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167 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 79 (2010), Heft 3 Der Aufsatz beschäftigt sich mit Grundlagenuntersuchungen zur Festlegung eines Teilsicherheitsbeiwerts für Temperatureinwir- kungen auf Brücken. Zur zuverlässigen Ableitung der angestreb- ten Aussagen wurde über numerische Langzeitsimulationen die erforderliche Datenbasis geschaffen. Den Berechnungen lagen typische Brückenquerschnitte in Stahl-, Verbund- und Betonbau- weise zugrunde. Zur Darstellung repräsentativer Wetterszenarien standen kontinuierliche Wetterdaten eines Zeitraums von drei Jahren zur Verfügung. Die abzuleitenden Grenzwerte wurden un- ter der Vorgabe einer mittleren Wiederkehrperiode von 50 Jahren über Extremwertbetrachtungen bestimmt. Durch Vergleiche mit den im DIN-Fachbericht 101 angegebenen charakteristischen Werten der Temperatureinwirkungen können analog zur beste- henden Praxis die zu erwartenden Extremwerte in das semipro- babilistische Sicherheitskonzept integriert werden. Mit dieser Vorgehensweise konnte der Zielvorgabe, das bewährte Konzept der Berechnung von Temperatureinwirkungen unverändert zu be- lassen und die Streubreiten mit einem Sicherheitsabstand zu be- rücksichtigen, entsprochen werden. Validation of the safety coefficients for thermal load on bridges. This paper covers basic analysis for the determination of partial safety coefficients for thermal loads on bridges. Long-term nu- merical simulations were performed to achieve an appropriate database for reliable predictions. The calculations were based on typical bridge cross-sections in steel, composite and concrete constructions and representative weather scenarios. The weath- er data was provided for a continuous period of three years. The obtained limit values were determined on the basis of a fifty years recurrence by the use of limit value analysis. Considering the characteristic values of DIN-Fachbericht 101 for thermal load the estimated limit values were integrated analog to practical use in- to the semi-probabilistic safety concept. Therefore it was possi- ble to keep the well established concept of calculating the ther- mal load unchanged, while the scatter range was covered by a safety margin. 1 Einleitung Bauwerke sind zusätzlich zu den unmittelbar von der Tragstruktur zu übernehmenden ständigen und veränder- lichen Lasten den vornehmlich indirekt wirkenden klima- tischen Temperatureinflüssen ausgesetzt. Analog zur Be- trachtung der direkten Einwirkungen sind die Auswirkun- gen klimatischer Temperatureinflüsse bei der Dimensio- nierung der Tragstrukturen hinreichend sicher zu berücksichtigen. Die als Folge klimatischer Einwirkungen auftretenden instationären Temperaturänderungen verur- sachen aufgrund des Wärmedehnungsvermögens der Bau- stoffe Verzerrungen. Unter Beachtung der Bernoulli- Hypothese vom Ebenbleiben der Querschnitte können die Auswirkungen nichtlinearer Temperaturverteilungen in balkenförmigen Tragstrukturen mit linearen Ersatztempe- raturverteilungen beschrieben werden. Werden die Ver- formungen beziehungsweise die Verzerrungen aus Tempe- ratureinwirkungen behindert, so entstehen Zwängungsbe- anspruchungen. Eine ungehinderte Ausdehnungsmöglich- keit verursacht lediglich Verzerrungen beziehungsweise Verformungen. In statisch unbestimmt gelagerten Trag- werken tritt eine Kombination aus Zwängungsbeanspru- chungen und Verformungen auf. Da die klimatischen Temperatureinwirkungen sowohl Zwängungen als auch Verformungen hervorrufen, fließen die Auswirkungen die- ser Tragwerksbeanspruchungen in die Dimensionierung des Bauwerks und die Auslegung der Brückenlager ein. Die Tragwerksbemessung und die Dimensionierung der Brückenlager erfolgt auf der Grundlage des semipro- babilistischen Sicherheitskonzepts, welches zur Berück- sichtigung von Unsicherheiten den mit Teilsicherheitsbei- werten erhöhten Einwirkungen entsprechend reduzierte Bauteilwiderstände gegenüberstellt. Mit den Teilsicher- heitsbeiwerten der Einwirkungs- und der Widerstandssei- te soll zuverlässig berücksichtigt werden, dass die zur Be- messung verwendeten Widerstände wie auch die Einwir- kungen streuende Größen sind. Nach geltender Praxis betrug der Teilsicherheitsbei- wert für Temperatureinwirkungen bis zur Neuauflage der DIN Fachberichte [1], weil den veränderlichen Einwir- kungen zugeordnet, γ Q,T = 1,5. Mit dem Teilsicherheitsbei- wert γ Q,T sollen Streuungen des Wärmeausdehnungskoef- fizienten, Fehleinschätzungen des statischen Systems und der Ersatztemperaturverteilungen sowie Unsicherheiten gegenüber einem bei der Planung eines Tragwerks schwer abschätzbaren Ausgangstemperaturzustands abgedeckt werden. Aufbauend auf veröffentlichten Forschungsarbeiten [5], [6], [7] und [8] wurden zur Neubewertung klimatischer Temperatureinwirkungen in Extremwertbetrachtungen zu erwartende Grenzwerte erarbeitet, die mit den in der bis- herigen Praxis verwendeten, charakteristischen Werten der Temperatureinwirkungen verglichen wurden. Mit die- ser Vorgehensweise wurde der Zielvorgabe entsprochen, die bewährte Praxis der Berechnung von Temperaturein- Fachthemen Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken Ingbert Mangerig Ulf Lichte Stefan Beucher DOI: 10.1002/stab.201001310

Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

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167© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 79 (2010), Heft 3

Der Aufsatz beschäftigt sich mit Grundlagenuntersuchungen zurFestlegung eines Teilsicherheitsbeiwerts für Temperatureinwir-kungen auf Brücken. Zur zuverlässigen Ableitung der angestreb-ten Aussagen wurde über numerische Langzeitsimulationen dieerforderliche Datenbasis geschaffen. Den Berechnungen lagentypische Brückenquerschnitte in Stahl-, Verbund- und Betonbau-weise zugrunde. Zur Darstellung repräsentativer Wetterszenarienstanden kontinuierliche Wetterdaten eines Zeitraums von dreiJahren zur Verfügung. Die abzuleitenden Grenzwerte wurden un-ter der Vorgabe einer mittleren Wiederkehrperiode von 50 Jahrenüber Extremwertbetrachtungen bestimmt. Durch Vergleiche mitden im DIN-Fachbericht 101 angegebenen charakteristischenWerten der Temperatureinwirkungen können analog zur beste-henden Praxis die zu erwartenden Extremwerte in das semipro-babilistische Sicherheitskonzept integriert werden. Mit dieserVorgehensweise konnte der Zielvorgabe, das bewährte Konzeptder Berechnung von Temperatureinwirkungen unverändert zu be-lassen und die Streubreiten mit einem Sicherheitsabstand zu be-rücksichtigen, entsprochen werden.

Validation of the safety coefficients for thermal load on bridges.This paper covers basic analysis for the determination of partialsafety coefficients for thermal loads on bridges. Long-term nu-merical simulations were performed to achieve an appropriatedatabase for reliable predictions. The calculations were basedon typical bridge cross-sections in steel, composite and concreteconstructions and representative weather scenarios. The weath-er data was provided for a continuous period of three years. Theobtained limit values were determined on the basis of a fifty yearsrecurrence by the use of limit value analysis. Considering thecharacteristic values of DIN-Fachbericht 101 for thermal load theestimated limit values were integrated analog to practical use in-to the semi-probabilistic safety concept. Therefore it was possi-ble to keep the well established concept of calculating the ther-mal load unchanged, while the scatter range was covered by asafety margin.

1 Einleitung

Bauwerke sind zusätzlich zu den unmittelbar von derTragstruktur zu übernehmenden ständigen und veränder-lichen Lasten den vornehmlich indirekt wirkenden klima-tischen Temperatureinflüssen ausgesetzt. Analog zur Be-trachtung der direkten Einwirkungen sind die Auswirkun-gen klimatischer Temperatureinflüsse bei der Dimensio-nierung der Tragstrukturen hinreichend sicher zuberücksichtigen. Die als Folge klimatischer Einwirkungen

auftretenden instationären Temperaturänderungen verur-sachen aufgrund des Wärmedehnungsvermögens der Bau-stoffe Verzerrungen. Unter Beachtung der Bernoulli-Hypothese vom Ebenbleiben der Querschnitte können dieAuswirkungen nichtlinearer Temperaturverteilungen inbalkenförmigen Tragstrukturen mit linearen Ersatztempe-raturverteilungen beschrieben werden. Werden die Ver-formungen beziehungsweise die Verzerrungen aus Tempe-ratureinwirkungen behindert, so entstehen Zwängungsbe-anspruchungen. Eine ungehinderte Ausdehnungsmöglich-keit verursacht lediglich Verzerrungen beziehungsweiseVerformungen. In statisch unbestimmt gelagerten Trag-werken tritt eine Kombination aus Zwängungsbeanspru-chungen und Verformungen auf. Da die klimatischenTemperatureinwirkungen sowohl Zwängungen als auchVerformungen hervorrufen, fließen die Auswirkungen die-ser Tragwerksbeanspruchungen in die Dimensionierungdes Bauwerks und die Auslegung der Brückenlager ein.

Die Tragwerksbemessung und die Dimensionierungder Brückenlager erfolgt auf der Grundlage des semipro-babilistischen Sicherheitskonzepts, welches zur Berück-sichtigung von Unsicherheiten den mit Teilsicherheitsbei-werten erhöhten Einwirkungen entsprechend reduzierteBauteilwiderstände gegenüberstellt. Mit den Teilsicher-heitsbeiwerten der Einwirkungs- und der Widerstandssei-te soll zuverlässig berücksichtigt werden, dass die zur Be-messung verwendeten Widerstände wie auch die Einwir-kungen streuende Größen sind.

Nach geltender Praxis betrug der Teilsicherheitsbei-wert für Temperatureinwirkungen bis zur Neuauflage derDIN Fachberichte [1], weil den veränderlichen Einwir-kungen zugeordnet, γQ,T = 1,5. Mit dem Teilsicherheitsbei-wert γQ,T sollen Streuungen des Wärmeausdehnungskoef-fizienten, Fehleinschätzungen des statischen Systems undder Ersatztemperaturverteilungen sowie Unsicherheitengegenüber einem bei der Planung eines Tragwerks schwerabschätzbaren Ausgangstemperaturzustands abgedecktwerden.

