zeit in der Praxis und ohneAufgabe seiner dort ausgeübten Tätigkeit – zum Honorarprofessor berufenwird. Nicht alle als Betreuer genannte Persönlichkeiten sind in der Listeselbst zu identifizieren. Das liegt vor allem daran, dass einige Betriebswirteihre Dissertationen in Mathematik, Physik oder anderen Disziplinen ge-schrieben haben.

Die vielen Leerstellen in der Tabelle 6 und sicher auch die unbeabsichtigtenAuslassungen geben einen weiteren Hinweis darauf, dass die Betriebswirt-schaftslehre keine geschichtsbewusste Disziplin ist.

Einige statistische Feststellungen beschreiben den Datensatz. Ermittelt wur-den 735 Universitätsprofessoren der Betriebswirtschaftslehre, wobei dieoben erwähnten Einschränkungen gelten. Es ist allerdings nicht gesichert,dass damit wirklich alle in Frage kommenden Personen erfasst wurden. Vondiesen konnte das Jahr der Promotion in 524 Fällen ermittelt werden, dasJahr der Habilitation in 417 Fällen und das der Erstberufung in die Professo-renstelle zusätzlich in 100 Fällen.480 Damit wären mindestens 79,6% derProfessoren der Betriebswirtschaftslehre habilitiert. Für das Jahr 1989 wirdfür die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im Vergleich dazu einAnteil von 74,1 % ausgewiesen.481 Das durchschnittliche Alter bei der Pro-motion liegt bei 29,57 Jahren (Median: 29 Jahre), bei einer Standardabwei-chung von 5,09 Jahren. Die entsprechenden Werte für die Habilitation sind35,65 Jahre (Median 35 Jahre) bei einer Standardabweichung von 5,18 Jah-ren. Betrachtet man in Fällen ohne Habilitationsdatum die Erstberufungzusätzlich als einen vergleichbaren Qualifikationsindikator, so wird dieserim Alter von 37,38 Jahren erreicht (Median 35, Standardabweichung 7,72).Die folgende Tabelle 5 gibt ein Bild von der Verteilung wieder.

Die Betriebswirte sind – verglichen mit anderen Disziplinen - zum Zeitpunktder Habilitation überraschend jung. Das Durchschnittsalter der Habilitiertenin den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften liegt 1980 bei 36,3Jahren (der Wert springt schon im Folgejahr auf 38,3 Jahre), steigt bis 1991auf 41 Jahre und sinkt anschließend wieder leicht ab.482 Diese Entwicklung

480 Stand: 10.4.2008. Nach diesem Datum wurden wenige weitere Altersangabenbekannt, die in der Tabelle nachgetragen, aber nicht statistisch ausgewertet wur-den.

481 Evelin Michaelis, Habilitationen 1980 bis 1993, Wirtschaft und Statistik, Jahrgang1995, S. 366, hier S. 368.

482 Ebenda, S. 370.

Page 234: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

8 Biographischer Anhang

228

folgt einer Tendenz, die über alle Disziplinen ähnlich ausgeprägt ist. Die1945 geborenen Betriebswirte erreichen nach durchschnittlich 35,4 Jahrendas Alter, in dem sie sich habilitieren, was praktisch dem Jahr 1980 ent-spricht.

Anzahl der Hochschullehrer der Betriebswirtschaftslehre in verschiedenen Alters-klassen bei Promotion, Habilitation oder Habilitation bzw. Erstberufung

Die Entwicklung des Alters für diese Qualifikationsschritte wurde im vorhe-rigen Abschnitt grafisch dargestellt. Zwischen den beiden Qualifikations-schritten zur Professur sinkt die Zeitdifferenz im Laufe der Jahre. Das ist eineher überraschendes Ergebnis. Das kann als Indiz dafür gewertet werden,dass die hohe Nachfrage nach Professoren für Betriebswirtschaftslehre zuschnellen Berufungen ebenso führte wie zu einem Anreiz, die Habilitationoder vergleichbare Leistungen möglichst schnell zu erbringen. Der alleindurch die Kalenderzeit erklärte Varianzanteil ist allerdings in beiden Fällenbescheiden gering. Eine Ursachenerklärung für die Beobachtungen wirddamit natürlich nicht gegeben.

Tabelle 5

Alter Promotion HabilitationHabilitation/Erstberufung

bis 25 81 1 2> 25 bis 30 274 44 48> 30 bis 35 124 193 211> 35 bis 40 28 121 144> 40 bis 45 4 30 42> 45 bis 50 9 23 36> 50 bis 55 2 4 12> 55 bis 60 0 1 15> 60 bis 65 2 0 4

Page 235: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Biographische Tabelle 8.2

229

8.2 Biographische Tabelle

Biographische Angaben zu Hochschullehrern der Betriebswirtschaftslehre

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Abromeit HansGünther

1927 1954 1952

Ackermann Karl-Friedrich

1938 A. Marx 1972 A. Marx 1966

Acz János 1931

Adam Dietrich 1936 1968 1965

Adelberger OttoLudwig

1934

Adler Abraham 1850 1922 keine W. Roscher/ A.Blomeyer

1873

Ahlert Dieter 1944 1974 1971

Albach Horst 1931 E.Gutenberg 1960 E. Gutenberg 1958

Alewell Karl 1931 1963 1958

Altrogge Günter 1939 L. Pack 1974 L. Pack 1970

Angehrn Otto 1916 1992 G. Waffenschmidt 1964 G. Waffen-schmidt

1942

Angermann Adolf 1920 1985 A. Marx 1957 Waffenschmidt/Walther

1952

Arnold Ulli 1944 1981 1974

Aschfalk Bernd 1932

Aufermann Ewald 1892 1958 F. Schmidt 1941 F. Schmidt 1919

Aubel Peter van 1894 1964 1926

Auler WilhelmGustav

1883 1955 1922 P. Arndt 1919

Bachmann Gottlieb 1874 1947 keine G. Cöhn/ F. Meili 1898

Bänsch Axel 1941 1982 1968

Baetge Jörg 1937 U. Leffson 1972 U. Leffson 1968

Bamberger Ingolf 1943 1984 1971

Banse Karl 1901 1977 1926 H. Sommerfeld 1923

Bareis Peter 1940 1970 1969

Barth Klaus 1937 1975 1966

Barth Kuno 1906 1994 R.Johns B: 1963 W. Rieger 1939

Bartölke Klaus 1938

Bartram Werner 1935

Bauer Erich 1943 1980 1975

Tabelle 6

Page 236: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

8 Biographischer Anhang

230

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Bauer Walter 1901 1968 1926

Bea FranzXaver

1937 B:1972 1965

Becher Erich 1913 1984

Beckmann Liesel 1914 1965 K.F. Rößle 1940 K.l F.Rößle 1938

Beckmann Martin 1924 B:1962 1950

Behrens Gerold 1942 1980 1973

Behrens KarlChristian

1907 1980 B. Rogowsky 1947 K. F. Rößle/K.Banse

1935

Bellinger Bernhard 1920 F. Henzel 1959 1950

Bellmann Klaus 1943 G. H. v.Kortzfleisch

1990 G. H. v.Kortzfleisch

1974

Benkhoff Birgit 1945 B:1998 1991

Benner Wolfgang 1940 1980 1990

Berg Claus C. 1937 1976 1972

Berger Karl-Heinz 1997

Bergler Georg 1900 1972 keine W. Rieger 1931

Bergner Heinz 1924 1964 1961

Berthel Jürgen 1939 2005 R. B. Schmidt 1972 R. B. Schmidt 1966

Beschorner Dieter 1945 B:1992 1976

Betge Peter 1942 1985 1981

Beste Theodor 1894 1973 E. Schmalenbach 1924 E. Schmalenbach 1921

Beuermann Günter 1937 1980 1970

Bieg Hartmut 1944 1982 1976

Bierfelder Wilhelm 1926 B:1971

Biergans Enno 1939 ? 1970 1965

Bierich Marcus 1926 2000 h.c.:1997 1951

Biethahn Jörg R. Gümbel 1978 R. Gümbel 1972

Billmann Wolfgang 1944

Bitz Michael 1943 1975 1970

Bleuler Werner 1886 1928 keine 1911

Bleicher Knut 1929 E. Kosiol 1964 E. Kosiol

Bliemel FriedhelmW.

