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P. b. b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1030 Wien 2725 BUNDESGESETZBLATT FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH Jahrgang 1975 Ausgegeben am 30. Dezember 1975 211. Stück 631. Kundmachung: Wiederverlautbarung der Strafprozeßordnung 1960 631. Kundmachung der Bundesregierung vom 9. Dezember 1975 über die Wiederver- lautbarung der Strafprozeßordnung 1960 Artikel I (1) Auf Grund des Wiederverlautbarungsge- setzes, BGBl. Nr. 114/1947, wird die Strafprozeß- ordnung 1960, BGBl. Nr. 98, in der Anlage wiederverlautbart. (2) Die Strafprozeßordnung 1960 war vom 13. Mai 1960 an verbindlich. Artikel II (1) Bei der Wiederverlautbarung werden die Änderungen und Ergänzungen durch die nach- stehenden Rechtsvorschriften berücksichtigt: 1. Strafprozeßnovelle 1962, BGBl. Nr. 229, 2. Strafgesetznovelle 1963, BGBl. Nr. 175, 3. Strafrechtsänderungsgesetz 1968, BGBl. Nr. 74, 4. Strafprozeßnovelle 1968, BGBl. Nr. 267, 5. Einführungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 145/1969, 6. Militärstrafgesetz, BGBl. Nr. 344/1970, 7. Strafrechtsänderungsgesetz 1971, BGBl. Nr. 273, 8. Strafprozeßnovelle 1972, BGBl. Nr. 143, 9. Verfahrenshilfegesetz, BGBl. Nr. 569/1973, 10. Strafprozeßanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 423/ 1974. (2) Die Änderungen und Ergänzungen der Strafprozeßordnung 1960 durch die im Abs. 1 bezeichneten Rechtsvorschriften sind in Kraft ge- treten: 1. mit 1. September 1962 die durch die Straf- prozeßnovelle 1962, 2. mit 1. September 1963 die durch die Straf- gesetznovelle 1963, 3. mit 29. Feber 1968 die durch das Strafrechts- änderungsgesetz 1968, 4. mit 1. Juni 1968 die durch die Strafprozeß- novelle 1968, 5. mit 1. Jänner 1970 die durch das Einfüh- rungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz, 6. mit 1. Jänner 1971 die durch das Militär- strafgesetz, 7. nach Maßgabe des Art. V des Strafrechts- änderungsgesetzes 1971 mit 17. August 1971 und mit 1. Jänner 1972 die durch dieses Gesetz, 8. mit 1. Juni 1972 die durch die Strafprozeß- novelle 1972, 9. mit 1. Dezember 1973 die durch das Ver- fahrenshilfegesetz, 10. mit 1. Jänner 1975 die durch das Straf- prozeßanpassungsgesetz bewirkten Änderungen und Ergänzungen. (3) Die Änderungen und Ergänzungen durch Artikel II des Strafrechtsänderungsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 79, sind gegenstandslos geworden und werden daher nicht berücksichtigt. Artikel III (1) In Berücksichtigung anderer als der im Artikel II genannten Rechtsvorschriften werden im wiederverlautbarten Gesetz folgende Ände- rungen vorgenommen: 1. Im § 16 entfällt Abs. 2 im Hinblick auf die §§ 5 bis 8 und 23 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1968, BGBl. Nr. 328, über den Obersten Gerichtshof. 2. Im § 285 c Abs. 1 werden die Worte „der vom Präsidenten des Obersten Gerichtshofes aus dessen Mitte bestellte Berichterstatter" und im § 287 Abs. 2 die Worte „ein vom Präsidenten des Obersten Gerichtshofes aus dessen Mitte be- stimmtes Mitglied als Berichterstatter" im Hin- blick auf die §§ 13 Abs. 1 und 23 Abs. 1 des Bun- desgesetzes vom 19. Juni 1968, BGBl. Nr. 328, über den Obersten Gerichtshof jeweils durch die Worte „der Berichterstatter" ersetzt. 3. Im § 417 Abs. 2 werden die Worte „Verfäl- schung öffentlicher Kreditpapiere oder Münzen" im Hinblick auf Art. VIII Abs. 1 des Strafrechts- anpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 422/1974, durch die Worte „strafbaren Handlung gegen die Sicher- heit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren und Wertzeichen" ersetzt. (2) Im § 506 Abs. 2 des wiederverlautbarten Gesetzes wird der Klammerausdruck „(§ 497)" in „(§ 503)" richtiggestellt. 86 357

BGBl. Nr. 631/1975 - ris.bka.gv.at€¦ · 2726 211. Stück Ausgegeben am 30. Dezember 1975 Nr. 631 Artikel IV (1) Im VI. Hauptstück des wiederverlautbarten Gesetzes entfällt die

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P. b. b . Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1030 Wien

2725

BUNDESGESETZBLATTFÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

Jahrgang 1975 Ausgegeben am 30. Dezember 1975 211. Stück

631 . Kundmachung: Wiederverlautbarung der Strafprozeßordnung 1960

631 . Kundmachung der Bundesregierungvom 9. Dezember 1975 über die Wiederver-

lautbarung der Strafprozeßordnung 1960

Artikel I(1) Auf Grund des Wiederverlautbarungsge-

setzes, BGBl. Nr. 114/1947, wird die Strafprozeß-ordnung 1960, BGBl. Nr. 98, in der Anlagewiederverlautbart.

(2) Die Strafprozeßordnung 1960 war vom13. Mai 1960 an verbindlich.

Artikel II

(1) Bei der Wiederverlautbarung werden dieÄnderungen und Ergänzungen durch die nach-stehenden Rechtsvorschriften berücksichtigt:

1. Strafprozeßnovelle 1962, BGBl. Nr. 229,2. Strafgesetznovelle 1963, BGBl. Nr. 175,3. Strafrechtsänderungsgesetz 1968, BGBl.

Nr. 74,4. Strafprozeßnovelle 1968, BGBl. Nr. 267,5. Einführungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz,

BGBl. Nr. 145/1969,6. Militärstrafgesetz, BGBl. Nr. 344/1970,7. Strafrechtsänderungsgesetz 1971, BGBl.

Nr. 273,8. Strafprozeßnovelle 1972, BGBl. Nr. 143,9. Verfahrenshilfegesetz, BGBl. Nr. 569/1973,

10. Strafprozeßanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 423/1974.

(2) Die Änderungen und Ergänzungen derStrafprozeßordnung 1960 durch die im Abs. 1bezeichneten Rechtsvorschriften sind in Kraft ge-treten:

1. mit 1. September 1962 die durch die Straf-prozeßnovelle 1962,

2. mit 1. September 1963 die durch die Straf-gesetznovelle 1963,

3. mit 29. Feber 1968 die durch das Strafrechts-änderungsgesetz 1968,

4. mit 1. Juni 1968 die durch die Strafprozeß-novelle 1968,

5. mit 1. Jänner 1970 die durch das Einfüh-rungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz,

6. mit 1. Jänner 1971 die durch das Militär-strafgesetz,

7. nach Maßgabe des Art. V des Strafrechts-änderungsgesetzes 1971 mit 17. August 1971 undmit 1. Jänner 1972 die durch dieses Gesetz,

8. mit 1. Juni 1972 die durch die Strafprozeß-novelle 1972,

9. mit 1. Dezember 1973 die durch das Ver-fahrenshilfegesetz,

10. mit 1. Jänner 1975 die durch das Straf-prozeßanpassungsgesetzbewirkten Änderungen und Ergänzungen.

(3) Die Änderungen und Ergänzungen durchArtikel II des Strafrechtsänderungsgesetzes 1965,BGBl. Nr. 79, sind gegenstandslos geworden undwerden daher nicht berücksichtigt.

Artikel III

(1) In Berücksichtigung anderer als der imArtikel II genannten Rechtsvorschriften werdenim wiederverlautbarten Gesetz folgende Ände-rungen vorgenommen:

1. Im § 16 entfällt Abs. 2 im Hinblick auf die§§ 5 bis 8 und 23 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom19. Juni 1968, BGBl. Nr. 328, über den OberstenGerichtshof.

2. Im § 285 c Abs. 1 werden die Worte „dervom Präsidenten des Obersten Gerichtshofes ausdessen Mitte bestellte Berichterstatter" und im§ 287 Abs. 2 die Worte „ein vom Präsidentendes Obersten Gerichtshofes aus dessen Mitte be-stimmtes Mitglied als Berichterstatter" im Hin-blick auf die §§ 13 Abs. 1 und 23 Abs. 1 des Bun-desgesetzes vom 19. Juni 1968, BGBl. Nr. 328,über den Obersten Gerichtshof jeweils durch dieWorte „der Berichterstatter" ersetzt.

3. Im § 417 Abs. 2 werden die Worte „Verfäl-schung öffentlicher Kreditpapiere oder Münzen"im Hinblick auf Art. VIII Abs. 1 des Strafrechts-anpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 422/1974, durchdie Worte „strafbaren Handlung gegen die Sicher-heit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren undWertzeichen" ersetzt.

(2) Im § 506 Abs. 2 des wiederverlautbartenGesetzes wird der Klammerausdruck „(§ 497)"in „(§ 503)" richtiggestellt.

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2726 211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631

Artikel IV(1) Im VI. Hauptstück des wiederverlautbarten

Gesetzes entfällt die mit dem Inhalt des § 61nicht übereinstimmende Überschrift „II. Beson-dere Gerichtsstände". Die folgenden AbschnitteIII. bis V. werden mit II. bis IV. bezeichnet.

(2) Im § 270 Abs. 2 des wiederverlautbartenGesetzes werden die bisherigen Z. 4, 6 und 7 mit2. 3, 4 und 5 bezeichnet. Im § 281 Abs. 1 Z. 5wird daher der Klammerausdruck „(§ 270 Abs. 2Z. 6 und 7)" durch den Klammerausdruck „(§ 270Abs. 2 Z. 4 und 5)" ersetzt.

(3) Im § 452 des wiederverlautbarten Gesetzeswerden die bisherigen Z. 7 und 8 mit Z. 6 und7 bezeichnet.

Artikel V

Das wiederverlautbarte Bundesgesetz ist als„Strafprozeßordnung 1975" („StPO") zu be-zeichnen.

Artikel VI

Als Tag der Herausgabe der Wiederverlaut-barung wird der Tag der Kundmachung im Bun-desgesetzblatt festgestellt.

Kreisky Häuser Bielka MoserAndrosch Leodolter Staribacher RöschBroda Lütgendorf Weihs Sinowatz

Lanc Firnberg

211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631 2727

Anlage

Strafprozeßordnung 1975(StPO)

I. Hauptstück

Allgemeine Bestimmungen

§ 1. Eine Bestrafung wegen der den Gerichtenzur Aburteilung zugewiesenen Handlungen kannnur nach vorgängigem Strafverfahren gemäß derStrafprozeßordnung und infolge eines vom zu-ständigen Richter gefällten Urteiles erfolgen.

§ 2. (1) Die gerichtliche Verfolgung der straf-baren Handlungen tritt nur auf Antrag eines An-klägers ein.

(2) Ist eine strafbare Handlung nur auf Ver-langen des Verletzten oder eines anderen Be-teiligten zu verfolgen, so kommt diesem die Er-hebung der Privatanklage zu.

(3) Alle nicht der Privatanklage unterliegendenstrafbaren Handlungen einschließlich derer, beidenen es zur Verfolgung eines Antrages odereiner Ermächtigung bedarf, sind Gegenstand deröffentlichen Anklage. Die öffentliche Anklagesteht der Staatsanwaltschaft zu, kann aber anderen Stelle nach Maßgabe des § 48 auch vomPrivatbeteiligten übernommen werden.

(4) Findet die Verfolgung nur auf Antragstatt, so kann sie nicht eingeleitet werden, bevordem Gericht der Antrag nachgewiesen ist. DerAntrag kann bis zum Schluß der Verhandlungzurückgenommen werden.

(5) Findet die Verfolgung nur mit Ermächti-gung des Verletzten oder eines anderen Betei-ligten statt, so hat der öffentliche Ankläger,wenn die Ermächtigung nicht schon vorliegt,unverzüglich anzufragen, ob sie erteilt werde.Die Erklärung, sich dem Strafverfahren alsPrivatbeteiligter anzuschließen, gilt als Ermächti-gung. Die Ermächtigung gilt als verweigert, wennsie nicht binnen vierzehn Tagen nach Zustellungder Anfrage erteilt wird. Sie muß sich auf einebestimmte Person beziehen und ist dem Gerichtbis zum Beginn der Hauptverhandlung nachzu-weisen. Die Ermächtigung kann bis zum Schlußder Verhandlung zurückgenommen werden.

(6) Die öffentliche Anklage erlischt, sobald derBundespräsident anordnet, daß wegen einerstrafbaren Handlung kein strafgerichtliches Ver-fahren eingeleitet oder das eingeleitete wiedereingestellt werden soll.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 1)

§ 3. Alle im Strafverfahren tätigen Behördenhaben die zur Belastung und die zur Verteidi-gung des Beschuldigten dienenden Umstände

mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen und sindverpflichtet, den Beschuldigten, auch wo es nichtausdrücklich vorgeschrieben ist, über seine Rechtezu belehren.

§ 4. Privatrechtliche Ansprüche aus strafbarenHandlungen sind auf Antrag des Geschädigtenim Strafverfahren mitzuerledigen, wenn nichtdie Notwendigkeit weiterer Ausführung eineVerweisung vor die Zivilgerichte als unerläßlicherscheinen läßt.

§ 5. (1) Die strafgerichtliche Untersuchung undBeurteilung erstreckt sich auch auf die privat-rechtlichen Vorfragen.

(2) An das über eine solche ergangene Er-kenntnis des Zivilrichters ist der Strafrichter,soweit es sich um die Beurteilung der Strafbar-keit des Beschuldigten handelt, nicht gebunden.

§ 6. (1) Die in diesem Gesetz bestimmtenFristen können, wenn das Gegenteil nicht aus-drücklich verfügt ist, nicht verlängert werden.Wenn sie von einem bestimmten Tag an zu lau-fen haben, sind sie so zu berechnen, daß dieserTag nicht mitgezählt wird.

(2) Der Beginn und Lauf einer Frist wirddurch Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertageund den Karfreitag nicht behindert. Fällt aberdas Ende einer Frist auf einen solchen Tag, so istder nächste Werktag als letzter Tag der Fristanzusehen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 2)

(3) Die Tage des Postenlaufes werden in dieFrist nicht eingerechnet.

(4) Schriftliche Eingaben an das Gericht könnenauch im telegraphischen Weg eingebracht wer-den; insbesondere kann die Erhebung einesRechtsmittels telegraphisch geschehen. Die nähe-ren Vorschriften über die geschäftliche Behand-lung solcher telegraphischer Eingaben werdendurch Verordnung erlassen.

§ 7. (1) Erweist sich eine nach der Straf-prozeßordnung verhängte Geldstrafe als ganzoder teilweise uneinbringlich, so hat sie das Ge-richt in berücksichtigungswürdigen Fällen neuzu bemessen, sonst aber in eine Ersatzfreiheits-strafe bis zu acht Tagen umzuwandeln.

(2) Auf den Vollzug dieser Ersatzfreiheits-strafen sowie der in der Strafprozeßordnungangedrohten Freiheitsstrafen und der Beugehaftsind die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzesüber den Vollzug von Freiheitsstrafen, derenStrafzeit drei Monate nicht übersteigt, dem Sinnenach anzuwenden.

(3) Alle Geldstrafen fließen dem Bund zu.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 3)

2728 211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631

II. Hauptstück

Von den Gerichten

§ 8. (1) Zur Gerichtsbarkeit in Strafsachensind berufen:

1. die Bezirksgerichte,2. die Gerichtshöfe erster Instanz,3. die Geschwornengerichte,4. die Gerichtshöfe zweiter Instanz,5. der Oberste Gerichtshof.

(2) Die Gerichtsbarkeit eines jeden Strafgerich-tes erstreckt sich auf dessen ganzen Bezirk undumfaßt alle darin befindlichen Personen, für dienicht in diesem Gesetz eine Ausnahme ausdrück-lich angeordnet ist. Jedermann ist schuldig, aufdie an ihn ergangene Vorladung vor dem Straf-gerichte zu erscheinen, ihm Rede und Antwortzu geben und seinen Verfügungen zu gehorchen.

(3) Soweit nach den folgenden Bestimmungenfür die Zuständigkeit der Strafgerichte die Höheder angedrohten Freiheitsstrafe maßgebend ist,ist auf die Veränderung der Strafdrohungendurch die §§ 39 und 313 StGB Bedacht zunehmen. Im Falle der Begehung einer mit Strafebedrohten Handlung im Zustand voller Berau-schung ist in dieser Hinsicht die Beschränkungder Strafdrohung durch § 287 Abs. 1 Letzter SatzStGB zu berücksichtigen. (BGBl. Nr. 423/1974,Art. I 2. 4)

I. B e z i r k s g e r i c h t e

§ 9. (1) Den Bezirksgerichten obliegt:

1. das Strafverfahren wegen aller Vergehen,für die keine Freiheitsstrafe angedroht ist, derenHöchstmaß sechs Monate übersteigt, und dienicht den Geschwornengerichten zur Aburteilungzugewiesen sind;

2. die Mitwirkung am Verfahren wegen Ver-brechen und wegen anderer als der in der Z. 1angeführten Vergehen gemäß der Strafprozeß-ordnung.

(2) Das Verfahren fuhren bei den Bezirks-gerichten Einzelrichter.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 5)

II. G e r i c h t s h ö f e e r s t e r I n s t a n z

§ 10. Den Gerichtshöfen erster Instanz obliegt:

1. die Führung von Vorerhebungen und Vor-untersuchungen wegen aller Verbrechen undwegen der nicht den Bezirksgerichten zur Ab-urteilung zugewiesenen Vergehen;

2. die Hauptverhandlung und die Urteils-fällung wegen aller Verbrechen und Vergehen,die weder den Geschwornengerichten noch denBezirksgerichten zur Aburteilung zugewiesensind;

3. die Verhandlung und Entscheidung über Be-rufungen gegen Urteile und über Beschwerdengegen Beschlüsse der Bezirksgerichte.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 5)

§ 11. (1) In der Geschäftsverteilung jedesGerichtshofes erster Instanz sind ein oder meh-rere Richter zu Untersuchungsrichtern zu be-stellen.

(2) Der Untersuchungsrichter hat die Vor-erhebungen und Voruntersuchungen zu führen(§ 10 Z. 1).

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I 2. 5)

§ 12. (1) Eine Abteilung des Gerichtshofeserster Instanz führt als Ratskammer die Aufsichtüber alle nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Z. 2 unddes § 11 in seinen Sprengel fallenden Vorunter-suchungen und Vorerhebungen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 6)

(2) Die Ratskammer kann in einzelnen Fällennach Anhörung des Anklägers die dem Unter-suchungsrichter zukommende Vornahme vonVorerhebungen oder die Voruntersuchung wegenVerbrechen und Vergehen, und zwar ganz oderteilweise, an ein im Sprengel des Gerichtshofesgelegenes Bezirksgericht übertragen. Sie kannjedoch diese Geschäfte jederzeit wieder an sichziehen und ist dazu verpflichtet, sobald es derAnkläger oder der Beschuldigte beantragt.

(3) Die Ratskammer faßt ihre Beschlüsse inVersammlungen von drei Richtern.

§ 13. (1) Die Gerichtshöfe erster Instanz übenihre Tätigkeit gemäß § 10 Z. 2 durch Einzel-richter oder als Schöffengerichte aus, die mit zweiRichtern und zwei Schöffen besetzt sind. DenVorsitz im Schöffengericht führt ein Richter.

(2) Die Hauptverhandlung und Urteilsfällungwegen der dem Gerichtshof erster Instanz zuge-wiesenen strafbaren Handlungen (§ 10 Z. 2) ob-liegt dem Schöffengericht,

1. wenn eine Freiheitsstrafe angedroht ist,deren Höchstmaß drei Jahre, in den Fällen des§ 129 Z. 1 bis 3 StGB aber fünf Jahre über-steigt, sowie

2. in den Fällen der §§ 274, 275 und 304 bis312 StGB,sonst dem Einzelrichter.

(3) Als Rechtsmittelgerichte und in allen Fäl-len, in denen außerhalb der Hauptverhandlungein Beschluß zu fassen ist, entscheiden die Ge-richtshöfe erster Instanz, wenn die Entscheidungnicht ausdrücklich dem Vorsitzenden allein an-heimgegeben wird, durch einen Senat von dreiRichtern, von denen einer den Vorsitz führt.

(4) Die Schöffen üben das Richteramt in derHauptverhandlung in vollem Umfang aus. Soweitnichts anderes bestimmt ist, sind die für Richtergeltenden Vorschriften auch auf sie anzuwenden.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 7)

211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631 2729

III. G e s c h w o r n e n g e r i c h t e

§ 14. (1) Den nach den Bestimmungen desXIX. Hauptstückes beim Gerichtshof erster In-stanz zusammenzusetzenden Geschwornengerich-ten obliegt die Hauptverhandlung und Urteils-fällung wegen folgender Verbrechen und Ver-gehen:

1. Überlieferung an eine ausländische Macht(§ 103 StGB),

2. Hochverrat (§ 242 StGB) und Vorbereitungeines Hochverrats (§ 244 StGB),

3. Staatsfeindliche Verbindungen (§ 246 StGB),4. Herabwürdigung des Staates und seiner

Symbole (§ 248 StGB),5. Angriffe auf oberste Staatsorgane (§§ 249

bis 251 StGB),6. Landesverrat (§§ 252 bis 258 StGB),7. Bewaffnete Verbindungen (§ 279 StGB),8. Ansammeln von Kampfmitteln (§ 280 StGB),9. Störung der Beziehungen zum Ausland

(§§ 316 bis 320 StGB),10. Aufforderung zu mit Strafe bedrohten

Handlungen und Gutheißung mit Strafebedrohter Handlungen (§ 282 StGB) sowieUnterlassung der Verhinderung einer mitStrafe bedrohten Handlung (§ 286 StGB),wenn die Tat mit Beziehung auf eine derunter Z. 1 bis 9 angeführten strafbarenHandlungen begangen worden ist,

11. alle anderen Verbrechen, die mit lebens-langer Freiheitsstrafe oder mit einer zeit-lichen Freiheitsstrafe, deren Untergrenzenicht weniger als fünf Jahre und derenObergrenze mehr als zehn Jahre beträgt, be-droht sind.

(2) Die Bestimmung des § 13 Abs. 4 ist aufdie Geschwornen sinngemäß anzuwenden, soweitdas Gesetz nichts anderes bestimmt.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 7)

IV. G e r i c h t s h ö f e z w e i t e r I n s t a n z

§ 15. Die Gerichtshöfe zweiter Instanz ent-scheiden über Beschwerden gegen Beschlüsse derRatskammer (§ 114), über Einsprüche gegen dieVersetzung in den Anklagestand und über Be-rufungen gegen die Urteile der Geschwornen-gerichte und der Schöffengerichte sowie der Ein-zelrichter des Gerichtshofes erster Instanz; siehaben ferner die Aufsicht über die Wirksamkeitder Strafgerichte ihres Sprengeis zu führen undüber die Beschwerden gegen sie zu entscheiden,soweit nicht der Rechtszug ausdrücklich untersagtoder anders geordnet ist. Die Gerichtshöfe zweiterInstanz fassen ihre Beschlüsse, wenn nichtsanderes vorgeschrieben ist, in Versammlungenvon drei Richtern.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 8)

V. O b e r s t e r G e r i c h t s h o f

§ 16. Der Oberste Gerichtshof hat über allein dieser Strafprozeßordnung für zulässig erklär-ten Nichtigkeitsbeschwerden und nach Maßgabeder §§ 296 und 344 über Berufungen gegen Ur-teile der Geschwornengerichte und der Schöffen-gerichte zu entscheiden.

VI. Z u s a m m e n s e t z u n g u n d A b s t i m -m u n g d e r R i c h t e r k o l l e g i e n

§ 17. Bei Entscheidungen in Strafsachen darfdie Zahl der Stimmführer der Richterkollegienmit Einschluß des Vorsitzenden weder größernoch kleiner sein als sie in den §§ 12 bis 16festgesetzt ist.

§ 18. Die Abteilungen (Senate) der Gerichts-höfe, die zu den in den §§ 10 Z. 2 und 3, 12,15 und 16 bezeichneten Verhandlungen und Ent-scheidungen in Strafsachen, sei es allein oder imVereine mit Schöffen, bestimmt sind, müssen,soweit sie aus Richtern als Stimmführern be-stehen, am Anfang jedes Jahres von den Personal-senaten der Gerichtshöfe für das ganze Jahrbleibend zusammengesetzt werden; zugleich sindfür jede dieser Gerichtsabteilungen die Ersatz-männer sowohl für die Vorsitzenden als auchfür die Mitglieder und die Reihenfolge ihresEintrittes bleibend zu bestimmen. Ist durch Ver-änderungen im Personalstand eines Gerichtshofesder Bestand einer oder mehrerer dieser (ständigen)Gerichtsabteilungen unmöglich geworden, so istdem Personalsenat gestattet, die unerläßlichenVeränderungen in der Zusammensetzung dieserAbteilungen für den Rest des Jahres vorzu-nehmen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 9)

§ 19. (1) Jeder Abstimmung geht eine Be-ratung voraus.

(2) Bei der Abstimmung stimmen die demDienstrange nach älteren Richter vor den jün-geren, die Schöffen in der alphabetischen Reihen-folge ihrer Namen. Die Schöffen geben ihreStimme vor den Richtern ab. Ist nach dem Ge-setz ein Berichterstatter bestellt, so stimmt erzuerst. Der Vorsitzende stimmt zuletzt.

§ 20. (1) Wo das Gesetz nicht etwas anderesausdrücklich anordnet, wird zu jedem Beschlußabsolute Stimmenmehrheit, das ist mehr als dieHälfte sämtlicher Stimmen, erfordert.

(2) Teilen sich die Stimmen in mehr als zweiverschiedene Meinungen, sodaß keine dieser Mei-nungen die erforderliche Mehrheit für sich hat,so versucht der Vorsitzende, ob sich durch Tei-lung der Fragen und Wiederholung der Um-frage eine absolute Mehrheit erzielen lasse.Bleibt dieser Versuch erfolglos, so werden diedem Beschuldigten nachteiligsten Stimmen den

2730 211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631

zunächst minder nachteiligen so lange zugezählt,bis sich eine absolute Stimmenmehrheit ergibt.

(3) Bei Stimmengleichheit ist der Beschluß injedem Falle nach der dem Angeklagten gün-stigeren Meinung zu fassen.

(4) Entsteht eine Verschiedenheit der Ansichtendarüber, welche von zwei Meinungen für denBeschuldigten minder nachteilig sei, so ist dar-über, als über eine Vorfrage, besonders ab-zustimmen. Sind bei dieser Abstimmung dieMeinungen gleich geteilt, so gibt für die Vor-frage die Stimme des Vorsitzenden den Aus-schlag.

§ 21. Über die Zuständigkeit des Gerichtes,über die Notwendigkeit von Ergänzungen desVerfahrens und andere Vorfragen muß immerzuerst abgestimmt werden. Entscheidet sich dieMehrheit der Stimmen dahin, daß ungeachtetder über die Vorfrage erhobenen Zweifel zurHauptentscheidung zu schreiten sei, so sind auchdie in der Minderheit gebliebenen Pächter ver-pflichtet, über die Hauptsache mit abzustimmen.

§ 22. Bei der Entscheidung der Hauptsache istdie Frage, ob der Angeklagte der ihm zur Lastgelegten Handlung schuldig sei, immer von derFrage über die Strafe zu sondern und vor dieserFrage zur Abstimmung zu bringen. Liegen demAngeklagten mehrere strafbare Handlungen zurLast, so muß wegen jeder einzelnen Tat ein eige-ner Beschluß über die Schuld oder Nichtschulddes Angeklagten gefaßt werden. Die Beratungüber die Strafe hat sich auf die strafbaren Hand-lungen zu beschränken, deren der Angeklagteschuldig erklärt worden ist. Hiebei steht es denRichtern, die den Angeklagten wegen einer ihmzur Last gelegten strafbaren Handlung nichtschuldig gefunden haben, frei, auf Grund desüber die Schuldfrage gefaßten Beschlusses ihreStimme über die Strafe abzugeben oder sich derAbstimmung zu enthalten. Im letzten Falle sindihre Stimmen so zu zählen, als ob sie der fürden Angeklagten günstigsten unter den von denübrigen Stimmführern ausgesprochenen Meinun-gen beigetreten wären.

VII. N e b e n p e r s o n e n b e i d e nG e r i c h t e n

§ 23. Jeder Gerichtssitzung muß ein Schrift-führer beiwohnen und das Protokoll darüberaufnehmen. Sowohl diese Schriftführer als auchdie zur Führung der Protokolle bei Vorerhebun-gen und Voruntersuchungen wegen Verbrechenund Vergehen zu verwendenden Personen müs-sen zur Führung der Protokolle beeidigt sein.

VIII. V e r h ä l t n i s d e r S t r a f -g e r i c h t e z u a n d e r e n B e h ö r d e n

§ 24. Die Sicherheitsbehörden, unter denenauch die Bürgermeister (Gemeindevorsteher)

begriffen sind, haben allen Verbrechen und Ver-gehen, sofern sie nicht bloß auf Begehren einesBeteiligten untersucht werden, nachzuforschenund, wenn das unverzügliche Einschreiten desUntersuchungsrichters nicht erwirkt werdenkann, die keinen Aufschub gestattenden vor-bereitenden Anordnungen zu treffen, die zurAufklärung der Sache dienen oder die Beseitigungder Spuren der strafbaren Handlung oder dieFlucht des Täters verhüten können. Hausdurch-suchungen und die vorläufige Verwahrung vonPersonen dürfen die Sicherheitsbehörden undderen Organe zum Zwecke der Strafgerichtspflegenur in den in dieser Strafprozeßordnung vor-gesehenen Fällen unaufgefordert vornehmen; siehaben von ihrem Einschreiten und dessen Ergeb-nis dem zuständigen Staatsanwalt oder Unter-suchungsrichter sogleich Mitteilung zu machen.

§ 25. Es ist den Sicherheitsorganen sowie allenöffentlichen Beamten und Vertragsbedienstetenbei strengster Ahndung untersagt, auf die Ge-winnung von Verdachtsgründen oder auf dieÜberführung eines Verdächtigen dadurch hin-zuwirken, daß er zur Unternehmung, Fort-setzung oder Vollendung einer strafbaren Hand-lung verleitet oder durch insgeheim bestelltePersonen zu Geständnissen verlockt wird, diedem Gerichte hinterbracht werden sollen.

§ 26. Die Strafgerichte sind in allem, was zuihrem Verfahren gehört, berechtigt, mit allenBundes-, Landes- und Gemeindebehörden derRepublik Österreich unmittelbares Einvernehmendurch Ersuchschreiben zu pflegen. Alle Bundes-,Landes- und Gemeindebehörden sind verbunden,den Strafgerichten hilfreiche Hand zu bietenund deren an sie gelangten Ersuchen mit mög-lichster Beschleunigung zu entsprechen oder denStrafgerichten die entgegenstehenden Hindernissesogleich anzuzeigen. Auch mit den Behördenfremder Staaten können die Strafgerichte in un-mittelbaren Verkehr treten, sofern darüber nichtdurch besondere Vorschriften etwas anderes fest-gesetzt ist.

§ 27. (1) Bemerkt ein Strafgericht eine Nach-lässigkeit oder Verzögerung in Erfüllung einesvon ihm an eine andere Behörde gerichtetenErsuchens, so hat es diesen Umstand entwederzur Kenntnis der dieser Behörde zunächst vor-gesetzten Behörde zu bringen oder dem Ge-richtshofe zweiter Instanz, zu dessen Sprengeles gehört, die Anzeige zu erstatten, damit imgeeigneten Weg Abhilfe verschafft werde. Solltedas Strafgericht diese Pflicht außer acht lassen,so kann ihm die Saumseligkeit einer anderenBehörde zu keiner Entschuldigung dienen.

(2) Vorstehende Vorschrift ist insbesondereauch dann anzuwenden, wenn die Staatsanwalt-schaft in den Fällen, wo sie nach dem Gesetzeverpflichtet ist, innerhalb einer bestimmten Fristeine Erklärung oder einen Antrag einzubringen,dieser Pflicht nicht pünktlich nachkommt.

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§ 28. Die Strafgerichte sind befugt, erforder-lichenfalls die bewaffnete Macht unmittelbar,ohne Dazwischenkunft einer anderen Behörde,zum Beistand aufzufordern.

III. Hauptstück

Von der Staatsanwaltschaft

§ 29. Bei jedem Gerichtshof erster Instanzwird ein Staatsanwalt, bei jedem Gerichtshofezweiter Instanz ein Oberstaatsanwalt und beimObersten Gerichtshof ein Generalprokurator mitder erforderlichen Anzahl von Stellvertreternbestellt. Die Stellvertreter der Staatsanwälte undOberstaatsanwälte sowie des Generalprokuratorssind, wo sie für diese auftreten, zu allen Amts-handlungen der Vertretenen gesetzlich berech-tigt.

§ 30. (1) Die Mitglieder der Staatsanwaltschafthaben in dem ihnen angewiesenen Wirkungs-kreise das Interesse des Staates zu wahren; siesind in ihren Amtsverrichtungen unabhängig vonden Gerichten, bei denen sie bestellt sind.

(2) Die Staatsanwälte bei den Gerichtshöfenerster Instanz sind den Oberstaatsanwälten beiden Gerichtshöfen zweiter Instanz und diesesowie der Generalprokurator beim Obersten Ge-richtshofe dem Bundesministerium für Justizunmittelbar untergeordnet.

§ 31. (1) Zum Geschäftskreise des Staatsanwal-tes beim Gerichtshof erster Instanz gehört dieBeteiligung an allen diesem zustehenden Vor-erhebungen, Voruntersuchungen und Hauptver-handlungen wegen Verbrechen und Vergehensowie an den beim Gerichtshof erster Instanzstattfindenden Berufungsverhandlungen überEntscheidungen der Bezirksgerichte und an denim Sprengel des Gerichtshofes erster Instanzabzuhaltenden Tagungen des Geschwornen-gerichtes. Er ist befugt, sich auch an den vordie Bezirksgerichte gehörigen Verhandlungenpersönlich oder durch einen Stellvertreter zubeteiligen.

(2) Er hat über die erledigten Strafsachen sowieüber die noch anhängigen und deren Stand demOberstaatsanwalte monatlich Bericht zu erstatten.

(3) An diesen hat er auch in zweifelhaftenFällen, wenn es sich um die Einleitung oderEinstellung einer Untersuchung oder auch nurum einzelne wichtige Untersuchungsschritte han-delt, zu berichten und dessen Weisungen zu be-folgen.

§ 32. (1) Der Oberstaatsanwalt beim Gerichts-hofe zweiter Instanz hat sein Amt bei den vordiesem Gerichte vorkommenden Verhandlungenauszuüben.

(2) Außerdem steht ihm die Aufsicht überalle in dessen Sprengel bei den Gerichtshöfenerster Instanz und bei den Bezirksgerichten be-stellten Organe der Staatsanwaltschaft zu. Er istberechtigt, sich an jeder zu deren Geschäftskreisegehörigen Strafsache persönlich oder durch einenStellvertreter zu beteiligen.

§ 33. (1) Die Verhandlungen vor dem OberstenGerichtshofe gehören in den Geschäftskreis desbei diesem bestellten Generalprokurators oderseiner Stellvertreter.

(2) Der Generalprokurator beim Obersten Ge-richtshofe kann von Amts wegen oder im Auf-trage des Bundesministeriums für Justiz gegenUrteile der Strafgerichte, die auf einer Ver-letzung oder unrichtigen Anwendung des Ge-setzes beruhen, sowie gegen jeden gesetzwidrigenBeschluß oder Vorgang eines Strafgerichtes, derzu seiner Kenntnis gelangt, eine Nichtigkeits-beschwerde zur Wahrung des Gesetzes, und zwarauch dann noch erheben, wenn der Angeklagteoder der Ankläger in der gesetzlichen Frist vomRechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde keinenGebrauch gemacht hat. Den Staatsanwälten liegtob, die Fälle, die sie zu einer solchen Nichtigkeits-beschwerde für geeignet halten, den Oberstaats-anwälten vorzulegen; diese haben zu beurteilen,ob die Fälle dem Generalprokurator beim Ober-sten Gerichtshof anzuzeigen seien.

§ 34. (1) Die Staatsanwälte haben alle straf-baren Handlungen, die zu ihrer Kenntniskommen und nicht bloß auf Verlangen des Ver-letzten oder eines anderen Beteiligten zu unter-suchen und zu bestrafen sind, von Amts wegenzu verfolgen und daher wegen deren Unter-suchung und Bestrafung durch das zuständigeGericht das Erforderliche zu veranlassen. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 10)

(2) Sie können jedoch, falls dem Beschuldigtenmehrere strafbare Handlungen zur Last liegen,von der Verfolgung einzelner absehen oder unterVorbehalt späterer Verfolgung zurücktreten(§ 363 Abs. 1 Z. 3):

1. wenn das voraussichtlich weder auf dieStrafen oder sichernden Maßnahmen noch aufdie mit der Verurteilung verbundenen Rechts-folgen wesentlichen Einfluß hat;

2. wenn der Beschuldigte wegen der übrigenstrafbaren Handlungen an eine ausländische Be-hörde ausgeliefert wird und die im Inlande zuerwartenden Strafen oder sichernden Maßnahmengegenüber denen, auf die voraussichtlich im Aus-land erkannt werden wird, nicht ins Gewichtfallen.

Nimmt der Staatsanwalt später die vorbehal-tene Verfolgung wieder auf, so ist ein abermaligerVorbehalt wegen einzelner strafbarer Hand-lungen unzulässig. Der Staatsanwalt kann ferner

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von der Verfolgung einer im Ausland began-genen strafbaren Handlung absehen oder zurück-treten, wenn der Täter schon im Auslande dafürgestraft worden und nicht anzunehmen ist, daßdas inländische Gericht eine strengere Strafe ver-hängen werde. Die dem Privatbeteiligten nachden §§ 48, 49 und 449 zustehenden Rechtewerden durch diese Bestimmungen nicht be-rührt. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 10)

(3) Die Staatsanwälte haben darauf zu sehen,daß alle zur Erforschung der Wahrheit dien-lichen Mittel gehörig benützt werden. Sie sindbefugt, jederzeit vom Stande der anhängigenUntersuchungen durch Einsicht in die AktenKenntnis zu nehmen oder deren Mitteilung zuverlangen und die geeigneten Anträge zu stellen,ohne daß jedoch das Strafverfahren dadurch auf-gehalten werden darf. Nehmen sie Unregel-mäßigkeiten oder Verzögerungen wahr, so habensie auf gesetzliche Weise deren Abstellung zuveranlassen.

(4) Auf den Strafvollzug nehmen die Staats-anwälte den in dieser Strafprozeßordnung ihnenzugewiesenen Einfluß.

§ 35. (1) Die Staatsanwälte stellen ihre An-träge mündlich oder schriftlich. Über jeden An-trag muß eine richterliche Verfügung oder einsolcher Beschluß ergehen. In gleicher Weise gebensie über Anträge des Beschuldigten oder aufAnfragen des Gerichtes Erklärungen ab.

(2) Sie können der Beratung des Gerichtshofesbeiwohnen, sofern sie nicht eine Entscheidungzum Gegenstande hat, die in der Hauptverhand-lung oder bei dem über eine Berufung oderNichtigkeitsbeschwerde angeordneten Gerichts-tage zu fällen ist; sie haben jedoch kein Recht,bei der Abstimmung und Beschlußfassung an-wesend zu sein.

§ 36. Die Staatsanwälte sind befugt, sich inunmittelbare Verbindung mit Sicherheits- oderanderen Bundes-, Landes- oder Gemeindebehör-den zu setzen und deren Unterstützung in An-spruch zu nehmen sowie auch erforderlichen-falls die bewaffnete Macht, ohne Dazwischen-kunft einer anderen Behörde, zum Beistand auf-zufordern. Die Sicherheitsbehörden und derenuntergeordnete Organe haben ihren Anordnun-gen Folge zu leisten.

§ 37. Der Generalprokurator beim OberstenGerichtshof und die Oberstaatsanwälte habendem Bundesministerium für Justiz nach Ablaufjedes Jahres über die im Laufe des Jahres erledig-ten und über die noch anhängigen Strafsachen,über den Zustand und Gang der Rechtspflegesowie über die wahrgenommenen Gebrechen derGesetzgebung und des Geschäftsganges Berichtzu erstatten.

IV. Hauptstück

Vom Beschuldigten und seiner Verteidigung

§ 38. (1) Wen der Verdacht einer strafbarenHandlung trifft, der kann als Beschuldigter erstdann angesehen werden, wenn gegen ihn dieAnklageschrift oder der Antrag auf Einleitungder Voruntersuchung eingebracht wurde.

(2) Als Angeklagter ist der anzusehen, gegenden eine Hauptverhandlung angeordnet wordenist.

(3) Soweit indes die den Beschuldigten be-treffenden Vorschriften dieses Gesetzes nicht alsihrer Natur nach auf die Voruntersuchung be-schränkt erscheinen, sind sie auch auf den Ange-klagten und auf den anzuwenden, der als einerstrafbaren Handlung verdächtig vernommenoder als solcher zur Vernehmung vorgeladenoder in Verwahrung oder Haft genommenwurde.

§ 39. (1) Der Beschuldigte kann sich in allenStrafsachen eines Verteidigers bedienen und dazujeden wählen, der in der Verteidigerliste einesder Gerichtshöfe zweiter Instanz eingetragen ist.

(2) Für einen Minderjährigen oder Pflege-befohlenen kann der Vater, Vormund oderKurator, selbst wider dessen Willen, einen Ver-teidiger bestellen.

(3) Der Präsident jedes Gerichtshofes zweiterInstanz hat für seinen Sprengel eine Verteidiger-liste anzulegen, mit Anfang eines jeden Jahreszu erneuern und allen Strafgerichten zuzustellen,bei denen sie zu jedermanns Einsicht offenzu-halten ist. In diese Liste sind vorerst alle imSprengel des Gerichtshofes zweiter Instanz dieRechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechts-anwälte aufzunehmen. Auf ihr Ansuchen sindaber auch für das Richteramt, die Rechtsanwalt-schaft oder das Notariat geprüfte Rechtsverstän-dige sowie alle Doktoren der Rechte, die Mit-glieder des Lehrkörpers einer rechts- und staats-wissenschaftlichen Fakultät sind, aufzunehmen,sofern nicht Umstände vorliegen, die nach demGesetze die Ausschließung von dem Richter-amte, der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariatezur Folge haben. Wer sich durch die Aus-schließung aus der Verteidigerliste gekränkt er-achtet, kann sich binnen vierzehn Tagen, nach-dem ihm die Entscheidung zugestellt worden ist,beim Bundesministerium für Justiz beschweren.

(4) Staatsbeamte können nur dann in die Ver-teidigerliste aufgenommen werden, wenn sie dieBewilligung ihrer vorgesetzten Dienstbehördebeibringen.

§ 40. (1) Ausgeschlossen von der Verteidigungin der Hauptverhandlung ist, wer als Zeuge zurHauptverhandlung vorgeladen wurde. Inwiefernim vorausgehenden Verfahren bestimmte Per-

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sonen deshalb von der Verteidigung aus-zuschließen seien, weil sie als Zeugen vernommenwurden oder weil ihre Vorladung zur Hauptver-handlung beantragt ist, hat die Ratskammer zubeurteilen.

(2) Dem Beschuldigten ist auch gestattet, meh-rere Verteidiger beizuziehen; doch darf hiedurchkeine Vermehrung der für den Angeklagten inder Hauptverhandlung gestatteten Vorträge her-beigeführt werden.

§ 41. (1) Bei der Mitteilung der Anklage-schrift ist der Beschuldigte über sein Recht, sicheines Verteidigers zu bedienen, zu belehren.

(2) Ist der Beschuldigte (Angeklagte) außer-stande, ohne Beeinträchtigung des für ihn undseine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgenhat, zu einer einfachen Lebensführung notwen-digen Unterhaltes die Kosten der Verteidigungzu tragen, so hat das Gericht auf Antrag desBeschuldigten (Angeklagten) zu beschließen, daßdiesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessenKosten der Beschuldigte (Angeklagte) nicht zutragen hat, wenn und soweit dies im Interesseder Rechtspflege, vor allem im Interesse einerzweckentsprechenden Verteidigung, erforderlichist. In diesem Sinn ist besonders die Beigebungeines Verteidigers zur Ausführung angemeldeterRechtsmittel, zur Erhebung des Einspruchesgegen die Anklageschrift, für die Hauptverhand-lung sowie für den Gerichtstag zur öffentlichenVerhandlung über ein Rechtsmittel erforderlich.Wird für die Hauptverhandlung oder zur Aus-führung einer Nichtigkeitsbeschwerde oder Beru-fung ein solcher Verteidiger beigegeben, so giltdessen Bestellung auch für das Rechtsmittelver-fahren. (BGBl. Nr. 569/1973, Art. III 2. 1)

(3) Wählt für die Hauptverhandlung vor demGeschwornen- oder dem Schöffengericht wederder Angeklagte selbst noch sein gesetzlicher Ver-treter für ihn einen Verteidiger und wird ihmauch kein Verteidiger nach Abs. 2 beigegeben,so ist ihm von Amts wegen ein Verteidiger bei-zugeben, dessen Kosten der Angeklagte zu tragenhat, es sei denn, daß die Voraussetzungen für dieBeigebung eines Verteidigers nach Abs. 2 vor-liegen. Abs. 2 letzter Satz gilt entsprechend.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 11)

§ 42. (1) Hat das Gericht die Beigebung einesVerteidigers beschlossen, so hat es den Ausschußder nach dem Sitz des Gerichtes zuständigenRechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damitder Ausschuß einen Rechtsanwalt zum Verteidi-ger bestelle.

(2) In dringenden Fällen kann der Vorsteherdes Gerichtes auch bei Gericht tätige, zum Rich-teramt befähigte Personen mit ihrer Zustimmungzu Verteidigern bestellen.

(BGBl. Nr. 569/1973, Art. III Z. 2)

§ 43. Mehreren gleichzeitig Beschuldigten (An-geklagten) kann ein gemeinschaftlicher Vertei-diger beigegeben werden; doch ist auf Antrageines der Beschuldigten (Angeklagten) oder desVerteidigers und selbst von Amts wegen für dieabgesonderte Vertretung der Beschuldigten (An-geklagten) Sorge zu tragen, bei denen sich einWiderstreit der Interessen zeigt.

(BGBl. Nr. 569/1973, Art. III Z. 2)

§ 43 a. Beantragt der Beschuldigte (Angeklagte)innerhalb der für die Ausführung eines Rechts-mittels oder für eine sonstige Prozeßhandlungoffenstehenden Frist die Beigebung eines Vertei-digers (§ 41 Abs. 2), so beginnt diese Frist mitder Zustellung des Bescheides über die Verteidi-gerbestellung sowie des Aktenstückes an den Ver-teidiger, das die Frist sonst in Lauf setzt, odermit der Zustellung des den Antrag abweisendenBeschlusses an den Beschuldigten von neuem zulaufen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 12)

§ 44. (1) Der einmal bestellte Verteidiger bedarfzur Vornahme einzelner Prozeßhandlungen kei-ner besonderen Vollmacht, selbst nicht zur Stel-lung des Antrages auf Wiederaufnahme des Straf-verfahrens.

(2) Der Beschuldigte kann die Verteidigungvon dem durch ihn selbst gewählten Verteidigerjederzeit auf einen anderen übertragen. Auch derAuftrag des von Amts wegen bestellten Vertei-digers erlischt, sobald der Beschuldigte einenanderen Verteidiger bestellt. Doch darf in solchenFällen durch den Wechsel in der Person des Ver-teidigers das Verfahren nicht aufgehalten werden.

§ 45. (1) Auch während der Vorerhebungenund der Voruntersuchung kann sich der Be-schuldigte eines Rechtsbeistandes aus der Zahlder Verteidiger zur Wahrnehmung seiner Rechtebei den gerichtlichen Akten, die unmittelbar dieFeststellung des Tatbestandes betreffen und keinespätere Wiederholung zulassen, sowie zur Aus-führung bestimmter, von ihm angemeldeterRechtsmittel bedienen.

(2) Der Untersuchungsrichter hat dem Ver-teidiger auf Verlangen zu gestatten, in den Amts-räumen des Gerichtes in die Strafakten, mit Aus-nahme der Beratungsprotokolle, Einsicht zu neh-men und von ihnen Abschriften herzustellen;der Untersuchungsrichter kann dem Verteidigerstatt dessen auch Ablichtungen ausfolgen. Ist derBeschuldigte nicht durch einen Verteidiger ver-treten, so stehen diese Rechte des Verteidigersihm selbst zu, wobei die Akteneinsicht einemin Haft befindlichen Beschuldigten auch in denAmtsräumen des Gefangenenhauses oder derStrafvollzugsanstalt gewährt werden kann. Biszur Mitteilung der Anklageschrift kann derUntersuchungsrichter einzelne Aktenstücke vonder Einsicht- und Abschriftnahme durch Vertei-

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diger oder Beschuldigten ausnehmen, wenn beson-dere Umstände die Befürchtung rechtfertigen,daß durch eine sofortige Kenntnisnahme vondiesen Aktenstücken die Untersuchung erschwertwerden könnte. Dem Beschuldigten oder seinemVerteidiger sind auf Verlangen unentgeltliche Ab-schriften (Ablichtungen) der Augenscheinproto-kolle, der Befunde und Gutachten von Sachver-ständigen, Behörden, Ämtern und Anstaltensowie der Originalurkunden, die Gegenstand derstrafbaren Handlung sind, zu übergeben. DemVerteidiger ist auf sein Verlangen auch eine Aus-fertigung des Haftbefehles samt Gründen sowiealler gerichtlichen Entscheidungen auszufolgen,gegen die der Beschuldigte ein Rechtsmittel ange-meldet hat.

(3) Der verhaftete Beschuldigte darf sich mitseinem Verteidiger ohne Beisein einer Gerichts-person besprechen. Ist der Beschuldigte aber auchoder ausschließlich wegen Verdunkelungsgefahrin Haft, so hat bis zur Mitteilung der Anklage-schrift der Besprechung mit dem Verteidiger eineGerichtsperson beizuwohnen.

(4) Der Briefverkehr des verhafteten Beschul-digten mit seinem Verteidiger unterliegt nur biszur Mitteilung der Anklageschrift und nur dannder Überwachung durch den Untersuchungsrich-ter (§ 187), wenn der Beschuldigte auch oderausschließlich wegen Verdunkelungsgefahr inHaft ist.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 1)

§ 45 a. (1) Ein Rechtsanwalt kann sich als Ver-teidiger im ordentlichen Verfahren vor demGerichtshof erster Instanz, jedoch mit Ausschlußder Hauptverhandlung vor dem Geschwornen-gericht, auch durch einen bei ihm in Verwendungstehenden Rechtsanwaltsanwärter, der nicht inder Verteidigerliste eingetragen ist, vertreten las-sen, in der Hauptverhandlung vor dem Schöf-fengericht aber nur dann, wenn ein solcherRechtsanwaltsanwärter die Rechtsanwaltsprüfungmit Erfolg abgelegt hat; liegen rücksichtswürdigeGründe vor, so kann der Ausschuß der Rechts-anwaltskammer auf Antrag eines Rechtsanwaltesdem Rechtsanwaltsanwärter das Erfordernis derPrüfung erlassen, sobald er an einer inländischenHochschule den rechtswissenschaftlichen Doktor-grad erlangt hat und eine neunmonatige zivil-und strafgerichtliche Praxis beim Gerichtshoferster Instanz und beim Bezirksgerichte sowieeine achtzehnmonatige Praxis in der Rechts-anwaltschaft nachzuweisen vermag. (BGBl.Nr. 569/1973, Art. III Z. 3)

(2) Wurde über einen Rechtsanwaltsanwärtereine Disziplinarstrafe nach § 12 Abs. 1 lit. c desGesetzes vom 1. April 1872, RGBl. Nr. 40, ver-hängt, so ruht die Vertretungsbefugnis nachAbs. 1 von der Rechtskraft des Disziplinar-erkenntnisses an während der Dauer der Strafe.

(3) Die Bestimmungen über die Ausschließungvon der Verteidigung (§ 40 Abs. 1) gelten fürden Rechtsanwaltsanwärter sowohl dann, trenndie Atisschließungsgründe in seiner Person, alsauch dann, wenn sie in der Person des Rechts-anwaltes bestehen, bei dem er in Verwendungsteht.

V. Hauptstück

Vom Privatankläger und vom Privatbeteiligten

§ 46. (1) Eine zur Privatanklage berechtigtePerson muß, bei sonstigem Verlust ihres Anklage-rechtes, binnen sechs Wochen von dem Tag, andem ihr die strafbare Handlung und ein der Tathinlänglich Verdächtiger bekannt geworden sind,einen Verfolgungsantrag gegen diesen stellen.Dieser Antrag kann auf die Einleitung der Vor-untersuchung oder auf die Bestrafung des Tätersgerichtet sein und muß beim Strafgericht münd-lich oder schriftlich gestellt werden. Der Ver-letzte oder sonstige Beteiligte ist zum Ein-schreiten als Privatankläger nicht mehr berech-tigt, wenn er die strafbare Handlung ausdrücklichverziehen hat. Die §§ 57, 58 und 194 Abs. 2StGB bleiben unberührt. (BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 13)

(2) Der Privatankläger ist berechtigt, währendder Vorerhebungen und der Voruntersuchungdem Gericht alles an die Hand zu geben, wasseine Anklage unterstützen kann, in die AktenEinsicht zu nehmen und zur Geltendmachungseiner Anklage alle Schritte bei Gericht einzu-leiten, zu denen sonst der Staatsanwalt berech-tigt ist.

(3) Hat der Privatankläger unterlassen, inner-halb der gesetzlichen Frist die Anklageschriftoder die sonst zur Aufrechterhaltung der An-klage erforderlichen Anträge einzubringen, ister bei der Hauptverhandlung nicht erschienenoder hat er in der Hauptverhandlung unterlas-sen, die Schlußanträge zu stellen, so wird ange-nommen, daß er von der Verfolgung zurück-getreten sei.

(4) Auf den Wunsch des Privatanklägers kannder Staatsanwalt dessen Vertretung übernehmen.

§ 47. (1) Jeder durch ein Verbrechen oderdurch ein von Amts wegen zu verfolgendesVergehen in seinen Rechten Verletzte kann sichbis zum Beginne der Hauptverhandlung seinerprivatrechtlichen Ansprüche wegen dem Straf-verfahren anschließen und wird hiedurch Privat-beteiligter.

(2) Dem Privatbeteiligten stehen folgendeRechte zu:

1. Er kann dem Staatsanwalt und dem Unter-suchungsrichter alles an die Hand geben, waszur Überweisung des Beschuldigten oder zurBegründung des Entschädigungsanspruches dien-lich ist.

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2. Er kann in die Akten, und zwar, falls nichtbesondere Gründe entgegenstehen, schon wäh-rend der Vorerhebungen und der Vorunter-suchung Einsicht nehmen.

3. Zur Hauptverhandlung wird der Privat-beteiligte mit dem Beisatze geladen, daß imFalle seines Nichterscheinens die Verhandlungdennoch vor sich gehen werde und daß seineAnträge aus den Akten vorgelesen werdenwürden. Er kann an den Angeklagten, an Zeu-gen und Sachverständige Fragen stellen oder, umandere Bemerkungen zu machen, schon währendder Verhandlung das Wort erhalten. AmSchlusse der Verhandlung erhält er unmittelbar,nachdem der Staatsanwalt seinen Schlußantraggestellt und begründet hat, das Wort, um seineAnsprüche auszuführen und zu begründen unddie Anträge zu stellen, über die er im Haupt-erkenntnisse mitentschieden haben will.

§ 48. Außerdem ist der Privatbeteiligte berech-tigt, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungenstatt des Staatsanwaltes die öffentliche Anklagezu erheben und durchzuführen:

1. Wenn der Staatsanwalt die Anzeige des Ver-letzten zurückweist und die gerichtliche Verfol-gung, sei es sofort, sei es nach Vornahme vonVorerhebungen (§ 90), ablehnt, hat er ihn davonzu verständigen. Der Verletzte ist in diesem Fall,insofern er sich dem Strafverfahren anzuschließenerklärt, berechtigt, den Antrag auf Einleitungder Voruntersuchung bei der Ratskammer ein-zubringen, die über diesen Antrag nach allen-falls gepflogenen Erhebungen Beschluß zu fassenhat.

2. Wenn der Staatsanwalt von der Verfolgungeiner strafbaren Handlung zurücktritt, ehe derBeschuldigte ihretwegen rechtskräftig in denAnklagestand versetzt ist, so ist der Privatbetei-ligte hievon in Kenntnis zu setzen; er ist berech-tigt, binnen vierzehn Tagen nach seiner Verstän-digung mündlich oder schriftlich beim Unter-suchungsrichter die Erklärung abzugeben, daß erdie Verfolgung aufrechterhalte. Wenn der durchdie strafbare Handlung Verletzte vom Rücktrittedes Staatsanwaltes nicht amtlich verständigtwurde, kann er diese Erklärung binnen dreiMonaten nach der Einstellung des Verfahrensabgeben. In beiden Fällen ist die Erklärung, inder sowohl der Beschuldigte als auch die ihmzur Last gelegte Tat genau bezeichnet sein muß,samt allen Akten dem Gerichtshofe zweiterInstanz vorzulegen. Dieser verfügt, sofern ernicht erachtet, daß kein Grund zur weiterenVerfolgung des Beschuldigten vorliege, die Ein-leitung oder Wiederaufnahme der Vorunter-suchung. Ist der Beschuldigte über die gegen ihnerhobene Anschuldigung bereits vernommenworden, so kann der Gerichtshof zweiter Instanzauch auf Grund der Erklärung des Privatbetei-ligten sofort die Versetzung in den Anklagestandaussprechen.

3. Tritt der Staatsanwalt von der Anklage zueiner Zeit zurück, wo die Versetzung in denAnklagestand bereits rechtskräftig ist, so ist diesdem Privatbeteiligten mit der Eröffnung mit-zuteilen, daß er berechtigt sei, die Anklage auf-rechtzuerhalten, dies jedoch binnen vierzehnTagen beim Gerichtshof erster Instanz zu erklä-ren habe. Auf eine später abgegebene Erklärungkann keine Rücksicht genommen werden.

§ 49. (1) Auch wenn der Privatbeteiligte alsAnkläger einschreitet, steht es dem Staatsanwaltefrei, vom Gange des Strafverfahrens Kenntnis zunehmen; er ist jederzeit berechtigt, die gericht-liche Verfolgung wieder zu übernehmen.

(2) Im übrigen sind die den Privatanklägerbetreffenden Bestimmungen dieser Strafprozeß-ordnung auf den statt des Staatsanwaltes dieAnklage führenden Privatbeteiligten mit folgen-den Einschränkungen anzuwenden:

1. Es ist seinem Ermessen nicht anheimgestellt,ohne vorausgegangene Voruntersuchung dieAnklageschrift einzubringen.

2. Gegen die Beschlüsse der Ratskammer stehtihm außer der Beschwerde gegen die Einstellungder Voruntersuchung kein Rechtsmittel offen.

3. Er ist nicht berechtigt, die Nichtigkeits-beschwerde gegen das in der Hauptverhandlungergehende Urteil zu ergreifen; die Berufunggegen das Urteil steht ihm nur insoweit offen,als sie dem Privatbeteiligten überhaupt einge-räumt ist (§§ 283, 344 und 465). Er ist nichtberechtigt, auf Wiederaufnahme des Strafver-fahrens anzutragen.

4. Die Versetzung des Beschuldigten auf freienFuß soll wegen des nach § 48 Z. 2 dem Privat-beteiligten zustehenden Rechtes nicht aufgehaltenwerden.

(3) Im Falle des § 48 Z. 3 hat die Ratskammernach ihrem Ermessen zu entscheiden, ob die Ent-lassung des verhafteten Angeklagten aufzuschie-ben sei.