Aufbauend auf veröffentlichten Forschungsarbeiten[5], [6], [7] und [8] wurden zur Neubewertung klimatischerTemperatureinwirkungen in Extremwertbetrachtungen zuerwartende Grenzwerte erarbeitet, die mit den in der bis-herigen Praxis verwendeten, charakteristischen Wertender Temperatureinwirkungen verglichen wurden. Mit die-ser Vorgehensweise wurde der Zielvorgabe entsprochen,die bewährte Praxis der Berechnung von Temperaturein-

Fachthemen

Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

Ingbert MangerigUlf LichteStefan Beucher

DOI: 10.1002/stab.201001310

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wirkungen unverändert zu belassen und die Streubreitenim Teilsicherheitsbeiwert zu berücksichtigen.

2 Grundlagen zum Sicherheitskonzept beiTemperatureinwirkungen

Aufgrund des ständigen Wechsels klimatischer Einwir-kungen stellen sich in Brückenbauwerken instationäreund nichtlinear begrenzte Temperaturverteilungen ein.Ausgehend von der Bernoulli-Hypothese lassen sichnichtlineare Temperaturverteilungen in äquivalente line-are Ersatztemperaturverteilungen und lediglich Eigen-spannungen verursachende Resttemperaturfelder zerle-gen. Eine widerspruchsfreie Beschreibung der Tempera-turbeanspruchungen auf der Basis linearer Ersatztempera-turverteilungen gelingt bei Anwendung der in [6], [7] und[8] aufgeführten Temperaturfeldkomponenten.

In den einschlägigen Regelwerken werden die Tem-peraturbeanspruchungen durch die folgenden drei Kom-ponenten beschrieben:— konstanter Temperaturanteil, verursacht in der Regel ei-

ne Längenänderung, die bei Behinderung eine Normal-kraft zur Folge hat

– linear veränderlicher vertikaler Temperaturunterschied,entspricht einer Krümmung in der Vertikalebene, derenBehinderung Biegemomente verursacht

– linear veränderlicher horizontaler Temperaturunter-schied, entspricht einer Krümmung in der Horizontal-ebene, deren Behinderung zu Biegemomenten führt

Da die ausgewiesenen Temperaturfeldanteile aus starkstreuenden klimatischen Einwirkungen resultieren, sinddie abgeleiteten charakteristischen Kenngrößen zwangs-läufig mit Unsicherheiten behaftet. Zur Kompensation derUnsicherheiten sind die Ersatztemperaturverteilungen ge-mäß den Grundsätzen einer zuverlässigen Tragwerksbe-messung mit Teilsicherheitsbeiwerten zu vervielfachen

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und in Kombination mit den übrigen Einwirkungen zu be-handeln. Dadurch wird gewährleistet, dass der um einenSicherheitsbeiwert reduzierte Bauwerkswiderstand in je-dem Fall größer ist als die um einen Sicherheitsabstand er-höhte Einwirkung. Die Teilsicherheitsbeiwerte berück-sichtigen damit die unabwendbaren Streuungen der Wi-derstands- und Einwirkungsgrößen und sind so festgelegt,dass getrennt für den Grenzzustand der Tragfähigkeit undden Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit und abhän-gig vom jeweiligen Gefährdungspotenzial vorgegebeneSchranken der Versagenswahrscheinlichkeit nicht unter-schritten werden.

Die einer Brückendimensionierung zugrunde zu le-genden Temperaturkenngrößen des konstanten und deslinearen vertikalen Temperaturanteils sind in [1] analogzum Prozedere bei den ständigen und veränderlichen Ein-wirkungen als charakteristische Werte angegeben. DieseKenngrößen der Temperatureinwirkungen basieren defi-nitionsgemäß auf einer Wiederkehrperiode von 50 Jahren.Nach geltender Praxis verlangt das semiprobalistische Si-cherheitskonzept (Bild 1) bei der Festlegung von Bemes-sungswerten der Einwirkungen die Anwendung eines Si-cherheitsbeiwerts.

Übertragen auf die Temperatureinwirkung gewähr-leistet diese Vorgehensweise, dass die dem Tragwerkswi-derstand R gegenüberzustellende Einwirkung S mit hin-reichender Sicherheit die Streuungen des Wärmeaus-dehnkoeffizienten, Fehleinschätzungen des statischenSystems an der betreffenden Bemessungsstelle sowie dieBandbreite der Temperaturänderungen gegenüber einemAusgangszustand abdeckt.

(1)

Demzufolge berücksichtigt Gleichung (1) im Falle vonTemperatureinwirkungen Streubreiten der nachfolgendaufgeführten vier Haupteinflüsse:

S C T Td Q T T System t k k= ⋅ ⋅ ⋅ −( )⎡⎣⎢

⎤⎦⎥γ α, , ,0

Bild 1. SicherheitskonzeptFig. 1. Safety concept

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— Streuung der Wärmedehneigenschaft αT der verwende-ten Baustoffe

– Unsicherheiten bei den Annahmen des statischen Sys-tems

– Streuung der Angaben der charakteristischen Tempera-tureinwirkungen

– Unsicherheit bei derAnnahme des Ausgangstemperatur-zustands

Eine sichere Beurteilung des maßgebenden Teilsicher-heitsbeiwerts γQ,T muss folglich auf den anschließend auf-geführten Komponenten aufbauen:–– γαT

zur Abdeckung der Streuung der Wärmedehneigen-schaften

–– γc zur Abdeckung der Unsicherheiten bei den Annah-men des statischen Systems

–– γTN,Mzur Abdeckung der Streuung der charakteristi-

schen Temperatureinwirkungen–– T0

* zur Abdeckung der Unsicherheiten bei der Annahmedes Ausgangstemperaturzustands

Die zu berücksichtigende Einwirkung Sd ergibt sich damitzu:

(2)

beziehungsweise

(3)

Der Bemessungswert der Temperatureinwirkung lässt sichfolglich durch den charakteristischen Wert des entspre-chenden Temperaturanteils gemäß [1] und den Anteil desTeilsicherheitsfaktors zur Abdeckung der Unsicherheit beider Annahme des Ausgangstemperaturzustands T0 undder Streuung des charakteristischen Wertes der Tempera-tureinwirkung ausdrücken. Zusätzlich ist zu berücksichti-gen, dass aufgrund der spezifischen Einwirkung durch dieSonne der Maximalwert der Energiezufuhr physikalischvorgegeben ist und damit für die Temperaturbeanspru-chungen im Gegensatz zu anderen veränderlichen Ein-wirkungen eindeutige obere Grenzwerte existieren.

mit T T T Td k T k*= + ⋅ −( ) +1

21 0γ Δ

S C T Td c T System dT= ⋅( ) ⋅ ⋅ ⋅ −( )⎡

⎣⎤⎦γ γ αα 0

S C TT T

d c T T System KT

T= ⋅ ⋅( ) ⋅ ⋅ ⋅ −

±⎛

⎝⎜

⎠⎟γ γ γ α

γα0 0

*⎡⎡

⎣⎢⎢

⎦⎥⎥

Für den konstanten Temperaturanteil ergibt sichdann:

(4)

Unsicherheit: charakteristischer Wert

Unsicherheit: Ausgangstemperaturzustand

(5)

Für den linearen vertikalen Temperaturunterschied gilt:

(6)

Unsicherheit: charakteristischer Wert

(7)

Die durchzuführenden Untersuchungen zur Bestimmungder aufgezeigten Anteile des Teilsicherheitsbeiwertes γTkonzentrierten sich aufgrund dargelegter Gründe einer-seits auf die Eingrenzung der Streubreite der charakteristi-schen Temperatureinwirkungen TN und TM und anderer-seits, abhängig vom eingesetzten Messverfahren, auf dieFestlegung zusätzlicher Sicherheitselemente zur Kompen-sation von Fehleinschätzungen bei der Annahme des Aus-gangstemperaturzustands.

Wärmeeinwirkungen werden erst durch die Wärme-ausdehnungsvermögen fester, flüssiger beziehungsweisegasförmiger Körper mechanisch wirksam. Diese physikali-sche Werkstoffeigenschaft wird durch die Wärmedehn-zahl αT beschrieben und ist materialspezifisch. In den Re-gelwerken des Brückenbaus [1] sind für verschiedeneBaustoffe zu berücksichtigende Wärmedehnzahlen ange-geben.

Tabelle 1 lässt erkennen, dass der Ausdehnungskoeffi-zient von Beton eine verhältnismäßig hohe Schwan-kungsbreite aufweist. Im Allgemeinen wird von einer Wär-medehnzahl für Beton von 1 · 10–5 K–1 ausgegangen. Un-tersuchungen [4] hingegen belegen, dass Betone in Ab-

ΔT T TM d M d M d, , ,max , ,min= −

mit T TM k T M k,*

,= ⋅ −( )12

1γ Δ

, , ,*T T TM d M k M k= +

ΔT T TN d N d N d, , ,max , ,min= −

T TN p*

,=0 oos N negT− ,

mit T TN k T N k,*

,= ⋅ −( )12

1γ Δ

, , ,* *T T T TN d N k N k= + + 0

Bild 2. Grenzwerte der Temperaturbeanspruchung Fig. 2. Limits of temperature load

Tabelle 1. Lineare Ausdehnungskoeffizienten gemäß DINFachbericht 101 [1]Table 1. Linear coefficient of thermal expansion according toDIN Fachbericht 101 [1]

Material αT · 10–6 K–1

1 Aluminium, Aluminiumlegierungen 24

2 nichtrostender Stahl 18

3 Baustahl, Schmiede- oder Gusseisen 12

4 Beton, mit Ausnahme von Zeilen 5 u. 6 10

5 Beton, Zuschlag Kalkstein 9

6 Beton, Leichtzuschlag 7

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hängigkeit von der Art der Zuschläge, dem Zementgehalt,dem Feuchtegehalt und dem Alter sehr unterschiedlicheWärmedehnzahlen aufweisen. Die Art des Zuschlagesstellt hierbei den Haupteinfluss dar.

