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Nina Defranceschi
Bilanzierung von Finanzinstrumenten mit Eigenschaften von Eigenkapital im IAS/IFRS - eine
kritische Würdigung des DP/2018/1
MASTERARBEIT
zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Science
Studium: Masterstudium Wirtschaft und Recht Studienzweig: Finance
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Begutachterin Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Gudrun Fritz-Schmied Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Institut für Finanzmanagement
Klagenfurt, Juni 2019
Eidesstattliche Erklärung
Ich versichere an Eides statt, dass ich
- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die
angegebenen Hilfsmittel benutzt habe,
- die während des Arbeitsvorganges von dritter Seite erfahrene Unterstützung, einschließlich
signifikanter Betreuungshinweise, vollständig offengelegt habe,
- die Inhalte, die ich aus Werken Dritter oder eigenen Werken wortwörtlich oder sinngemäß
übernommen habe, in geeigneter Form gekennzeichnet und den Ursprung der Information
durch möglichst exakte Quellenangaben (z.B. in Fußnoten) ersichtlich gemacht habe,
- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit bisher weder im Inland noch im Ausland einer
Prüfungsbehörde vorgelegt habe und
- bei der Weitergabe jedes Exemplars (z.B. in gebundener, gedruckter oder digitaler Form)
der wissenschaftlichen Arbeit sicherstelle, dass diese mit der eingereichten digitalen
Version übereinstimmt.
Mir ist bekannt, dass die digitale Version der eingereichten wissenschaftlichen Arbeit zur
Plagiatskontrolle herangezogen wird.
Ich bin mir bewusst, dass eine tatsachenwidrige Erklärung rechtliche Folgen haben wird.
Nina Defranceschi e. h. Klagenfurt, Juni 2019
II
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................... IV
Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... V
1 Einleitung ....................................................................................................................... 1
2 Organisationsstruktur des IASB und der Standardsettingprozess in der internationalen
Rechnungslegung .................................................................................................................. 4
2.1 Organisation und Zielsetzung der Internationalen Rechnungslegung ............................... 4 2.1.1 Das Regelwerk der IFRS.............................................................................................................. 6 2.1.2 Der Prozess der Standardsetzung ............................................................................................... 7 2.1.3 Grundsätze der Rechnungslegung nach IAS/IFRS ........................................................................ 9
3 Begriffsdefinition und Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital im IAS/IFRS ............ 11
3.1 Begriffsdefinitionen ........................................................................................................ 11 3.1.1 Eigenkapital und Eigenkapitalinstrumente ................................................................................11 3.1.2 Finanzielle Verbindlichkeiten ....................................................................................................12 3.1.3 Finanzinstrumente ....................................................................................................................13
3.2 Die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital im IAS/IFRS ............................................. 14 3.2.1 Kündbare Instrumente ..............................................................................................................16 3.2.2 Erfüllungswahlrechte ................................................................................................................17
4 Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten mit Eigenschaften von Eigenkapital im
IAS/IFRS – Ausgangslage und Problemstellung ................................................................... 19
4.1 Finanzinstrumente mit Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital und deren Bilanzierung ................................................................................................................................ 19
4.1.1 Die Rolle des Kriteriums des „wirtschaftlichen Gehalts“ einer Vereinbarung ..............................21 4.1.2 Ausgewählte Finanzinstrumente mit Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital......................22
4.1.2.1 Wandelschuldverschreibungen ........................................................................................22 4.1.2.1.1 Pflichtwandelanleihen .................................................................................................23 4.1.2.1.2 Bedingte Pflichtwandelanleihen ..................................................................................26
4.1.2.2 Vorzugsaktien ..................................................................................................................28
4.2 Zusammenfassung der Problembereiche ........................................................................ 31
5 DP/2018/1 – Finanzinstrumente mit Eigenschaften von Eigenkapital ......................... 34
5.1 Die Kernpunkte des DP/2018/1 ...................................................................................... 34 5.1.1 Identifizierte Problembereiche des IASB....................................................................................34 5.1.2 Der Lösungsvorschlag des IASB .................................................................................................35
5.2 Lösungsansätze des DP/2018/1 und Analyse der Fragestellungen des Boards anhand der Comment Letters......................................................................................................................... 38
5.2.1 Einleitung .................................................................................................................................38 5.2.1.1 Section 1 des DP/2018/1 – Ziele, Umfang und Herausforderungen ...................................40
5.2.1.1.1 Erläuterungen des Boards und Fragestellung an die Anwender ....................................40
III
5.2.1.1.2 Rückmeldungen der Anwender ...................................................................................43 5.2.1.1.3 Conclusio ....................................................................................................................44
5.2.1.2 Section 2 des DP/2018/1 – Der “preferred approach“ des Boards ....................................45 5.2.1.2.1 Erläuterungen des Boards und Fragestellung an die Anwender ....................................45 5.2.1.2.2 Rückmeldungen der Anwender ...................................................................................47 5.2.1.2.3 Conclusio ....................................................................................................................48
5.2.1.3 Section 3 des DP/2018/1 – Klassifizierung von nicht derivativen Finanzinstrumenten .......50 5.2.1.3.1 Erläuterungen des Boards und Fragestellung an die Anwender ....................................50 5.2.1.3.2 Rückmeldungen der Anwender ...................................................................................53 5.2.1.3.3 Conclusio ....................................................................................................................55
5.2.1.4 Section 4 des DP/2018/1 – Klassifizierung von derivativen Finanzinstrumenten................56 5.2.1.4.1 Erläuterungen des Boards und Fragestellung an die Anwender ....................................56 5.2.1.4.2 Rückmeldungen der Anwender ...................................................................................59 5.2.1.4.3 Conclusio ....................................................................................................................60
5.2.1.5 Section 5 des DP/2018/1 – Zusammengesetzte Instrumente und Rückzahlungsverpflichtungen.............................................................................................................61