§ 50. (1) Der Privatankläger, der Privatbetei-ligte, Personen, die für Geldstrafen, Geldbußenoder für die Kosten des Strafverfahrens haftenoder die, ohne selbst beschuldigt oder angeklagtzu sein, vom Verfall oder von der Einziehungeiner Sache bedroht sind, sowie die gesetzlichenVertreter dieser Personen können ihre Sacheselbst führen; sie können sich auch eines in derVerteidigerliste eingetragenen Rechtsbeistandesoder eines anderen Bevollmächtigten bedienen.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 14)

(2) Wenn es dem Gericht angemessen scheint,kann es dem vom Gerichtsort abwesenden Privat-ankläger, Privatbeteiligten, Haftungspflichtigenund dem vom Verfall oder von der EinziehungBedrohten auftragen, einen an diesem Orte woh-nenden Bevollmächtigten zu bestellen, und anwei-

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sen, sich eines in der Verteidigerliste eingetra-genen Rechtsbeistandes zu bedienen. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 14)

(3) Für die Vertretung eines in der Verteidiger-liste eingetragenen Rechtsbeistandes gilt § 45 aAbs. 1.

VI. Hauptstück

Von der Zuständigkeit der Strafgerichte und vonder Verbindung mehrerer Strafsachen

I. E i n z e l n e G e r i c h t s s t ä n d e

§ 51. (1) Das Strafverfahren steht in der Regeldem Gerichte zu, in dessen Sprengel die straf-bare Handlung begangen wurde, und zwar auchdann, wenn der zum Tatbestande gehörige Erfolgan einem anderen Ort eingetreten ist.

(2) Wurde die strafbare Handlung in mehrerenBezirken oder auf der Grenze zweier Gerichts-bezirke begangen oder ist es ungewiß, in wel-chem von mehreren bestimmten Gerichtsbezirkensie begangen worden sei, so entscheidet unterden dadurch in Frage kommenden Gerichten dasZuvorkommen.

(3) Das Gericht ist zuvorgekommen, das zuersteine Untersuchungshandlung vorgenommen hat.

(4) Wird die Ungewißheit über den Ort derbegangenen Tat noch vor der Versetzung in denAnklagestand behoben, so steht die Fortsetzungdes Strafverfahrens dem Gerichte des Tatorteszu.

§ 52. (1) Wird die Anzeige wegen einer straf-baren Handlung bei dem Gerichte gemacht, indessen Sprengel der Beschuldigte seinen Wohn-sitz oder Aufenthalt hat oder betreten wird, soist es zuständig, sofern nicht das Gericht desBezirkes der begangenen Tat bereits zuvorge-kommen ist. Doch ist die Sache an dieses Gerichtabzugeben, wenn es der Staatsanwalt des einenoder des anderen Sprengeis, der Privatanklägeroder der Beschuldigte, und, falls deren mehreresind, wenn es auch nur einer von ihnen ver-langt.

(2) Wird das gegen einen verhafteten Beschul-digten wegen einer in die Zuständigkeit desGerichtshofes erster Instanz oder des Geschwor-nengerichtes fallenden strafbaren Handlung ein-geleitete Strafverfahren vor der Hauptverhand-lung eingestellt, so ist für die ihm noch zurLast liegenden, vor das Bezirksgericht gehörigenstrafbaren Handlungen das Bezirksgericht zustän-dig, in dessen Bezirk er sich in Haft befindet.Doch kann auch in diesem Falle sowohl der An-kläger als auch der Beschuldigte die Abtretungan das Gericht des Tatortes verlangen. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 15)

§ 53. Dem Strafgerichte, das zuerst von einerin der Republik Österreich verübten strafbaresHandlung Kenntnis erlangt, steht das Verfahrenso lange zu, bis ein Umstand erhoben ist, dernach einer der Bestimmungen der §§51 und 52die Zuständigkeit eines anderen Gerichtes begrün-det.

§ 54. (1) Ist eine strafbare Handlung außer-halb der Republik Österreich begangen worden,so ist das in der Republik gelegene Gericht zu-ständig, in dessen Sprengel der Beschuldigte sei-nen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, in Erman-gelung eines solchen das Gericht, in dessen Spren-gel er betreten wird.

(2) Wird von einem auswärtigen Staate dieAuslieferung eines Beschuldigten angeboten odersoll die Auslieferung erst begehrt werden undist nicht bereits die Zuständigkeit eines inlän-dischen Gerichtes begründet, so wird das Gerichtzuständig, das der Oberste Gerichtshof nach An-hörung des Generalprokurators hiefür bestimmt.

§ 55. Die Zuständigkeit des Gerichtes für denunmittelbaren Täter begründet auch die Zustän-digkeit für die anderen Beteiligten (§ 12 StGB).

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 16)

§ 56. (1) Liegen demselben Beschuldigten meh-rere strafbare Handlungen zur Last oder habensich an derselben strafbaren Handlung mehrerePersonen beteiligt oder hat eine von ihnen auchnoch in Verbindung mit anderen Personen straf-bare Handlungen begangen, so ist in der Regeldas Strafverfahren gegen alle diese Personen undwegen aller dieser strafbaren Handlungen beidemselben Gerichte gleichzeitig zu führen undüber alle zusammentreffenden Strafsachen einEndurteil zu fällen.

(2) Zu diesem Verfahren ist das unter dendabei in Frage kommenden Gerichten zuständig,das den anderen zuvorgekommen ist. Gehörtjedoch eine der zusammentreffenden Strafsachenvor einen Gerichtshof, so gibt sie für die Zu-ständigkeit den Ausschlag, wenngleich ein Be-zirksgericht zuvorgekommen ist. Die Hauptver-handlung und Entscheidung obliegt dem Ge-schwornengericht, wenn auch nur eine der zusam-mentreffenden Strafsachen eine strafbare Hand-lung zum Gegenstand hat, deren Aburteilungdem Geschwornengericht zukommt. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 17)

(3) Gehören die zusammentreffenden Straf-sachen vor verschiedene Gerichte gleicher Ord-nung, kann aber über eine davon ihrer Art nachnur eines der Gerichte entscheiden, so gibt dieseStrafsache für die Zuständigkeit ohne Rücksichtauf das Zuvorkommen eines anderen Gerichtesden Avisschlag.

§ 57. (1) Das nach § 56 für mehrere zusammen-treffende Strafsachen zuständige Gericht kann

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auf Antrag oder von Amts wegen verfügen, daßüber einzelne strafbare Handlungen oder gegeneinzelne Beschuldigte das Strafverfahren abge-sondert zu führen und abzuschließen sei, soferndies zur Vermeidung von Verzögerungen oderErschwerungen des Verfahrens oder zur Kürzungder Haft eines Beschuldigten dienlich scheint.

(2) In jedem solchen Fall ist der Anklägerverpflichtet, sogleich zu erklären, ob er wegender übrigen gegen denselben Beschuldigten vor-liegenden Anschuldigungspunkte die Fortsetzungdes Verfahrens verlange. Geschieht dies, so istdas Verfahren über diese Anschuldigungspunkteohne unnötigen Aufschub abzuschließen; im ent-gegengesetzten Falle kann der Beschuldigte ihret-wegen nur unter den Bedingungen verfolgt wer-den, unter denen die Wiederaufnahme eines vorder Hauptverhandlung eingestellten Strafverfah-rens zulässig ist (§§ 352 und 363).

(3) Läßt diese Erklärung eine strafbare Hand-lung unberührt, die Gegenstand gerichtlicher Vor-erhebungen oder einer Voruntersuchung war, sokann der Beschuldigte verlangen, daß der An-kläger sich auch darüber erkläre, widrigens anzu-nehmen wäre, daß er auf die Verfolgung ver-zichtet habe.

(4) Handelt es sich um strafbare Handlungen,die nicht nur auf Verlangen des Verletzten odereines anderen Beteiligten verfolgt werden, so istjedenfalls auch dem Staatsanwalt eine Erklärungabzufordern. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 18)

§ 58. Ist die Verfügung getroffen, daß eineder zusammengehörigen Strafsachen abgesondertzur Hauptverhandlung gebracht oder daß gegeneinen der Beschuldigten die Voruntersuchungabgesondert geführt werde, so kann die ausge-schiedene Strafsache an das Gericht abgegebenwerden, das für sie, abgesehen vom Zusammen-treffen mit anderen Strafsachen, zuständig wäre.

§ 59. (1) Wenn ein Beschuldigter an eine aus-ländische Behörde auszuliefern ist, steht die Be-urteilung und die Verhandlung mit dieser Be-hörde dem Gerichtshof erster Instanz zu, indessen Bezirke der Auszuliefernde seinen Wohn-sitz oder Aufenthaltsort hat, und in Ermange-lung eines solchen dem Gerichtshof, in dessenBezirk er betreten wird. Auf ein solches Ver-langen der Auslieferung oder auf erlassene Steck-briefe ist zwar gegen das Entweichen des Be-schuldigten die nötige Vorkehrung zu treffen;auf seine Auslieferung aber hat die Ratskammernach Vernehmung des Staatsanwaltes nur dannbeim Gerichtshofe zweiter Instanz anzutragen,wenn von der die Auslieferung verlangendenBehörde sogleich oder in einem angemessenenZeitraume solche Beweise oder Verdachtsgründebeigebracht werden, über die sich der Beschul-digte bei seiner Vernehmung nicht auf der Stelleauszuweisen vermag Der Gerichtshof zweiter

Instanz hat seinen nach Anhörung des Ober-staatsanwaltes gefaßten Beschluß jederzeit vor-läufig dem Bundesministerium für Justiz zurGenehmigung vorzulegen.

(2) Keinesfalls darf ein österreichischer Staats-bürger an eine ausländische Behörde ausgeliefertwerden. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 19)

(3) Liegen hinreichende Gründe für die An-nahme vor, daß jemand im Ausland eine derAuslieferung unterliegende strafbare Handlungbegangen hat, so ist vorläufig die nötige Vor-kehrung gegen sein Entweichen zu treffen unddem Bundesministerium für Justiz zu berichten.Der Auslieferung unterliegt eine strafbare Hand-lung, soweit sich aus zwischenstaatlichen Verein-barungen nichts anderes ergibt, insbesondere nurdann, wenn sie vorsätzlich begangen und mitmehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 19)

§ 60. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ.20)

§ 61. Die beim Bundespräsidenten beglaubigtenauswärtigen Gesandten und ihr eigentlichesGesandtschaftspersonal stehen nicht unter derösterreichischen Gerichtsbarkeit. Auch die Haus-und Dienstleute dieser Gesandten und der sichin Österreich aufhaltenden fremden Souveräne,die zugleich Angehörige des Staates sind, dem derSouverän oder Gesandte angehört, unterstehenden österreichischen Gerichten nicht. Wäre dahermit solchen Personen eine Amtshandlung wegeneiner strafbaren Handlung vorzunehmen, so hatdie Behörde sich zwar nach Umständen der Per-son des Beschuldigten zu versichern, jedochsogleich die Anzeige davon an das Bundesmini-sterium für Auswärtige Angelegenheiten zur wei-teren Eröffnung an den Souverän oder Gesandtenwegen Übernahme des Beschuldigten zu machen.

II. B e f u g n i s z u r D e l e g i e r u n g

§ 62. Die Gerichtshöfe zweiter Instanz sindberechtigt, nach Anhörung des Oberstaatsanwal-tes aus Rücksichten der öffentlichen Sicherheitoder aus anderen wichtigen Gründen ausnahms-weise dem zuständigen Gerichte Strafsachen abzu-nehmen und sie einem anderen Gerichte derselbenArt in ihrem Sprengel zuzuweisen.

§ 63. (1) Dasselbe Recht hat auch der ObersteGerichtshof für den ganzen Umfang der Repu-blik Österreich.

(2) Gegen die gemäß § 62 vom Gerichtshofezweiter Instanz verfügte Delegierung eines ande-ren Gerichtes kann sowohl der Ankläger ab auchder Beschuldigte beim Obersten Gerichtshofe Be-schwerde führen. Die Beschwerde ist binnen vier-zehn Tagen nach der Eröffnung des Beschlussesbeim eröffnenden Gericht anzubringen.

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III. S t r e i t i g k e i t e n ü b e r d i e Z u s t ä n -d i g k e i t v o n G e r i c h t e n

§ 64. (1) Ist die Zuständigkeit zwischen Be-zirksgerichten streitig, die unter demselben Ge-richtshof erster Instanz stehen, so entscheidet dieRatskammer dieses Gerichtshofes. Können sichzwei Gerichtshöfe erster Instanz über ihre Zu-ständigkeit oder über die zweier ihnen unter-stehender Gerichte nicht einigen, so entscheidetder Gerichtshof zweiter Instanz. Ist die Zustän-digkeit zwischen Gerichten, die nicht unter dem-selben Gerichtshofe zweiter Instanz stehen, oderzwischen zwei Gerichtshöfen zweiter Instanzstreitig, so entscheidet der Oberste Gerichtshof.Entscheidungen dieser Art können nur nach An-hörung der Staatsanwaltschaft getroffen werden;gegen diese Entscheidung ist kein abgesondertesRechtsmittel zulässig. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I2.21)

(2) In der Zwischenzeit hat jedes der streiten-den Gerichte die zur Einleitung der Untersuchungund Feststellung des Tatbestandes in seinem Be-zirke nötigen Handlungen und insbesondere alleUntersuchungsschritte vorzunehmen, bei denenGefahr im Verzug ist.

IV. A m t s h a n d l u n g e n n i c h t z u s t ä n -d i g e r G e r i c h t e

§ 65. Alle, auch die nicht zuständigen Straf-gerichte, in deren Bezirke sich Spuren eines Ver-brechens oder Vergehens finden, sind, wenn Ge-fahr im Verzug ist, berechtigt und verpflichtet,die Handlungen vorzunehmen, die zur Erhebungdes Tatbestandes oder zur Festhaltung eines Be-schuldigten dienen können. Sie müssen jedoch diezuständigen Gerichte oder Staatsanwälte davonalsbald in Kenntnis setzen und ihnen die aufge-nommenen Protokolle übersenden.

§ 66. Untersuchungshandlungen, die ein nichtzuständiges Strafgericht außer dem Falle des vor-hergehenden Paragraphen vorgenommen hat,sind deshalb allein noch nicht ungültig, sofernsie sich nur auf die Voruntersuchung beziehen;doch liegt dem zuständigen Gericht ob, zu beur-teilen, inwiefern eine Wiederholung oder Ergän-zung dieser Handlung einzuleiten sei.

VII. Hauptstück

Von der Ausschließung und Ablehnung von Ge-richtspersonen und Staatsanwälten

I. A u s s c h l i e ß u n g d e r G e r i c h t s -p e r s o n e n

§ 67. Jeder Richter und Protokollführer istvon der Vornahme gerichtlicher Handlungen imStrafverfahren ausgeschlossen, wenn er selbst derdurch die strafbare Handlung Verletzte oderwenn der Beschuldigte, der Verletzte, der Staats-

anwalt, der Privatankläger oder der Verteidigersein Angehöriger (§ 72 StGB) ist. Die durch eineEhe begründete Eigenschaft einer Person als An-gehöriger bleibt aufrecht, auch wenn die Ehenicht mehr besteht.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 22)

§ 68. (1) Ausgeschlossen von der Wirksamkeitals Richter oder Protokollführer in allen Instan-zen ist ferner:

1. wer außerhalb seiner DienstverrichtungenZeuge der in Frage stehenden Handlung ge-wesen oder in der Sache als Zeuge oder Sach-verständiger vernommen worden ist oder ver-nommen werden soll;

2. wer in dieser Sache als Anzeiger aufgetre-ten ist oder als Ankläger, als Vertreter des Pri-vatanklägers oder des Privatbeteiligten oder alsVerteidiger mitgewirkt hat oder als Gerichts-zeuge verwendet worden ist;

3. wer aus dem Freispruch oder aus der Ver-urteilung des Beschuldigten einen Nutzen oderSchaden zu erwarten hat.

(2) Von der Mitwirkung und Entscheidung inder Hauptverhandlung ist ausgeschlossen, wer inderselben Sache als Untersuchungsrichter tätiggewesen ist oder an der Entscheidung über denEinspruch gegen die Versetzung in den Anklage-stand (§§ 211 bis 214) teilgenommen hat. Mußeine Hauptverhandlung infolge einer Berufungoder Nichtigkeitsbeschwerde wiederholt werden,so sind von der neuen Hauptverhandlung dieRichter ausgeschlossen, die an der ersten teilge-nommen haben.

§ 69. Mitglieder von Gerichten höherer In-stanzen sind insbesondere auch ausgeschlossen:

1. von der Verhandlung über alle Strafsachen,in denen sie als Untersuchungsrichter tätig waren;

2. von der Verhandlung über Rechtsmittelgegen alle Entscheidungen, bei denen sie selbstin einer unteren Instanz an der Abstimmungteilgenommen haben;

3. von der Berichterstattung und vom Vor-sitz in einer Verhandlung in Strafsachen, indenen als Untersuchungsrichter oder Berichter-statter bei einem untergeordneten Gericht einePerson tätig war, die mit ihnen in einem der im§ 67 bezeichneten Verhältnisse steht.

§ 70. (1) Der Richter ist verpflichtet, das Ver-hältnis, das den Grund seiner Ausschließung bil-det, unverzüglich dem Vorsteher des Gerichtesanzuzeigen, dessen Mitglied er ist. Der ausge-schlossene Vorsteher eines Bezirksgerichtes hatdie Anzeige an den Vorsteher des Gerichtshofeserster Instanz zu machen.

(2) Der Protokollführer hat diese Anzeige demRichter zu machen, bei dem er das Protokollführen soll.

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§ 71. (1) Jede Gerichtsperson hat sich von demZeitpunkt, in dem ihr ein Ausschließungsgrundbekanntgeworden ist, aller gerichtlichen Hand-lungen bei sonstiger Nichtigkeit dieser Akte zuenthalten. Nur wenn Gefahr im Verzug ist unddie Bestellung eines anderen Richters oder Pro-tokollführers nicht sogleich bewirkt werdenkann, hat eine solche Gerichtsperson die drin-gend nötigen gerichtlichen Handlungen selbstvorzunehmen, ausgenommen, wenn gegen Ange-hörige des Richters (§ 67) einzuschreiten wäre,in welchem Fall unverzüglich die Amtshandlungan den nächsten Richter abzutreten ist. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 23)

(2) Über die Ausschließung eines Geschwornenoder Schöffen entscheidet die Ratskammer, inder Hauptverhandlung der Vorsitzende desGeschwornengerichtes oder des Schöffengerichtes.Gegen seine Entscheidung ist kein selbständiges,die weitere Verhandlung hemmendes Rechts-mittel zulässig.

II. A b l e h n u n g d e r G e r i c h t s -p e r s o n e n

§ 72. (1) Der Staatsanwalt, der Privatbeteiligte,der Privatankläger und der Beschuldigte könnenMitglieder des Gerichtes und Protokollführer ab-lehnen, wenn sie außer den in den §§ 67 bis 69bezeichneten Fällen andere Gründe anzugebenund darzutun vermögen, die geeignet sind, dievolle Unbefangenheit des Abzulehnenden inZweifel zu setzen.

(2) Jeder Richter ist verpflichtet, alle Gründeanzuzeigen, die geeignet sind, seine volle Unbe-fangenheit in Zweifel zu setzen (§ 70).

§ 73. Das Gesuch, womit ein Beteiligter dieAblehnung eines Richters geltend machen will,ist jederzeit bei dem Gerichte, dem der Abge-lehnte angehört, und zwar, wenn es sich umdie Ablehnung eines Mitgliedes des erkennendenGerichtes handelt, längstens binnen vierundzwan-zig Stunden vor Beginn der Verhandlung und,wenn es sich um die Ablehnung eines ganzenGerichtshofes handelt, längstens binnen dreiTagen nach der Vorladung zur Verhandlung zuüberreichen oder zu Protokoll zu geben. In die-sem Gesuche müssen die Gründe der Ablehnunggenau angegeben und, soviel als möglich, beschei-nigt sein.

§ 74. (1) Über die Zulässigkeit der Ablehnungeiner Gerichtsperson entscheidet in der Regel derVorsteher des Gerichtes, dem sie angehört.

(2) Wird der Vorsteher eines Bezirksgerichtesabgelehnt, so entscheidet die Ratskammer desGerichtshofes erster Instanz; wenn ein ganzesGericht erster Instanz oder dessen Vorsteher ab-gelehnt wird, entscheidet der Gerichtshof zwei-ter Instanz; wenn ein Gerichtshof zweiter In-stanz oder dessen Präsident abgelehnt wird, ent-scheidet der Oberste Gerichtshof.

(3) Gegen diese Entscheidungen ist kein Rechts-mittel zulässig. Der Vorsteher oder der Gerichts-hof, der über die Ablehnung entscheidet, hat zu-gleich, falls ihr stattgegeben wird, den Richteroder das Gericht zu bezeichnen, dem die Sache zuübertragen ist.

§ 74 a. Ein Geschworner oder Schöffe kannabgelehnt werden, solange die Hauptverhand-lung noch nicht bis zur Vernehmung des Ange-klagten über den Inhalt der Anklage vorge-schritten ist. Über die Ablehnung entscheidet dieRatskammer, in der Hauptverhandlung der Vor-sitzende allein. Gegen seine Entscheidung ist keinselbständiges, die weitere Verhandlung hemmen-des Rechtsmittel zulässig.

III. A u s s c h l i e ß u n g v o n S t a a t s -a n w ä l t e n

§ 75. Vom Einschreiten in Strafsachen sind dieMitglieder der Staatsanwaltschaft ausgeschlossen,mit denen der Beschuldigte oder sein Verteidigeroder der durch das Verbrechen oder VergehenVerletzte oder der Privatankläger in einem derim § 67 erwähnten Verhältnisse steht; ferner,wer in der Sache als Zeuge oder Sachverständigervernommen worden oder als Verteidiger, als Ver-treter des Privatanklägers oder Privatbeteiligtenoder als Richter tätig gewesen ist.

§ 76. Jedes Mitglied der Staatsanwaltschaft istverpflichtet, sich von dem Zeitpunkt, in dem ihmein Ausschließungsgrund bekanntgeworden ist,des Einschreitens in der Sache zu enthalten, fürdie es ausgeschlossen erscheint, sie seinem Stell-vertreter zu überlassen und davon seinem unmit-telbaren Vorgesetzten die Anzeige zu erstatten.Durch Beschwerden von Parteien gegen das Ein-schreiten eines Staatsanwaltes, der sich nach demGesetze des Einschreitens hätte enthalten sollen,darf das Verfahren nicht aufgehalten werden.

VIII. Hauptstück

Von der Bekanntmachung der gerichtlichen Ver-fügungen und von der Gestattung der Aktem-

einsicht

§ 77. (1) Die Bekanntmachung gerichtlicherVerfügungen geschieht entweder durch münd-liche Verkündung vor Gericht oder durch Zu-stellung der Urschrift oder einer amtlich beglau-bigten Abschrift.

(2) Die mündliche Verkündung muß durch einProtokoll beurkundet werden. Auf Verlangenist jedem, dem eine Verfügung mündlich ver-kündet wird, eine Abschrift der Verfügung zuerteilen.

§ 78. Die Zustellung der gerichtlichen Ver-fügungen an die Staatsanwaltschaft geschiehtdurch Mitteilung der Urschrift. Der Beamte derStaatsanwaltschaft setzt auf die Urschrift die Be-

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stätigung der Einsichtnahme unter Beifügung desDatums. Auf Verlangen ist ihm eine Abschriftzu erteilen.

§ 79. (1) Die Vorladung zur Hauptverhand-lung in erster Instanz muß dem Beschuldigtenselbst zugestellt werden.

(2) Diese Vorladung des Privatanklägers undPrivatbeteiligten sowie alle Aktenstücke, vonderen Behändigung für einen Beteiligten die Fristzur Ergreifung eines Rechtsmittels oder des Ein-spruches gegen die Versetzung in den Anklage-stand läuft, müssen entweder der Partei selbstoder ihrem bestellten Vertreter zugestellt werden.

(3) In den in den ersten beiden Absätzenbezeichneten Fällen hat die Zustellung zu eigenenHanden des Empfängers zu geschehen. In allenanderen Fällen ist Ersatzzustellung zulässig.

§ 80. (1) Auf das Verfahren bei Zustellungensind die Vorschriften der §§ 87 bis 91, 100 bis105, 109, 110 und 114 der Zivilprozeßordnungdem Sinne nach anzuwenden. Kann eine Zustel-lung, die zu eigenen Handen des Empfängersvorzunehmen ist, nicht bewirkt werden, so istnach den Bestimmungen der Absätze 2 und 3des § 106 der Zivilprozeßordnung vorzugehen.

(2) Die Bestimmungen des § 111 der Zivil-prozeßordnung sind außer dem Falle des § 191nur auf Privatankläger und Privatbeteiligte sowieauf ihre Vertreter anzuwenden. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 24)

§ 81. (1) Soll eine Zustellung auf andere Weiseals durch die Post außerhalb des Sprengeis desBezirksgerichtes vorgenommen werden, in demdas Gericht, dessen Schriftstück zuzustellen ist,seinen Sitz hat, so kann das Bezirksgericht desZustellungsortes ersucht werden, die Zustellungzu bewirken.

(2) Liegt der Zustellungsort außerhalb desSprengeis des Bezirksgerichtes, in dem das Ge-richt, dessen Schriftstück zugestellt worden ist,seinen Sitz hat, so können die Rechtsmittel undder Einspruch gegen die zugestellte Entscheidungoder Anklageschrift, wenn sie mündlich erhobenwerden, auch beim Bezirksgerichte des Zustel-lungsortes angebracht werden, es sei denn, daßdieses Bezirksgericht seinen Sitz in derselben Ge-meinde hat wie das Gericht, dessen Schriftstückzugestellt worden ist.

§ 82. Der Beurteilung der Gerichte ist esüberlassen, ob es zulässig erscheine, einer Parteioder ihrem ausgewiesenen Vertreter auch außerden in dieser Strafprozeßordnung insbesonderebezeichneten Fällen die Einsicht in strafgericht-liche Akten oder die Ausfolgung von Abschriftenaus solchen zu bewilligen, sofern diese Personenglaubwürdig dartun, daß sie ihnen zur Aus-führung eines Entschädigungsanspruches oder

zum Zwecke des Begehrens um Wiederaufnahmeoder aus anderen Gründen notwendig sei.

§ 83. Von der Einleitung und von der Be-endigung des Strafverfahrens gegen Personen,die in einem Bundes- oder anderen öffentlichen,daher auch in einem Landes- oder Gemeinde-amte oder -dienste stehen, Mitglieder einerGemeinde- oder einer anderen zur Besorgungöffentlicher Angelegenheiten berufenen Vertre-tung sind, oder denen öffentliche Titel oder in-oder ausländische Orden oder Ehrenzeichen ver-liehen sind, ist ihrer vorgesetzten Behörde, demVorstande des Vertretungskörpers oder den be-treffenden Ordenskanzleien Mitteilung zumachen.

IX. Hauptstück

Von der Erforschung strafbarer Handlungen undvon den Vorerhebungen

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 25)

§ 84. (1) Alle öffentlichen Behörden und Ämtersind schuldig, die entweder von ihnen selbstwahrgenommenen oder sonst zu ihrer Kenntnisgelangten strafbaren Handlungen, die nicht bloßauf Begehren eines Beteiligten zu untersuchensind, sogleich dem Staatsanwalte des zuständigenGerichtes anzuzeigen.

(2) Bei Gefahr im Verzuge kann die Anzeigeeiner verübten strafbaren Handlung auch andas Bezirksgericht erstattet werden, in dessenSprengel sich die Behörde befindet.

§ 85. Die Ausgleichsordnung und die Kon-kursordnung bezeichnen die Fälle, in denen dasGericht die Anzeige gegen den Schuldner an denStaatsanwalt zu erstatten hat. Das Zivilgerichtist verpflichtet, dem Staatsanwalte sowie demStrafgericht alle notwendigen Aufklärungen zuerteilen und die Akten, deren sie bedürfen, inUrschrift oder in beglaubigter Abschrift mit-zuteilen.

§ 86. (1) Wer immer von einer strafbarenHandlung, die von Amts wegen zu verfolgenist, Kenntnis erlangt, ist berechtigt, sie anzu-zeigen. Zur Annahme der Anzeige ist nicht bloßder Staatsanwalt, sondern es sind dazu auch derUntersuchungsrichter, das Bezirksgericht und dieSicherheitsbehörde verpflichtet; sie haben dieAnzeige dem Staatsanwalte zu übermitteln.

(2) Liegen hinreichende Gründe für die An-nahme vor, daß eine Person eine mit gericht-licher Strafe bedrohte Handlung ausführe, un-mittelbar vorher ausgeführt habe, oder daß nachihr wegen einer solchen Handlung gefahndetwerde, so ist jedermann berechtigt, diese Personauf angemessene Weise anzuhalten. Er ist jedochverpflichtet, die Anhaltung unverzüglich demnächsten Sicherheitsorgan anzuzeigen. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 26)

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§ 87. (1) Der Staatsanwalt ist verpflichtet, allean ihn gelangten Anzeigen über strafbare Hand-lungen, die von Amts wegen zu verfolgen sind,zu prüfen sowie die zu seiner Kenntnis ge-langenden Spuren solcher strafbarer Handlungenzu verfolgen. Er hat auch zur Entdeckung un-bekannter Täter durch Erforschung dahin füh-render Verdachtsgründe mitzuwirken.

(2) Wenn namenlose Anzeigen oder solche, dievon einem völlig Unbekannten herrühren, be-stimmte, die strafbare Handlung glaubwürdigbezeichnende Umstände enthalten, so ist zwar zurErhebung dieser Umstände zu schreiten; doch istdabei mit Vermeidung allen Aufsehens und mitmöglichster Schonung der Ehre der beschuldigtenPersonen vorzugehen.

(3) Wenn der Ruf von einer strafbaren Hand-lung, die nicht bloß auf Begehren eines Beteilig-ten zu untersuchen ist, an den Staatsanwalt ge-langt, so ist er verpflichtet, die Vernehmung derPersonen zu veranlassen, durch die der Ruf fort-gepflanzt wurde, dem Ruf unter Mitwirkung derSicherheitsbehörden bis zu seinem Ursprungenachzugehen und sich, soviel als möglich, zuüberzeugen, ob er gegründet ist oder nicht.

§ 88. (1) Überhaupt ist er berechtigt, durchden Untersuchungsrichter, durch die Bezirks-gerichte oder durch die Sicherheitsbehörden Vor-erhebungen zu dem Zwecke führen zu lassen,um die nötigen Anhaltspunkte für die Veranlas-sung des Strafverfahrens wider eine bestimmtePerson oder für die Zurücklegung der Anzeigezu erlangen.

(2) Die Untersuchungsrichter und Richter derBezirksgerichte haben auch bei diesen Vorerhe-bungen die Rechte und Obliegenheiten, die demUntersuchungsrichter in der Voruntersuchung zu-kommen.

(3) Durch die Sicherheitsbehörden kann derStaatsanwalt Personen, die Aufklärungen überbegangene strafbare Handlungen zu erteilen im-stande sein dürften, unbeeidigt vernehmen lassenund diesen Vernehmungen auch selbst beiwohnen.Augenschein und Hausdurchsuchung kann erdurch sie nur dann vornehmen lassen, wennsich in Abwesenheit einer zur Amtshandlungberufenen Gerichtsperson die Notwendigkeiteines unverzüglichen Einschreitens herausstellt;er kann diesen Untersuchungshandlungen, beidenen alle für gerichtliche Akte dieser Art vor-geschriebenen Förmlichkeiten zu beobachten sind,auch selbst beiwohnen. Die hierüber aufgenom-menen Protokolle können jedoch bei sonstigerNichtigkeit nur dann als Beweismittel benütztwerden, wenn sie unverweilt dem Untersuchungs-richter mitgeteilt worden sind, der ihre Formund Vollständigkeit zu prüfen und nötigenfallsdie Wiederholung oder Ergänzung der Verhand-lung zu bewirken hat.

§ 89. (1) Der Untersuchungsrichter am Ge-richtshof erster Instanz nimmt, solange keinAntrag des Staatsanwaltes vorliegt, nur die Amts-handlungen vor, die ohne Gefährdung desZweckes oder ohne Überschreitung einer gesetz-lichen Frist nicht aufgeschoben werden können.Vom Vorgenommenen hat er den Staatsanwalt inKenntnis zu setzen und sodann dessen Anträgeabzuwarten.

(2) Bezirksgerichte dagegen haben zwar eben-falls die zu ihrer Kenntnis kommenden Ver-brechen und nicht in ihre Zuständigkeit fallendenVergehen, soweit sie von Amts wegen zu ver-folgen sind, unverweilt dem Staatsanwalt anzu-zeigen, zugleich aber, und ohne dessen Anträgeabzuwarten, die Vorerhebungen (§ 88 Abs. 1und 2) zu führen. Untersuchungshandlungen je-doch, durch die die Spuren der strafbaren Hand-lung verwischt und einer wiederholten Besichti-gung entzogen werden könnten, haben sie nurdann vorzunehmen, wenn Gefahr im Verzug ist;außerdem haben sie nur in der zu erstattendenAnzeige auf die Notwendigkeit einer solchenUntersuchungshandlung aufmerksam zu machenund dafür zu sorgen, daß die Spuren der Taterhalten werden, bis entweder der Unter-suchungsrichter oder sein Verlangen um Vor-nahme der Untersuchungshandlungen eintrifft.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 27)

(3) Die über die Vorerhebungen aufgenom-menen Protokolle hat das Bezirksgericht mitgrößter Beschleunigung und, wenn eine Verhaf-tung vorgenommen worden ist, längstens binnenacht Tagen an den Staatsanwalt einzusenden. ImFall einer Verhaftung hat der Staatsanwalt läng-stens binnen drei Tagen nach Einlangen derAkten den Verhafteten außer Verfolgung zusetzen oder seine Anträge wegen der Personund des Verfahrens beim Untersuchungsrichteranzubringen (§ 27 Abs. 2). (BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 27)

§ 90. (1) Findet der Staatsanwalt nach Prüfungder Anzeige oder der Akten der — nötigenfallsauf seine Veranlassung zu ergänzenden — Vor-erhebungen genügende Gründe, wider eine be-stimmte Person das Strafverfahren zu ver-anlassen, so bringt er entweder den Antrag aufEinleitung der Voruntersuchung (§ 91) oder dieAnklageschrift ein. Im entgegengesetzten Fallelegt er die an ihn gelangte Anzeige mit kurzerAufzeichnung der ihn dazu bestimmenden Er-wägungen zurück und übersendet dem Unter-suchungsrichter die Akten der Vorerhebungenmit der Bemerkung, daß er keinen Grund zurweiteren Verfolgung finde. Der Untersuchungs-richter hat in diesem Falle die Vorerhebungeneinzustellen und den etwa verhafteten Beschul-digten sofort auf freien Fuß zu setzen.

(2) Statt den Antrag auf Einleitung der Vor-untersuchung oder die Anklageschrift einzu-

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bringen, kann der Staatsanwalt den Antrag stel-len zu entscheiden, daß die Voraussetzungen des§ 42 StGB vorliegen. Über diesen Antrag ent-scheidet der Untersuchungsrichter, wenn er dieAnsicht des Staatsanwaltes teilt, sonst die Rats-kammer. Bejaht das Gericht das Vorliegen derVoraussetzungen des § 42 StGB, so hat der Staats-anwalt die Anzeige nach Abs. 1 zurückzulegen.(BGBL Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 28)

X. Hauptstück

Von dem Voruntersuchungen im allgemeinen(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 29)

I. E i n l e i t u n g d e r V o r u n t e r s u c h u n gu n d S t e l l u n g d e s U n t e r s u c h u n g s -r i c h t e r s i n d e r V o r u n t e r s u c h u n g

§ 91. (1) Der Versetzung in den Anklagestand(XVI. Hauptstück) muß eine Voruntersuchungvorangehen, wenn es sich um ein Verbrechenoder Vergehen handelt, dessen Aburteilung demGeschwornengerichte zukommt, oder wenn gegeneinen Abwesenden das Strafverfahren eingeleitetwerden soll. In allen anderen Fällen bleibt es demErmessen des Staatsanwaltes oder des Privat-anklägers anheimgestellt, ob eine Vorunter-suchung zu beantragen sei. (BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 30)

(2) Die Voruntersuchung hat den Zweck, diegegen eine bestimmte Person erhobene Anschul-digung einer strafbaren Handlung einer vor-läufigen Prüfung zu unterwerfen und den Sach-verhalt so weit zu klären, als es nötig ist,um die Momente festzustellen, die geeignetsind, entweder die Einstellung des Strafverfahrensherbeizuführen oder die Versetzung in denAnklagestand und die Beweisaufnahme in derHauptverhandlung vorzubereiten.

§ 92. (1) Der Untersuchungsrichter darf dieVoruntersuchung nur wegen solcher strafbarerHandlungen und nur gegen Personen einleiten,bei denen ihm ein darauf abzielender Antrageines berechtigten Anklägers vorliegt.

(2) Beantragt der Staatsanwalt die Einleitungeiner Voruntersuchung, so hat er die Anzeigesowie die zu seiner Kenntnis gelangten Beweis-mittel und die Ergebnisse der etwa veranlaßtenVorerhebungen dem Untersuchungsrichter mit-zuteilen.

(3) Findet der Untersuchungsrichter Bedenken,einem Antrag auf Einleitung der Vorunter-suchung beizutreten, so ist darüber der Beschlußder Ratskammer einzuholen. Der Untersuchungs-richter nimmt an der Beratung, aber nicht ander Beschlußfassung teil. Von solchen Beratungenist der Staatsanwalt jedesmal vorher zu benach-richtigen, damit er seine Ansichten schriftlichoder mündlich vortragen könne.

§ 93. (1) Die Voruntersuchung wird in derRegel vom Untersuchungsrichter persönlich undunmittelbar geführt. Doch kann er die Bezirks-gerichte sowohl innerhalb als auch außerhalbdes Sprengeis seines Gerichtshofes um die Vor-nahme einzelner gerichtlicher Handlungen er-suchen.

(2) Die Bezirksgerichte haben dem Ersuchenunter Beachtung der für den Untersuchungs-richter geltenden Vorschriften zu entsprechenund, wenn sich hieraus die Notwendigkeit wei-terer, in ihren Sprengel fallender Untersuchungs-handlungen ergibt, diese sofort vorzunehmen.

§ 94. Der Untersuchungsrichter erstattet derRatskammer, wenn er dies wegen der Wichtig-keit einer Sache für nötig erachtet oder dieEntscheidung der Ratskammer einzuholen hat,mündlich Bericht. Den Sitzungen, in denen dieRatskammer diese Berichte entgegennimmt, wohntder Staatsanwalt bei und ist berechtigt, Anträgezu stellen.

§ 95. Beschließt die Ratskammer, die Füh-rung einer Voruntersuchung einem Bezirks-gerichte zu übertragen (§ 12), so hat dieses allefür den Untersuchungsrichter geltenden Vor-schriften zu beobachten. Entscheidungen derRatskammer holt es schriftlich ein. Die münd-liche Berichterstattung in der Sitzung der Rats-kammer wird in solchen Fällen einem ihrer Mit-glieder übertragen. Auch diesen Sitzungen wohntder Staatsanwalt bei.

II. G e s c h ä f t s g a n g i n d e r V o r u n t e r -s u c h u n g

§ 96. Ist die Voruntersuchung eingeleitet, soschreitet der Untersuchungsrichter, ohne weitereAnträge des Anklägers abzuwarten, von Amtswegen ein, um den Tatbestand zu erheben, denTäter zu ermitteln und die zur Überführungoder Verteidigung des Beschuldigten dienendenBeweismittel so weit festzustellen, als es derZweck der Voruntersuchung erfordert.

§ 97. (1) Der Ankläger ist berechtigt, auchwegen der Vornahme einzelner Untersuchungs-handlungen Anträge an den Untersuchungsrichterzu stellen; der Untersuchungsrichter hat, fallser Bedenken findet, ihnen beizutreten, die Ent-scheidung der Ratskammer einzuholen (§ 94).

(2) Untersuchungshandlungen nimmt derStaatsanwalt bei sonstiger Nichtigkeit des Aktesnicht vor. In der Regel (§ 162) darf weder derAnkläger noch der Verteidiger bei der Ver-nehmung des Beschuldigten und der Zeugenanwesend sein. Sie sind aber berechtigt, demAugenscheine, der Hausdurchsuchung und derDurchsuchung von Papieren beizuwohnen unddie Gegenstände zu bezeichnen, auf die dieseUntersuchungshandlungen auszudehnen sind. DerUntersuchungsrichter soll den Ankläger deshalb

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in der Regel von der Vornahme dieser Hand-lungen vorher benachrichtigen, kann sie aberauch, wenn Gefahr im Verzug ist, ohne voraus-gegangene Verständigung des Anklägers vor-nehmen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 31)

§ 98. (1) Hat ein Verbrechen oder VergehenSpuren zurückgelassen, so sind diese in geeigneterWeise, insbesondere durch Augenschein, nach denim folgenden Hauptstück enthaltenen Bestim-mungen zu erheben.

(2) Gegenstände, an oder mit denen die straf-bare Tat verübt worden ist oder die der Täteram Orte der Tat zurückgelassen haben dürfte,überhaupt Gegenstände, die vom Beschuldigtenoder von Zeugen anzuerkennen sind oder inanderer Weise zur Herstellung des Beweises die-nen können, und Sachen, die dem Verfall oderder Einziehung unterliegen, sind, soweit es mög-lich ist, in gerichtliche Verwahrung zu nehmen.Sie sind entweder in einen mit dem Gerichts-siegel zu verschließenden Umschlag zu legen,oder es ist an ihnen eine gegen Unterschiebungoder Verwechslung schützende gerichtliche Be-zeichnung anzubringen. (BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 32)

(3) Befinden sich unter den vorgefundenenGegenständen zum Gottesdienste geweihteSachen, so hat das Gericht für deren Absonde-rung von allen übrigen Gegenständen und fürderen entsprechende Aufbewahrung zu sorgen.

§ 99. Kann der durch ein Verbrechen oderVergehen verursachte Schaden oder entgangeneGewinn durch die Aussage des Geschädigtennicht zuverlässig erhoben werden oder ist mitGrund zu vermuten, daß er seinen Schaden zuhoch schätze, so ist dessen Größe in Fällen, indenen sie auf die Zurechnung der Tat als Ver-brechen, auf das Strafmaß oder auf die Zu-erkennung der Entschädigung von Einfluß ist,durch Vernehmung von Zeugen oder durch Sach-verständige zu ermitteln.

§ 100. Schriften, die in einer nicht gerichts-üblichen Sprache geschrieben und für die Unter-suchung erheblich sind, hat der Untersuchungs-richter durch einen beeidigten Dolmetsch über-setzen zu lassen und samt der Übersetzung zuden Akten zu bringen.

§ 101. Über alle gerichtlichen, zur Unter-suchung gehörenden Handlungen sind Protokolleaufzunehmen; es muß außer dem Beamten, derdie Handlung vornimmt oder leitet, stets einbeeidigter Protokollführer gegenwärtig sein.

§ 102. Werden einer UntersuchungshandlungGerichtszeugen zugezogen, so müssen diese voll-jährige, unbescholtene, an der Sache unbetei-ligte Personen sein und entweder allgemein oderfür den einzelnen Fall mit Handschlag angelobthaben, daß sie, um möglicherweise Zeugnis

vor Gericht abzulegen, auf alles, was vor ihnenvorgenommen oder ausgesagt wird, volle Auf-merksamkeit verwenden, über dessen getreueProtokollierung wachen und bis zur Hauptver-handlung über alles, was ihnen bei Gelegenheitder Untersuchungshandlung bekanntgewordenist, Stillschweigen bewahren werden.

§ 103. (1) Es ist eine allgemeine Bürgerpflicht,sich bei Untersuchungshandlungen unentgeltlichals Gerichtszeuge verwenden zu lassen. DiesePflicht trifft zunächst die Bewohner der Ge-meinde, in der die Untersuchungshandlung vor-zunehmen ist.

(2) Befreit sind:1. die Seelsorger der gesetzlich anerkannten

Kirchen und Religionsgesellschaften;2. Soldaten, wirklich dienende öffentliche Be-

amte und Vertragsbedienstete;3. öffentliche Lehrer, die ihren Beruf wirklich

ausübenden Sanitätspersonen, Rechtsanwälte,Notare, bei Eisenbahn- und Dampfschiffahrtenbeschäftigte Personen sowie alle, deren Berufs-dienst ohne Verletzung des öffentlichen Interessesnicht unterbrochen werden kann, endlich

4. Personen, die vom Tag- oder Wochenlohneleben.

§ 104. (1) Die Protokolle über gerichtliche Ver-handlungen werden gleich bei deren Vornahmeund, wo dies nicht tunlich ist, unmittelbar nach-her aufgenommen.

(2) Jedes Protokoll enthält die Bezeichnung desOrtes, Jahres und Tages der Aufnahme undder gegenwärtigen Personen.

(3) Die Fragen sind nur soweit niederzu-schreiben, als es zum Verständnis einer Ant-wort erforderlich ist. Die Antworten sind inder Regel bloß ihrem wesentlichen Inhalte nacherzählungsweise aufzunehmen. Nur wo es fürdie Beurteilung der Sache wichtig oder wo zuerwarten ist, daß die Vorlesung des Protokollsin der Hauptverhandlung erforderlich seinwerde, ist der Vernommene unter Beibehaltungseiner eigenen Ausdrücke redend anzuführen.

(4) Der Richter hat das Protokoll laut zu dik-tieren, sodaß es die Anwesenden hören. Dochsteht dem Vernommenen frei, seine Antwortendem Protokollführer zu diktieren. Mißbrauchtder Vernommene dieses Recht, so kann es ihmvom Richter entzogen werden.

§ 105. Jedes Protokoll ist den vernommenenoder sonst beigezogenen Personen vorzulesen,auch auf Verlangen zum Durchlesen vorzulegen;die geschehene Vorlesung oder Vorlegung sowiedie Genehmigung sind im Protokoll zu ver-merken. Es ist sodann von den vernommenenPersonen durch Beisetzung der Unterschrift oderdes Handzeichens auf jedem Bogen, und amSchlusse von den anwesenden Beamten, dem

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Protokollführer und den beigezogenen Gerichts-zeugen zu unterschreiben. Verweigert der Ver-nommene die Unterschrift, so ist dies nebst demGrunde der Weigerung im Protokoll zu ver-merken.

§ 106. In dem einmal Niedergeschriebenendarf nichts Erhebliches ausgelöscht, zugesetzt oderverändert werden. Durchstrichene Stellen müssennoch lesbar bleiben. Erhebliche Zusätze oderBerichtigungen, die ein Vernommener seiner Aus-sage beifügt, sind am Rande des Protokolls oderin einem Nachtrage zu vermerken und auf dieim § 105 bezeichnete Art zu genehmigen undzu unterschreiben.

§ 107. (1) Besteht das Protokoll aus mehrerenBogen, so müssen diese sämtlich mit einem Fadenzusammengeheftet und die Enden des Fadensmit dem Gerichtssiegel befestigt werden.

(2) Der Untersuchungsrichter hat ein Tagebuchzu führen, in dem alle Akten der Vorunter-suchung genau zu verzeichnen sind.

§ 108. (1) Gegen Personen, die sich ungeachtetvorausgegangener Abmahnung bei einer Amts-handlung des Untersuchungsrichters ein unge-bührliches oder beleidigendes Betragen zuschuldenkommen lassen, kann der Untersuchungsrichtereine Ordnungsstrafe bis zu fünftausend Schillingverhängen. Gegen Rechtsbeistände der Parteienkann eine Geldstrafe nur verhängt werden, wennsie nicht der Disziplinargewalt einer Standes-behörde unterliegen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ.33)

(2) Jede solche Verfügung ist in den Aktenersichtlich zu machen und der Ratskammer so-gleich anzuzeigen; dieser kommt die Befugniszu, die vom Untersuchungsrichter verhängtenStrafen auch von Amts wegen aufzuheben oderzu mildern (§ 113).

III. E i n s t e l l u n g o d e r S c h l i e ß u n gd e r V o r u n t e r s u c h u n g

§ 109. (1) Die Voruntersuchung ist durch Ver-fügung des Untersuchungsrichters einzustellen,sobald der Ankläger das Begehren nach straf-gerichtlicher Verfolgung zurückzieht oder erklärt,daß er keinen Grund zur weiteren gerichtlichenVerfolgung finde (§ 112). Ebenso ist vorzugehen,wenn der Staatsanwalt aus dem Grunde des§ 42 StGB die Einstellung der Voruntersuchungbeantragt und der Untersuchungsrichter seineAnsicht teilt. (BGBL Nr. 423/1974, Art. I Z. 34)

(2) Außerdem kann die Voruntersuchung nurdurch Beschluß der Ratskammer oder des Ge-richtshofes zweiter Instanz eingestellt werden.

§ 110. (1) Wird die Voruntersuchung ein-gestellt, so sind der Ankläger, der Privatbetei-ligte und der Beschuldigte hievon zu verstän-digen; der Beschuldigte ist, wenn er verhaftet ist,sogleich freizulassen.

(2) Auf sein Verlangen ist ihm ein Amtszeugaisdarüber auszufertigen, daß kein Grund zur wei-teren gerichtlichen Verfolgung gegen ihn vor-handen sei.

(3) Hat sich der durch das Verbrechen oderVergehen in seinem Rechte Verletzte dem Ver-fahren nicht angeschlossen, so ist ihm auf seinAnsuchen die Bestätigung der Einstellung zu er-teilen.

§ 111. Die Voruntersuchung wird geschlossen,sobald die gepflogenen Erhebungen zureichen,um die Anordnung der Hauptverhandlung zubegründen, und zugleich die zur vollständigenVorführung der Beweismittel in der Hauptver-handlung erforderliche Übersicht über diese Mit-tel erlangt ist.

§ 112. (1) Nach Schließung der Vorunter-suchung hat der Untersuchungsrichter die Aktendem Staatsanwalt zu übermitteln. Der Staats-anwalt ist verpflichtet (§ 27), binnen vierzehnTagen nach Empfang der Akten entweder dieAnklageschrift beim Untersuchungsrichter ein-zubringen, dem Untersuchungsrichter die Aktenmit der Erklärung zurückzustellen, daß er keinenGrund zur weiteren gerichtlichen Verfolgungfinde, oder einen Antrag auf Einstellung derVoruntersuchung aus dem Grunde des § 42 StGBzu stellen. Über diesen Antrag entscheidet derUntersuchungsrichter, wenn er die Ansicht desStaatsanwaltes teilt, sonst die Ratskammer. Ver-neint die Ratskammer das Vorliegen der Voraus-setzungen des § 42 StGB, so hat der Staats-anwalt binnen vierzehn Tagen nach Rechtskraftdieser Entscheidung die zur Fortsetzung des Ver-fahrens nötigen Anträge zu stellen (§ 27). (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 35)

(2) Der Privatankläger ist vom Abschlusseder Voruntersuchung mit der Aufforderung zurEinbringung der Anklageschrift binnen vierzehnTagen und mit der Belehrung in Kenntnis zusetzen, daß die Nichteinhaltung dieser Frist demRücktritte von der Anklage gleichkomme (§ 109).

(3) Innerhalb der zur Einbringung der An-klageschrift bestimmten Frist kann auch der An-trag auf Ergänzung der Voruntersuchung ge-stellt werden. Wird dieser Antrag abgelehnt,so läuft die neue Frist zur Einbringung derAnklageschrift von der Bekanntmachung des ab-lehnenden Beschlusses der Ratskammer.

IV. R e c h t s m i t t e l g e g e n V e r -f ü g u n g e n d e s U n t e r s u c h u n g s -

r i c h t e r s u n d d e r R a t s k a m m e r

§ 113. (1) Alle, die sich während der Vor-erhebungen, der Voruntersuchung oder in demder Einbringung der Anklageschrift nachfolgen-den Verfahren durch eine Verfügung oder Ver-zögerung des Untersuchungsrichters beschwer«

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erachten, haben das Recht, darüber eine Ent-scheidung der Ratskammer zu verlangen undihr Begehren entweder schriftlich oder mündlichbeim Untersuchungsrichter oder unmittelbar beider Ratskammer anzubringen. Eine solche Be-schwerde hemmt den Vollzug der Verfügungdes Untersuchungsrichters nur in den im § 108erwähnten Fällen.

(2) Die Ratskammer entscheidet in nichtöffent-licher Sitzung nach Anhörung des Untersuchungs-richters und des Staatsanwaltes.

§ 114. (1) Soweit nicht in anderen Bestimmun-gen ausdrücklich die Beschwerde zugelassen wird,ist ein weiterer Rechtszug an den Gerichtshofzweiter Instanz nur gegen solche Entscheidungender Ratskammer zulässig, mit denen

1. über die Ausscheidung einzelner Strafsachenaus dem gemeinsam zu führenden Strafverfahrenerkannt wird,

2. über die Einleitung oder Einstellung derVoruntersuchung erkannt wird, (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 36)

3. die Kautions- oder Bürgschaftssumme be-stimmt wird oder

4. außerhalb einer Haftprüfungsverhandlungüber die Haft entschieden wird.(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 2)

(2) In allen im vorstehenden Absatz bezeich-neten Fällen können der Staatsanwalt, der Privat-ankläger und der Beschuldigte Beschwerde füh-ren, der Beschuldigte aber nicht, wenn die Ein-leitung der Voruntersuchung abgelehnt oder dieVoruntersuchung eingestellt wurde. Die Be-schwerde hat in der Regel (§ 195 Abs. 7) keineaufschiebende Wirkung. Sie ist binnen vierzehnTagen nach Eröffnung des Beschlusses, gegen densie gerichtet ist, beim Vorsitzenden der Rats-kammer einzubringen. Der Gerichtshof zweiterInstanz entscheidet in nichtöffentlicher Sitzung.§ 196 Abs. 3 gilt sinngemäß. (BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 36)

(3) Bei der Entscheidung über solche Beschwer-den kann der Gerichtshof niemals zum Nachteiledes Beschuldigten Verfügungen und Beschlüsseändern, gegen die nicht Beschwerde geführt wird;im übrigen aber ist er berechtigt, die Beseitigungwahrgenommener Gebrechen des Verfahrens auchdann anzuordnen, wenn eine Beschwerde gegendiese nicht ergriffen werden konnte oder nichtergriffen worden ist.

(4) Findet er die Beschwerde gegen die Ein-stellung einer Voruntersuchung begründet, sokann er wegen solcher Handlungen, deren Ver-folgung von einem berechtigten Ankläger ver-langt wurde (§ 92) und wegen denen der Be-schuldigte bereits vernommen wurde, sofortdessen Versetzung in den Anklagestand aus-sprechen.

§ 115. Es ist nach Möglichkeit dafür zu sorgen,daß durch die wegen Ergreifung von Rechts-mitteln vorzunehmende Vorlegung der Aktender Gang des Verfahrens nicht aufgehalten werde;nötigenfalls sind von Aktenstücken, die zur Fort-führung des Verfahrens unentbehrlich sind, Ab-schriften zu machen.

XI. Hauptstück

Vom Augenschein und von den Sachverständigen

I. V o m A u g e n s c h e i n u n d d e r Zu-z i e h u n g v o n S a c h v e r s t ä n d i g e n

ü b e r h a u p t

§ 116. Der Augenschein ist vorzunehmen, sooft dies zur Aufklärung eines für die Unter-suchung erheblichen Umstandes notwendig er-scheint. Wenn sich dies wegen Anerkennungder zu untersuchenden Gegenstände oder zurErlangung von Aufklärungen als zweckdienlichdarstellt, ist der Beschuldigte zuzuziehen. DemVerteidiger des Beschuldigten kann die Beteili-gung bei der Vornahme des Augenscheines nichtversagt werden; auch ist ein bereits bestellterVerteidiger, wenn kein besonderes Bedenkendagegen obwaltet, von der Vornahme des Augen-scheines in Kenntnis zu setzen. Wenn es derUntersuchungsrichter für nötig hält oder derBeschuldigte verlangt, sind dem Augenscheinezwei Gerichtszeugen beizuziehen.

§ 117. Das über den Augenschein aufzuneh-mende Protokoll ist so bestimmt und umständ-lich abzufassen, daß es eine vollständige undtreue Anschauung der besichtigten Gegenständegewährt. Es sind ihm zu diesem Zweck erforder-lichenfalls Zeichnungen, Pläne oder Risse beizu-fügen; Maße, Gewichte, Größen und Ortsver-hältnisse sind nach bekannten und unzweifel-haften Bestimmungen zu bezeichnen.

§ 118. (1) Dem Augenschein ist erforderlichen-falls ein Sachverständiger beizuziehen.

(2) Zwei Sachverständige sind nur dann beizu-ziehen, wenn es wegen der Schwierigkeit derBeobachtung oder Begutachtung erforderlich ist.

§ 119. (1) Die Wahl der Sachverständigen stehtdem Untersuchungsrichter zu. Sind solche fürein bestimmtes Fach beim Gerichte bleibendangestellt, so soll er andere nur dann zuziehen,wenn Gefahr im Verzug ist oder wenn jenedurch besondere Verhältnisse abgehalten sindoder im einzelnen Fall als bedenklich erscheinen.

(2) Wenn ein Sachverständiger der an ihnergangenen Vorladung nicht Folge leistet oderseine Mitwirkung bei der Vornahme des Augen-scheines verweigert, kann der Untersuchungs-richter eine Geldstrafe bis fünftausend Schillingüber ihn verhängen. (BGBl. Nr. 423/1974. Art. IZ.37)

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§ 120. Personen, die in einem Untersuchungs-fall als Zeugen nicht vernommen oder nicht be-eidigt werden dürfen oder die zum Beschuldigtenoder zum Verletzten in einem der im § 152Abs. 1 Z. 1 bezeichneten Verhältnisse stehen,sind bei sonstiger Nichtigkeit des Aktes als Sach-verständige nicht beizuziehen. Von der Wahl derSachverständigen sind in der Regel sowohl derAnkläger als auch der Beschuldigte vor der Vor-nahme des Augenscheines in Kenntnis zu setzen;werden erhebliche Einwendungen vorgebrachtund ist nicht Gefahr im Verzuge, so sind andereSachverständige beizuziehen.

§ 121. (1) Sachverständige, die wegen ihrerbleibenden Anstellung schon im allgemeinen be-eidigt sind, hat der Untersuchungsrichter vordem Beginne der Amtshandlung an die Heilig-keit des von ihnen abgelegten Eides zu erinnern.

(2) Andere Sachverständige müssen vor derVornahme des Augenscheines eidlich verpflichtetwerden, daß sie dessen Gegenstand sorgfältiguntersuchen, die gemachten Wahrnehmungen treuund vollständig angeben und den Befund sowieihr Gutachten nach bestem Wissen und Gewissenund nach den Regem ihrer Wissenschaft oderKunst abgeben wollen.

§ 122. (1) Die Gegenstände des Augenscheinessind von den Sachverständigen in Gegenwart derGerichtspersonen zu besichtigen und zu unter-suchen, außer wenn diese aus Rücksichten dessittlichen Anstandes für angemessen erachten,sich zu entfernen, oder wenn die erforderlichenWahrnehmungen, wie bei der Untersuchung vonGiften, nur durch fortgesetzte Beobachtung oderlänger dauernde Versuche gemacht werdenkönnen.

(2) Bei jeder solchen Entfernung der Gerichts-personen vom Orte des Augenscheines ist aberauf geeignete Weise dafür zu sorgen, daß dieGlaubwürdigkeit der von den Sachverständigenzu pflegenden Erhebungen sichergestellt werde.

(3) Ist vom Verfahren der Sachverständigendie Zerstörung oder Veränderung eines vonihnen zu untersuchenden Gegenstandes zu er-warten, so soll ein Teil des Gegenstandes, inso-fern es tunlich erscheint, in gerichtlicher Ver-wahrung behalten werden.

§ 123. (1) Der Untersuchungsrichter leitet denAugenschein. Er bezeichnet mit möglichster Be-rücksichtigung der vom Ankläger und vomBeschuldigten oder dessen Verteidiger gestelltenAnträge die Gegenstände, auf die die Sachver-ständigen ihre Beobachtung zu richten haben,und stellt die Fragen, deren Beantwortung erfür erforderlich hält. Die Sachverständigenkönnen verlangen, daß ihnen aus den Aktenoder durch Vernehmung von Zeugen jene Auf-klärungen über von ihnen bestimmt zu be-zeichnende Punkte gegeben werden, die sie für

das abzugebende Gutachten für erforderlich er-achten.