1941

Bloech Jürgen 1938 1969 1966

Blohm Hans 1920 2005 O. Hintner 1958 W. Prion/ W.Koch

1952

Bluemle Ernst-Bernd

1932 1967 1958

Böcker Franz 1945 1991 E.Dichtl 1978 R. Nieschlag 1972

Böhler Heymo 1944 R. Köhler 1983 R. Köhler 1976

Page 237: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Biographische Tabelle 8.2

231

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Böhnisch Wolf 1941

Böhrs Hermann 1905 1983 1949 1941

Bohr Kurt 1937 W. Wittmann 1972 W. Wittmann 1965

Börner Dietrich 1933 E. Heinen 1966 E. Heinen 1961

Botta Volkmar 1941

Bottler Jörg 1936 1971 1967

Bouffier Willy 1903 1969 K. Oberparleiter 1933 W. Kalveram/F. Schmidt

1927

Braess Paul 1904 1973 1931

Brauchlin Emil 1930

Braun Walter 1930 A. Marx A. Marx

Braun Wolfram 1998

Brede Helmut 1935 1974 1967

Breinlinger KarlHeinrich

1902 1967 E. Schmalen-bach

1928

Breitzmann Karl-Heinz 1941 1979 1968

Brem Ernst 1922 2000

Bretzke Wolf-Rüdiger

1944

Brink Hans-Josef 1996

Brockhoff Klaus 1939 H. Albach 1969 H. Albach 1965

Brogle Theodor 1893 1959 B: 1926 M. Weyermann 1919

Bronner Rolf 1940 B:1976 1972

Buchner Robert 1928 1967 1960

Buddeberg Hans 1915 1983 R. Seyffert 1954 R. Seyffert 1948

Budäus Dietrich 1942 1982 1974

Bühler Wilhelm 1935 1971 1966

Bühler Wolfgang 1943 1976 1971

Bühner Rolf 1944 F. Hoffmann 1978 F.Hoffmann 1974

Bürgel HansDietmar

1935 B:1991 1964

Büschgen Hans E. 1932 H. Rittershausen 1965 H. Rittershausen 1960

Buschor Ernst 1943 B: 1995 1970

Busse vonColbe

Walther 1928 H. Münstermann/E. Gutenberg

1962 H. Münster-mann/ K.Schwantag

1956

Bussmann Karl-Ferdinand

1915 1985 K. F. Rößle 1948 K. F. Rössle 1944

Calmes Albert 1881 1967 B: 1911 J. F. Schär 1906

Carus Horst 1929 h.c.:1993 1960

Caspar Claude 1931 2004 1964 1956

Page 238: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

8 Biographischer Anhang

232

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Castan Edgar 1931 B:1974 1956

Chmielewicz Klaus 1935 1994 E. Kosiol 1970 E. Kosiol 1967

Coenenberg Adolf-Georg

1938 H. Münstermann 1970 H. Münstermann 1966

Cordes Walter 1907 1996 hc. 1967 J. Hirsch 1933

le Coutre Walter 1885 1965 1920 W. Kähler 1918

Czap Hans 1945 1979 J. Stoer 1974

Czeranowski Günter 1942 1982 1973

Debes Robert 1878 1962 B: 1906 G. Bachmann 1908

Dellmann Klaus 1938 W. Kilger 1975 W. Kilger 1968

Deppe Hans 1935

Deppe Hans-Dieter

1930 L. Mülhaupt 1964 L. Mülhaupt 1959

Deutsch Paul 1901 1977 H. Großmann 1928 W. Stieda/F.Kossmat

1924

Dichtl Erwin 1935 1997 R. Nieschlag 1970, B: 1970 R. Nieschlag 1965

Dick Reiner 1940 1974 H.-J. Zimmer-mann

1972 E. Gutenberg 1966

Diederich Helmut 1928 1961 1953

Diller Hermann 1945 E. Dichtl 1979 E. Dichtl 1975

Dinkelbach Werner 1934 E. Gutenberg 1967 E. Gutenberg 1963

Diruf Günther 1940

Dlugos Günter 1920 E. Kosiol 1969 E. Kosiol 1961

Dörfel Franz 1879 1959 B: 1931 keine

Döring Ulrich 1945 G. Wöhe 1982 G. Wöhe 1976

Domsch Michel E. 1941 1974 1968

Domschke Wolfgang 1944 1974 1971

Dorn Gerhard 1925

Dorow Wolfgang 1943 B:1995 1976

Draheim Georg 1903 1972 h.c.:1952 1929

Drukarczyk Jochen 1938 1973 1969

Drumm HansJürgen

1937 1972 1968

Dülfer Eberhard 1924 W. M. Kirsch 1961 W. M. Kirsch 1956

Dürrhammer Walther 1903 E.. Walb 1926

Dufey Gunter 1940 B:1976 1969

Dworatschek Sebastian 1941 B:1977 1970

von Eckard-stein

Dudo 1939

Egger Anton 1932 1970 1954

Page 239: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Biographische Tabelle 8.2

233

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Ehrenberg Richard 1857 1921 B: 1899 1896

Eich Wilhelm 1889 1966 keine, B:1949 W. Prion 1939

Eichenseer Carl 1885 1920 Schanz 1912

Eichhorn Peter 1939 1972 1967

Eisele Wolfgang 1938 1972 1965

Eisfeld Curt 1886 1969 keine Stephinger 1913

Ellinger Theodor 1920 2004 K. Hax 1958 H. Peter 1950

Emmighaus KarlBernhardArwed

1831 1916 1855

Endres Walter 1917 K. Hax 1966 Mayer 1940

Engeleiter Hans-Joachim

1923 2007 1965 G. Rittig 1960

Engelhardt WernerHans

1932 K. Banse/ K. Hax 1968 K. Banse 1959

Engels Wolfram 1933 1995 W. Stützel 1969 E. Gutenberg 1962

Erhard Ludwig 1897 1977 h.c.: W. Vershofen 1925

Erichson Bernd 1943 P. Hammann P. Hammann

Eschenbach Rolf 1931 1964 1962

Fahrion Roland 1945 1979 1975

Faller Peter 1932 1972 1967

Fandel Günter 1943 B:1976 H. Albach 1972

Farny Dieter 1934 P. Braeß B: 1965 P. Braeß 1960

Federmann Rudolf 1945 B:1978 1973

Fehr Hendrik J. 1945 h.c.:

Femppel Kurt 1935 h.c.:

Ferjancic Theodor 1880 1942 1903

Fettel Johannes 1902 1952 1929

Fickert Reiner 1942

Findeisen Franz 1892 1962 F. Schmidt 1919 K. Bücher 1917

Fink Gerhard 1944 1982 1971

Fischer Guido 1899 1983 1927 F. Schmidt 1922

Fischer Lutz 1939

Fischer Oscar 1885 1949 B: 1920 J. F. Schär/ G.Bachmann

1908

Fischer Otfried 1920 1997 K.F.Hagenmüller 1965 K. F. Hagen-müller

1954

Fischer-Winkelmann

Wolf 1941 B:1975

Fleege-Althoff Fritz 1886 1945 H. Sommerfeld 1929 1921

Fleischmann Bernhard 1942 1975 1970

Page 240: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

8 Biographischer Anhang

234

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Forster Karl-Heinz h.c.:

Fotilas Panagiotis 1943

Frank Werner 1929 h.c.: 1995 1990

Franke Günter 1944 H. Hax 1975 H. Hax 1970

Franz Klaus Peter 1945

Freericks Wolfgang 1940 1974 1967

Freimann Jürgen 1945 1989 197

Frese Erich 1938 E. Grochla 1970 E. Grochla 1966

Freter Hermann 1943 H. Meffert H. Meffert

Fuchs Konrad 1938 1972 1968

Furtner Ludwig 1926 h.c.:

Gabele Eduard 1941 1992 W. Kirsch 1979 W. Kirsch

Gaitanides Michael 1942 1978 1973

Gasser Christian 1906 1990 keine H. Töndury 1933

Gaugler Eduard 1928 G. Fischer 1966 1954

Gaul Wolfgang 1945 1980 1974

Gebert Diether 1940 1976 1972

Gehring Hermann 1943 1980 1974

Gerth Ernst 1996

Geis Heinz-Günter

1936 1971 1966

Geldmacher Erwin 1885 1965 E. Schmalenbach 1922 E. Schmalenbach 1921

Gerhardt Klaus 1930

Gerke Wolfgang 1944 1977 1972

Gerwig Ernst 1893 1972 keine H.Sievenking 1922

Geschka Horst 1938 h.c.:

Glaser Horst 1942

Göppl Hermann 1937 1968 1963

Gomberg Léon 1866 1935 H. Töndury 1928

Gottschalk Wolfhard 1937 h.c.:

Gräfer Horst 1941

Grauer Manfred 1945

Griesinger Heinz 1929 h.c.:

Grob HeinzLothar

1943 H. Wagner 1988 H. Wagner 1973

Grochla Erwin 1921 1986 E. Kosiol 1957 E. Kosiol 1953

Großmann Hermann 1872 1952 B: 1916 G. F. vonSchönberg

1903

Grossmann Marcel 1904 1986 keine M. Saitzew 1927

Page 241: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Biographische Tabelle 8.2

235

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Grün Oskar 1938 E. Witte 1973 E. Witte 1964

Gsell Emil 1899 1973 B: 1930 M. Saitzew 1927

Gümbel Rudolf 1930 K. Banse 1962 K. Banse 1955

Gutenberg Erich 1897 1984 W. Bruck, F.Schmidt, W.Kalveram

1928 Wolff 1921

Haase Klaus-Dietmar

1941 1973 1970

Haberfellner Reinhard 1942

Haberstock Lothar 1940 1996 G. Wöhe 1976 G. Wöhe 1970

Haedrich Günther 1934 B:1970 1960

Haegert Lutz 1936 K. v. Wysocki 1970 K. v. Wysocki 1963

Haehling vonLanzenauer

Christoph 1939 M. Beckmann B:1975 H. Albach 1966

Hagenmüller KarlFriedrich

1917 K. F. Rößle 1950, h.c.: K. F. Rößle/ L.Beckmann

1948

Hahn Dietger 1935 K. Mellerowicz 1968 K. Mellerowicz 1962

Hahn Oswald 1928 2000 H. Rittershausen 1960 H. Rittershausen 1954

Hake Bruno 1930

Hamel Winfried 1943 1979 E. Witte 1972

Hammann Peter 1938 2005 1970 1965

Hammer Gerald 1938 1962

Hanisch Johannes 1864 1918 B:1906 K. Büchner/ W.Stieda

1904

Hanschmann Rolf 1915 B: 1975 1949

Hansen HansRobert

1941 B:1974 1970

Hansen Klaus 1938

Hansen Ursula 1939 E. Leitherer 1973 E. Leitherer 1968

Hansmann Karl-Werner

1943 H. Jacob 1977 H. Jacob 1972

Hanssmann Friedrich 1929 B:1966 1955Hartmann Bernard 1916 1990 K. F. Rößle B: 1957

Hasenack Wilhelm 1901 1984 W. Prion 1929 W. Prion 1925

Haupt Reinhard 1942 T. Ellinger 1984 T. Ellinger 1974

Hauschildt Jürgen 1936 2008 E. Witte 1970 E. Witte 1964

Hax Herbert 1933 2005 E. Gutenberg 1964 E. Gutenberg 1960

Hax Karl 1901 1978 W. Rohrbeck 1943 E. Schmalenbach 1926

Heber Arthur 1884 1946 1925 H. Sieveking 1912

Heigl Anton 1930 1966 1959

Heinen Edmund 1919 1996 E. Gutenberg 1951 E Aufermann 1949

Heinrich LutzJürgen

1936 1968 H. Blohm 1963

Page 242: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

8 Biographischer Anhang

236

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Hellauer Josef 1871 1956 R. Sonndorfer B:1898 R. Sonndorfer 1898

Hellfors Sven 1934 1980 B.Hartmann 1971 B. Hartmann

Hellwig Klaus 1942 1976 1972

Helpenstein Franz 1889 1937 H. v. Beckenrath 1925 1922

Helten Elmar 1939

Henn Rudolf

Hennig KarlWilhelm

1890 1973 B: 1949 1918

Hentze Joachim 1940 1974 1969

Henzel Friedrich 1891 1984 F. Schmidt 1929 F. Schmidt 1926

Henzler Herbert 1941 h.c.:

Henzler Reinhold 1902 1968 J. Hellauer 1935 J. Hellauer 1929

Hermanns Arnold 1942 1979

Hertlein Adolf 1886 A. Weber 1928 F. Schmidt/ A.Calmes

1920

Herzig Norbert 1945 1982 1974

Hielscher Udo 1939 1971 1968

Hildebrand Lutz 1945 1989 1982

Hilke Wolfgang 1941 1976 1970

Hill Wilhelm 1925 1957 1952

Hinterhuber Hans 1938 1967 1963

Hintner Otto 1900 1977 W. Rieger 1927/1929 Ritter v. Eheberg 1922

Hirsch Julius 1882 1961 1911 H. Dietzel 1926

Hömberg Reinhold 1945 1981 1973

Hörschgen Hans 1936 B:1975 1967

Hoffmann Alexander 1879 1946 W. Stieda/ L..Pohle/ M. Murko

1920 F. J. von Neu-mann

1905

Hoffmann Friedrich 1925 2007 P. Scherf 1963 F J von Neu-mann

1961

Hofmann Rolf 1924 h.c.:1972 1954

Hohlfeld HansHerbert

1903 1956 E. Walb 1931 Diehl 1927

Hoitsch Hans-Jörg 1941

Holzer H. Peter 1926

Horváth Peter 1937 1973 1969

Hruschka Harald 1953 J. Mazanec/ E.Topritzhofer/

1986 G. Schweiger/ F.Jonasch

1971

Huch Burkhard 1942 B:1985 1970

Hübner Heinz 1937 B:1981 1973

Hünerberg Reinhard 1945 1978 1974

Page 243: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Biographische Tabelle 8.2

237

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Hummel Siegfried 1940 1972 1969

Hundhausen Carl 1893 1977 h.c.:1941 1925

Hummel Otto 1892 H. Nicklisch 1926 F. Schmidt 1922

Illetschko Leopold L. 1902 1979 W. Bouffier/ K.Oberparleiter

1950 F. Dörfel 1938

Isaac Alfred 1888 1956 1926 F. Schmidt 1923

Isermann Heinz 1941 B:1997 1974

Jacob AdolfFriedrich

1933 2003 B:1988 1963

Jacob Herbert 1927 1997 E. Gutenberg 1959 E. Gutenberg 1954

Jacobs Otto H. 1939 1970 1966

Janko Wolfgang 1943 1975 1968

Jehle Egon 1939

John Gerd 1991

Johns Rudolf 1900 1984 W. Mahlberg 1934 E. Walb 1926

Jonasch Franz 1913 2000 1962 1937

Junginger Werner 1939 1977 W. Knödel 1970

Juzi Otto 1876 1951 B: 1915 G. Huber 1902

Kaas Klaus Peter 1940 W. Kroeber-Riel 1976 W. Kroeber-Riel 1973

Käfer Karl 1898 1999 O. Juzi 1943 O. Juzi/ R.Büchner

1941

Kähler Wilhelm 1871 1934 J. Konrad/ R.Friedberg

1897 Schwarze 1893

Kahle Egbert 1943 1977 1973

Kaiser Hans 1936

Kalischer Hans Erich 1903 1966 E. Schmalenbach 1928

Kalussis Demetre 1910 2006 K. Oberparleiter 1949 W. Heinrich/ H.Demelius

1936

Kaluza Bernd 1941 1987 1978

Kalveram Wilhelm 1882 1951 F. Schmidt 1923 F. Schmidt 1920

Kappler Ekkhard 1940 1972 E. Heinen 1970

Kargl Herbert 1936 1971 1967

Karten Walter 1934 B:1970 1965

Kaspar Claude 1931 2004

Kern Werner 1927 K.-F.. Bussmann 1960 F. Huhle 1957

Kieser Alfred 1942 E. Grochla 1973 E. Grochla 1968

Kilger Wolfgang 1927 1986 E. Gutenberg 1957 E. Gutenberg 1953

Kilgus Ernst 1931 1962

Kinnebrock Franz 1901 1985 B:1962 J. Plenge 1923

Page 244: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

8 Biographischer Anhang

238

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Kirsch Werner 1937 1968 1964