5.2.1.5.1 Erläuterungen des Boards und Fragestellung an die Anwender ....................................61 5.2.1.5.2 Rückmeldungen der Anwender ...................................................................................65 5.2.1.5.3 Conclusio ....................................................................................................................66
5.2.1.6 Section 8 des DP/2018/1 – Vertragsbestimmungen und die Beziehung zwischen Verträgen und dem Gesetz .................................................................................................................................67
5.2.1.6.1 Erläuterungen des Boards und Fragestellung an die Anwender ....................................67 5.2.1.6.2 Rückmeldungen der Anwender ...................................................................................69 5.2.1.6.3 Conclusio ....................................................................................................................71
6 Conclusio und Ausblick ................................................................................................. 73
6.1 Allgemeines .................................................................................................................... 73
6.2 Conclusio zu den einzelnen identifizierten Problembereichen des Kapitels 4.2. ............. 75 6.2.1 Wirtschaftlicher Gehalt einer Vereinbarung („substance over form“) ........................................75 6.2.2 Kündbare Instrumente ..............................................................................................................76 6.2.3 Erfüllungsalternativen...............................................................................................................77 6.2.4 Bedingte Erfüllungsvereinbarungen ..........................................................................................79 6.2.5 Vorzugsaktien ...........................................................................................................................80
6.3 Beantwortung der Forschungsfrage ................................................................................ 80
6.4 Ausblick .......................................................................................................................... 81
7 Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 82
IV
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Struktur des IASB ........................................................................................................................ 5 Abbildung 2: Due Process des IASB ................................................................................................................. 8 Abbildung 3: Entscheidungsbaum für die Klassifizierung von Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten ................23 Abbildung 4: Klassifizierung nach dem "preferred approach" des Boards ........................................................36 Abbildung 5: Verteilung der Comment Letter nach Kontinenten .......................................................................38 Abbildung 6: Verteilung der Comment Letter nach europäischen Staaten .........................................................39 Abbildung 7: Analysierte Comment Letter ........................................................................................................40
V
Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
AFRAC Austrian Financial Reporting and Auditing Committee
AG Application Guidance
Anm. Anmerkung
Art. Artikel
ASCG Accounting Standards Committee of Germany
AT-1 Additional-Tier-1 (zusätzliches Eigenkapital)
BRRD Bank Recovery and Resolution
CASC China Accounting Standards Committee
CFA Chartered Financial Analysts
CRR Capital Requirements Regulation
CRUF Corporate Reporting Users Forum
CU Cash Unit
DGRV Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband
DP Discussion Paper
DRSC Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee
DStR Deutsches Steuerrecht
ED Exposure Draft
EFTAS European Federation of Financial Analysts Societas
EU Europäische Union
EUR Euro
EY Ernst & Young
f folgend
ff fortfolgend
FASB Financial Accounting Standards Board
FICE Financial Instruments with Characteristics of Equity
gem. gemäß
GesKR Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
IAIS International Association of Insurance Supervisors
IAS International Accounting Standards
IASB International Accounting Standards Board
IASC International Accounting Standards Committee
IDW Institut der Wirtschaftsprüfer
VI
IE Illustrative Examples
IFRIC International Financial Reporting Interpretations Committee
IFRS International Financial Reporting Standards
IFRSAC International Financial Reporting Standards Advisory Council
IG Implementation Guidance
iVm in Verbindung mit
lit. litera
PiR Praxis der internationalen Rechnungslegung
PwC Pricewaterhouse Coopers
Rz. Randziffer
S. Seite
TEUR Tausend Euro
u.a. unter anderem
UBS Union Bank of Switzerland
UGB Unternehmensgesetzbuch
UK United Kingdom
USA United States of America
US-GAAP US General Accepted Accounting Principles
Vgl. Vergleiche
VMEBF Vereinigung zur Mitwirkung an der Entwicklung des Bilanzrechts für Familiengesellschaften
VO Verordnung
z.B. zum Beispiel
1
1 Einleitung
Das Eigenkapital ist für Stakeholder eine maßgebliche Größe zur Beurteilung der Finanzlage
eines Unternehmens. Sowohl im österreichischen UGB (Unternehmensgesetzbuch) als auch in
den Internationalen Rechnungslegungsstandards IAS/IFRS (International Accounting
Standards / International Financial Reporting Standards) wird das Eigenkapital als eine
Residualgröße nach Abzug aller Schulden von den Vermögenswerten definiert. So einfach
diese Definition auch scheinen mag, so gibt es – insbesondere bei komplexeren Instrumenten -
dennoch viele Fragestellungen in der praktischen Anwendung der Internationalen
Rechnungslegungsstandards IAS/IFRS im Rahmen der Bilanzierung. Klassische Beispiele für
Finanzinstrumente mit Eigenschaften von Eigenkapital sind Wandelschuldverschreibungen in
verschiedenen Ausprägungen und bestimmte Arten von Vorzugsaktien.
Grundsätzlich ist der Ausweis von Finanzinstrumenten in der internationalen Rechnungslegung
nach IAS/IFRS im IAS 32 „Finanzinstrumente: Darstellung“ geregelt. Insbesondere bei
Finanzinstrumenten mit vielen unterschiedlichen Eigen- als auch Fremdkapitalmerkmalen stößt
der Anwender oft an die Grenzen des IAS 32. Zum einen beklagen Anwender das Fehlen eines
klaren Grundprinzips in der Klassifizierung als Eigen- oder Fremdkapital, zum anderen klagen
Bilanzleser über mangelnde Informationen über diese Instrumente in den Notes.
Der Standardsetter der internationalen Rechnungslegung, das IASB (International Accounting
Standards Board), ist sich des Problems schon seit längerem bewusst und startete gemeinsam
mit dem US-GAAP (US General Accepted Accounting Principles) Standardsetter, dem FASB
(Financial Accounting Standards Board), das Projekt „FICE“ (Financial Instruments with
Characteristics of Equity) zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital. Ein Discussion Paper
(DP) zu dem Thema wurde im Februar 2008 veröffentlicht. Im November 2010 entschieden
sich der IASB und das FASB im Rahmen einer gemeinsamen Sitzung das Projekt zu
verschieben. Im Zuge der Arbeiten am Conceptual Framework1 beschloss das IASB im
Dezember 2012, dieses Thema erneut aufzugreifen2 - allerdings ohne Beteiligung des FASB.
Im März 2018 wurde das neue Conceptual Framework vom IASB veröffentlicht, welches am
1 Anm.: Darunter versteht man das Rahmenwerk des IFRS, das dem IASB als auch den Anwendern eine
Grundlage für die Erarbeitung und auch die Auslegung von Rechnungslegungsvorschriften liefern soll. Nähere Erläuterungen siehe Kapitel 2.1.1.
2 Vgl. Barckow in: PiR 10/2015, S. 271.
2
01. Jänner 2020 in Kraft treten soll.3 Das überarbeitete Conceptual Framework hält an der
Definition des Eigenkapitals als Residualgröße fest – eine Vornahme von etwaigen Änderungen
könnte nach Abschluss des FICE Projektes „Finanzinstrumente mit Eigenschaften von
Eigenkapital“ erfolgen.4 Am 28. Juni 2018 wurde vom IASB (International Accounting
Standards Board) das Discussion Paper „DP/2018/1 – Finanzinstrumente mit Eigenschaften
von Eigenkapital“ veröffentlicht. Die Kommentierungsfrist lief bis zum 07. Jänner 2019.