(2) Wenn den Sachverständigen zur Abgabeeines gründlichen Gutachtens die Einsicht in dieUntersuchungsakten unerläßlich erscheint, könnenihnen, soweit nicht besondere Bedenken dagegenobwalten, auch die Akten selbst mitgeteiltwerden.

§ 124. Die Angaben der Sachverständigen überdie von ihnen gemachten Wahrnehmungen (Be-fund) sind vom Protokollführer sogleich auf-zuzeichnen. Das Gutachten samt dessen Gründenkönnen sie entweder sofort zu Protokoll gebenoder sich die Abgabe eines schriftlichen Gut-achtens vorbehalten, wofür eine angemesseneFrist zu bestimmen ist.

§ 125. Ist der Befund dunkel, unbestimmt,im Widerspruche mit sich selbst oder mit er-hobenen Tatumständen oder weichen die An-gaben zweier Sachverständiger über die von ihnenwahrgenommenen Tatsachen erheblich vonein-ander ab, und lassen sich die Bedenken nichtdurch eine nochmalige Vernehmung beseitigen,so ist der Augenschein, sofern es möglich ist,unter Zuziehung desselben oder derselben Sach-verständigen zu wiederholen. Erforderlichenfallskönnen an ihrer Stelle andere Sachverständigezugezogen werden.

§ 126. (1) Ergeben sich solche Widersprücheoder Mängel in bezug auf das Gutachten oderzeigt sich, daß es Schlüsse enthält, die aus denangegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig ge-zogen sind, und lassen sich die Bedenken nichtdurch eine nochmalige Vernehmung der Sach-verständigen beseitigen, so ist das Gutachten einesanderen oder zweier anderer Sachverständigereinzuholen.

(2) Sind die Sachverständigen Ärzte oder Che-miker, so kann in solchen Fällen das Gutachtender medizinischen Fakultät einer österreichischenUniversität eingeholt werden. Dasselbe geschieht,wenn die Ratskammer die Einholung eines Fakul-tätsgutachtens wegen der Schwierigkeit der Be-gutachtung nötig findet.

II. V e r f a h r e n b e i U n t e r s u c h u n g e nw e g e n T ö t u n g e n u n d K ö r p e r v e r -

l e t z u n g e n i n s b e s o n d e r e

§ 127. (1) Ist es bei einem Todesfalle zweifelhaft,ob der Tod durch ein Verbrechen oder Ver-gehen verursacht worden sei, so ist vor derBeerdigung die Leichenbeschau und Leichen-öffnung vorzunehmen.

(2) Ist die Leiche bereits beerdigt, so mußsie zu diesem Zwecke wieder ausgegraben werden,wenn nach den Umständen noch ein erheblichesErgebnis davon erwartet werden kann und nichtdringende Gefahr für die Gesundheit der Per-sonen vorhanden ist, die an der Leichenbeschauteilnehmen müssen.

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(3) Ehe zur Öffnung der Leiche geschrittenwird, ist diese genau zu beschreiben und derenIdentität durch Vernehmung von Personen, dieden Verstorbenen gekannt haben, außer Zweifelzu setzen. Diesen Personen ist nötigenfalls vorder Anerkennung eine genaue Beschreibung desVerstorbenen abzufordern. Ist dieser aber ganzunbekannt, so ist eine genaue Beschreibung derLeiche durch öffentliche Blätter bekanntzu-machen.

(4) Bei der Leichenbeschau hat der Unter-suchungsrichter darauf zu sehen, daß die Lageund Beschaffenheit des Leichnams, der Ort, wo,und die Kleidung, worin er gefunden wurde,genau vermerkt sowie alles, was nach den Um-ständen für die Untersuchung von Bedeutungsein könnte, sorgfältig beachtet werde. Insbeson-dere sind Wunden und andere äußere Spurenerlittener Gewalttätigkeit nach ihrer Zahl undBeschaffenheit genau zu verzeichnen, die Mittelund Werkzeuge anzugeben, durch die sie wahr-scheinlich verursacht wurden, und die etwa vor-gefundenen, möglicherweise gebrauchten Werk-zeuge mit den vorhandenen Verletzungen zuvergleichen.

§ 128. (1) Die Leichenbeschau und Leichen-öffnung ist durch einen oder nötigenfalls zweiÄrzte (§ 118 Abs. 2) nach den dafür bestehendenbesonderen Vorschriften vorzunehmen.

(2) Der Arzt, der den Verstorbenen in derdessen Tod allenfalls vorhergegangenen Krank-heit behandelt hat, ist, wenn es zur Aufklärungdes Sachverhaltes beitragen und ohne Ver-zögerung geschehen kann, zur Gegenwart beider Leichenbeschau aufzufordern.

§ 129. (1) Das Gutachten hat sich darüberauszusprechen, was im vorliegenden Falle die deneingetretenen Tod zunächst bewirkende Ursachegewesen und wodurch sie erzeugt worden ist.

(2) Werden Verletzungen wahrgenommen, soist insbesondere zu erörtern:

1. ob sie dem Verstorbenen durch die Hand-lung eines anderen zugefügt wurden und, fallsdiese Frage bejaht wird,

2. ob diese Handlunga) schon ihrer allgemeinen Natur wegen,b) wegen der eigentümlichen persönlichen

Beschaffenheit oder eines besonderen Zu-standes des Verletzten,

c) wegen der zufälligen Umstände, unterdenen sie verübt wurde, oder

d) wegen zufällig hinzugekommener, jedochdurch sie veranlaßter oder aus ihr ent-standener Zwischenursachen den Tod her-beigeführt habe, und ob endlich

e) der Tod durch rechtzeitige und zweck-mäßige Hilfe hätte abgewendet werdenkönnen.

(3) Insofern sich das Gutachten nicht überalle für die Entscheidung erheblichen Umständeverbreitet, sind hierüber vom Untersuchungs-richter besondere Fragen an die Sachverständigenzu stellen.

§ 130. Bei Verdacht einer Kindestötung istnebst den nach den vorstehenden Vorschriftenzu pflegenden Erhebungen auch zu erforschen,ob das Kind lebendig geboren wurde.

§ 131. Liegt der Verdacht einer Vergiftungvor, so sind der Erhebung des Tatbestandesnötigenfalls auch ein oder zwei Chemiker (§118Abs. 2) beizuziehen. Die Untersuchung der Gifteselbst aber kann nach Umständen auch von denChemikern allein in einem hiezu geeignetenLokale vorgenommen werden.

§ 132. Auch bei körperlichen Beschädigungenist nötigenfalls die Besichtigung des Verletztendurch einen oder zwei Ärzte (§ 118 Abs. 2)zu veranlassen. Die Sachverständigen haben dieVerletzungen genau zu beschreiben und sich ins-besondere darüber auszusprechen, welche vonden vorhandenen Körperverletzungen oder Ge-sundheitsstörungen an und für sich oder inihrem Zusammenwirken, unbedingt oder unterden besonderen Umständen des Falles als leichte,schwere oder lebensgefährliche anzusehen sind,welche Wirkungen Beschädigungen dieser Artgewöhnlich nach sich zu ziehen pflegen undwelche im vorliegenden einzelnen Falle daraushervorgegangen sind sowie durch welche Mitteloder Werkzeuge und auf welche Weise sie zuge-fügt worden sind.

§ 133. Ist die körperliche Besichtigung einerFrauensperson nötig, so ist womöglich eineÄrztin damit zu beauftragen.

III. V e r f a h r e n b e i Z w e i f e l n ü b e rG e i s t e s s t ö r u n g e n o d e r ü b e r Zu-

r e c h n u n g s f ä h i g k e i t

§ 134. (1) Entstehen Zweifel darüber, ob derBeschuldigte zur Zeit der Tat den Gebrauchseiner Vernunft besessen oder ob er an einerGeistesstörung gelitten habe, wodurch seine Zu-rechnungsfähigkeit aufgehoben war, so ist dieUntersuchung seines Geistes- oder Gemüts-zustandes durch einen oder nötigenfalls zweiÄrzte (§ 118 Abs. 2) zu veranlassen.

(2) Diese haben über das Ergebnis ihrer Beob-achtungen Bericht zu erstatten, alle für die Be-urteilung des Geistes- und Gemütszustandes desBeschuldigten einflußreichen Tatsachen zusam-menzustellen, sie nach ihrer Bedeutung sowohleinzeln als auch im Zusammenhange zu prüfenund, falls sie eine Geistesstörung als vorhandenbetrachten, die Natur der Krankheit, deren Artund Grad zu bestimmen und sich sowohl nachden Akten als auch nach ihrer eigenen Beobach-tung über den Einfluß auszusprechen, den die

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Krankheit auf die Vorstellungen, Triebe undHandlungen des Beschuldigten geäußert hat undnoch äußert, und ob und in welchem Maße die-ser getrübte Geisteszustand zur Zeit der began-genen Tat bestanden hat.

IV. P r ü f u n g v o n H a n d s c h r i f t e n

§ 135. Entstehen Zweifel über die Echtheiteiner Urkunde oder soll ermittelt werden, vonwessen Hand eine bestimmte Schrift herrührt,so kann eine Vergleichung mit unzweifelhaftechten Schriftstücken durch einen oder zwei Sach-verständige vorgenommen werden.

V. V e r f a h r e n b e i U n t e r s u c h u n g e nw e g e n s t r a f b a r e r H a n d l u n g e ng e g e n d i e S i c h e r h e i t des V e r k e h r sm i t G e l d , W e r t p a p i e r e n u n d W e r t -

z e i c h e n(BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 38)

§ 136. (1) In Fällen strafbarer Handlungengegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld,Wertpapieren und Wertzeichen hat der Unter-suchungsrichter die Stücke, die den Gegenstandder Untersuchung bilden, in der Regel an dasBundesministerium für Finanzen zu senden, umden Befund über ihre Echtheit oder Unechtheitund die weitere Auskunft zu erhalten, in welcherArt die Fälschung geschehen ist, ob vorbereiteteWerkzeuge benützt worden sind, die die Verviel-fältigung erleichtern, endlich ob und wo solchegefälschte Stücke bereits vorgekommen sind.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 39)

(2) Ebendahin sind auch nach gänzlich beendig-tem strafgerichtlichen Verfahren die Falsifikatesamt allen von der strafbaren Handlung her-rührenden Werkzeugen, Materialien und anderendazugehörigen Gegenständen einzuschicken. So-bald diese Gegenstände zu einer neuerlichen straf-gerichtlichen Amtshandlung nötig werden, sindsie zurückzuverlangen.

(3) Bei Fälschungen von Noten oder Kredit-papieren der Oesterreichischen Nationalbankhaben sich die Untersuchungsrichter unmittelbaran diese Bank, bei Fälschungen von inländischemMetallgeld an das hiefür bestimmte Münzamtzu wenden und ebendahin nach beendigtem Ver-fahren auch die Falsifikate einzusenden.

(4) Wegen Erlangung des Befundes über ge-fälschtes ausländisches Geld oder solche Kredit-papiere hat sich der Untersuchungsrichter un-mittelbar an das Bundesministerium für Justizzu wenden.

VI. V e r f a h r e n b e i U n t e r s u c h u n g e nw e g e n B r a n d l e g u n g e n

§ 137. Bei Brandlegungen ist insbesondere zuermitteln, auf welche Weise der Brand gelegt,ob dazu ein Zündstoff und welcher verwendetworden ist; ferner sind der Ort, wo, und dieZeit zu erforschen, wann die Brandlegung, ob

sie bei Tag oder Nacht und ob sie unter solchenUmständen geschehen ist, daß daraus wirklicheine Feuersbrunst an fremdem Eigentume be-wirkt oder doch die Gefahr einer solchen herbei-geführt oder das Leben eines Menschen einerGefahr ausgesetzt worden ist und ob sich dasFeuer beim Ausbruche leicht hätte verbreitenkönnen; endlich ist bei einem wirklich ausge-brochenen Brande die Größe des dadurch ver-ursachten Schadens zu erheben.

VII. V e r f a h r e n b e i U n t e r s u c h u n g e nw e g e n a n d e r e r B e s c h ä d i g u n g e n

§ 138. Bei Verbrechen oder Vergehen, durchdie auf andere als die eben erwähnte Weiseein Schaden oder eine Gefahr für Leben oderEigentum herbeigeführt wurde, ist durch denAugenschein vorzüglich die Beschaffenheit derangewendeten Gewalt oder List, der gebrauchtenMittel oder Werkzeuge und die Größe des ver-ursachten oder beabsichtigten Schadens und desentgangenen Gewinnes oder der Gefahr für dasLeben, die Gesundheit oder körperliche Sicher-heit von Menschen und für fremdes Eigentumzu erheben.

XII. Hauptstück

Von der Haus- und Personsdurchsuchung, derBeschlagnahme und der Überwachung eines Fern-

meldeverkehrs(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 40)

I. H a u s - u n d P e r s o n s d u r c h s u c h u n g

§ 139. (1) Eine Hausdurchsuchung, das ist dieDurchsuchung der Wohnung oder sonstiger zumHauswesen gehöriger Räumlichkeiten, darf nurdann vorgenommen werden, wenn gegründeterVerdacht vorliegt, daß sich darin eine eines Ver-brechens oder Vergehens verdächtige Person ver-borgen halte oder daß sich daselbst Gegenständebefinden, deren Besitz oder Besichtigung für einebestimmte Untersuchung von Bedeutung seinkönne.

(2) Gegen Personen, bei denen eine hohe Wahr-scheinlichkeit für den Besitz solcher Gegenständespricht oder die eines Verbrechens oder Ver-gehens verdächtig oder sonst übel berüchtigt sind,ist auch die Durchsuchung der Person und ihrerKleidung zulässig.

§ 140. (1) Eine Durchsuchung ist in der Regelnur nach vorausgegangener Vernehmung dessen,bei oder an dem sie vorgenommen werden soll,und nur insofern zulässig, als durch die Verneh-mung weder die freiwillige Herausgabe des Ge-suchten noch die Beseitigung der die Durch-suchung veranlassenden Gründe herbeigeführtwird.

(2) Von dieser Vernehmung kann bei übel-berüchtigten Personen sowie auch dann abgesehenwerden, wenn Gefahr im Verzug ist oder wenn

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die Durchsuchung von dem Publikum offen-stehenden Räumlichkeiten vorgenommen wird.

(3) In der Regel darf die Durchsuchung nurkraft eines mit Gründen versehenen richterlichenBefehles unternommen werden. Dieser Befehlist dem Beteiligten sogleich oder doch inner-halb der nächsten vierundzwanzig Stunden zu-zustellen.

(4) Von Hausdurchsuchungen wegen Ver-brechen oder Vergehen, bei denen weitere poli-zeiliche Nachforschungen oder Vorkehrungen imInteresse der öffentlichen Sicherheit erforderlichsein können, ist, insofern dies ohne Verzögerunggeschehen kann, die nächste Sicherheitsbehördevorläufig in Kenntnis zu setzen, damit ein Ab-geordneter dieser Behörde hiebei anwesend seinund, ohne auf den Untersuchungsakt Einfluß zunehmen, sich die nötigen Kenntnisse zu denweiter erforderlichen Vorkehrungen verschaffenkönne.

§ 141. (1) Zum Zwecke der Strafgerichtspflegekann bei Gefahr im Verzug auch ohne richter-lichen Befehl eine Hausdurchsuchung von Ge-richtsbeamten oder Beamten der Sicherheits-behörden angeordnet werden. Der zur VornahmeAbgeordnete ist mit einer schriftlichen Ermächti-gung zu versehen, die er dem Beteiligten vor-zuweisen hat.

(2) Zu demselben Zwecke kann eine Haus-durchsuchung auch durch die Sicherheitsorganeaus eigener Macht vorgenommen werden, wenngegen jemanden ein Vorführungs- oderHaftbefehl erlassen oder wenn jemand auf derTat betreten, durch öffentliche Nacheile oderöffentlichen Ruf als einer strafbaren Handlungverdächtig bezeichnet oder im Besitze von Gegen-ständen betreten wird, die auf die Beteiligungan einer solchen hinweisen.

(3) In beiden Fällen ist dem Beteiligten aufsein Verlangen sogleich oder doch binnen dernächsten vierundzwanzig Stunden die Bescheini-gung über die Vornahme der Hausdurchsuchungund deren Gründe zuzustellen.

§ 142. (1) Haus- und Personsdurchsuchungensind stets mit Vermeidung alles unnötigen Auf-sehens, jeder nicht unumgänglich nötigen Be-lästigung oder Störung der Beteiligten, mit mög-lichster Schonung ihres Rufes und ihrer mitdem Gegenstande der Untersuchung nicht zu-sammenhängenden Privatgeheimnisse sowie mitsorgfältigster Wahrung der Schicklichkeit unddes Anstandes vorzunehmen.

(2) Der Inhaber der Räumlichkeit, die durch-sucht werden soll, ist aufzufordern, der Durch-suchung beizuwohnen; ist er verhindert odernicht anwesend, so muß die Aufforderung anein erwachsenes Mitglied seiner Familie oder indessen Ermangelung an einen Hausgenossen oderNachbar ergehen.

(3) Außerdem sind bei der Durchsuchung stetsein Protokollführer und zwei Gerichtszeugenbeizuziehen.

(4) Das über die Durchsuchung aufzunehmendeProtokoll ist von allen Anwesenden zu unter-fertigen. Ist nichts Verdächtiges ermittelt wor-den, so ist dem Beteiligten auf sein Verlangeneine Bestätigung hierüber zu erteilen.

II. B e s c h l a g n a h m e

§ 143. (1) Werden Gegenstände gefunden, diefür die Untersuchung von Bedeutung sein könnenoder dem Verfall oder der Einziehung unter-liegen, so sind sie in ein Verzeichnis zu bringenund in gerichtliche Verwahrung oder doch untergerichtliche Obhut oder in Beschlag zu nehmen(§ 98). (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 41)

(2) Jedermann ist verpflichtet, solche Gegen-stände, insbesondere auch Urkunden, auf Ver-langen herauszugeben. Wird die Herausgabe einesGegenstandes, dessen Innehabung zugestandenoder sonst erwiesen ist, verweigert und läßt sichdie Abnahme nicht durch Hausdurchsuchung be-wirken, so kann der Besitzer, falls er nicht selbstder strafbaren Handlung verdächtig erscheintoder von der Verbindlichkeit zur Ablegung einesZeugnisses gesetzlich befreit ist, durch Verhän-gung einer Beugestrafe bis zu fünftausend Schil-ling und bei weiterer Weigerung in wichtigenFällen durch Verhängung einer Beugehaft bis zusechs Wochen dazu angehalten werden. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 41)

§ 144. Werden bei einer Haus- oder Per-sonsdurchsuchung Gegenstände gefunden, die aufdie Begehung einer anderen als der strafbarenHandlung schließen lassen, derentwegen die Durch-suchung vorgenommen wird, so werden sie, wennjene von Amts wegen zu verfolgen ist, zwarmit Beschlag belegt; es muß jedoch hierüberein besonderes Protokoll aufgenommen und die-ses sofort dem Staatsanwalte mitgeteilt werden.Beantragt dieser nicht die Einleitung des Straf-verfahrens, so sind die in Beschlag genommenenGegenstände unverzüglich zurückzugeben.

III. D u r c h s u c h u n g u n d B e s c h l a g -n a h m e v o n P a p i e r e n

§ 145. (1) Bei der Durchsuchung von Papierenist dafür zu sorgen, daß deren Inhalt nicht zurKenntnis unbefugter Personen gelange.

(2) Will der Inhaber von Papieren derenDurchsuchung nicht gestatten, so sind diese ver-siegelt bei Gericht zu hinterlegen; auch ist sofortdie Entscheidung der Ratskammer einzuholen,ob sie durchsucht oder zurückgegeben werdensollen.

(3) Auch außerdem sind Papiere, die in ge-richtliche Verwahrung genommen wurden unddie nicht sofort verzeichnet werden können, in

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einen mit dem Gerichtssiegel zu verschließendenUmschlag zu bringen. Auch dem bei der Durch-suchung etwa anwesenden Beteiligten ist die Bei-drückung seines Siegels zu gestatten. Wird eineEntsiegelung vorgenommen, so ist der Beteiligteaufzufordern, ihr beizuwohnen. Erscheint er aufeine solche Aufforderung nicht oder kann ihmdiese wegen seiner Abwesenheit nicht zugestelltwerden, so ist die Entsiegelung dennoch vor-zunehmen.

IV. B e s c h l a g n a h m e u n d Ö f f n u n g v o nB r i e f e n u n d a n d e r e n S e n d u n g e n

§ 146. (1) Befindet sich der Beschuldigte bereitswegen einer vorsätzlich begangenen, mit mehrals einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten straf-baren Handlung in Haft oder ist wegen einersolchen ein Vorführungs- oder Haftbefehl gegenihn erlassen, so kann der UntersuchungsrichterTelegramme, Briefe oder andere Sendungen, dieder Beschuldigte abschickt oder die an ihn ge-richtet werden, in Beschlag nehmen und von denPost- oder Telegraphenämtern und sonstigen Be-förderungsanstalten deren Auslieferung verlan-gen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 42)

(2) Diese sind ferner verpflichtet, auf Ver-langen des Staatsanwaltes solche Sendungen biszum Eintreffen einer gerichtlichen Verfügungzurückzuhalten; ergeht jedoch eine solche Ver-fügung des Untersuchungsrichters nicht binnendrei Tagen, so dürfen sie die Beförderung nichtweiter verschieben.

§ 147. (1) Die Öffnung der mit Beschlagbelegten Sendungen kann nur durch den Unter-suchungsrichter, und zwar mit Zustimmung desBeschuldigten ohneweiters geschehen. Wenn derBeschuldigte nicht zustimmt, hat der Unter-suchungsrichter, sofern nicht Gefahr im Verzugist, vorläufig die Genehmigung der Ratskammereinzuholen.

(2) Bei der Öffnung, über die ein Protokollaufzunehmen ist, dürfen die Siegel nicht verletztwerden; Umschläge und Adressen sind aufzube-wahren.

§ 148. Die Beschlagnahme von Sendungen istdem Beschuldigten oder, wenn er abwesend ist,einem seiner Angehörigen sogleich und längstensbinnen vierundzwanzig Stunden bekannt-zumachen. Sind Sendungen geöffnet worden, sosind Briefe und Telegramme, sofern von derMitteilung ihres Inhaltes kein nachteiliger Ein-fluß für die Untersuchung zu besorgen ist, demBeschuldigten oder der Person, an die sie gerich-tet sind, in Urschrift oder Abschrift, ganz oderauszugsweise mitzuteilen. Ist der Beschuldigte ab-wesend, so geschieht die Mitteilung an einen sei-ner Angehörigen. Sind keine Angehörigen desBeschuldigten vorhanden, so ist der Brief, wennder Richter es im Interesse des Absenders erach-

tet, diesem zurückzuschicken, oder es ist ihm,falls der Brief oder das Telegramm bei den Aktenbleiben muß, die vorgenommene Beschlagnahmeanzuzeigen.

§ 149. In Beschlag genommene Sendungen,deren Öffnung nicht für nötig erachtet wurde,sind ohne Verzug denen auszufolgen, an die siegerichtet sind, oder der Beförderungsanstalt zu-rückzugeben.

V. Ü b e r w a c h u n g e i n e s F e r n -meldeverkehrs

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 43)

§ 149 a. (1) Die Überwachung eines Fernmelde-verkehrs einschließlich der Aufzeichnung seinesInhaltes ist nur zulässig, wenn zu erwarten ist,daß dadurch die Aufklärung einer vorsätzlichbegangenen, mit mehr als einjähriger Freiheits-strafe bedrohten strafbaren Handlung gefördertwerden kann, und wenn

1. der Inhaber der Fernmeldeanlage selbstdringend verdächtig ist, die Tat begangen zuhaben, oder

2. Gründe für die Annahme vorliegen, daß sicheine der Tat dringend verdächtige Person beimInhaber der Anlage aufhalte oder sich mit ihmunter Benützung der Anlage in Verbindungsetzen werde, es sei denn, daß der Inhaber eineder im § 152 Abs. 1 Z. 2 genannten Personenist, oder

3. der Inhaber der Anlage der Überwachungausdrücklich zustimmt.

(2) Die Anordnung der Überwachung des Fern-meldeverkehrs steht der Ratskammer zu. BeiGefahr im Verzüge kann auch der Untersuchungs-richter diese Anordnung treffen, doch hat er un-verzüglich die Genehmigung der Ratskammereinzuholen. Wird die Genehmigung verweigert,so hat der Untersuchungsrichter die Anordnungsofort zu widerrufen und die Aufzeichnungen ver-nichten zu lassen.

(3) Um die Durchführung der Überwachungdes Fernmeldeverkehrs im Einvernehmen mitden Fernmeldebehörden sind die Sicherheits-behörden zu ersuchen (§ 26).

§ 149 b. (1) Sobald die Voraussetzungen für dieweitere Überwachung des Fernmeldeverkehrsweggefallen sind, hat die Ratskammer die sofor-tige Beendigung der Überwachung anzuordnen.Diese Anordnung obliegt dem Untersuchungs-richter, wenn zugleich das Strafverfahren einge-stellt wird.

(2) Nach Beendigung der Überwachung hat derUntersuchungsrichter dem Inhaber der überwach-ten Fernmeldeanlage und dem Verdächtigen (Be-schuldigten) die Tatsache der Überwachung mit-zuteilen. Zugleich ist dem Inhaber der Fernmelde-anlage Gelegenheit zur Einsichtnahme in die Auf-zeichnungen zu geben, desgleichen dem vom

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Inhaber der Fernmeldeanlage verschiedenen Ver-dächtigen (Beschuldigten), diesem jedoch nur in-soweit, als die Aufzeichnungen für das gegen-wärtige oder für ein erst einzuleitendes Straf-verfahren gegen ihn von Bedeutung sein können.Bei der Einsichtnahme können der Inhaber derFernmeldeanlage und der Verdächtige (Beschul-digte) verlangen, daß die von ihnen eingesehenenAufzeichnungen aufbewahrt werden. Wird keinsolches Verlangen gestellt, so hat der Unter-suchungsrichter die Aufzeichnungen nur so weitzu den Akten zu nehmen, als sie für das gegen-wärtige oder ein erst einzuleitendes Strafver-fahren von Bedeutung sein können; die nicht zuden Akten genommenen Aufzeichnungen hat ervernichten zu lassen.

(3) Erachtet sich der Inhaber der überwachtenFernmeldeanlage dadurch beschwert, daß dieÜberwachung von der Ratskammer angeordnet,genehmigt oder aufrechterhalten worden ist, sosteht ihm die binnen vierzehn Tagen nach derMitteilung des Untersuchungsrichters einzubrin-gende Beschwerde an den Gerichtshof zweiterInstanz zu (§ 114). Wird die Beschwerde fürberechtigt erkannt, so ist zugleich anzuordnen,daß alle durch unzulässige Überwachung gewon-nenen Aufzeichnungen zu vernichten sind, sofernnicht nach Abs. 2 ihre Aufbewahrung verlangtworden ist.

XIII. Hauptstück

Von der Vernehmung der Zeugen

§ 150. In der Regel ist jeder, der als Zeugevorgeladen wird, verpflichtet, der Vorladung Folgezu leisten und über das, was ihm vom Gegen-stande der Untersuchung bekannt ist, vor GerichtZeugnis abzulegen.

§ 151. Als Zeugen dürfen bei sonstiger Nichtig-keit ihrer Aussage nicht vernommen werden:

1. Geistliche über das, was ihnen in der Beichteoder sonst unter dem Siegel geistlicher Amts-verschwiegenheit anvertraut wurde;

2. Staatsbeamte, wenn sie durch ihr Zeugnisdas ihnen obliegende Amtsgeheimnis verletzenwürden, insofern sie dieser Verschwiegenheits-pflicht nicht durch ihre Vorgesetzten entbundensind;

3. Personen, die zur Zeit, in der sie das Zeug-nis ablegen sollen, wegen ihrer Leibes- oder Ge-mütsbeschaffenheit außerstande sind, die Wahr-heit anzugeben.

§ 152. (1) Von der Verbindlichkeit zur Ab-legung eines Zeugnisses sind befreit:

1. Die Angehörigen des Beschuldigten (§ 72StGB), wobei die durch eine Ehe begründeteEigenschaft einer Person als Angehöriger auf-recht bleibt, auch wenn die Ehe nicht mehrbesteht; (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 44)

2. Verteidiger über das, was ihnen in dieserEigenschaft vom Beschuldigten anvertraut wor-den ist, und Rechtsanwälte, Notare und Wirt-schaftstreuhänder über das, was ihnen in dieserEigenschaft von ihrem Vollmachtgeber anver-traut worden ist. (BGBl. Nr. 143/1972, Art. IZ. 1)

(2) Steht eine als Zeuge vorgeladene Personnur zu einem von mehreren Beschuldigten ineinem der vorstehend erwähnten Verhältnisse,so kann sie sich des Zeugnisses hinsichtlich deranderen nur dann entschlagen, wenn eine Son-derung der Aussagen, die die anderen betreffen,nicht möglich ist.

(3) Der Untersuchungsrichter hat die unterAbs. 1 Z. 1 bezeichneten Personen, wenn sie alsZeugen vorgerufen werden, vor ihrer Verneh-mung oder doch, sobald ihm ihr Verhältnis zumBeschuldigten bekannt wird, über ihr Recht, sichdes Zeugnisses zu entschlagen, zu belehren undihre darüber abgegebene Erklärung in das Pro-tokoll aufzunehmen. Hat der Zeuge auf seinRecht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, nichtausdrücklich verzichtet, so ist seine Aussagenichtig.

§ 153. Wenn die Ablegung des Zeugnissesoder die Beantwortung einer Frage für den Zeu-gen oder einen seiner Angehörigen (§ 152 Abs. 1Z. 1) Schande oder die Gefahr strafgerichtlicherVerfolgung oder eines unmittelbaren und bedeu-tenden vermögensrechtlichen Nachteils mit sichbrächte, und er deshalb das 2ieugnis verweigert,so soll er nur zum Zeugnis verhalten werden,wenn dies wegen der besonderen Bedeutungseiner Aussage unerläßlich ist.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 45)

§ 154. Personen, die durch Krankheit oderGebrechlichkeit vor Gericht zu erscheinen ver-hindert sind, können in ihrer Wohnung ver-nommen werden.

§ 155. (Aufgehoben)

§ 156. Ist der Aufenthaltsort eines Zeugenaußerhalb des Sprengeis des am Sitze des Unter-suchungsrichters befindlichen Bezirksgerichtes ge-legen, so ist die Vernehmung in der Regel durchdas Bezirksgericht zu veranlassen, in dessen Be-zirk sich der Zeuge befinden Hält jedoch derUntersuchungsrichter es zur Erlangung einererschöpfenden Aussage oder zur Beschleunigungder Sache für notwendig, den Zeugen selbst zuvernehmen, so kann er ihn. unmittelbar oderdurch das Bezirksgericht, dem der Zeuge unter-steht, zum persönlichen Erscheinen vorladen. Istdie Stellung des Zeugen vor den Untersuchungs-richter mit zu großen Schwierigkeiten oder mitzu großen Kosten verbunden, so kann er ihn andessen Aufenthaltsort auch selbst vernehmen, hatjedoch, wenn dieser nicht im Sprengel des Ge-richtshofes liegt, dem er angehört, den zustän-

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digen Gerichtshof davon gleichzeitig zu benach-richtigen.

§ 157. Sind Zeugen zu vernehmen, die sichaußerhalb des Gebietes der Republik Österreichbefinden, so ist in der Regel um deren Verneh-mung der zuständige fremde Richter zu er-suchen. Diesem sind die Gegenstände und Fragenmitzuteilen, worüber die Vernehmung stattzu-finden hat; zugleich ist das Ersuchen zu stellen,nach Beschaffenheit der Umstände die Verneh-mung auch auf solche Fragepunkte auszudehnen,die sich aus dem Inhalte der vom Zeugen abge-legten Aussage ergeben werden. Stellt sich aberdas persönliche Erscheinen eines solchen Zeugenvor dem Strafgericht als notwendig dar, so ist,wenn der Zeuge sich nicht freiwillig einfindet,darüber dem Bundesministerium für Justiz Be-richt zu erstatten.

§ 158. (1) Steht die zu vernehmende Personin einem öffentlichen Amt oder Dienst undmuß zur Wahrung der öffentlichen. Sicherheitoder anderer öffentlicher Interessen eine Stell-vertretung während ihrer Verhinderung ein-treten, so ist der unmittelbare Vorgesetzte vonderen Vorladung gleichzeitig zu benachrichtigen.

(2) Diese Vorschrift hat auch dann zu gelten,wenn Angestellte von Eisenbahnen und Dampf-schiffen, Berg-, Hütten-, Hammer- und Walz-werksarbeiter, im Bundes-, Landes- oder Ge-meindedienste stehende Sanitätspersonen, imöffentlichen oder Privatforstdienste stehende Per-sonen vorzuladen sind.

§ 159. Wenn ein Zeuge der ihm zugestelltenVorladung nicht Folge leistet, so ist er neuerlichunter Androhung einer Geldstrafe bis zu fünf-tausend Schilling für den Fall des Nicht-erscheinens und unter der weiteren Drohungvorzuladen, daß ein Vorführungsbefehl gegenihn werde erlassen werden. Bleibt der Zeuge ohnegültige Entschuldigungsgründe dennoch aus, sohat der Untersuchungsrichter die Geldstrafewider ihn zu verhängen und den Vorführungs-befehl auszufertigen. In dringenden Fällen kannder Untersuchungsrichter schon nach dem erstennicht gerechtfertigten Ausbleiben gegen ihn einenVorführungsbefehl erlassen. Die Kosten der Vor-führung hat der Zeuge zu vergüten.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 46)

§ 160. Erscheint der Zeuge, verweigert er aberohne gesetzlichen Grund, ein Zeugnis abzulegenoder den Zeugeneid zu leisten, so kann ihn derUntersuchungsrichter durch Verhängung einerBeugestrafe bis zu fünftausend Schilling und beiweiterer Weigerung in wichtigen Fällen durchVerhängung einer Beugehaft bis zu sechs Wochendazu anhalten, ohne daß deshalb die Fortsetzungoder Beendigung der Voruntersuchung aufgehal-ten werden muß.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 47)

§ 161. Die Mitglieder der Gendarmerie undSicherheitswache sind, wenn sie als Zeugen zuvernehmen sind, immer wie Personen aus demZivilstande zu behandeln. Die Vorladungen ansie sind jedoch nur den selbständigen Komman-danten unmittelbar, den übrigen Mitgliederndieser Körper aber immer durch ihre Vorgesetz-ten zuzustellen; diesen obliegt es, das Erscheinendes Vorgeladenen vor dem Gericht anzuordnen.

§ 162. (1) Jeder Zeuge wird vom Unter-suchungsrichter in der Regel ohne Beisein desAnklägers, des Privatbeteiligten, des Beschuldig-ten oder anderer Zeugen einzeln vernommen.

(2) Besteht auf Grund bestimmter Tatsachendie Wahrscheinlichkeit, daß das Protokoll überdie Vernehmung des Zeugen in der Hauptver-handlung gemäß § 252 Abs. 1 Z. 1 zu verlesensein wird, so hat der Untersuchungsrichter demAnkläger, dem Privatbeteiligten, dem Beschul-digten und seinem Verteidiger Gelegenheit zugeben, sich an der Vernehmung zu beteiligenund Fragen an den Zeugen zu stellen (§ 249).

(3) Von der nach Abs. 2 einzuräumenden Ge-legenheit zur Beteiligung an der Vernehmungkann im Interesse der Untersuchung, insbeson-dere wenn durch die Beteiligung eine erheblicheVerzögerung des Verfahrens oder eine Erschwe-rung der Wahrheitsfindung zu besorgen wäre,von vornherein oder zeitweise Abstand genom-men werden. In diesem Fall ist den ParteienGelegenheit zu geben, den wesentlichen Inhaltder in ihrer Abwesenheit abgelegten Aussage zuerfahren.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 48)

§ 163. Ist ein Zeuge der Gerichtssprache nichtkundig, so ist ein Dolmetsch zuzuziehen, wennnicht sowohl der Untersuchungsrichter als auchder Schriftführer der fremden Sprache mächtigsind. In dieser Sprache ist die Aussage des Zeugennur dann im Protokoll oder in einer Beilage auf-zuzeichnen, wenn es notwendig ist, den Ver-nommenen unter Beibehaltung seiner eigenenAusdrücke redend anzuführen (§ 104 Abs. 3).

§ 164. Ist ein Zeuge taub, so werden ihm dieFragen schriftlich vorgelegt, und ist er stumm,so wird er aufgefordert, schriftlich zu antworten.Wenn die eine oder die andere Art der Ver-nehmung nicht möglich ist, so muß die Ver-nehmung des Zeugen unter Zuziehung eineroder mehrerer Personen geschehen, die seinerZeichensprache kundig sind oder sonst die Ge-schicklichkeit besitzen, sich mit Taubstummen zuverständigen, und die vorher als Dolmetsche zubeeidigen sind.

§ 165. Der Zeuge ist vor seiner Vernehmungzu ermahnen, daß er auf die an ihn zu rich-tenden Fragen nach seinem besten Wissen undGewissen die reine Wahrheit anzugeben, nichtszu verschweigen und seine Aussage so abzulegen

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habe, daß er sie erforderlichenfalls eidlich be-kräftigen könne.

§ 166. (1) Sodann ist der Zeuge um Vor- undFamiliennamen, Geburtsdatum, Beruf, Wohnortund erforderlichenfalls über andere persönlicheVerhältnisse, insbesondere über sein Verhältniszum Beschuldigten oder zu anderen bei derUntersuchung Beteiligten zu befragen. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 49)

(2) Erscheint es dem Untersuchungsrichter nachden besonderen Umständen des Falles unumgäng-lich notwendig, so kann der Zeuge auch darübergefragt werden, ob er schon einmal in einer straf-gerichtlichen Untersuchung gestanden war undwelches Ergebnis sie hatte.

§ 167. Bei der Vernehmung über die Sacheselbst ist der Zeuge zunächst zu einer zusammen-hängenden Erzählung der den Gegenstand desZeugnisses bildenden Tatsachen, sodann aber zuderen Ergänzung und zur Behebung von Dunkel-heiten oder Widersprüchen zu veranlassen. DerZeuge ist insbesondere aufzufordern, den Grundseines Wissens anzugeben. Fragen, durch die ihmTatumstände vorgehalten werden, die erst durchseine Antwort festgestellt werden sollen, sindmöglichst zu vermeiden und, wenn sie gestelltwerden müssen, im Protokoll ersichtlich zumachen.

§ 168. (1) Wird es notwendig, die Anerkennungvon Personen oder Sachen durch den Zeugenzu erlangen, so ist die Vorstellung oder Vor-legung in angemessener Weise zu veranlassen;jedoch ist der Zeuge vorher zur genauen Be-schreibung und Angabe der unterscheidendenKennzeichen aufzufordern.

(2) Stimmen Aussagen von Zeugen unterein-ander in erheblichen Umständen nicht überein,so kann der Untersuchungsrichter deren Gegen-überstellung veranlassen.

(3) Die Gegenüberstellung soll in der Regelnicht zwischen mehr als zwei Personen zugleichgeschehen. Die Gegenübergestellten sind überjeden einzelnen Umstand, in Beziehung auf densie voneinander abweichen, besonders zu ver-nehmen; die beiderseitigen Antworten sind zuProtokoll zu bringen.

§ 169. Die Beeidigung von Zeugen ist in derVoruntersuchung nur dann zulässig, wenn beieinem Zeugen wegen Krankheit, längerer Ab-wesenheit, wegen des Mangels eines bestimmtenAufenthaltsortes oder aus anderen Gründen zubesorgen ist, daß er bei der Hauptverhandlungnicht werde gegenwärtig sein können, wenn derAnkläger oder der Beschuldigte die Beeidigungeines Zeugen aus wichtigen Gründen beantragtoder wenn der Untersuchungsrichter nur durchdie Forderung der eidlichen Bestätigung der Zeu-genaussage die volle Wahrheit erfahren zu kön-nen glaubt.

§ 170. Folgende Personen dürfen bei sonstigerNichtigkeit des Eides nicht beeidigt werden:

1. die selbst überwiesen sind oder im Ver-dachte stehen, daß sie die strafbare Handlung,derentwegen sie abgehört werden, begangen oderdaran teilgenommen haben;

2. die sich wegen einer vorsätzlich begangenen,mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohtenstrafbaren Handlung in Untersuchung befindenoder wegen einer solchen zu einer Freiheitsstrafeverurteilt sind, die sie noch zu verbüßen haben;(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. SO)

3. die schon einmal wegen falscher Beweis-aussage vor Gericht verurteilt worden sind;(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 50)

4. die zur Zeit ihrer Abhörung das vierzehnteLebensjahr noch nicht zurückgelegt haben;

5. die an einer erheblichen Schwäche des Wahr-nehmungs- oder Erinnerungsvermögens leiden;

6. die mit dem Beschuldigten, gegen den sieaussagen, in einer Feindschaft leben, die nachMaßgabe der Persönlichkeiten und nach denUmständen geeignet ist, die volle Glaubwürdig-keit der Zeugen auszuschließen;

7. die in ihrem Verhöre wesentliche Umständeangegeben haben, deren Unwahrheit bewiesenist und worüber sie nicht einen bloßen Irrtumnachweisen können.

§ 171. Vor dem Untersuchungsrichter ist dieBeeidigung des Zeugen erst nach der Abhörungunter Beobachtung des Gesetzes vom 3. Mai 1868,RGBl. Nr. 33, vorzunehmen.

§ 172. (1) Der durch ein Verbrechen oder Ver-gehen in seinem Rechte Verletzte ist bei seinerVernehmung als Zeuge insbesondere darüber zubefragen, ob er sich dem Strafverfahren an-schließe.

(2) Auch in diesem Fall, und wenn er als An-kläger auftritt, sind alle über die Zeugenver-nehmung erteilten Vorschriften auch auf ihnanzuwenden.

XIV. Hauptstück

Von der Vorladung, Vorführung, vorläufigenVerwahrung und Verhaftung des Beschuldigten

I. V o r l a d u n g

§ 173. (1) Der Beschuldigte wird, wo das Ge-setz nichts anderes vorschreibt, zuerst nur zurVernehmung vorgeladen.

(2) Diese Vorladung geschieht durch Zustellungeiner vom Untersuchungsrichter unterzeichneten,an den Vorzuladenden gerichteten schriftlichenund verschlossenen Ladung. Diese muß denNamen des Gerichtes und des Vorgeladenen, dieallgemeine Bezeichnung des Gegenstandes derUntersuchung, den Ort, den Tag und die Stundedes Erscheinens und den Beisatz enthalten, daß

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der Vorgeladene als Beschuldigter vernommenwerden solle und im Falle seines Ausbleibenspersönlich werde vor Gericht geführt werden.

II V o r f ü h r u n g , v o r l ä u f i g e V e r w a h -r u n g und o r d e n t l i c h e U n t e r -

s u c h u n g s h a f t§ 174. Erscheint der Vorgeladene nicht, ohne

eine hinreichende Entschuldigungsursache ange-zeigt zu haben, so ist ein schriftlicher Vor-führungsbefehl gegen ihn auszufertigen.

§ 175. (1) Auch ohne vorangegangene Vor-ladung kann der Untersuchungsrichter die Vor-führung oder vorläufige Verwahrung des einesVerbrechens oder Vergehens Verdächtigen an-ordnen:

1. wenn der Verdächtige auf frischer Tat be-treten oder unmittelbar nach Begehung einesVerbrechens oder Vergehens glaubwürdig derTäterschaft beschuldigt oder mit Waffen oderanderen Gegenständen betreten wird, die vomVerbrechen oder Vergehen herrühren oder sonstauf seine Beteiligung daran hinweisen;

2. wenn er flüchtig ist oder sich verborgenhält oder wenn auf Grund bestimmter Tatsachendie Gefahr besteht, er werde wegen der Größeder ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe oderaus anderen Gründen flüchten oder sich ver-borgen halten;

3. wenn er Zeugen, Sachverständige oder Mit-beschuldigte zu beeinflussen, die Spuren der Tatzu beseitigen oder sonst die Ermittlung derWahrheit zu erschweren versucht hat oder wennauf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahrbesteht, er werde dies versuchen; oder

4. wenn auf Grund bestimmter Tatsachen an-zunehmen ist, er werde die Tat wiederholen oderdie versuchte oder angedrohte Tat ausführen.

(2) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt,bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehn-jährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, muß dievorläufige Verwahrung des Verdächtigen ange-ordnet werden, es sei denn, daß auf Grund be-stimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vor-liegen aller im Abs. 1 Z. 2 bis 4 angeführten Haft-gründe sei auszuschließen. (BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 51)

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 4)

§ 176. (1) Der Untersuchungsrichter hat indiesen Fällen (§ 175) einen mit Gründen ver-sehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen, derdem Beschuldigten sogleich bei seiner Verhaftungoder doch innerhalb der nächsten vierundzwan-zig Stunden zuzustellen ist.

(2) Wird eine der im § 158 erwähnten Per-sonen in Haft genommen, so ist deren unmittel-barer Vorgesetzter hievon unverzüglich und, so-fern keine besonderen Bedenken entgegenstehen,noch vor dem Vollzuge des Haftbefehles in

Kenntnis zu setzen. Wird die Haft wieder auf-gehoben, so ist auch dies sofort mitzuteilen.

§ 177. (1) Ausnahmsweise kann die vorläufigeVerwahrung des eines Verbrechens oder Ver-gehens Verdächtigen zum Zwecke der Vor-führung vor den Untersuchungsrichter auchdurch einen zur Untersuchung nicht zustän-digen Richter und durch Organe der Sicher-heitsbehörden ohne schriftliche Anordnung vor-genommen werden:

1. in den Fällen des § 175 Abs. 1 Z. 1 sowie2. in den Fällen des § 175 Abs. 1 Z. 2 bis 4

und Abs. 2, wenn die Einholung des richterlichenBefehls wegen Gefahr im Verzug nicht tunlichist.

(2) Der in Verwahrung Genommene ist durchden Richter oder die Sicherheitsbehörde unver-züglich zur Sache und zu den Voraussetzungender Verwahrungshaft zu vernehmen und, wennsich dabei ergibt, daß kein Grund zu seinerweiteren Verwahrung vorhanden sei, sogleichfreizulassen, sonst aber binnen achtundvierzigStunden dem zuständigen Gericht einzuliefern.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 5)§ 178. (1) Wenn der Beschuldigte nach seiner

Vernehmung der ihm zur Last gelegten Tat ver-dächtig bleibt und einer der im § 175 erwähntenFälle vorhanden ist, kann das für die Vor-erhebungen zuständige Bezirksgericht (§ 89) be-schließen, daß der Beschuldigte bis auf weitereWeisung des Untersuchungsrichters in Verwah-rung zu bleiben habe.

(2) Dieser Beschluß samt Gründen ist dem Be-schuldigten mündlich zu eröffnen; diese Mit-teilung ist im Protokoll zu vermerken. Verlangtjedoch der Beschuldigte, vor den Untersuchungs-richter gestellt zu werden, so ist er längstensbinnen achtundvierzig Stunden an ihn abzu-liefern.

§ 179. (1) Jeder dem Gericht Eingelieferteoder auf Befehl des Untersuchungsrichters Vor-geführte ist durch den Untersuchungsrichter bin-nen vierundzwanzig Stunden zu vernehmen. Istdies nicht möglich, so kann der Beschuldigtezwar einstweilen in Verwahrung behalten werden,es ist jedoch seine Vernehmung so bald als mög-lich, und zwar längstens innerhalb dreier Tageeinzuleiten und der Grund, warum sie nichtfrüher stattfinden konnte, im Protokoll anzu-merken.

(2) Nach der Vernehmung hat der Unter-suchungsrichter sofort zu beschließen, ob der Be-schuldigte wieder auf freien Fuß gestellt oderwider ihn die ordentliche Untersuchungshaft ver-hängt werden solle.

§ 180. (1) Die Untersuchungshaft darf nurverhängt werden, wenn der Beschuldigte drin-gend verdächtig ist, ein bestimmtes Verbrechenoder Vergehen begangen zu haben, einer der

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in den Abs. 2 oder 7 angeführten Haftgründevorliegt und der Beschuldigte durch den Unter-suchungsrichter bereits zur Sache und zu denVoraussetzungen der Untersuchungshaft vernom-men worden ist.

(2) Die Verhängung der Untersuchungshaftsetzt abgesehen von den Fällen des Abs. 7 vor-aus, daß auf Grund bestimmter Tatsachen dieGefahr besteht, der Beschuldigte werde auffreiem Fuße

1. wegen der Größe der ihm mutmaßlich be-vorstehenden Strafe oder aus anderen Gründenflüchten oder sich verborgen halten (Flucht-gefahr),

2. Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschul-digte zu beeinflussen, die Spuren der Tat zubeseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahr-heit zu erschweren versuchen (Verdunkelungs-gefahr) oder

3. die Tat wiederholen (Wiederholungsgefahr)oder die versuchte oder angedrohte Tat aus-führen (Ausführungsgefahr).

(3) Fluchtgefahr ist jedenfalls nicht anzuneh-men, wenn der Beschuldigte einer strafbarenHandlung verdächtig ist, die nicht strenger alsmit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, ersich in geordneten Lebensverhältnissen befindetund einen festen Wohnsitz im Inland hat, es seidenn, daß er bereits Anstalten zur Flucht ge-troffen hat. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 52)

(4) Die Untersuchungshaft darf nicht verhängtoder aufrechterhalten werden, wenn die Haft-zwecke auch durch eine gleichzeitige Strafhaftoder Haft anderer Art erreicht werden können,eine Untersuchungshaft aus den Gründen desAbs. 2 auch dann nicht, wenn die Haftzweckedurch Anwendung eines oder mehrerer gelindererMittel (Abs. 5) erreicht werden können. Wirdvon der Verhängung oder Aufrechterhaltung derUntersuchungshaft wegen einer gleichzeitigenStrafhaft Abstand genommen, so hat der Unter-suchungsrichter die Abweichungen vom Vollzugder Strafhaft zu verfügen, die für die Zweckeder Untersuchung unentbehrlich sind.

(5) Als gelindere Mittel sind anwendbar:1. das Gelöbnis, bis zur rechtskräftigen Be-

endigung des Strafverfahrens weder zu flüchtennoch sich verborgen zu halten noch sich ohneGenehmigung des Untersuchungsrichters vonseinem Aufenthaltsort zu entfernen;

2. das Gelöbnis, keinen Versuch zu unter-nehmen, die Untersuchung zu vereiteln;

3. die Weisung, an einem bestimmten Ort,bei einer bestimmten Familie zu wohnen, einebestimmte Wohnung, bestimmte Orte oder einenbestimmtem Umgang zu meiden, sichalkoholischer Getränke oder anderer berauschen-der Mittel zu enthalten oder einer geregeltenArbeit nachzugehen;

4. die Weisung, jeden Wechsel des Aufenthalts-ortes anzuzeigen oder sich in bestimmten Zeit-abständen bei Gericht oder einer anderen Stellezu melden;

5. die vorübergehende Abnahme der Reise-papiere;

6. die vorübergehende Abnahme der zur Füh-rung eines Fahrzeuges nötigen Papiere;

7. die Leistung einer Sicherheit nach den §§ 190bis 192.

(6) Können die Haftzwecke durch die gleich-zeitige Strafhaft oder Haft anderer Art oder dieAnwendung gelinderer Mittel nicht erreicht wer-den, oder würde die Untersuchung durch dieAufrechterhaltung der Strafhaft oder der Haftanderer Art wesentlich erschwert, so ist vomUntersuchungsrichter die Untersuchungshaft zuverhängen. Damit tritt im Falle der Strafhafteine Unterbrechung des Strafvollzuges ein.

(7) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt,bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehn-jährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, muß dieUntersuchungshaft verhängt werden, es sei denn,daß auf Grund bestimmter Tatsachen anzuneh-men ist, das Vorliegen aller im Abs. 2 angeführ-ten Haftgründe sei auszuschließen. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 52)

(8) Der Beschluß des Untersuchungsrichtersauf Verhängung der Untersuchungshaft samt Be-gründung ist dem Beschuldigten sofort zu eröff-nen und binnen vierundzwanzig Stunden auchschriftlich zuzustellen. Die mündliche Eröffnungist im Protokoll zu vermerken. In der Begrün-dung sind insbesondere auch die bestimmten Tat-sachen anzugeben, auf Grund derer das Gerichtdas Vorliegen eines oder mehrerer der im Abs. 2angeführten Haftgründe angenommen hat.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 6)

§ 181. Begibt sich der Untersuchungsrichtergleich nach Verübung eines Verbrechens oderVergehens an Ort und Stelle, um den Tatbestandzu erheben, so kann er jedem, bei dem er es not-wendig findet, verbieten, während desselben oderauch noch während des folgenden Tages seinenAufenthaltsort zu verlassen. Der Untersuchungs-richter kann über Personen, die diesem Befehlezuwiderhandeln, nach den Umständen des Falleseine Geldstrafe bis zu fünftausend Schilling odereine Freiheitsstrafe bis zu acht Tagen verhängen.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 7; BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 53)

§ 182. Dem Beschuldigten ist für die Zeit,die er noch in Untersuchungshaft angehaltenwird, von Amts wegen ein Verteidiger beizu-geben, wenn weder er selbst noch sein gesetz-licher Vertreter für ihn einen Verteidiger ge-wählt und die Untersuchungshaft schon sechsMonate gedauert hat. Liegen die Voraussetzungen

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des § 41 Abs. 2 vor, so ist dem Beschuldigtennach dieser Gesetzesstelle ein Verteidiger beizu-geben.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II 2. 8)

III. B e h a n d l u n g d e r U n t e r s u c h u n g s -h ä f t l i n g e

(BGBl. Nr. 143/1972, Art. I Z. 2)§ 183. (1) Auf die Anhaltung in Untersuchungs-

haft sind die Bestimmungen des Strafvollzugs-gesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen,deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, demSinne nach anzuwenden, es sei denn, daß indieser Strafprozeßordnung etwas Besonderes be-stimmt ist. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I 2. 54)

(2) Die Bestimmungen über die Anhaltung inUntersuchungshaft gelten auch für die vorläufigeVerwahrung, wenn diese in einem gerichtlichenGefangenenhaus durchgeführt wird.

§ 184. Die Anhaltung in Untersuchungshaftsoll den im § 180 Abs. 2 bezeichneten Gefahrenentgegenwirken. Nach Maßgabe der gesetzlichenBestimmungen und der darauf gegründeten Vor-schriften dürfen den Untersuchungshäftlingennur jene Beschränkungen auferlegt werden, dieder Erreichung der Haftzwecke oder der Auf-rechterhaltung der Sicherheit und Ordnung inden Anstalten dienen. Die Untersuchungshäft-linge sind mit Ruhe, Ernst und Festigkeit, gerechtsowie unter Achtung ihres Ehrgefühls, der Men-schenwürde und mit möglichster Schonung ihrerPerson zu behandeln.

§ 185. Der Untersuchungshäftling ist in demGefangenenhaus des für das Strafverfahren zu-ständigen Gerichtshofes anzuhalten. Das Bundes-ministerium für Justiz hat jedoch die Zuständig-keit des Gefangenenhauses eines anderen Ge-richtshofes anzuordnen, wenn dies zur Errei-chung der Haftzwecke notwendig ist.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 55)

§ 186. (1) Die Untersuchungshäftlinge sindwomöglich einzeln zu verwahren. Personen ver-schiedenen Geschlechtes sind getrennt anzuhal-ten. Untersuchungshäftlinge, die der Beteiligungan derselben strafbaren Handlung verdächtigtwerden, sind so zu verwahren, daß sie nichtmiteinander verkehren können. Nicht oder nurwegen geringfügiger strafbarer Handlungen vor-bestrafte Untersuchungshäftlinge sollen nicht ge-meinschaftlich mit anderen Untersuchungshäft-lingen und Untersuchungshäftlinge nicht gemein-schaftlich mit Strafgefangenen verwahrt werden.

(2) Die Untersuchungshäftlinge dürfen eigeneKleidung und Leibwäsche tragen, soweit sie überordentliche Kleidungs- und Wäschestücke ver-fügen.

(3) Den Untersuchungshäftlingen ist auf ihrAnsuchen zu gestatten, daß ihnen auch andere alsdie im § 33 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes

genannten eigenen Gegenstände in ihren Gewahr-sam überlassen werden, soweit kein Mißbrauchzu befürchten ist und die erforderliche Über-wachung ohne Beeinträchtigung des Dienstes undder Ordnung in der Anstalt möglich ist. DieÜberlassung von Nahrungs- und Genußmittelnist jedoch nur in den im Strafvollzugsgesetzbestimmten Fällen gestattet.

(4) Bequemlichkeiten und Beschäftigungen dür-fen sich Untersuchungshäftlinge auf ihre Kostenverschaffen, insofern sie mit dem Zwecke derHaft vereinbar sind und weder die Ordnungdes Hauses stören noch die Sicherheit gefährden.Die Untersuchungshäftlinge haben das Recht,sich während der in der Tageseinteilung alsArbeitszeit oder Freizeit bestimmten Zeit selbstzu beschäftigen, soweit dadurch nicht die Haft-zwecke oder die Sicherheit und Ordnung in derAnstalt gefährdet oder Mithäftlinge belästigtwerden.

(5) Arbeitsfähige Untersuchungshäftlinge kön-nen unter den für Strafgefangene geltenden Be-dingungen arbeiten, wenn sie sich dazu bereiterklären und die Arbeit ohne Beeinträchtigungdes Dienstes und der Ordnung in der Anstaltmöglich ist und von ihr auch keine Nachteilefür die Untersuchung zu befürchten sind. Die denUntersuchungshäftlingen zustehende Arbeitsver-gütung ist ihnen zur Gänze als Hausgeld gutzu-schreiben. Die §§ 54 Abs. 4 und 156 Abs. 3 desStrafvollzugsgesetzes finden keine Anwendung.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I 2. 56)

(6) Einzelnummern oder Teile von Zeitungenund Zeitschriften dürfen einem Untersuchungs-häftling dann nicht zugänglich gemacht werden,wenn von ihnen Nachteile für die Untersuchungoder eine Gefährdung der Sicherheit und Ord-nung in der Anstalt zu besorgen sind.

(7) Ein Waffengebrauch nach § 105 Abs. 6 Z. 3des Strafvollzugsgesetzes ist nur zulässig, wennder Untersuchungshäftling eines Verbrechensdringend verdächtig ist, das ihn als einen für dieSicherheit des Staates, der Person oder des Eigen-tums allgemein gefährlichen Menschen kennzeich-net.

§ 187. (1) Die Untersuchungshäftlinge dürfenunbeschadet des § 45 dieses Bundesgesetzes undder §§ 85 und 88 des Strafvollzugsgesetzes mitallen Personen, von denen keine Beeinträchtigungdes Zweckes der Untersuchungshaft zu befürch-ten ist, schriftlich verkehren und von solchenPersonen Besuche empfangen.

(2) Der Briefverkehr unterliegt keinen Be-schränkungen, es sei denn, daß durch den außer-ordentlichen Umfang des Briefverkehrs einesUntersuchungshäftlings die Überwachung beein-trächtigt wird. In diesem Fall sind diejenigenBeschränkungen anzuordnen, die für eine ein-wandfreie Überwachung notwendig sind. Schrei-

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ben, von denen eine Beeinträchtigung des Haft-zweckes zu befürchten ist, sind zurückzuhalten,soweit sich nicht aus den Bestimmungen der§§ 88 und 90 Abs. 4 des Strafvollzugsgesetzesüber den schriftlichen Verkehr mit Behördenund Rechtsbeiständen etwas anderes ergibt.Schreiben der Untersuchungshäftlinge, die denVerdacht erwecken, daß durch sie eine nicht bloßauf Begehren eines Beteiligten zu untersuchendestrafbare Handlung begangen wird, sind stetszurückzuhalten, es sei denn, daß sie an eineninländischen allgemeinen Vertretungskörper, eininländisches Gericht oder eine andere inländischeBehörde oder an die Europäische Kommissionfür Menschenrechte gerichtet sind.