Für zementreiche Betone mit rein quarzitischen Zu-schlägen im lufttrockenem Zustand sind der LiteraturWärmedehnzahlen von 14 · 10–6 K–1 zu entnehmen. Diegeringsten Wärmedehnzahlen weisen zementarme, was-sergesättigte Betone mit Kalksteinzuschlägen mit Wertenvon 6 · 10–6 K–1 auf. Es ist deshalb zu empfehlen, ergän-zend zur Tabelle 1 fallweise den Wärmeausdehnungskoef-fizienten von Beton anzupassen.

Aus Bild 3 lässt sich für Metalle ein Zusammenhangzwischen dem linearen Ausdehnungskoeffizienten unddem Schmelzpunkt herstellen. Die in Tabelle 1 angegebe-

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ne Wärmedehnzahl von 12 · 10–6 K–1 repräsentiert dem-zufolge die Ausdehnungseigenschaften des Stahls hinrei-chend sicher. Gleichwohl wird zur Abgeltung unvermeid-barer Schwankungsbereiten für die im Brückenbau üb-lichen Baustoffe ein Sicherheitsbeiwert von γαT

= 1,05vorgeschlagen. Dieser Sicherheitsfaktor deckt die Un-sicherheiten des Ausdehnungskoeffizienten bei Verwen-dung des Baustoffs Stahl hinreichend ab, ist jedoch bei derVerwendung von Betonen mit rein quarzitischen Zuschlä-gen mit Wärmedehnzahlen bis zu 14 · 10–6 K–1 entspre-chend zu modifizieren.

3 Klimatische Temperatureinwirkungen

Brückenbauwerke sind einer ständigen Temperaturände-rung, ausgelöst durch das tägliche Wettergeschehen, aus-gesetzt. Der Wärmehaushalt wird vorherrschend durchWärmestrahlung und den Wärmeaustausch mit der Um-gebungsluft bestimmt. Motor der Temperaturveränderun-gen ist die Sonnenstrahlung, die die tageszeitlichen undsaisonalen Schwankungen hervorruft. In Abhängigkeitdes lokalen Klimas, der thermischen Einbettung desBrückentragwerks in die Umgebung und seiner Quer-schnittsausbildung stellen sich ungleichmäßige, zeitlichveränderliche Temperaturverteilungen im Querschnittein. Diese instationären Temperaturverteilungen lassensich mit den in [6] und [7] beschriebenen Verfahrendurch Simulationsberechnungen bestimmen. Zur Dimen-sionierung von Brückentragwerken eignen sich diese Ver-fahren, weil zu aufwändig, nur bedingt. Mit den bekanntenidealisierten Ersatztemperaturverteilungen gelingt aller-dings eine praxisgerechte Aufbereitung der durchaus kom-plexen Fragestellungen. Es ist allerdings sicherzustellen,dass die Ersatztemperaturverteilungen die Realität hinrei-chend sicher abbilden.

Bild 3. Wärmedehnzahl StahlFig. 3. Coefficient of thermal expansion steel

Bild 4. Klimatische Einwirkungen und TemperaturreaktionFig. 4. Climatic impact and temperature response

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3.1 Idealisierte Ersatztemperaturverteilungen

Die über den Querschnitt ungleichmäßig verteilten Tem-peraturverteilungen werden in idealisierte Temperaturver-läufe zerlegt, und zwar derart, dass diese mit den mechani-schen Größen wie Längenänderung und Querschnittsver-krümmung beziehungsweise Längsnormalkraft und Bie-gemoment korrespondieren. Für die Tragwerksbemessunghandelt es sich dabei um den konstanten Temperaturan-teil TN und die linear veränderlichen TemperaturanteileTM in vertikaler und in horizontaler Querschnittsrichtung.Dieser Temperaturzustand stellt noch nicht die Einwir-kung auf das Bauwerk dar. Erst die Temperaturverände-rung gegenüber einem Ausgangszustand und die physika-lische Eigenschaft der Wärmedehnung ergeben die direk-ten Einwirkungsgrößen: Verzerrungen, Spannungen,Kräfte und Verformungen:

(8)

Die bei der Tragwerksbemessung verwendete, veränder-liche Einwirkung S, die dem Tragwerkswiderstand Rgegenübergestellt werden muss, ergibt sich im Falle vonTemperatureinwirkungen folglich aus dem Produkt desWärmedehnkoeffizienten, eines Faktors des statischenSystems an der betreffenden Bemessungsstelle sowie

ε α α σ ε= ⋅ = ⋅ −( ) = ⋅T T tT T T E uswΔ 0 .

der Temperaturänderung gegenüber einem Ausgangszu-stand.

(9)

Der Wärmedehnkoeffizient αT wird für verschiedeneWerkstoffe z. B. in Tabelle 1 angegeben. Der Faktor desstatischen Systems C ist durch das statische System unddie Bemessungsposition selbst vorgegeben. Der eigentli-che Auslöser für diesen Lastfall, die Temperaturänderung,besteht folglich aus den oberen und unteren Grenzwertendes Temperaturzustands und der Aufstelltemperatur. DieGrenzwerte sind querschnittsspezifisch und vom Standortabhängig, die Aufstelltemperatur hängt vom Bauablaufund dem bei der Montage vorherrschenden Wetter ab.

Aufgrund der Tatsache, dass die klimatischen Einwir-kungen innerhalb meteorologischer Grenzen liegen folgt,dass auch die Temperaturverteilungen in Brückenquer-schnitten durch physikalisch belegbare Extremwerte be-grenzt sind. Dies wird durch Bild 6 veranschaulicht. Essind links die täglichen Maximal- und Minimalwerte derLufttemperaturen am Beispiel von Wetterdaten des DWDfür die Wetterstation Osnabrück über einen Zeitraum vondrei Jahren dargestellt, denen die aus Simulationsrech-nungen stammenden, korrespondierenden Temperatur-schwankungen eines Stahlbrückenquerschnitts gegen-übergestellt sind.

Analog gelingt es, mit der Leiteinwirkung Sonnenein-strahlung den Zusammenhang mit dem Temperaturunter-schied darzustellen. Die Intensität der Sonneneinstrah-lung ist physikalisch durch deren Strahlungstemperaturund den Abstand zur Erde begrenzt. Zudem ist das maxi-male Strahlungsangebot an den Breitengrad des Strand-orts gekoppelt. Bild 7 zeigt die aus Daten des DWD für dieWetterstation Osnabrück abgeleiteten täglichen Maximal-werte der solaren Einstrahlungsintensität und die entspre-chenden minimalen bzw. maximalen linearen Tempera-turunterschiede eines Stahlbrückenquerschnitts, ebenfallsfür einen Zeitraum von drei Jahren.

Normativ sind obere und untere Werte festgelegt, diedie Extremwerte des Brücken-Temperaturzustandes aus-drücken. Diese Extremwerte werden in [1] für verschiede-ne Gruppen von Brücken-Querschnitten angegeben

S C T TT t= ⋅ ⋅ −( )α 0

Bild 5. Aufteilung eines Temperaturprofils in vier Anteilea) konstanter Temperaturanteil ΔTN ; b) linear veränderlicherTemperaturanteil in der x-z-Ebene ΔTMZ; c) linear veränder-licher Temperaturanteil in der x-y-Ebene ΔTMY ; d) nicht-lineare Temperaturverteilung ΔTEFig. 5. Division of temperature profile in four partsa) Range of effective bridge temperature ΔTN ; b) linear oftemperature difference in x-z-plane ΔTMZ; c) linear tempera-ture difference in x-y-plane ΔTMY ; d) non-linear part of tem-perature distribution ΔTE

Lufttemperatur, tägliche Min/Max-Werte

-30°C

-20°C

-10°C

0°C

10°C

20°C

30°C

40°C

50°C

Mai 97 Mai 98 Mai 99 Apr 00

T Lu

ft

TN Stahlbrücken-Querschnitt,tägliche Min/Max-Werte

-30°C

-20°C

-10°C

0°C 10°C

20°C

30°C

40°C

50°C

Mai 97 Mai 98 Mai 99 Apr 00

T N

Bild 6. Grenzen der Temperaturschwankung TNFig. 6. Limits of effective bridge temperature TN

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(Tabelle 2). Sie sollen diejenigen Temperaturzustände wie-dergeben, welche im Mittel alle 50 Jahre erreicht be-ziehungsweise überschritten werden (charakteristischeWerte).

4 Konstanter Temperaturanteil

Es kann gezeigt werden, dass ein Zusammenhang zwi-schen der täglich auftretenden Maximaltemperatur derLuft und der maximalen Schwerpunkttemperatur einesBrückenquerschnitts besteht. Die Lufttemperatur ist dabeidie 2 m über der Erdoberfläche nach standardisiertenVorgaben gemessene Außenlufttemperatur. In Bild 8 istder Zusammenhang exemplarisch für drei Plattenbalken-Brückenquerschnitte wiedergegeben. Die Stahl-, Stahlver-bund- und Betonquerschnitte stehen stellvertretend fürdie drei adäquaten Gruppen in [1] bzw. [3]. Ein analogerZusammenhang besteht zwischen der Bauwerksabküh-lung und den nächtlichen Minimaltemperaturen.

Der Darstellung in Bild 8 ist zu entnehmen, dass dieSchwankungsbreite um die lineare Trendlinie im Bereichder Extremtemperaturen abnimmt. In [1] wird der inBild 8 veranschaulichte Zusammenhang zur Festlegungder Temperatureinwirkungen verwendet. Die charakteris-tischen Temperaturschwankungen werden aus dem cha-rakteristischen Wert der Außenlufttemperatur Tmax bzw.Tmin und einem additiven Element gebildet (vgl. Glei-chungen (10) und (11)). Die Gleichungen in den Klam-mern verwenden zu Vergleichszwecken die Formelzei-chen gemäß [1].