Ziel der Masterarbeit ist es, die Problembereiche in der Klassifizierung von Finanzinstrumenten
mit Eigenschaften von Eigenkapital unter den Gesichtspunkten der internationalen
Rechnungslegungsstandards IAS/IFRS herauszuarbeiten und anhand der im Discussion Paper
des IASB „DP/2018/1 – Finanzinstrumente mit Eigenschaften von Eigenkapital“ erläuterten
Lösungsansätze zu evaluieren.
Forschungsfrage:
Welche Regelungslücken in der Bilanzierung von Finanzinstrumenten mit Eigenschaften von
Eigenkapital im IAS/IFRS gibt es und inwiefern könnten die Lösungsansätze das DP/2018/1
dabei Abhilfe schaffen?
Gang der Arbeit
Nach einer Einleitung wird im Kapitel 2 in einem ersten Schritt die Organisation und die
Zielsetzung der Internationalen Rechnungslegung und der Aufbau der Organe beschrieben.
Danach wird anhand des Standardsettingprozess („due process“) die Bedeutung eines
Discussion Papers im Standardsettingprozess herausgearbeitet und am Ende die Grundsätze der
internationalen Rechnungslegung, welche die Grundlage für den gesamten Standard bilden,
kurz beschrieben.
Das Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Definitionen von Eigenkapitalinstrumenten,
Fremdkapitalinstrumenten und Finanzinstrumenten. Des Weiteren wird in diesem Kapitel noch
auf die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital näher eingegangen.
3 Vgl. IFRS Foundation: Conceptual Framework. 4 Vgl. PwC, IFRS Aktuell, Mai 2018, S. 10.
3
In Kapitel 4 werden die Problembereiche herausgearbeitet, die derzeit bei der Bilanzierung von
Finanzinstrumenten mit Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital bestehen. Ein
wesentliches Kriterium für die Klassifizierung kommt dem „wirtschaftlichen Gehalt“ einer
Vereinbarung zu. Diesbezüglich wird untersucht, was damit genau gemeint ist und ob es hier
etwaige Spielräume in der Auslegung gibt. Danach werden einzelne Finanzinstrumente näher
beleuchtet, die Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital haben. Hier wird zum einen auf
Wandelschuldverschreibungen mit unterschiedlichen Ausprägungen und auf Vorzugsaktien
eingegangen.
Das Kapitel 5 – das Herzstück dieser Masterarbeit – beschäftigt sich mit dem Discussion Paper
DP/2018/1 sowie ausgewählten Rückmeldungen auf das Discussion Paper, die sogenannten
Comment Letters. In einem ersten Schritt werden hier die vom IASB erarbeiteten Vorschläge
bestimmter Sections5 des DP/2018/1 theoretisch aufgearbeitet und in Folge anhand der
Rückmeldungen ausgewählter Comment Letters analysiert.
Im letzten Kapitel, welches sich mit der Conclusio und dem Ausblick beschäftigt, werden die
in Kapitel 4 identifizierten Regelungslücken mit den in Kapitel 5 präsentierten Ansätzen des
DP/2018/1 gegenübergestellt und die Forschungsfrage beantwortet. Des Weiteren gibt dieses
Kapitel einen kurzen Ausblick über die weitere Behandlung des Themas.
5 Anm.: Die Unterkapitel des DP/2018/1 werden als „Sections“ bezeichnet. In der Masterarbeit wird dieser Terminus übernommen.
4
2 Organisationsstruktur des IASB und der Standardsettingprozess in der internationalen Rechnungslegung
2.1 Organisation und Zielsetzung der Internationalen Rechnungslegung
Die weltweite Globalisierung erfordert Harmonisierungsmaßnahmen in vielen Bereichen, unter
anderem auch in der Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen von international agierenden
Unternehmen. So wurde im Jahr 1973 das International Accounting Standards Committee
(IASC) auf Initiative Großbritanniens mit dem Ziel der internationalen Harmonisierung von
Abschlüssen gegründet.6 Zu den Gründungsstaaten gehörten berufsständische Vertreter aus
Australien, Deutschland, Frankreich, Japan, Kanada, Mexiko, Niederlande, UK, Irland und den
USA.7 Im Jahr 1997 erkannte man, dass die Struktur des IASC überholt sei, was der Startschuss
einer kompletten Reorganisation war. Der Reorganisationsprozess war im Jahr 2001
abgeschlossen und endete in einer Neugründung des International Accounting Standards Board
(IASB) als Nachfolgeorganisation des IASC. Unter dem IASC wurden die internationalen
Rechnungslegungsstandards als International Accounting Standards (IAS) veröffentlicht.
Durch die Reorganisation kam es auch hier zu einer Änderung, wodurch seit dem Jahr 2001
neue Standards als International Financial Reporting Standards (IFRS) bezeichnet werden.8
Das IASB, der Standardsetter der Internationalen Rechnungslegungsstandards, ist ein Verein
mit Sitz in London und besteht aus einer unabhängigen Gruppe von Experten, mit der Aufgabe
IFRS Standards zu entwickeln und zu veröffentlichen.9 Darüber steht die Trägerorganisation,
die IFRS Foundation, die für die Überwachung und Finanzierung des IASB sowie für die
Bereitstellung der gesamten Organisationsstruktur verantwortlich ist.10 Als weitere wichtige
Organe in der Organisationsstruktur wären noch die Trustees bzw. Treuhänder der IFRS
Foundation, zuständig für die Überwachung des IASB, das IFRS Interpretations Committee
(IFRIC), zuständig für die Auslegung von praktischen Fragen im Rahmen der internationalen
Rechnungslegung sowie das IFRS Advisory Council (IFRSAC), zuständig für die fachliche und
6 Vgl. Zülch/Hendler, 2017, S. 30. 7 Vgl. Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: IAS Plus, International Accounting Standards Committee (IASC). 8 Vgl. Pellens et al., 2017, S. 51. 9 Vgl. IFRS Foundation: About the International Accounting Standards Board (Board). 10 Vgl. Pellens et al., 2017, S. 52.
5
Abbildung 1: Struktur des IASB
technische Beratung des IASB, zu nennen.11 Im Jahr 2009 wurde zudem noch das Monitoring
Board ins Leben gerufen, das die Verknüpfung zwischen den Trustees und bedeutsamen
Kapitalmarktinstitutionen herstellen soll.12 Die IFRS Foundation hat eine dreistufige
Steuerungsstruktur, wobei das Monitoring Board für die öffentliche Rechenschaftspflicht
(„public accountability“), die Trustees und die IFRS Foundation selbst für die Steuerung
(„governance“) und das IASB und das IFRS Interpretations Committee als unabhängige
Standardsetter („independent standard setting“) fungieren. Das IFRS Advisory Council ist als
Ratgeber für die Trustees und das IASB zu sehen, wobei sich das IASB auch noch vielen
weiteren Beratungsgremien und Beratergruppen bedient.13
Hier ein graphischer Überblick über die oben beschriebene Struktur des IASB:
Quelle: MAZARS.IFRS-PORTAL: Was ist der IASB?