(3) Die Untersuchungshäftlinge dürfen Besucheinnerhalb der Amtszeit so oft und in dem zeit-lichen Ausmaß empfangen, als die erforderlicheÜberwachung ohne Beeinträchtigung des Dien-stes und der Ordnung in der Anstalt möglichist. Es darf den Untersuchungshäftlingen jedochin keinem Fall verwehrt werden, mindestenszweimal in jeder Woche einen Besuch in derDauer von einer Viertelstunde zu empfangen.

§ 188. (1) Die Entscheidung darüber, mit wel-chen Personen die Untersuchungshäftlinge schrift-lich verkehren und welche Besuche sie empfangendürfen, die Überwachung des Briefverkehrs undder Besuche sowie alle übrigen Anordnungenund Entscheidungen, die sich auf den Verkehrder Untersuchungshäftlinge mit der Außenweltbeziehen, stehen, mit Ausnahme der Über-wachung der Paketsendungen, dem Unter-suchungsrichter zu. Von der Überwachung desBriefverkehrs darf nur insoweit abgesehen wer-den, als davon keine Beeinträchtigung des Haft-zweckes zu befürchten ist. (BGBl. Nr. 423/1974,Art. I 2. 57)

(2) Die Entscheidungen nach § 16 Abs. 2 Z. 2,4 und 5 des Strafvollzugsgesetzes stehen derRatskammer zu. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ. 57)

(3) Im übrigen stehen alle Anordnungen undEntscheidungen hinsichtlich der Anhaltung inUntersuchungshaft dem Anstaltsleiter oder denvon diesem dazu bestellten Vollzugsbedienstetenzu. Vor jeder Entscheidung nach § 186 Abs. 3erster Satz, Abs. 4 und Abs. 5 erster Satz, isteine Äußerung des Untersuchungsrichters einzu-holen. Die von den Untersuchungshäftlingenbegangenen Ordnungswidrigkeiten sind demUntersuchungsrichter mitzuteilen. Das gleiche giltvon Vorfällen, von denen eine Beeinträchtigungder Haftzwecke zu befürchten ist.

§ 189. Der Präsident des Gerichtshofes ersterInstanz oder der von ihm dazu bestellte Richterhat in dem bei dem Gerichtshof eingerichtetenGefangenenhaus wenigstens einmal in jederWoche unvermutet in Abwesenheit des unmittel-

bar aufsichtführenden VollzugsbedienstetenNachschau zu halten und die Abstellung der aufGrund der Befragung der Untersuchungshäftlingefestgestellten Mängel zu veranlassen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 58)

IV. S i c h e r h e i t s l e i s t u n g , Auf-h e b u n g d e r v o r l ä u f i g e n V e r w a h -r u n g u n d d e r U n t e r s u c h u n g s h a f t

§ 190. Sofern es sich nicht um ein Verbrechenhandelt, bei dem nach dem Gesetz auf einemindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erken-nen ist, kann die wegen Verdachtes der Fluchtverhängte Haft gegen Kaution oder Bürgschaftfür eine von der Ratskammer mit Rücksicht aufdie Folgen der strafbaren Handlung, die Verhält-nisse der Person des Verhafteten und das Ver-mögen des Sicherheit Leistenden zu bestimmendeSumme und gegen Ablegung der im § 180 Abs. 5Z. 1 und 2 erwähnten Gelöbnisse auf Verlangenunterbleiben oder aufgehoben werden; sie mußgegen die angegebenen Sicherheiten auf Verlangenunterbleiben oder aufgehoben werden, wenn diestrafbare Handlung nicht strenger als mit fünf-jähriger Freiheitsstrafe bedroht ist.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II 2. 9 und 10;BGBl. Nr. 42311974, Art. I Z. 59)

§ 191. (1) Die Kautions- oder Bürgschafts-summe ist entweder in barem Geld oder in sol-chen Wertpapieren, die nach den bestehendenGesetzen zur Anlegung der Gelder von Minder-jährigen oder Pflegebefohlenen verwendet wer-den dürfen, nach dem Börsekurse des Erlagstagesberechnet, gerichtlich zu hinterlegen oder durchPfandbestellung auf unbewegliche Güter oderdurch taugliche Bürgen (§ 1374 des Allgemeinenbürgerlichen Gesetzbuches), die sich zugleich alsZahler verpflichten, sicherzustellen.

(2) Die Kautions- oder Bürgschaftssumme istvom Gerichte für verfallen zu erklären, wennsich der Beschuldigte ohne Erlaubnis von seinemWohnort entfernt oder auf die an ihn ergangeneVorladung, die im Falle seiner Nichtauffindungnach § 111 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung zuzu-stellen ist, binnen drei Tagen vor Gericht nichterscheint.

(3) Dieses Erkenntnis ist, sobald es rechtskräf-tig geworden ist, gleich jedem Urteil exekutions-fähig. Die verfallenen Sicherheitsbeträge sind andie Bundeskasse abzuführen; doch hat der durchdie strafbare Handlung Geschädigte das Recht,zu verlangen, daß vor allem seine Entschädigungs-ansprüche daraus befriedigt werden.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II 2. 9)

§ 192. (1) Wenn der Beschuldigte nach gestatte-ter Freilassung Anstalten zur Flucht trifft oderwenn neue Umstände vorkommen, die seineVerhaftung erfordern, so ist er ungeachtet der

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Sicherheitsleistung zu verhaften; ist er in diesenFällen verhaftet worden, so wird die Kautions-oder Bürgschaftssumme frei.

(2) Dasselbe ist der Fall, sobald das Straf-verfahren durch Einstellung oder durch End-urteil rechtskräftig beendigt ist.

(3) Über die Freigabe der Kautions- oder Bürg-schaftssumme entscheidet der Untersuchungs-richter, nach rechtskräftiger Versetzung in denAnklagestand oder Anordnung der Hauptver-handlung vor dem Einzehrichter aber der Vor-sitzende (Einzelrichter).

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 9; BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 60)

§ 193. (1) Sämtliche am Strafverfahren be-teiligten Behörden sind verpflichtet, darauf hin-zuwirken, daß die Haft so kurz wie möglichdauere.

(2) Die vorläufige Verwahrung, die Unter-suchungshaft sowie die Anwendung gelindererMittel sind aufzuheben, sobald ihre Voraus-setzungen nicht mehr vorliegen; die Unter-suchungshaft auch, sobald ihre Dauer im Verhält-nis zu den zu erwartenden Strafen offenbarunangemessen ist. Im übrigen darf die Dauerder bloß aus dem Grunde der Verdunkelungs-gefahr verhängten Untersuchungshaft (§ 180Abs. 2 Z. 2) zwei Monate, die Dauer der auchoder ausschließlich aus einem anderen Grundverhängten Untersuchungshaft (§ 180 Abs. 2Z. 1 und 3 oder Abs. 7) sechs Monate nicht über-steigen. Auf Antrag des Untersuchungsrichtersoder Staatsanwaltes kann der Gerichtshof zweiterInstanz wegen besonderer Schwierigkeit oderbesonderen Umfanges der Untersuchung bestim-men, daß die bloß aus dem Grunde der Ver-dunkelungsgefahr verhängte Haft bis zu dreiMonaten, die auch oder ausschließlich aus einemanderen Grunde verhängte Haft bis zu einemJahr, wenn es sich aber um ein Verbrechen han-delt, bei dem nach dem Gesetz auf mindestenszehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, biszu zwei Jahren dauern dürfe. Die zeitliche Be-schränkung der auch oder ausschließlich aus einemanderen Grund als dem der Verdunkelungsgefahrverhängten Untersuchungshaft entfällt, sobaldder Beschuldigte rechtskräftig in den Anklage-stand versetzt oder die Hauptverhandlung vordem Einzehrichter angeordnet worden ist.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 11; BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 61)

§ 194. (1) Sind der Untersuchungsrichter undder Staatsanwalt übereinstimmend der Meinung,daß die Voraussetzungen der Untersuchungshaftnach § 180 Abs. 2 Z. 1 bis 3 oder Abs. 7 weg-gefallen sind oder daß mit gelinderen Mittelnnach § 180 Abs. 5 2. 1 bis 6 das Auslangengefunden werden kann, so hat der Unter-

suchungsrichter sogleich die Enthaftung desUntersuchungsgefangenen zu verfügen. Sind derUntersuchungsrichter und der Staatsanwalt über-einstimmend der Meinung, daß das gelindereMittel nach § 180 Abs. 5 Z. 7 angewendet werdensoll, so hat der Untersuchungsrichter unverzüg-lich bei der Ratskammer eine Entscheidung überdie Höhe der Sicherheitsleistung zu beantragen(§ 94) und nach Vorliegen dieser Entscheidungsogleich die Enthaftung gegen Sicherheitsleistungund Gelöbnis zu verfügen. Bestehen Meinungs-verschiedenheiten zwischen Untersuchungsrichterund Staatsanwalt nur in Ansehung der Art oderdes Umfanges der anzuwendenden gelinderenMittel, so ist gleichfalls vor der Enthaftung dieEntscheidung der Ratskammer einzuholen.Schließlich ist die Entscheidung der Ratskammerauch einzuholen, wenn der Untersuchungsrichterentgegen der Ansicht des Staatsanwaltes der Mei-nung ist, daß die Voraussetzungen der Unter-suchungshaft nach § 180 Abs. 2 Z. 1 bis 3 oderAbs. 7 weggefallen sind oder daß mit gelinderenMitteln nach § 180 Abs. 5 Z. 1 bis 7 das Aus-langen gefunden werden kann. In allen vor-stehend angeführten Fällen macht es keinenUnterschied, ob ein Antrag auf Aufhebung derUntersuchungshaft (Enthaftungsantrag) vorliegtoder nicht.

(2) Über Enthaftungsanträge, über die nichtnach Abs. 1 entschieden werden kann, sowieüber Beschwerden gegen die Verhängung derUntersuchungshaft durch den Untersuchungs-richter ist ohne Verzug bei einer Haftprüfungs-verhandlung zu entscheiden.

(3) Eine Haftprüfungsverhandlung ist vonAmts wegen durchzuführen, wenn nicht ohnediesnach Abs. 2 eine solche Verhandlung stattfindenmuß und entweder die Untersuchungshaft schonzwei Monate gedauert hat, ohne daß eine solcheVerhandlung durchgeführt worden ist, oder seitder letzten Haftprüfungsverhandlung schon dreiMonate verstrichen sind und der Beschuldigtekeinen Verteidiger hat. Auf die nach zweiMonaten von Amts wegen durchzuführendeHaftprüfungsverhandlung kann der Beschuldigteverzichten, wenn er einen Verteidiger hat.

(4) Sobald der Beschuldigte rechtskräftig in denAnklagestand versetzt oder die Hauptverhand-lung vor dem Einzelrichter angeordnet wordenist, sind Haftprüfungsverhandlungen nicht mehrdurchzuführen. Über die Aufrechterhaltung derHaft entscheidet außerhalb einer Hauptverhand-lung die Ratskammer in nichtöffentlicher Sitzung.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 11; BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 62)

§ 195. (1) Die Verhandlung und Entscheidungdarüber, ob die Untersuchungshaft fortzusetzenoder, allenfalls unter Anwendung gelinderer Mit-tel, aufzuheben ist (Haftprüfungsverhandlung),

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obliegt der Ratskammer. Die Ratskammer kannvor Durchführung der Verhandlung rasch durch-führbare ergänzende Erhebungen durch denUntersuchungsrichter anordnen.

(2) Zur Verhandlung sind der Staatsanwalt undder Verteidiger zu laden; der Beschuldigte ist vonder Verhandlung zu verständigen. Die Vorladungdes Verteidigers und die Verständigung des Be-schuldigten sind so vorzunehmen, daß ihnen eineVorbereitungszeit von wenigstens drei Tagenzur Verfügung steht. An der Verhandlung nimmtauch der Untersuchungsrichter teil.

(3) Der Beschuldigte ist zur Verhandlung vor-zuführen, es sei denn, daß seine Vorführungwegen Krankheit unmöglich ist. Wird der Be-schuldigte nicht vorgeführt, so muß er währendder Verhandlung durch einen Verteidiger ver-treten sein. Hat weder der Beschuldigte selbstnoch sein gesetzlicher Vertreter einen Verteidigergewählt, so ist ihm für die Verhandlung vonAmts wegen ein Verteidiger beizugeben. Liegendie Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 vor, so istdem Beschuldigten nach dieser Gesetzesstelle einVerteidiger beizugeben.

(4) Die Verhandlung ist nichtöffentlich. Siehat sich auf die Haftfrage zu beschränken. DieErreichung des Untersuchungszweckes darf durchdie Verhandlung nicht gefährdet werden.

(5) Zuerst trägt der Untersuchungsrichter eineDarstellung des bisherigen Ganges der Unter-suchung vor. Hierauf erhält der Staatsanwaltdas Wort und dann der Beschuldigte oder seinVerteidiger zur Erwiderung. Dem Beschuldigtenoder seinem Verteidiger gebührt das Recht derletzten Äußerung. Nach diesen Vorträgen ziehtsich die Ratskammer zur Beratung zurück. DieRatskammer entscheidet über die Fortdauer derUntersuchungshaft durch Beschluß, der vom Vor-sitzenden mündlich zu verkünden ist.

(6) Gegen den Beschluß der Ratskammer stehtdem Staatsanwalt und dem Beschuldigten dieBeschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanzoffen.

(7) Die Beschwerde ist binnen vierzehn Tagennach Verkündung des Beschlusses beim Vor-sitzenden der Ratskammer einzubringen und vondiesem ohne Verzug dem Gerichtshof zweiterInstanz vorzulegen. Die gegen die Aufhebungder Untersuchungshaft gerichtete Beschwerde hataufschiebende Wirkung, wenn sie sofort ange-meldet und binnen drei Tagen ausgeführt wird.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II 2. 11)

§ 196. (1) Der Gerichtshof zweiter Instanzhat über die Beschwerde ohne Verzug zu ent-scheiden; er kann zuvor vom Untersuchungs-richter Aufklärungen verlangen oder rasch durch-führbare ergänzende Erhebungen anordnen.

(2) Der Gerichtshof zweiter Instanz entschei-det über die Beschwerde in nichtöffentlicherSitzung.

(3) Entscheidet der Gerichtshof zweiter Instanz,daß die Haft aufzuheben ist, und treffen diedafür maßgebenden Umstände nach der Akten-lage auch bei einem Mitbeschuldigten zu, derkeine Beschwerde eingebracht hat, so hat derGerichtshof so vorzugehen, als ob eine solcheBeschwerde vorläge.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 11; BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 63)

§ 197. Über die Aufhebung der Anwendunggelinderer Mittel entscheidet der Untersuchungs-richter. Sind der Untersuchungsrichter und derStaatsanwalt hierüber aber verschiedener Mei-nung, so entscheidet die Ratskammer in nicht-öffentlicher Sitzung.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 11)

XV. Hauptstück

Von der Vernehmung des Beschuldigten

§ 198. (1) Der Beschuldigte ist in der Vorunter-suchung ohne Beisein des Anklägers oder andererhiezu gesetzlich nicht berufener Personen vomUntersuchungsrichter zu vernehmen. Diese Ver-nehmung muß mit Anstand und Gelassenheitvorgenommen werden. Sie findet in der Regelmündlich statt, doch kann der Untersuchungs-richter bei verwickelten Punkten auch eineschriftliche Beantwortung gestatten. Gerichts-zeugen sind der Vernehmung des Beschuldigtennur dann beizuziehen, wenn es der Unter-suchungsrichter für nötig erachtet oder der Be-schuldigte verlangt.

(2) Ist ein Verhafteter mit Fesseln belegt wor-den, so müssen ihm diese vor seiner Vernehmungabgenommen werden, sofern dies ohne Gefahrgeschehen kann. Auch ist jedem Beschuldigtenwährend seiner Vernehmung ein Sitz zu gestatten.

(3) Ist der Beschuldigte der Gerichtssprachenicht kundig oder ist er taub oder stumm, sosind die Vorschriften der §§ 163 und 164 zubeobachten.

§ 199. (1) Der Untersuchungsrichter hat vordem Beginne der Vernehmung den Beschuldigtenzu ermahnen, daß er die ihm vorzulegendenFragen bestimmt, deutlich und der Wahrheit ge-mäß beantworte.

(2) Nach der Vernehmung über die persön-lichen Verhältnisse des Beschuldigten hat ihm derUntersuchungsrichter das Verbrechen oder Ver-gehen, dessen er beschuldigt ist, im allgemeinenzu bezeichnen und ihn zu veranlassen, daß er sichüber die den Gegenstand der Anschuldigungbildenden Tatsachen in einer zusammenhängen-den, umständlichen Erzählung äußere. Die wei-

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teren Fragen sind mit Vermeidung aller un-nötigen Weitläufigkeit auf die Ergänzung derErzählung, auf die Entfernung von Dunkelheitenund Widersprüchen zu richten und insbesondereso zu stellen, daß der Beschuldigte alle gegen ihnvorliegenden Verdachtsgründe erfahre und voll-ständige Gelegenheit zu deren Beseitigung undzu seiner Rechtfertigung erhalte. Gibt er Tat-sachen oder Beweismittel zu seiner Entlastungan, so müssen sie erhoben werden, sofern sienicht offenbar nur zur Verzögerung angegebenwurden.

§ 200. (1) Die an den Beschuldigten zu richten-den Fragen dürfen nicht unbestimmt, dunkel,mehrdeutig oder verfänglich sein; sie müssen eineaus der andern nach der natürlichen Ordnungfließen. Es ist daher insbesondere die Stellungsolcher Fragen zu vermeiden, in denen eine vomBeschuldigten nicht zugestandene Tatsache alsbereits zugestanden angenommen wird.

(2) Fragen, durch die dem Beschuldigten Tat-umstände vorgehalten werden, die erst durchseine Antwort festgestellt werden sollen, oderdurch die ihm die zu erforschenden Mitbeteiligtendurch Namen oder andere leicht erkennbareMerkmale bezeichnet werden, dürfen erst danngestellt werden, wenn der Beschuldigte nicht inanderer Weise zu einer Erklärung über sie ge-führt werden konnte. Die Fragen sind in sol-chen Fällen wörtlich in das Protokoll aufzuneh-men.

§ 201. Gegenstände, die sich auf das Ver-brechen oder Vergehen beziehen oder zur Über-weisung des Beschuldigten dienen, sind ihm nachihrer vorläufigen Beschreibung zur Anerkennungvorzulegen; sofern ihre Vorlegung nicht möglichist, ist er zu diesen Gegenständen zum Zweckeihrer Anerkennung zu führen. Der Beschuldigtekann, wenn dies zur Beseitigung von Zweifelnüber die Echtheit eines ihm beigemessenenSchriftstückes dienlich scheint, veranlaßt werden,einige Worte oder Sätze vor Gericht nieder-zuschreiben, ohne daß jedoch deshalb Zwangs-mittel angewendet werden dürfen.

§ 202. Es dürfen weder Versprechungen oderVorspiegelungen noch Drohungen oder Zwangs-mittel angewendet werden, um den Beschuldigtenzu Geständnissen oder anderen bestimmten An-gaben zu bewegen. Auch darf die Vorunter-suchung durch das Bemühen, ein Geständnis zuerlangen, nicht verzögert werden.

§ 203. Verweigert der Beschuldigte die Ant-wort überhaupt oder auf bestimmte Fragen oderstellt er sich taub, stumm, wahnsinnig oderblödsinnig und ist der Untersuchungsrichter indem letzten Fällen entweder durch seine eigenenWahrnehmungen oder durch Vernehmung vonZeuges oder Sachverständigen von der Ver-

stellung überzeugt, so ist der Beschuldigte ledig-lich aufmerksam zu machen, daß sein Verhaltendie Untersuchung nicht hemmen und daß er sichdadurch seiner Verteidigungsgründe beraubenkönne.

§ 204. Weichen spätere Angaben des Beschul-digten von den früheren ab, widerruft er ins-besondere frühere Geständnisse, so ist er überdie Veranlassung zu den Abweichungen und dieGründe seines Widerrufes zu befragen.

§ 205. (1) Wenn die Aussagen eines Beschuldig-ten in erheblichen Punkten von den Angabeneines wider ihn aussagenden Zeugen oder Mit-beteiligten abweichen, sind ihm diese im Laufeder Voruntersuchung nur dann gegenüberzustel-len, wenn es der Untersuchungsrichter zur Auf-klärung der Sache für notwendig hält. Bei solchenGegenüberstellungen ist das im § 168 Abs. 3vorgeschriebene Verfahren zu beobachten.

(2) Die im § 152 Abs. 1 Z. 1 angeführten Per-sonen dürfen, wenn sie sich als Zeugen abhörenlassen, die Gegenüberstellung mit dem Beschul-digten ablehnen, außer wenn dieser sie selbstverlangt.

§ 206. Geständnisse des Beschuldigten entbin-den den Untersuchungsrichter nicht von derPflicht, den Tatbestand, soweit als möglich, zu er-mitteln. Ist das Geständnis umfassend und durchdie übrigen Ergebnisse der Voruntersuchungunterstützt, so hängt die Vornahme weitererErhebungen von den besonderen Anträgen desAnklägers ab.

XVI. Hauptstück

Von der Versetzung in den Anklagestand

§ 207. (1) Dem Ankläger liegt ob, die Ver-setzung in den Anklagestand durch Einbringungder Anklageschrift einzuleiten.

(2) Die Anklageschrift muß enthalten:

1. den Namen des Beschuldigten;2. die Angabe der ihm vom Ankläger zur

Last gelegten strafbaren Handlung oder Hand-lungen nach allen ihren gesetzlichen, die Anwen-dung eines bestimmten Strafsatzes bedingendenMerkmalen, wobei die besonderen Umstände desOrtes, der Zeit, des Gegenstandes usf. so weithinzuzufügen sind, als dies zur deutlichen Be-zeichnung der Tat notwendig ist;

3. die gesetzliche Benennung der strafbarenHandlung oder Handlungen, auf welche die An-klage gerichtet ist, sowie die Anführung der Stel-len des Strafgesetzes, deren Anwendung beantragtwird, und die sonst zur Begründung der sach-lichen Zuständigkeit erforderlichen Angaben;

4. die Angabe des Gerichtes, vor dem dieHauptverhandlung stattfinden soll.

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(3) Der Anklageschrift ist eine kurze, aber er-schöpfende Begründung beizufügen, in der derSachverhalt, wie er sich aus der Anzeige oderaus den Akten der Vorerhebungen oder Vor-untersuchung ergibt, zusammenhängend zu er-zählen ist.

(4) Außerdem ist das Verzeichnis der vorzu-ladenden Zeugen und Sachverständigen sowie deranderen Beweismittel, deren sich der Anklägerin der Hauptverhandlung zu bedienen gedenkt,in die Anklageschrift aufzunehmen oder ihr bei-zulegen.

(5) Der Ankläger kann in der Anklageschriftauch den Antrag auf Verhaftung des Beschuldig-ten stellen.

(6) Die Anklageschrift ist in so vielen Aus-fertigungen zu überreichen, daß jedem der An-geklagten ein Exemplar zugestellt und eines beimUntersuchungsrichter zurückbehalten werdenkann.

§ 208. (1) Die Anklageschrift ist bei dem Rich-ter, der die Voruntersuchung geführt hat, und,falls keine Voruntersuchung stattgefunden hat,beim Vorsitzenden der Ratskammer einzubrin-gen.

(2) Hat der Untersuchungsrichter (Vorsitzendeder Ratskammer) Bedenken, dem Antrag aufVerhaftung des Beschuldigten stattzugeben, soholt er die Entscheidung der Ratskammer ein.Ist kein solches Bedenken vorhanden oder ist esdurch die Entscheidung der Ratskammer besei-tigt, so teilt der Untersuchungsrichter die An-klageschrift samt Beilagen dem Beschuldigten mitund belehrt ihn darüber, daß er gegen die An-klageschrift Einspruch erheben und die Entschei-dung des Gerichtshofes zweiter Instanz über dieZuständigkeit des in der Anklageschrift genann-ten Gerichtes und über die Zulässigkeit der An-klage begehren könne.

§ 209. (1) Befindet sich der Beschuldigte bereitsin Haft, so ist ihm die Anklageschrift längstensbinnen vierundzwanzig Stunden, wird aber seineVerhaftung auf Grund der Anklageschrift ver-fügt, so ist sie ihm zugleich mit dem Haft-befehle zuzustellen.

(2) Zur Erhebung des Einspruches steht demVerhafteten eine Frist von vierzehn Tagen offen,die im letzten Falle vom Zeitpunkte seiner Ein-lieferung zu laufen beginnt. Den Einspruch kanner beim Untersuchungsrichter zu Protokoll oderschriftlich anbringen.

(3) Wird auf sein Verlangen die Anklageschriftseinem Verteidiger zugestellt, so läuft die Fristzur Erhebung des Einspruches von der Zustel-lung an den Verteidiger.

(4) Bleibt der Beschuldigte auf freiem Fuße, soist ihm die Anklageschrift mit der Belehrungzuzustellen, daß er den Einspruch dagegen binnen

vierzehn Tagen beim Untersuchungsrichtermündlich oder schriftlich erheben könne.

§ 210. (1) Ist der Einspruch innerhalb der ge-setzlichen Frist nicht erhoben worden oder hatder Beschuldigte ausdrücklich darauf verzichtet,so legt der Untersuchungsrichter die Akten demGerichtshof erster Instanz vor, der sofort dieHauptverhandlung anzuordnen hat.

(2) Im entgegengesetzten Falle sendet derUntersuchungsrichter nach Erhebung des Ein-spruches die Akten dem Gerichtshofe zweiterInstanz unter gleichzeitiger Benachrichtigung desAnklägers.

(3) Der Gerichtshof zweiter Instanz entscheidetüber den Einspruch nach Anhörung des Ober-staatsanwaltes in nichtöffentlicher Sitzung.

(4) In gleicher Weise ist vorzugehen, wennsich der Beschuldigte gegen die vom Unter-suchungsrichter oder von der Ratskammer überihn verhängte Haft (§ 208) beschwert; auch indiesem Fall hat der Gerichtshof zweiter Instanzso vorzugehen, als würde gegen die Anklage-schrift Einspruch erhoben. § 196 Abs. 3 gilt sinn-gemäß. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 64)

§ 211. (1) Der Gerichtshof zweiter Instanzweist die Anklageschrift vorläufig zurück, wenner dies zur Beseitigung eines Formgebrechensoder zur besseren Aufklärung des Sachverhaltesfür notwendig erachtet.

(2) Der Ankläger hat hierauf binnen vierzehnTagen seine allfälligen Anträge an den Unter-suchungsrichter zu stellen oder eine Anklage-schrift neuerlich zu überreichen (§§ 27 und 46).

§ 212. Wenn der Gerichtshof zweiter Instanzdafür hält, daß zur Vornahme der Hauptver-handlung ein anderes Gericht seines Sprengeiszuständig ist, so verweist er diese dahin underkennt zugleich in der Sache selbst. Erachtet erdagegen die Zuständigkeit eines im Sprengel einesanderen Gerichtshofes zweiter Instanz liegendenGerichtes als begründet, so spricht er seine eigeneNichtzuständigkeit aus und übersendet die Aktenzur weiteren Entscheidung dem zuständigen Ge-richtshofe zweiter Instanz.

§ 213. (1) Erachtet der Gerichtshof zweiterInstanz, daß der Anklage einer der folgendenGründe entgegenstehe:

1. daß die dem Beschuldigten zur Last gelegteTat keine zur Zuständigkeit der Gerichte ge-hörige strafbare Handlung begründe;

2. daß es an genügenden Gründen fehle, denBeschuldigten der Tat für verdächtig zu halten;

3. daß Umstände vorliegen, durch die dieStrafbarkeit der Tat aufgehoben oder die Ver-folgung wegen der Tat ausgeschlossen ist, oderdaß die Voraussetzungen des §42 StGB gegebenseien;

2762 211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631

4. daß der nach dem Gesetz erforderliche An-trag eines hiezu Berechtigten fehle —

so entscheidet der Gerichtshof zweiter Instanz:es werde der Anklage keine Folge gegeben unddas Verfahren eingestellt. (BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 65)

(2) Betrifft dieser Ausspruch nicht alle Anklage-punkte, so verfügt der Gerichtshof zugleich, daßdie Punkte, über die er ergangen ist, aus der An-klageschrift zu entfallen haben.

(3) Kommt der Grund, dessentwegen der An-klage keine Folge gegeben wird, auch einem Mit-angeklagten zustatten, der keinen Einspruch er-hoben hat, so geht der Gerichtshof so vor, abob ein solcher Einspruch vorläge.

§ 214. (1) Tritt keiner der in den §§ 211 bis213 erwähnten Fälle ein, so lautet die Entschei-dung: Es werde der Anklage Folge gegeben.

(2) In diesem Fall ist zugleich über alle dieVerbindung oder Trennung mehrerer Anklagenund die Vorladung von Zeugen und Sachver-ständigen betreffenden Anträge Beschluß zufassen. Außerdem ist sowohl in diesem Fall alsauch in den Fällen der §§ 211 bis 213 über dieHaft des Beschuldigten, über dessen Ablieferungan ein anderes Gericht oder über dessen Ver-setzung auf freien Fuß die nötige Verfügung zutreffen.

§ 215. (1) Diese Entscheidungen (§§ 211 bis214) sind in der Art zu begründen, daß dadurchder Entscheidung des erkennenden Gerichtes überdie Hauptsache nicht vorgegriffen wird.

(2) In der Ausfertigung dieser Entscheidungsind die Namen der Richter anzugeben, die ander Verhandlung teilgenommen haben.

| 216. (Aufgehoben)

§ 217. (Aufgehoben)

% 218. Beschließt der Gerichtshof zweiter In-stanz die Versetzung in den Anklagestand, ohnedaß ihm eine Anklageschrift vorliegt (§ 48 Z. 2,§ 114 Abs. 4), so wird sein Beschluß unterBeobachtung der im § 214 Abs. 2 und im § 215sowie unter sinngemäßer Anwendung der überden Inhalt der Anklageschrift im § 207 erteiltenVorschrift ausgefertigt und vertritt für das wei-tere Verfahren die Stelle der Anklageschrift.

§ 219. Ist der Beschuldigte rechtskräftig in denAnklagestand versetzt (§§ 210, 214, 218), so kanndie Zuständigkeit des Gerichtes nicht mehr ange-fochten werden, das nach der Anklageschriftoder dem durch den Einspruch veranlaßten Er-kenntnisse zur Hauptverhandlung berufen istIm übrigen bleibt die Unterlassung des Ein-spruches gegen die Anklageschrift ohne Einflußauf das weitere Verfahren.

XVII. Hauptstück

Von den Vorbereitungen zur Hauptverhandlung

§ 220. (1) Jeder verhaftete Angeklagte muß inder Regel (§ 221 Abs. 2) binnen drei Tagen,nachdem er rechtskräftig in den Anklagestandversetzt worden ist, in das Gefängnis des Ge-richtshofes abgeführt werden, bei dem die Haupt-verhandlung stattfindet. Nach seiner Ankunftin diesem Gefängnis ist der Angeklagte, soferndie Anklage auf eine der dem Geschwornen-gericht zur Aburteilung zugewiesenen strafbarenHandlungen gerichtet ist, längstens binnen vier-undzwanzig Stunden vom Vorsitzenden desSchwurgerichtshofes oder von dessen Stellver-treter oder vom Vorsteher des Gerichtshofeserster Instanz zu vernehmen, ob er seinen in derVoruntersuchung abgelegten Aussagen etwas bei-zusetzen oder daran zu ändern finde. Falls ernoch keinen Verteidiger hat, ist er zur Wahleines Verteidigers aufzufordern und über dieVoraussetzungen der Beigebung eines Ver-teidigers nach § 41 Abs. 2 zu belehren. Wähltweder der Angeklagte selbst noch sein gesetz-licher Vertreter für ihn einen Verteidiger undwird ihm auch nicht nach § 41 Abs. 2 ein Ver-teidiger beigegeben, so ist ihm sofort nach § 41Abs. 3 ein Verteidiger beizugeben. (BGBLNr. 569/1973, Art. III Z. 4; BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 66)

(2) Ist der Angeklagte nicht verhaftet, so kannihn der Vorsitzende zu dieser Vernehmung ent-weder vorladen oder diese Vernehmung durchdas Bezirksgericht veranlassen, in dessen Sprengelder Angeklagte sich befindet.

(3) Die im ersten Absatz vorgeschriebenenVorkehrungen zur Bestellung eines Verteidigersobliegen auch dem Vorsitzenden des Schöffen-gerichtes. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 66)

§ 221. (1) Der Tag der Hauptverhandlung wirdvom Vorsitzenden in der Art bestimmt, daßdem Angeklagten, sofern dieser nicht selbst zueiner Abkürzung der Frist seine Zustimmunggibt, bei sonstiger Nichtigkeit von der Zustellungder Vorladung eine Frist von wenigstens dreiTagen und, falls es sich um eine dem Geschwor-nengericht zur Aburteilung zugewiesene straf-bare Handlung handelt, eine Frist von wenigstensacht Tagen zur Vorbereitung seiner Verteidigungbleibt. Der Tag der Hauptverhandlung ist sowohldem Angeklagten und dessen Verteidiger alsauch dem Staatsanwalte, dem Privatankläger unddem Privatbeteiligten bekanntzugeben. Die Vor-ladung des Angeklagten hat die Androhung zuenthalten, daß er im Falle seines Ausbleibenszu gewärtigen habe, daß je nach Umständenentweder die Hauptverhandlung in seiner Ab-wesenheit vorgenommen oder er durch einenVorführungsbefehl zur Verhandlung gestelltoder, falls dies nicht zeitgerecht ausführbar sei

211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631 2763

die Hauptverhandlung auf seine Kosten vertagtund er zur Verhandlung vorgeführt werde. Auchdie Zeugen und Sachverständigen sind hiezu inder Art vorzuladen, daß in der Regel zwischender Zustellung der Vorladung und dem Tag, andem die Hauptverhandlung vorgenommen wird,ein Zeitraum von drei Tagen liegt. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 67)

(2) Der Regel nach findet die Hauptverhand-lung am Sitze des Gerichtshofes erster Instanzstatt; doch kann dessen Vorsteher zur Ersparungunverhältnismäßiger Reiseauslagen oder ausanderen wichtigen Gründen nach Anhörung desAnklägers und des Angeklagten anordnen, daßdie Hauptverhandlung an einem anderen imSprengel des Gerichtshofes gelegenen Ort abge-halten werde.

(3) Ist zu erwarten, daß die Hauptverhandlungvor dem Schöffengerichte von längerer Dauer seinwerde, so ist anzuordnen, daß ein Ersatzrichterund ein Ersatzschöffe der Verhandlung beiwoh-nen, um bei Verhinderung eines Richters oderSchöffen an dessen Stelle zu treten. Ist einebesonders lange Dauer der Hauptverhandlungzu erwarten, so können zu diesem Zweck nochein weiterer Ersatzrichter und ein weiterer Er-satzschöffe beigezogen werden. Die Ersatzrichtertreten in der in der Geschäftsverteilung bestimm-ten Reihenfolge an die Stelle des verhindertenRichters, die Ersatzschöffen in der Reihenfolgeder Dienstliste an die Stelle des verhindertenSchöffen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 67)

§ 221 a. (1) Den Schöffengerichtsverhandlungen,die im Sprengel eines außerhalb des Gerichtshof-sitzes gelegenen Bezirksgerichtes abgehalten wer-den, sind als Schöffen die Personen zuzuziehen,die nach der Reihenfolge der besonderen Dienst-liste für regelmäßige Schöffengerichtsverhandlun-gen bei diesem Gericht als Schöffen zunächstberufen sind.

(2) Ist die Hauptverhandlung vor einemSchöffengericht im Sprengel eines außerhalb desGerichtshofsitzes gelegenen Bezirksgerichtesdurchgeführt worden, so können die gegen dieEntscheidungen des Schöffengerichtes und desVorsitzenden zulässigen Rechtsmittel, deren Aus-führung und die Gegenausführung auch bei die-sem Bezirksgericht angebracht werden.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I 2. 68)

§ 222. (1) Will der Ankläger, der Privatbetei-ligte oder der Angeklagte die Vorladung vonZeugen oder Sachverständigen beantragen, dienicht bereits nach der Anklageschrift oder demüber den Einspruch ergangenen Erkenntnisse vor-zuladen sind, so hat er dies dem Vorsitzendenunter Angabe der Tatsachen und Punkte, über dieder Vorzuladende vernommen werden soll, recht-zeitig anzuzeigen.

(2) Die Liste der neu zu ladenden Zeugen undSachverständigen ist dem Gegner längstens dreiTage vor der Hauptverhandlung mitzuteilen;außerdem können diese Personen nicht ohne seineZustimmung vernommen werden, unbeschadetjedoch der dem Vorsitzenden in dieser Hinsichteingeräumten Ermächtigung (§ 254).

§ 223. (Aufgehoben)

§ 224. (1) Sollte der Angeklagte oder seinVerteidiger darauf antragen, daß ein zur Ver-teidigung dienender Umstand noch nähererforscht werde, so hat der Vorsitzende, wenn erdas Begehren begründet findet, die Erhebungohne Zeitverlust zu veranstalten und, nachdemsie geschehen ist, dem Ankläger und dem An-geklagten oder dessen Verteidiger zum Zweckallfälliger Einsichtnahme und weiterer Antrag-stellung davon Kenntnis zu geben. Eine gleicheVervollständigung der Voruntersuchung ist auchauf Antrag des Anklägers oder des Privatbetei-ligten zulässig.

(2) Die Erörterung der Ergebnisse solcher nach-träglicher Erhebungen bleibt in der Regel (§ 227)der Hauptverhandlung vorbehalten.

§ 225. (1) Glaubt der Vorsitzende, daß einemauf Grund der §§ 222 und 224 gestellten Antragenicht stattzugeben sei, so entscheidet hierüber dieRatskammer. In gleicher Weise hat er die Ent-scheidung der Ratskammer einzuholen, wenn erin Fällen, wo kein Einspruch gegen die Anklage-schrift erhoben wurde, Bedenken trägt, alle darinnamhaft gemachten Zeugen und Sachverständigenvorzuladen.

(2) Gegen diese Entscheidung ist kein Rechts-mittel zulässig; jedoch kann der Antrag in derHauptverhandlung erneuert werden.

§ 226. Weist der Angeklagte nach, daß er wegenKrankheit oder einer sonstigen unabwendbarenVerhinderung bei der Hauptverhandlung nichterscheinen kann, oder beantragt der Anklägeroder der Angeklagte aus einem anderen erheb-lichen Grund die Verlegung der Hauptverhand-lung, so hat der Vorsitzende hierüber zu ent-scheiden. Wegen einer Verhinderung des Ver-teidigers findet eine Vertagung nur dann statt,wenn das Hindernis dem Angeklagten oder demGerichte so spät bekannt wurde, daß ein andererVerteidiger nicht mehr bestellt werden konnte.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 69)

§ 227. (1) Tritt der Ankläger vor Beginn derHauptverhandlung von der Anklage zurück, sostellt der Vorsitzende das Verfahren ein undwiderruft die Anordnung der Hauptverhandlung.

(2) Haben nach der Versetzung in den Anklage-stand noch gerichtliche Erhebungen stattgefun-den, so hat der Ankläger das Recht, vor Beginn

2764 211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631

der Hauptverhandlung die von ihm eingebrachteAnklageschrift unter gleichzeitiger Einbringungeiner neuen zurückzuziehen. Mit der neuen An-klageschrift ist sodann nach Vorschrift desXVI. Hauptstückes vorzugehen; wegen der Haftdes Angeklagten ist aber von der Ratskammersogleich die nötige Verfügung zu treffen.

XVIII. HauptstückVon der Hauptverhandlung vor den Gerichts-höfen erster Instanz und von den Rechtsmitteln

gegen deren UrteileI. H a u p t v e r h a n d l u n g u n d U r t e i l

1. Öffentlichkeit der Hauptverhandlung§ 228. Die Hauptverhandlung ist öffentlich bei

sonstiger Nichtigkeit. Es ist nur erwachsenen undunbewaffneten Personen gestattet, als Zuhörerbei der Hauptverhandlung zu erscheinen. Dochdarf Personen, die wegen ihres öffentlichen Dien-stes zum Tragen einer Waffe verpflichtet sind,der Zutritt nicht verweigert werden.

§ 229. Die Öffentlichkeit einer Hauptverhand-lung darf nur aus Gründen der Sittlichkeit oderder öffentlichen Ordnung ausgeschlossen werden.Der Gerichtshof verfügt diese Ausschließung vonAmts wegen oder auf den Antrag des Anklägersoder des Angeklagten nach darüber gepflogenergeheimer Verhandlung und Beratung mit Be-schluß. Der Beschluß ist samt Gründen in öffent-licher Sitzung zu verkünden und im Verhand-lungsprotokoll zu beurkunden. Gegen den Be-schluß ist kein abgesondertes Rechtsmittel zu-lässig.

§ 230. (1) Nach der öffentlichen Verkündungdieses Beschlusses müssen sich alle Zuhörer ent-fernen.

(2) Nur die durch die strafbare Handlung inihren Rechten Verletzten, wirklich angestellteRichter, die Konzeptsbeamten der Staatsanwalt-schaft und des Bundesministeriums für Justiz unddie in der Verteidigerliste eingetragenen Personendürfen niemals ausgeschlossen werden. Sowohlder Angeklagte als auch der Privatbeteiligte oderPrivatankläger kann verlangen, daß der Zutrittdrei Personen seines Vertrauens gestattet werde.

§ 230 a. Soweit die Öffentlichkeit einer Ver-handlung ausgeschlossen worden ist, ist es unter-sagt, Mitteilungen daraus zu veröffentlichen.Auch kann das Gericht den anwesenden Personendie Geheimhaltung der Tatsachen zur Pflichtmachen, die durch die Verhandlung zu ihrerKenntnis gelangen. Dieser Beschluß ist im Ver-handlungsprotokoll zu beurkunden.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 70)

§ 231. Die Anordnung einer geheimen Sitzungauf Grund des § 229 kann nach dem Aufrufeder Sache in jedem Momente der Verhandlung

begehrt werden. Die Ausschließung der Öffent-lichkeit kann für einen Teil des Verfahrens oderfür die ganze Verhandlung stattfinden. Die Ver-kündung des Urteiles aber muß stets öffentlichgeschehen.

2. Amtsverrichtungen des Vorsitzenden und desGerichtshofes während der Hauptverhandlung

§ 232. (1) Der Vorsitzende leitet die Verhand-lung.

(2) Er ist verpflichtet, die Ermittelung derWahrheit zu fördern, und hat dafür zu sorgen,daß Erörterungen unterbleiben, die die Haupt-verhandlung ohne Nutzen für die Aufklärungder Sache verzögern würden.

(3) Er vernimmt den Angeklagten und dieZeugen und bestimmt die Reihenfolge, in derdie Personen zu sprechen haben, die das Wortverlangen.

(4) Wenn mehrere Anklagepunkte vorliegen,kann er verfügen, daß über jeden oder über ein-zelne davon abgesondert zu verhandeln sei.

§ 233. (1) Dem Vorsitzenden liegt die Erhal-tung der Ruhe und Ordnung und des der Würdedes Gerichtes entsprechenden Anstandes im Ge-richtssaal ob.

(2) Wer vor Gericht vernommen wird oderdas Gericht anredet, hat stehend zu sprechen;doch kann ihm der Vorsitzende einen Sitz ge-statten. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 71)

(3) Zeichen des Beifalles oder der Mißbilligungsind untersagt. Der Vorsitzende ist berechtigt,Personen, die die Sitzung durch solche Zeichenoder auf eine andere Weise stören, zur Ordnungzu ermahnen und nötigenfalls einzelne oder alleZuhörer aus dem Sitzungssaal entfernen zu lassen.Widersetzt sich jemand oder werden die Störun-gen wiederholt, so kann der Vorsitzende überdie Widersetzlichen eine Ordnungsstrafe bis zufünftausend Schilling, wenn es aber zur Aufrecht-erhaltung der Ordnung unerläßlich ist, eine Frei-heitsstrafe bis zu acht Tagen verhängen. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 71)

§ 234. Wenn der Angeklagte die Ordnung derVerhandlung durch ungeziemendes Benehmenstört und ungeachtet der Ermahnung des Vor-sitzenden und der Androhung, daß er aus derSitzung werde entfernt werden, nicht davon ab-steht, so kann er durch Beschluß des Gerichts-hofes auf einige Zeit oder für die ganze Dauerder Verhandlung aus dieser entfernt, die Sitzungin seiner Abwesenheit fortgesetzt und ihm dasUrteil durch ein Mitglied des Gerichtshofes inGegenwart des Schriftführers verkündet werden.

§ 235. Der Vorsitzende hat darüber zu wachen,daß gegen niemand Beschimpfungen oder offen-bar ungegründete oder zur Sache nicht gehörigeBeschuldigungen vorgebracht werden. Hat sich

211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631 2765

der Angeklagte oder Privatankläger, der Privat-beteiligte, ein Zeuge oder ein Sachverständigersolche Äußerungen erlaubt, so kann der Gerichts-hof gegen ihn auf Antrag des Beleidigten oderdes Staatsanwaltes oder von Amts wegen eineOrdnungsstrafe bis zu fünftausend Schilling,wenn es aber zur Aufrechterhaltung der Ordnungunerläßlich ist, eine Freiheitsstrafe bis zu achtTagen verhängen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I 2. 72)

§ 236. (1) Macht sich ein Parteienvertreter(Verteidiger, Vertreter des Privatanklägers oderPrivatbeteiligten), der nicht der Disziplinargewalteiner Standesbehörde unterliegt, eines solchenVerhaltens schuldig oder verletzt er die demGerichte gebührende Achtung, so kann er vomGerichtshof mit einem Verweis oder einer Geld-strafe bis zum Betrage von fünftausend Schillingbelegt werden. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I2.73)

(2) Setzt ein solcher Parteienvertreter sein un-gebührliches Benehmen fort, so kann ihm derVorsitzende das Wort entziehen und die Parteizur Wahl eines anderen Vertreters auffordern.Kommt der Angeklagte einer solchen Auf-forderung nicht nach, so kann ihm auch vonAmts wegen ein Verteidiger beigegeben werden.(BGBl. Nr. 569/1973, Art. Ill Z. 5)

(3) Bei erschwerenden Umständen kann derGerichtshof zweiter Instanz auf Antrag des Ge-richtes dem schuldigen Parteienvertreter auchdie Befugnis, als Vertreter in Strafsachen vorGericht zu erscheinen, für die Dauer von einembis zu sechs Monaten entziehen.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 13)

§ 236 a. Macht sich ein Parteienvertreter, derder Disziplinargewalt einer Standesbehördeunterliegt, des im § 235 umschriebenen Verhal-tens schuldig oder verletzt er die dem Gerichtegebührende Achtung, so kann der Vorsitzendenach Abmahnung die im § 236 Abs. 2 vor-gesehenen Maßnahmen treffen.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 13)

§ 237. (1) Die auf Grund der §§ 233 bis 235und 236 Abs. 1 und 2 ergehenden Beschlüsse undErkenntnisse sind sofort zu vollstrecken. Gegendiese Beschlüsse und Erkenntnisse steht keinRechtsmittel offen.

(2) Begründet das in den genannten Para-graphen erwähnte Benehmen eine im Strafgesetzevorgesehene strafbare Handlung, so sind die Be-stimmungen des § 278 anzuwenden.

(3) Die Erklärung des Beleidigten oder Ver-letzten, daß er sich das Klagerecht wegen dergegen ihn begangenen strafbaren Handlung vor-behalte oder daß er auf das Klagerecht verzichte,steht der Anwendung der in den §§ 233 bis 236enthaltenen Strafbestimmungen nicht entgegen.

§ 238. (1) Wenn im Laufe einer Hauptverhand-lung über einzelne Punkte des Verfahrens vonden Parteien entgegengesetzte Anträge gestelltwerden oder wenn der Vorsitzende dem un-bestrittenen Antrag einer Partei nicht statt-zugeben findet, so entscheidet über solcheZwischenfragen der Gerichtshof sofort, ohne daßein selbständiges, die weitere Verhandlung hem-mendes Rechtsmittel dagegen zulässig ist.

(2) Die Entscheidungsgründe müssen jederzeitverkündet und im Protokoll ersichtlich gemachtwerden.

3. Beginn der Hauptverhandlung

§ 239. Die Hauptverhandlung beginnt mit demAufruf der Sache durch den Schriftführer. DerAngeklagte erscheint ungefesselt, jedoch, wenn erin Untersuchungshaft ist, in Begleitung einerWache. Die zur Beweisführung etwa erforder-lichen Gegenstände, die dem Angeklagten oderden Zeugen zur Anerkennung vorzulegen sind,müssen vor dem Beginn der Verhandlung inden Gerichtssaal gebracht werden.

§ 240. Der Vorsitzende befragt hierauf denAngeklagten um Vor- und Familiennamen, Ge-burtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit,Beruf, Wohnort und erforderlichenfalls überandere persönliche Verhältnisse und ermahnt ihnzur Aufmerksamkeit auf die vorzutragende An-klage und auf den Gang der Verhandlung.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 74)

§ 240 a. (1) Nach der Ermahnung des Ange-klagten sind die Schöffen, die in demselben Jahrenoch nicht beeidigt worden sind, bei sonstigerNichtigkeit zu beeidigen. Die Schöffen erhebensich von den Sitzen und der Vorsitzende richtetan sie folgende Anrede:

„Sie schwören und geloben vor Gott, die Be-weise, die gegen und für den Angeklagten werdenvorgebracht werden, mit der gewissenhaftestenAufmerksamkeit zu prüfen, nichts unerwogenzu lassen, was zum Vorteil oder zum Nachteildes Angeklagten gereichen kann, das Gesetz,dem Sie Geltung verschaffen sollen, treu zubeobachten, vor Ihrem Ausspruch über denGegenstand der Verhandlung mit niemand, außermit den Mitgliedern des Gerichtshofes, Rück-sprache zu nehmen, der Stimme der Zu- oder Ab-neigung, der Furcht oder der Schadenfreude keinGehör zu geben, sondern sich mit Unparteilich-keit und Festigkeit nur nach den für und widerden Angeklagten vorgeführten Beweismitteln undIhrer darauf gegründeten Überzeugung so zuentscheiden, wie Sie es vor Gott und IhremGewissen verantworten können."

(2) Sodann wird jeder Schöffe einzeln vomVorsitzenden aufgerufen und antwortet: „Ichschwöre, so wahr mir Gott helfe." Das Religions-

2766 211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 63!

bekenntnis der Schöffen macht hiebei keinenUnterschied. Nur solche, die keinem Religions-bekenntnis angehören oder deren Bekenntnis dieEidesleistung untersagt, werden durch Hand-schlag verpflichtet.

(3) Die Beeidigung gilt für die Dauer desKalenderjahres; sie ist im Verhandlungsprotokollund fortlaufend in einem besonderen Buche zubeurkunden.

§ 241. (1) Hierauf werden die vorgeladenenZeugen und Sachverständigen aufgerufen; derVorsitzende weist sie an, nachdem er sie an dieHeiligkeit des von ihnen abzulegenden Eideserinnert hat, sich in das für sie bestimmteZimmer zu begeben. Nach Umständen kann auchder Privatankläger oder Privatbeteiligte, wenn erals Zeuge zu vernehmen ist, unbeschadet seinesRechtes, sich durch einen anderen bei der Ver-handlung vertreten zu lassen, zur Entfernungaus dem Sitzungssaal angewiesen werden. DerVorsitzende ordnet auch nach Befinden Maß-regeln an, um Verabredungen oder Besprechungender Zeugen zu verhindern.

(2) Bei den Sachverständigen kann der Vor-sitzende in allen Fällen, in denen er es für dieErforschung der Wahrheit zweckdienlich findet,verfügen, daß sie sowohl während der Ver-nehmung des Angeklagten als auch der Zeugen imSitzungssaale bleiben.

§ 242. (1) Wenn Zeugen oder Sachverständige,der an sie ergangenen Vorladung ungeachtet, beider Hauptverhandlung nicht erscheinen, so kannder Gerichtshof deren ungesäumte Vorführungverfügen.

(2) Ist diese nicht möglich, so entscheidet derGerichtshof nach Anhörung des Anklägers unddes Angeklagten oder seines Verteidigers, ob dieHauptverhandlung vertagt oder fortgesetzt wer-den und statt der mündlichen Abhörung jenerZeugen oder Sachverständigen die Verlesung ihrerin der Voruntersuchung abgelegten Aussagen vor-genommen werden soll.

(3) Der Ausgebliebene ist zu einer Geldstrafebis fünftausend Schilling zu verurteilen. Ist dieHauptverhandlung vertagt worden, so hat erüberdies die Kosten der durch sein Ausbleibenvereitelten Sitzung zu tragen. Auch kann, umsein Erscheinen bei der neu angeordneten Sitzungzu sichern, ein Vorführungsbefehl wider ihnerlassen werden. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ. 75)

| 243. (1) Gegen die gemäß dem vorstehendenParagraphen ausgesprochene Verurteilung kannder Zeuge oder Sachverständige binnen vierzehnTages nach Zustellung des gegen ihn ergangenenErkenntnisses beim erkennenden Gerichtshof Ein-spruch erheben.

(2) Wenn er nachzuweisen vermag, daß ihm dieVorladung nicht gehörig zugestellt worden istoder daß ihn ein unvorhergesehenes und unab-wendbares Hindernis vom Erscheinen abgehaltenhat, wird ihm die Strafe nachgesehen.

(3) Eine Minderung der verhängten Strafe oderdes ihm auferlegten Kostenbetrages kann aus-gesprochen werden, wenn er darzutun imstandeist, daß diese Strafe oder Kostenverurteilungnicht im richtigen Verhältnisse zu seinem Ver-schulden oder zu den Folgen seines Ausbleibenssteht.

(4) Wird der Einspruch erst nach dem Schlußder Hauptverhandlung erhoben, so entscheidethierüber der Vorsitzende. Gibt er dem Einspruchnicht zur Gänze Folge, so steht dem Zeugenoder Sachverständigen gegen die Entscheidungdie binnen vierzehn Tagen einzubringende Be-schwerde an den Gerichtshof zweiter Instanzzu. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 76)

(5) Im übrigen ist gegen die Entscheidungüber den Einspruch kein Rechtsmittel zulässig.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 76)

§ 244. Nachdem die Zeugen abgetreten sind,läßt der Vorsitzende bei sonstiger Nichtigkeit dieAnklageschrift und, falls ein Erkenntnis vorliegt,nach dem ein Anklagepunkt zu entfallen hat,auch dieses verlesen.

4. Vernehmung des Angeklagten

§ 245. (1) Hierauf wird der Angeklagte vomVorsitzenden über den Inhalt der Anklage ver-nommen. Beantwortet der Angeklagte die An-klage mit der Erklärung, er sei nicht schuldig, sohat ihm der Vorsitzende zu eröffnen, daß erberechtigt sei, der Anklage eine zusammenhän-gende Erklärung des Sachverhaltes entgegenzu-stellen und nach Anführung jedes einzelnen Be-weismittels seine Bemerkungen darüber vorzu-bringen. Weicht der Angeklagte von seinen frü-heren Aussagen ab, so ist er um die Gründedieser Abweichung zu befragen. Der Vorsitzendekann in diesem Falle sowie dann, wenn der An-geklagte eine Antwort verweigert, das über diefrüheren Aussagen aufgenommene Protokoll ganzoder teilweise vorlesen lassen.

(2) Der Angeklagte kann zur Beantwortung deran ihn gerichteten Fragen nicht verhalten wer-den.

(3) Es ist dem Angeklagten unbenommen, sichauch während der Hauptverhandlung mit seinemVerteidiger zu besprechen; es ist ihm jedoch nichtgestattet, sich mit dem Verteidiger unmittelbarüber die Beantwortung der einzelnen an ihn ge-stellten Fragen zu beraten.

211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631 2767

5. Beweisverfahren

§ 246. (1) Nach der Vernehmung des Ange-klagten sind die Beweise in der vom Vorsitzen-den bestimmten Ordnung vorzuführen und inder Regel die vom Ankläger vorgebrachten Be-weise zuerst aufzunehmen.

(2) Der Ankläger und der Angeklagte könnenim Laufe der Hauptverhandlung Beweismittelfallen lassen, jedoch nur, wenn der Gegner zu-stimmt.

§ 247. (1) Zeugen und Sachverständige werdeneinzeln vorgerufen und in Anwesenheit des An-geklagten abgehört. Sie sind vor ihrer Verneh-mung zur Angabe der Wahrheit zu ermahnen.Sachverständige, die den Eid bereits abgelegthaben, und Zeugen, die im Vorverfahren beeidigtwurden, sind an die Heiligkeit des abgelegtenEides zu erinnern.

(2) Außer diesem Fall ist jeder von ihnennach Beantwortung der allgemeinen Fragen undvor seiner weiteren Vernehmung unter Beobach-tung des Gesetzes vom 3. Mai 1868, RGBl.Nr. 33, zu beeidigen, ein Zeuge jedoch nur dann,wenn der Beeidigung kein gesetzliches Hinder-nis (§ 170) entgegensteht und wenn der Vor-sitzende sie zur Wahrheitsfindung für unerläßlichhält oder der Ankläger oder der Angeklagte sieverlangt. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 77)

(3) Die Beeidigung kann auch bis nach derAbhörung des Zeugen vorbehalten werden.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 77)

§ 248. (1) Der Vorsitzende hat bei der Ab-hörung der Zeugen und Sachverständigen die fürden Untersuchungsrichter in der Vorunter-suchung erteilten Vorschriften zu beobachten,soweit sie nicht ihrer Natur nach als in derHauptverhandlung unausführbar erscheinen. Erhat dafür zu sorgen, daß ein noch nicht ver-nommener Zeuge bei der Beweisaufnahme über-haupt, ein nicht vernommener Sachverständigerbei der Vernehmung anderer Sachverständigerüber denselben Gegenstand nicht zugegen sei.

(2) Zeugen, deren Aussagen voneinander ab-weichen, kann der Vorsitzende einander gegen-überstellen.

(3) Zeugen und Sachverständige haben nachihrer Vernehmung so lange in der Sitzung an-wesend zu bleiben, als der Vorsitzende sie nichtentläßt oder ihr Abtreten anordnet. Die einzel-nen Zeugen dürfen einander wegen ihrer Aus-sagen nicht zur Rede stellen.

(4) Der Angeklagte muß nach der Abhörungeines jeden Zeugen, Sachverständigen oder Mit-angeklagten befragt werden, ob er auf die ebenvernommene Aussage etwas zu entgegnen habe.

§ 249. Außer dem Vorsitzenden sind auch dieübrigen Mitglieder des Gerichtshofes, der An-kläger, der Angeklagte und der Privatbeteiligte

sowie deren Vertreter befugt, an jede zu ver-nehmende Person, nachdem sie das Wort hiezuvom Vorsitzenden erhalten haben, Fragen zustellen. Der Vorsitzende ist berechtigt, Fragenzurückzuweisen, die ihm unangemessen erschei-nen.

§ 250. (1) Der Vorsitzende ist befugt, aus-nahmsweise den Angeklagten während der Ab-hörung eines Zeugen oder eines Mitangeklagtenaus dem Sitzungssaal abtreten zu lassen. Er mußihn aber, sobald er ihn nach seiner Wiederein-führung über den in seiner Abwesenheit ver-handelten Gegenstand vernommen hat, vonallem in Kenntnis setzen, was in seiner Abwesen-heit vorgenommen wurde, insbesondere von denAussagen, die inzwischen gemacht worden sind.

(2) Ist diese Mitteilung unterblieben, so muß siejedenfalls bei sonstiger Nichtigkeit vor Schlußdes Beweisverfahrens nachgetragen werden.

§ 251. Sowohl der Angeklagte als auch der An-kläger können verlangen, daß sich Zeugen nachihrer Abhörung aus dem Gerichtssaal entfernenund später wieder hereingerufen und entwederallein oder in Gegenwart anderer Zeugen noch-mals vernommen werden. Der Vorsitzende kanndies auch von Amts wegen anordnen.