Kirsch WilhelmMichael

1899 1976 K. F. Rößle 1937 K. F. Rößle 1933

Kistner Klaus-Peter

1940 H. Albach 1972 H. Albach 1969

Klaus Peter 1944

Kleekämper Heinz 1939 h.c.:2004 1969

Klein Werner 1930 h.c.:

Klein-Blenkers Fritz 1924 R. Seyffert 1962 R. Seyffert 1951

Kleineidam Hans-Jochen

1943 1973 1968

Kliemann Horst 1896 1965

Kloidt Heinrich 1905 1970 E. Kosiol 1962 1952

Kloock Josef 1935 W. Dinkelbach 1970 H. Münstermann 1967

Knoblich Hans 1933 1968 1961

Knoth Joachim 1936 1970 1964

Knüppel Lothar 1944

Koberstein Günther 1996

Koch Helmut 1919 E. Gutenberg 1951 K.-W. Hennig 1948

Koch Waldemar 1880 1963 W.. Prion 1930 K. G. Schmoller/Sehring

1907

Köhler Richard 1936 C. Sandig 1973 C. Sandig 1966

Kohlbeck Rosemarie 1924 1999 K. F.Hagenmüller 1970 K. F.Hagenmüller

1955

Koller Horst 1934 N. Sieber 1968 1960

Koppelmann Udo 1939 1970 1965

Kortzfleisch Gert-Harald von

1921 2007 T. Beste 1960 T. Beste 1957

Kossbiel Hugo 1939 W. Braun 1971 W. Braun 1966

Kosiol Erich 1899 1990 R. Seyffert 1931 Beck 1922

Krähe Walter 1904 1991 hc. 1960 E. Schmalenbach 1927

Krallmann Hermann 1945 G. H v.Kortzfleisch

B:1980 G. H. v.Kortzfleisch

1975

Krasensky Hans 1903 2006 F. Dörfel/ K.Oberparleiter

1950 F. Dörfel/ K.Oberparleiter/Winkler

1943

Kraus Herbert 1937 1966 1961

Krawitz Norbert 1945

Kreikebaum Hartmut 1934 1970 1960

Kritzler Gottfried 1893 1945 B: 1933 E. Heidebroek 1928

Kroeber-Riel Werner 1935 1995 O. R. Schnuten-haus

1968 O. R.Schnutenhaus

1963

Kromschröder Bernhard 1938 1976 1970

Page 245: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Biographische Tabelle 8.2

239

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Krüger Gerhard 1904 1990 F. Werner 1935 F. Werner 1932

Krüger Rudolf 1925

Krüger Wilfried 1943 1975 1971

Krümmel Hans-Jacob 1928 W. Stützel 1963 E. Gutenberg 1953

Krulis-Randa Jan S. 1926 B:1975 1954

Kruschwitz Lutz 1943 1975 1970

Kühn Günther 1898 1960 W Prion/ G.Briefs

1932 1924

Kühn Richard 1939 1977 1967

Küpper Hans-Ulrich

1945 M. Schweitzer 1977 M. Schweitzer 1974

Küpper Willi 1942

Küting Karlheinz 1944 G. Wöhe G. Wöhe

Kuhlmann Eberhard 1938 1977 1968

Kulhavy Ernest 1925

Kumar Brij Nino 1938 2000 1983 1973

Kupsch Peter 1943 E. Heinen 1974 E. Heinen 1971

Kurnal Jerzy 1924

Kutschker Michael 1943 1982 1972

Kuske Bruno 1876 1964 1908 K. Bücher 1903

Lachnit Laurenz 1943 1978 1971

Lambert Richard 1846 1926 B:1901

Lange Christoph 1945

Lange Manfred 1943 h.c.:

Langen Axel 1920 1962 E. Kosiol 1952

Langen Heinz 1920 1984 1962 1952

Laske Stephan 1944 B:1980 1973

Laßmann Gert 1930 K. Hax 1967 K. Hax 1958

Laux Helmut 1939 H. Hax 1971 H. Hax 1968

Lawson Gerald H. 1933

Layer Manfred 1937 1973 1967

Lechner Karl 1927 1982 L. Illetschko 1960 L. Illetschko 1954

Lefebvre Chris 1945

Leffson Ulrich 1911 1989 K. Schwantag 1963 Lampe 1938

Lehmann Matthias 1939

Lehmann MaxRudolf

1886 1965 F. Schmidt 1920 F. Schmidt 1919

Leitherer Eugen 1929 1959 1954

Leitner Friedrich 1874 1945 B:1908

Page 246: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

8 Biographischer Anhang

240

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Lexa Hans 1935 1968 1959

Liebmann Hans-Peter 1940 R. Gümbel R. Gümbel

Liesegang DietfriedGünter

1942

Linhardt Hanns 1901 1989 W. Bruck 1928 W.Kalveram/ F.Schmidt

1923

Lipfert Helmut 1924 1958

Lisowsky Arthur 1895 1952 G. Wörner/E.Schulze/ F.Findeisen

1927 A.Hoffmann/ L.Pohle

1924

Lohmann Karl 1939 1992 H.D. Deppe 1973

Lohmann Martin 1901 B. Penndorf 1928 W. Stieda 1923

Loistl Otto 1939 1974 1971

Loitlsberger Erich 1921 2003 L. Illetschko 1953 L. Illetschko 1950

Ludewig Rainer 1926 h.c.:

Lück Wolfgang 1938 B:1978 1969

Lücke Wolfgang 1926 E.Gutenberg 1958 E. Gutenberg 1953

Lüder Klaus 1935 1968 1964

Luhmer Alfred 1941 1987 1974

Lysinski Edmund 1889 1982 O. Selz/ H.Sommerfeld

1924 P. Barth/ J.Volkelt

1912

Macharzina Klaus 1939

Männel Wolfgang 1937 2006 1982 P. Riebel 1967

Mag Wolfgang 1938 B:1976

Mahlberg Walter 1884 1935 E. Schmalenbach 1913 F. Schmidt/ A.Calmes

1920

Mahr Werner 1906 1936 O. vonZwiedineck-Südenhorst

1929

Maleri Rudolf 1937

Mandl Dieter 1942

Mandl Gerwald 1940

Mann Gerhard 1928 2005

Marettek Alexander 1930 1981 B. Hartmann B: 1969 B.Hartmann

Marr Rainer 1942 1973 1970

Marx August 1906 1990 W. Kalveram 1945 W.Kalveram 1939

Marzen Walter 1916 H. Buddeberg/ C.Sandig

1958 E.Aufermann 1951

Matschke ManfredJürgen

1943 1977 1973

Mattesich Richard 1922 B:1966 1945

Matthes Winfried 1941 1974 1969

Mayer Horst 1942 1970

Page 247: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Biographische Tabelle 8.2

241

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Mayer Leopold 1896 1971 J. Hellauer 1930 J. Hellauer 1928