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(10)

(11)

mit TN,k,max, TN,k,min charakteristischer Wert des konstanten

TemperaturanteilsTL,k,max, TL,k,min charakteristischer Wert der Lufttempe-

raturTQS,max, TQS,min additives Element, abhängig von der

Querschnittsgruppe

Für die drei Querschnittstypen Stahl-, Verbund- und Be-tonquerschnitte gelten unterschiedliche Werte für TQS,max

T T T T T TN k L k QS e, ,min , ,min ,min ,min min= + = +Δ Δ QQS,min( )

T T T T T TN k L k QS e, ,max , ,max ,max ,max max= + = +Δ Δ QQS,max( )

Solare Einstrahlung, tägliche Maxima

0

200

400

600

800

1000

1200

Mai 97 Mai 98 Mai 99 April 00

Glo

bal

stra

hlu

ng

[W

/m²]

TMy eines Stahlbrücken-Querschnitts,

tägliche Min/Max-Werte

-15 K -10 K

-5 K K

5 K 10 K 15 K 20 K 25 K 30 K 35 K

Mai 97 Mai 98 Mai 99 April 00

T M

y

Bild 7. Grenzwerte des Temperaturunterschieds TMyFig. 7. Limits of linear temperature differences TMy

Tabelle 2. QuerschnittsgruppenTable 2. Groups of superstructure

Querschnittsgruppe

Gruppe 1 Stahlüberbau aus Hohlkasten, Fachwerkoder Plattenbalken

Gruppe 2 Verbundüberbau: Betonplatte auf einemHohlkasten, Fachwerk oder Plattenbalken aus Stahl

Gruppe 3 Fahrbahnplatten oder Überbau aus Beton auf Betonbalken oder Betonhohlkästen

Bild 8. Zusammenhang zwischen maximaler Lufttempera-tur dem Maximalwert der Bauwerksmitteltemperatur)Fig. 8. Correlation between maximum shade air temperatureand maximum effective bridge temperature

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und TQS,min. Diese Werte sind in [1] nicht explizit angege-ben, sondern nur indirekt aus der Korrelation zwischender Lufttemperatur und den Temperaturunterschiedenabzuleiten. Die Außenlufttemperaturschwankung inDeutschland wird mit den charakteristischen Werten Tmax = TL,k,max = +37 °C und Tmin = TL,k,min = –24 °C an-gegeben. In Verbindung mit den Vorgaben in [1] ergebensich die in Tabelle 3 aufgelisteten charakteristischen Wer-te des konstanten Temperaturanteiles.

Sie sind definitionsgemäß Fraktilwerte der zufallsver-teilten Erwärmungszustände. Folgerichtig können auchEreignisse mit extremeren Temperaturzuständen auftre-ten, allerdings nicht in unbegrenztem Maße, wie den Er-läuterungen zu Bild 11 entnommen werden kann. Um ei-nen Teilsicherheitsbeiwert zu ermitteln, der auch schlüssighinsichtlich der natürlichen Grenzen von Erwärmungund Abkühlung ist, müssen die Parameter separiert wer-den, welche zu einer Vergrößerung der Temperatureinwir-kungen führen.

Der Anwender wird für die Bauwerksbemessung dieTemperaturschwankungen nach den Vorgaben des gelten-den Regelwerks [1] auswählen und der Dimensionierungdes Tragwerks sowie der Bestimmung der Lagerbewegun-gen zugrunde legen. Er wird außerdem den vorgegebenenTeilsicherheitsbeiwert anwenden, um die Streubreite derzufallsbehafteten Klimaeinwirkungen und die speziellenEigenschaften des verwendeten Brückenquerschnitts si-cher abzudecken. Er wird voraussetzen, dass alle Unwäg-barkeiten in den Temperaturwerten und dem anzusetzen-den Teilsicherheitsbeiwert enthalten sind.

Daraus ergeben sich folgende, zu beantwortende Fra-gen:1. Welches sind die als Grenzwerte anzusetzenden Ex-

tremwerte der Außenlufttemperatur für den Bemes-sungsraum Deutschland?

2. Gibt es Brückenquerschnitte die hinsichtlich der Tem-peraturschwankung ein ungünstigeres Aufweitungsver-halten als im Regelwerk beschrieben annehmen?

3. Wie sind Bemessungssituationen mit häufigerer Wie-derkehrperiode zu bewerten?

Die Außenlufttemperatur ist eine täglich und saisonalschwankende Größe. Darüber hinaus ist die Außenluft-temperatur vom regionalen Wettergeschehen abhängig.Für die Tragwerksbemessung sind die Extremwerte derAußenlufttemperatur von Bedeutung. Sie werden in [1] imBereich –24 °C bis +37 °C angesetzt. Regionale Unter-schiede analog zu den Schneelast- oder den Erdbebenzo-nen werden nicht vorgenommen. Ebenfalls unberücksich-tigt bleibt die Abnahme der mittleren Temperatur mit zu-nehmender Standorthöhe über NN. Die zwei genanntenAußenlufttemperaturen generalisieren somit die tatsächli-chen Verhältnisse auf zwei Zahlenwerte. Davon sollte ausGründen der Vereinfachung der Regelwerke auch nichtabgewichen werden.

Um eine Einschätzung der auftretenden Lufttempera-turen vornehmen zu können, werden die seit Aufzeich-nung von Wetterdaten gemessenen Extremdaten fürDeutschland zusammengestellt. Aus Tabelle 4 geht hervor,dass die absoluten Temperaturextrema an unterschiedli-chen Orten in Deutschland auftraten und einen Bereichvon –45,8 °C bis +40,3 °C überspannten. Die Temperatur-extrema traten im Dezember 2001 und im August 2003auf. Es wird deutlich, dass gegenüber den generalisiertenGrenzwerten der Außenlufttemperatur gemäß [1] von –24 °C und +37 °C ein Unterschied zu den gemessenenWerten von –21,8 K bei den minimalen und +3,3 K beiden maximalen Lufttemperaturen besteht.

Die genannten Temperaturrekorde sind zeitlich undlokal eingegrenzte Ereignisse. Es kann vermutet werden,dass es insgesamt mehr Orte mit Höchsttemperaturen ge-ben dürfte als Orte mit so geringen Lufttemperaturen, wiezuvor ausgewiesen. Außerdem ist zu bemerken, dass dieAngabe der Temperaturrekorde nur einen Anhaltswertüber die auftretenden Extremsituationen liefern kann. Ei-ne Betrachtung der Einhüllenden täglich gemessener Luft-temperaturen über einen Zeitraum von mehr als 100 Jah-ren für die Städte Hamburg, Berlin und München lieferteine Temperaturspanne von –31,7 °C bis +37,7 °C.

Tabelle 3. Charakteristischer Werte der konstanten Tempera-turanteileTable 3. Characteristic value of effective bridge temperature

Querschnittsgruppe Te,max = TN,max Te,min = TN,min

Gruppe 1 – Stahlüberbau aus –27 °C +53 °CHohlkasten,Fachwerk oderPlattenbalken

Gruppe 2 – Verbundüberbau: –20 °C +41 °CBetonplatte auf einem Hohlkasten,Fachwerk oderPlattenbalken aus Stahl

Gruppe 3 – Fahrbahnplatten –17 °C +37 °Coder Überbau aus Beton auf Beton-balken oderBetonhohlkästen

Tabelle 4. Extreme Lufttemperaturen in DeutschlandTable 4. Extreme shade air temperatures of Germany

Ort Datum Außenlufttem-peratur in °C

maximale Lufttemperaturen

Perl-Nennig im Saarland 08.08.2003 40,3

Gärmersdorf bei Amberg, 27.07.1983 40,2Oberpfalz

Karlsruhe 09.08.2003 40,2

Karlsruhe 13.08.2003 40,2

Freiburg im Breisgau 13.08.2003 40,2

Brauneberg1) 11.08.1998 [41,2]

minimale Lufttemperaturen

Funtensee, Bayern 24.12.2001 –45,8(NP Berchtesgaden)

Albstadt, Baden-Württemberg 24.12.2001 ca. –42,0

1) Der Messort wird wegen der Lage auf einem Schieferberg nichtals repräsentativ angesehen

Page 8: Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

Es ist zu anzumerken, dass die Temperaturextremader Erwärmung einen vergleichsweise geringen Unter-schied zur generalisierten Lufttemperatur in [1] (37 °C →40,3 °C) aufweisen. Die Angabe von 37 °C als charakteris-tischer Wert für die maximale Außenlufttemperatur er-scheint deshalb plausibel. Den zur Ableitung eines Sicher-heitsabstands durchgeführten Untersuchungen wurde dieobere Grenztemperatur für Deutschland von 40,5 °C zu-grunde gelegt. Die deutliche Unterschreitung der mit –24 °C in [1] angegebenen minimalen Außenlufttempera-tur um eine Spanne bis zu 21,8 K (Albstadt) und 12,1 K(München) bereitete dagegen bei der Auswertung einigeSchwierigkeiten. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Aus-dehnung des Temperaturbereichs um dieses Maß nichtunbedeutend für die Lagerdimensionierung beziehungs-weise die Beurteilung von Zwängungen bei integralerBauweise wäre und es ist nicht von der Hand zu weisen,dass in Albstadt die Karlsbrücke steht, welche mit dieserRekordtemperatur konfrontiert wurde! Allerdings ist auchanzumerken, dass dieses Ereignis ein Extremereignis miteiner deutlich höheren Wiederkehrperiode als der von50 Jahren war.

Nach Wertung der zuvor dargelegten Auswertungenwurde die Temperaturspanne zur Untersuchung des Teil-sicherheitsbeiwerts auf einen Bereich der Lufttemperatur-schwankung zwischen –30 °C und +40 °C festgelegt. DieBegründung für den oberen Grenzwert ist die in Deutsch-land je gemessene Lufttemperatur von 40,2 °C. Der untereGrenzwert wird aus oben genannten Gründen nicht beider als singuläres Ereignis einzustufenden Lufttemperaturvon –45 °C angenommen. Es muss allerdings angemerktwerden, dass das vorliegende Datenmaterial keine in allenBelangen zuverlässige Prognose der zu erwartendenTiefsttemperatur in Deutschland erlaubt, zumal die Klima-erwärmung vorrangig zu stetig wärmeren Temperaturenim Winterhalbjahr führt und Negativ-Temperaturrekordeim Winter zunehmend seltener zu beobachten sind als Po-sitiv-Temperaturrekorde. Nach dem Studium des verfüg-baren Datenmaterials wurde mit hinreichender Sicherheitvon einem Wert von –30 °C ausgegangen.