§ 252. (1) Protokolle über die Vernehmungvon Mitbeschuldigten und Zeugen, dann die Gut-achten der Sachverständigen dürfen nur in fol-genden Fällen vorgelesen werden:

1. wenn die Vernommenen in der Zwischenzeitgestorben sind; wenn ihr Aufenthalt unbekanntoder ihr persönliches Erscheinen wegen ihresAlters, wegen Krankheit oder Gebrechlichkeitoder wegen entfernten Aufenthaltes oder ausanderen erheblichen Gründen füglich nicht be-werkstelligt werden konnte;

2. wenn die in der Hauptverhandlung Ver-nommenen in wesentlichen Punkten von ihrenfrüher abgelegten Aussagen abweichen;

3. wenn Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein,oder wenn Mitschuldige die Aussage verweigern;endlich

4. wenn über die Vorlesung Ankläger und An-geklagter einverstanden sind.

(2) Augenscheins- und Befundaufnahmen, gegenden Angeklagten früher ergangene Straferkennt-nisse sowie Urkunden und Schriftstücke andererArt, die für die Sache von Bedeutung sind,müssen vorgelesen werden, wenn nicht beideTeile darauf verzichten.

(3) Nach jeder Vorlesung ist der Angeklagte zubefragen, ob er darüber etwas zu bemerken habe.

§ 253. Im Laufe oder am Schlusse des Beweis-verfahrens läßt der Vorsitzende dem Angeklagtenund, soweit es nötig ist, den Zeugen und Sach-

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verständigen die Gegenstände, die zur Aufklä-rung des Sachverhaltes dienen können, vorlegenund fordert sie auf, sich zu erklären, ob sie dieseanerkennen.

§ 254. (1) Der Vorsitzende ist ermächtigt, ohneAntrag des Anklägers oder Angeklagten Zeugenund Sachverständige, von denen nach dem Gangeder Verhandlung Aufklärung über erheblicheTatsachen zu erwarten ist, im Laufe des Ver-fahrens vorladen und nötigenfalls vorführen zulassen und zu vernehmen.

(2) Der Vorsitzende kann auch neue Gutachtenabfordern oder andere Beweismittel herbei-schaffen lassen, mit dem Gericht einen Augen-schein vornehmen oder hiezu ein Mitglied desGerichtes abordnen, das darüber Bericht zu er-statten hat.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I 2. 78)

6. Vorträge der Parteien

§ 255. (1) Nachdem der Vorsitzende das Beweis-verfahren für geschlossen erklärt hat, erhält zu-erst der Ankläger das Wort, um die Ergebnisseder Beweisführung zusammenzufassen und seineAnträge sowohl wegen der Schuld des Angeklag-ten als auch wegen der gegen ihn anzuwenden-den Strafbestimmungen zu stellen und zu begrün-den. Einen bestimmten Antrag über die Bemes-sung der Strafe innerhalb des gesetzlichen Straf-satzes hat der Ankläger nicht zu stellen.

(2) Der Privatbeteiligte erhält zunächst nachdem Staatsanwalte das Wort.

(3) Dem Angeklagten und seinem Verteidigersteht das Recht zu, darauf zu antworten. Findetder Staatsanwalt, der Privatankläger oder derPrivatbeteiligte hierauf etwas zu erwidern, sogebührt dem Angeklagten und seinem Verteidigerjedenfalls die Schlußrede.

§ 256. (1) In der Regel ist in den Schlußvor-trägen über alle im Urteile zu entscheidendenFragen ungetrennt zu verhandeln.

(2) Doch steht es dem Vorsitzenden oder demGerichtshofe (§ 238) frei, zu verfügen, daß dieSchlußvorträge über die Schuldfrage von denenüber die Strafbestimmungen, über die privat-rechtlichen Ansprüche und über die Prozeßkostenzu trennen seien. In diesen Fällen werden, nach-dem der Gerichtshof über die Schuld des Ange-klagtes entschieden und seinen Ausspruch ver-kündet hat, neuerlich Schlußvorträge gehalten,die jedoch auf die noch zu entscheidenden Frageneinzuschränken sind.

7. Urteil des Gerichtshofes

§ 257. Nachdem der Vorsitzende die Verhand-lung für geschlossen erklärt hat, zieht sich derGerichtshof zur Urteilsfällung in das Beratungs-

zimmer zurück. Der Angeklagte wird, wenn erverhaftet ist, einstweilen aus dem Sitzungssaalabgeführt.

§ 258. (1) Das Gericht hat bei der Urteilsfällungnur auf das Rücksicht zu nehmen, was in derHauptverhandlung vorgekommen ist. Akten-stücke können nur insoweit als Beweismitteldienen, als sie bei der Hauptverhandlung vor-gelesen worden sind.

(2) Das Gericht hat die Beweismittel auf ihreGlaubwürdigkeit und Beweiskraft sowohl ein-zeln als auch in ihrem inneren Zusammenhangesorgfältig und gewissenhaft zu prüfen. Über dieFrage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmensei, entscheiden die Richter nicht nach gesetzlichenBeweisregeln, sondern nur nach ihrer freien, ausder gewissenhaften Prüfung aller für und widervorgebrachten Beweismittel gewonnenen Über-zeugung.

§ 259. Der Angeklagte wird durch Urteil desGerichtshofes von der Anklage freigesprochen:

1. wenn sich zeigt, daß das Strafverfahren ohneden Antrag eines gesetzlich berechtigten Anklä-gers eingeleitet oder gegen dessen Willen fort-gesetzt worden sei;

2. wenn der Ankläger nach Eröffnung derHauptverhandlung und ehe der Gerichtshof sichzur Schöpfung des Urteiles zurückzieht, von derAnklage zurücktritt;

3. wenn der Gerichtshof erkennt, daß die derAnklage zugrunde liegende Tat vom Gesetzenicht mit Strafe bedroht oder der Tatbestandnicht hergestellt oder nicht erwiesen sei, daß derAngeklagte die ihm zur Last gelegte Tat be-gangen habe, oder daß Umstände vorliegen,durch die die Strafbarkeit aufgehoben oder dieVerfolgung aus anderen als den unter Z. 1 und 2angegebenen Gründen ausgeschlossen ist;

4. wenn der Gerichtshof erkennt, daß dieVoraussetzungen des § 42 StGB vorliegen. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 79)

§ 260. (1) Wird der Angeklagte schuldig befun-den, so muß das Strafurteil aussprechen:

1. welcher Tat der Angeklagte schuldig be-funden worden ist, und zwar unter ausdrück-licher Bezeichnung der einen bestimmten Straf-satz bedingenden Tatumstände;

2. welche strafbare Handlung durch die alserwiesen angenommenen Tatsachen, deren derAngeklagte schuldig befunden worden ist, be-gründet wird, unter gleichzeitigem Ausspruch,ob die strafbare Handlung ein Verbrechen oderein Vergehen ist;

3. zu welcher Strafe der Angeklagte verurteiltwird;und zwar diese drei Punkte bei sonstiger Nichtig-keit; außerdem ist noch beizufügen:

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4. welche strafgesetzlichen Bestimmungen aufihn angewendet wurden;

5. die Entscheidung über die geltend gemachtenEntschädigungsansprüche und über die Prozeß-kosten.

(2) Wird der Angeklagte wegen vorsätzlicherund fahrlässiger Taten zu einer mehr als einjäh-rigen Freiheitsstrafe verurteilt, so ist im An-schluß an den Strafausspruch festzustellen, obauf eine oder mehrere vorsätzlich begangenestrafbare Handlungen eine mehr als einjährigeFreiheitsstrafe entfällt.

(3) Ist die im Abs. 2 genannte Feststellung imStrafurteil unterblieben, so ist sie von Amtswegen oder auf Antrag eines zur Ergreifungder Nichtigkeitsbeschwerde Berechtigten mit Be-schluß nachzuholen. Gegen diesen Beschluß, derdem Ankläger und dem Angeklagten zuzustellenist, steht jedem zur Ergreifung der Nichtigkeits-beschwerde Berechtigten die binnen vierzehnTagen einzubringende Beschwerde an den Ge-richtshof zweiter Instanz zu. Ist außer über dieBeschwerde noch über eine von wem immer er-griffene Nichtigkeitsbeschwerde zu entscheiden,so entscheidet der Oberste Gerichtshof auch überdie Beschwerde.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 80)

§ 261. (1) Erachtet das Schöffengericht, daß dieder Anklage zugrunde liegenden Tatsachen ansich oder in Verbindung mit den in der Haupt-verhandlung hervorgetretenen Umständen einezur Zuständigkeit des Geschwornengerichtes ge-hörige strafbare Handlung begründen, so sprichtes seine Nichtzuständigkeit aus. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 81)

(2) Sobald dieses Urteil in Rechtskraft erwach-sen ist, hat der Ankläger längstens binnen vier-zehn Tagen (§§ 27 und 46) seine Anträge wegenEinleitung oder Wiedereröffnung der Vorunter-suchung oder — falls deren Wiedereröffnung nichtnotwendig ist — wegen Anordnung der Haupt-verhandlung vor dem Geschwornengericht anzu-bringen. Im ersten Falle muß eine neue Anklage-schrift eingebracht werden; außer diesem Fallaber ist bei der neuen Hauptverhandlung dieursprüngliche Anklageschrift und der nach diesemParagraphen gefällte Ausspruch des Schöffenge-richtes zu verlesen.

§ 262. Erachtet der Gerichtshof, daß die derAnklage zugrunde liegenden Tatsachen an sichoder in Verbindung mit den erst in der Haupt-verhandlung hervorgetretenen Umständen eineandere als die in der Anklage bezeichnete, nichteinem Gerichte höherer Ordnung vorbehaltenestrafbare Handlung begründen, so hat er dieParteien über den geänderten rechtlichen Ge-sichtspunkt zu hören und über einen allfälligenVertagungsantrag zu entscheiden. Das Urteilschöpft er nach seiner rechtlichen Überzeugung,

ohne an die in der Anklageschrift enthaltene Be-zeichnung der Tat gebunden zu sein.

§ 263. (1) Wird der Angeklagte bei der Haupt-verhandlung noch einer anderen Tat beschuldigt,als wegen der er angeklagt ist, so kann derGerichtshof, wenn sie von Amts wegen zu ver-folgen ist, auf Antrag des Staatsanwaltes oderdes durch diese Tat Verletzten, in anderen Fällenaber nur auf Begehren des zur Privatanklage Be-rechtigten die Verhandlung und das Urteil auchauf diese Tat ausdehnen. Die Zustimmung desAngeklagten ist nur dann erforderlich, wenn erbei seiner Verurteilung wegen dieser Tat unterein strengeres als das Strafgesetz fiele, das aufdie in der Anklageschrift angeführte strafbareHandlung anzuwenden wäre.

(2) Verweigert in einem solchen Falle der An-geklagte seine Zustimmung zur sofortigen Ab-urteilung oder kann nicht sofort geurteilt wer-den, weil eine sorgfältigere Vorbereitung nötigerscheint oder weil der Gerichtshof zur Aburtei-lung über die hinzugekommene strafbare Hand-lung nicht zuständig ist, so hat sich das Urteilauf den Gegenstand der Anklage zu beschränkenund dem Ankläger — auf sein Verlangen — dieselbständige Verfolgung wegen der hinzugekom-menen Tat vorzubehalten, außer welchem Fallewegen dieser Tat eine Verfolgung nicht mehrzulässig ist.

(3) Nach Umständen kann der Gerichtshofauch, wenn er über die hinzugekommene Tatnicht sofort aburteilt, die Hauptverhandlung ab-brechen und die Entscheidung über alle dem An-geklagten zur Last fallenden strafbaren Hand-lungen einer neuen Hauptverhandlung vorbehal-ten.

(4) In beiden Fällen muß der Ankläger binnenvierzehn Tagen (§§ 27 und 46) seine Anträgewegen Einleitung des gesetzlichen Verfahrens an-bringen.

§ 264. (1) Wird gegen den Angeklagten einStrafurteil gefällt, so steht dessen Vollstreckungder Umstand nicht entgegen, daß die Verfolgungwegen einer anderen strafbaren Handlung nochvorbehalten ist.

(2) Macht der Ankläger von dem im § 263 er-wähnten Vorbehalte Gebrauch, so kann der Ge-richtshof anordnen, daß die Vollstreckung desunter diesem Vorbehalt erlassenen Urteiles biszur Entscheidung über die neue Anklage auf sichzu beruhen habe. In diesem Falle sind beide Ur-teile hinsichtlich der Rechtsmittel so zu behan-deln, als wären sie gleichzeitig gefällt worden.

§ 265. (1) Liegen die zeitlichen Voraussetzungenfür die bedingte Entlassung aus einer Freiheits-strafe infolge Anrechnung einer Vorhaft odereiner im Ausland verbüßten Strafe schon imZeitpunkt des Urteils vor, so hat das Gericht

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dem Angeklagten den Rest der Strafe unter Be-stimmung einer Probezeit mit Beschluß bedingtnachzusehen, wenn auch die übrigen im § 46StGB genannten Voraussetzungen vorliegen. Indiesem Beschluß hat das Gericht gegebenenfallsauch Weisungen zu erteilen und einen Bewäh-rungshelfer zu bestellen (§ 50 StGB).

(2) Für den Beschluß nach Abs. 1 und für dasVerfahren nach einer solchen bedingten Entlas-sung gelten die Bestimmungen desXXVIII. Hauptstückes dem Sinne nach.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 82)

§ 265 a. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 82)

§ 265 b. (Aufgehoben)

§ 265 c. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974,Art. 1 Z. 82)

§ 266. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 82)

§ 267. An die Anträge des Anklägers ist derGerichtshof nur insoweit gebunden, daß er denAngeklagten nicht einer Tat schuldig erklärenkann, auf die die Anklage weder ursprünglichgerichtet noch während der Hauptverhandlungausgedehnt wurde.

8. Verkündung und Ausfertigung des Urteiles

§ 268. Unmittelbar nach dem Beschlusse desGerichtshofes ist der Angeklagte wieder vorzu-führen oder vorzurufen und ist in öffentlicherSitzung vom Vorsitzenden das Urteil samtdessen wesentlichen Gründen unter Verlesungder angewendeten Gesetzesbestimmungen zu ver-künden. Zugleich belehrt der Vorsitzende denAngeklagten über die ihm zustehenden Rechts-mittel.

§ 269. Hat sich der Angeklagte zur Urteils-verkündung nicht eingefunden, so kann der Vor-sitzende ihn zu diesem Zwecke vorführen lassenoder anordnen, daß ihm das Urteil entwederdurch einen hiezu abgeordneten Richter münd-lich eröffnet oder in Abschrift zugestellt werde.

§ 270. (1) Jedes Urteil muß binnen vierzehnTagen vom Tage der Verkündung schriftlich aus-gefertigt und vom Vorsitzenden sowie vomSchriftführer unterschrieben werden.

(2) Die Urteilsausfertigung muß enthalten:

1. die Bezeichnung des Gerichtes und dieNamen der anwesenden Mitglieder des Gerichts-hofes sowie den des Staatsanwaltes (Privatan-klägers) und des Privatbeteiligten;

2. den Vor- und Familiennamen sowie denNamen, unter dem der Angeklagte allenfalls sonstnoch bekannt ist, sein Alter, Stand, Gewerbe oder

seine Beschäftigung, ferner den Namen seinesVerteidigers;

3. den Tag der Hauptverhandlung und desergehenden Urteiles;

4. das Erkenntnis des Gerichtshofes über dieSchuldfrage, und zwar im Fall eines Strafurteilesmit allen im § 260 aufgeführten Punkten; end-lich

5. die Entscheidungsgründe. In diesen mußin gedrängter Darstellung, aber mit voller Be-stimmtheit angegeben sein, welche Tatsachen undaus welchen Gründen der Gerichtshof sie als er-wiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat,von welchen Erwägungen er bei der Entscheidungder Rechtsfragen und bei Beseitigung der vor-gebrachten Einwendungen geleitet wurde und,im Fall einer Verurteilung, welche Erschwerungs-und Milderungsumstände er gefunden hat. ImFalle einer Verurteilung zu einer in Tagessätzenbemessenen Geldstrafe sind die für die Bemes-sung des Tagessatzes maßgebenden Umstände(§ 19 Abs. 2 StGB) anzugeben. Bei einem frei-sprechenden Urteile haben die Entscheidungs-gründe insbesondere deutlich anzugeben, aus wel-chem der im § 259 angegebenen Gründe sichder Gerichtshof zur Freisprechung bestimmt ge-funden hat.

(3) Schreib- und Rechenfehler, ferner solcheFormgebrechen und Auslassungen, die nicht dieim § 260 Abs. 1 Z. 1 bis 3 und Abs. 2 erwähntenPunkte betreffen, hat der Vorsitzende jederzeit,allenfalls nach Anhörung der Parteien, zu berich-tigen. Die Zurückweisung eines auf eine solcheBerichtigung abzielenden Antrages sowie dievorgenommene Berichtigung können von jedemzur Ergreifung der Nichtigkeitsbeschwerde Be-rechtigten oder sonst Beteiligten mit der binnenvierzehn Tagen einzubringenden Beschwerde anden Gerichtshof zweiter Instanz angefochtenwerden. Ist außer über die Beschwerde noch übereine von wem immer ergriffene Nichtigkeitsbe-schwerde zu entscheiden, so entscheidet derOberste Gerichtshof auch über die Beschwerde.Die beschlossene Verbesserung ist am Rande desUrteils beizusetzen und muß allen Ausfertigun-gen beigefügt werden.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 83)

9. Protokollführung

§ 271. (1) Über die Hauptverhandlung ist beisonstiger Nichtigkeit ein vom Vorsitzenden undvom Schriftführer zu unterschreibendes Proto-koll aufzunehmen. Es soll die Namen der an-wesenden Mitglieder des Gerichtshofes, der Par-teien und ihrer Vertreter enthalten, alle wesent-lichen Förmlichkeiten des Verfahrens beurkun-

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den, insbesondere anführen, welche Zeugen undSachverständigen vernommen und welche Akten-stücke vorgelesen wurden, ob die Zeugen undSachverständigen beeidigt wurden und aus wel-chen Gründen die Beeidigung erfolgte, endlichalle Anträge der Parteien und die vom Vor-sitzenden oder vom Gerichte darüber getroffenenEntscheidungen vermerken. Den Parteien steht esfrei, die Feststellung einzelner Punkte im Proto-koll zur Wahrung ihrer Rechte zu verlangen.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 84)

(2) Der Vorsitzende hat, wo es auf Feststellungder wörtlichen Fassung ankommt, auf Verlangeneiner Partei sofort die Verlesung einzelner Stellenanzuordnen.

(3) Der Antworten des Angeklagten und derAussagen der Zeugen oder Sachverständigen ge-schieht nur dann eine Erwähnung, wenn sie Ab-weichungen, Veränderungen oder Zusätze der inden Akten niedergelegten Angaben enthaltenoder wenn die Zeugen oder Sachverständigen inder öffentlichen Sitzung das erstemal vernommenwerden.

(4) Wenn der Vorsitzende oder der Gerichtshofes angemessen findet, kann er die stenographischeAufzeichnung aller Aussagen und Vorträge an-ordnen; auf rechtzeitiges Verlangen einer Parteiund gegen vorläufigen Erlag der Kosten ist siestets zu verfügen. Die stenographischen Auf-zeichnungen sind jedoch binnen achtundvierzigStunden in gewöhnliche Schrift zu übertragen,dem Vorsitzenden oder einem von ihm hiemitbetrauten Richter zur Prüfung vorzulegen unddem Protokoll beizuschließen.

(5) Es steht übrigens den Parteien frei, in dasabgeschlossene Protokoll und dessen BeilagenEinsicht und von ihnen Abschrift zu nehmen.

§ 272. Über die Beratungen und Abstimmun-gen während und am Schlusse der Hauptverhand-lung ist in den Fällen, wo sich das Gericht zurBeschlußfassung in das Beratungszimmer zurück-gezogen hat, ein abgesondertes Protokoll zu füh-ren.

10. Vertagung der Hauptverhandlung

§ 273. Die Hauptverhandlung darf, wenn siebegonnen hat, nur insoweit unterbrochen werden,als es der Vorsitzende zur nötigen Erholung derdabei beteiligten Personen oder zur unverzüg-lichen Herbeischaffung von Beweismitteln erfor-derlich findet; sie kann nach dem Ermessen desGerichtshofes in dringenden Fällen auch an einemSonn- oder Feiertage fortgesetzt werden.

§ 274. Ist der Verteidiger, ungeachtet gehörigerLadung, bei der Hauptverhandlung nicht erschie-nen oder hat er sich vor deren Schluß entferntoder tritt der im § 236 Abs. 2 vorgesehene Fallein, und kann ein anderer Verteidiger überhaupt

nicht oder doch nicht ohne Beeinträchtigung derVerteidigung des Angeklagten bestellt werden, soist die Verhandlung zu vertagen. Die Kosten derBestellung eines anderen Vertreters und der Ver-tagung hat der schuldige Verteidiger zu tragen.

§ 275. Erkrankt der Angeklagte Während derHauptverhandlung in dem Maße, daß er ihrnicht weiter beiwohnen kann, und willigt ernicht selbst ein, daß die Verhandlung in seinerAbwesenheit fortgesetzt und seine in der Vor-untersuchung abgegebene Erklärung vorgelesenwerde, so ist die Verhandlung zu vertagen.

§ 276. Eine Vertagung der Hauptverhandlungkann nach Ermessen des Gerichtes auch dann be-schlossen werden, wenn der Gerichtshof ausirgendeinem Anlasse vorläufig noch neue Erhe-bungen oder Untersuchungshandlungen oder dieHerbeischaffung neuer Beweismittel anzuordnenfindet oder wenn sich wegen äußerer Hindernisseeine zeitweilige Aufschiebung der Verhandlungals notwendig oder zweckmäßig darstellt.

§ 276 a. Ist die Verhandlung, nachdem sie be-gonnen hatte, vertagt worden (§§ 274 bis 276),so kann der Vorsitzende in der späteren Ver-handlung die wesentlichen Ergebnisse der frühe-ren nach dem Protokoll und den sonst zu be-rücksichtigenden Akten mündlich vortragen unddie Fortsetzung der Verhandlung daran anknüp-fen. Die Verhandlung ist jedoch zu wiederholen,wenn sich die Zusammensetzung des Gerichtesgeändert hat oder seit der Vertagung mehr alsein Monat verstrichen ist oder wenn es eineder Parteien nach dem Vortrage des Vorsitzendenund vor der Fortsetzung der Verhandlung be-gehrt, es sei denn, daß das Begehren offenbarmutwillig oder nur zur Verzögerung der Sachegestellt wird.

11. Zwischenfälle

§ 277. Ergibt sich aus der Hauptverhandlungmit Wahrscheinlichkeit, daß ein Zeuge wissent-lich falsch ausgesagt habe, so kann der Vor-sitzende über dessen Aussage ein Protokoll auf-nehmen und nach geschehener Vorlesung undGenehmigung vom Zeugen unterfertigen lassen;er kann den Zeugen auch verhaften und demUntersuchungsrichter vorführen lassen.

§ 278. (1) Wird während der Hauptverhand-lung im Sitzungssaal eine strafbare Handlungverübt und dabei der Täter auf frischer Tat be-treten, so kann darüber mit Unterbrechung derHauptverhandlung oder an deren Schluß auf An-trag des dazu berechtigten Anklägers sowie nachVernehmung des Beschuldigten und der vorhan-denen Zeugen vom versammelten Gerichte so-gleich abgeurteilt werden. Rechtsmittel gegen einsolches Urteil haben keine aufschiebende Wir-kung.

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(2) Ist zur Aburteilung ein Gericht höhererOrdnung zuständig oder die sofortige Aburtei-lung nicht tunlich, so läßt der Vorsitzende denTäter dem Untersuchungsrichter vorführen.

(3) Über einen solchen Vorgang ist ein beson-deres Protokoll aufzunehmen.

§ 279. Hat der Angeklagte während derHauptverhandlung eine strafbare Handlung be-gangen, so sind die Bestimmungen des § 263 vollanzuwenden.

II. R e c h t s m i t t e l g e g e n das U r t e i l

§ 280. Gegen die Urteile der Gerichtshöfeerster Instanz stehen nur die Rechtsmittel derNichtigkeitsbeschwerde und der Berufung offen.Die Nichtigkeitsbeschwerde geht an den Ober-sten Gerichtshof, die Berufung an den Gerichts-hof zweiter Instanz.

§ 281. (1) Die Nichtigkeitsbeschwerde kanngegen ein freisprechendes Urteil nur zum Nach-teile, gegen ein verurteilendes sowohl zum Vor-teile als auch zum Nachteile des Angeklagten er-griffen werden, jedoch, sofern sie nicht nach be-sonderen gesetzlichen Vorschriften auch in ande-ren Fällen zugelassen ist, nur wegen eines derfolgenden Nichtigkeitsgründe:

1. wenn der Gerichtshof nicht gehörig besetztwar, wenn nicht alle Richter der ganzen Ver-handlung beiwohnten oder wenn sich ein aus-geschlossener Richter (§§ 67 und 68) an der Ent-scheidung beteiligte; es sei denn, daß der dieNichtigkeit begründende Tatumstand dem Be-schwerdeführer noch vor oder während derHauptverhandlung bekannt und von ihm nichtgleich beim Beginne der Hauptverhandlung odersofort, nachdem er in dessen Kenntnis gelangtwar, geltend gemacht wurde;

1 a. wenn der Angeklagte nicht während derganzen Hauptverhandlung durch einen Verteidi-ger vertreten war, obwohl dies zwingend vorge-schrieben war; (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 85)

2. wenn trotz der Verwahrung des Beschwerde-führers ein Schriftstück über einen nach demGesetze nichtigen Vorerhebungs- oder Vorunter-suchungsakt in der Hauptverhandlung verlesenwurde;

3. wenn in der Hauptverhandlung eine Vor-schrift verletzt oder vernachlässigt worden ist,deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich beisonstiger Nichtigkeit vorschreibt (§§ 120, 151,152, 170, 221, 228, 240 a, 244, 250, 260, 271,427, 430 Abs. 3 und 4 sowie 439 Abs. 1 und2); (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 85)

4. wenn während der Hauptverhandlung übereinen Antrag des Beschwerdeführers nicht er-kannt worden ist oder wenn durch ein gegenseinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwi-schenerkenntnis Gesetze oder Grundsätze des

Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig ange-wendet worden sind, deren Beobachtung durchdas Wesen eines die Strafverfolgung und die Ver-teidigung sichernden Verfahrens geboten ist;

5. wenn der Ausspruch des Gerichtshofes überentscheidende Tatsachen (§ 270 Abs. 2 Z. 4 und 5)undeutlich, unvollständig oder mit sich selbstim Widerspruch ist; wenn für diesen Ausspruchkeine oder nur offenbar unzureichende Gründeangegeben sind; oder wenn zwischen den Angabender Entscheidungsgründe über den Inhalt einerbei den Akten befindlichen Urkunde oder übereine gerichtliche Aussage und der Urkunde oderdem Vernehmungs- oder Sitzungsprotokoll selbstein erheblicher Widerspruch besteht;

6. wenn der Gerichtshof mit Unrecht seineNichtzuständigkeit (§ 261) ausgesprochen hat;

7. wenn das ergangene Endurteil die Anklagenicht erledigt oder

8. diese gegen die Vorschrift der §§ 262, 263und 267 überschritten hat;

9. wenn durch den Ausspruch über die Frage,a) ob die dem Angeklagten zur Last fallende

Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichtegehörige strafbare Handlung begründe,

b) ob Umstände vorhanden seien, durch diedie Strafbarkeit der Tat aufgehoben oderdie Verfolgung wegen der Tat ausgeschlos-sen ist, oder ob die Voraussetzungen des§ 42 StGB gegeben seien, endlich

c) ob die nach dem Gesetz erforderliche An-klage fehle,

ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendetwurde; (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 85)

10. wenn die der Entscheidung zugrunde lie-gende Tat durch unrichtige Gesetzesauslegungeinem Strafgesetz unterzogen wurde, das daraufnicht anzuwenden ist;

11. wenn der Gerichtshof seine Strafbefugnis,die Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes, soweitdieser durch namentlich im Gesetz angeführteErschwerungs- oder Milderungsumstände begrün-det wird, die Grenzen für die Bemessung einesTagessatzes oder die Grenzen der ihm zustehen-den Strafschärfung oder außerordentlichen Straf-milderung überschritten, bei der Festsetzungeiner Ersatzfreiheitsstrafe gegen § 19 Abs. 3StGB oder durch die Anrechnung oder Nicht-anrechnung einer Vorhaft gegen § 38 StGB ver-stoßen oder die Bestimmungen des § 293 Abs. 3oder des § 359 Abs. 4 verletzt oder unrichtigangewendet hat. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ.85)

(2) Der unter Abs. 1 Z. 1 a angeführte Nichtig-keitsgrund kann zum Nachteile des Angeklagtennicht geltend gemacht werden.

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(3) Die unter Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 erwähntenNichtigkeitsgründe können zum Vorteile des An-geklagten nicht geltend gemacht werden, wennunzweifelhaft erkennbar ist, daß die Formver-letzung auf die Entscheidung keinen dem Ange-klagten nachteiligen Einfluß üben konnte. ZumNachteile des Angeklagten können sie nur geltendgemacht werden, wenn erkennbar ist, daß dieFormverletzung einen die Anklage beeinträchti-genden Einfluß auf die Entscheidung zu übenvermochte, und wenn außerdem der Anklägersich ihr widersetzt, die Entscheidung des Gerichts-hofes begehrt und sich sofort nach der Verwei-gerung oder Verkündung dieser Entscheidungdie Nichtigkeitsbeschwerde vorbehalten hat.

§ 281 a. Der Umstand, daß der Gerichtshofzweiter Instanz, der die Versetzung in den An-klagestand ausgesprochen hat (§§ 214 und 218),nicht zuständig war, kann durch eine gegen dasEndurteil gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde gel-tend gemacht werden.

§ 282. (1) Zugunsten des Angeklagten kann dieNichtigkeitsbeschwerde sowohl von ihm selbstals auch von seinem Ehegatten, seinen Verwand-ten in auf- und absteigender Linie und seinemVormund und vom Staatsanwalte, gegen seinenWillen aber nur im Falle der Minderjährigkeitvon den Eltern und vom Vormund ergriffenwerden. Soweit es sich um die Beurteilung dergeltend gemachten Nichtigkeitsgründe handelt,ist die zugunsten des Angeklagten von anderenergriffene Nichtigkeitsbeschwerde als von ihmselbst eingelegt anzusehen.

(2) Zum Nachteile des Angeklagten kann dieNichtigkeitsbeschwerde nur vom Staatsanwaltoder vom Privatankläger ergriffen werden.

§ 283. (1) Die Berufung kann nur gegen denAusspruch über die Strafe, soweit nicht der im§281 Abs. 1 Z. 11 erwähnte Nichtigkeitsgrundvorliegt, und gegen den Ausspruch über dieprivatrechtlichen Ansprüche ergriffen werden.

(2) Wegen des Ausspruches über die Strafekann die Berufung von allen zur Ergreifungder Nichtigkeitsbeschwerde Berechtigten ergrif-fen werden, und zwar zum Nachteile des Ange-klagten, wenn das Gericht nicht auf die strengstegesetzlich zulässige Strafart erkannt, wenn eseine gesetzlich zulässige Nebenstrafe nicht ver-hängt hat, und wegen des Strafausmaßes, wenndie verhängte Geld- oder Freiheitsstrafe das ge-setzliche Höchstmaß nicht erreicht; zugunstendes Angeklagten aber, wenn das Gericht nichtauf die mildeste bei Anwendung der außerordent-lichen Strafmilderung zulässige Strafart erkannt,wenn es eine nicht zwingend vorgeschriebeneNebenstrafe verhängt hat, und wegen des Straf-ausmaßes, wenn die verhängte Geld- oder Frei-heitsstrafe das bei Anwendung der außerordent-lichen Strafmilderung zulässige Mindestmaß über-

steigt. Bestimmt das Gesetz kein Mindestmaß,so kann wegen des Strafausmaßes zugunsten desAngeklagten Berufung ergriffen werden, wenneine Strafe das gesetzliche Mindestmaß von Stra-fen dieser Art übersteigt.

(3) Bei Geldstrafen, die in Tagessätzen zu be-messen sind, ergibt sich das im Abs. 2 genannteHöchstmaß aus der im Gesetz angedrohtenHöchstzahl der Tagessätze und der gesetzlichenObergrenze für die Bemessung eines Tagessatzes,das im Abs. 2 genannte Mindestmaß aus derMindestzahl der Tagessätze und der gesetzlichenUntergrenze für die Bemessung eines Tagessatzes.

(4) Wegen des Ausmaßes der Ersatzfreiheits-strafe kann, soweit es nicht gesetzlich bestimmtist, zugunsten und zum Nachteil des AngeklagtenBerufung ergriffen werden.

(5) Die im § 260 Abs. 2 erwähnte Feststellungkann zugunsten und zum Nachteil des Angeklag-ten mit Berufung angefochten werden.

(6) Gegen die Entscheidung über die privat-rechtlichen Ansprüche können nur der Ange-klagte und dessen gesetzlicher Vertreter undErben Berufung einlegen.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II 2. 14; BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 86)

1. Verfahren bei Nichtigkeitsbeschwerden

§ 284. (1) Die Nichtigkeitsbeschwerde ist bin-nen drei Tagen nach Verkündung des Urteilesbeim Gerichtshof erster Instanz anzumelden. Warder Angeklagte bei der Verkündung des Urteilesnicht gegenwärtig (§ 234), so ist sie binnen dreiTagen anzumelden, nachdem er vom Urteile ver-ständigt wurde (§ 269).

(2) Für die im § 282 erwähnten Angehörigendes Angeklagten läuft die Frist zur Anmeldungder Nichtigkeitsbeschwerde von demselben Tage,von dem an sie für den Angeklagten beginnt.

(3) Die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerdehat aufschiebende Wirkung. Die Entlassung einesfreigesprochenen Angeklagten aus der Haft darfnur wegen einer Nichtigkeitsbeschwerde desStaatsanwaltes, und zwar bloß dann aufgeschobenwerden, wenn diese sogleich bei Verkündungdes Urteiles angemeldet wird und nach den Um-ständen die Annahme begründet ist, daß sichder Angeklagte dem Verfahren durch die Fluchtentziehen werde. Gegen die Entlassung aus derHaft ist kein Rechtsmittel zulässig.

(4) Dem Beschwerdeführer muß, sofern diesnicht schon geschehen ist, eine Urteilsabschriftzugestellt werden.

§ 285. (1) Der Beschwerdeführer hat das Recht,binnen vierzehn Tagen nach der Anmeldung derNichtigkeitsbeschwerde, wenn ihm eine Urteils-abschrift aber erst nach der Anmeldung des

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Rechtsmittels zugestellt wurde, binnen vierzehnTagen nach der Zustellung eine Ausführung seinerBeschwerdegründe beim Gericht in zweifacherAusfertigung zu überreichen. Er muß entwederin dieser Schrift oder bei Anmeldung seinerBeschwerde die Nichtigkeitsgründe einzeln undbestimmt bezeichnen, widrigens auf seine Be-schwerde vom Obersten Gerichtshofe keine Rück-sicht zu nehmen ist. Hat er eine Beschwerde-schrift innerhalb der gesetzlichen Frist überreicht,so ist diese seinem Gegner mit dem Bedeutenmitzuteilen, daß er binnen vierzehn Tagen seineGegenausführung überreichen könne.

(2) Nach Überreichung dieser Gegenausführungoder nach Ablauf der hiezu bestimmten Frist sindalle Akten an den Obersten Gerichtshof zusenden, der darüber zu entscheiden hat.

§ 285 a. Der Gerichtshof erster Instanz, beidem eine gegen ein Endurteil gerichtete Nichtig-keitsbeschwerde angemeldet wird, hat diese zu-rückzuweisen:

1. wenn sie zu spät angemeldet oder wenn sievon einer Person eingebracht wurde, der dieNichtigkeitsbeschwerde nicht zukommt oder dieauf sie verzichtet hat;

2. wenn nicht bei der Anmeldung der Nichtig-keitsbeschwerde oder in ihrer Ausführung einerder im § 281 Abs. 1 Z. 1 bis 11 angegebenenNichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt be-zeichnet, insbesondere wenn der Tatumstand, derden Nichtigkeitsgrund bilden soll, nicht ausdrück-lich oder doch durch deutliche Hinweisung an-geführt ist;

3. wenn die unter Z. 2 geforderte Angabe,soweit es sich nicht um eine von der Staats-anwaltschaft erhobene Nichtigkeitsbeschwerdehandelt, nicht entweder zu Protokoll oder ineiner Eingabe gemacht wird, die von einem Ver-teidiger (§ 39) unterschrieben ist. Besteht derMangel lediglich im Fehlen der Unterschrift einesberechtigten Verteidigers, so ist die Eingabe vor-erst zur Behebung dieses Mangels und Wieder-vorlage binnen vierzehn Tagen zurückzustellen.

§ 285 b. (1) Der im § 285 a erwähnte Beschlußist vom Vorsitzenden zu fassen, und zwar in denim § 285 a unter Z. 2 und 3 erwähnten Fällennicht früher, als die Ausführung der Nichtig-keitsbeschwerde überreicht oder die hiezu be-stimmte Frist abgelaufen ist. (BGBl. Nr. 423/1974,Art. 1 Z. 87)

(2) Gegen den Beschluß steht die Beschwerdeaa den Obersten Gerichtshof offen; sie ist binnenvierzehn Tagen nach Eröffnung des Beschlussesbeim Gerichtshof erster Instanz einzubringen undvon diesem binnen weiteren drei Tagen an denObersten Gerichtshof einzusenden.

(3) Diese Beschwerde hat keine aufschiebendeWirkung.

(4) Der Oberste Gerichtshof entscheidet überdie Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung nachAnhörung des Generalprokurators.

(5) Gibt der Oberste Gerichtshof der Be-schwerde Folge, so läuft im Falle des § 285 aZ. 1 die Frist zur Ausführung der Nichtigkeits-beschwerde, sofern diese nicht schon erstattetist, vom Tage der Eröffnung der Entscheidungdes Obersten Gerichtshofes; dem Beschwerde-führer ist gleichzeitig mit dieser Eröffnung, wennes nicht bereits geschehen ist, eine Ausfertigungdes Urteiles zuzustellen; im übrigen ist nach§ 285 vorzugehen.

(6) Wird diese Beschwerde zurückgewiesen undwar mit der Nichtigkeitsbeschwerde die Berufungverbunden, so leitet der Oberste Gerichtshof nachAbweisung der Beschwerde die Akten an denzur Entscheidung über die Berufung zuständigenGerichtshof zweiter Instanz.

§ 285 c. (1) Der Oberste Gerichtshof hat überdie nach § 285 Abs. 2 an ihn gelangte Nichtig-keitsbeschwerde nur dann zuerst in nichtöffent-licher Sitzung nach Anhörung des Generalproku-rators zu beraten, wenn der Generalprokuratoroder der Berichterstatter einen der in den§§ 285 d, 285 e und 285 f bezeichneten Beschlüssebeantragt.

(2) Außerdem wird der Gerichtstag zur öffent-lichen Verhandlung der Sache unter Beobachtungder hiefür im § 286 erteilten Vorschrift ange-ordnet, ohne daß es hiezu eines Beschlusses desObersten Gerichtshofes bedarf.

§ 285 d. (1) Bei der nichtöffentlichen Beratungkann die Nichtigkeitsbeschwerde sofort zurück-gewiesen werden:

1. wenn sie schon vom Gerichtshof erster In-stanz nach § 285 a hätte zurückgewiesen werdensollen oder wenn der geltend gemachte Nich-tigkeitsgrund bereits durch eine in derselbenSache ergangene Entscheidung des Obersten Ge-richtshofes beseitigt ist;

2. wenn die Nichtigkeitsbeschwerde sich aufdie im § 281 Abs. 1 Z. 1 bis 8 angegebenen Nich-tigkeitsgründe stützt und der Oberste Gerichts-hof einstimmig erachtet, daß die Beschwerde,ohne daß es einer weiteren Erörterung bedarf,als offenbar unbegründet zu verwerfen sei.

(2) Der vorstehende Beschluß kann bei dernichtöffentlichen Beratung auch dann ergehen,wenn wegen anderer Nichtigkeitsgründe oderweil der Oberste Gerichtshof sich die Ausübungder ihm nach § 290 Abs. 1 zustehenden Befugnisvorbehalten will, ein Gerichtstag zur öffentlichenVerhandlung anzuberaumen ist.

§ 285 e. Bei der nichtöffentlichen Beratungüber eine zum Vorteile des Angeklagten ergrif-fene Nichtigkeitsbeschwerde kann dieser, sofernder Generalprokurator zustimmt, sofort Folge

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gegeben werden, wenn sich zeigt, daß die Anord-nung einer neuen Hauptverhandlung nicht zuvermeiden ist, eine Entscheidung des OberstenGerichtshofes in der Sache selbst aber noch nichteinzutreten hat.

§ 285 f. Bei der nichtöffentlichen Beratungkann ferner die Einholung tatsächlicher Aufklä-rungen über behauptete Formverletzungen (§ 281Abs. 1 Z. 1 bis 4) angeordnet werden.

§ 285 g. Den im § 285 d erwähnten Beschlußkann der Oberste Gerichtshof auch bei der Bera-tung über eine auf Grund des § 285 b an ihngelangte Beschwerde fassen, wenn die Ausfüh-rung der Nichtigkeitsbeschwerde überreicht oderdie Frist hiezu verstrichen ist.

§ 285 h. Die Bestimmungen der §§ 285 c bis285 g sind auch auf Nichtigkeitsbeschwerden nach§ 281 a anzuwenden.

§ 285 i. Der Oberste Gerichtshof ist in jedemFalle, in dem er auf Grund der §§ 285 b bis 285 heine Beschwerde oder Nichtigkeitsbeschwerde zu-rückweist, die offenbar mutwillig oder nur zurVerzögerung der Sache angebracht wurde, berech-tigt, gegen den Beschwerdeführer oder nach Um-ständen gegen dessen Vertreter auf eine Geld-strafe bis zu fünftausend Schilling zu erkennen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 88)

§ 286. (1) Wird ein Gerichtstag zur öffentlichenVerhandlung der Sache anberaumt, so ist dieVorladung des Angeklagten sowie des allenfallseinschreitenden Privatanklägers in der Art vorzu-nehmen, daß sie diese wenigstens acht Tage vordem Gerichtstag erhalten. Dabei ist ihnen zubedeuten, daß im Fall ihres Ausbleibens ihreBeschwerden und Ausführungen vorgetragen undder Entscheidung zugrunde gelegt werden wür-den.

(2) Ist der Angeklagte verhaftet, so wird ervom Gerichtstage mit dem Beisatz in Kenntnisgesetzt, daß er nur durch einen Verteidiger er-scheinen könne.

(3) Hat er einen Verteidiger bereits namhaftgemacht, so ist die Vorladung nur an diesen zurichten.

(4) Hat er noch keinen Verteidiger, so ist ihmvon Amts wegen ein Rechtsanwalt als Verteidigerbeizugeben (§ 41 Abs. 3). Liegen die Vorausset-zungen des § 41 Abs. 2 vor, so ist dem Angeklag-ten nach dieser Gesetzesstelle ein Rechtsanwaltals Verteidiger beizugeben. (BGBl. Nr. 569/1973,Art. Ill Z. 6; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 89)

§ 287. (1) Die Verhandlung der Sache vor demObersten Gerichtshof am angesetzten Gerichts-tag ist öffentlich nach den Vorschriften der §§ 228bis 231.

(2) Zuerst trägt der Berichterstatter eine Dar-stellung des bisherigen Ganges des Strafverfah-rens vor und bezeichnet die vom Beschwerde-führer aufgestellten Nichtigkeitsgründe und diesich daraus ergebenden Streitpunkte, ohne eineAnsicht über die zu fällende Entscheidung zuäußern.

(3) Hierauf erhält der Beschwerdeführer dasWort zur Begründung seiner Beschwerde undsodann sein Gegner zur Erwiderung. Dem Ange-klagten oder seinem Verteidiger gebührt jeden-falls das Recht der letzten Äußerung. Ist ein Teilnicht erschienen, so wird dessen Beschwerdeschriftoder Gegenausführung vorgelesen. Hierauf ziehtsich der Gerichtshof in sein Beratungszimmerzurück.

§ 288. (1) Findet der Oberste Gerichtshof dieNichtigkeitsbeschwerde unbegründet, so hat ersie zu verwerfen und, wenn sie offenbar mut-willig oder nur zur Verzögerung der Sache an-gebracht wurde, gegen den Beschwerdeführeroder nach Umständen gegen dessen Vertreter aufeine Geldstrafe bis fünftausend Schilling zu er-kennen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 90)

(2) Ist die Nichtigkeitsbeschwerde begründet,so ist das Urteil, soweit es angefochten und durchden Nichtigkeitsgrund berührt ist, aufzuhebenund nach Verschiedenheit der Nichtigkeitsgründegemäß den folgenden Vorschriften zu erkennenund weiter zu verfahren:

1. Liegt einer der im § 281 Abs. 1 unter Z. 1bis 5 angeführten Nichtigkeitsgründe vor, soordnet der Oberste Gerichtshof eine neue Haupt-verhandlung an und verweist die Sache nachseinem Ermessen entweder an denselben oder aneinen anderen Gerichtshof erster Instanz.

2. Hat der Gerichtshof mit Unrecht seineNichtzuständigkeit ausgesprochen oder die An-klage nicht erledigt (§ 281 Abs. 1 Z. 6 und 7),so trägt ihm der Oberste Gerichtshof auf, sichder Verhandlung und Urteilsfällung zu unter-ziehen, die sich im Falle der Z. 7 auf die uner-ledigt gebliebenen Anklagepunkte zu beschrän-ken hat.

3. In allen anderen Fällen erkennt der ObersteGerichtshof in der Sache selbst, indem er seinerEntscheidung die Tatsachen zugrunde legt, dieder Gerichtshof erster Instanz ohne Überschrei-tung der Anklage (§ 281 Abs. 1 Z. 8) fest-gestellt hat. Findet der Oberste Gerichtshof je-doch im Urteil und dessen Entscheidungsgründendie Tatsachen nicht festgestellt, die bei richtigerAnwendung des Gesetzes dem Erkenntnisse zu-grunde zu legen wären, so verweist er die Sachezu neuer Verhandlung und Entscheidung an den-selben oder an einen anderen Gerichtshof ersterInstanz, geeignetenfalls auch an das zuständigeBezirksgericht.

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§ 288 a. Findet der Oberste Gerichtshof dieNichtigkeitsbeschwerde nach § 281 a gegründet,so vernichtet er die Hauptverhandlung, verweistdie Sache zur nochmaligen Verhandlung vor daszuständige Gericht erster Instanz und verfügt diesonst nötige Verbesserung des Verfahrens.

§ 289. War die Nichtigkeitsbeschwerde nurgegen einzelne im Urteil enthaltene Verfügun-gen gerichtet und findet der Oberste Gerichtshof,daß diese vom Inhalte des ganzen Urteiles trenn-bar seien, so steht ihm auch frei, das angefoch-tene Urteil nur teilweise aufzuheben. Eben diesist der Fall, wenn dem angefochtenen Urteilemehrere strafbare Handlungen zugrunde liegenund die Nichtigkeitsbeschwerde sich nur auf dasVerfahren oder die Beurteilung hinsichtlich ein-zelner von ihnen beschränkt, zugleich aber dieerforderliche teilweise Wiederholung des Ver-fahrens oder auch ohne diese ein neuer Aus-spruch hinsichtlich dieser einzelnen strafbarenHandlung ausführbar erscheint.

§ 290. (1) Der Oberste Gerichtshof hat sich aufdie vom Beschwerdeführer ausdrücklich oderdoch durch deutliche Hinweisung geltend ge-machten Nichtigkeitsgründe zu beschränken.Überzeugt er sich jedoch aus Anlaß einer vonwem immer ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde,daß zum Nachteile des Angeklagten das Straf-gesetz unrichtig angewendet worden sei (§ 281Abs. 1 Z. 9 bis 11) oder daß dieselben Gründe,auf denen seine Verfügung zugunsten eines An-geklagten beruht, auch einem Mitangeklagten zu-statten kommen, der die Nichtigkeitsbeschwerdenicht ergriffen hat, so hat er von Amts wegenso vorzugehen, als wäre der in Frage kommendeNichtigkeitsgrund geltend gemacht worden.

(2) Ist die Nichtigkeitsbeschwerde lediglich zu-gunsten des Angeklagten ergriffen worden, sokann der Oberste Gerichtshof keine strengereStrafe über den Angeklagten verhängen, als dasangefochtene Urteil ausgesprochen hatte.

§ 291. Das Urteil des Obersten Gerichshofesist, nachdem sich dieser in den Gerichtssaal zu-rückbegeben hat, samt den Entscheidungsgrün-den mündlich zu verkünden; hat der Angeklagteder Verhandlung beim Obersten Gerichtshofenicht beigewohnt, so ist ihm ohne Verzug eineamtlich beglaubigte Abschrift des Urteiles durchden Gerichtshof erster Instanz zuzustellen. Fürdie Ausfertigung des Urteiles und die Führungdes Protokolls bei den Verhandlungen des Ober-sten Gerichtshofes sind die in den §§ 260, 268bis 271 enthaltenen Vorschriften zu beobachten.

§ 292. Das Verfahren auf Grund einer zur Wah-rung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeits-beschwerde richtet sich im allgemeinen nach denin den §§ 286 Abs. 1 bis 3 und 287 bis 291 ent-haltenen Vorschriften. Der Angeklagte (Verur-

teilte) ist, wenn das nicht zu einer unangemes-senen Verzögerung des Verfahrens führt, vomGerichtstag mit der Bemerkung in Kenntnis zusetzen, daß es ihm freistehe zu erscheinen. Dasgleiche gilt für den Privatbeteiligten, sofern derAusspruch über die privatrechtlichen Ansprüchevon der Nichtigkeitsbeschwerde betroffen ist,und für die sonst Beteiligten, sofern ihre Rechtebetroffen sind. Findet der Oberste Gerichtshofdie zur Wahrung des Gesetzes erhobene Be-schwerde gegründet, so hat er zu erkennen, daßin der fraglichen Strafsache durch den angefoch-tenen Beschluß oder Vorgang, durch das gepflo-gene Verfahren oder durch das erlassene Urteildas Gesetz verletzt worden sei. Dieser Ausspruchist in der Regel ohne Wirkung auf den Angeklag-ten. Ist jedoch der Angeklagte durch ein solchesnichtiges Urteil zu einer Strafe verurteilt worden,so steht es dem Obersten Gerichtshofe frei, nachseinem Ermessen entweder den Angeklagten frei-zusprechen oder einen milderen Strafsatz anzu-wenden oder nach Umständen eine Erneuerungdes gegen diesen gepflogenen Verfahrens anzu-ordnen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I 2. 91)

§ 293. (1) Das Gericht, an das die Sache nachden §§ 288 und 292 zu neuer Verhandlung ver-wiesen wird, hat dabei die ursprüngliche Anklagezugrunde zu legen, sofern nicht der Oberste Ge-richtshof eine Abweichung angeordnet hat.

(2) Es ist an die Rechtsansicht gebunden, vonder der Oberste Gerichtshof bei seiner Entschei-dung ausgegangen ist.

(3) Die Bestimmung des § 290 Abs. 2 ist auchfür das auf Grund der neuen Hauptverhandlungergehende Urteil maßgebend.

(4) Gegen dieses Urteil kann die Nichtigkeits-beschwerde aus allen im § 281 erwähnten Grün-den ergriffen werden, soweit diese nicht bereitsdurch eine in derselben Sache ergangene Entschei-dung des Obersten Gerichtshofes beseitigt sind.

2. Verfahren bei Berufungen§ 294. (1) Die Berufung ist innerhalb der im

§ 284 bezeichneten Frist beim Gerichtshof ersterInstanz anzumelden. Sie hat nur dann aufschie-bende Wirkung, wenn sie gegen die Strafart ge-richtet ist oder wenn der Angeklagte, insofernsie gegen das Strafmaß gerichtet ist, nicht selbsterklärt, die Strafe einstweilen antreten zu wollen.

(2) Dem Beschwerdeführer muß, sofern diesnicht schon geschehen ist, eine Urteilsabschriftzugestellt werden. Der Beschwerdeführer hat dasRecht, binnen vierzehn Tagen nach der Anmel-dung der Berufung, wenn ihm eine Urteils-abschrift aber erst nach der Anmeldung desRechtsmittels zugestellt wurde, binnen vierzehnTagen nach der Zustellung eine Ausführung seinerBeschwerdegründe beim Gericht in zweifacherAusfertigung zu überreichen. Er muß entweder

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in dieser Schrift oder bei der Anmeldung aus-drücklich erklären, durch welche Punkte des Er-kenntnisses er sich beschwert finde, widrigens aufseine Berufung vom Gerichtshofe zweiter Instanzkeine Rücksicht zu nehmen ist. Die Anmeldung,die die Berufungsgründe enthält, oder die recht-zeitig eingebrachte Ausführung ist dem Gegnermit dem Bedeuten mitzuteilen, daß er binnenvierzehn Tagen seine Gegenausführung überrei-chen könne.

(3) Nach Überreichung dieser Gegenausführungoder nach Ablauf der hiezu bestimmten Fristsind alle Akten dem Gerichtshofe zweiter Instanzvorzulegen, der über die Berufung nur dann innichtöffentlicher Sitzung berät, wenn der Bericht-erstatter oder der Oberstaatsanwalt beantragt,die Berufung aus einem der im folgenden Absatzangeführten Gründe zurückzuweisen.

(4) Der Gerichtshof zweiter Instanz kann dieBerufung in nichtöffentlicher Sitzung zurückwei-sen, wenn sie zu spät angemeldet oder von einerPerson ergriffen worden ist, der das Berufungs-recht überhaupt nicht oder nicht in der Richtungzusteht, in der es in Anspruch genommen wird,oder die darauf verzichtet hat; ferner, wenn derBerufungswerber weder bei der Anmeldung derBerufung noch in ihrer Ausführung die Punktedes Erkenntnisses, durch die er sich beschwertfindet, deutlich und bestimmt bezeichnet hat, aufdie Berufung daher keine Rücksicht zu nehmenist.

(5) Wird über die Berufung nicht schon in dernichtöffentlichen Sitzung entschieden, so hat derVorsitzende einen Gerichtstag zur öffentlichenVerhandlung über die Berufung anzuordnen. Fürdie Anberaumung und Durchführung des Ge-richtstages gelten die Bestimmungen der §§ 286und 287 dem Sinne nach mit der Maßgabe, daßstets auch der nicht verhaftete Angeklagte vor-zuladen ist und die Vorführung des verhaftetenAngeklagten veranlaßt werden kann. Ist die Be-rufung gegen den Ausspruch über die privat-rechtlichen Ansprüche gerichtet, so ist auch derPrivatbeteiligte vorzuladen.

(BGBl. Nr. 229/1962, Art. I Z. 3)

§ 295. (1) Der Gerichtshof zweiter Instanz hatsich bei seiner Entscheidung auf die der Berufungunterzogenen Punkte zu beschränken und dabeiden Ausspruch des Gerichtes über die Schuld desAngeklagten und über das anzuwendende Straf-gesetz zugrunde zu legen. Setzt er die Strafezugunsten eines oder mehrerer Mitschuldiger ausGründen herab, die auch anderen zustatten kom-men, so hat er von Amts wegen so vorzugehen,als hätten auch diese Mitschuldigen die Berufungergriffen.

(2) Ist die Berufung lediglich zugunsten desAngeklagten ergriffen worden, so kann der Ge-richtshof zweiter Instanz keine strengere Strafe

über den Angeklagten verhängen, als das ersteUrteil ausgesprochen hatte.

(3) Gegen seine Entscheidung ist kein Rechts-mittel zulässig.

§ 296. (1) Ist außer über die Berufung auchüber eine Nichtigkeitsbeschwerde zu entscheiden,die von der einen oder der anderen Seite ergrif-fen worden ist, so sind bei Vorlegung der Aktenan den Obersten Gerichtshof auch die Akten-stücke beizulegen, die die Berufung betreffen. Indiesem Fall entscheidet der Oberste Gerichtshofauch über die Berufung.

(2) Der Oberste Gerichtshof berät über dieBerufung nur dann in nichtöffentlicher Sitzung,wenn der Berichterstatter oder der Generalpro-kurator die Zurückweisung der Berufung auseinem der im § 294 Abs. 4 angeführten Gründebeantragt und nicht über die Nichtigkeits-beschwerde bei einem Gerichtstag zur öffentlichenVerhandlung über die Nichtigkeitsbeschwerdeentschieden werden muß.

(3) Wird über die Berufung nicht schon in dernichtöffentlichen Sitzung entschieden, so entschei-det der Oberste Gerichtshof über die Berufungentweder beim Gerichtstag zur öffentlichen Ver-handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde oder,wenn über diese in nichtöffentlicher Sitzung ent-schieden wurde, bei einem Gerichtstag zur öffent-lichen Verhandlung über die Berufung. Für dieAnberaumung und Durchführung des Gerichts-tages gelten die Bestimmungen der §§ 286 und 287dem Sinne nach mit der Maßgabe, daß stets auchder nicht verhaftete Angeklagte vorzuladen istund die Vorführung des verhafteten Angeklag-ten veranlaßt werden kann. Ist die Berufunggegen den Ausspruch über die privatrechtlichenAnsprüche gerichtet, so ist auch der Privatbetei-ligte vorzuladen.

(BGBl. Nr. 229/1962, Art. I Z. 4)

XIX. Hauptstück

Von den Geschwornengerichten

I. Allgemeine Bestimmungen

§ 297. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ.92)

§ 298. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ.92)

§ 299. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ.92)

§ 300. (1) Das Geschwornengericht besteht ausdem Schwurgerichtshof und der Geschwornen-bank.

(2) Dem Schwurgerichtshofe gehören drei Rich-ter an, von denen einer den Vorsitz führt; dieGeschwornenbank setzt sich aus acht Geschwor-nen zusammen.

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(3) Ist zu erwarten, daß die Hauptverhandlungvon längerer Dauer sein werde, so kann derVorsitzende verfügen, daß ein Ersatzrichter undein oder zwei Ersatzgeschworne der Hauptver-handlung beiwohnen, um bei Verhinderung einesRichters oder eines Geschwornen an dessen Stellezu treten. Ist eine besonders lange Dauer derHauptverhandlung zu erwarten, so können zudiesem Zweck noch ein weiterer Ersatzrichter undein oder zwei weitere Ersatzgeschworne beige-zogen werden. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 93)

(4) Sind mehrere Ersatzgeschworne beigezogenworden, so treten sie in der Reihenfolge derDienstliste an die Stelle des verhinderten Ge-schwornen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 93)

§ 301. (1) Die Mitglieder des Schwurgerichts-hofes, die Ersatzrichter und die Reihenfolgeihres Eintrittes werden durch die Geschäftsver-teilung bestimmt. Als Vorsitzender und als dessenErsatzmann sollen nur Richter bestimmt werden,die mindestens fünf Jahre als Richter bei einemGerichtshof erster Instanz in Strafsachen oder alsStaatsanwälte tätig gewesen sind.

(2) Die Bildung der Listen, denen die Ge-schwornen zu entnehmen sind, die Heranziehungder in diesen Listen verzeichneten Personen zumDienst als Geschworne und die wegen Pflicht-verletzungen der Geschwornen zulässigen Maß-nahmen regelt ein besonderes Gesetz.

II. H a u p t v e r h a n d l u n g v o r d e mG e s c h w o r n e n g e r i c h t e

1. Allgemeine Bestimmungen

§ 302. (1) Die Hauptverhandlung richtet sich,soweit in diesem Hauptstücke nichts anderes be-stimmt ist, nach den Vorschriften des XVIII.Hauptstückes. Was dort für den Gerichtshof undden Vorsitzenden bestimmt ist, gilt für denSchwurgerichtshof und dessen Vorsitzenden.

(2) Der Vorsitzende des Schwurgerichtshofesist insbesondere verpflichtet, den Geschwornenauch außer den Fällen, für die es im Gesetz aus-drücklich vorgeschrieben ist, die zur Ausübungihres Amtes erforderlichen Anleitungen zu gebenund sie nötigenfalls an ihre Pflichten zu erinnern.

§ 303. Soweit nach den folgenden Vorschriftender Schwurgerichtshof gemeinsam mit den Ge-schwornen zu entscheiden hat, richten sich Ab-stimmung und Beschlußfassung nach den für dieSchöffengerichte geltenden Bestimmungen.