Meffert Heribert 1937 E. Heinen 1968 E. Heinen 1965

Meinig Wolfgang 1941 1985 1976

Meissner HansGünther

1929 2000 R.König 1965 K. Ringel 1958

Mellerowicz Konrad 1891 1984 F. Leitner 1926 W. Zimmermann 1923

Mellwig Winfried 1942 1975 1971

Menrad Siegfried 1928

Menz Gerhard 1885 1954 keine G. Kaufmann 1910

Mertens Peter 1937 W. Bussmann 1966 H. Lipfert 1961

Meyer zuSelhausen

Hermann 1940 F. Hanssmann 1975 F. Hanssmann 1970

Milling Peter 1944 G. H. v.Kortzfleisch

G. H. v.Kortzfleisch

Minz Willy 1901 1972 E. Schmalenbach hc. 1961 1926

Mirow Michael 1938 h.c.:

Möller Hans Peter 1945 A. G. Coenenberg 1983 A. G.Coenenberg

1972

Mötteli Hans 1897 1962 keine, B:1949 H. Sieveking 1920

Moxter Adolf 1929 K. Hax 1961 K. Hax 1956

Mülhaupt Ludwig 1912 1997 R. Johns 1943 R. Johns 1938

Müller Heinrich 1931 h.c.:

Müller Werner R. 1941

Müller Wolfgang 1936 1993 1973 1969

Müller-Hagedorn

Lothar 1941 R. Gümbel 1974 R. Gümbel 1969

Müller-Merbach

Heiner 1936 W. Bussmann 1967 A. Walther 1962

Münstermann Hans 1899 1986 C.l M. Maedge/H.Fritzsche/ K.Rummel

1939 E. Schmalenbach 1924

Nagel Kurt 1939 1977;h.c.:1979

1968

Nastansky Ludwig 1941 B:1974 H. Hax 1971

Niedereichholz Joachim 1941 Noltemeier 1971 Waffenschmidt 1967

Nicklisch Heinrich 1876 1946 R. Lambert B: 1910 G. F. vonSchönberg

1902

Nieschlag Robert 1905 1990 R. Seyffert J. Hirsch 1949

Nordsiek Fritz 1906 1984 E. Walb

Nowak Paul 1902 1982 A. Heber 1943 A. Heber 1934

Oberparleiter Karl 1886 1968 keine, B:1926 J. Hellauer 1923

Obst Georg 1873 1938 1915 A.Wagner/ C.. J..Fuchs

1903

von Oetinger Bolko 1943 h.c.:2003

Page 248: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

8 Biographischer Anhang

242

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Oettle Karl 1926 R. Johns 1962 R. Johns 1957

Ottel Klemens 1869 1945 B: 1923 keine

Ordelheide Dieter 1939 2000 W. Busse vonColbe

1979, B:1978 W. Busse vonColbe

1973

Ortmann Günther 1945 1978 1975

Ortner Gerhrad E. 1940 1973;h.c.:1985

1970

Osterloh Margit 1943 1990 1981

Pack Ludwig 1929 E. Heinen 1961 E. Heinen 1956

Pape Ernst 1876 1945 R. Lambert B: 1919 K. Bücher/Schmid

1910

Papperitz Günter 1928 h.c.:

Passow Richard 1880 1949 1906 R. Ehrenberg 1901

Pausenberger Ehrenfried 1931 H. Linnhardt 1967 K. F. Rößle/ L.Beckmann

1957

Peemöller Volker H. 1940 1977 1971

Penndorf Balduin 1873 1941 R. Lambert B: 1922 G. F. vonSchönberg

1906

Penzkofer Peter 1940 2006

Peters Sönke 1938 1995 B:1977 1968

Perlitz Manfred 1943 1978 1971

Perridon Louis 1918 1954 1950

Pfeifer Bruno 1869 1928 R. Lambert B: 1915 F. Schmidt/ J.Hellauer

1923

Pfeiffer Werner 1933 T. Ellinger 1970 T. Ellinger 1963

Pfohl Hans-Christian

1942 1975 1971

Picot Arnold 1944 E. Heinen 1975 E. Heinen 1972

Pietsch Maximilian 1902 1976 1952 Degenfeld/Spann 1931

Plechak Franz 1940 2003 1971 1970

Pleiß Ulrich 1923 1970 1959

Pleitner Hans Jobst 1935 B:1985 1972

Plinke Wulff 1942 1981 1972

Poensgen OttoHerbert

1932 1982

Pohmer Dieter 1925 1957 1953

Popp Werner 1935 2007 1967 1960

Potthoff Erich 1914 2005 E. Walb 1941

Pougin Erwin 1927 h.c.:

Pressmar Dieter 1936 H. Jacob H. Jacob 1968

Pribilla Peter 1941 2003 h.c.:

Priewasser Erich 1941 1970 1964

Page 249: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Biographische Tabelle 8.2

243

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Prion Willi 1879 1939 R. Lambert 1910 A. Spiethoff/ G.von Schulze-Gävernitz

1908

Raffée Hans 1929 K. Banse 1969 K. Banse 1960

Rautenberg HansGünter

1943 1992 1972

Raydt Hermann 1851 1914

Reber Gerhard 1937 1972 1965

Rehkugler Heinz 1943 1975

Reichard Christoph 1941 B:1997 1972

Reichmann Thomas 1938 1972 1966

Reichwald Ralf 1943 B:1975 E. Heinen 1973

Reinermann Heinrich 1937 L. Pack 1973 L. Pack 1966

Reitsberger Wolf D. 1944 1973 1966

Rembeck Max 1907 1993 B: 1965

Remer Andreas 1944 1980 1973

Rentz Otto 1944

Richter Hans-Jörg 1944

Richter Knut 1943

Richter Martin 1943

Riebel Paul 1918 2001 E. Schäfer 1954 E. Schäfer 1951

Rieger Wilhelm 1878 1971 G. F. Knapp B: 1919 G.F.Knapp 1918

Rieper Bernd 1943 1979 W. Dinkelbach 1973

Riester WilhelmFriedrich

1902 B: 1960 W. Prion 1934

Ringle Günther 1937 1980 1968

Risak Johann 1940 h.c.: 1965

Rittershausen Heinrich 1898 1984 Pribram 1933 1922

Robl Karl 1943 1979 1973

Rodenstock Rolf 1917 1997 K.F. Rößle 1947 1944

Rödder Wilhelm 1942 1985 1972

Rößle Karl-Friedrich

1893 1957 H. Nicklisch 1926 E. Pape/ W.Kalveram

1923

Rogowsky Bruno 1890 1961 1924 A. Skalweit 1920

Rose Gerd 1926 2006 1966 E. Gutenberg 1954

Rosenberg Otto 1938

Rosenkranz Friedrich 1941 1970 1968

Ruberg Carl 1892 1985 W. Prion 1930 W.. Prion/ E.Schmalenbach

1923

Ruchti Hans 1903 1988 H. Sommerfeld 1940 H. Sommerfeld 1935

Page 250: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

8 Biographischer Anhang

244

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Rudolph Bernd 1944 H. J. Krümmel 1978 H. J. Krümmel 1972