11 Vgl. Zülch/Hendler, 2017, S. 33. 12 Vgl. Pellens et al., 2017, S. 54. 13 Vgl. IFRS Foundation: Our Structure.
Monitoring Board (bestehend aus Vertretern öffentlicher Kapitalmarktbehörden)
IFRS Advisory Council
Treuhänder der IFRS Foundation (Kontrollfunktion)
berichten an
ernennen informiert
ernennt, überwacht
informiert beaufsichtigen, prüfen die
Wirksamkeit, ernennen und finanzieren
Unterstützende Abteilungen der IFRS Foundation
International Accounting Standards Board (IASB)
IFRS Interpretations Committee (IFRIC)
Standardsetter gibt strategische
Empfehlungen
6
2.1.1 Das Regelwerk der IFRS
Wie bereits erwähnt, wird das IASB als der Standardsetter der Internationalen
Rechnungslegung bezeichnet. Das Regelungssystem des IASB besteht aus folgenden fünf
Bestandteilen:
- Preface to International Financial Reporting Standards
- Conceptual Framework for Financial Reporting
- Standards
- Interpretations
- Anwendungshilfen: Application Guidance, Implementation Guidance, Illustrative
Examples
In den folgenden Absätzen werden die einzelnen Bestandteile näher beschrieben.
Im Preface (Vorwort) werden allgemeine Dinge, wie die Ziele des IASB oder der
Standardeinführungsprozess erläutert.
Das Conceptual Framework umfasst allgemeine Rechnungslegungsgrundsätze sowie
allgemeine Definitionen. Es ist kein Standard und keine Regelung des Conceptual Frameworks
steht über den Bestimmungen eines Standards.14 Der Zweck des Conceptual Frameworks ist es,
dem IASB bei der Entwicklung von zukünftigen Standards und bei der Überarbeitung von
bestehenden Standards eine Guideline zur Verfügung zu stellen sowie den Anwendern und
Prüfern bei auslegungsbedürftigen Themen eine Hilfestellung zu bieten. Im Prinzip richtet sich
das Conceptual Framework primär an den Standardsetter selbst.15 Das derzeit anzuwendende
Conceptual Framework stammt aus dem Jahr 1989 und wurde in den letzten Jahren
überarbeitet. Am 29. März 2018 wurde das neue überarbeitete Conceptual Framework
veröffentlicht. Die Erstanwendung hat per 01. Jänner 2020 zu erfolgen.
Die einzelnen Standards sind nach Themenbereichen gegliedert. So beschäftigt sich
beispielsweise der IAS 1 mit der Darstellung des Abschlusses, der IFRS 9 mit dem Ansatz und
der Bewertung von Finanzinstrumenten und der IAS 32 mit der Darstellung von
Finanzinstrumenten. Die Standards folgen in ihrem Aufbau keiner einheitlichen Systematik. In
14 Vgl. EY, 2017, S. 41. 15 Vgl. Grünberger, 2017, S. 57.
7
der Regel erfolgt eine Untergliederung in Zielsetzung, Anwendungsbereich, Definition, Ansatz
und erstmalige Bewertung, Folgebewertung, Anhangangaben, Übergangsvorschriften und
Zeitpunkt des Inkrafttretens.
Das IFRIC hat unter anderem die Aufgabe bei Rechnungslegungsfragen von allgemeinem
Interesse, die nicht ausdrücklich in Standards geklärt sind, Leitlinien (Interpretations) zu
erstellen.16 Diese Leitlinien werden vom IASB autorisiert und sind daher verbindlich
anzuwenden.17
Application Guidances (AG) geben eine Hilfestellung in der Anwendung von Standards. Sie
sind integraler Bestandteil des jeweiligen Rechnungslegungsstandards und somit verpflichtend
anzuwenden.
Die Implementation Guidances (IG) sollen bei der Einführung von neuen IFRS Standards eine
Hilfestellung bieten. Eine weitere Hilfestellung bieten die Illustrative Examples (IE), die die
Umsetzung von Regelungen anhand von praktischen Beispielen darlegen. Diese beiden
Leitlinien haben Empfehlungscharakter und stellen somit keinen integralen Bestandteil der
Rechnungslegungsstandards dar.18
2.1.2 Der Prozess der Standardsetzung
Das oberste Ziel der IFRS Foundation ist es, ein Regelwerk mit hoher Qualität zu entwickeln,
das verständlich, durchführbar und weltweit anerkannt ist und auf klaren Prinzipien basiert.19
Der Standardsettingprozess (auch „due process“) ist höchst transparent und involviert in jeder
Stufe öffentliche Konsultationen um ein besseres Verständnis für
Rechnungslegungsalternativen zu bekommen und die potentiellen Effekte auf betroffene
Akteure zu verstehen.20 Zur Sicherstellung der Qualität und einer globalen Akzeptanz werden
16 Vgl. Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: IAS Plus, IFRS Interpretations Committee. 17 Vgl. Zülch/ Hendler, 2017, S.36. 18 Vgl. Zülch /Hendler, 2017, S. 37. 19 Vgl. IFRS Foundation: Due Process Handbook, June 2016, Rz 1.1. 20 Vgl. IFRS Foundation: Due Process Handbook, June 2016, Rz 1.2.
8
Abbildung 2: Due Process des IASB
somit im Standardsetzungsverfahren auch die Standpunkte von externen Experten, wie z.B.
Anwendern, Investoren und nationalen Gesetzgebern berücksichtigt.21
Die breite Öffentlichkeit hat Zugang zu allen Schriftstücken des IASB und kann an den Board
Meetings teilnehmen oder sie via der Website verfolgen.22 Diese Prinzipien sind auch im „Due
Process Handbook for the IASB“ unter Punkt 3.1 ff festgeschrieben.
Die Schritte des Standardsettingprozesses kann man in sechs Stufen einteilen:
Quelle: Zülch/Hendler, 2017, S. 41.
Gibt es bei einem Thema ein größeres Rechnungslegungsproblem bzw. eine
diskussionswürdige Fragestellung (Stufe 1), so kann dieses Thema in das sogenannte
„Research Programme“ aufgenommen werden. In einem ersten Schritt wird das Problem
anhand der geltenden Rechnungslegungspraxis evaluiert.23 Als Output der Analyse erwartet
21 Vgl. Pellens et al., 2017, S. 66. 22 Vgl. IFRS Foundation: Who we are and what we do, 2018, S. 4. 23 Vgl. IFRS Foundation: Due Process Handbook, 2016, 4.6.