2. Beginn der Hauptverhandlung

§ 304. Sobald die Geschwornen ihre Sitze inder alphabetischen Reihenfolge ihrer Namen,Ersatzgeschworne nach den übrigen Geschwor-nen, eingenommen haben, beginnt die Haupt-verhandlung mit dem Aufrufe der Sache durchden Schriftführer. Der Vorsitzende stellt an den

Angeklagten die im § 240 vorgeschriebenen Fra-gen und ermahnt ihn zur Aufmerksamkeit aufdie vorzutragende Anklage und auf den Gangder Verhandlung.

§ 305. (1) Hierauf beeidigt der Vorsitzendebei sonstiger Nichtigkeit die Geschwornen, diein demselben Jahre noch nicht beeidigt wordensind. Er gibt die Namen der schon beeidigtenGeschwornen bekannt und erinnert diese an dieHeiligkeit des von ihnen abgelegten Eides. So-dann fordert er die Geschwornen auf, sich vonden Sitzen zu erheben, und hält an sie folgendeAnrede:

„Sie schwören und geloben vor Gott, die Be-weise, die gegen und für den Angeklagten werdenvorgebracht werden, mit der gewissenhaftestenAufmerksamkeit zu prüfen, nichts unerwogen zulassen, was zum Vorteil oder zum Nachteil desAngeklagten gereichen kann, das Gesetz, dem SieGeltung verschaffen sollen, treu zu beobachten,vor Ihrem Ausspruch über den Gegenstand derVerhandlung mit niemand außer mit den Mit-gliedern des Schwurgerichtshofes und Ihren Mit-geschwornen Rücksprache zu nehmen, der Stimmeder Zu- oder Abneigung, der Furcht oder derSchadenfreude kein Gehör zu geben, sondern sichmit Unparteilichkeit und Festigkeit nur nach denfür und wider den Angeklagten vorgeführtenBeweismitteln und Ihrer darauf gegründetenÜberzeugung so zu entscheiden, wie Sie es vorGott und Ihrem Gewissen verantworten kön-nen."

(2) Sodann wird jeder noch nicht beeidigteGeschworne einzeln vom Vorsitzenden aufgeru-fen und antwortet: „Ich schwöre, so wahr mirGott helfe." Das Religionsbekenntnis der Ge-schwornen macht dabei keinen Unterschied. NurGeschworne, die keinem Religionsbekenntnis an-gehören oder deren Bekenntnis die Eidesleistunguntersagt, werden durch Handschlag verpflich-tet.

(3) Die Beeidigung gilt für die Dauer desKalenderjahres. Sie ist im Verhandlungsproto-koll und fortlaufend in einem besonderen Ab-schnitte des Buches über die Beeidigung der Schöf-fen (§ 240 a Abs. 3) zu beurkunden.

3. Beweisverfahren

§ 306. Nach der Beeidigung der Geschwornenläßt der Vorsitzende durch den Schriftführer dieZeugen und Sachverständigen aufrufen und trifftdie im § 241 angeführten Verfügungen. Das Ver-fahren gegen ungehorsame Zeugen oder Sachver-ständige richtet sich nach den Vorschriften der§§ 242 und 243.

§ 307. Sobald die Zeugen und, sofern derVorsitzende nicht gemäß § 241 etwas anderesverfügt hat, auch die Sachverständigen abgetre-ten sind, läßt der Vorsitzende bei sonstiger Nich-

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tigkeit die Anklageschrift und, falls ein Erkennt-nis des Gerichtshofes zweiter Instanz vorliegt,nach dem ein Anklagepunkt zu entfallen hat(§ 213 Abs. 2), auch dieses vorlesen.

§ 308. (1) Der Vorsitzende vernimmt hieraufden Angeklagten und leitet die Vorführung derBeweismittel unter Beobachtung der in den§§ 245 bis 254 enthaltenen Anordnungen.

(2) Das Recht der Fragestellung (§ 249) stehtauch dem Ersatzrichter und den Geschwornenmit Einschluß der Ersatzgeschwornen zu.

§ 309. (1) Auch Geschworne einschließlich derErsatzgeschwornen können Beweisaufnahmenzur Aufklärung von erheblichen Tatsachen, dieGegenüberstellung von Zeugen-, deren Aussagenvoneinander abweichen (§ 248 Abs. 2), und dienochmalige Vernehmung bereits abgehörter Zeu-gen (§ 251) begehren.

(2) Über ein solches Begehren entscheidet derSchwurgerichtshof.

4. Fragestellung an die Geschwornen

§ 310. (1) Nach Schluß des Beweisverfahrensstellt der Vorsitzende nach vorläufiger Beratungdes Schwurgerichtshofes die an die Geschwornenzu richtenden Fragen fest. Sie sind schriftlichabzufassen, vom Vorsitzenden zu unterfertigenund bei sonstiger Nichtigkeit vorzulesen. Sowohldem Ankläger als auch dem Verteidiger ist eineNiederschrift der Fragen zu übergeben.

(2) Nach Verlesung der Fragen ist ein Rück-tritt des Anklägers von der Anklage nicht mehrzulässig.

(3) Die Parteien sind berechtigt, eine Ände-rung oder Ergänzung der Fragen zu beantragen.Ober einen solchen Antrag entscheidet derSchwurgerichtshof; gibt er ihm statt, so müssendie Fragen von neuem schriftlich abgefaßt, vomVorsitzenden unterfertigt und bei sonstiger Nich-tigkeit nochmals vorgelesen werden.

(4) Der Vorsitzende übergibt sodann minde-stens zwei Ausfertigungen der Fragen den Ge-schwornen.

§ 311. (1) Die Fragestellung an die Geschwor-nen entfällt, wenn der Schwurgerichtshof nachAnhörung der Parteien erkennt, daß der An-geklagte freizusprechen sei, weil einer der im% 259 Z. 1 und 2 erwähnten Fälle vorliegt oderdie Verfolgung aus anderen Gründen des Prozeß-rechtes ausgeschlossen ist.

(2) Kann jedoch über diese Frage nicht ent-schieden werden, ohne einer den Geschwornenvorbehaltenen. Feststellung entscheidender Tat-sachen oder der rechtlichen Beurteilung der Tatdurch die Geschwornen vorzugreifen, so ist vor-erst der Wahrspruch der Geschwornen abzuwar-ten (§ 337).

§ 312. (1) Die Hauptfrage ist darauf gerichtet,ob der Angeklagte schuldig ist, die der Anklagezugrunde liegende strafbare Handlung begangenzu haben. Dabei sind alle gesetzlichen Merkmaleder strafbaren Handlung in die Frage aufzu-nehmen und die besonderen Umstände der Tatnach Ort, Zeit, Gegenstand usw. soweit beizu-fügen, als es zur deutlichen Bezeichnung der Tatoder für die Entscheidung über die Entschädi-gungsansprüche notwendig ist.

(2) Treffen in der dem Angeklagten in derAnklage zur Last gelegten Tat die Merkmalemehrerer strafbarer Handlungen zusammen, ohnedaß eine in der anderen aufgeht, so ist für jededer zusammentreffenden strafbaren Handlungeneine besondere Hauptfrage zu stellen.

§ 313. Sind in der Hauptverhandlung Tat-sachen vorgebracht worden, die — wenn sie alserwiesen angenommen werden — die Strafbar-keit ausschließen oder aufheben würden, so isteine entsprechende Frage nach dem Strafaus-schließungs- oder Strafaufhebungsgrunde (Zusatz-frage) zu stellen. Kommen die Voraussetzungendes § 42 StGB in Betracht, so ist eine Zusatz-frage nach ihrem Vorliegen zu stellen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 94)

§ 314. (1) Sind in der Hauptverhandlung Tat-sachen vorgebracht worden, nach denen — wennsie als erwiesen angenommen werden — ein einesvollendeten Verbrechens oder Vergehens Ange-klagter nur des Versuches schuldig oder ein alsunmittelbarer Täter Angeklagter als Täter anzu-sehen wäre, der einen anderen dazu bestimmt hat,die Tat auszuführen, oder der sonst zu ihrerAusführung beigetragen hat, oder wonach diedem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter einanderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist alsdas in der Anklageschrift angeführte, so sindentsprechende Schuldfragen (Eventualfragen) andie Geschwornen zu stellen. (BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 95)

(2) Eine Frage, nach der die dem Angeklagtenzur Last gelegte Tat unter ein strengeres Straf-gesetz als das in der Anklageschrift angegebenefiele, kann gestellt werden, sofern der Schwur-gerichtshof nach Anhörung der Parteien die Ver-tagung der Hauptverhandlung oder die Aus-scheidung des Verfahrens wegen dieser Tat nichtfür notwendig erachtet.

§ 315. (1) Ist der Angeklagte in der Haupt-verhandlung noch einer anderen als der der An-klageschrift zugrunde liegenden Tat beschuldigtworden oder hat er während der Hauptver-handlung eine strafbare Handlung begangen, sosind die Bestimmungen der §§ 263 und 279anzuwenden.

(2) Ist die Verhandlung auf die neue Tat aus-gedehnt worden, so sind auch wegen dieser Tatdie entsprechenden Fragen zu stellen. Die Stellung

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solcher Fragen unterbleibt jedoch, wenn sich inder Hauptverhandlung ergibt, daß eine bessereVorbereitung der Anklage oder Verteidigungnotwendig ist. In diesem Falle hat der Schwur-gerichtshof die Hauptverhandlung gegen den An-geklagten, dem die hinzugekommene Tat zurLast gelegt ist, abzubrechen und die Entschei-dung über alle diesem Angeklagten zur Last lie-genden strafbaren Handlungen einer neuenHauptverhandlung vorzubehalten oder, falls erdiesen Vorgang nicht für zweckmäßig erachtet,dem Ankläger auf dessen Verlangen die Verfol-gung wegen der hinzugekommenen Tat im Ur-teile vorzubehalten.

§ 316. Erschwerungs- und Milderungsumständesind nur unter der Voraussetzung Gegenstandeiner Zusatzfrage an die Geschwornen, daß in derHauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wor-den sind, die — wenn sie als erwiesen angenom-men werden — einen im Gesetze namentlichangeführten Erschwerungs- oder Milderungs-umstand begründen würden, der nach dem Ge-setze die Anwendung eines anderen Strafsatzesbedingt.

§ 317. (1) Die an die Geschwornen zu richten-den Fragen sind so zu fassen, daß sie sich mitJa oder Nein beantworten lassen.

(2) Welche Tatsachen in einer Frage zusam-menzufassen oder zum Gegenstande besondererFragen zu machen sind, bleibt ebenso wie dieReihenfolge der Fragen der Beurteilung desSchwurgerichtshofes im einzelnen Fall überlassen.

(3) Fragen, die nur für den Fall der Bejahung(Zusatzfragen) oder für den Fall der Verneinungeiner anderen Frage (Eventualfragen) gestelltwerden, sind als solche ausdrücklich zu bezeich-nen.

5. Vorträge der Parteien; Schluß derVerhandlung

§ 318. (1) Nach Verlesung der Fragen werdender Ankläger und der Privatbeteiligte, der An-geklagte und sein Verteidiger in der im § 255bezeichneten Reihenfolge gehört.

(2) In den Schlußvorträgen sind alle im Urteilezu entscheidenden Punkte zu behandeln.

§ 319. Hierauf erklärt der Vorsitzende dieVerhandlung für geschlossen; der Angeklagtewird, wenn er verhaftet ist, einstweilen aus demSitzungssaal abgeführt.

6. Wahl des Obmannes der Geschwornen;Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden

§ 320. (1) Die Geschwornen begeben sichhierauf in das für sie bestimmte Beratungszimmerund wählen einen Obmann aus ihrer Mitte miteinfacher Stimmenmehrheit. Der Schwurgerichts-hof zieht sich indessen in sein Beratungszimmerzurück.

(2) Der Ersatzrichter und die Ersatzgeschwor-nen dürfen im Beratungszimmer nur anwesendsein, sofern sie vor Schluß der Verhandlung andie Stelle eines verhinderten Mitgliedes des Ge-schwornengerichtes getreten sind.

§ 321. (1) Der Vorsitzende verfaßt nach Bera-tung mit den übrigen Mitgliedern des Schwur-gerichtshofes die den Geschwornen zu erteilendeRechtsbelehrung. Das Schriftstück ist von ihmzu unterfertigen und dem Protokoll über dieHauptverhandlung anzuschließen.

(2) Die Rechtsbelehrung muß — für jedeFrage gesondert — eine Darlegung der gesetz-lichen Merkmale der strafbaren Handlung, aufdie die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist,sowie eine Auslegung der in den einzelnen Fragenvorkommenden Ausdrücke des Gesetzes enthal-ten und das Verhältnis der einzelnen Fragenzueinander sowie die Folgen der Bejahung oderVerneinung jeder Frage klarlegen.

§ 322. Nach Ausfertigung der Rechtsbelehrungbegibt sich der Schwurgerichtshof mit demSchriftführer in das Beratungszimmer der Ge-schwornen. Der Vorsitzende läßt die Anklage-schrift, das nach § 307 vorgelesene Erkenntnisdes Gerichtshofes zweiter Instanz, die Beweis-gegenstände, Augenscheinsprotokolle und dieübrigen Akten mit Ausnahme der in der Haupt-verhandlung nicht vorgelesenen Vernehmungs-protokolle in das Beratungszimmer schaffen.

§ 323. (1) Im Beratungszimmer der Geschwor-nen erteilt ihnen der Vorsitzende die Rechts-belehrung. Weicht er dabei von der Nieder-schrift (§ 321 Abs. 1) ab oder geht er über siehinaus, insbesondere wegen Fragen der Geschwor-nen, so sind die Änderungen und Ergänzungender Niederschrift über die Rechtsbelehrung ineinem Anhange beizufügen, den der Vorsitzendeunterfertigt.

(2) Im Anschluß an die Rechtsbelehrung be-spricht der Vorsitzende mit den Geschwornendie einzelnen Fragen; er führt die in die Fragenaufgenommenen gesetzlichen Merkmale der straf-baren Handlung auf den ihnen zugrunde liegen-den Sachverhalt zurück, hebt die für die Beant-wortung der Frage entscheidenden Tatsachen her-vor, verweist auf die Verantwortung des Ange-klagten und auf die in der Hauptverhandlungdurchgeführten Beweise, ohne sich in eine Würdi-gung der Beweismittel einzulassen, und gibt dievon den Geschwornen etwa begehrten Aufklä-rungen. Er belehrt ferner den Obmann der Ge-schwornen über die ihm obliegenden Aufgaben,insbesondere über den Vorgang bei der Abstim-mung und Aufzeichnung ihres Ergebnisses.

(3) Am Schlusse seines Vortrages überzeugt sichder Vorsitzende, ob seine Belehrung von denGeschwornen verstanden worden ist, und er-gänzt sie, wenn es zur Behebung von Zweifeiis

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erforderlich ist. Er übergibt sodann dem Ob-manne der Geschwornen die Niederschrift derRechtsbelehrung und des allfälligen Anhanges zuihr.

7. Beratung und Abstimmung der Geschwornen

§ 324. (1) Ist der Schwurgerichtshof einstimmigder Ansicht, daß seine Anwesenheit während derBeratung der Geschwornen zur besseren Aufklä-rung schwieriger Tat- oder Rechtsfragen zweck-mäßig sei, so beschließt er, ohne einen daraufabzielenden Antrag zuzulassen, dieser Beratungganz oder teilweise beizuwohnen.

(2) Vor dieser Beschlußfassung ist der Obmannder Geschwornen zu hören; dieser hat die Mei-nung der Geschwornen einzuholen. Spricht sichdie Mehrheit der Geschwornen gegen die Teil-nahme des Schwurgerichtshofes an der Beratungaus, so kann ein Beschluß im Sinne des Abs. 1nicht gefaßt werden.

(3) Ein Beschluß im Sinne des Abs. 1 ist vomVorsitzenden den Geschwornen mitzuteilen. Eineschriftliche Ausfertigung dieses Beschlusses samtGründen ist von den Mitgliedern des Schwur-gerichtshofes zu unterfertigen und dem Haupt-verhandlungsprotokoll anzuschließen. Ein Rechts-mittel steht gegen den Beschluß nicht offen.

§ 325. (1) Der Obmann leitet die Beratungder Geschwornen damit ein, daß er ihnen fol-gende Belehrung vorliest:

„Das Gesetz fordert von den Geschwornennur, daß sie alle für und wider den Angeklagtenvorgebrachten Beweismittel sorgfältig und gewis-senhaft prüfen und sich dann selbst fragen, wel-chen Eindruck in der Hauptverhandlung diewider den Angeklagten vorgeführten Beweiseund die Gründe seiner Verteidigung auf sie ge-macht haben.

Nach der durch diese Prüfung der Beweis-mittel gewonnenen Überzeugung allein haben dieGeschwornen ihren Ausspruch über Schuld oderNichtschuld des Angeklagten zu fällen. Sie dürfendabei ihrem Eide gemäß der Stimme der Zu-oder Abneigung, der Furcht oder Schadenfreudekein Gehör geben, haben vielmehr mit Unpar-teilichkeit und Festigkeit so zu entscheiden, wiesie es vor Gott und ihrem Gewissen verantwor-ten können.

Die Beratung und Abstimmung hat sich nurauf die den Geschwornen vorgelegten Fragen zubeschränken. Welche gesetzlichen Folgen den An-geklagten treffen, wenn er schuldig gesprochenwird, werden die Geschwornen gemeinsam mitdem Gerichtshof in einer späteren Beratung zuentscheiden haben.

Die Geschwornen haben sich bei ihrer Abstim-mung ständig ihre beschworene Pflicht vor Augenzu halten, das Gesetz treu zu beobachten und

ihm Geltung zu verschaffen. Sie sind dazu beru-fen, Recht zu sprechen, aber nicht berechtigt,Gnade zu üben."

(2) Mehrere Abdrucke dieser Belehrung sowieder Bestimmungen der §§ 326, 329, 330, 331,332 Abs. 1 bis 3 sowie des § 340 sollen im Bera-tungszimmer der Geschwornen angeschlagen sein.

§ 326. Die Geschwornen dürfen ihr Beratungs-zimmer nicht verlassen, bevor sie ihren Aus-spruch über die an sie gerichteten Fragen gefällthaben. Niemand darf während der Beratung undAbstimmung ohne Bewilligung des Vorsitzendenin ihr Beratungszimmer eintreten; auch ist denGeschwornen jeder Verkehr mit dritten Personenuntersagt. Gegen Geschworne und dritte Perso-nen, die diesem Verbot zuwiderhandeln, ist vomGerichtshof eine Ordnungsstrafe bis zu fünftau-send Schilling zu verhängen. Gegen eine solcheEntscheidung steht dem Bestraften die binnenvierzehn Tagen einzubringende Beschwerde anden Gerichtshof zweiter Instanz zu.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 96)

§ 327. (1) Entstehen bei den Geschwornen imZuge der Beratung Zweifel über den Sinn derihnen gestellten Fragen, über das von ihnen beider Abstimmung zu beobachtende Verfahrenoder über die Fassung einer Antwort, oderäußern die Geschwornen den Wunsch nach einerErgänzung des Beweisverfahrens zur Aufklärungerheblicher Tatsachen oder nach Änderung oderErgänzung der an sie gerichteten Fragen, so er-sucht der Obmann der Geschwornen, wenn derSchwurgerichtshof nicht an der Beratung teil-nimmt, den Vorsitzenden schriftlich, sich in dasBeratungszimmer zu begeben. Der Schwur-gerichtshof begibt sich hierauf mit dem Schrift-führer in das Beratungszimmer. Der Vorsitzendeerteilt den Geschwornen die erforderliche Beleh-rung.

(2) Die Belehrung ist zu Protokoll zu nehmenund das Protokoll dem Hauptverhandlungspro-tokoll anzuschließen.

(3) Im übrigen wird über die Beratung derGeschwornen kein Protokoll geführt.

§ 328. Äußern die Geschwornen bei der Bera-tung den Wunsch nach einer Ergänzung desBeweisverfahrens zur Aufklärung erheblicherTatsachen (§ 309) oder nach Änderung oderErgänzung der an sie gerichteten Fragen, so istdie Verhandlung wieder zu eröffnen; sofern essich um eine Ergänzung oder Änderung der Fra-gen handelt, gelten die Bestimmungen des § 310Abs. 3 und 4 sinngemäß.

§ 329. Der Abstimmung der Geschwornen darfbei sonstiger Nichtigkeit niemand beiwohnen.

§ 330. (1) Der Obmann der Geschwornen läßtüber die einzelnen Fragen der Reihe nach münd-lich abstimmen, indem er jeden Geschwornen

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um seine Meinung befragt; er selbst gibt seineStimme zuletzt ab.

(2) Die Geschwornen stimmen über jede Fragemit „ja" oder „nein" ab; doch ist ihnen auchgestattet, eine Frage nur teilweise zu bejahen.In diesem Fall ist die Beschränkung kurz beizu-fügen (zum Beispiel: „Ja, aber nicht mit diesenoder jenen in der Frage enthaltenen Umstän-den").

§ 331. (1) Zur Bejahung der an die Geschwor-nen gerichteten Fragen ist absolute Stimmen-mehrheit, das ist mehr als die Hälfte sämtlicherStimmen, erforderlich; bei Stimmengleichheitgibt die dem Angeklagten günstigere Meinungden Ausschlag. Ist eine Schuldfrage zuungunstendes Angeklagten bejaht worden, so können sichdie überstimmten Geschwornen der Abstimmungüber die für diesen Fall gestellten Zusatzfragenenthalten; ihre Stimmen werden dann den demAngeklagten günstigsten zugezählt.

(2) Der Obmann zählt die Stimmen undschreibt in zwei Niederschriften der Fragen nebenjede Frage, je nachdem sie durch die Geschwor-nen beantwortet worden ist, „ja" oder „nein",mit den allfälligen Beschränkungen, unter An-gabe des Stimmenverhältnisses und unterschreibtdiese Aufzeichnung des Wahrspruches der Ge-schwornen. Es dürfen darin keine Radierungenvorkommen; Ausstreichungen, Randbemerkun-gen oder Einschaltungen müssen vom Obmannedurch eine von ihm unterschriebene Bemerkungausdrücklich genehmigt sein.

(3) Nach Beendigung der Abstimmung hat derObmann in einer kurzen Niederschrift, geson-dert für jede Frage, die Erwägungen anzugeben,von denen die Mehrheit der Geschwornen beider Beantwortung dieser Frage ausgegangen ist.Die Niederschrift ist im Einvernehmen mit die-sen Geschwornen abzufassen und vom Obmannezu unterfertigen.

(4) Der Obmann der Geschwornen benach-richtigt sodann den Vorsitzenden des Schwur-gerichtshofes schriftlich von der Beendigung derAbstimmung.

8. Verbesserung des Wahrspruches derGeschwornen

§ 332. (1) Der Schwurgerichtshof begibt sichdarauf mit dem Schriftführer, dem Anklägerund dem Verteidiger in das Beratungszimmerder Geschwornen.

(2) Der Obmann der Geschwornen übergibteine von ihm unterschriebene Aufzeichnung desWahrspruches und der im § 331 Abs. 3 bezeich-netem Niederschrift dem Vorsitzenden. Dieserunterzeichnet sie, läßt sie vom Schriftführer vor-lesen, und von ihm mitfertigen.

(3) Nach der Verlesung kann in der Regelkein Geschworner von seiner Meinung abgehen.

(4) Wird jedoch von einem oder mehrerenGeschwornen behauptet, daß bei der Abstim-mung ein Mißverständnis unterlaufen sei, oderkommt der Schwurgerichtshof nach Anhörungdes Anklägers und des Verteidigers zu der Über-zeugung, daß der Wahrspruch der Geschwornenundeutlich, unvollständig oder in sich wider-sprechend ist oder mit dem Inhalte der im § 331Abs. 3 bezeichneten Niederschrift in Widerspruchsteht, so trägt er den Geschwornen die Verbes-serung des Wahrspruches auf.

(5) Hält in einem solchen Falle der Schwur-gerichtshof eine Änderung oder Ergänzung derFragen für wünschenswert oder wird eine solchevom Ankläger oder vom Verteidiger beantragt,so ist die Verhandlung wieder zu eröffnen undnach Vorschrift des § 310 Abs. 3 und 4 zu ver-fahren.

(6) Das über die Beratung des Schwurgerichts-hofes (Abs. 4 und 5) aufgenommene Protokollund der ursprüngliche Wahrspruch und die im§ 331 Abs. 3 bezeichnete Niederschrift sind demHauptverhandlungsprotokoll anzuschließen.

§ 333. Hält der Schwurgerichtshof eine Ver-besserung des Wahrspruches für erforderlich oderist in diesem Fall auch die Fragestellung geän-dert oder ergänzt worden, so eröffnet der Vor-sitzende den Geschwornen, daß sie nur zur Ände-rung der beanstandeten Antworten (§ 332 Abs. 4)und zur Beantwortung der neu oder in geänder-ter Fassung vorgelegten Fragen (§ 332 Abs. 5)berechtigt sind. Die neuen oder geänderten Fra-gen sind dem Obmanne der Geschwornen imzwei Ausfertigungen zu übergeben.

9. Weiteres Verfahren bis zur gemeinsamenBeratung über die Strafe

§ 334. (1) Ist der Schwurgerichtshof einstimmigder Ansicht, daß sich die Geschwornen bei ihremAusspruch in der Hauptsache geirrt haben, sobeschließt er — ohne einen darauf abzielendenAntrag zuzulassen —, daß die Entscheidung aus-gesetzt und die Sache dem Obersten Gerichtshofevorgelegt werde. Betrifft der Irrtum der Ge-schwornen nur den Ausspruch über einen vonmehreren Angeklagten oder den Ausspruch übereinzelne von mehreren Anklagepunkten und be-stehen gegen die gesonderte Verhandlung undEntscheidung keine Bedenken, so hat sich dieAussetzung der Entscheidung auf diesen Ange-klagten oder diesen Anklagepunkt zu beschrän-ken und bleibt ohne Einfluß auf die übrigen. Istdie Entscheidung über einen oder mehrere den-selben Angeklagten betreffende Anklagepunkteausgesetzt worden, so sind die Bestimmungen des§ 264 dem Sinne nach anzuwenden.

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(2) Der Oberste Gerichtshof verweist die Sachevor ein anderes Geschwornengericht desselbenoder eines anderen Sprengeis, wenn aber nurnoch über eine strafbare Handlung zu entschei-den ist, die für sich allein nicht vor das Geschwor-nengericht gehört, an das von ihm zu bezeich-nende sachlich zuständige Gericht.

(3) Bei der wiederholten Verhandlung darfkeiner der Richter den Vorsitz führen und keinerder Geschwornen zugelassen werden, die an derersten Verhandlung teilgenommen haben.

(4) Stimmt der Wahrspruch des zweiten Ge-schwornengerichtes mit dem des ersten überein,so ist er dem Urteile zugrunde zu legen.

§ 335. Wird die Entscheidung nicht ausge-setzt, so ist der Wahrspruch der Geschwornendem Urteile zugrunde zu legen.

§ 336. Haben die Geschwornen die Schuld-fragen verneint oder Zusatzfragen (§ 313) bejaht,so fällt der Schwurgerichtshof sofort ein frei-sprechendes Urteil.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z.97)

§ 337. Ebenso wird der Angeklagte durchUrteil des Schwurgerichtshofes freigesprochen,wenn ihn die Geschwornen zwar schuldig ge-sprochen haben, der Schwurgerichtshof jedochder Meinung ist, daß bei Zugrundelegung derTatsachen, die im Wahrspruche der Geschwornenfestgestellt sind, und der rechtlichen Beurteilung,die die Geschwornen der Tat haben angedeihenlassen, die Verfolgung aus Gründen des Prozeß-rechtes ausgeschlossen sei (§ 311), oder daß dieTat, die der Angeklagte nach dem Aussprucheder Geschwornen begangen hat, vom Gesetzenicht mit gerichtlicher Strafe bedroht sei.

10. Gemeinsame Beratung über die Strafe§ 338. Ist der Angeklagte schuldig befunden

worden und ist er nicht nach § 336 oder § 337freizusprechen, so entscheidet der Schwurgerichts-hof gemeinsam mit den Geschwornen (§ 303)über die zu verhängende Strafe und die etwaanzuwendenden Maßnahmen der Besserung undSicherung sowie über die privatrechtlichen An-sprüche und die Kosten des Strafverfahrens.

§ 339. (Aushoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ. 98)

11. Verkündung des Wahrspruches und desUrteiles

§ 340. (1) Nach Wiedereröffnung der Sitzungläßt der Vorsitzende den Angeklagten vorführenoder vorrufen und fordert den Obmann derGeschwornen auf, den Wahrspruch mitzuteilen.Dieser erhebt sich und spricht:

„Die Geschwornen haben nach Eid und Gewis-sen die an sie gestellten Fragen beantwortet, wiefolgt:"

(2) Der Obmann verliest sodann bei sonstigerNichtigkeit in Gegenwart aller Geschwornen diean sie gerichteten Fragen und unmittelbar nachjeder den beigefügten Wahrspruch der Geschwor-nen.

§ 341. (1) Der Vorsitzende verkündet sodannin der öffentlichen Gerichtssitzung in Gegenwartdes Anklägers, des Angeklagten (§§ 234, 269)und des Verteidigers das Urteil samt den wesent-lichen Gründen oder den Beschluß auf Ausset-zung der Entscheidung (§ 334), diesen ohne Be-gründung.

(2) Anschließend belehrt der Vorsitzende denAngeklagten über die ihm zustehenden Rechts-mittel.

12. Ausfertigung des Urteiles, Prötokollführung

§ 342. Das Urteil ist in der im § 270 vorge-schriebenen Weise auszufertigen. In der Ausfer-tigung sind auch die Namen der Geschwornenanzuführen, die der Ersatzgeschwornen jedochnur dann, wenn diese vor Schluß der Verhand-lung an die Stelle eines verhinderten Geschwor-nen getreten sind. Die Ausfertigung muß auchdie an die Geschwornen gestellten Fragen undihre Beantwortung enthalten. Auf die im § 331Abs. 3 bezeichnete Niederschrift darf im Urteilekein Bezug genommen werden.

§ 343. (1) Für die Führung des Protokollsüber die Hauptverhandlung sowie über die Bera-tungen und Abstimmungen des Gerichtshofesoder des Geschwornengerichtes während und amSchlusse der Hauptverhandlung gelten die Vor-schriften der §§ 271, 272 und 305 Abs. 3.

(2) Das Hauptverhandlungsprotokoll mußauch die Namen der Geschwornen einschließlichder Ersatzgeschwornen enthalten. Ist infolge Ver-hinderung eines Geschwornen ein Ersatzgeschwor-ner an dessen Stelle getreten, so ist das imHauptverhandlungsprotokoll zu beurkunden.

III. R e c h t s m i t t e l g e g e n U r t e i l e d e rG e s c h w o r n e n g e r i c h t e

§ 344. Gegen die Urteile der Geschwornen-gerichte stehen die Rechtsmittel der Nichtigkeits-beschwerde und der Berufung offen. Die fürRechtsmittel gegen Urteile der Schöffengerichteund für das Verfahren über solche Rechtsmittelgeltenden Vorschriften (§§ 280 bis 296) sind aufRechtsmittel gegen Urteile der Geschwornen-gerichte dem Sinne nach anzuwenden, soweit imfolgenden nichts anderes bestimmt ist. An dieStelle der in den §§ 285 a, 285 d und 285 f bezeich-neten Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 tretendie folgenden Nichtigkeitsgründe des § 345Abs. 1, und zwar im § 285 a die der Z. 1 bis 13,im § 285 d die der Z. 1 bis 4 und im § 285 fdie der Z. 1 bis 5.

2784 211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631

§ 345. (1) Die Nichtigkeitsbeschwerde kann,sofern sie nicht nach besonderen gesetzlichen Vor-schriften auch in anderen Fällen zugelassen ist,nur wegen eines der folgenden Nichtigkeits-gründe ergriffen werden:

1. wenn der Schwurgerichtshof oder die Ge-schwornenbank nicht gehörig besetzt war, wennnicht alle Richter und Geschwornen der ganzenVerhandlung beigewohnt haben oder wenn sichein ausgeschlossener Richter oder Geschworner(§§ 67, 68) an der Verhandlung beteiligt hat;als nicht gehörig besetzt gilt die Geschwornen-bank auch dann, wenn in einer Jugendstrafsachenicht Geschworne für Jugendstrafsachen odernicht mindestens zwei im Lehrberufe tätige odertätig gewesene Personen der Geschwornenbankangehört haben;

2. wenn die Hauptverhandlung ohne Beizie-hung eines Verteidigers geführt worden ist;

3. wenn trotz der Verwahrung des Beschwerde-führers ein Schriftstück über einen nach demGesetze nichtigen Vorerhebungs- oder Vor-untersuchungsakt in der Hauptverhandlung vor-gelesen worden ist;

4. wenn in der Hauptverhandlung eine Vor-schrift verletzt oder vernachlässigt worden ist,deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich beisonstiger Nichtigkeit vorschreibt (§§ 120, 151,152, 170, 221, 228, 250, 260, 271, 305, 307, 310,329, 340, 427, 430 Abs. 3 und 4 sowie 439 Abs. 1und 2); (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 99)

5. wenn in der Hauptverhandlung über einenAntrag des Beschwerdeführers nicht erkanntworden ist oder wenn durch ein gegen seinenAntrag oder Widerspruch gefälltes Zwischen-erkenntnis Gesetze oder Grundsätze des Verfah-rens hintangesetzt oder unrichtig angewendetworden sind, deren Beobachtung durch das Weseneines die Strafverfolgung und die Verteidigungsichernden Verfahrens geboten ist;

6. wenn eine der in den §§ 312 bis 317 ent-haltenen Vorschriften verletzt worden ist;

7. wenn an die Geschwornen eine Frage mitVerletzung der Vorschrift des § 267 gestellt unddiese Frage bejaht worden ist;

8. wenn der Vorsitzende den Geschworneneine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt hat(§§ 321, 323, 327);

9. wenn die Antwort der Geschwornen aufdie gestellten Fragen undeutlich, unvollständigoder in sich widersprechend ist;

10. wenn der Schwurgerichtshof den Geschwor-nen die Verbesserung des Wahrspruches gegenden Widerspruch des Beschwerdeführers mit Un-recht aufgetragen oder, obgleich ein oder mehrereGeschworne ein bei der Abstimmung unterlau-fenes Mißverständnis behauptet haben, mit Un-recht nicht aufgetragen hat (§ 332 Abs. 4);

11. wenn durch die Entscheidung über dieFrage,

a) ob die dem Angeklagten zur Last fallendeTat eine zur Zuständigkeit der Gerichtegehörige strafbare Handlung begründetoder

b) ob die Verfolgung der Tat aus Gründendes Prozeßrechtes ausgeschlossen ist,

ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendetworden ist;

12. wenn die der Entscheidung zugrunde lie-gende Tat durch unrichtige Gesetzesauslegungeinem Strafgesetz unterzogen worden ist, dasdarauf nicht anzuwenden ist;

13. wenn das Geschwornengericht die Grenzendes gesetzlichen Strafsatzes, soweit er durchnamentlich im Gesetz angeführte Erschwerungs-oder Milderungsumstände begründet wird, dieGrenzen für die Bemessung eines Tagessatzes oderdie Grenzen der ihm zustehenden Strafschärfungoder außerordentlichen Strafmilderung über-schritten, bei der Festsetzung einer Ersatzfrei-heitsstrafe gegen § 19 Abs. 3 StGB oder durchdie Anrechnung oder Nichtanrechnung einer Vor-haft gegen § 38 StGB verstoßen oder wenn esdie Bestimmungen des § 293 Abs. 3 oder des§ 359 Abs. 4 verletzt oder unrichtig angewendethat. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 99)

(2) Die in der Z. 1 des Abs. 1 angeführtenNichtigkeitsgründe können nur dann geltendgemacht werden, wenn der Beschwerdeführer dendie Nichtigkeit begründenden Umstand gleich beiBeginn der Verhandlung oder, wenn er ihm erstspäter bekanntgeworden ist, sogleich, nachdemer ihm zur Kenntnis gekommen war, geltendgemacht hat.

(3) Die unter Abs. 1 Z. 3 bis 6 und 10 er-wähnten Nichtigkeitsgründe können zum Vor-teile des Angeklagten nicht geltend gemacht wer-den, wenn unzweifelhaft erkennbar ist, daß dieFormverletzung auf die Entscheidung keinendem Angeklagten nachteiligen Einfluß übenkonnte.

(4) Zum Nachteile des Angeklagten können dieunter Abs. 1 Z. 2 und 7 erwähnten Nichtigkeits-gründe niemals, die unter Abs. 1 Z. 3 bis 6und 10 erwähnten aber nur dann geltend ge-macht werden, wenn erkennbar ist, daß die Form-verletzung einen die Anklage beeinträchtigendenEinfluß auf die Entscheidung üben konnte, wennsich außerdem der Ankläger widersetzt, die Ent-scheidung des Schwurgerichtshofes begehrt undsich sofort nach der Verweigerung oder Verkün-dung dieser Entscheidung die Nichtigkeits-beschwerde vorbehalten hat.

§ 346. Der Ausspruch über die Strafe kann,soweit nicht der im § 345 Abs. 1 Z. 13 erwähnteNichtigkeitsgrund vorliegt, in den im § 283

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angeführten Fällen mit Berufung angefochtenwerden.

(BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 15)

§ 347. Werden die Nichtigkeitsbeschwerdeoder die Berufung oder beide Rechtsmittel nichtschon in der Sitzung des Geschwornengerichtesangemeldet, so sind sie beim Gerichtshof ersterInstanz einzubringen. Diesem steht das weitereVerfahren und die Vorlage der Akten an denObersten Gerichtshof oder an den Gerichtshofzweiter Instanz zu.

§ 348. Für den Gerichtstag beim OberstenGerichtshof ist dem Angeklagten, wenn er keinenVerteidiger hat, ohne Rücksicht auf Art undHöhe der für die strafbare Handlung, die demAngeklagten in der Anklageschrift oder im Ur-teil erster Instanz zur Last gelegt wird, ange-drohten Strafe, ein Rechtsanwalt als Verteidigerbeizugeben (§ 286 Abs. 4).

(BGBl. Nr. 569/1973, Art. III Z. 7)

§ 349. (1) Liegt einer der im § 345 Abs. 1 Z. 1bis 9 erwähnten Nichtigkeitsgründe vor, so hebtder Oberste Gerichtshof den Wahrspruch derGeschwornen und das darauf beruhende Urteilauf und verweist, sofern er nicht aus dem im§ 345 Abs. 1 Z. 7 angeführten Grunde den An-geklagten freispricht, die Sache an das Geschwor-nengericht des von ihm zu bezeichnenden Ge-richtshofes zur nochmaligen Verhandlung undEntscheidung.

(2) Werden nicht alle Teile des Wahrspruchesvom geltend gemachten Nichtigkeitsgrund ge-troffen und ist eine Sonderung möglich, so läßtder Oberste Gerichtshof die nicht betroffenenTeile des Wahrspruches und des Urteiles vondieser Verfügung unberührt und trägt dem Ge-richt, an das die Sache verwiesen wird, auf, dieunberührt gebliebenen Teile des Wahrspruchesder Entscheidung mit zugrunde zu legen.

§ 350. (1) Liegt der im § 260 angeführte Nich-tigkeitsgrund vor, so verweist der ObersteGerichtshof die Sache an das Geschwornengericht,das das Urteil gefällt hat, mit dem Auftragezurück, nach Tunlichkeit in der gleichen Zusam-mensetzung ein neues Urteil auf Grund des frü-heren Ausspruches der Geschwornen zu fällen.

(2) Liegt der im § 345 Abs. 1 Z. 10 bezeichneteNichtigkeitsgrund vor, so hebt der Oberste Ge-richtshof den Wahrspruch der Geschwornen,soweit er vom Nichtigkeitsgründe betroffen ist,und das darauf beruhende Urteil auf. Ist denGeschwornen mit Unrecht die Verbesserung desWahrspruches aufgetragen worden, so entscheideter auf Grund des ursprünglichen Wahrspruchesin der Sache selbst. Ist den Geschwornen die Ver-besserung wegen eines von ihnen behauptetenMißverständnisses mit Unrecht nicht aufgetragen

worden, so verweist der Oberste Gerichtshof dieSache an das Geschwornengericht zur neuen Ver-handlung und Entscheidung zurück.

§ 351. Liegt einer der im § 345 Abs. 1 Z. 11bis 13 angeführten Nichtigkeitsgründe vor, soentscheidet der Oberste Gerichtshof in der Sacheselbst. Sind jedoch die der Feststellung durchdie Geschwornen vorbehaltenen Tatsachen, dieer seiner Entscheidung zugrunde zu legen hätte,im Wahrspruche der Geschwornen nicht festge-stellt, so verweist er die Sache an das Geschwor-nengericht des von ihm zu bezeichnenden Ge-richtshofes, wenn aber die strafbare Handlungbei richtiger Anwendung des Gesetzes nicht mehrvor das Geschwornengericht gehört, an das vonihm zu bezeichnende sachlich zuständige Gerichtzur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung.

XX. Hauptstück

Von der Wiederaufnahme des Strafverfahrensund der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf von

Fristen

I. W i e d e r a u f n a h m e des Ver -f a h r e n s

§ 352. (1) Ist das Strafverfahren wider einebestimmte Person durch Einstellung, Zurück-weisung der Anklage oder Rücktritt von derAnklage vor der Hauptverhandlung beendigtworden, so kann dem Antrage des Staatsanwaltesoder Privatanklägers auf Wiederaufnahme desStrafverfahrens nur dann stattgegeben werden,wenn die Strafbarkeit der Tat noch nicht durchVerjährung erloschen ist und wenn neue Beweis-mittel beigebracht werden, die geeignet erschei-nen, die Bestrafung des Beschuldigten zu begrün-den. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 100)

(2) Über die Zulassung dieses Antrages ent-scheidet, nachdem die nötig befundenen Vor-erhebungen gepflogen worden sind, die Rats-kammer; gegen die Entscheidung kann beimGerichtshofe zweiter Instanz Beschwerde geführtwerden. Die Beschwerde ist binnen vierzehnTagen nach Eröffnung des Beschlusses beim Ge-richtshof erster Instanz anzubringen.

(3) Dem Privatankläger, der seine Klagezurückgenommen hat, kann die Wiederaufnahmedes Strafverfahrens nie bewilligt werden.

§ 353. Der rechtskräftig Verurteilte kann dieWiederaufnahme des Strafverfahrens selbst nachvollzogener Strafe verlangen:

1. wenn dargetan ist, daß seine Verurteilungdurch Fälschung einer Urkunde oder durch fal-sches Zeugnis oder Bestechung oder eine sonstigestrafbare Handlung einer dritten Person ver-anlaßt worden ist;

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2. wenn er neue Tatsachen oder Beweismittelbeibringt, die allein oder in Verbindung mitden früher erhobenen Beweisen geeignet erschei-nen, seine Freisprechung oder die Verurteilungwegen einer unter ein milderes Strafgesetz fal-lenden Handlung zu begründen; oder

3. wenn wegen derselben Tat zwei oder meh-rere Personen durch verschiedene Erkenntnisseverurteilt worden sind und bei der Vergleichungdieser Erkenntnisse sowie der ihnen zugrundeliegenden Tatsachen die Nichtschuld einer odermehrerer dieser Personen notwendig anzuneh-men ist.

§ 354. Den Antrag auf Wiederaufnahme desStrafverfahrens zugunsten des Angeklagten kön-nen, und zwar auch nach dessen Tod, alle Perso-nen stellen, die berechtigt wären, zu seinen Gun-sten die Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufungzu ergreifen. Erlangt der Staatsanwalt die Kennt-nis eines Umstandes, der einen Antrag auf Wie-deraufnahme des Strafverfahrens zugunsten desAngeklagten begründen kann (§ 353), so ist erverpflichtet, hievon den Angeklagten oder sonsteine zur Stellung dieses Antrages berechtigte Per-son in Kenntnis zu setzen oder selbst den Antragzu stellen.

§ 355. Der Staatsanwalt oder Privatanklägerkann die Wiederaufnahme des Strafverfahrenswegen einer Handlung, hinsichtlich deren derAngeklagte durch rechtskräftiges Urteil freige-sprochen worden ist, nur insofern beantragen,als die Strafbarkeit der Tat noch nicht durchVerjährung erloschen ist und als entweder

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Ur-kunde oder durch falsches Zeugnis, Bestechungoder eine sonstige strafbare Handlung des Ange-klagten oder einer dritten Person herbeigeführtworden ist, oder

2. der Angeklagte später gerichtlich oder außer-gerichtlich ein Geständnis der ihm beigemessenenTat ablegt oder sich andere neue Tatsachen oderBeweismittel ergeben, die allein oder in Verbin-dung mit den früher erhobenen Beweisen geeig-net erscheinen, die Bestrafung des Angeklagtenzu begründen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 101)

§ 356. Der Staatsanwalt kann die Wiederauf-nahme des Verfahrens, um zu bewirken, daßeine Handlung, wegen der der Angeklagte ver-urteilt worden ist, nach einem strengeren Straf-gesetz beurteilt werde, nur unter den im § 355erwähnten Voraussetzungen und überdies nurdann beantragen, wenn die wirklich verübte Tat

1. mit mindestens zehnjähriger Freiheitsstrafebedroht ist, während der Angeklagte nur wegeneiner mit nicht mehr als zehnjähriger Freiheits-strafe bedrohten Handlung verurteilt wurde,oder

2. mit mehr als fünfjähriger Freiheitsstrafe be-droht ist, während der Angeklagte nur wegeneines Vergehens verurteilt wurde, oder

3. sich als ein Verbrechen darstellt, währendder Angeklagte nur wegen eines mit nicht mehrals einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Verge-hens verurteilt wurde.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 102)

§ 357. (1) Die Wiederaufnahme des Strafver-fahrens ist bei dem Gerichtshof erster Instanzzu beantragen, bei dem es anhängig war. Ist eineder im § 356 angeführten Taten von einemBezirksgericht abgeurteilt worden, so ist derAntrag bei dem Gerichtshof erster Instanz zustellen, zu dessen Sprengel das Bezirksgericht ge-hört. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 103)

(2) Der Untersuchungsrichter hat die Tatsachenzu erheben, durch die der Antrag begründetwird. Sodann ist im Falle des § 353 der Staats-anwalt oder der Privatankläger, in den Fällender §§ 355 und 356 aber der Beschuldigte zuvernehmen und vom Gerichtshof erster Instanzüber die Statthaftigkeit der Wiederaufnahme innichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden.

(3) Gegen diesen Beschluß steht nur die Be-schwerde an den Gerichtshof zweiter Instanzoffen. Sie ist binnen vierzehn Tagen beim Ge-richtshof erster Instanz anzubringen.

(4) Beschließt der Gerichtshof zweiter Instanzdie Wiederaufnahme des Verfahrens, so ist erauch berechtigt, einen anderen Gerichtshof zurFührung der Untersuchung zu bestellen.

§ 358. Durch den Beschluß, der der Wieder-aufnahme des Strafverfahrens stattgibt, wird dasfrühere Urteil insoweit für aufgehoben erklärt,als es die strafbare Handlung betrifft, hinsicht-lich der die Wiederaufnahme bewilligt wird. Diegesetzlichen Folgen der im ersten Erkenntnis aus-gesprochenen Verurteilung dauern einstweilenfort und sind nur dann und insoweit als aufge-hoben anzusehen, als sie nicht auch durch dasneue Erkenntnis einzutreten haben.

§ 359. (1) Die Sache tritt durch die Wieder-aufnahme in der Regel (§ 360) in den Stand derVoruntersuchung. Diese ist nach Maßgabe der dieWiederaufnahme bewilligenden Entscheidung undder neuen Beweise zu führen oder zu ergänzen.Die für die Einstellung der Voruntersuchung unddie Versetzung in den Anklagestand geltendenVorschriften sind auch hier anzuwenden. Wirdinfolgedessen das Verfahren ohne Vornahmeeiner Hauptverhandlung beendigt, so hat derBeschuldigte das Recht, die öffentliche Bekannt-machung der Einstellung oder des Erkenntnisseszu verlangen, wodurch die Anklage endgültigzurückgewiesen wurde. Diese Entscheidungenhaben gleiche Wirkung mit dem Erkenntnisse,wodurch der Angeschuldigte freigesprochen wird.

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(2) Kommt es zur neuen Hauptverhandlung,so ist von ihr auch der Privatbeteiligte in Kennt-nis zu setzen; es sind die Aussagen der Zeugen,Sachverständigen oder Mitbeschuldigten, die nichtmehr vernommen werden können, aus den Aktenvorzulesen, und schließlich ist ein neues Urteilzu schöpfen.

(3) Wird durch dieses Erkenntnis der Ange-klagte verurteilt, so ist eine bereits erlitteneStrafe auf Freiheits- und Geldstrafen anzurechnen(§ 38 StGB). (BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 104)

(4) Ist die Wiederaufnahme nur zugunsten desAngeklagten bewilligt worden, so kann das neueUrteil keine schwerere Strafe über ihn verhän-gen, als ihm das erste Erkenntnis auferlegte.

(5) Gegen das neue Erkenntnis stehen dieselbenRechtsmittel offen wie gegen jedes andere Urteil.

§ 360. (1) Das Gericht, das die Wiederaufnahmedes Strafverfahrens zugunsten des Beschuldigtenfür zulässig erklärt, kann, sofern der Anklägerdamit einverstanden ist, sofort ein Urteil fällen,wodurch der Beschuldigte freigesprochen oderseinem Antrag auf Anwendung eines milderenStrafsatzes stattgegeben wird.

(2) Gegen ein solches Erkenntnis ist keinRechtsmittel zulässig.

(3) Der Freigesprochene kann die Veröffent-lichung des Erkenntnisses verlangen.

§ 361. (1) Das Gesuch eines Verurteilten umWiederaufnahme des Verfahrens hemmt denVollzug der Strafe nicht; es sei denn, daß derüber die Wiederaufnahme entscheidende Gerichts-hof nach Anhörung des Anklägers die Hemmungdes Strafvollzuges nach den Umständen des Fallesfür angemessen erachtet.

(2) Wird die Statthaftigkeit der Wiederauf-nahme rechtskräftig ausgesprochen, so ist derVollzug der Strafe unverzüglich einzustellen(§ 358) und über die Haft des Beschuldigten nachden im XIV. Hauptstück enthaltenen Bestim-mungen zu entscheiden.

§ 362. (1) Der Oberste Gerichtshof ist berech-tigt, nach Anhörung des Generalprokurators imaußerordentlichen Weg und ohne an die im § 353vorgezeichneten Bedingungen gebunden zu sein,die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugun-sten des wegen eines Verbrechens oder VergehensVerurteilten zu verfügen, wenn sich ihm

1. bei der vorläufigen Beratung über eineNichtigkeitsbeschwerde oder nach der öffent-lichen Verhandlung über die Beschwerde oder

2. bei einer auf besonderen Antrag des Gene-ralprokuraturs vorgenommenen Prüfung derAkten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeitder dem Urteil zugrunde gelegten Tatsachen er-geben, die auch nicht durch einzelne vom Ober-sten Gerichtshof etwa angeordnete Erhebungenbeseitigt werden.

(2) Der Oberste Gerichtshof kann in solchenFällen auch sofort ein neues Urteil schöpfen,wodurch der Beschuldigte freigesprochen oder einmilderer Strafsatz auf ihn angewendet wird(§ 360 Abs. 3); hiezu ist jedoch Einstimmigkeitund die Zustimmung des Generalprokurators er-forderlich.

(3) Anträge von Privaten, die auf Herbeifüh-rung eines der vorstehend erwähnten Beschlüssedes Obersten Gerichtshofes abzielen, sind vonden Gerichten abzuweisen, bei denen sie ein-laufen; auch dürfen sie niemals zum Gegenstandeder Erörterung in der mündlichen Verhandlunggemacht werden.

(4) Auf die vom Obersten Gerichtshofe ver-fügte Wiederaufnahme des Strafverfahrens sinddie §§ 358 und 359 anzuwenden.

(5) Die Entscheidung über die Hemmung desStrafvollzuges und über die Verweisung desweiteren Verfahrens an das Gericht eines anderenSprengeis steht nur dem Obersten Gerichtshofezu.

§ 363. Das Strafverfahren kann unabhängigvon den Bedingungen und Förmlichkeiten derWiederaufnahme nach den allgemeinen Vor-schriften, und zwar durch das danach zuständigeGericht eingeleitet oder fortgesetzt werden:

1. wenn die Vorerhebungen eingestellt wordensind, ehe eine bestimmte Person als Beschuldigterbehandelt wurde;

2. wenn der zur Klage noch berechtigte Privat-ankläger die Anklage anbringt, während im frü-heren Verfahren die Einstellung oder ein frei-sprechendes Urteil lediglich wegen Mangels desnach dem Gesetz erforderlichen Antrages einesBeteiligten erfolgt ist;

3. wenn sich der Staatsanwalt beim Rücktrittevon der Verfolgung nach § 34 Abs. 2 oder beider Erklärung nach § 57 Abs. 3 die spätereVerfolgung vorbehalten hat und seit der rechts-kräftigen Beendigung des inländischen Strafver-fahrens noch nicht mehr als drei Monate oderseit der rechtskräftigen Beendigung des auslän-dischen Strafverfahrens noch nicht mehr als einJahr verstrichen ist; wenn dem Ankläger beider Beendigung des Strafverfahrens wegen einesVerbrechens oder Vergehens die Verfolgungwegen anderer strafbarer Handlungen vorbe-halten worden ist oder wenn sich erst nachherVerdachtsgründe für eine andere früher began-gene strafbare Handlung ergeben haben.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 105)

I I . W i e d e r e i n s e t z u n g g e g e n d e nA b l a u f v o n F r i s t e n

§ 364. (1) Wider die Versäumung der Frist zurAnmeldung eines Rechtsmittels gegen ein Urteilkann das zur Entscheidung über das Rechtsmittel

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berufene Gericht dem Beschuldigten die Wieder-einsetzung in den vorigen Stand erteilen, soferner:

1. nachzuweisen vermag, daß es ihm durchunabwendbare Umstände ohne sein oder seinesVertreters Verschulden unmöglich gemachtwurde, die Frist einzuhalten,

2. um die Wiedereinsetzung innerhalb vonvierzehn Tagen nach dem Aufhören des Hinder-nisses ansucht und

3. die Anmeldung zugleich anbringt.

(2) Das Gesuch ist bei dem Gericht anzubrin-gen, bei dem das Rechtsmittel anzumelden war.Dieses Gericht teilt das Gesuch samt der Anmel-dung dem Ankläger zur Erstattung seiner Äuße-rung und allfälligen Gegenausführung mit undlegt nach Ablauf der für die Gegenausführungoffenstehenden Frist die Akten dem zur Ent-scheidung über das Rechtsmittel berufenen Ge-richte vor, das, falls es die Wiedereinsetzungbewilligt, sofort in der Hauptsache erkennt.

(3) Gegen die Verweigerung der Wiederein-setzung ist kein Rechtsmittel zulässig.

(4) Das Gesuch hemmt, solange die Wiederein-setzung nicht bewilligt ist, die Vollstreckungnicht; es sei denn, daß das Gericht, bei dem esangebracht wird, nach den Umständen des Fallesfür angemessen erachtet, die Aussetzung der Voll-streckung zu verfügen.

XXI. HauptstückVon den Erkenntnissen und Verfügungen desStrafgerichtes hinsichtlich der privatrechtlichen

Ansprüche

§ 365. (1) Der aus der strafbaren Handlung ent-standene Schaden und die sonstigen für die pri-vatrechtlichen Folgen wichtigen Nebenumständesind von Amts wegen zu berücksichtigen. DemGeschädigten ist, wenn es zweifelhaft ist, ob ervom stattfindenden strafrechtlichen VerfahrenKenntnis habe, hievon Mitteilung zu machen,damit er von seinem Rechte, sich dem Strafver-fahren anzuschließen, Gebrauch machen könne.

(2) Im Falle des Anschlusses bleibt es demPrivatbeteiligten oder, falls dieser sich selbst zuvertreten nicht berechtigt ist, dessen gesetzlichemVertreter überlassen, seine Ansprüche auszufüh-ren und genügend darzutun. Der Beschuldigte istdarüber zu vernehmen; auch sind die zur Erfor-schung des Schadens nötigen Erhebungen zu pfle-gen. Der Privatbeteiligte kann die Verfolgungseiner Ansprüche zu jeder Zeit, selbst währendder Hauptverhandlung, wieder aufgeben.

§ 366. (1) Wird der Beschuldigte nicht ver-urteilt, so ist der Privatbeteiligte mit seinen Ent-schädigungsansprüchen jederzeit auf den Zivil-rechtsweg zu verweisen.

(2) Wird der Beschuldigte verurteilt, so hat inder Regel der Gerichtshof zugleich über die pri-vatrechtlichen Ansprüche des Geschädigten zuentscheiden. Erachtet das Strafgericht, daß dieErgebnisse des Strafverfahrens nicht ausreichen,um auf Grund ihrer über die Ersatzansprücheverläßlich urteilen zu können, so verweist es denPrivatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg. Gegendiese Verweisung steht kein Rechtsmittel offen.

§ 367. (1) Ist eine Sache, von der das Gerichtsich überzeugt, daß sie dem Privatbeteiligten ge-höre, unter den Habseligkeiten des Angeklagten,eines Mitschuldigen oder eines Teilnehmers ander strafbaren Handlung oder an einem solchenOrte gefunden worden, wohin sie von diesenPersonen nur zur Aufbewahrung gelegt oder ge-geben wurde, so ordnet der Gerichtshof an, daßsie nach eingetretener Rechtskraft des Urteileszurückzustellen sei. Mit ausdrücklicher Zustim-mung des Beschuldigten kann jedoch die Aus-folgung auch sogleich geschehen.

(2) Die dem Geschädigten entzogenen Gegen-stände können auch vor der Hauptverhandlungdurch den Untersuchungsrichter zurückgestelltwerden, wenn ihre Aufbewahrung nicht zurÜberweisung des Beschuldigten, eines Mitschul-digen oder eines Teilnehmers nötig ist und wennder Beschuldigte und der Ankläger damit ein-verstanden sind.

§ 368. Ist das entzogene Gut bereits in dieHände eines Dritten, der sich an der strafbarenHandlung nicht beteiligt hat, auf eine zur Über-tragung des Eigentumes gültige Art oder alsPfand geraten oder ist das Eigentum des entzoge-nen Gegenstandes unter mehreren Geschädigtenstreitig oder kann der Geschädigte sein Rechtnicht sogleich genügend nachweisen, so ist dasauf Zurückstellung des Gutes gerichtete Begehrenauf den ordentlichen Zivilrechtsweg zu verwei-sen.

§ 369. (1) Wenn das dem Geschädigten ent-zogene Gut nicht mehr zurückgestellt werdenkann, sowie in allen Fällen, in denen es sich nichtum die Rückstellung eines entzogenen Gegen-standes, sondern um den Ersatz eines erlittenenSchadens oder entgangenen Gewinnes oder umTilgung einer verursachten Beleidigung handelt(§ 1323 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetz-buches), ist im Strafurteile die Schadloshaltungoder Genugtuung zuzuerkennen, insofern sowohlihr Betrag als auch die Person, der sie gebührt,mit Zuverlässigkeit bestimmt werden kann.

(2) Ergeben sich aus den gepflogenen Erhe-bungen Gründe zu vermuten, daß der Geschä-digte seinen Schaden zu hoch angebe, so kannihn das Gericht nach Erwägung aller Umstände,allenfalls nach vorgenommener Schätzung durchSachverständige ermäßigen.

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§ 370. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ. 106)

§ 371. (1) Ergibt sich aus der Schuld des Ange-klagten die gänzliche oder teilweise Ungültigkeiteines mit ihm eingegangenen Rechtsgeschäftesoder eines Rechtsverhältnisses, so ist im Straf-urteil auch hierüber und über die daraus ent-springenden Rechtsfolgen zu erkennen.

(2) Der rechtswirksame Ausspruch, daß eineEhe nichtig sei, bleibt jedoch stets dem Zivil-gerichte vorbehalten. Das Strafgericht kann dieNichtigkeit einer Ehe nur als Vorfrage beurtei-len (§ 5).