4.1 Untersuchung zum Aufweitungseffekt derTemperaturschwankung

Als Aufweitungseffekt wird das Temperaturverhalten einerBrückenstruktur bezüglich der Lufttemperaturmaximaund -minima verstanden, das heißt inwieweit die Schwer-punkttemperatur des betrachteten Querschnitts über dastägliche Lufttemperaturmaximum ansteigt beziehungswei-se unter das Lufttemperaturminimum abfällt. Zwischen

174

I. Mangerig/U. Lichte/S. Beucher · Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

Stahlbau 79 (2010), Heft 3

derAußenlufttemperatur und der Bauwerksmitteltempera-tur besteht stets eine Differenz, da die Wärmebilanzenund das Erwärmungsverhalten jeweils unterschiedlichsind. Da aber die auslösenden Temperatureinwirkungenim Grunde die gleichen sind, existiert eine Korrelationzwischen den Lufttemperaturen und den zu erwartendenBauwerkstemperaturen.

Die zugrunde liegenden Temperaturwerte sind wederdie stets vorhandenen Temperaturdifferenzen zwischen Au-ßenluft und Bauwerksmitteltemperatur noch die Differenzaus den jeweiligen Tagesmaximalwerten. Grundlage sindvielmehr diejenigen Tagesextremwerte, die im Verlaufe desWettergeschehens ein relatives Maximum darstellen. Sosind in Bild 17 exemplarisch für drei Brückenquerschnittedie Verläufe der Lufttemperaturmaxima und der Tagesma-xima der Bauwerksmitteltemperatur dargestellt. Markiertsind die relativen Maxima in einer Erwärmungs- und Ab-kühlungsphase. Rechts neben den Graphen ist der Zusam-menhang zwischen der Außenlufttemperatur und der Bau-werksmitteltemperatur für einen Zeitraum von drei Jahrendargestellt. Es zeigt sich, dass die Mitteltemperatur desStahlbrückenquerschnitts in der Regel über der Lufttempe-ratur liegt und der entsprechende Wert für den Beton-Plat-tenbalkenquerschnitt knapp darunter. Außerdem ist zu er-kennen, dass bei ca. 17 °C ein Sprung in der überwiegend li-nearen Korrelation auftritt. Dieser, die zu beantwortendeFragestellung nicht nachteilig beeinflussende Zusammen-hang ist auf den ab einer Bauwerkstemperatur von ca. 17 °Czunehmenden Einfluss der Sonneneinstrahlung zurückzu-führen. Damit belegen die Auswertungen, dass die maxima-le Bauwerkstemperatur nicht alleine von den Wärmeinhal-ten der Lufttemperatur bestimmt wird, sondern die Wärme-zufuhr aus der Sonneneinstrahlung auch den Anteil derTemperaturschwankung beeinflusst.

Analog zur Auswertung der maximalen Bauwerks-temperatur wurden für die nächtlichen Tiefsttemperatu-ren die minimalen Bauwerkstemperaturen ausgewertet.

Eine statistische Wertung der Zusammenhänge warmit der Regressionsrechnung möglich. Die einzelnen Er-eignisse selbst sind untereinander statistisch nicht unab-hängig, da jeder Maximalwert immer in der Größenord-nung des vorangegangenen Ereignisses liegt, wie ausBild 9 abzulesen ist.

Das Aufweitungsverhalten wurde getrennt für dieQuerschnittsgruppen 1, 2 und 3 [1] durchgeführt. Darinwurden die normalverteilten Residuen der Korrelationvon TN und TL ausgewertet. Als oberen bzw. unterenGrenzwert der Aufweitung wurde die 99 %-Fraktile he-rangezogen. In Tabelle 5 sind die Ergebnisse zusammen-gefasst und den Werten gemäß [1] gegenübergestellt. Ein

Tabelle 5. Aufweitungsverhalten der untersuchten Querschnittstypen Table 5. Deviation of temperature in analyzed groups of superstructure

Querschnittsgruppe ΔTQS,min und ΔTQS,max in K

Mittelwert 95 %-Fraktile 99 %-Fraktile DIN-FB 101

Gruppe 1 –0,4 +8,6 –1,0 +12,2 –1,4 +13,7 –3,0 +16,0

Gruppe 2 +3,0 +3,0 –0,3 + 6,4 –1,7 + 7,8 +4,0 + 4,0

Gruppe 3 +5,0 –2,0 +1,9 + 0,8 –0,6 + 2,0 +7,0 ± 0,0

Page 9: Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

175

I. Mangerig/U. Lichte/S. Beucher · Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

Stahlbau 79 (2010), Heft 3

negativer Zahlenwert bedeutet, dass der Extremwert derBauwerksmitteltemperatur niedriger ist als der Extrem-wert der Lufttemperatur.

Den Zahlenwerten kann zunächst entnommen wer-den, dass die Aufweitungseigenschaften der untersuchtenQuerschnitte der Gruppe 2 und 3 ungünstiger sind als inden Normenwerten angenommen. Bei genauer Betrach-

tung der statistischen Auswertungen wird allerdings deut-lich, dass die Residuen nicht homogen verteilt sind. Eszeigt sich, dass im Bereich der Extremereignisse durchwegeine geringere Streuung vorhanden ist als im übrigenTemperaturbereich. Es ist festzustellen, dass bei extremerErwärmung der Luft die Residuen stärker zum Mittelwerthin tendieren und damit die Streuung der Ergebnisse ver-

Querschnittsgruppe 1

5 °C

10 °C

15 °C

20 °C

25 °C

30 °C

35 °C

40 °C

45 °C

20

.05

.19

99

30

.05

.19

99

09

.06

.19

99

19

.06

.19

99

29

.06

.19

99

09

.07

.19

99

19

.07

.19

99

29

.07

.19

99

08

.08

.19

99

18

.08

.19

99

28

.08

.19

99

Datum

Tem

per

atu

r

Lufttemperaturmaximum

Maximum Schwerpunktstemperatur

Maximum Lufttemperatur

Maximum Querschnittstemperatur

tägliche Maximalwerte

0 °C

10 °C

20 °C

30 °C

40 °C

0 °C 10 °C 20 °C 30 °C 40 °C

Maximale Lufttemperatur

Max

imal

e S

chw

erp

un

ktst

emp

erat

ur tägliche Maximalwerte

Querschnittsgruppe 2

5 °C

10 °C

15 °C

20 °C

25 °C

30 °C

35 °C

40 °C

45 °C

20

.05

.19

99

30

.05

.19

99

09

.06

.19

99

19

.06

.19

99

29

.06

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09

.07

.19

99

19

.07

.19

99

29

.07

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99

08

.08

.19

99

18

.08

.19

99

28

.08

.19

99

Datum

Tem

per

atu

r

Lufttemperaturmaximum

Maximum Schwerpunktstemperatur

Maximum Lufttemperatur

Maximum Querschnittstemperatur

tägliche Maximalwerte

0 °C

10 °C

20 °C

30 °C

40 °C

0 °C 10 °C 20 °C 30 °C 40 °C

Maximale Lufttemperatur

Max

imal

e S

chw

erp

un

ktst

emp

erat

ur tägliche Maximalwerte

Querschnittsgruppe 3

5 °C

10 °C

15 °C

20 °C

25 °C

30 °C

35 °C

40 °C

45 °C

20

.05

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30

.05

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09

.06

.19

99

19

.06

.19

99

29

.06

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99

09

.07

.19

99

19

.07

.19

99

29

.07

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99

08

.08

.19

99

18

.08

.19

99

28

.08

.19

99

Datum

Tem

per

atu

r

Lufttemperaturmaximum

Maximum Schwerpunktstemperatur

Maximum Lufttemperatur

Maximum Querschnittstemperatur

tägliche Maximalwerte

0 °C

10 °C

20 °C

30 °C

40 °C

0 °C 10 °C 20 °C 30 °C 40 °C

Maximale Lufttemperatur

Max

imal

e S

chw

erp

un

ktst

emp

erat

ur

tägliche Maximalwerte

Bild 9. Verlauf der täglichen Maximalwerte der Lufttemperatur und Brückenquerschnittstemperatur mit Markierung dertemporären Maximalwerte; Zusammenhang zwischen Lufttemperatur und BauwerksmitteltemperaturFig. 9. Development of daily maxima of shade air temperature and effective bridge temperature with marks for temporarymaxima; Correlation between shade air temperature and effective bridge temperature

Page 10: Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

ringert wird. Ebenso verdeutlichen die Auswertungen,dass bei extremer Abkühlung der Luft insbesondere Brü-ckenstrukturen mit kompakten Querschnitten in der ver-fügbar kurzen Zeit des Extremereignisses der Lufttempe-ratur nicht folgen können. Dies belegen auch Untersu-chungen in [14] zur Extremwertverteilung der Lufttempe-raturen, aus denen abzuleiten ist, dass an Tagen mitnächtlichen Extremwertereignissen eine relativ großeLufttemperaturschwankung mit vergleichsweise hohenTagestemperaturen vorliegt, so dass während der hellenTagesstunden die Brückestruktur Wärme aufnimmt, diebei einem hohen Wärmespeichervermögen der eingesetz-ten Baustoffe während der Nachtstunden die Extremtem-peraturen abpuffert. Mit Ausnahme dünnwandiger Stahl-querschnitte sind die minimalen Lufttemperaturen vonExtremereignissen nicht vollständig in der Brückenstruk-tur ablesbar. Am deutlichsten ist dies bei der Abkühlungvon Verbundquerschnitten (Gruppe 2) festzustellen. Anden Tagen mit der stärksten Abkühlung der Lufttempera-tur liefert die numerische Langzeitsimulation eine gegen-über dem Lufttemperaturextremum im Mittel 3 KwärmereBrückenstruktur. Die statistische Auswertung unter Vo-raussetzung normalverteilter Einzelergebnisse weist aller-dings als 99 %-Fraktilwert einen um 1,7 K kälteren Brü-ckenüberbau aus. Vergleichbare Unterschiede sind auchbei Betonquerschnitten festzustellen.

Wie zuvor beschrieben, ist die Begründung für diesesVerhalten darin zu finden, dass Extremereignisse in derRegel nicht mehrere Tage in Folge auftreten und die tägli-che Temperaturschwankung so groß ist, dass eine entspre-chende Durchwärmung bzw. Abkühlung des Querschnit-tes nicht eintritt.