Stufe 1• Aufnahme einer diskussionswürdigen Fragestellung in das
Arbeitsprogramm
Stufe 2• Projektplanung (u.a. Klärung der Zusammenarbeit mit anderen
Standardsettern)
Stufe 3• Entwicklung und Veröffentlichung eines Diskussionspapiers (DP)
Stufe 4• Entwicklung und Veröffentlichung eines Exposure Draft (ED)
nach Auswertung der Kommentare
Stufe 5• Entwicklung und Veröffentlichung eines IFRS nach Auswertung
der Kommentare zum ED
Stufe 6• Kontinuierliche Überprüfung der Anwendbarkeit der Standards
im Lichte der sich wandelnden Rahmenbedingungen
Due Process des IASB
Setting the Agenda
Project Planning
Development and publication of a discussion paper
Development and publication of a exposure draft
Development and publication of an IFRS
Procedures after an IFRS is issued
9
man ein „Discussion Paper“ und sogenannte „Research Papers“ (Stufe 3). Das Ziel der
„Discussion Papers“ ist es, Kommentare von interessierten Akteuren zu erhalten, die dem
IASB helfen zu evaluieren, ob das Projekt in das Standardsettingprogramm aufgenommen wird
– in diesen Fällen kommen die Stufen 4 – 6 zum Tragen. „Discussion Papers“ sind in der Regel
so aufgebaut, dass sie einen Überblick über das Thema geben, auf mögliche Lösungsansätze
eingehen, die Sicht des IASB darstellen und dazu einladen, einen Comment Letter abzugeben.24
Die Comment Letters spielen eine zentrale Rolle im Entwicklungsprozess von IFRS Standards
und Interpretationen.25 In der Regel haben interessierte Akteure 120 Tage Zeit um sich am
Kommentierungsverfahren zu beteiligen.26 Die Comment Letters werden auf der Website der
IFRS Foundation auf der Seite des jeweiligen Research Projects veröffentlicht und sind somit
öffentlich zugänglich. Nach Ablauf der Frist werden die Comment Letters vom Projektteam
analysiert, zusammengefasst und dem IASB vorgelegt.27
Der oben dargestellte Prozess ist keinesfalls starr, sondern kann je nach Komplexität des
Themas zusätzliche Schleifen oder Erörterungen (z.B. in Form von Re-Exposure Drafts,
weiteren Stellungnahmen) aber auch verkürzte Standardsetzungsverfahren vorsehen.28 Des
Weiteren gibt es im Verfahren verpflichtend und nicht verpflichtend einzuhaltende Stufen. So
ist beispielsweise die Veröffentlichung eines Discussion Papers nicht zwingend vor der
Veröffentlichung eines Exposure Drafts vorgesehen.29
2.1.3 Grundsätze der Rechnungslegung nach IAS/IFRS
Im Fokus der Rechnungslegung nach IAS/IFRS ist die Nützlichkeit des Informationsgehalts für
bestehende und künftige Investoren, Kreditgeber oder andere Kreditoren, die ihre
Entscheidungen auf Basis der veröffentlichten Abschlüsse treffen. Im Gegensatz zum
österreichischen UGB, in dem das Vorsichtsprinzip im Mittelpunkt steht, steht bei den
24 Vgl. IFRS Foundation: Due Process Handbook, 2016, 4.12. 25 Vgl. IFRS Foundation: Due Process Handbook, 2016, 3.64. 26 Vgl. IFRS Foundation: Due Process Handbook, 2016, 4.17. 27 Vgl. IFRS Foundation: Due Process Handbook, 2016, 4.20. 28 Vgl. Pellens et al., 2017, S. 66. 29 Vgl. IFRS Foundation: Due Process Handbook, 2016, 3.44.
10
IAS/IFRS der Grundsatz der „true and fair view“ im Zentrum, welcher in IAS 1.15 verankert
ist.
Das Conceptual Framework (F.Q.C1-39) unterteilt die qualitativen Anforderungen eines
Abschlusses in fundamentale („fundamental“) und unterstützende („enhancing“)
Charakteristika. Zu den fundamentalen Charakteristika zählen die Relevanz („relevance“) und
die wahrheitsgetreue Darstellung („faithful representation“) der Angaben. Informationen sind
relevant, wenn ein Weglassen oder eine verfälschte Präsentation der Informationen eine
Auswirkung auf die Entscheidung hätte.30 Eine wahrheitsgetreue Darstellung liegt dann vor,
wenn die Angaben vollständig („completeness“), neutral („neutrality“) und frei von
(wesentlichen) Fehlern („free from error“) sind. Zu den unterstützenden Charakteristika zählen
die Vergleichbarkeit („comparability“), die Nachprüfbarkeit („verifiability“), die Aktualität
(„timeliness“) und die Verständlichkeit („understandability“).
Des Weiteren müssen Abschlüsse nach dem „going concern“31 Prinzip aufgestellt werden,
außer es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Unternehmen aufgelöst wird oder seine
Tätigkeit einstellen wird bzw. keine realistische Alternative zur Weiterführung hat. In diesen
Fällen ist dieser Fakt im Abschluss anzugeben und auf die Gründe einzugehen.32
Anders als im UGB ist das Vorsichtsprinzip kein Grundsatz in der Rechnungslegung nach
IFRS. Der Grund dafür ist, dass das IASB der Ansicht ist, dass es mit den Prinzipien Relevanz
und Neutralität im Widerspruch steht.33
30 Vgl. Grünberger, 2017, S. 62. 31 Anm.: Damit ist gemeint, dass Abschlüsse unter der Prämisse der Unternehmensfortführung aufgestellt werden. 32 Vgl. IAS 1.25. 33 Vgl. Grünberger, 2017, S. 63.
11
3 Begriffsdefinition und Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital
im IAS/IFRS
3.1 Begriffsdefinitionen
3.1.1 Eigenkapital und Eigenkapitalinstrumente
Dem Thema Eigenkapital ist in den IAS/IFRS kein eigener Standard gewidmet. Im Conceptual
Framework befindet sich eine recht weit gefasste Definition. Des Weiteren geht der IAS 32 auf
die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten ein.
Das Conceptual Framework bestimmt den Begriff des Eigenkapitals dahingehend, dass es die
Differenz aus sämtlichen Vermögenswerten und Schulden des bilanzierenden Unternehmens
darstellt.34 Infolgedessen ist die Höhe des Eigenkapitals abhängig von der Bewertung der
Vermögenswerte und Schulden.35
Das Conceptual Framework bestimmt hinsichtlich des Ausweises des Eigenkapitals, dass eine
Aufteilung des Eigenkapitals in Subkategorien zu erfolgen hat, soweit der Ausweis von
diversen Rücklagen (gesetzlich verpflichtend zu haltende Rücklagen,
Neubewertungsrücklagen, Gewinnrücklage) für die Investoren im Entscheidungsprozess von
Bedeutung sein kann.36 IAS 1.54 (r) fordert eine bilanzielle Aufgliederung des Eigenkapitals in
gezeichnetes Kapital und Rücklagen, die den Eigentümern der Muttergesellschaft zuzuordnen
sind. Zudem bekräftigt auch IAS 1.78 (e) das Erfordernis einer Aufgliederung, allerdings
abhängig von den Anforderungen des jeweiligen anzuwendenden IFRS Standards sowie der
Größe, Art und Funktion der einbezogenen Beträge.