§ 372. Dem Privatbeteiligten steht es frei, denZivilrechtsweg zu betreten, wenn er sich mit dervom Strafgericht ihm zuerkannten Entschädi-gung nicht begnügen will.

§ 373. Ist das über die privatrechtlichen An-sprüche ergangene strafgerichtliche Erkenntnis inRechtskraft erwachsen, so ist jeder Beteiligteberechtigt, vom Gerichte, das in erster Instanzerkannt hat, die Anmerkung der Rechtskräftig-keit des Erkenntnisses auf dem Urteile zu be-gehren; ein solches Erkenntnis hat dann die Wir-kung, daß um seine Exekution unmittelbar beimZivilgericht angesucht werden kann.

§ 374. Um Änderung des rechtskräftigenstrafgerichtlichen Ausspruches über privatrecht-liche Ansprüche wegen neu aufgefundener Beweis-mittel sowie um Aufhebung seiner Vollstreckungwegen eines nachgefolgten Tatumstandes kannaußer dem Fall einer aus anderen Gründen statt-findenden Wiederaufnahme des Strafverfahrensvom Verurteilten und dessen Rechtsnachfolgernnur vor dem Zivilrichter angesucht werden.

§ 375. Wenn bei einem Beschuldigten ein nachallem Anscheine fremdes Gut gefunden wird,dessen Eigentümer er nicht angeben kann oderwill, und wenn sich binnen einer angemessenenFrist niemand mit einem Eigentumsanspruchegemeldet hat, ist vom Untersuchungsrichter dieBeschreibung eines solchen Gutes so abzufassen,daß es zwar vom Eigentümer erkannt werdenkann, daß jedoch einige wesentliche Unterschei-dungszeichen verschwiegen werden, um ihre Be-zeichnung dem Eigentümer als Beweis seinesRechtes vorzubehalten.

§ 376. (1) Eine solche Beschreibung ist durchEdikt an den Orten öffentlich bekanntzumachen,wo sich der Beschuldigte aufgehalten hat oder wodie ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungenbegangen wurden. In diesem Edikt ist der Eigen-tümer aufzufordern, daß er sich binnen Jahres-frist vom Tage der dritten Einschaltung desEdiktes melde und sein Eigentumsrecht nach-weise.

(2) Die Auffindung von Gegenständen, derenWert neunhundert Schilling nicht erreicht undderentwegen eine unverzügliche abgesonderte Be-kanntmachung nicht aus anderen Gründen not-wendig erscheint, kann von Zeit zu Zeit in ge-meinsamen Edikten bekanntgemacht werden.(BGBl. Nr. m/1963, Art. II Abs. 1 Z. 3)

§ 377. Ist das fremde Gut von solcher Beschaf-fenheit, daß es sich ohne Gefahr des Verderbensnicht durch ein Jahr aufbewahren läßt, oder wäredie Aufbewahrung mit Kosten verbunden, so hatdas Gericht die Veräußerung des Gutes durchöffentliche Versteigerung, bei sinngemäßem Vor-liegen der im § 280 der Exekutionsordnung be-zeichneten Voraussetzungen aber auf die dortvorgesehene Weise einzuleiten. Der Kaufpreis istbeim Strafgerichte zu erlegen. Zugleich ist eineumständliche Beschreibung jedes verkauftenStückes unter Angabe des Käufers und des Kauf-schillings den Akten beizulegen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 107)

§ 378. (1) Wenn binnen der Ediktalfrist nie-mand ein Recht auf die beschriebenen Gegen-stände dartut, so sind sie, wenn sie aber derDringlichkeit wegen verkauft wurden, so ist ihrErlös dem Beschuldigten auf sein Verlangen aus-zufolgen, sofern nicht durch einen Beschluß deszur Entscheidung in erster Instanz berufenenGerichtes ausgesprochen ist, daß die Rechtmäßig-keit des Besitzes des Beschuldigten nicht glaub-würdig sei.

(2) Gegen diese Beschlüsse, die vom Vorsitzen-den zu fassen sind, steht dem Ankläger und demBeschuldigten die binnen vierzehn Tagen einzu-bringende Beschwerde an den übergeordnetenGerichtshof zu.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 108)

§ 379. Gegenstände, die dem Beschuldigtennicht ausgefolgt werden, sind auf die im § 377angeordnete Weise zu veräußern. Der Kaufpreisist an die Bundeskasse abzugeben. Dem Berech-tigten steht jedoch frei, seine Ansprüche auf denKaufpreis gegen den Bund binnen dreißig Jahrenvom Tage der dritten Einschaltung des Ediktesim Zivilrechtswege geltend zu machen.

XXII. Hauptstück

Von den Kosten des Strafverfahrens

§ 380. (1) Sofern die besonderen Vorschriftenüber die Gerichtsgebühren nichts anderes bestim-men, sind in Strafsachen keine Gebühren zu ent-richten.

(2) Werden Beschuldigte zu Wagen befördert,so haben die Gemeinden den nötigen Vorspannbeizuschaffen und dafür die Vergütung nach denfür den Vorspann bestehenden Vorschriften an-zusprechen.

2790 211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631

§ 381. (1) Die Kosten des Strafverfahrens,die von der zum Kostenersatze verpflichtetenPartei zu ersetzen sind, umfassen:

1. einen Pauschalbetrag als Anteil an den imfolgenden nicht besonders angeführten Kostender Strafrechtspflege einschließlich der Kostenvon Amtshandlungen der Sicherheitsbehördenund ihrer Organe im Dienste der Strafjustiz(Pauschalkostenbeitrag);

2. die Gebühren der Sachverständigen, soferndiese Gebühren insgesamt den Betrag von 250 Sübersteigen;

3. eine Vergütung für Auskünfte, Befundeund Gutachten von Behörden (Ämtern, Anstal-ten) in der Höhe, wie sie für solche Auskünfte,Befunde und Gutachten in Privatangelegenheitenzu entrichten wäre;

4. die Kosten der Beförderung und Bewachungdes Beschuldigten, einschließlich der durch eineAuslieferung des Beschuldigten aus einem frem-den Staat verursachten Kosten, sowie die Kostenaus dem Ausland geladener Zeugen, sofern dieseKosten insgesamt den Betrag von 250 S über-steigen;

5. die durch die Beschlagnahme von Sachenverursachten Kosten, sofern sie insgesamt denBetrag von 250 S übersteigen;

6. die Kosten der Vollstreckung des Straf-urteiles, ausgenommen die Kosten des Vollzugeseiner Freiheitsstrafe;

7. die im Strafverfahren zu entrichtenden Ge-richtsgebühren ;

8. die Kosten der Verteidiger und andererParteienvertreter.(BGBl. Nr. 267/1968, Art. I; BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 2)

(2) Diese Kosten werden, soweit sich aus be-sonderen gesetzlichen Vorschriften nichts anderesergibt, mit Ausnahme der unter Abs. 1 Z. 3,7 und 8 bezeichneten Kosten vom Bunde vor-geschossen, vorbehaltlich des Rückersatzes nachden Bestimmungen der §§ 389 bis 391. (BGBl.Nr. 267/1968, Art. I; BGBl. Nr. 145/1969, Art. IIZ.2)

(3) Der Pauschalkostenbeitrag (Abs. 1 Z. 1)darf folgende Beträge nicht übersteigen:1. im Verfahren vor den Geschwornen-

gerichten 15.000 S,2. im Verfahren vor den Schöffen-

gerichten 7.500 S,3. im Verfahren vor dem Einzelrichter

des Gerichtshofes erster Instanz . . . . 3.000 S,4. im Verfahren vor den Bezirks-

gerichten 1.000 S.(BGBl. Nr. 267/1968, Art. I; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 109)

(4) Spricht ein Gerichtshof lediglich eine Ver-urteilung wegen einer in die Zuständigkeit derBezirksgerichte fallenden strafbaren Handlungaus, so darf der Pauschalkostenbeitrag den fürdas Verfahren vor den Bezirksgerichten vor-gesehenen Betrag nicht übersteigen. Im Verfahrenvor den Bezirksgerichten auf Grund einer Privat-anklage ist ein Pauschalkostenbeitrag nicht zubestimmen, wenn keine Hauptverhandlung statt-gefunden hat und auch keine Zeugen- oder Sach-verständigengebühren aufgelaufen sind. (BGBl.Nr. 267/1968, Art. I; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I2. 109)

(5) Bei Bemessung des Pauschalkostenbeitragessind die Belastung der im Strafverfahren tätigenBehörden und Dienststellen und das Ausmaßder diesen erwachsenen, nicht besonders zu ver-gütenden Auslagen sowie das Vermögen, das Ein-kommen und die anderen für die wirtschaftlicheLeistungsfähigkeit des Ersatzpflichtigen maßge-benden Umstände zu berücksichtigen. (BGBl.Nr. 267/1968, Art. I)

(6) Die Kosten für die Beiziehung eines Dol-metschers sind bei Bemessung des Pauschalkosten-beitrages nicht zu berücksichtigen, wenn die Bei-ziehung notwendig war, weil der Angeklagteder Gerichtssprache nicht hinreichend kundig ist.Das gleiche gilt für Kosten, die daraus erwach-sen, daß der Angeklagte wegen eines Gebrechensnicht fähig ist, sich mit dem Gericht zu verstän-digen, und eine Person zugezogen werden muß,die fähig ist, die Verständigung zwischen demGericht und dem Angeklagten zu vermitteln.Weitergehende Rechte, die sprachlichen Minder-heiten bundesgesetzlich eingeräumt sind, bleibenunberührt. (BGBl. Nr. 267/1968, Art. I)

(7) Die Kosten der Verwahrungs- und Unter-suchungshaft sind bei Bemessung des Pauschal-kostenbeitrages zu berücksichtigen, es sei denn,daß der Verhaftete für die Haft entschädigtworden ist. Bei der Berücksichtigung ist auf einevom Verurteilten in der Verwahrungs- oderUntersuchungshaft etwa geleistete Arbeit ange-messen Bedacht zu nehmen. (BGBl. Nr. 145/1969,Art. II 2. 2; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I 2. 109)

§ 382. Die Gebühren der Gerichtsabgeordnetenund der Organe des öffentlichen Sicherheits-dienstes für Zustellungen, Vorladungen, Boten-gänge und für die Vorführung, Wachebegleitungoder Beförderung des Beschuldigten oder ande-rer Personen werden durch besondere Verord-nungen geregelt.

§§ 383 bis 386. (Aufgehoben)

§ 387. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 145/1969, Art. IIZ.3)

§ 388. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 145/1969,Art. II Z..3)

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§ 389. (1) Wird der Angeklagte einer strafbarenHandlung schuldig erkannt, so ist in der Ent-scheidung zugleich auszudrücken, daß er auch dieKosten des Strafverfahrens zu ersetzen habe.

(2) Doch hat der Gerichtshof in dem Falle,wenn sich das Verfahren auf mehrere strafbareHandlungen bezog, die Kosten hinsichtlich derHandlungen, deren der Angeklagte nicht fürschuldig erkannt wird, soweit es tunlich ist, vomErsatz auszuscheiden.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatze der Kostentrifft jedoch den rechtskräftig Verurteilten nurfür seine Person und, insofern er nach eingetre-tener Rechtskraft des Urteiles gestorben ist, sei-nen Nachlaß, keineswegs aber dritte Personen,die nach dem Gesetz oder aus übernommenerPflicht für seinen Unterhalt zu sorgen haben.Von mehreren Angeklagten ist jeder einzelne zurTragung des Pauschalkostenbeitrages, der demgegen ihn gefällten Erkenntnis entspricht, sowieder Kosten zu verurteilen, die durch seine An-haltung in Verwahrungs- und Untersuchungshaft,seine Verteidigung, den Strafvollzug oder durchbesondere, nur bei ihm eingetretene Ereignisseoder durch sein besonderes Verschulden entstan-den sind. Zur Bezahlung aller anderen Kostendes Strafverfahrens sind sämtliche Angeklagtenzur ungeteilten Hand zu verurteilen, sofern derGerichtshof nicht besondere Gründe findet, eineBeschränkung dieser Haftung eintreten zu lassen.

§ 390. (1) Wird das Strafverfahren auf andereWeise als durch ein verurteilendes Erkenntnisbeendigt, so sind die Kosten in der Regel vomBunde zu tragen. Soweit aber das Strafver-fahren auf Begehren eines Privatanklägers odergemäß § 48 lediglich auf Antrag des Privat-beteiligten stattgefunden hat, ist diesen der Er-satz aller infolge ihres Einschreitens aufge-laufenen Kosten in der das Verfahren für dieInstanz erledigenden Entscheidung aufzutragen.

(2) Haben mehrere Privatankläger oder Privat-beteiligte wegen derselben Handlung erfolglosBestrafung derselben Personen begehrt, so haftensie für die Kosten des Strafverfahrens zur unge-teilten Hand. Haben sie erfolglos die Bestrafungverschiedener Personen oder die Bestrafung der-selben Personen wegen verschiedener Handlungenbegehrt, so haftet jeder für die besonderenKosten, die nur durch seinen Antrag entstandensind, und für den Pauschalkostenbeitrag, der zuentrichten gewesen wäre, wenn seine Anklage deneinzigen Gegenstand des Verfahrens gebildethätte; die Anteile der einzelnen Ankläger an dengemeinsamen Kosten hat das Gericht nach demMaß ihrer Beteiligung am Verfahren zu be-stimmen.

(3) Die Staatsanwaltschaft kann nie zum Er-satze der Kosten verurteilt werden.

(4) Wurde endlich das Strafverfahren durcheine wissentlich falsche Anzeige veranlaßt, sohat die Kosten der Anzeiger zu ersetzen.

§ 390 a. (1) Den nach den §§ 389 und 390 zumKostenersatze Verpflichteten fallen auch dieKosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last,sofern sie nicht durch ein ganz erfolglos geblie-benes Rechtsmittel des Gegners verursacht wor-den sind. Ist ein solches Rechtsmittel vom Privat-ankläger oder vom Privatbeteiligten ergriffenworden, so ist ihm der Ersatz der dadurch ver-ursachten Kosten unabhängig vom Ausgange desVerfahrens aufzuerlegen.

(2) Für die durch ein erfolgloses Begehren umWiederaufnahme des Verfahrens verursachtenKosten haftet der Antragsteller.

§ 391. (1) Die Kosten des Strafverfahrens sindjedoch vom Ersatzpflichtigen nur insoweit einzu-treiben, als dadurch weder der zu einer einfachenLebensführung notwendige Unterhalt des Ersatz-pflichtigen und seiner Familie, für deren Unter-halt er zu sorgen hat, noch die Erfüllung deraus der strafbaren Handlung entspringendenPflicht zur Schadensgutmachung gefährdet wird.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 110)

(2) Ist nach den im Verfahren hervorgekomme-nen Umständen mit Grund anzunehmen, daßdie Kosten des Strafverfahrens wegen Mittel-losigkeit des Zahlungspflichtigen auch nicht bloßzum Teile hereingebracht werden können, so hatdas Gericht, soweit tunlich, gleich bei Schöpfungdes Erkenntnisses die Kosten für uneinbringlichzu erklären; andernfalls entfällt eine Entschei-dung über die Einbringlichkeit der Kosten. DerBeschluß, womit die Kosten für uneinbringlicherklärt werden, kann jederzeit aufgehoben und,wenn später Umstände der bezeichneten Arthervorkommen, nachträglich gefaßt werden.

(3) Gegen Entscheidungen der Gerichte, womitein Antrag abgelehnt wird, die Kosten für un-einbringlich zu erklären, ist kein Rechtsmittelzulässig.

(BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 4)

§ 392. (1) In den Fällen, in denen die Be-schwerde über den Kostenpunkt nicht ohnehinmit dem wider das Urteil offenstehenden Rechts-mittel angebracht werden kann, steht dem Staats-anwalte, ferner jedem, der sich sonst durch eineEntscheidung oder Verfügung des Gerichtes überdie Kosten gekränkt erachtet, frei, sich darüberbeim Gerichtshofe zweiter Instanz zu beschweren,soweit der Rechtszug nicht ausdrücklich unter-sagt ist.

(2) Die Beschwerden sind bei dem Gerichte,das in erster Instanz entschieden hat, längstensbinnen vierzehn Tagen zu fiberreichen und vondiesem an den Gerichtshof zweiter Instanz ein-zubegleiten, der darüber endgültig entscheidet.

2792 211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631

§ 393. (1) Wer sich im Strafverfahren einesVertreters bedient, hat in der Regel auch die fürdiese Vertretung auflaufenden Kosten, und zwarselbst in dem Falle zu zahlen, wenn ihm einsolcher Vertreter von Amts wegen beigegebenwird.

(2) Wurde dem Angeklagten ein Verteidigernach § 41 Abs. 2 beigegeben, so sind diesem aufsein Verlangen die nötig gewesenen und wirklichbestrittenen baren Auslagen vom Bund zu ver-güten. (BGBl. Nr. 569/1973, Art. Ill Z. 8)

(3) In den Fällen, in denen dem Beschuldigten,dem Privatankläger, dem Privatbeteiligten (§ 48)oder dem, der eine wissentlich falsche Anzeige ge-macht hat, der Ersatz der Prozeßkosten überhauptzur Last fällt, haben diese Personen auch alleKosten der Verteidigung und der Vertretung zuersetzen.

(4) Soweit jedoch der Privatbeteiligte mitseinen privatrechtlichen Ansprüchen auf denZivilrechtsweg verwiesen worden ist, bilden diezur zweckentsprechenden Geltendmachung seinerAnsprüche im Strafverfahren aufgewendetenKosten seines Vertreters einen Teil der Kostendes zivilgerichtlichen Verfahrens, in dem über denAnspruch erkannt wird.

§ 394. Gebührt dem Vertreter einer Partei eineBelohnung, so ist ihre Bestimmung sowohl indem Falle, wenn sich der Beschuldigte, der Privat-ankläger oder der Privatbeteiligte selbst einensolchen wählte, als auch dann, wenn dem Ange-klagten ein Verteidiger von Amts wegen beige-geben wurde, dem freien Übereinkommenzwischen dem Vertreter und dem Zahlungs-pflichtigen überlassen.

(BGBl. Nr. 569/1973, Art. Ill Z. 9)

§ 395. (1) Wird über die Höhe der nach § 393Abs. 3 zu ersetzenden Kosten kein Übereinkom-men erzielt, so steht jedem Teile frei, sie vondem Gerichte, das in erster Instanz entschiedenhat, und, wenn die Verteidigung oder Vertretungnur vor einem höheren Gerichte stattgefundenhat, von diesem bestimmen zu lassen. Vor derBemessung der Gebühren ist dem Gegner desAntragstellers Gelegenheit zur Äußerung zugeben. Wird der Antrag von der zum Ersatze derKosten verurteilten Partei gestellt, so hat dasGericht dem Gegner aufzutragen, seine Ge-bührenrechnung binnen einer angemessenen Fristvorzulegen, widrigenfalls die Gebühren aufGrund der vom Antragsteller beigebrachten undsonst dem Gerichte zur Verfügung stehendenBehelfe bestimmt würden.

(2) Bei der Bemessung der Gebühren ist auchzu prüfen, ob die vorgenommenen Vertretungs-handlungen notwendig waren oder sonst nachder Beschaffenheit des Falles gerechtfertigt sind.Die Kosten des Bemessungsverfahrens sind alsKosten des Strafverfahrens anzusehen.

(3) Für die Entlohnung solcher Leistungender in der Verteidigerliste eingetragenen Ver-treter, die eine durchschnittliche Bewertung zu-lassen, kann das Bundesministerium für Justizeinen Tarif aufstellen. Der Tarif kann örtlichverschieden sein.

(4) Gegen den Beschluß des Gerichtshofes ersterInstanz, womit die Gebühren bestimmt werden,steht beiden Teilen die Beschwerde an den Ge-richtshof zweiter Instanz offen. Sie ist binnenvierzehn Tagen anzubringen und hat auf-schiebende Wirkung. Gegen die Bestimmung derGebühren durch ein höheres Gericht ist keinRechtsmittel zulässig.

(5) Die vorhergehenden Absätze sind auchanzuwenden, wenn zwischen dem von Amtswegen bestellten Verteidiger und dem von ihmvertretenen Beschuldigten über die Entlohnungkein Übereinkommen erzielt wird. Das Gerichthat die Entlohnung des von Amts wegen bestell-ten Verteidigers festzusetzen und dem Beschul-digten die Zahlung aufzutragen. Der rechtskräf-tige Beschluß ist vollstreckbar.

§ 395 a. Alle nach den Bestimmungen diesesHauptstückes zu fassenden Beschlüsse obliegenaußerhalb der Hauptverhandlung dem Vorsitzen-den.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 111)

XXIII. Hauptstück

Von der Vollstreckung der Urteile

§ 396. Jeder durch ein Urteil freigesprocheneAngeklagte ist, wenn er verhaftet ist, sogleichnach der Verkündung des Urteiles in Freiheit zusetzen; es sei denn, daß die Ergreifung einesRechtsmittels mit aufschiebender Wirkung oderandere gesetzliche Gründe seine fernere Ver-wahrung nötig machten.

§ 397. Jedes Strafurteil ist ungesäumt in Voll-zug zu setzen, sobald feststeht, daß der Voll-streckung kein gesetzliches Hindernis und ins-besondere kein rechtzeitig und von einem hiezuBerechtigten ergriffenes Rechtsmittel entgegen-steht, dem das Gesetz aufschiebende Wirkungbeimißt (§ 284 Abs. 3, § 294 Abs. 1 und § 344).Ist ein Rechtsmittel zugunsten des verhaftetenAngeklagten von solchen Personen ergriffen wor-den, die hiezu gegen seinen Willen nicht berech-tigt sind, so ist der Angeklagte hievon in Kennt-nis zu setzen und über den dadurch herbei-geführten Aufschub der Strafvollstreckung zubelehren. Dasselbe hat zu geschehen, wenn eszweifelhaft ist, ob der verhaftete Angeklagte derEinlegung des Rechtsmittels durch seinen Ver-teidiger zugestimmt habe. Die Anordnung desVollzuges des Strafurteiles steht dem Vorsitzen-den des erkennenden Gerichtes zu.

(BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 5)

211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631 2793

§ 398. Jede Rechtswirkung eines Strafurteilsbeginnt, wenn nichts anderes bestimmt ist, mitseiner Rechtskraft.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 112)

§ 399. Ein Strafurteil gegen eine Person, dieein öffentliches Amt oder eine öffentliche Würdebekleidet, ist ihrem unmittelbaren Vorgesetztenbekanntzugeben, sobald es rechtskräftig wurde.

§ 400. Über die Anrechnung einer vom Ver-urteilten nach der Fällung des Urteiles ersterInstanz in Vorhaft zugebrachten Zeit (§ 38 StGB)hat der Vorsitzende des Gerichtes, das in ersterInstanz erkannt hat, mit Beschluß zu entscheiden.Gegen diesen Beschluß steht dem Verurteiltenund dem Ankläger die binnen vierzehn Tageneinzubringende Beschwerde an den übergeord-neten Gerichtshof zu.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 113)

§ 401. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 145/1969,Art. II Z. 6)

§ 401 a. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 145/1969,Art. II Z. 6)

§ 402. Ist in einem Strafurteil auf den Ver-lust eines Rechtes erkannt worden oder ist ineinem Gesetz vorgesehen, daß die Verurteilungeinen solchen Verlust nach sich zieht oder nachsich ziehen kann, so hat das Strafgericht dierechtskräftige Verurteilung der in Betracht kom-menden Stelle bekanntzumachen. Sofern dieserStelle nicht schon nach anderen gesetzlichen Be-stimmungen eine Urteilsausfertigung zugestelltwerden muß, ist ihr eine solche Ausfertigungauf ihr Ersuchen zu übersenden.

(BGBl. Nr. 145/1969, Art. II 2. 7)§ 403. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 75/1968, Art. IV

Z.2)§ 404. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 75/1968, Art. IV

Z.2)§ 405. Wie auf Freiheitsstrafen lautende Straf-

urteile zu vollziehen sind, bestimmen besondereGesetze.

(BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 8)

§ 406. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 145/1969,Art. II Z. 9)

§ 407. Von der Verurteilung einer Person,die nicht die österreichische Staatsbürgerschaftbesitzt, ist die für die Ausübung der Fremden-polizei zuständige Behörde unverzüglich zu ver-ständigen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 114)§ 408. (1) Ist der Verfall oder die Einziehung

von Gegenständen ausgesprochen und befindensich diese Gegenstände nicht bereits in gericht-licher Verwahrung, so ist der Verurteilte oderein anderer Inhaber der Gegenstände vom Straf-gericht schriftlich aufzufordern, sie binnen vier-zehn Tagen zu erlegen, widrigens sie ihm zwangs-weise abgenommen werden. Kommt der Inhaber

dieser Aufforderung nicht nach, so ist die Ein-bringungsstelle um die Einleitung der Exekutionzu ersuchen. (BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 10;BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 115)

(2) Ein verfallener oder eingezogener Gegen-stand, dessen Wert 15.000 S übersteigt, ist derFinanzlandesdirektion zur Verfügung zu stellen,in deren Sprengel das Gericht seinen Sitz hat.Im übrigen sind verfallene oder eingezogeneGegenstände, die in wissenschaftlicher oder ge-schichtlicher Beziehung oder für eine Lehr-, Ver-suchs-, Forschungs- oder sonstige Fachtätigkeitvon Interesse sind, den hiefür in Österreich be-stehenden staatlichen Einrichtungen und Samm-lungen zur Verfügung zu stellen, Gegenstände,die zur Deckung des Sachaufwandes der Justizunmittelbar herangezogen werden können, hiezuzu verwenden, andere Gegenstände aber auf dieim § 377 angeordnete Weise zu veräußern.Gegenstände, die danach weder verwendet nochverwertet werden können, sind zu vernichten.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 115)

§ 409. (1) Wenn der Verurteilte eine über ihnverhängte Geldstrafe nicht unverzüglich nachEintritt der Rechtskraft erlegt, ist er schriftlichaufzufordern, die Strafe binnen vierzehn Tagenzu zahlen, widrigens sie zwangsweise eingetriebenwerde.

(2) Wie Geldstrafen einzutreiben sind, ist imGerichtlichen Einbringungsgesetz 1962, in derjeweils geltenden Fassung, bestimmt.

(3) Ersatzfreiheitsstrafen sind wie andere Frei-heitsstrafen zu vollziehen. Der Vollzug hat jedochzu unterbleiben, soweit der Verurteilte die aus-ständige Geldstrafe erlegt oder durch eine öffent-liche Urkunde nachweist, daß sie gezahlt ist.Darauf ist in der Strafvollzugsanordnung und inder Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.Die Anordnung des Strafvollzuges ist vorläufigzu hemmen, solange über einen Antrag auf Neu-bemessung des Tagessatzes (§ 410 a) nicht rechts-kräftig entschieden ist, es sei denn, daß es desunverzüglichen Vollzuges bedarf, um der Be-gehung strafbarer Handlungen durch andere ent-gegenzuwirken, oder daß der Antrag offenbaraussichtslos ist. (BGBl. Nr, 423/1974, Art. IZ. 116)

(BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z.10)

§ 409 a. (1) Wäre die unverzügliche Zahlungeiner Geldstrafe für den Verurteilten unmöglichoder mit besonderer Härte verbunden, so hatihm der Vorsitzende auf seinen Antrag durchBeschluß einen angemessenen Aufschub zu ge-währen. Der Aufschub darf jedoch bei Zahlungder ganzen Strafe auf einmal oder Entrichtungeiner 180 Tagessäue nicht übersteigenden Strafein Teilbeträgen nicht länger sein als ein Jahr,bei Entrichtung einer 180 Tagessätze übersteigen-den Strafe in Teilbeträgen nicht länger als zweiJahre und bei Entrichtung einer nicht in Tages-

2794 211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631

sätzen bemessenen Geldstrafe in Teilbeträgennicht länger als fünf Jahre. In die gewährte Auf-schubsfrist werden Zeiten, in denen der Ver-urteilte auf behördliche Anordnung angehaltenworden ist, nicht eingerechnet.

(2) Die Entrichtung einer Geldstrafe in Teil-beträgen darf nur mit der Maßgabe gestattetwerden, daß alle noch aushaftenden Teilbeträgesofort fällig werden, wenn der Verurteilte mitmindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist.

(3) Gegen den Beschluß des Vorsitzenden stehtdem Verurteilten und dem Ankläger die binnenvierzehn Tagen einzubringende Beschwerde anden übergeordneten Gerichtshof zu.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 117)

§ 410. (1) Wenn nach eingetretener Rechtskrafteines Strafurteiles Milderungsgründe hervor-kommen, die zur Zeit der Urteilsfällung nochnicht vorhanden oder doch nicht bekannt warenund die zwar nicht die Anwendung eines anderenStrafsatzes, aber doch offenbar eine mildere Be-messung der Strafe herbeigeführt haben würden,so hat der Gerichtshof erster Instanz, sobalder sich vom Vorhandensein dieser Milderungs-gründe überzeugt, einen Antrag auf angemesseneMilderung der Strafe an den Gerichtshof zweiterInstanz zu stellen, der über den Antrag nachAnhörung des Oberstaatsanwaltes entscheidet.

(2) Gegen die Ablehnung eines auf Strafmilde-rung gerichteten Gesuches oder Antrages ist keinRechtsmittel zulässig.

(3) Tritt der Gerichtshof zweiter Instanz demAntrag auf Milderung einer vom Obersten Ge-richtshofe bemessenen Strafe bei, so hat er diesenAntrag dem Obersten Gerichtshofe vorzulegen,der darüber nach Anhörung des General-prokurators endgültig entscheidet.

§ 410 a. Über die Neubemessung des Tages-satzes nach § 19 Abs. 4 StGB hat das Gericht, dasin erster Instanz erkannt hat, auf Antrag mitBeschluß zu entscheiden. Der Vorsitzende hatdie Erhebung der für die Entscheidung maß-gebenden Umstände zu veranlassen. Gegen denBeschluß steht dem Verurteilten und dem An-kläger die binnen vierzehn Tagen einzubringendeBeschwerde an den übergeordneten Gerichtshofzu.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 118)

§ 411. (1) Eine im Gesetze nicht vorgeseheneNachsicht oder Milderung der Strafe steht nurdem Bundespräsidenten zu.

(2) Gnadengesuche haben keine aufschiebendeWirkung. Sie sind, sofern nicht in einzelnenFällen besondere höhere Aufträge ergehen, nachden folgenden Bestimmungen zu behandeln.

(3) Bringt ein Verurteilter nach Antritt derStrafe beim Leiter der Anstalt zum Vollzug von

Freiheitsstrafen oder bei dem mit einer Nachschaubeauftragten Beamten ein Gnadengesuch an, soist es mit der Äußerung des Anstaltsleiters überdas Betragen und den Gesundheitszustand desStrafgefangenen dem Gerichte zu übermitteln,das in erster Instanz erkannt hat.

(4) Dieses Gericht, an das auch alle anderenGnadengesuche zu leiten sind, hat das Gesuch zuprüfen und zurückzuweisen, wenn es nicht findet,daß wichtige Gründe für die Milderung oderNachsicht der Strafe sprechen. Im entgegen-gesetzten Falle legt es das Gesuch mit seinem An-trage dem Gerichtshof zweiter Instanz vor, derdarüber nach Anhörung des OberstaatsanwaltesBeschluß faßt und das Gesuch entweder zurück-weist oder mit seinem Antrage dem Bundes-ministerium für Justiz vorlegt. Hat über dasUrteil der Oberste Gerichtshof auf Grund des§ 288 Abs. 2 Z. 3 oder des § 351 entschieden, soist der das Gnadengesuch befürwortende Antragdes Gerichtshofes zweiter Instanz an den Ober-sten Gerichtshof zu richten; der Oberste Ge-richtshof entscheidet nach Anhörung des General-prokurators, ob das Gesuch zurückzuweisen oderbeim Bundesministerium für Justiz zu befür-worten sei.

(5) Gegen die Zurückweisung eines Gnaden-gesuches durch eines der genannten Gerichte istkeine Beschwerde zulässig.

(6) Die vorstehenden Bestimmungen geltenauch für Gesuche um gnadenweise Tilgung einerVerurteilung. Betrifft das Gesuch mehrere Ver-urteilungen, so kommt die Prüfung des Gesuchesjenem Gericht zu, das zuletzt entschieden hat,unter Gerichten verschiedener Ordnung aber demGerichtshof erster Instanz, der zuletzt entschie-den hat. Betrifft das Gesuch nur ausländischeVerurteilungen, so kommt die Prüfung demGerichtshof erster Instanz zu, in dessen Sprengelder Verurteilte seinen Wohnsitz oder Aufenthalthat, sonst dem Landesgericht für StrafsachenWien. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 119)

XXIV. HauptstückVom Verfahren gegen Unbekannte,

Abwesende und Flüchtige

I. V e r f a h r e n g e g e n U n b e k a n n t e ,A b w e s e n d e u n d F l ü c h t i g e wäh-

r e n d der V o r u n t e r s u c h u n g

§ 412. Wenn der Täter eines Verbrechens oderVergehens nicht bekannt ist oder nicht vorGericht gestellt werden kann, so muß doch dieErhebung der Beschaffenheit der Tat auf Antragdes Staatsanwaltes mit der vorschriftsmäßigenSorgfalt und Genauigkeit gepflogen werden. DasVerfahren ist in solchen Fällen erst, wenn keineAnhaltspunkte zu weiteren Nachforschungenmehr vorhanden sind, bis zur künftigen Ent-deckung oder Auffindung des Täters einzustellen.

211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631 2795

§ 413. Wenn ein Abwesender, von dem esjedoch nicht wahrscheinlich ist, daß er flüchtiggeworden sei, eines Verbrechens oder Vergehensbeschuldigt erscheint und die Bedingungen zueinem Haftbefehle nach § 175 nicht vorhandensind, so ist nur die Erforschung seines Aufent-haltes einzuleiten; erst wenn er nach dessenErmittlung auf die an ihn ergangene Vorladungnicht erscheint, ist ein Vorführungsbefehl gegenihn zu erlassen oder sind nach Beschaffenheit derUmstände die in den folgenden Paragraphenbezeichneten Maßregeln wider ihn anzuwenden.

§ 414. Ist vom Beschuldigten den Umständennach anzunehmen, daß er die Flucht ergriffenhabe, oder wird ein Abwesender eines Ver-brechens oder Vergehens unter Umständen be-schuldigt, die nach § 175 seine Verhaftung recht-fertigen würden, so haben sich die mit derErforschung und Verfolgung der Verbrechen undVergehen beauftragten Behörden zur Habhaft-werdung des Beschuldigten nach Umständen derHausdurchsuchung, der Ersuchschreiben anandere Behörden, in deren Bereich er anzutreffensein dürfte, der gerichtlichen Nacheile oder Steck-briefe zu bedienen.

§ 414 a. Unter den im § 149 a Abs. 1 unterZ. 1 bis 3 angeführten Voraussetzungen kann dasGericht im Verfahren wegen einer vorsätzlichbegangenen, mit mehr als einjähriger Freiheits-strafe bedrohten strafbaren Handlung auch dieÜberwachung eines Fernmeldeverkehrs anord-nen, wenn zu erwarten ist, daß durch die Über-wachung der Aufenthaltsort des flüchtigen oderabwesenden Beschuldigten ausgeforscht werdenkann. § 149 a Abs. 2 und 3 sowie § 149 b sindsinngemäß anzuwenden.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 120)

§ 415. Läßt sich hoffen, einen flüchtig gewor-denen Verdächtigen durch Nacheile zu erreichen,so sind der Untersuchungsrichter und in drin-genden Fällen die Bezirksgerichte und Sicher-heitsbehörden verpflichtet, ihn durch hiezu be-stellte Personen verfolgen zu lassen, die mitoffenen Beglaubigungsschreiben zu versehen sind.Sie sind dabei nicht auf ihren Bezirk beschränkt,sondern können diese Verfolgung bis an dieGrenzen der Republik Österreich ausdehnen. AlleGerichte und Sicherheitsbehörden sind den Nach-eilenden beizustehen verpflichtet.

§ 416. (1) Steckbriefe dürfen gegen Flüchtigeund gegen solche Abwesende, deren Aufenthalts-ort unbekannt ist, nur dann erlassen werden,wenn diese eines Verbrechens oder eines vorsätz-lich begangenen, mit mehr als einjähriger Frei-heitsstrafe bedrohten Vergehens dringend ver-dächtig erscheinen. Steckbriefe können nur vomGericht erlassen werden.

(2) Ein Steckbrief ist auch auszufertigen, wennein wegen einer der im Abs. 1 genannten straf-

baren Handlungen Verhafteter aus dem Unter-suchungs- oder Strafgefängnis entweicht.

(3) Gegen die nur einer anderen als der imAbs. 1 genannten strafbaren Handlungen Beschul-digten kann kein Steckbrief erlassen werden; wennjedoch an deren Habhaftwerdung sehr gelegenist, kann den Behörden eine Beschreibung ihrerPerson mit der Aufforderung mitgeteilt werden,in Fällen der Auffindung dem Strafgericht, dasdie Personsbeschreibung erlassen hat, Mitteilungzu machen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 121)

§ 417. (1) In jedem Steckbrief ist die strafbareHandlung zu benennen, deren der Beschuldigteverdächtig ist, seine Person so genau als möglichzu beschreiben und das an alle Gerichte undSicherheitsbehörden gerichtete Ersuchen um seinevorläufige Festnehmung und Einlieferung bei-zufügen. Die Steckbriefe sind nach den bestehen-den Vorschriften zu verbreiten und insbesondereauf das schleunigste allen Bezirksgerichten, Sicher-heitsbehörden und Aufsichtsorganen der Um-gebung mitzuteilen. Nach Erfordernis ist aucheine weitere Verbreitung der Steckbriefe undnach Umständen deren Kundmachung durch dieöffentlichen Blätter zu veranlassen. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 122)

(2) Wie mit Steckbriefen so ist auch mit derBeschreibung und Kundmachung von gestohlenenoder geraubten Sachen, von Gegenständen einesverübten Betruges oder einer unternommenenstrafbaren Handlung gegen die Sicherheit des Ver-kehrs mit Geld, Wertpapieren und Wertzeichenvorzugehen. Die Beschreibung ist insbesonderedann kundzumachen, wenn es sich um Gegen-stände handelt, die einen großen Wert habenoder so beschaffen sind, daß Hoffnung vorhandenist, durch ihre Bekanntmachung den Täter selbstzu entdecken oder noch ferneres Übel zu ver-hindern oder dem Geschädigten Entschädigungzu verschaffen. Jedermann ist verpflichtet, so-gleich der Obrigkeit anzuzeigen, was er von denbeschriebenen Gegenständen erfährt.

§ 418. Sobald die Gründe entfallen, die denSteckbrief oder die Beschreibung veranlaßt haben,ist der Widerruf unverzüglich zu veranlassen.

§ 419. Einem abwesenden oder flüchtigen Be-schuldigten, der sich gegen sicheres Geleit demGerichte stellen zu wollen bereit erklärt, kanndieses Geleit vom Bundesministerium für Justiznach eingeholtem Gutachten des Oberstaats-anwaltes beim Gerichtshofe zweiter Instanz, indessen Sprengel das untersuchende Gericht sichbefindet, allenfalls gegen Sicherheitsleistung mitder Wirkung erteilt werden, daß der Beschuldigtebis zur Urteilsfällung in erster Instanz von derHaft befreit bleiben soll.

2796 211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631

§ 420. Das sichere Geleit äußert seine Wirkungnur in Beziehung auf das Verbrechen oder Ver-gehen, für das es erteilt ist. Es verliert seineWirkung, wenn der Beschuldigte auf eine anihn ergangene Vorladung ohne genügende Recht-fertigung ausbleibt, wenn er Anstalten zur Fluchtmacht, wenn er sich der Fortsetzung der Unter-suchung durch die Flucht oder durch Verbergenseines Aufenthaltes entzieht oder wenn er eineder Bedingungen nicht erfüllt, unter denen ihmdas sichere Geleit erteilt worden ist.

II. V e r f a h r e n g e g e n A b w e s e n d eu n d F l ü c h t i g e n a c h d e m S c h l u s s e

d e r V o r u n t e r s u c h u n g

§ 421. (1) Erhebt am Schlusse der Vorunter-suchung der Ankläger die Anklage wegen einesVerbrechens oder Vergehens gegen einen Be-schuldigten, dessen Aufenthaltsort unbekannt istoder nicht in der Republik Österreich liegt, soist die Anklageschrift dem hiefür zu bestellendenVerteidiger zuzustellen; dieser ist berechtigt,binnen vierzehn Tagen nach dieser Zustellungden Einspruch zu erheben. Im übrigen sind dieBestimmungen des XVI. Hauptstückes auch indiesem Fall anzuwenden.

(2) Die rechtskräftig gewordene Versetzung inden Anklagestand ist zu veröffentlichen, undzwar, wenn es sich um ein Verbrechen handelt,in Form eines Steckbriefes.

(3) Ist Aussicht vorhanden, daß die Ausliefe-rung des im Auslande befindlichen Beschuldigtengemäß den bestehenden Staatsverträgen erwirktwerden könne, so hat sich das Gericht nach An-hörung des Staatsanwaltes im vorgeschriebenenWeg an die ausländische Strafgerichtsbehörde zuwenden, in deren Bezirke sich der Angeklagtebefindet. Sollten der Auslieferung Schwierigkeitenentgegengesetzt werden, so ist wegen deren Be-hebung vom Gerichtshof zweiter Instanz demBundesministerium für Justiz zu berichten.

(4) Wenn der Angeklagte später sich stellt oderergriffen wird, ist ihm die Anklageschrift unddas über den Einspruch ergangene Erkenntnismitzuteilen. Ist die Versetzung in den Anklage-stand bereits rechtskräftig geworden und gibt derAngeklagte zu seiner Verteidigung Umstände an,deren Erhebung er verlangt, so ist nach Vor-schrift des § 224 vorzugehen.

III. U n g e h o r s a m v e r f a h r e n g e g e nA b w e s e n d e u n d F l ü c h t i g e

§ 422. (1) Nach der Versetzung in den An-klagestand hat das Strafverfahren gegen solche,denen die Vorladung zur Hauptverhandlungwegen ihrer Abwesenheit nicht zugestellt werdenkann, bis zu ihrer Betretung auf sich zu beruhen.

(2) Nur wenn der Ankläger die Einleitung desUngehorsamverfahrens ausdrücklich begehrt, hatder zur Abgabe des Straferkenntnisses zuständigeGerichtshof dieses Verfahren mittels öffentlicherVorladung einzuleiten.

§ 423. Die öffentliche Vorladung muß ent-halten:

1. den Vor- und Familiennamen, das Alter, denGeburtsort, Stand oder das Gewerbe und denWohnort des Angeklagten, soweit dies alles be-kannt ist;

2. die Bezeichnung des Verbrechens mit denden Strafsatz bedingenden Umständen;

3. die Aufforderung an den Angeklagten, bin-nen einer angemessenen Frist, die mit wenig-stens einem Monate festzusetzen ist, beim Ge-richte zu erscheinen und sich wegen der ihmzur Last gelegten Tat zu verantworten, widrigensgegen ihn als einen Ungehorsamen nach dem Ge-setze verfahren und ihm die Ausübung der staats-bürgerlichen Rechte werde untersagt werden.

§ 424. Diese öffentliche Vorladung ist an demOrte, wo das Verbrechen begangen wurde, amSitze des Gerichtshofes erster Instanz sowie amWohnort oder letzten Aufenthaltsorte des An-geklagten anzuschlagen und im Amtsblatte desLandes in angemessenen Zwischenräumen dreimaleinzuschalten. Nach Umständen kann auch ihreEinschaltung in andere in- und ausländischeBlätter verfügt werden. Außerdem ist diese Vor-ladung dem etwa bekannten Bevollmächtigtendes Angeklagten, seinem Vormund oder Ehe-gatten oder einem seiner nahen Verwandtenbesonders zu eröffnen. Die Veröffentlichung die-ser Vorladung besorgt der Ankläger.

§ 425. Stellt sich der Angeklagte nicht währendder in der Vorladung festgesetzten Frist (§ 423),so erkennt auf Antrag des Anklägers die Rats-kammer, daß dem Angeklagten während seinerAbwesenheit die Ausübung der staatsbürgerlichenRechte untersagt sei. Der Einleitung oder Fort-setzung eines Zivilprozesses gegen den Ange-klagten steht der Umstand, daß über die gegenihn erhobene Anklage die strafgerichtliche Ent-scheidung noch nicht ergangen ist, fortan nichtim Wege.

§ 426. Wenn der Angeklagte sich stellt oder inder Folge betreten wird, ist auf Antrag desAnklägers nach Vorschrift des XVIII. Haupt-stückes weiter zu verfahren.

§ 427. (1) Ist der Angeklagte bei der Haupt-verhandlung nicht erschienen, so kann in seinerAbwesenheit die Hauptverhandlung vorgenom-men und das Urteil gefällt werden, jedoch beisonstiger Nichtigkeit nur dann, wenn es sichum ein Vergehen handelt, der Angeklagte bereits

211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631 2797

vom Gericht vernommen und ihm die Vorladungzur Hauptverhandlung noch persönlich zugestelltwurde. In diesem Falle wird dem Angeklagtendas Urteil durch einen hiezu bestimmten Richtereröffnet oder in Abschrift zugestellt. Ist dieswegen seiner Abwesenheit nicht möglich, so istdas Urteil auf die im § 424 angegebene Art zuveröffentlichen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ. 123)

(2) Kann jedoch die Hauptverhandlung in Ab-wesenheit des Angeklagten nicht vorgenommenoder fortgesetzt werden, weil den vorstehend be-zeichneten Bedingungen nicht entsprochen istoder weil der Gerichtshof erachtet, daß in Ab-wesenheit des Angeklagten eine vollkommen be-ruhigende Aufklärung des Sachverhaltes nichtzu erwarten sei, so ist nach § 221 vorzugehen.Kann die Vorführung des Angeklagten nichtbewerkstelligt werden, so steht es dem Anklägerfrei, auf Einleitung des in den §§ 423 bis 426bezeichneten Verfahrens anzutragen; die im § 423unter Z. 3 erwähnte Frist kann in diesem Fallauf vierzehn Tage abgekürzt werden.

(3) Gegen das in Abwesenheit des Angeklagtengefällte Urteil kann dieser beim Gerichtshoferster Instanz innerhalb von vierzehn TagenEinspruch erheben. Die Nichtigkeitsbeschwerdeund die Berufung gegen ein Abwesenheitsurteilkönnen auch nach Ablauf der Anmeldungsfristzusammen mit dem Einspruch angemeldet wer-den. Dem Einspruch ist stattzugeben, wenn nach-gewiesen wird, daß der Angeklagte durch einunabweisbares Hindernis abgehalten wurde, inder Hauptverhandlung zu erscheinen. In diesemFall ist eine neue Hauptverhandlung anzuordnen.Bleibt der Angeklagte auch bei dieser aus, so istdas durch Einspruch angefochtene Urteil ihmgegenüber als rechtskräftig anzusehen. Über denEinspruch entscheidet der Gerichtshof zweiterInstanz nach Anhörung des Oberstaatsanwaltesin nichtöffentlicher Sitzung. Weist er den Ein-spruch zurück, so steht dem Angeklagten gegendas Urteil ein Rechtsmittel nicht mehr offen.Hat der Verurteilte zugleich mit dem Einsprüchedie Nichtigkeitsbeschwerde oder die Berufungergriffen oder liegt eine von anderer Seite ergrif-fene Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde vor,so ist von dem Gerichte, dem die Akten nachVorschrift der §§ 285 und 294 vorgelegt werden,vorerst über den Einspruch in nichtöffentlicherSitzung nach Anhörung der Staatsanwaltschaftzu entscheiden; nur wenn der Einspruch zurück-gewiesen wird, ist in die Prüfung der Berufungoder Nichtigkeitsbeschwerde einzugehen.

§ 428. Durch das Nichterscheinen eines Ange-klagten und das dadurch veranlaßte Ungehorsam-verfahren darf das Verfahren gegen die anwe-senden Mitangeklagten nicht verzögert werden.Werden in solchen Fällen Gegenstände, die zur

Überweisung der Angeklagten dienen können,den Eigentümern zurückgestellt, so kann diesendie Verpflichtung auferlegt werden, die Beweis-stücke auf Begehren wieder beizubringen. Zu-gleich ist eine genaue Beschreibung der zurück-gestellten Gegenstände zu den Akten zu bringen.

XXV. Hauptstück

Vom Verfahren bei vorbeugenden Maßnahmenund beim Verfall

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 124)

I. V o m V e r f a h r e n z u r U n t e r b r i n -g u n g in e i n e r A n s t a l t f ü r g e i s t i ga b n o r m e R e c h t s b r e c h e r n a c h §21

Abs . 1 S t G B

§ 429. (1) Liegen hinreichende Gründe fürdie Annahme vor, daß die Voraussetzungen des§ 21 Abs. 1 StGB gegeben seien, so hat derAnkläger einen Antrag auf Unterbringung ineiner Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecherzu stellen. Für diesen Antrag gelten die Bestim-mungen über die Anklageschrift dem Sinne nach.Für das Verfahren auf Grund eines solchen An-trages gelten sinngemäß die Bestimmungen überdas Strafverfahren, soweit im folgenden nichtsanderes bestimmt wird.

(2) Einem Antrag nach Abs. 1 muß eine Vor-untersuchung gegen den Betroffenen vorangehen,für die folgende Besonderheiten gelten:

1. Der Betroffene muß durch einen Verteidigervertreten sein. Dieser ist zur Stellung von An-trägen zugunsten des Betroffenen auch gegendessen Willen berechtigt.

2. Der Betroffene ist mindestens durch einenSachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatriezu untersuchen.

3. Der Untersuchungsrichter kann zu jederVernehmung des Betroffenen ein oder zwei Sach-verständige beiziehen.

4. Ist anzunehmen, daß die Hauptverhandlungin Abwesenheit des Betroffenen wird durchge-führt werden müssen (§ 430 Abs. 5), so ist demAnkläger, dem Privatbeteiligten, dem Verteidigerund dem gesetzlichen Vertreter des BetroffenenGelegenheit zur Beteiligung an einer abschließen-den Vernehmung des Betroffenen zu geben.

5. Von Vernehmungen des Betroffenen ist ab-zusehen, soweit sie wegen seines Zustandes nichtoder nur unter erheblicher Gefährdung seinerGesundheit möglich sind.

(3) Das nach § 8 der Entmündigungsordnungzuständige Bezirksgericht ist sogleich vom Ver-fahren zu verständigen.

(4) Liegt einer der im § 180 Abs. 2 oder 7angeführten Haftgründe vor, kann der Betrof-

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fene nicht ohne Gefahr für sich oder andere auffreiem Fuß bleiben oder ist seine ärztliche Be-obachtung erforderlich, so ist seine vorläufigeAnhaltung in einer Anstalt für geistig abnormeRechtsbrecher oder seine Einweisung in eineöffentliche Krankenanstalt für Geisteskrankheitenanzuordnen. Diese Krankenanstalten sind ver-pflichtet, den Betroffenen aufzunehmen und fürdie erforderliche Sicherung seiner Person zu sor-gen. Die Pflegegebühren trägt der Bund.

(5) Über die Zulässigkeit der vorläufigen An-haltung ist auf Antrag oder von Amts wegenin sinngemäßer Anwendung der §§ 113, 114 und194 bis 196 zu entscheiden. Auf die vorläufigeAnhaltung in einer Anstalt für geistig abnormeRechtsbrecher sind die Bestimmungen über denVollzug der Anhaltung in einer solchen Anstaltdem Sinne nach anzuwenden.

(6) Im Falle eines Strafurteils (§ 434) ist dievorläufige Anhaltung auf Freiheits- und Geld-strafen anzurechnen (§ 38 StGB).

§ 430. (1) Zur Entscheidung über den Antragauf Unterbringung in einer Anstalt für geistigabnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 StGBist das Gericht berufen, das für ein Strafverfahrenauf Grund einer Anklage oder eines Strafantragesgegen den Betroffenen wegen seiner Tat zustän-dig wäre; an Stelle des Einzelrichters ist jedochdas Schöffengericht berufen.

(2) Das Gericht entscheidet über den Antragnach öffentlicher mündlicher Hauptverhandlung,die in sinngemäßer Anwendung der Bestimmun-gen des XVIII. und XIX. Hauptstückes durch-zuführen ist, durch Urteil.

(3) Während der ganzen Hauptverhandlungmuß bei sonstiger Nichtigkeit ein Verteidigerdes Betroffenen anwesend sein, der zur Stellungvon Anträgen zugunsten des Betroffenen auchgegen dessen Willen berechtigt ist.

(4) Der Hauptverhandlung ist bei sonstigerNichtigkeit ein Sachverständiger (§ 429 Abs. 2Z. 2) beizuziehen.

(5) Soweit der Zustand des Betroffenen eineBeteiligung an der Hauptverhandlung innerhalbangemessener Frist nicht gestattet oder von einersolchen Beteiligung eine erhebliche Gefährdungseiner Gesundheit zu besorgen wäre, ist dieHauptverhandlung in Abwesenheit des Betrof-fenen durchzuführen. Hierüber entscheidet dasGericht nach Vernehmung der Sachverständigenund Durchführung der allenfalls sonst erforder-lichen Erhebungen mit Beschluß. Der Beschlußkann auch schon vor der Hauptverhandlung vomVorsitzenden gefaßt werden und ist in diesemFall durch das binnen vierzehn Tagen einzubrin-gende Rechtsmittel der Beschwerde gesondertanfechtbar. Ein Beschluß, die Hauptverhandlung

zur Gänze in Abwesenheit des Betroffenen durch-zuführen, darf nur gefaßt werden, nachdem sichder Vorsitzende vom Zustand des Betroffenenüberzeugt und mit ihm gesprochen hat. Wirdvon der Vernehmung des Betroffenen ganz oderteilweise abgesehen, wurde er aber in der Vor-untersuchung vernommen, so ist das hierüberaufgenommene Protokoll zu verlesen.

(6) Ein Anschluß an das Verfahren wegenprivatrechtlicher Ansprüche ist unzulässig.

§ 431. (1) Hat der Betroffene einen gesetz-lichen Vertreter, so sind diesem der Antrag undsämtliche gerichtlichen Entscheidungen auf die-selbe Weise bekanntzumachen wie dem Betrof-fenen selbst. Der gesetzliche Vertreter ist auchvon der Anordnung der Hauptverhandlung zubenachrichtigen.

(2) Der gesetzliche Vertreter ist berechtigt, fürden Betroffenen auch gegen dessen Willen Ein-spruch gegen den Antrag (§§ 208 bis 210) zuerheben und alle Rechtsmittel zu ergreifen, diedas Gesetz dem Betroffenen gewährt. Die Fristzur Erhebung von Rechtsmitteln läuft für dengesetzlichen Vertreter von dem Tage, an demihm die Entscheidung eröffnet wird.

(3) Hat der Betroffene keinen gesetzlichen Ver-treter, ist dieser der Beteiligung an der mit Strafebedrohten Handlung des Betroffenen verdächtigoder überwiesen, kann er dem Betroffenen ausanderen Gründen im Verfahren nicht beistehenoder ist er trotz ordnungsgemäßer Benachrichti-gung zur Hauptverhandlung nicht erschienen,so stehen die Rechte des gesetzlichen Vertretersdem Verteidiger des Betroffenen zu.

(4) Von der Anordnung der Unterbringungin einer Anstalt für geistig abnorme Rechts-brecher nach § 21 Abs. 1 StGB sind die nach§ 12 der Entmündigungsordnung und nach § 109der Jurisdiktionsnorm zuständigen Gerichte zuverständigen.

§ 432. Im geschwornengerichtlichen Verfahrenist den Geschwornen eine Zusatzfrage zu stellen,ob der Betroffene zur Zeit der Tat zurechnungs-unfähig war. Haben die Geschwornen diese Fragebejaht und etwaige andere Zusatzfragen (§ 313)verneint, so ist vom Schwurgerichtshof gemein-sam mit den Geschwornen über die Unterbrin-gung zu entscheiden (§ 303).

§ 433. (1) Das Urteil kann in sinngemäßerAnwendung der §§ 281 (345) und 283 (346)zugunsten und zum Nachteil des Betroffenen mitNichtigkeitsbeschwerde und Berufung angefoch-ten werden. Im Falle der Unterbringung stehendiese Rechtsmittel auch dem Betroffenen undseinen Angehörigen (§ 282) zu. Die Anmeldungder Nichtigkeitsbeschwerde oder der Berufunghat aufschiebende Wirkung.

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(2) Für die Wiederaufnahme des Verfahrensund die Wiedereinsetzung gegen den Ablauf vonFristen gelten die Bestimmungen des XX. Haupt-stückes dem Sinne nach.

§ 434. (1) Erachtet das Gericht in einem Ver-fahren, das auf die Unterbringung einer Personin einer Anstalt für geistig abnorme Rechts-brecher gerichtet ist, daß der Betroffene wegender Tat bestraft werden könnte, so hat es dieParteien hierüber zu hören. In der Hauptver-handlung ist über einen allfälligen Vertagungs-antrag zu entscheiden. Das gleiche gilt, wenn dasGericht in einem Strafverfahren zur Auffassunggelangt, daß eine Unterbringung nach § 21 Abs. 1StGB in Betracht kommt. Wird das Verfahrenvom Einzelrichter geführt, so hat dieser bei son-stiger Nichtigkeit (§ 468 Abs. 1 Z. 2) seine Nicht-zuständigkeit auszusprechen (§ 261).

(2) Der Antrag auf Unterbringung in einerAnstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher stehteiner Anklageschrift gleich. Der Ankläger hatjedoch das Recht, den Antrag bis zum Beginnder Hauptverhandlung gegen eine Anklageschriftauszutauschen.

(3) Auf Grund der Anklageschrift kann eineUnterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB nur ange-ordnet werden, wenn in der Hauptverhandlungdie Vorschriften des § 430 Abs. 3 und 4 unddes § 431 Abs. 1 letzter Satz beobachtet wordensind. Erforderlichenfalls ist die Hauptverhand-lung zu vertagen (§ 276).

II. V o m V e r f a h r e n z u r U n t e r b r i n -g u n g in e i n e r A n s t a l t f ü r g e i s t i ga b n o r m e R e c h t s b r e c h e r n a c h § 21Abs . 2 S t G B , in e i n e r A n s t a l t f ü re n t w ö h n u n g s b e d ü r f t i g e R e c h t s -b r e c h e r n a c h § 22 S t G B o d e r ine i n e r A n s t a l t f ü r g e f ä h r l i c h e

R ü c k f a l l s t ä t e r n a c h § 23 S t G B

§ 435. (1) Über die Anwendung der in den§§ 21 Abs. 2, 22 und 23 StGB vorgesehenenvorbeugenden Maßnahmen ist in der Regel (§441)im Strafurteil zu entscheiden.

(2) Die Anordnung der Unterbringung in einerder in diesen Bestimmungen genannten Anstaltenoder ihr Unterbleiben bildet einen Teil des Aus-spruches über die Strafe und kann zugunstenund zum Nachteil des Verurteilten mit Berufungangefochten werden.

(3) Hat das Gericht durch die Entscheidungüber die vorbeugenden Maßnahmen seine Be-fugnisse überschritten, so kann das Urteil wegenNichtigkeit nach den §§ 281 Abs. 1 Z. 11 oder345 Abs. 1 Z. 13 angefochten werden.

§ 436. (1) Die Anordnung der Unterbringungin einer der in den §§ 21 Abs. 2 und 23 StGB

vorgesehenen Anstalten darf nur erfolgen, wenneine Voruntersuchung stattgefunden hat.

(2) Für diese Voruntersuchung gelten im Falledes § 21 Abs. 2 StGB die im § 429 Abs. 2 Z. 1bis 3 erwähnten Besonderheiten.

§ 437. Beabsichtigt der Ankläger, einen Antragauf Unterbringung in einer der in den §§ 21Abs. 2, 22 oder 23 StGB vorgesehenen Anstaltenzu stellen, so hat er das in der Anklageschriftzu erklären. Das Gericht kann die Unterbringungjedoch auch ohne einen solchen Antrag anordnen.