Rückle Dieter 1941 1978 1968

Rühl Günther 1914 2007

Rühli Edwin 1933 1966 1962

Rummel Kurt 1883 1953

Sabel Hermann 1937 1968 1964

Sabich Helmut

Sandig Curt 1901 1981 F. Findeisen/H.Großmann

1934 H. Nicklisch 1929

Schäfer Erich 1900 1984 W. Rieger 1931 E. Schmalenbach 1927

Schär JohannFriedrich

1846 1924 keine, B: 1903 keine

Schauenburg Bernd 1944 1983 1976

Schauer Reinbert 1943 1978 1968

Scheer AugustWilhelm

1941 H. Jacob 1974 H. Jacob 1971

Scheidl Karl 1929 1963 1956

Scheller Georg 1895 1955 J. Hellauer 1928 F. Schmidt/ J.Hellauer

1924

Scherrer Gerhard 1936 1974 1968

Scherpf Peter 1905 1995 F. Terhalle 1939 A. Weber 1932

Scheuch Fritz 1945 1976 1968

Schiemenz Bernd 1939 B:1991 1969

Schildbach Thomas 1945 1979 1973

Schilling Adolf 1889 B: 1911 Klingmüller 1918

Schmalen Helmut 1944 2002 K. Brockhoff 1978 W. Braun 1971

Schmalenbach Eugen 1873 1955 R. Lambert 1903 1919

Schmaltz Kurt 1900 1995 H. Nicklisch 1928 H. Nicklisch 1922

Schmid Anton 1870 1931 keine, B:1908 keine

Schmidt Fritz 1882 1950 1912 A. Calmes 1915

Schmidt Hartmut 1941 B:1974 1969

Schmidt JuliusAugustFritz

1882 1950 R. Lambert 1912 A. Calmes 1915

Schmidt Ralf-Bodo 1928 1991 E. Kosiol 1963 E. Kosiol 1952

Schmidt Reinhart 1940 2008 H. Albach 1971 H. Albach 1967

Schmitt Dieter 1939

Schneeloch Dieter 1941 1975 1971

Schneeweiß Christoph 1937 F. Ferschl 1971 1967

Schneider Dieter 1935 K. Hax 1965 K. Hax 1960

Page 251: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Biographische Tabelle 8.2

245

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Schneider Dieter J. G. 1941 h.c.: 1972

Schneider HerfriedM.

1939 1989 1985

Schneidewind Dieter 1935 h.c.:

Schnettler Albert 1895 1967 E.Geldmacher 1933 E.Geldmacher 1927

Schnutenhaus OttoRichard

1894 1976 F.Meyenberg 1929 Ritter vonEheberg

1919

Schober Franz 1941 F. Hanssmann 1987 F. Hanssmann 1972

Schoenfeld HannsMartin W.

1928 1966 1954

Schönknecht Dieter 1931

Scholz HerbertCarl

1921 h.c.:

Schranz Andreas 1999

Schredelsecker Klaus 1943 1976 1974

Schröder HansHorst

1941 W. Kern B: 1991 W. Kern 1973

Schruff Lothar 1940 h.c.:

Schubert Werner 1924 1967

Schülen Werner 1928 h.c.:1993 1954

Schüler Wolfgang 1939 1998 H. Albach B: 1976 H. Albach 1970

Schuhmann Werner 1932 h.c.:

Schultz Reinhard 1932 B:1979 1966

Schumpeter Joseph A. 1883 1950 1909 1906

Schuster Leo 1937 1975 1966

Schuster Walter 1894 1948 H.Nicklisch 1930 1924

Schwantag Karl 1912 1991 F. Schmidt/ W.Kalveram

1943 F. Schmidt 1939

Schwartz Horst 1923 1990 K. Mellerowicz 1958 K. Mellerowicz 1949

Schwarzfischer Josef 1901 1991 H. Schorer 1932 H. Schorer 1928

Schweiger Günter 1941 1973 1966

Schweitzer Marcell 1932 E. Kosiol 1968 E. Kosiol 1963

Schweitzer Robert 1896 1940 H. Nicklisch 1933 1926

Schwinn Rolf 1936 1974 1968

Seelbach Horst 1938 1970 E. Gutenberg

Seibt Dietrich 1938 E. Grochla 1970

Seicht Gerhard 1939 B:1972 1962

Seidel Eberhard 1936 1974 1965

Seidel KarlJohann

1887 1919 H. Töndury 1933

Page 252: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

8 Biographischer Anhang

246

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Seischab Hans 1898 1965 H.Nicklisch 1938 F.Leitner/ H.Nicklisch

1931

Sertl Walter 1930 1968

Sewering Karl 1888 1967 F.Terhalle 1924 W. Stieda/F.Schmid

1917

Seyffert Rudolf 1893 1971 H. Nicklisch 1922 F. Schmidt 1919

Sieben Günter 1933 H. Münstermann 1969 H. Münstermann 1961

Sieber EugenHermann

1901 1982 A.Hoffmann 1930 A.Hoffmann 1925

Siegel Theodor 1940 1976 1973

Siegwart Hans 1925 2003

Sigloch Jochen 1944 E. Biergans 1976 P. Scherf 1971

Silberer Günter 1944 1982 1977

Skowronnek Karl 1902 1976 K. Oberparleiter/Kerschagl/ F.Dörfel

1950 F. Krüger 1930

Sohn Karl-Heinz 1928 h.c.: 1963

Sommerfeld Heinrich 1884 1950 B:1920 E.Gothein 1916

Specht Dieter 1944 1998 1993

Specht Günter 1940 K. Banse 1977 K.l Baanse 1971

Staehle WolfgangH.

1938 1992 L.s Perridon 1972 L. Perridon 1967

Stahlknecht Peter 1933 1977 1958

Standop Dirk 1943 H. Koch 1977 H. Koch 1973

Stathopoulos Athanasios 1931

Staudt Erich 1941 2002 W. Pfeiffer 1978 W. Pfeiffer 1973

Steffen Reiner 1941

Steffenhagen Hartwig 1943 H. Meffert 1976 H. Meffert 1972

Steffens Franz 1933

von Stein JohannHeinrich

1937 B:1977 1969

Steiner Jürgen 1944 1980 1973

Steiner Manfred 1942 1970 1974

Steinmann Horst 1934 W. F. Riester 1967 W. F. Riester 1962

Stemberger Rudolf 1901 1964 H. Bayr/ T. Prötz 1949 O. Spann/Degenfeld

1932

Stepan Adolf 1942 1980 1974

Stern Robert 1855 1930 Thon 1907

Stitzel Michael 1940

Stöckert Bernd 1943

Stöppler Siegmar 1939 1992 W. Wittmann 1980 W. Wittmann 1972

Strebel Heinz 1939 1977 1967

Page 253: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Biographische Tabelle 8.2

247

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Streim Hannes 1943 1977 1971

Streitferdt Lothar 1941 1977

Stremitzer Heinrich 1936 D. Farny 1973 D. Farny 1961

Strobel Wilhelm 1931

Strümpel Burkhard 1935 1991 1976 1968

Stüdemann Klaus 1930 1995 1970 1964

Stützel Wolfgang 1925 1958 C. Brinkmann 1952

Süchting Joachim 1933 2004 1969 1962

Sundhoff Edmund 1912 1998 R. Seyffert 1949 R. Seyffert 1944

Swoboda Peter 1937 2006 L. Illetschko 1964 1959

Szyperski Norbert 1931 E. Grochla 1969 E. Kosiol 1962

Terhalle Fritz 1889 1962 A. Weber 1918 A. Weber 1915

Theisinger Karl 1901 1949 F. Schmidt 1933 W. Kalveram 1925

Thiess Karl Erich 1903 1968 1935 1930

Tietz Bruno 1933 1995 1969 1958

Theisen Paul 1996

Theuer Gottfried 1923 1996 1958 K. Oberparleiter 1951

Thoms Walter 1899 1995 W. le Coutre 1933 K. Thiess 1928

Timmermann Manfred 1936 2004 B:1973 E. Schneider 1961

Tindl Fritz 1888 keine keine

Tlach Peter 1925 2007 B:1960

Töndury Hans 1883 1938 B: 1910 H. Hollatz/ T.Kozak

1907

Töpfer Armin 1944

Topritzhofer Edgar 1944 1973 1968

Tragsdorf Klaus 1935

Trommsdorff Volker 1943 W. Kroeber-Riel B:1978 W. Krober-Riel 1974

Tschirky Hugo 1938 B:1982 1971

Uhlir Helmut 1942

Ulrich Hans 1919 1997 A. Walther 1947 Amonn 1944

Urban Sabine 1935

Veciana-Vergés

José M. 1932

Veit KlausRüdiger

1943 1980 1974

Vershofen Wilhelm 1878 1960 B: 1923 K. D. Bülbring 1905

Vodratzka Karl 1931 W. Bouffier 1964 W. Bouffier 1954

von der Aa Karl 1876 1937

Vormbaum Herbert 1925 2005 R. Henzler 1958 H. Seischab 1951

Page 254: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

8 Biographischer Anhang

248

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Wacker WilhelmH.