4.2 Ermittlung des Sicherheitsabstands fürTemperaturschwankungen

Die Bestimmung des erforderlichen Sicherheitsabstandsder Temperaturschwankung basiert auf einer Berechnung,welche die thermophysikalisch mögliche Differenz dermittleren Bauwerkstemperaturen mit dem normativ vor-gegebenen Temperaturschwankungsbereich vergleicht.Die normativen Vorgaben gehen von einem Schwan-kungsbereich der Lufttemperatur von –24 °C … +37 °Caus. Dieser Festlegung liegt eine Wiederkehrperiode vonR = 50 Jahren zugrunde. Aufbauend auf den zuvor be-schriebenen Erhebungen wird diese Vorgabe auf einenExtrembereich von –30 °C … +40 °C vergrößert. Mit denMethoden der Statistik wurden die 99 %-Faktilwerte derErwärmung bzw. Abkühlung der Brückenstruktur als Dif-ferenz zur jeweiligen Lufttemperatur ermittelt. Der erwei-terte Extremwertbereich der Lufttemperatur wurde mitAusnahme der Minimalwerte bei Beton- und Verbundbrü-cken um die ausgewiesenen Fraktilwerte vergrößert undden Ansätzen in [1] gegenübergestellt. Aufbauend auf denzuvor beschriebenen Unterschieden zwischen realen Wer-ten der mittleren Bauwerkstemperatur und den Berech-nungsergebnissen einer statistischen Analyse bei Extrem-situationen werden für Massivbrücken abweichend vonden Analyseergebnissen die Faktilwerte bei minimalerBauwerkstemperatur auf +2 K und bei Verbundbrückenauf ±0 K festgelegt. Obwohl auch bei den Maximalwertender Bauwerkstemperatur eine Reduzierung gegenüber den

176

I. Mangerig/U. Lichte/S. Beucher · Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

Stahlbau 79 (2010), Heft 3

stochastischen Erkenntnissen statthaft wäre, werden aufder sicheren Seite liegend die 99 %-Faktilwerte beibehal-ten. Bei Anwendung der zuvor erarbeiteten Erkenntnissefolgt für in [1] aufgeführten Gruppen, jeweils als Faktorfür die Vergrößerung des Temperaturschwankungsbe-reichs:– Querschnitt Gruppe 3 (Betonbrücken)

– Querschnitt Gruppe 2 (Verbundbrücken)

– Querschnitt Gruppe 1 (Stahlbrücken)

Es ist zu erkennen, dass die Temperaturwirkung in Brück-entragwerken mit einem Betonquerschnitt für die Festle-gung eines für alle Bauarten gleichsam geltenden Sicher-heitsabstands ausschlaggebend ist. Ein Faktor mit einerGröße von γQT = 1,35 grenzt die zu erwartenden Tempera-turschwankungen innerhalb der vorgegebenen Grenzenein. Effekte aus dem vertikalen Temperaturunterschiedsind hierbei noch nicht berücksichtigt und wären deshalbbei der Dimensionierung gesondert zu betrachten.

Auch wenn eine längere Zeitreihe eine höhere Stich-probenanzahl mit einer möglicherweise größeren Band-breite zur Folge haben könnte, so belegt die Vorgehens-weise zur Ableitung der oben angeführten Vergleichser-gebnisse doch, dass mit einem Zielwert von γQT = 1,35 zu-treffende Ergebnisse zu erwarten sind.

5 Vertikaler Temperaturunterschied

Mit dem Begriff Temperaturunterschied werden die ebenbegrenzten aber mit den Querschnittsabmessungen verän-derlichen Anteile nichtlinearer Temperaturfelder bezeich-net. Ein vertikaler Temperaturunterschied steht stellver-tretend für die Auswirkungen der realen Beanspruchun-gen in der Vertikalebene. Die zugehörigen Einwirkungenauf Brückentragwerke ergeben sich mit den Wärmedehn-eigenschaften der verwendeten Materialien als Krüm-mungen, die in statisch bestimmt gelagerten TragwerkenVerformungen hervorrufen und deren Behinderung in sta-tisch unbestimmten Systemen zusätzlich zu Zwängungenführt. Die Extremwerte der Temperaturunterschiede wer-den maßgeblich von der solaren Einstrahlung verursacht,da diese aufgrund der Verschattungsverhältnisse nur Teil-bereiche eines Brückenquerschnitts trifft, somit eine un-symmetrische Erwärmung verursacht und in deren Folgenichtlinear begrenzte sowie instationäre Temperaturfelderentstehen. In [1] sind für die verschiedenen Querschnitts-gruppen charakteristische Werte des maßgebenden line-aren Temperaturunterschieds angegeben. Diese Wertesind definitionsgemäß als Temperaturunterschied zwi-schen der Ober- und der Unterseite der Querschnitte an-zusetzen. Die Grundwerte in [1] gelten für eine Belag-dicke von 50 mm. Da die Belagdicke einen maßgeblichenEinfluss auf den der Bemessung zugrunde zu legenden

( ) ( )( ) ( )40 14 30 237 16 24 3

° °° °C K C KC K C K

+ − − −+ − − −

= 554 3253 27

8680

++

= =KK

1,08

( ) ( )( ) ( )40 8 30 037 4 24 4

48° °° °C K C KC K C K

+ − − ±+ − − +

= +++

= =3041 20

7861

KK

1,28

( ) ( )( ) ( )40 2 30 237 0 24 7

42° °° °C K C KC K C K

+ − − ++ − − +

= +++

= =2837 17

7054

KK

1,30

Page 11: Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

177

I. Mangerig/U. Lichte/S. Beucher · Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

Stahlbau 79 (2010), Heft 3

Wert des Temperaturunterschieds ausübt, sind zur Um-rechnung Korrekturfaktoren für die Berücksichtigung un-terschiedlicher Belagdicken bis hin zur Berücksichtigungdes Einflusses eines Schotterbetts angegeben.

Es sind somit in [1] maximale und minimale lineareTemperaturunterschiede verfügbar, die unter Verwendungder Korrekturfaktoren an unterschiedliche Belagdickenangepasst werden können. Es ist darauf hinzuweisen, dassAngaben zur Berücksichtigung von Fehlformen, die durchTemperaturunterschiede bei der Einjustierung der Brü-cken verursacht wurden, nicht vorgesehen sind. BeimEinbau der Lager ist deshalb hinreichend sicher darauf hinzu wirken, dass ein Ausgangstemperaturfeld nahe einemausgeglichenen Temperaturzustand mit TMy,0 = 0 gewähr-leistet werden kann.

5.1 Zusammenhang zwischen maximaler solarerStrahlungsintensität und linearem vertikalenTemperaturunterschied

Aufgrund der durch die elliptische Umlaufbahn der Erdeum die Sonne verursachten Abstandsänderung sowie derim Bezug zur Umlaufsebene schräg gestellten Erdrota-tionsachse ist die Intensität der Sonneneinstrahlung tages-und jahreszeitabhängigen Schwankungen unterworfen.Die extraterrestrische Sonnenstrahlung, hierbei handelt essich um die auf die äußeren Luftschichten der Erde auf-treffende Sonnenstrahlung, wird beim Durchgang durchdie Atmosphäre durch Absorption und Streuung abge-schwächt.

Es ist nachzuweisen, dass die täglich auftretendenmaximalen bzw. minimalen Grenzwerte des linearenTemperaturunterschieds mit den Tagessummen und denzugehörigen Grenzwerten der solaren Strahlungsintensi-täten in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. DieStrahlungsintensitäten ergeben sich hierbei aus der Addi-tion von diffuser und direkter Sonnenstrahlung. Mit maxi-malem Temperaturunterschied wird der Temperaturzu-stand „Oberseite wärmer als die Unterseite“ und mit demminimalen Temperaturunterschied die Situation „Unter-seite wärmer als die Oberseite“ bezeichnet.

In Bild 10 ist die Korrelation zwischen solarer Ein-strahlungsintensität und maximalem vertikalen Tempera-turunterschied dargestellt. Die Ergebnisse verdeutlichen,dass sich bei der Betrachtung „Oberseite wärmer als Un-terseite“ mit zunehmender Einstrahlungsintensität erwar-tungsgemäß ein größerer vertikaler Temperaturunter-schied einstellt. Die dargestellten Ergebnisse wurden ineiner numerischen Simulation ermittelt, bei der zur Fest-stellung der Streubreiten des vertikalen Temperaturunter-schieds die in [5] bereits untersuchten Querschnitte in ei-ner Langzeitsimulation kontinuierlich mit den gemesse-nen Klimadaten eines 3-jährigen Wetterereignisses beauf-schlagt wurden. Im Rahmen dieser Berechnungen wurdendie instationären Temperaturfelder einschließlich der zu-gehörigen vertikalen Temperaturunterschiede in Interval-len von 10 Minuten ermittelt. Die rechtsseitige Darstel-lung in Bild 10 enthält zusammengefasst die täglichen Ma-ximalwerte dieser Langzeitsimulation, die in Abhängigkeitzum zugehörigen Tagesmaximum der Sonneneinstrahlungaufgetragen sind. Zusätzlich sind linksseitig als Ausschnitttageszeitabhängige Verläufe der Globalstrahlung und der

vertikalen Temperaturunterschiede dargestellt. Wie be-reits in [5] beschrieben, wurden bei der Langzeitsimulati-on neben der Querschnittshöhe und den Kragarmabmes-sungen bei Stahl- und Verbundbrücken außerdem die Un-tergurtabmessungen variiert. Den Auswertungen liegendie als weitgehend statistisch unabhängig zu bezeichnen-den Maxima einer kontinuierlichen Langzeitsimulationüber den benannten Zeitraum von drei Jahren mit Tempe-raturfeldberechnungen in Zeitschritten von 10 Minutenzugrunde.

Aus den Darstellungen ist abzuleiten, dass für dieQuerschnittsgruppen 1 bzw. 3, Stahlbrücken bzw. Beton-brücken, die Streubreiten der Ergebnisse mit zunehmen-der Strahlungsintensität größer werden. Dies ist damit zuerklären, dass bei diesen Querschnittstypen die maxima-len vertikalen Temperaturunterschiede während der hel-len Tagesstunden auftreten, damit ein direkter Zusam-menhang zwischen Einwirkung und linearem Tempera-turunterschied besteht und mit ansteigender Strahlungs-intensität die Bandbreite der Querschnittsgestaltung zu-nehmend an Einfluss gewinnt. Die direkt beschienenenQuerschnittsteile erwärmen sich deutlich stärker als dieverschatteten Bereiche. Übertragen auf Brückenquer-schnitte bedeutet dies, dass abhängig von der Brückenori-entierung und den Kragarmabmessungen bereits eine aus-schließliche Variation der Querschnittshöhe aufgrund derEinwirkung direkter Sonneneinstrahlung im Steg- undUntergurtbereich eine erhebliche Bandbreite der Einzeler-gebnisse zur Folge hat.