§ 438. Liegen hinreichende Gründe für dieAnnahme, daß die Voraussetzungen der §§ 21Abs. 2 oder 22 StGB gegeben seien, und Haft-gründe (§ 180 Abs. 2 und 7) vor, kann der Be-schuldigte aber nicht ohne Schwierigkeiten ineinem gerichtlichen Gefangenenhaus angehaltenwerden, so ist mit Beschluß anzuordnen, daßdie Untersuchungshaft durch vorläufige Unter-bringung in einer Anstalt für geistig abnormeRechtsbrecher oder in einer Anstalt für ent-wöhnungsbedürftige Rechtsbrecher zu vollziehenist. Auf den Vollzug der Untersuchungshaft sindin diesem Fall die Bestimmungen über den Voll-zug dieser vorbeugenden Maßnahmen dem Sinnenach anzuwenden.

§ 439. (1) Die Anordnung der in den §§ 21Abs. 2, 22 und 23 StGB vorgesehenen vor-beugenden Maßnahmen ist nichtig, wenn nichtwährend der ganzen Hauptverhandlung ein Ver-teidiger des Beschuldigten anwesend war.

(2) Die Unterbringung in einer Anstalt fürgeistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Albs. 2StGB, in einer Anstalt für entwöhnungsbedürf-tige Rechtsbrecher oder in einer Anstalt fürgefährliche Rückfallstäter darf bei sonstiger Nich-tigkeit überdies nur nach Beiziehung zumindesteines Sachverständigen (§ 429 Abs. 2 Z. 2) ange-ordnet werden.

(3) Sieht das Gericht von der Unterbringungin einer Anstalt für entwöhnungsbedürftigeRechtsbrecher wegen der Höhe der ausgespro-chenen Strafe ab (§ 22 Abs. 2 StGB), so hat esdiesen Umstand in den Entscheidungsgründenauszusprechen.

§ 440. Hat der Beschuldigte einen gesetzlichenVertreter, so ist in einem Verfahren, in dem hin-reichende Gründe für die Annahme der Vor-aussetzungen der §§ 21 Abs. 2 oder 22 StGBvorliegen, § 431 dem Sinne nach anzuwenden.

§ 441. (1) Liegen hinreichende Gründe fürdie Annahme vor, daß die Voraussetzungen fürdie selbständige Anordnung der in den §§ 21Abs. 2, 22 und 23 StGB vorgesehenen vor-beugenden Maßnahmen gegeben seien (§ 65 Abs. 5StGB), so hat der Ankläger einen Antrag auf

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Unterbringung in einer der in diesen Bestim-mungen genannten Anstalten zu stellen. Für die-sen Antrag gelten die Bestimmungen über dieAnklageschrift dem Sinne nach.

(2) Die §§ 430 Abs. 1 und 2, 433, 436, 439Abs. 1 und 2 sowie 440 gelten in diesem Fallentsprechend.

§ 442. Liegt einer der im § 180 Abs. 2 genann-ten Haftgründe vor, so ist die vorläufige Anhal-tung des Betroffenen in einer der im § 441 Abs. 1genannten Anstalten anzuordnen. § 429 Abs. 5und 6 gilt dem Sinne nach.

III. V o m V e r f a h r e n b e i m V e r f a l lu n d b e i d e r E i n z i e h u n g

§ 443. (1) Über den Verfall und die Ein-ziehung ist in der Regel (§§ 445, 446) im Straf-urteil zu entscheiden.

(2) Die Entscheidung über den Verfall oderdie Einziehung oder ihr Unterbleiben bildeteinen Teil des Ausspruches über die Strafe undkann zugunsten und zum Nachteil des Verurteil-ten oder des sonst vom Verfall oder von derEinziehung Betroffenen (§ 444) mit Berufungangefochten werden.

§ 444. (1) Personen, die ein Recht auf dievom Verfall oder von der Einziehung bedrohtenSachen haben oder ein solches Recht geltendmachen, sind zur Hauptverhandlung zu laden.Sie haben in der Hauptverhandlung und imnachfolgenden Verfahren, soweit es sich um denVerfall oder die Einziehung handelt, die Rechtedes Beschuldigten. Durch ihr Nichterscheinenwerden das Verfahren und die Urteilsfällungnicht gehemmt.

(2) Machen die im Abs. 1 erwähnten Personenihr Recht erst nach Rechtskraft der Entscheidungüber den Verfall oder die Einziehung geltend,so steht es ihnen frei, ihre Ansprüche auf denGegenstand oder dessen Kaufpreis (§ 408) binnen30 Jahren nach der Entscheidung gegen den Bundim Zivilrechtsweg geltend zu machen.

§ 445. (1) Liegen hinreichende Gründe für dieAnnahme vor, daß die Voraussetzungen des § 26StGB gegeben seien, ohne daß in einem Straf-verfahren oder in einem auf Unterbringung ineiner der in den §§ 21 bis 23 StGB genanntenAnstalten gerichteten Verfahren über die Ein-ziehung entschieden werden kann, so hat derAnkläger einen gesonderten Antrag auf Einzie-hung zu stellen.

(2) Über diesen Antrag hat das Bezirksgerichtdes Tatortes, ist dieser aber nicht bekannt oderim Ausland gelegen, das Bezirksgericht, in dessenSprengel sich der Gegenstand befindet, in einemselbständigen Verfahren nach öffentlicher münd-

licher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden.Die Bestimmungen über die Hauptverhandlungim Verfahren vor den Bezirksgerichten sowie§ 444 sind dem Sinne nach anzuwenden.

(3) Das Urteil kann in sinngemäßer Anwen-dung der §§ 463 bis 468 zugunsten und zumNachteil des Betroffenen mit Berufung ange-fochten werden.

§ 446. Ergeben sich die Voraussetzungen fürdas selbständige Verfahren erst in der Haupt-verhandlung, so kann die Entscheidung auch ineinem Urteil ergehen, in dem der Beschuldigtefreigesprochen oder der Antrag auf Anstalts-unterbringung abgewiesen wird.

XXVI. HauptstückVom Verfahren vor den Bezirksgerichten

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 125)

§ 447. (1) Das Verfahren wegen der straf-baren Handlungen, die den Bezirksgerichten zurUntersuchung und Bestrafung zugewiesen sind,richtet sich zunächst nach den in diesem Haupt-stück enthaltenen Vorschriften. In allen Punktenaber, worüber hier keine besondere Vorschrifterteilt ist, sind die Bestimmungen anzuwenden,die für das Verfahren vor den Gerichtshöfenerster Instanz gelten.

(2) Als Verteidiger oder Vertreter bestellteRechtsanwälte sind befugt, sich im Verfahrenwegen der den Bezirksgerichten zur Bestrafungzugewiesenen strafbaren Handlungen durch inder Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetra-gene Personen vertreten zu lassen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 126)

I. A n k l a g e

§ 448. (1) Die öffentliche Anklage obliegtBediensteten der Staatsanwaltschaft, die nichtrechtskundig sein müssen (Bezirksanwälte). DieseBediensteten sind dem Staatsanwalt beim Ge-richtshof erster Instanz, in dessen Sprengel dasBezirksgericht liegt, unmittelbar untergeordnet,haben dessen Weisungen zu befolgen und ihmallmonatlich einen Ausweis über die erledigtenStrafsachen und über den Stand der noch anhän-gigen vorzulegen (§ 31).

(2) Ist der Bezirksanwalt verhindert, sich ander Hauptverhandlung zu beteiligen, so kannder Vorsteher des Bezirksgerichtes in dringendenFällen eine zum Richteramt befähigte oder eineandere geeignete Person mit deren Zustimmungzum Anklagevertreter bestellen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 127)

§ 449. Dem durch eine von Amts wegen zuverfolgende strafbare Handlung in seinen Rech-ten Verletzten steht es frei, sich dem Straf-

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verfahren anzuschließen. Verweigert der zu denVerrichtungen der Staatsanwaltschaft berufeneBeamte die Verfolgung, so kann der Privat-beteiligte den Antrag auf gesetzliche Bestrafungstellen (§§ 451 und 457).

II. O r d e n t l i c h e s V e r f a h r e n v o rd e n B e z i r k s g e r i c h t e n

§ 450. Hält das Bezirksgericht dafür, daß derGerichtshof erster Instanz oder das Geschwornen-gericht zuständig sei, so hat es dies dem Staats-anwalt am Gerichtshof erster Instanz oder demPrivatankläger (§§ 46, 449) bekanntzugeben. Ver-weist aber der Gerichtshof erster Instanz oderein höheres Gericht die Sache wieder an das Be-zirksgericht zurück, so kann dieses sie nichtweiter wegen Nichtzuständigkeit von sich ab-weisen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 128)

§ 451. (1) Es findet weder eine förmliche Vor-untersuchung noch eine abgesonderte Verhand-lung über die Versetzung in den Anklagestandstatt. Es genügt ein allgemeiner, schriftlich odermündlich angebrachter Antrag auf gesetzlicheBestrafung.

(2) Überzeugt sich der Richter, daß die Vor-aussetzungen des § 42 StGB vorliegen, so hater das Verfahren mit Beschluß einzustellen. Gegendiesen Beschluß steht dem Ankläger das Rechts-mittel der Beschwerde (§ 481) zu. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 129)

(3) Wird dem Richter zugleich der Beschuldigtevorgeführt und gesteht er die ihm zur Lastgelegte Tat oder erscheinen der Ankläger undder Beschuldigte zugleich vor dem Richter, undsind alle Beweismittel für die Anklage und Ver-teidigung zur Hand, so kann der Richter mitZustimmung des Beschuldigten sogleich die Ver-handlung vornehmen (§ 456) und das Urteilfällen.

(4) Außer diesem Fall aber ist nach Vor-nahme der etwa nötig befundenen Vorerhebun-gen ein Tag zur Hauptverhandlung festzusetzen.

§ 452. Bei allen Vorerhebungen hat der Rich-ter des Bezirksgerichtes im allgemeinen die fürdie Untersuchungsrichter erteilten Vorschriftenzu beobachten, jedoch unter nachstehenden Be-schränkungen:

1. Die vorläufige Festnehmung des Beschuldig-ten zum Zwecke der Vorführung kann außer denim § 175 Abs. 1 Z. 2 und 3 erwähnten Fällennur dann stattfinden, wenn der ausdrücklich zumpersönlichen Erscheinen aufgeforderte Beschul-digte dieser Aufforderung nicht nachkommt. Rei-senden ist die Fortsetzung der Reise zu gestatten,insofern nicht zu besorgen ist, daß dadurch die

Untersuchung oder die Vollstreckung des Urteilesvereitelt werde.

2. Kann dem Beschuldigten die Vorladungnicht zugestellt werden, so hat das weitere Ver-fahren bis zu seiner Betretung auf sich zu be-ruhen. Die Ausfertigung von Steckbriefen ist un-zulässig; dagegen kann in wichtigeren Fällen denBehörden eine Beschreibung der Person des Be-schuldigten mitgeteilt werden (§ 416).

3. Die Untersuchungshaft darf nur wegenFluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr verhängtwerden. Die Haftprüfung obliegt auch im Ver-fahren vor Bezirksgerichten der Ratskammer.Gegen ihre Entscheidung ist kein Rechtsmittelzulässig. Die Untersuchungshäftlinge sind in demGefangenenhaus des Gerichtshofes erster Instanzanzuhalten. § 185 zweiter Satz gilt dem Sinnenach. (BGBl. Nr. 273/1971, Art. II Z. 16; BGBLNr. 423/1974, Art. I Z. 130)

4. Die Durchsuchung von Papieren dritterPersonen und die Beschlagnahme oder Öffnungvon Briefen ist nicht gestattet.

5. Gerichtszeugen sind bei keiner Unter-suchungshandlung erforderlich.

6. Die Führung eines Protokolls ist nur beisolchen Erhebungen erforderlich, die zum Be-weise bei der Hauptverhandlung gebraucht undin dieser nicht wiederholt werden sollen; inanderen Fällen genügt die kurze Aufzeichnungdes wesentlichen Inhaltes der von den ver-nommenen Personen gemachten Aussagen durchden Protokollführer oder auch durch den ver-nehmenden Richter selbst.

7. Der § 41 Abs. 2 ist nicht anzuwenden.(BGBl. Nr. 569/1973, Art. Ill Z. 10)

§ 453. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ. 131.)

§ 454. Kann die Verhandlung nicht nach § 451sogleich nach Anbringung der Anklage stattfin-den, so ist der Beschuldigte, falls er nicht verhaftetist, zur Hauptverhandlung durch einen schrift-lichen Befehl vorzuladen, der die wesentlichenTatsachen der ihm zur Last gelegten strafbarenHandlung und die Aufforderung enthalten muß,zur festgesetzten Stunde zu erscheinen und diezu seiner Verteidigung dienenden Beweismittelmitzubringen oder dem Richter so zeitig anzu-zeigen, daß sie zur Hauptverhandlung noch her-beigeschafft werden können. Zugleich ist die War-nung beizufügen, daß im Falle seines Ausbleibensdennoch mit der Verhandlung und Urteilsfällungvorgegangen werden würde.

§ 455. (1) Die Vorladung ist in der Regel soeinzurichten, daß dem Beschuldigten von ihrerZustellung nach Abrechnung der Zeit, die erbenötigt, um sich an den Ort des Gerichtes zu

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verfügen, bis zur Hauptverhandlung ein Zeit-raum von wenigstens vierundzwanzig Stundenfreibleibt. In dringenden Fällen aber, bei unbe-deutenden Gesetzesübertretungen und wenn sichder Beschuldigte am Orte des Gerichtes befindet,kann diese Frist auch abgekürzt werden. Nur aufGrund bescheinigter erheblicher Hindernisse kanndem Antrage des Beschuldigten auf Vertagungder Verhandlung stattgegeben werden.

(2) Es steht dem Beschuldigten unter den inden §§39 und 40 erwähnten Beschränkungen,die der Beurteilung des Richters unterliegen, frei,sich eines Verteidigers zu bedienen.

(3) Ist der Beschuldigte nicht verhaftet, so kanner sich, wenn er nicht persönlich erscheinen will,bei der Verhandlung durch einen Machthabervertreten lassen, der sich mit einer besonderenVollmacht auszuweisen hat; doch steht es demGerichte zu, in allen Fällen, wo es im Interesseder Erforschung der Wahrheit nötig befundenwird, sein persönliches Erscheinen zu veranlassen.Personen, die, ohne in der Verteidigerliste einge-tragen zu sein, aus solchen Vertretungen ein Ge-werbe machen, sind als Machthaber nicht zuzu-lassen.

§ 456. Die Hauptverhandlung vor dem Be-zirksgerichte (§ 9) ist öffentlich bei sonstigerNichtigkeit, jedoch unter den in den §§ 228 bis231 enthaltenen Beschränkungen. Schreitet einPrivatankläger ein, so wird die Öffentlichkeitausgeschlossen, wenn beide Teile übereinstim-mend darauf antragen.

§ 457. Die Verhandlung beginnt mit dem Vor-trage der Anklage. Hierauf wird der Beschuldigteoder sein Machthaber darüber vernommen, unddie Beweise werden vorgeführt. Sodann werdender Ankläger und der Privatbeteiligte mit ihrenAnträgen und der Beschuldigte und sein Ver-teidiger mit ihrer Antwort gehört. Der Anklägerkann sich darauf beschränken, im allgemeinen denAntrag auf Anwendung des Gesetzes zu stellen.

§ 458. (1) Nach Schluß der Verhandlung wirddas Urteil gefällt, samt den wesentlichen Grün-den vom Richter verkündet und bei sonstigerNichtigkeit dem Protokoll einverleibt oder bei-gelegt.

(2) Wird jedoch der Beschuldigte freigespro-chen oder nach einem umfassenden und durchdie übrigen Ergebnisse der Verhandlung unter-stützten Geständnis verurteilt oder wird die ausmehreren Punkten bestehende Anklage teils aufdie eine, teils auf die andere Art erledigt undverzichten in allen diesen Fällen die Parteienauf alle Rechtsmittel oder melden sie innerhalbder hiefür offenstehenden Frist kein Rechtsmittelan, so können das Protokoll über die Haupt-verhandlung (§ 271) und die Ausfertigung des

Urteiles durch einen vom Richter und vomSchriftführer zu unterschreibenden Vermerk er-setzt werden, der zu enthalten hat:

1. die im § 270 Abs. 2 erwähnten Angaben mitAusnahme der Entscheidungsgründe;

2. im Falle einer Verurteilung die für dieStrafbemessung maßgebenden Umstände inSchlagworten;

3. im Falle einer Verurteilung zu einer inTagessätzen bemessenen Geldstrafe die für dieBemessung des Tagessatzes maßgebenden Um-stände (§ 19 Abs. 2 StGB) in Schlagworten;

4. die Namen der vernommenen Zeugen undSachverständigen.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 132)

(3) Wenn ein Privatbeteiligter im Falle einerVerurteilung mit Entschädigungsansprüchen aufden Zivilrechtsweg verwiesen wird (§ 366 Abs. 2),so sind überdies die vom Gericht als erwiesenangenommenen Tatsachen in gedrängter Darstel-lung anzuführen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ. 132)

(4) Der Richter ist befugt, nach Schluß derVerhandlung die Fällung des Urteiles bis auf denfolgenden Tag auszusetzen.

(5) Im übrigen haben die im XVIII. Haupt-stücke für die Hauptverhandlung erteilten Vor-schriften auch für die Verhandlung vor dem Be-zirksgerichte zu gelten.

§ 459. Wenn der Beschuldigte der gehörigenVorladung ungeachtet zur bestimmten Stundenicht erscheint, kann der Richter, wenn er dieVernehmung des Beschuldigten nötig findet, ihnzum persönlichen Erscheinen auffordern oder,wenn das bereits geschehen ist, vorführen lassen.Außerdem wird sofort das Verfahren begonnen,die Beweise werden aufgenommen, und es wirdhierauf nach Anhörung des Anklägers das Urteilgefällt und verkündet. Dem ausgebliebenen Be-schuldigten ist eine amtliche Abschrift des Urtei-les zuzustellen.

III. M a n d a t s v e r f a h r e n

§ 460. (1) Wird von einer Behörde oder voneinem Sicherheitsorgan ein auf freiem Fuß befind-licher Beschuldigter auf Grund eigener dienst-licher Wahrnehmung oder eines Geständnissesangezeigt, oder reichen die durchgeführten Erhe-bungen zur Beurteilung aller für die Entscheidungmaßgebenden Umstände aus, so kann der Richterdie Strafe ohne vorausgehendes Verfahren durchStrafverfügung festsetzen, falls er nur eine Geld-strafe von nicht mehr als 60 Tagessätzen zu ver-hängen findet. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ. 133)

(2) Die Strafverfügung ist vor der Zustellungan den Beschuldigten dem mit den Staatsanwalt-

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schaftlichen Verrichtungen betrauten Beamtenzur Einsicht vorzulegen. Dieser kann dagegenbinnen vierzehn Tagen Einspruch erheben. Indiesem Fall ist das ordentliche Verfahren einzu-leiten.

§ 461. In der Strafverfügung muß angegebensein:

1. die Beschaffenheit der strafbaren Handlung,die Zeit und der Ort ihrer Begehung;

2. der Name der Person oder Behörde, diedie Anzeige gemacht hat;

3. die Straffestsetzung unter Anführung derStrafbestimmung, auf die sie sich gründet;

4. daß es dem Beschuldigten freistehe, wenn ersich durch die Strafverfügung beschwert findensollte, innerhalb einer vierzehntägigen Frist, vonder Zustellung der Verfügung an gerechnet, seinenEinspruch dagegen beim Bezirksgerichte (§ 81)schriftlich oder zu Protokoll anzumelden undzugleich die zu seiner Verteidigung dienendenBeweismittel anzuzeigen, daß aber, falls in dieserFrist kein Einspruch erhoben wird, die StrafeVerfügung in Rechtskraft übergehen und gegenihn vollstreckt werden würde.

§ 462. (1) Erhebt der Beschuldigte in der vier-zehntägigen Frist Einspruch, so tritt das ordent-liche Verfahren ein.

(2) Gegen die Strafverfügung ist außer demEinspruche kein Rechtsmittel zulässig; doch kanndem Beschuldigten, wenn die Voraussetzungendes § 364 Abs. 1 Z. 1 und 2 eintreten, die Wieder-einsetzung in den vorigen Stand erteilt werden.

IV. R e c h t s m i t t e l g e g e n U r t e i l e d e rB e z i r k s g e r i c h t e

§ 463. Gegen Urteile der Bezirksgerichte, diegegen einen Anwesenden ergangen sind, ist nurdas Rechtsmittel der Berufung zulässig, und zwaran den Gerichtshof erster Instanz, in dessenSprengel das Bezirksgericht liegt.

§ 464. Die Berufung kann ergriffen werden:

1. wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe;

2. wegen des Ausspruches über die Schuld unddie Strafe, wegen des Strafausspruches jedoch nurunter den im § 283 bezeichneten Voraussetzun-gen;

3. wegen der Entscheidung über die privat-rechtlichen Ansprüche.

§ 465. (1) Zugunsten des Angeklagten kann dieBerufung sowohl von ihm selbst als auch vonseinem Ehegatten, seinen Verwandten in auf-und absteigender Linie, seinem Vormund undim Falle der Minderjährigkeit des Angeklagtenvon seinen Eltern und seinem Vormund auch

gegen seinen Willen ergriffen werden. Der öffent-liche Ankläger kann stets auch gegen den Willendes Angeklagten zu dessen Gunsten die Beru-fung ergreifen. (BGBL Nr. 423/1974, Art. IZ. 134)

(2) Erben des Angeklagten, die nicht in einemder erwähnten Verhältnisse zum Angeklagtenstanden, können die Berufung nur wegen der imUrteil allenfalls enthaltenen Entscheidung überprivatrechtliche Ansprüche ergreifen oder fort-setzen.

(3) Zum Nachteile des Angeklagten kann dieBerufung nur vom Ankläger und vom Privat-beteiligten, von diesem aber nur wegen seinerprivatrechtlichen Ansprüche ergriffen werden.

§ 466. (1) Die Berufung ist binnen drei Tagennach Verkündung des Urteiles beim Bezirks-gericht anzumelden.

(2) War der Angeklagte bei der Verkündungdes Urteiles nicht anwesend, so ist die Berufungbinnen drei Tagen anzumelden, nachdem er vomUrteile verständigt wurde.

(3) Für die im § 465 erwähnten Angehörigendes Angeklagten läuft die Frist zur Anmeldungder Berufung von demselben Tage, von dem ansie für den Angeklagten beginnt.

(4) Die Anmeldung der Berufung hat auf-schiebende Wirkung.

(5) Die Entlassung eines freigesprochenen An-geklagten aus der Haft darf nur wegen einer Be-rufung des Staatsanwaltes, und zwar bloß dannaufgeschoben werden, wenn diese sogleich beiVerkündung des Urteiles angemeldet wird undnach den Umständen die Annahme begründetist, daß sich der Angeklagte dem Verfahren durchdie Flucht entziehen werde. Gegen die Entlassungaus der Haft ist kein Rechtsmittel zulässig.

(6) Wenn der zu einer Freiheitsstrafe Ver-urteilte sich weder durch den Ausspruch überdie Schuld noch durch den über die Strafart,sondern nur durch das Strafmaß beschwert er-achtet, so kann er die Strafe einstweilen antreten.Eben dies gilt auch dann, wenn der Verurteiltekeine Berufung ergriffen hat und der Anklägerseine Berufung nur gegen das Strafmaß richtet.

(7) Dem Beschwerdeführer muß, sofern diesnicht schon geschehen ist, eine Urteilsabschriftzugestellt werden.

§ 467. (1) Der Beschwerdeführer hat das Recht,binnen vierzehn Tagen nach der Anmeldung derBerufung, wenn ihm eine Urteilsabschrift abererst nach der Anmeldung des Rechtsmittels zu-gestellt wurde, binnen vierzehn Tagen nach derZustellung eine Ausführung der Gründe seinerBerufung beim Bezirksgerichte zu überreichenund allenfalls neue Tatsachen oder Beweismittel

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unter genauer Angabe aller zur Beurteilung ihrerErheblichkeit dienenden Umstände anzuzeigen.

(2) Er hat entweder bei der Anmeldung derBerufung oder in der Berufungsschrift ausdrück-lich zu erklären, durch welche Punkte des Er-kenntnisses (§ 464) er sich beschwert finde undwelche Nichtigkeitsgründe er geltend machenwolle, widrigens auf die Berufung oder auf Nich-tigkeitsgründe vom Gerichtshof erster Instanzkeine Rücksicht zu nehmen ist. Doch steht es derBerücksichtigung eines deutlich und bestimmt be-zeichneten Beschwerdepunktes oder Nichtigkeits-grundes nicht entgegen, daß sich der Beschwerde-führer in der gesetzlichen Benennung vergriffenhat.

(3) Die zugunsten des Angeklagten ergriffeneBerufung gegen den Ausspruch über die Schuldenthält auch die Berufung gegen die Strafbe-messung.

(4) Geschieht die Anmeldung der Berufungmündlich, so hat der Richter, der das Protokollhierüber aufnimmt, den Beschwerdeführer zurgenauen Angabe der Beschwerdepunkte beson-ders aufzufordern und über die Rechtsfolgen derUnterlassung dieser Angabe zu belehren.

(5) Die Berufung oder Berufungsausführungist in zweifacher Ausfertigung vorzulegen oderaufzunehmen. Eine Ausfertigung ist dem Gegnermit dem Bedeuten mitzuteilen, daß er binnenvierzehn Tagen seine Gegenausführung überrei-chen könne. Nach Überreichung dieser Gegen-ausführung oder nach Ablauf der hiezu bestimm-ten Frist sind alle Akten dem Gerichtshofe ersterInstanz vorzulegen. (BGBl. Nr. 229/1962, Art. IZ.5)

§ 468. (1) Wegen Nichtigkeit kann die Beru-fung gegen Urteile der Bezirksgerichte, sofernsie nicht nach besonderen gesetzlichen Vorschrif-ten auch in anderen Fällen zugelassen ist, nuraus einem der folgenden Gründe ergriffen wer-den:

1. wenn das Bezirksgericht örtlich unzuständigoder nicht gehörig besetzt war oder wenn eingesetzlich ausgeschlossener Richter (§§ 67 und 68)(ias Urteil gefällt hat;

2. wenn das Bezirksgericht nicht zuständigwar, weil die Tat, über die es geurteilt hat, indie Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanzoder des Geschwornengerichtes fällt;

3. wenn eine Vorschrift verletzt oder ver-nachlässigt worden ist, deren Beobachtung dasGesetz bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt(§§ 120, 151, 152, 170, 271, 456 und 458), oderwenn einer der im § 281 Abs, 1 Z. 4 und 5erwähnten Nichtigkeitsgründe vorliegt;

4. aus den im § 281 Abs. 1 Z. 6 bis 11 ange-gebenen Gründen,

(2) Die unter Abs. 1 Z. 1 und 3 erwähntenNichtigkeitsgründe können nur unter den im§ 281 bezeichneten Bedingungen geltend gemachtwerden; doch wird auch der Ankläger der Gel-tendmachung eines Nichtigkeitsgrundes deshalbnicht verlustig, weil er hinsichtlich eines Form-gebrechens die Entscheidung des Richters nichtbegehrt und sich die Beschwerde nicht sofortnach Verweigerung oder Verkündung der Ent-scheidung vorbehalten hat.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 135)

§ 469. Der Gerichtshof berät über die Berufungnur dann in nichtöffentlicher Sitzung, wenn derBerichterstatter oder der Staatsanwalt einen derim § 470 angeführten Beschlüsse beantragt.

(BGBl. Nr. 229/1962, Art. I Z. 6)

§ 470. Bei der nichtöffentlichen Beratung kannder Gerichtshof:

1. die Berufung als unzulässig zurückweisen,wenn sie zu spät angemeldet oder von einerPerson ergriffen worden ist, der das Berufungs-recht überhaupt nicht oder nicht in der Richtungzusteht, in der es in Anspruch genommen wird,oder die darauf verzichtet hat; ferner, wenn derBerufungswerber bei der Anmeldung der Be-rufung oder in ihrer Ausführung die Punkte desErkenntnisses, durch die er sich beschwert findet,oder die Nichtigkeitsgründe, derentwegen alleindie Berufung ergriffen worden ist, nicht deutlichund bestimmt bezeichnet hat;

2. beschließen, Aufklärungen über behaupteteFormverletzungen einzuholen, oder seine eigeneUnzuständigkeit aussprechen und die Strafsachean den zuständigen Gerichtshof abtreten;

3. wenn schon vor der öffentlichen Verhand-lung über die Berufung feststeht, daß das Urteilaufzuheben und die Verhandlung in erster In-stanz zu wiederholen ist, der Berufung statt-geben, das Urteil, soweit es angefochten wird,aufheben und die Sache an das Bezirksgericht,das das Urteil gefällt hat, oder an ein anderesBezirksgericht seines Sprengeis, wenn aber dasUrteil wegen örtlicher Unzuständigkeit des Ge-richtes aufgehoben wird, an das örtlich zuständigeBezirksgericht zurückweisen.

§ 471. (1) Wird über die Berufung nicht schonin der nichtöffentlichen Sitzung entschieden, sohat der Vorsitzende einen Gerichtstag zur öffent-lichen Verhandlung über die Berufung anzuord-nen und dazu den Ankläger, den Angeklagten,dessen Verteidiger und die Zeugen und Sachver-ständigen rechtzeitig vorzuladen, die voraussicht-lich zu vernehmen sein werden.

(2) Dem Angeklagten müssen mit Rücksicht aufseine Entfernung vom Sitze des Berufungs-gerichtes wenigstens drei Tage zur Vorbereitungseiner Verteidigung freibleiben.

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(3) Ist der Angeklagte verhaftet, so kann derGerichtshof seine Vorführung veranlassen.

(4) Sowohl dem Angeklagten als auch dem Pri-vatankläger ist in der Vorladung zu bemerken,daß auch im Falle ihres Ausbleibens mit Berück-sichtigung des in der Berufungsausführung undin der Gegenausführung Vorgebrachten über dieBerufung dem Gesetze gemäß erkannt werdenwürde.

(5) Ist die Berufung wegen der Entscheidungüber die privatrechtlichen Ansprüche ergriffen,so ist auch der Privatbeteiligte mit der im vorigenAbsatz angeführten Bemerkung vorzuladen,andernfalls ist er vom Gerichtstage mit der Be-merkung in Kenntnis zu setzen, daß es ihm frei-stehe zu erscheinen.

(6) Hat der Privatankläger oder der Privat-beteiligte einen Vertreter namhaft gemacht, soist die Vorladung an diesen zu richten.

(BGBl. Nr. 229/1962, Art. I Z. 7)

§ 472. (1) Die Verhandlung vor der Berufungs-behörde ist öffentlich nach den Vorschriften der§§ 228 bis 231.

(2) Sie beginnt mit dem Vortrag eines Mit-gliedes des Berufungssenates als Berichterstatters;der Vortrag soll weder Gutachten noch Anträgeenthalten, sondern nur das Tatsächliche des Falles,den bisherigen Verlauf der Sache, soweit es zurBeurteilung der angebrachten Beschwerde erfor-derlich ist, das Wesentliche der Berufungsschriftund die sich daraus ergebenden Streitpunkteumfassen.

(3) Der auf die Berufungspunkte sichbeziehende Teil des Erkenntnisses erster Instanzsamt den Entscheidungsgründen ist jederzeit und,wenn es der Vorsitzende für zweckdienlich er-achtet, auch das über die Hauptverhandlungerster Instanz aufgenommene Protokoll vorzu-lesen.

§ 473. (1) Hierauf sind die etwa vorgeladenenZeugen und Sachverständigen und der Ange-klagte, wenn er persönlich anwesend ist, zu ver-nehmen, wobei die für die Hauptverhandlungvor den Gerichtshöfen erster Instanz gegebenenVorschriften zu beobachten sind.

(2) Zeugen und Sachverständige, die bereits inder Hauptverhandlung vor dem Bezirksgerichtevernommen worden sind, sind nochmals abzu-hören, wenn der Gerichtshof gegen die Richtig-keit der auf ihre Aussagen gegründeten, im Ur-teil erster Instanz enthaltenen Feststellungen Be-denken hegt oder die Vernehmung neuer Zeugenoder Sachverständiger über dieselben Tatsachennotwendig findet. Außer diesem Falle hat der Ge-richtshof die in erster Instanz aufgenommenenProtokolle seiner Entscheidung zugrunde zulegen.

(3) Sodann wird der, der die Berufung einlegte,zu ihrer Begründung und sodann der Gegnerzur Erwiderung aufgefordert.

(4) Dem Angeklagten oder seinem Verteidigergebührt jedenfalls das Recht der letzten Äuße-rung.

(5) Hierauf zieht sich der Gerichtshof zur Be-ratung und Beschlußfassung zurück.

§ 474. Der Gerichtshof erkennt, wenn er dieBerufung nicht als unzulässig oder ungegründetzurückzuweisen oder seine eigene Nichtzuständig-keit auszusprechen findet, in der Sache selbstnach den für die Urteilsfällung der Gerichtshöfeerster Instanz geltenden Vorschriften, insofernnicht in den nächstfolgenden Paragraphen etwasanderes angeordnet ist.

§ 475. (1) Wird das Urteil des Bezirksgerichteswegen eines der im § 468 Abs. 1 unter Z. 1 und 3angeführten Nichtigkeitsgründe aufgehoben, soverweist der Gerichtshof die Sache zu neuerVerhandlung an das Bezirksgericht, das das Urteilgefällt hat, oder an ein anderes Bezirksgerichtseines Sprengeis, wenn aber das Urteil wegenörtlicher Unzuständigkeit des Bezirksgerichtesaufgehoben wird, an das örtlich zuständige Be-zirksgericht. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 136)

(2) Wird das Urteil des Bezirksgerichtes wegendes im § 468 Abs. 1 unter Z. 2 angeführtenNichtigkeitsgrundes aufgehoben, so ist die Sachenicht an das zuständige Gericht zu verweisen.Es obliegt vielmehr dem Ankläger, binnen vier-zehn Tagen (§§ 27 und 46) die zur Einleitungdes gesetzlichen Verfahrens erforderlichen An-träge zu stellen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ. 136)

(3) Hat das Bezirksgericht bezüglich einer Tat-sache, auf die sich die Anklage bezieht, mitUnrecht seine Nichtzuständigkeit ausgesprochenoder die Anklage nicht vollständig erledigt (§ 281Abs. 1 Z. 6 und 7), so trägt ihm der Gerichtshofauf, sich der Verhandlung und Urteilsfällung zuunterziehen, die sich in letztem Fall auf dieunerledigt gebliebenen Anklagepunkte zu be-schränken hat.

§ 476. In den im § 475 Abs. 1 und 3 erwähntenFällen steht es jedoch der Berufungsbehörde frei,sofort oder in einer späteren Sitzung, nötigen-falls unter Wiederholung oder Ergänzung der inerster Instanz gepflogenen Verhandlung undunter Verbesserung der mangelhaft befundenenProzeßhandlung, in der Sache selbst zu erkennen.

§ 477. (1) Der Gerichtshof hat sich auf die inBeschwerde gezogenen Punkte zu beschränkenund darf nur die Teile des erstrichterlichenErkenntnisses ändern, gegen die die Berufunggerichtet ist. Überzeugt er sich jedoch aus Anlaßeiner von wem immer ergriffenen Berufung,

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daß zum Nachteile des Angeklagten das Straf-gesetz unrichtig angewendet wurde (§ 281 Abs. 1Z. 9 bis 11) oder daß dieselben Gründe, aufdenen seine Verfügung zugunsten eines Ange-klagten beruht, auch einem Mitangeklagten zu-statten kommen, der die Berufung nicht odernicht in der in Frage kommenden Richtungergriffen hat, so hat der Gerichtshof so vorzu-gehen, als wäre eine solche Berufung eingelegt.

(2) Ist die Berufung lediglich zugunsten desAngeklagten ergriffen worden, so kann der Ge-richtshof keine strengere Strafe gegen den An-geklagten verhängen, als das erste Urteil aus-gesprochen hat.

§ 478. (1) Gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes,das gemäß § 459 über Ausbleiben des Ange-klagten erlassen wurde, kann dieser binnen vier-zehn Tagen von der Zustellung des Urteilesbeim erkennenden Bezirksgericht Einspruch er-heben, wenn ihm die Vorladung nicht gehörigzugestellt worden ist oder er nachweisen kann,daß er durch ein unabwendbares Hindernis ab-gehalten worden sei. .

(2) Über diesen Einspruch hat das Bezirks-gericht nach vorläufiger Vernehmung des An-klägers zu erkennen. Verwirft es den Einspruch,so steht dem Angeklagten das Rechtsmittel derBeschwerde an den Gerichtshof erster Instanzbinnen vierzehn Tagen zu. Der Angeklagte ist indiesem Falle berechtigt, mit diesem Rechtsmittelfür den Fall der Verwerfung die Berufung zuverbinden, mit der nach den Bestimmungen der§§ 469 bis 472 zu verfahren ist.

(3) Findet das Bezirksgericht oder infolge derBeschwerde der Gerichtshof den Einspruch be-gründet, so ist eine neue Verhandlung vor demBezirksgericht anzuordnen, bei der, wenn derAngeklagte erscheint, die Sache so verhandeltwird, wie im § 457 vorgeschrieben ist. Erscheintder Angeklagte bei dieser zweiten Verhandlungabermals nicht, so ist der Einspruch als nichterhoben und das angefochtene Urteil als rechts-kräftig anzusehen.

§ 479. Gegen die Urteile der Gerichtshöfeerster Instanz über eine gemäß den §§ 463, 464und 478 an sie gelangte Berufung ist nur dieNichtigkeitsbeschwerde an den Obersten Gerichts-hof zur Wahrung des Gesetzes (§§ 33 und 292)zulässig.

§ 480. (1) Die Wiederaufnahme des Strafver-fahrens richtet sich nach den im XX. Haupt-stück aufgestellten Grundsätzen. Über die Zu-lassung der Wiederaufnahme entscheidet das Be-zirksgericht. Gegen die Verweigerung der Wieder-aufnahme steht nur die Beschwerde an denGerichtshof erster Instanz offen, die binnen vier-zehn Tagen beim Bezirksgericht anzubringen ist.

(2) Die dem Obersten Gerichtshof im § 362eingeräumte Befugnis steht ihm bei strafbarenHandlungen, die in die Zuständigkeit des Be-zirksgerichtes fallen, nicht zu. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1 Z. 137)

§ 481. Gegen Entscheidungen des Bezirks-gerichtes, insofern sie der Berufung nicht unter-liegen, steht den Beteiligten das Rechtsmittel derBeschwerde an den Gerichtshof erster Instanzbinnen vierzehn Tagen zu.

V. M i l d e r u n g u n d N a c h s i c h t d e rS t r a f e

(BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 11)

§ 482. Wenn ein Gesuch um Milderung oderNachsicht der Strafe (§§ 410 und 411) noch vorAntritt der Strafe eingebracht wurde und sichauf solche rücksichtswürdige Umstände stützt,die erst nach dem ergangenen Urteile hervor-getreten sind, kann mit der Vollstreckung derStrafe innegehalten werden, insofern sonst derZweck des Gesuches ganz oder zum Teile ver-eitelt würde.

(BGBl. Nr. 145/1969, Art. II Z. 11)

XXVII. HauptstückVom Verfahren vor dem Einzelrichter des

Gerichtshofes erster Instanz(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 138)

§ 483. Das Verfahren vor dem Einzelrichterdes Gerichtshofes erster Instanz wird durch einenschriftlichen Antrag des Anklägers auf Bestrafungdes Beschuldigten eingeleitet.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 139)

§ 484. (1) Der Antrag hat die im § 207 Abs. 2Z. 1 bis 4 angeführten Angaben zu enthalten.Im Antrage sind ferner die Beweismittel anzu-geben, deren sich der Ankläger bedienen will.Auch die Verhaftung des Beschuldigten kannzugleich beantragt werden. (BGBl Nr. 423/1974,Art. I Z. 140)

(2) Der Antrag ist in so vielen Ausfertigungenzu überreichen, daß jedem der Beschuldigten eineAusfertigung zugestellt und eine bei den Aktenzurückbehalten werden kann.

(3) Der Antrag ist an den Einzelrichter zurichten und, wenn keine Voruntersuchung statt-gefunden hat, unmittelbar bei ihm, andernfallsaber beim Untersuchungsrichter einzubringen.Der Untersuchungsrichter übersendet die Akten,nachdem er die zur Beendigung des Vorver-fahrens etwa noch erforderlichen Entscheidungengetroffen hat, dem Einzelrichter.

§ 485. (1) Der Einzelrichter hat die Ent-scheidung der Ratskammer einzuholen, wenn erder Ansicht ist,

1. daß Bedenken gegen die Verhaftung desBeschuldigten bestehen,

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2. daß das Gericht oder daß er nicht zuständigsei,

3. daß der Antrag an einem Formgebrechenleide,

4. daß die dem Beschuldigten zur Last gelegteTat keine zur Zuständigkeit der Gerichte ge-hörige strafbare Handlung begründe,

5. daß es an genügenden Gründen fehle, denBeschuldigten der Tat für verdächtig zu halten,

6. daß Umstände vorliegen, durch die dieStrafbarkeit der Tat aufgehoben oder die Ver-folgung wegen der Tat ausgeschlossen ist, oderdaß die Voraussetzungen des § 42 StGB gegebenseien oder

7. daß der nach dem Gesetz zur Verfolgungerforderliche Antrag eines hiezu Berechtigtenfehle.

(2) Über Haftbeschwerden hat die Ratskammerin sinngemäßer Anwendung der Bestimmungender §§ 194 und 195 zu entscheiden.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 141)

§ 486. (1) Entscheidet die Ratskammer, daß dasangerufene Gericht unzuständig sei, so hat sie dieSache dem zuständigen Gericht abzutreten.

(2) Wird der Antrag wegen eines Form-gebrechens vorläufig zurückgewiesen oder die Zu-ständigkeit des Einzelrichters verneint, so hat derAnkläger binnen vierzehn Tagen die zur Ein-leitung oder Fortsetzung des Verfahrens erfor-derlichen Anträge zu stellen (§§ 27 und 46).(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 142)

(3) Hält die Ratskammer einen der im § 485Abs. 1 Z. 4 bis 7 angeführten Umstände fürgegeben, so stellt sie das Verfahren ein. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 142)

(4) Gegen die Entscheidung der Ratskammerüber die Haft steht beiden Parteien, gegen eineEntscheidung, womit das Verfahren eingestelltwird, dem Ankläger die Beschwerde an denGerichtshof zweiter Instanz offen. (BGBl.Nr. 273/1971, Art. II Z. 19; BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 142)

(5) An Beschlüsse der Ratskammer oder desGerichtshofes zweiter Instanz, mit denen dieZuständigkeit des Gerichtes oder des Einzel-richters oder die Strafbarkeit, Strafwürdigkeitoder Verfolgbarkeit der Tat bejaht wird, ist daserkennende Gericht nicht gebunden. (BGBl.Nr. 423/1974, Art. I Z. 142)

§ 487. Bestehen keine Bedenken gegen die An-träge des Anklägers oder sind die erhobenenBedenken durch die Entscheidung der Rats-kammer oder des Gerichtshofes zweiter Instanzbeseitigt, so ist die Hauptverhandlung anzu-ordnen.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 143)

§ 488. Für die Vorbereitungen zur Haupt-verhandlung, die Hauptverhandlung und dasUrteil gelten dem Sinne nach die Bestimmungendes XVII. und XVIII. Hauptstückes (§§ 220bis 279) mit folgenden Abweichungen und Er-gänzungen:

1. Der Vorladung des Beschuldigten zur Haupt-verhandlung ist eine Ausfertigung des Straf-antrages anzuschließen. Außer dem im § 221vorgeschriebenen Inhalt hat die Vorladung desBeschuldigten auch die Aufforderung zu ent-halten, die zu seiner Verteidigung dienendenBeweismittel mitzubringen oder dem Gericht sofrühzeitig anzuzeigen, daß sie zur Hauptver-handlung noch herbeigeschafft werden können.Auch ist der Beschuldigte über sein Recht, sicheines Verteidigers zu bedienen (§ 41), und überdie Voraussetzungen der Beigebung eines Ver-teidigers nach § 41 Abs, 2 zu belehren.

2. Die Bestimmungen der §§ 224 und 276über die Vornahme von Erhebungen oder Unter-suchungshandlungen durch den Untersuchungs-richter sind nur anwendbar, wenn die Beweisenicht in der Hauptverhandlung aufgenommenwerden können.

3. Wenn weder eine Voruntersuchung nochgerichtliche Vorerhebungen stattgefunden haben,ist die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung aufVerlangen des Beschuldigten auszuschließen.

4. Der Einzelrichter hat die Befugnisse undObliegenheiten des Vorsitzenden und des Ge-richtshofes.

5. Statt der Anklageschrift ist der Antrag aufBestrafung vorzulesen.

6. Erachtet sich der Einzelrichter für unzu-ständig, weil die dem Strafantrag zugrunde lie-genden Tatsachen an sich oder in Verbindungmit den in der Hauptverhandlung hervorgetre-tenen Umständen eine Zuständigkeit des Ge-schwornen- oder Schöffengerichtes begründen, sospricht er mit Urteil seine Unzuständigkeit aus.Sobald dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen ist,hat der Ankläger binnen vierzehn Tagen die zurEinleitung oder Fortsetzung des Verfahrens er-forderlichen Anträge zu stellen (§§ 27 und 46).

7. Der § 458 Abs. 2 und 3 ist mit der Maßgabeanzuwenden, daß im Falle einer Verurteilungdie im § 260 Z. 1 genannten Angaben ganz oderteilweise durch Verweisung auf den Strafantragersetzt werden können, wenn das Gericht dendarin dargestellten wesentlichen Sachverhalt ohneÄnderung als erwiesen angenommen hat oderdie abweichenden Feststellungen mit wenigenWorten angegeben werden können; das gilt fürden Fall eines Freispruchs dem Sinne nach.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 144)

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§ 489. (1) Gegen die vom Einzelrichter gefälltenUrteile ist außer dem Einspruch nach § 427 nurdas Rechtsmittel der Berufung zulässig, über dasder Gerichtshof zweiter Instanz entscheidet. Fürdas Verfahren gelten dem Sinne nach die Vor-schriften der §§ 464 bis 477 und 479 mit Aus-nahme des zweiten Satzes im § 468 Abs. 2. AlsNichtigkeitsgründe nach § 468 Abs. 1 Z. 3 sinddie im § 281 Abs. 1 Z. 2 bis 5 angeführten Um-stände anzusehen. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. IZ. 145)

(2) Die Gerichtstage zur öffentlichen Verhand-lung über Berufungen finden am Sitze des Ge-richtshofes zweiter Instanz statt, doch kann derPräsident dieses Gerichtshofes mit Rücksicht aufdie Verkehrsverhältnisse oder nach Anhörungdes Anklägers und des Angeklagten auch ausanderen wichtigen Gründen anordnen, daß derGerichtstag an einem anderen im Sprengel desGerichtshofes zweiter Instanz gelegenen Ort ab-gehalten werde; der Anhörung bedarf es nicht,wenn sich der Angeklagte im Sprengel des Ge-richtshofes erster Instanz in Haft befindet, indessen Bezirke der Gerichtstag abgehalten werdensoll.

(3) Von der Verhandlung und Entscheidungüber eine Berufung sind auch Mitglieder des Ge-richtshofes zweiter Instanz ausgeschlossen, die imvorangegangenen Verfahren an der Entscheidungder Ratskammer über die Einstellung des Ver-fahrens oder an der Entscheidung über die Be-schwerde gegen die von der Ratskammer be-schlossene Einstellung (§ 486) beteiligt waren.(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 145)

§ 490. (1) Für die Wiederaufnahme des Straf-verfahrens und die Wiedereinsetzung gegen denAblauf von Fristen gelten dem Sinne nach dieBestimmungen des XX. Hauptstückes mit Aus-nahme des § 362; über die Zulassung der Wieder-aufnahme entscheidet der Einzelrichter.

(2) Auch alle anderen außerhalb der Haupt-verhandlung zu treffenden Entscheidungen, zudenen sonst der Gerichtshof berufen ist, liegendem Einzelrichter ob. (BGBl. Nr. 423/1974, Art. 1Z. 146)

(3) Der Rechtszug gegen seine Entscheidungenrichtet sich, soweit in diesem Gesetz nicht anderesbestimmt ist, nach den allgemeinen für das Ver-fahren vor den Gerichtshöfen geltenden Vor-schriften.

§ 491. Die §§ 427 und 428 sind dem Sinne nachauch auf das Verfahren vor dem Einzelrichteranzuwenden.

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z.147)

§ 491 a. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 148)

§ 491 b. (Aufgehoben; BGBl. Nr. 423/1974,Art. I Z. 148)

XXVIII. Hauptstück

Vom Verfahren bei bedingter Strafnachsicht,bedingter Nachsicht von vorbeugenden Maß-nahmen, Erteilung von Weisungen und Bestel-

lung eines Bewährungshelfers

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I 2. 149)

I. B e d i n g t e N a c h s i c h t e i n e r S t r a f e ,d e r U n t e r b r i n g u n g in e i n e r An-s t a l t f ü r e n t w ö h n u n g s b e d ü r f t i g e

R e c h t s b r e c h e r u n d e i n e rR e c h t s f o l g e

§ 492. (1) Die bedingte Nachsicht einer Strafe,der Unterbringung in einer Anstalt für entwöh-nungsbedürftige Rechtsbrecher und einer Rechts-folge ist in das Urteil aufzunehmen.

(2) Das Gericht hat den Verurteilten über denSinn der bedingten Nachsicht zu belehren undihm, sobald die Entscheidung darüber rechts-kräftig geworden ist, eine Urkunde zuzustellen,die kurz und in einfachen Worten den wesent-lichen Inhalt der Entscheidung, die ihm aufer-legten Verpflichtungen und die Gründe angibt,aus denen die Nachsicht widerrufen werden kann.

§ 493. (1) Die bedingte Nachsicht oder derenUnterbleiben bildet einen Teil des Ausspruchesüber die Strafe und kann zugunsten und zumNachteil des Verurteilten mit Berufung ange-fochten werden. Die Berufung hat nur, soweites sich um die Vollstreckung der Strafe oderder Unterbringung in einer Anstalt für ent-wöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder um denEintritt der Rechtsfolge handelt, aufschiebendeWirkung.

(2) Hat das Gericht durch die Entscheidungüber die bedingte Nachsicht seine Befugnisseüberschritten, so kann das Urteil wegen Nichtig-keit nach den §§ 281 Abs. 1 Z. 11, 345 Abs. 1Z. 13 oder 468 Abs. 1 Z. 4 angefochten werden.

II. E r t e i l u n g v o n W e i s u n g e n u n dB e s t e l l u n g e i n e s B e w ä h r u n g s -

h e l f e r s

§ 494. Über die Erteilung von Weisungen unddie Bestellung eines Bewährungshelfers entschei-det das Gericht mit Beschluß. Die Entscheidungobliegt in der Hauptverhandlung dem erkennen-den Gericht, sonst dem Vorsitzenden.

III. W i d e r r u f e i n e r b e d i n g t e nN a c h s i c h t

§ 495. (1) Über den Widerruf der bedingtenNachsicht einer Strafe, der Unterbringung ineiner Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechts-brecher oder einer Rechtsfolge entscheidet dasGericht in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß.

211. Stück — Ausgegeben am 30. Dezember 1975 — Nr. 631 2809

(2) Die Beschlußfassung über einen Widerrufbei nachträglicher Verurteilung (§ 55 StGB) ob-liegt unter Gerichten gleicher Ordnung jenem,dessen Urteil eine bedingte Nachsicht enthältund zuletzt rechtskräftig wurde; unter Gerichtenverschiedener Ordnung entscheidet jenes höhererOrdnung, dessen Urteil eine bedingte Nachsichtenthält und zuletzt rechtskräftig wurde.

(3) Vor der Entscheidung hat das Gericht denAnkläger, den Verurteilten und den Bewährungs-helfer zu hören und eine Strafregisterauskunfteinzuholen. Von der Anhörung des Verurteiltenkann abgesehen werden, wenn sich erweist, daßsie ohne unverhältnismäßigen Aufwand nichtdurchführbar ist.

§ 496. Das Gericht und die Sicherheitsbehörden(§ 177 Abs. 2) können den Verurteilten in vor-läufige Verwahrung nehmen, wenn dringenderVerdacht besteht, daß Grund zum Widerruf derbedingten Nachsicht einer Strafe vorhanden sei,und die Flucht des Verurteilten zu befürchtenist (§ 180 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3).

IV. E n d g ü l t i g e N a c h s i c h t

§ 497. (1) Der Ausspruch, daß die bedingteNachsicht einer Strafe, der Unterbringung ineiner Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechts-brecher oder einer Rechtsfolge endgültig gewor-den ist, hat durch Beschluß des Vorsitzenden zuerfolgen.

(2) Vor der Entscheidung ist der Anklägerzu hören und eine Strafregisterauskunft einzu-holen.

V. G e m e i n s a m e B e s t i m m u n g e n

§ 498. (1) Alle Beschlüsse, die sich auf dieErteilung von Weisungen, die Bestellung einesBewährungshelfers, die Verlängerung der Probe-zeit, die gerichtliche Anordnung einer vorläufigenVerwahrung, den Widerruf einer bedingten Nach-sicht oder die endgültige Nachsicht beziehen,können mit Beschwerde an den übergeordnetenGerichtshof angefochten werden.

(2) Die Beschwerde steht zugunsten des Ver-urteilten diesem und allen anderen Personen zu,die zugunsten eines Angeklagten Nichtigkeits-beschwerde erheben können, zum Nachteil desVerurteilten aber nur dem Ankläger. Die Be-schwerde ist binnen vierzehn Tagen nach Be-kanntmachung des Beschlusses an den Rechts-mittelwerber, wenn er aber diesem nicht bekannt-zumachen war, binnen vierzehn Tagen nach Be-kanntmachung an den Verurteilten einzubringen.Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, essei denn, daß sie gegen die Anordnung einervorläufigen Verwahrung gerichtet ist.

(3) Die Beschwerde kann auch mit einer Nich-tigkeitsbeschwerde oder Berufung gegen das Ur-teil verbunden werden, das zugleich mit demangefochtenen Beschluß ergangen ist (§ 494). Indiesem Fall ist die Beschwerde rechtzeitig einge-bracht, wenn das Rechtsmittel, mit dessen Aus-führung sie verbunden ist, rechtzeitig einge-bracht wurde. Wird die Beschwerde mit einemanderen Rechtsmittel verbunden oder wird sonstgegen das zugleich mit dem angefochtenen Be-schluß ergangene Urteil Nichtigkeitsbeschwerdeoder Berufung erhoben, so entscheidet der fürderen Erledigung zuständige Gerichtshof auchüber die Beschwerde.

XXIX. Hauptstück(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 149 und 150)

Von der Ausübung der Strafgerichtsbarkeit überSoldaten im Frieden

§ 499. Soldat im Sinne dieses Gesetzes istjeder Angehörige des Präsenzstandes des Bundes-heeres.

§ 500. (1) Alle Soldaten unterstehen im Friedender Strafgerichtsbarkeit der bürgerlichen Ge-richte.

(2) Soweit im folgenden nichts anderes be-stimmt ist, sind die allgemeinen Vorschriftenüber das Verfahren in Strafsachen auch auf Sol-daten anzuwenden.

§ 501. (1) Es hindert die gerichtliche Ahndungeiner Tat nicht, daß sie auch als Verstoß gegeneine besondere militärische Dienst- oder Standes-pflicht disziplinär geahndet werden kann.

(2) Das Gericht darf ein Strafverfahren wegeneines mit nicht mehr als sechsmonatiger Frei-heitsstrafe bedrohten Vergehens nach dem Mili-tärstrafgesetz aber nicht einleiten, ein eingelei-tetes Verfahren vorläufig nicht fortsetzen, sobaldihm bekanntgeworden ist, daß wegen der Tatein militärisches Ordnungsstrafverfahren oderDisziplinarverfahren durchgeführt wird; solangedeswegen das gerichtliche Strafverfahren nichteingeleitet oder fortgesetzt wird, ruht die Ver-jährung. (BGBl. Nr. 344/1970, III. Hauptstück,Art. II Z. 1; BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 151)

(3) Der Staatsanwalt kann von der Verfolgungeiner im Abs. 2 bezeichneten Tat absehen oderzurücktreten, wenn anzunehmen ist, daß dasGericht nach § 42 StGB vorgehen würde. (BGBLNr. 423/1974, Art. I Z. 151)

§ 502. (1) Auch militärische Kommanden sowiejene Soldaten, die dem für die militärische Sicher-heit und Ordnung im Standort oder in der

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Unterkunft verantwortlichen Kommandanten(Ortskommandanten oder Unterkunftskomman-danten) zum Zwecke der Besorgung dieser Auf-gaben unterstellt sind, und, soweit sie nicht schonzu diesem Personenkreis zählen, Wachen könnendie vorläufige Verwahrung (§ 177) des einerstrafbaren Handlung Verdächtigen zum Zweckeder Vorführung vor den Untersuchungsrichtervornehmen,

1. wenn der Verdächtige auf einer militärischenLiegenschaft auf frischer Tat betreten wird oder

2. wenn der Verdächtige Soldat ist, einer derim § 175 Abs. 1 Z. 2 bis 4 angeführten Umständevorliegt und die vorläufige Einholung des richter-lichen Befehls wegen Gefahr im Verzug nichttunlich ist.

(2) Der in Verwahrung Genommene ist unver-züglich, jedenfalls aber vor Ablauf von 48 Stun-den seit Beginn der Verwahrung dem Unter-suchungsrichter abzuliefern (§ 4 des Gesetzes vom27. Oktober 1862, RGBl. Nr. 87).

(BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 152)

§ 503. (1) Von jeder Ladung und von jederVerhaftung oder Enthaftung eines Soldaten sowievon der Anordnung des Vollzuges der gegenSoldaten verhängten Freiheitsstrafen ist das un-mittelbar vorgesetzte Kommando zu benachrich-tigen; die Benachrichtigung von der Ladung hatzu entfallen, wenn diese durch das vorgesetzteKommando zugestellt wird.

(2) Die Einleitung des Strafverfahrens gegeneinen Soldaten ist seinem Disziplinarvorgesetztenanzuzeigen. Diesem sind nach rechtskräftiger Be-endigung des Strafverfahrens die Akten zur Ein-sicht zu übersenden.

(3) Die Verurteilung eines Wehrpflichtigen derReserve ist seinem Standeskörper bekanntzu-geben.

(4) Die bevorstehende Entlassung eines Solda-ten aus einer Strafvollzugsanstalt ist von dieser,die Entlassung aus einem gerichtlichen Gefange-nenhaus vom Gerichte dem nächstgelegenenmilitärischen Kommando anzuzeigen, damit diezur Übernahme notwendigen Verfügungen recht-zeitig getroffen werden können.

§ 504. Von Amtshandlungen der Gerichte undSicherheitsbehörden und ihrer Organe auf mili-tärischen Liegenschaften ist der Kommandantvorher in Kenntnis zu setzen; auf sein Verlangenist ein von ihm beigegebener Soldat zuzuziehen.

§ 505. Ladungen und gerichtliche Entscheidun-gen und Verfügungen sind Soldaten in derRegel durch das unmittelbar vorgesetzte Kom-mando zuzustellen. Dieses hat das rechtzeitigeErscheinen des Geladenen zu veranlassen und ihnnötigenfalls auch ohne ein besonderes darauf ge-richtetes Ersuchen dem Gerichte vorzuführen.

§ 506. (1) Soldaten sind bei ihrer Vernehmungals Beschuldigte, Zeugen oder Sachverständige umihren Standeskörper und Dienstgrad und, wennsie als Beschuldigte vernommen werden, auch umden Tag zu befragen, an dem ihr Präsenzdienstbegonnen hat (§§ 166, 199 und 240).

(2) Der Dienstgrad und der Standeskörper desBeschuldigten sind in der Anklageschrift (§ 207Abs. 2 Z. 1), im Strafantrag (§ 484), in der Ur-teilsausfertigung (§ 270 Abs. 2 Z. 2), in deröffentlichen Vorladung (§ 423 Z. 1), in Steck-briefen und Personsbeschreibungen (§ 416) undin allen Benachrichtigungen militärischer Stellen(§ 503) anzugeben.