1931 1969 1963

Wächter Hartmut 1938 1973 1968

Waffenschmidt Walter G. 1887 B: 1924 Schulze-Gaevernitz

1915

Wagner Bernd 1943

Wagner Franz W. 1944 1976 1971

Wagner Helmut 1997

Walb Ernst 1880 1946 keine, B:1926 E. Schmalenbach 1919

Walterspiel Georg 2000 h.c.

Walther Alfred 1886 1955 E. Böhler 1927 keine

Wanik Otto 1923 h.c.:

Weber Claus Peter 1939 h.c.:

Weber HelmutKurt

1933 1967 1962

Weber Karl 1926 2000 1966 R. Büchner/ K.Käfer

1955

Weber Wolfgang 1939

Wedekind Hartmut 1935 1967 Bussmann 1963

Weigand Karl Heinz 1937 h.c.:

Weigmann Walter 1902 1945 B. Penndorf 1933 F. Werner 1930

Weinberg Peter 1939 1985 W. Kroeber-Riel 1977

Weinhold-Stünzi

Heinz 1926 2004

Welge Martin K. 1943 1978 1973

Weyermann MoritzRudolf

1876 1935 1909 1902

Werder GustavFranz

1865 1937 keine keine

Werner Curt FelixAlbert

1876 1942 keine O. Gerlach 1915

Wiedmann Harald 1945 h.c.: 1995 1977

Wild Jürgen 1939 1975 E. Kosiol E. Kosiol

Wildemann Horst 1942 1980 T. Ellinger 1974

Wimmer Frank 1944 1983 1975

Wirtz Carl 1901 1969 E. Walb 1926

Witte Eberhard 1928 1962 E. Kosiol 1954

Witte Thomas 1943 1978 1973

Wittmann Waldemar 1925 1988 K. Hax 1957 K. Hax 1954

Wöhe Günter 1924 2007 K. Banse 1958 H. Ruchti 1954

Wörner Gerhard 1878 1943 keine W.Stieda/ F.Schmid

1902

Wohinz Josef W. 1943

Page 255: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Biographische Tabelle 8.2

249

Name Vorname Geb.-Jahr

Todes-jahr

Betreuer derHabilitation

Habil.- Jahr Betreuer derDissertation

Diss.-Jahr

Wohlgemuth Michael 1939 1973 1968

Wolff Manfred 1941 2000

Wossidlo PeterRüdiger

1936

Wunderer Rolf 1937 B_1974 G. Fischer 1967

Wurl Hans-Jürgen

1938 1970

von Wysocki Klaus 1925 A. Schnettler 1960 A. Schnettler 1955

Zäpfel Günther 1942 1973 1963

Zahn Erich 1940 G.H.v.Kortzfleisch 1976 G. H. v.Kortzfleisch

1970

Zander Ernst 1927 h.c.: 1979 1963

Ziegler Julius 1863 1945 keine keine

Zilahi-Szabó Géza 1936 1970 Memberg 1961

Zimmermann Hans-Jürgen

1934 B:1967 1962

Zoller Klaus 1943 1976 1970

Zschocke Dietrich 1926 2001 B: 1974 1973

von Zwehl Wolfgang 1938 1972 1968

Zwicker Eckart 1939 Hartmann 1969

Zybon Adolf 1920 1988 T. Beste 1967 T. Beste 1958

Page 256: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Namensverzeichnis

251

Namensverzeichnis

In das Namensverzeichnis sind nicht die in der Tafel auf S. 93 – 96 und inTabelle 6 des Kapitels 8 genannten Wissenschaftler aufgenommen worden,wenn sie nicht an anderer Stelle erscheinen.

Abs, H. J. 37Adam, D. 216Adler, H. 214Albach, H. 2,10,17,18,19,26,

28,31,48,65,66,71,83,90-96,150,166,167,188,190,192,193,196-198,200,206, 216

Albach, R. 16,71Albers, S. 200Albert, H. 28Aquin, T. v. 113-115,157Aristoteles 106,108,113Arnold, H. 190Arrow, K. 55Babbage, C. 181Backhaus, K. 31Bacon, F. 22-24,44-46,131Bain, J. S. 72, 73Barber, B. 62Barney, J. B. 75Bartz, H. W. 3Bauer, W. 191Baumstark, E. 161Bhattacharyya,A. K. 105Becker, C. H. 1Becker, F. G. 189Behrens, G. 28Behrens, K. C. 26

Bellinger, B. 35,105,113,114,116,153

Beneviste, J. 33Berghoff, H. 101,164,165Bergler, G. 177Bernoulli, D. 128Bernoulli, J. 128Biermann, K. R. 146Bloech, J. 216Bode, M. 101Böhm, H-H. 205Boehmer, A. v. 36Böttiger 38Borchert, H. 190Boyack, K. W. 49Braeutigam, H. 170Brasch, H. D. 204Brentano, L. 139Breuer, W. 91-96Brockhoff, K. 17,36,46,49,59,85,

189,196,200,218,219

Bruhns, K. 146Brutus 112Buchner, R. 138Buck, H. 190Buehner, R. 41Büsch 146Buquoy-de Lon-geval 141Bush, V. 57,58

Page 257: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Namensverzeichnis

252

Busse von Colbe,W. 191Calmus, A. 165Calvin, J. 117Cantillon, R. 78,79Cato, M. P. 108,112Chamberlin, E. H.187Chartres, B. v. 35Chmielewicz, K. 6,51,52Cicero, M. T. 109Coase, R. H. 74,84Colbert, J-B. 124Columella, L. I. 109Connor, K. J. 72Courcelle-Sen-euil, J. 135Cournot, A. 143-145Cyert, R. M. 198Daire, E. 201D’Alembert, J. 49Dantzig, G. 180Daston, L. 49Deges, F. 153,166,225Dichgans, H. 9Dichtl, E. 216Dickson, W. J. 184Diderot, D. 49Dimisqi, A. A. 112Djerassi, C. 33Düring, W. 214Edelmann, H. 171Edison, T. A. 8Eichhorn, W. 85Ellis, R. L. 22Emminghaus, K.B.A. 147Engels, F. 138,139Engwall , L. 167Erdmann, K. 85Erhard, L. 175-177Erichson, B. 45Eucken, W. 178Fandel, G. 207

Faraday, M. 8Fayol, H. 184Fehr, B. 38Fibonacci Pisano,L. 35Finley, M. J. 112Fischer, G. 184Flick, F. 37Flitner, W. 1Fontane, T. 137Ford, H. 183Fourier, C. 174Frank, U. 210Franklin, B. 8Franckenberg, A. 4Frese, E. 183,187Furubotn, E. G. 219Gaugler, E. 131,149,167,168,

169,171,183,187-190,199,200,206211,219

Gianessi, E. 167Giesson, R. A. 220Gladstone 8Gmähle, P. 179Goethe, J. W. v. 38Gordon, R. A. 220Gottl-Ottlilienfeld,F.v. 183Grimm, J. 3-5Grimm, W. 3-5Gutenberg, E. 4,13,16,17,24,26,49,

70,83,97,162,166,174,178,179,183-186,188,192,193,195197,199,205,206

Halbach, W. 177Hammurapi 104Hansen, H. R. 69Hansen, U. 101Hartwig, R. 153,166,225Hasenack, W. 161,165Hauschildt, J. 55,189

Page 258: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Namensverzeichnis

253

Hax, K. 138Hayek, F. A. .v. 78Heath, D. D. 22Hébert, R. F. 77Heidebroek, E. 165Heinen, E. 197,206Hellauer, J. 165Hennig, K. W. 184Henzel, F. 178,179Hermann, P. 63,64Hermann, T. 78,83,84,86Hesse, H. 49Hessels, D. K. 66Hirsch, E. 7,142Hitler, A. 171Hitt, M. A. 55Howell, J. E. 220Humboldt, A. v. 146Hundt, S. 156,169,177,178Hwang, W. 33Isaac, A. 165Kagel, J. H. 45Kaldor, N. 188Kamenizer, S. E. 190Kantilya 105Kellen, T. 164Kennedy, J. F. 8Kieser, A. 43,180,220Kilgor, H. M. 57Kirsch, W. 198Kistner, K-P. 195Klavack, R. 49Klein-Blenkers, F.153,166,225Kliemann, H. 165Kloock, J. 195,206,207Kloten, N. 195Knight, F. H. 129Kobloch, E. 120,121Koch, H. 160,200Koch, R. 33Kocka, J. 49