Das Conceputal Framework wurde nach einer Überarbeitung in den letzten Jahren am 29. März
2018 veröffentlicht und ist per 1. Jänner 2020 anzuwenden. Die Definition des Eigenkapitals
wurde unverändert ins neue Conceptual Framework übernommen.
34 Vgl. Conceputal Framework F.4.4. 35 Vgl. Conceptual Framework F.4.22. 36 Vgl. Conceptual Framework F.4.21.
12
IAS 32 definiert den Begriff des Eigenkapitalinstruments. Demnach versteht man unter einem
Eigenkapitalinstrument gemäß IAS 32.11 einen Vertrag, „der einen Residualanspruch an den
Vermögenswerten eines Unternehmens nach Abzug aller Schulden begründet“. Somit
übernimmt das IAS 32 mehr oder weniger die Definition aus dem Rahmenkonzept.
IAS 32.16 bestimmt sinngemäß, dass nur dann ein Eigenkapitalinstrument gegeben ist, wenn
folgende Bedingungen erfüllt werden:
- keine vertragliche Verpflichtung, Vertragspartnern flüssige Mittel oder einen anderen
finanziellen Vermögenswert zu liefern oder unter potentiell nachteiligen Bedingungen
auszutauschen, oder
- ein potentiell in Eigenkapitalinstrumenten zu erfüllender Vertrag, wenn
o ein nicht derivatives Finanzinstrument, mit keiner vertraglichen Verpflichtung
eine variable Anzahl von Eigenkapitalinstrumenten zu liefern, besteht
o ein derivatives Finanzinstrument, bei dem ein Tausch von
Eigenkapitalinstrumenten gegen Entgelt möglich ist, besteht.
Im Anhang des IAS 32 unter A13 werden folgende Beispiele für Eigenkapitalinstrumente
angeführt:
- Nicht kündbare Stammaktien
- Einige kündbare Instrumente (siehe IAS 32.16A und B)
- Einige Instrumente, bei denen ein Unternehmen verpflichtet wird, bei einer
Liquidation einer anderen Partei einen proportionalen Anteil an seinem
Nettovermögen zu liefern (IAS 32.16C und D)
- Einige Arten von Vorzugsaktien (IAS 32.25 und 26)
- Optionsscheine oder Verkaufsoptionen, die zur Zeichnung oder zum Kauf einer festen
Anzahl von nicht kündbaren Stammaktien ermächtigen
3.1.2 Finanzielle Verbindlichkeiten
Auch der Begriff der „Verbindlichkeit“ wird im Conceptual Framework unter F.4.4. definiert.
Demnach ist eine „Verbindlichkeit“ eine gegenwärtige Verpflichtung, die sich aus vergangenen
Ereignissen ergibt und deren Begleichung in einem Abfluss von Ressourcen resultieren wird.
Zu dem Begriff der Schulden zählen somit neben den Verbindlichkeiten auch die
Rückstellungen. Schulden lassen sich in vier Kategorien einteilen:
13
- Finanzielle Verbindlichkeiten
- Vertragliche Schulden
- Nichtvertragliche Schulden
- Rückstellungen37
Für diese Arbeit von Bedeutung ist die Kategorie der finanziellen Verbindlichkeiten – auf
diesen Begriff wird hier eingegangen, die anderen Kategorien sind an dieser Stelle nur der
Vollständigkeit halber erwähnt.
IAS 32.11 definiert den Begriff der finanziellen Verbindlichkeiten. Demnach ist eine finanzielle
Verbindlichkeit
- eine vertragliche Verpflichtung, Vertragspartnern flüssige Mittel oder einen anderen
finanziellen Vermögenswert zu liefern oder unter potentiell nachteiligen Bedingungen
auszutauschen, oder
- ein potentiell in Eigenkapitalinstrumenten zu erfüllender Vertrag, wenn
o ein nicht derivatives Finanzinstrument, mit einer vertraglichen Verpflichtung
eine variable Anzahl von Eigenkapitalinstrumenten zu liefern, besteht
o ein derivatives Finanzinstrument, bei dem ein Tausch von
Eigenkapitalinstrumenten gegen Entgelt nicht möglich ist, besteht.
3.1.3 Finanzinstrumente
Ein Finanzinstrument ist gemäß IAS 32.11 ein Vertrag, der bei einem Unternehmen zu einer
finanziellen Verbindlichkeit und gleichzeitig bei einem anderen Unternehmen zu einem
finanziellen Vermögenswert führt. Grundsätzlich kann man unter dem Begriff
„Finanzinstrument“ alles subsumieren, was nicht immateriell (z.B. Patente, Lizenzen,
Konzessionen) oder materiell (z.B. Sachanlagevermögen, Vorräte) ist bzw. eine Ausnahme
vom Anwendungsbereich des IAS 32 bietet. Das Ausüben eines vertraglichen Rechts kann
entweder bedingt oder unbedingt erfolgen. Im Falle der bedingten Ausübung hängt es von
zukünftigen Ereignissen ab („contingent“).38
37 Vgl. Grünberger, 2017, S. 279. 38 Vgl. Barckow in: Baetge et al. (Hrsg.), 2015, S. 7.
14
Passivische Finanzinstrumente lassen sich in finanzielle Verbindlichkeiten und
Eigenkapitalinstrumente unterteilen.
Finanzinstrumente können des Weiteren in originäre Finanzinstrumente (z.B. Forderungen,
Zahlungsverpflichtungen oder Eigenkapitalinstrumente) und derivative Finanzinstrumente
(z.B. Optionen, Swaps, Termingeschäfte) unterteilt werden. Bei derivativen
Finanzinstrumenten werden Rechte und Verpflichtungen begründet was bedeutet, dass
Finanzrisiken der zugrunde liegenden originären Finanzinstrumente separat übertragbar sind.39
3.2 Die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital im IAS/IFRS
Die Abgrenzung zwischen Eigenkapital und Schulden richtet sich nicht danach, wie ein
Finanzinstrument rechtlich ausgestaltet ist, sondern nach den Definitionsmerkmalen des IAS
32.40 IAS 32.15 bestimmt, dass das Finanzinstrument bzw. dessen Bestandteile beim
erstmaligen Ansatz entsprechend der wirtschaftlichen Substanz der vertraglichen Vereinbarung
einzustufen ist („substance over form“).