Bei Brücken der Querschnittsgruppe 2, Verbundquer-schnitte, hingegen stellt sich das Maximum des vertikalenTemperaturunterschieds, Oberseite wärmer als die Unter-seite, während der Nachtstunden ein. Es besteht folglichaufgrund der Aufheizungseffekte während der hellen Ta-gesstunden nur ein indirekter Zusammenhang zwischensolarer Einstrahlung und vertikalem Temperaturunter-schied. Das für Verbundquerschnitte typische Tempera-turverhalten ist auf die thermisch trägeren Eigenschaftender Betonfahrbahnplatte zurückzuführen, welches wäh-rend der Nachtstunden eine Verzögerung der Auskühlungvon Betonfahrbahnplatten gegenüber den Stahlbauteilenmit der Folge eines im Vergleich zu den Stahl- und Beton-brücken konträren Verhalten verursacht.

Für die Querschnittsgruppen 1 und 3, Stahl- und Be-tonbrücken, lässt sich für die maximal zu erwartenden po-sitiven Temperaturunterschiede (Oberseite wärmer alsUnterseite) eine quadratische Korrelationsfunktion mitBezug zum entsprechenden Maximum der solaren Ein-strahlungsintensität des betreffenden Tages aufstellen. Beider Querschnittsgruppe 2, Verbundbrücken, hingegen istder Höchstwert der solaren Einstrahlungsintensität mitdem maximal zu erwartenden positiven Temperaturunter-schied des Folgetages korreliert, da diese Temperatursi-tuation als Ergebnis des zuvor beschriebenen Ausküh-lungsprozesses kurz vor Sonnenaufgang auftritt.

Bild 11 zeigt die annähernd normalverteilten Residu-en der in Bild 10 dargestellten Korrelation von maximalerEinstrahlungsintensität und maximalem positiven Tempe-raturunterschied. Eine positive Abweichung bezeichnetSituationen, in denen der tatsächliche Wert größer ist, alsdie nach der Korrelationsfunktion zu erwartende Angabe.Es wir deutlich, dass mit zunehmender Strahlungsintensi-

Page 12: Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

tät bei den Querschnittsgruppen 1 und 3 die Streubreitegrößer wird. Querschnittsgruppe 2 zeigt dagegen aufgrunddes nur indirekten Zusammenhangs der korrelierten Grö-ßen eine annähernd konstante Streubreite.

Analog zur Vorgehensweise des Auffindens von Ex-tremwerten zur Beschreibung der Situation „Oberweitewärmer als Unterseite“ lassen sich Abhängigkeiten zwi-schen dem minimalen Temperaturunterschied und der zu-gehörigen Intensität der Globalstrahlung finden. Der mini-male Temperaturunterschied bezeichnet hierbei den Tem-peraturzustand „Unterseite wärmer als Oberseite“. Es kanngezeigt werden, dass der minimale Temperaturunterschiederwartungsgemäß keine proportionale Abhängigkeit zum

178

I. Mangerig/U. Lichte/S. Beucher · Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

Stahlbau 79 (2010), Heft 3

absoluten Maximum der Einstrahlungsintensität aufweist,sondern sich insbesondere bei den Querschnittsgruppen 1und 2, Stahl- und Verbundbrücken, eine deutliche Häufungder Minimalwerte des Temperaturunterschieds im Bereichmittlerer Strahlungsintensitäten einstellt.

Prinzipiell wird die Ausbildung eines Minimums deslinearen Temperaturunterschieds dadurch verursacht,dass Steg- und Untergurtbereiche durch die flach stehen-de Sonne deutlich stärker erwärmt werden als die Berei-che der Fahrbahnplatte. Diese Temperatursituation istfolglich das Ergebnis eines unsymmetrischen Erwär-mungsvorgangs, der vornehmlich während der hellen Ta-gesstunden auftritt. Nur bei Querschnitten geringer Höhe

Querschnittsgruppe 1

0

200

400

600

800

1000

1200

20.0

5.19

99

30.0

5.19

99

09.0

6.19

99

19.0

6.19

99

29.0

6.19

99

09.0

7.19

99

19.0

7.19

99

29.0

7.19

99

08.0

8.19

99

18.0

8.19

99

28.0

8.19

99

Datum

Glo

bal

stra

hlu

ng

[W

/m²]

0

5

10

15

20

25

30

Tem

per

atu

run

ters

chie

d [

K]

Globalstrahlung

Maximum Temperaturunterschied

0 K

5 K

10 K

15 K

20 K

25 K

30 K

0 200 400 600 800 1000 1200

Globalstrahlung [W/m²]

vert

ikal

er T

emp

erat

uru

nte

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ied

Trendlinie

tägliche Maximalwerte

Querschnittsgruppe 2

0

200

400

600

800

1000

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20.0

5.19

99

30.0

5.19

99

09.0

6.19

99

19.0

6.19

99

29.0

6.19

99

09.0

7.19

99

19.0

7.19

99

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7.19

99

08.0

8.19

99

18.0

8.19

99

28.0

8.19

99

Datum

Glo

bal

stra

hlu

ng

[W

/m²]

0

5

10

15

20

25

30

Tem

per

atu

run

ters

chie

d [

K]

Globalstrahlung

Maximum Temperaturunterschied

0 K

5 K

10 K

15 K

20 K

25 K

30 K

0 200 400 600 800 1000 1200

Globalstrahlung [W/m²]

vert

ikal

er T

emp

erat

uru

nte

rsch

ied

Trendlinie

tägliche Maximalwerte

Querschnittsgruppe 3

0

200

400

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K]

Globalstrahlung

Maximum Temperaturunterschied

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Globalstrahlung [W/m²]

vert

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Trendlinie

tägliche Maximalwerte

Bild 10. Verlauf der täglichen Maximalwerte der Globalstrahlung und der Maximalwerte des vertikalen Temperaturunter-schieds (Oberseite wärmer als die Unterseite); Zusammenhang zwischen Globalstrahlung und vertikalem Temperaturunter-schied (Oberseite wärmer als die Unterseite)Fig. 10. Development of daily maxima of global radiation and maxima of vertical temperature difference (top warmer thanbottom); Correlation between global radiation and vertical temperature difference (top warmer than bottom)

Page 13: Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

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I. Mangerig/U. Lichte/S. Beucher · Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

Stahlbau 79 (2010), Heft 3

und gleichzeitig großen Kragarmabmessungen wird derEinfluss der Stegbesonnung eine untergeordnete Rollespielen, so dass die minimalen Temperaturunterschiedehierbei von der nächtlichen Auskühlung der Fahrbahnbe-reiche bestimmt werden. Es ist folglich davon auszugehen,dass sich bei Brücken mit sonnenbeschienenen Steg- undUntergurtbereichen die Grenzwerte des minimalen Tem-peraturunterschieds nicht während sommerlicher Klima-situationen mit hohem Sonnenstand und entsprechendausgeprägten Einstrahlungsintensitäten auf horizontaleFlächen einstellen, sondern von Klimasituationen verur-sacht werden, die von einer relativ flachen Sonnenein-strahlung und hoher Strahlungsleistung auf vertikale be-ziehungsweise flach geneigte Flächen bestimmt sind. Geo-metriebedingt trifft dies auf Querschnittsformen mit gerin-ger Schattenbildung im Steg- und Untergurtbereich zu.

Bei Verbundbrücken werden die beschriebenen Ef-fekte noch dadurch verstärkt, dass die Querschnittsteileder Betonfahrbahnplatte bei einer flachen Sonnenein-strahlung schlecht mit Wärmeenergie versorgt werden, dieFahrbahnbereiche sich folglich langsamer aufwärmen unddie unter einem steileren Winkel beschienenen Steg- undUntergurtbereiche schnell ein relativ hohes Temperaturni-veau annehmen und damit den vertikalen Temperaturun-terschied „Unterseite wärmer als Oberseite“ dominieren.Grenzwerte des minimalen Temperaturunterschieds stel-len sich folglich bei mittleren Einstrahlungsintensitätenund flachem Einstrahlwinkel vornehmlich in den Jahres-zeiten Herbst und Frühjahr ein.

Unter Berücksichtigung der beschriebenen Effektewird deutlich, dass im Gegensatz zu den Temperaturunter-schieden mit einer wärmeren Oberseite die vertikalenTemperaturunterschiede „Unterseite wärmer als Oberseite“weder aus sommerlichen Klimasituationen noch Konstel-lationen mit winterlichen Verhältnissen resultieren, son-dern die Extremwerte im Frühjahr und Herbst auftreten.Für Querschnitte der Gruppe 3 kann nachgewiesen wer-den, dass der minimale Temperaturunterschied im Bereichhoher bezogener Einstrahlungsintensitäten tendenziellgleich bleibt, was bedeutet, dass aufgrund der thermischenTrägheit des Betons die Stegbesonnung durch flache Son-neneinstrahlung von untergeordneter Bedeutung ist.

5.2 Ermittlung eines Teilsicherheitsbeiwerts für lineareTemperaturunterschiede

Der Ableitung eines Teilsicherheitsbeiwerts für lineareTemperaturunterschiede wurden analog zur Vorgehens-weise bei der Temperaturschwankung die 99 %-Fraktileneiner Datenbasis aus Ergebnissen numerischer Simulatio-nen zugrunde gelegt. Der Auswertung liegen wie bei derTemperaturschwankung die Absolutsummen der Tempe-raturunterschiede zwischen „Oberseite wärmer als Unter-seite“ und „Unterseite wärmer als Oberseite“ zugrunde. Dadieser Summenbildung keine zugehörigen, auf jeweils nureinen Querschnitt bezogene Streuungen zugrunde liegen,sondern das gesamte Spektrum der untersuchten Quer-schnittsvariationen und Klimaszenarien in einer Auswer-tung verarbeitet wurde, stellen die ausgewiesenen Band-breiten zur sicheren Seite hin tendierende Werte dar. Ausden Streuungen der Ergebnisse der Simulationsrechnun-gen wurden wie zuvor beschriebenen, getrennt für den ma-ximalen und den minimalen Temperaturunterschied dieFraktilen abgeleitet und den entsprechenden Vorgaben in[1] gegenübergestellt. Die Ergebnisse dieser Gegenüber-stellung stellen den erforderlichen Sicherheitsabstand zurErhöhungen der normativen Vorgaben aus [1] dar. Es er-gaben sich wie bei den Temperaturschwankungen Anpas-sungsfaktoren von 1,05 bei der Querschnittsgruppe 1(Stahlbrücken), von 1,13 bei der Querschnittsgruppe 2(Verbundbrücken) und 1,21 bei der Querschnittsgruppe 3(Betonbrücken).