Köhler, R. 131,149,168,169,171,183,187,189,190,199,200,219

König, W. 12Koolman, G. 83Koopmanns, T. C 26Kopper, C. 171Kosiol, E. 42,155,185Koslowski, P. 113Koubek, N. 29Knobloch, E. 121Krahnen, J. P. 196Krell, G. 183Krenkel, W. A. 112Kroeber, G. 85Kroeber-Riel, W. 199Krohn, W. 22,23,44Kubicek, H. 220Küpper, H. U. 41Küpper, U. 207Kuhn, H. W. 26Kuhn, T. S. 56,60-66,209Kunckel, J. 137Kurm-Engels, M. 98Lambert, R. 166Langen, H. 138Lardner, D. 202Lebert, R. 98Leibniz, G. W. 7,120,121,123, 142Lente, H. v. 66Leonhardt, W. 170Leuchs, J. M. 122,129Lichtenberg, G. C35,36Lingenfelder, M. 180,183,200Link, A. W. 77List, F. 83Löffler, S. 107Loitelsberger, E. 167Lohmann, M. 138Lorson, H. N. 189Lotka, A. J. 7

Page 259: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Namensverzeichnis

254

Ludovici, C. G. 122,127,128,130,134,225

Ludwig, J. P. v. 225Luhmer, A. 195Luther, M. 117-119,157Männel, W. 191Mahlberg, W. 167Mangartz, F. 110Mantel, P. 167-172,188March, J. G. 198Marperger, P. J. 48,49,75-77,122,

131-134,147,157Marshall, A. 7,42,83Martin, B. R. 32Marx, K. 138,139Marzahn, J. 104Mattesich, R. 102, 103, 105Mayer, T. 67Mayo 184Meffert, H. 190,199Meissner, H. G. 206Mellerowicz, K. 4,184,186Menger, C. 145Merton, R. K. 32,35Meyer-Larsen, W 37Michaelis, E. 227,228Mill, J. S. 137Mirrlees, J. A. 38Mittelstrass, J. 1Moldovanu, B. 38Montgomery, D.B. 69Morgenstern, O. 180Müller, H. 191Müller-Armack,A. 2,176Münemann, R. 37Nash, J. F. 144Nelson, R. 55Neumann, J. v. 180Neumann, R. 104Nicklisch, H. 28,39-41,49,139,

153,154,156,164-

166,169,170,172,173,178

Nieschlag, R. 164Nilsson, S.-Å. 167Nobel, A. 38Nomi-Midzu, J.-I 9,10Nordhoff, H. 171Nordsieck, F. 184-186Oberparleiter, K. 149Obst, G. 139,153,154,162,

164Oesterle, M-J. 167,168,172,188Pacioli, L. 89,115,116Pape, E. 154Pearson, A. W. 36Penndorf, B. 89Peri, G. D. 122Perridon, L. 167Philipp, W. 37Pieper, R. 220Pierson, F. C. 220Platon 20,21Plaut, H. G. 191Pleister 98Polanyi, M. 36Popper, K. R. 30,31,34,63,87Porter, M. E. 38,39,41Potthoff, E. 168,169,171Prollius, M. v. 171Quesnay, F. 139Rapoport, A. 41Rau, K. H. 146,147Raydt, H. 147-149Regnery, C. 164Rehm, H. 154Ricardo, D. 147Richter, R. 219Rieger, W. 42,156,157,159-

161,165Robinson, J. V. 187Roethlisberger, F.184Roosevelt, F. D. 57Rosenkopf, L. 63

Page 260: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Namensverzeichnis

255

Roth, A. E. 45Rose, U. 63Ross, I. 42Ruchti, H. 138Rühli, E. 189Rummel, K. 203,204Sabel, H. 10Salewski, M. 106Salmasius, C. 119Salomo, S. 55Sauermann, H. 26,46Savary, J. 122-126Savary des Bru-lons, J. 124Say, J. B. 135-137Schacht, H. 171Schäfer, E. 164Schär, J. F. 147,150-152Schanz, G. 216Schefold, B. 106Schelsky, H. 1Scherer, F. M. 55Schierenbeck, H. 216Schiller, F. 86Schimmelmann,H.C. 124Schleyer, H. M. 2Schlicksupp, H. 55Schlossmann, S. 220Schmalen, H. 69,200Schmalenbach, E. 4,16,49,139,153-

155,160,161,163,165,166,168,177,191,197,203

Schmaltz, D. 48Schmaltz, K. 214Schmid, A. 154Schmidt, F. 16,97,98,14,15,155,

166,178,179Schmidt, J. 190Schmoller, G. 139Schmookler, J. 6Schneider, E. 192

Schneider, D. 2,29,42,50,64,65, 70,71,75,83,84,86,87,88,89,97,101,131,135,141,147,149,150,156,163,168,180,187,189,198,199,202,209,211,216,217

Schneider, U. J. 225Schönfeld, H. M. 167Schönitz, H. 147Schranz, A. 167Schüler, W. 195Schulenburg, J-Mv. d. 120,121Schumpeter, J.A. 7,72,73,78,80-83,

101,108,138,146,147177, 187

Schweitzer, A. 171Schweitzer, M. 41Seiffert, H. 6Selten, R. 26Senior, N. W. 142Seyffert, R. 164Shieley, J. S. 42Shimizu, T. 167Siena, B. v. 75Simon, H. 43,87Simon, H. A. 198Simonton, D. K. 32,56,57,66Sinzig, W. 191Sloan, A. P. jr. 180Smelser, N. J. 32Smith, A. 7,83,138,174Smith, K. G. 55Sommerfeld, H. 165Sonntag, S. 195Spedding, J. 22Spiekermann, W. 164Sraffa, P. 187Stackelberg, H. v.187,192Stern, J. M. 42Stewart 42

Page 261: Betriebswirtschaftslehre in Wissenschaft und Geschichte, 1. Auflage

Namensverzeichnis

256

Stichweh, R. 20,48Stigler, G. J. 188Störig, H. J. 22,35Stokes, D. 50,57,59,60Strube, E. 204Susemühl, F. 106Talaulicar, T. 43Taylor, F. W. 180-184Teichert, T. 43Teichmann, H. 179Terlinden, R. F. 20Thaer, A. D. 156Thom, N. 206Thomasius, C. 131Thoms, W. 177,178Thoreau, H. D. 104,105Thünen, J. H. v. 26,45,140-142,

166,184Tietzel, M. 38Tomasius, C. 131Tooze, A. 171Tragsdorf, K. 190Troßmann, E. 41Tuck, A. 150Tucker, A. W. 26Turgot, A. R. J. 200-203,206Tushman, M. 63Ulrich, H. 198Utz, A. F. 113Varro, M. T. 109,202Veblen, T. 150

Vershofen, W. 165,177,178Vickrey, W. 38Vieweg, H. F. 38Vierhaus, R. 48Vogelsang, G. 216Walb, E. 165,167Wallichs, A. 180,181Ward-Perkins, B. 111,112Watt, M. 113Weber, M. 27,28,150Weingart, P. 47Weinreich, J. 138Werder, A. v. 29Weyermann, M. 147Wharton, J. 149Whitehead 184Whitley, R. 47Wille, F. 205Williamson, O. E. 74Winschuh, J. 171Witte, E. 59Wittmann, W. 104,109,207Wöhe, G. 137,160Wolf, J. 65,75,167,168,

172,188,209Wunsch, C. 104Xenophon 106,107Zedler, J. H. 225Zuckermann, H. 32Zwicky, F. 49