Maßgeblich für die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital ist insbesondere die
Negativabgrenzung41 zu einer finanziellen Verbindlichkeit. Laut den Bestimmungen des IAS
32.11 und IAS 32.16 ist zum einen die vertragliche Verpflichtung, flüssige Mittel oder
finanzielle Vermögenswerte zu liefern bzw. finanzielle Vermögenswerte oder finanzielle
Verbindlichkeiten zu potentiell nachteiligen Bedingungen auszutauschen und zum anderen die
Möglichkeit einen Vertrag in Eigenkapitalinstrumenten zu erfüllen, maßgeblich für die
Klassifizierung als Eigenkapitalinstrument oder finanzielle Verbindlichkeit.
Bei Ersterem42 ist im eigentlichen Sinn somit eine bestehende (Rück-)Zahlungsverpflichtung
entscheidend und nicht der Residualcharakter.43 Sobald eine vertragliche Verpflichtung
39 Vgl. IAS 32.A15 f. 40 Vgl. Petersen et al. (Hrsg.), 2018, S. 262. 41 Anm.: Die Definition von finanziellen Verbindlichkeiten gem. IAS 32.11 ergibt im Umkehrschluss die Merkmale von Eigenkapitalinstrumenten, die in IAS 32.16 verankert sind. 42 Anm.: Der vertraglichen Verpflichtung flüssige Mittel oder finanzielle Vermögenswerte zu liefern bzw. finanzielle Vermögenswerte oder finanzielle Verbindlichkeiten zu potentiell nachteiligen Bedingungen auszutauschen. 43 Vgl. Petersen et al. (Hrsg.), 2018, S. 266.
15
enthalten ist, ein Zahlungsmittel oder einen anderen finanziellen Vermögenswert zu liefern,
muss eine Klassifizierung als Schuldinstrument erfolgen.44 Das heißt jedoch nicht, dass keine
Zahlungen während der Laufzeit erfolgen dürfen, sondern nur, dass sie nicht vertraglich
vorbestimmt sein dürfen.45 Eine vertragliche Verpflichtung heißt grundsätzlich, dass man sich
der Leistung nicht entziehen kann. Zu einer vertraglichen Verpflichtung zählt auch das Recht,
in der Zukunft eine Zahlungsverpflichtung herbeizuführen.46 Liegt die Auszahlung nicht im
Ermessen des Unternehmens, so liegt eine Schuld vor. Im Falle von Dividenden liegt die
Zahlung im Ermessen des Unternehmens, wonach Aktien als Eigenkapitalinstrumente zu
klassifizieren sind.47 Bei ewigen Schuldinstrumenten, wie beispielsweise ewigen Anleihen,
liegt eine unendliche Laufzeit vor, was bedeutet, dass es zu keiner Rückzahlungsverpflichtung
kommt. Allerdings haben die Inhaber in der Regel ein vertragliches Recht Zinszahlungen zu
erhalten. IAS 32.AG6 bestimmt dazu, dass in solchen Fällen das Finanzinstrument als
finanzielle Verbindlichkeit zu klassifizieren ist.
Bei Zweiterem, nämlich einer Begleichung in eigenen Eigenkapitalinstrumenten, kommt eine
Einstufung als Eigenkapitalinstrument nur in Frage, wenn ein festes Austauschverhältnis mit
der Höhe der Gegenleistung der Zahlung und den zu liefernden Eigenkapitalinstrumenten
besteht.48 Dies wird in der Literatur als die „fixed-to-fixed“ Regel bezeichnet. Ist die Anzahl
der Eigenkapitalinstrumente variabel, so ist zwingend eine finanzielle Verbindlichkeit zu
bilanzieren.49 Ist festgelegt, dass die Höhe variabel bemessen wird, so liegt ebenfalls eine
finanzielle Verbindlichkeit vor, weil das Unternehmen eine variable Anzahl von
Eigenkapitalinstrumenten verwendet, wodurch der Vertrag keinen Residualanspruch
begründet50.
Wie in diesem Unterkapitel eingangs erwähnt, ist bei der Klassifizierung als Eigen- oder
Fremdkapital die wirtschaftliche Substanz des Finanzinstruments maßgeblich („substance over
form“). IAS 32.18 geht in diesem Zusammenhang auf eine Vorzugsaktie ein, bei der der
44 Vgl. Zülch/Hendler, 2017, S. 295. 45 Vgl. Barckow in: Baetge et al. (Hrsg.), 2015, S. 19. 46 Vgl. Zülch/Hendler, 2017, S. 296. 47 Vgl. Grünberger, 2017, S. 296. 48 Vgl. Barckow in: Baetge et al. (Hrsg.), 2015, S. 22. 49 Vgl. IAS 32.21 und IAS 32.24. 50 Vgl. IAS 32.21.
16
Emittent eine Rückkaufspflicht hat bzw. dem Inhaber das Recht einräumt, den Rückkauf „zu
einem festen oder festzulegenden Geldbetrag“ vom Emittenten zu verlangen. Rechtlich stellt
dies Eigenkapital dar, ist aber aufgrund ihrer wirtschaftlichen Substanz als finanzielle
Verbindlichkeiten zu klassifizieren.
3.2.1 Kündbare Instrumente
Kündbare Instrumente werden auch als „puttable instruments“ bezeichnet, das bedeutet, dass
dem Inhaber das Recht der Rückgabe eingeräumt wird. Das Gegenteil davon wären „callable
instruments“ bei denen dem Emittenten das Recht eingeräumt wird, ein Instrument vorzeitig
zurückzunehmen.51
Kapitalformen mit einem Kündigungsrecht sowie Kapitalformen mit begrenzter Laufzeit sind
grundsätzlich als Schulden einzustufen. Davon ausgenommen sind kündbare Instrumente, die
der Definition des IAS 32.16A-D entsprechen.52
Die im IAS 32.18 genannte Ausnahme53 wurde in einer Änderung des IAS 32 im Jahr 2008
bewirkt. Auslöser dafür war ein Bilanzierungsproblem das sich ergibt, wenn ein Gesellschafter
einer Personengesellschaft ausscheidet. In der Regel ist im Gesellschaftsvertrag geregelt, dass
bei Ausscheiden eines Gesellschafters die geleistete Einlage zuzüglich Gewinnansprüche
zurückzuzahlen ist. Angesichts der Bestimmungen des IAS 32.18 wäre hier eine Bilanzierung
als finanzielle Verbindlichkeit erforderlich, obwohl bis zum Zeitpunkt der Klassifizierung
keine gegenwärtige Verpflichtung besteht. Dieses Problem wurde bereits von einem
Boardmitglied im Rahmen der Finalisierung der Überarbeitung des IAS 32 im Jahr 2003
erkannt. Dieses Boardmitglied argumentierte damals, dass die Erfassung einer Schuld in Höhe
des Herausgabeanspruchs widersprüchlich zur Fremdkapitaldefinition steht, da keine
gegenwärtige Verpflichtung in Höhe des Rückgewährungsanspruches vor dem Ereignis der
Kündigung besteht. Er argumentierte weiter, dass kündbare Gesellschaftsanteile genau
dieselben Rechte gewähren wie auch nicht kündbare Aktien, lediglich mit der Ausnahme des
vertraglichen Kündigungsrechtes. Da sich die gegenwärtige Verpflichtung bei einem solchen
Sachverhalt lediglich auf das Kündigungsrecht und nicht den Beteiligungsanspruch in Summe