Auch wenn bei den Querschnittsgruppen sowohl beider Temperaturschwankung als auch beim Temperaturun-terschied abweichende Tendenzen erkannt wurden, sokann doch festgestellt werden, dass mit einem Teilsicher-heitsbeiwert γQT = 1,35 eine zuverlässige Anpassung dernormativen Werte des DIN-Fachberichts 101 [1] an fürklimatische Einwirkungen zu erwartende Wiederkehrpe-rioden erreicht werden kann.

6 Zusammenfassung

Im Rahmen einer vom Bundesminister für Verkehr, Bauund Stadtentwicklung in Auftrag gegebenen Forschungs-

-10 K

-8 K

-6 K

-4 K

-2 K

0 K

2 K

4 K

6 K

8 K

10 K

0 200 400 600 800 1000 1200

Maximale Globalstrahlung [W/m²]

Ab

wei

chu

ng

T M

99%

95%

-10 K

-8 K

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-4 K

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0 K

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0 200 400 600 800 1000 1200

Maximale Globalstrahlung [W/m²]

99%

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0 K

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0 200 400 600 800 1000 1200

Maximale Globalstrahlung [W/m²]

99%

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Ab

wei

chu

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T M

Ab

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Querschnittsgruppe 1 Querschnittsgruppe 2 Querschnittsgruppe 3

Bild 11. Abweichung der täglichen maximalen Temperaturunterschiede (Oberseite wärmer als Unterseite) vom zu erwarten-den Trend mit Angabe der FraktilwerteFig. 11. Deviation of daily maximal temperature differences (top warmer than bottom) from predicted trend including dataof fractiles

Page 14: Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

arbeit waren die Grundlagen zur Neubewertung des Si-cherheitsbeiwerts für Temperatureinwirkungen auf Brü-cken auszuarbeiten. Die Ableitung eines für sämtliche Er-satztemperaturverteilungen gültigen Teilsicherheitsbei-wertes wurde über Grenzwertbetrachtungen erreicht, beidenen Fraktilwerte der Bauwerksreaktionen für 50-jährigeund 100-jährige Wiederkehrperioden zugrunde gelegtwurden. Zur Ableitung der Fraktilen wurden ausgesuchteQuerschnittskonturen von Stahl-, Verbund- und Beton-brücken in numerischen Simulationen einem 3-jährigen,kontinuierlichen Wetterszenario ausgesetzt. Zusätzlichwurden verfügbare statistische Erhebungen zu Extrem-temperaturen in Deutschland ausgewertet und in die Un-tersuchungen einbezogen. Die berechnete Datenbasis täg-licher Extremwerte der Temperaturschwankungen undder Temperaturunterschiede bildete die Grundlage zurstatistischen Auswertung und Ableitung repräsentativerErsatztemperaturverteilungen. Die verwendeten Quer-schnittskonturen orientierten sich an den Vorgaben derForschungsarbeiten, die als Grundlage zur Angabe derTemperaturkenngrößen des DIN-Fachberichts 101 dien-ten. Aus den Streuungen der durchgeführten Simulations-rechnungen wurden getrennt für die maximalen und dieminimalen Werte der Temperaturschwankung und desvertikalen Temperaturunterschieds Fraktilen abgeleitetund den entsprechenden Vorgaben des DIN-Fachberichts101 gegenübergestellt.

Da zur Bildung der Absolutsummen keine zugehöri-gen, auf jeweils nur eine Querschnittskontur bezogeneStreuungen zugrunde gelegt wurden, sondern das gesamteSpektrum der untersuchten Querschnittsvarianten undKlimaszenarien in jeweils einer Auswertung verarbeitetwurde, stellen die zugrunde gelegten Bandbreiten zursicheren Seite hin tendierende Werte dar. Die Ergeb-nisse der Gegenüberstellung repräsentieren den erforder-lichen Teilsicherheitsbeiwert zur Anpassung der norma-tiven Vorgaben des DIN-Fachberichts an die maßgeben-den Werte zur Gewährleistung der angestrebten Eintre-tenswahrscheinlichkeit. Es konnte aufgezeigt werden, dassmit einem Teilsicherheitsbeiwert γQ,T = 1,35 die vorgegebe-nen Zielvorgaben hinreichend sicher erreicht werden kön-nen.

Bei den Untersuchungen wurde festgestellt, dass derAusdehnungskoeffizient von Beton eine größere Schwan-kungsbreite aufweist als in [1] angegeben. Insbesonderefür zementreiche Betone mit rein quarzitischen Zuschlä-gen ist deshalb bei Anwendung eines Teilsicherheitsbei-werts γQ,T = 1,35 auch auf Betonüberbauten zu empfehlen,eine Anpassung des Sicherheitsabstands vorzunehmen.Die Erkenntnisse der durchgeführten Untersuchungensind sowohl auf Straßenbrücken wie auch auf Eisenbahn-brücken anwendbar. Da das Sicherheitskonzept für dieEinstellung der Lagerreaktionen von den planmäßigenVorgaben eines ausgeglichen Temperaturfeld ausgeht,sind diese Voraussetzungen bei der Justierung zu gewähr-leisten. Bei der Messung der Bauwerksmitteltemperaturals Voraussetzung zur zutreffenden Einstellung der Lager-wege sind Differenzbeträge zur Berücksichtigung vonFehleinschätzungen normativ vorgegeben. Die Berück-sichtigung des Wärmeeintrags aus dem Belageinbau undder Belagerneuerung erfordern zusätzliche Sicherheitsbe-trachtungen.

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I. Mangerig/U. Lichte/S. Beucher · Bewertung der Sicherheitsanforderungen von Temperatureinwirkungen auf Brücken

Stahlbau 79 (2010), Heft 3

Die Autoren des Beitrags bedanken sich beim Bun-desministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungfür die Förderung der Forschungsarbeit.

Literatur

[1] DIN-Fachbericht 101:2009-03: Einwirkungen auf Brücken.Beuth-Verlag.

[2] DIN 1055: Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 7: Tempera-tureinwirkungen; – Teil 100: Grundlagen der Tragwerkspla-nung, Sicherheitskonzept und Bemessungsregeln. Beuth-Ver-lag.

[3] DIN 1337: Lager im Bauwesen. Beuth-Verlag.[4] Dettling, H.: Die Wärmedehnung des Zementsteins, der Ge-

steine und der Betone. Schriftenreihe DAfStb, Heft 164, OttoGraf-Institut der TH Stuttgart, 1962.

[5] Frenzel, Freund et al.: Bestimmung von Kombinationsbei-werten und -regeln für Einwirkungen auf Brücken. For-schung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik. Heft 715,Hrsg. Bundesministerium für Verkehr Abt. Straßenbau, 1996.

[6] Lichte, U.: Klimatische Temperatureinwirkungen und Kom-binationsregeln bei Brückenbauwerken. Berichte aus demKonstruktiven Ingenieurbau 05/1, Institut für KonstruktivenIngenieurbau, Universität der Bundeswehr München, 2005.

[7] Mangerig, I.: Klimatische Temperaturbeanspruchungen vonStahl- und Stahlverbundbrücken. Technisch-wissenschaft-liche Mitteilung Nr. 86-4, Institut für Konstruktiven Inge-nieurbau, Ruhr-Universität Bochum, 1986.

[8] Mangerig, I., Lichte, U.: Temperaturbeanspruchung, Hand-buch Brücken. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag 2007.

[9] Mangerig, I., Zapfe, C., Lichte, U.: Ursachen und Behebungder Problemstellung einer unplanmäßigen Geräuschentwick-lung am nordöstlichen Widerlager der Talbrücke große Strie-gis. Gutachterliche Stellungnahme, München, September2001.

[10] Mangerig, I., Zapfe, C.: Gutachterliche Stellungnahme zurKlärung der Ursachen für abhebende Lager an der Kanal-überführung Minden. Auftrag der Bundesanstalt für Wasser-bau, Karlsruhe. München 1998.

[11] Mangerig, I., Lichte, U.: Abschlussbericht: KlimatischeTemperaturbeanspruchungen der Kanalbrücke Minden.München, Dezember 2000.

[12] Mangerig, I., Zapfe, C.: Gutachterliche Stellungnahme zumEinbau der Elastomerlager an der Leinestrombrücke (252).Auftrag der Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe. Mün-chen, März 1999.

[13] Albrecht, G., Mangerig, I., Zichner, T.: EUROCODE 1, De-sign Load for Structures, Part 2A, Background Report. Ther-mal Effects on Road- and Railway Bridges, Commissioned bythe Bundesminister für Verkehr, (FE. 15.194 R 90 G), 1992

[14] Mangerig, I., Lichte, U., Beucher, S.: Einwirkungen aufBrücken – Ergänzende Untersuchungen zum Teilsicherheits-beiwert für Temperatureinwirkungen auf Brücken. For-schungsarbeit im Auftrag des Bundesministers für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung, August 2008.

Autoren dieses Beitrages:Prof. Dr.-Ing. Ingbert Mangerig, [email protected]ät der Bundeswehr München, Institut für Konstruktiven Ingenieurbau, Werner Heisenbergweg 39, 85577 Neubiberg,Dr.-Ing. Ulf Lichte, [email protected],Sachverständigen- und Ingenieurbüro Dr. Ulf und Peter Lichte GbR,Käthe-Bauer-Weg 11, 80686 München, vormals Universität der Bundes-wehr MünchenDipl.-Ing. Stefan Beucher, Europäisches Patentamt München, Erhardtstraße 27, 80469 München, vormals Universität der BundeswehrMünchen