51 Vgl. Barckow in: Baetge et al. (Hrsg.), 2015, S. 16 f. 52 Vgl. IAS 32.18. 53 Vgl. IAS 32.18 iVm IAS 32.16 A-D.
17
bezieht, war er der Ansicht, dass eine Abspaltung des Kündigungsrechtes als eigenständiges
Derivat und eine gesonderte Abbildung erforderlich sei.54 Im Jahr 2003 erfolgte ein
Mehrheitsbeschluss ohne Berücksichtigung des Einwurfs des Boardmitglieds. Da aber auch die
Kritik von IFRS bilanzierenden Unternehmen lauter wurde, wurde der IAS 32 um
Bestimmungen zu kündbaren Instrumenten (IAS 32.16 A – D) im Jahr 2008 ergänzt.
Nach IAS 32.16A ist ein kündbares Finanzinstrument, bei dem bei Ausübung der
Kündigungsoption das Finanzinstrument gegen flüssige Mittel oder einem anderen finanziellen
Vermögenswert zurückgekauft wird, als Eigenkapitalinstrument einzustufen, wenn alle der
folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der Inhaber hat das Recht, einen proportionalen Anteil am Nettovermögen zu erhalten,
wenn das Unternehmen liquidiert wird.
- Das Instrument zählt zu den nachrangigen Finanzinstrumenten.
- Alle Instrumente der Klasse haben dieselben Merkmale.
- Es bestehen keine über die Abfindung bei Kündigung hinausgehenden
Zahlungsverpflichtungen.
- Die Zahlungsflüsse, die während der Laufzeit für das Instrument erwartet werden,
betreffen im Wesentlichen Gewinne oder Verluste, die das Unternehmen erwirtschaftet.
IAS 32.AG28 bestimmt, dass bei bedingten Erfüllungsvereinbarungen, deren Eintreten höchst
unwahrscheinlich ist für die Einstufung als Eigenkapitalinstrumente nicht schädlich sind.
Daraus kann abgeleitet werden, dass außerordentliche bzw. gesetzliche Kündigungsrechte die
nicht im ständigen Ermessen des Inhabers und nur in Extremfällen vorgesehen sind, einer
Einstufung als Eigenkapitalinstrument nicht schaden.
3.2.2 Erfüllungswahlrechte
Enthält ein Finanzinstrument eine bedingte Erfüllungsvereinbarung, so ist grundsätzlich eine
Klassifikation als Fremdkapitalinstrument vorzunehmen, da sich ein Unternehmen der
entsprechenden Verpflichtung nicht entziehen kann. Eine bedingte Erfüllungsvereinbarung
wäre beispielsweise, dass eine Verpflichtung zur Lieferung erst abhängig durch eine bestimmte
Entwicklung von Indizes, Zinssätze, Verschuldungsgrade, etc. des Unternehmens schlagend
54 Vgl. Barckow in: PiR 10/2015, S. 270.
18
wird. Eine Klassifizierung als Eigenkapitalinstrument würde hier nur in Frage kommen, wenn
das bedingte Ereignis äußerst ungewöhnlich und sehr unwahrscheinlich ist oder eine
Zahlungsverpflichtung nur im Falle einer Liquidation des Emittenten entsteht.55
IAS 32.25 bestimmt, dass bei einer Abhängigkeit der Zahlung von externen Faktoren (z.B.
Zinssätzen, Umsatzerlösen, Indices) Schulden vorliegen.
55 Vgl. Zülch/Hendler, 2017, S. 296.
19
4 Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten mit Eigenschaften von
Eigenkapital im IAS/IFRS – Ausgangslage und Problemstellung
4.1 Finanzinstrumente mit Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital
und deren Bilanzierung
Grundsätzlich muss die Klassifizierung als Eigen- oder Fremdkapitalinstrument beim
erstmaligen Ansatz entsprechend der Kriterien des IAS 32 erfolgen.56 Neben eindeutig dem
Eigenkapital bzw. dem Fremdkapital zuordenbaren Instrumenten gibt es auch noch
zusammengesetzte Instrumente, die sowohl Eigenschaften von Eigen- als auch Fremdkapital
haben.
Trifft die Definition des IAS 32.11 auf ein Instrument zu, so hat beim erstmaligen Ansatz eine
Klassifizierung als finanzielle Verbindlichkeit zu erfolgen, bei Zutreffen der Definition des IAS
32.16 hingegen eine Klassifikation als Eigenkapitalinstrument.
Für nicht derivative Finanzinstrumente, die sowohl Eigen- und Fremdkapitalkomponenten
beinhalten, hat gemäß IAS 32.28 eine getrennte Bilanzierung zu erfolgen. Dies bedeutet, dass
das Finanzinstrument in eine Eigen- und Fremdkapitalkomponente aufzuteilen ist und
dementsprechend getrennt zu bilanzieren ist. Solche Instrumente werden als
„zusammengesetzte Instrumente“ bezeichnet. Der IAS 32.29 nennt hierbei
Wandelschuldverschreibungen oder Instrumente, bei denen eine Wandlung in eine feste Anzahl
von Stammaktien möglich ist, als Beispiele für solche Instrumente. Die Einstufung hat beim
erstmaligen Ansatz anhand des wirtschaftlichen Gehalts („substance over form“) der
Vertragsbestimmungen zu erfolgen57, wobei die Einstufung später nicht geändert werden darf,
wenn es bei der Wahrscheinlichkeit, dass die Tauschoption in Anspruch genommen wird, zu
Änderungen kommt.58 Wie in Kapitel 3.1.1. erläutert, stellen Eigenkapitalinstrumente einen
Residualanspruch an Vermögenswerten nach Abzug der Schulden dar. Die Vorgehensweise bei
der Bilanzierung von zusammengesetzten Finanzinstrumenten beim Emittenten ist gemäß den
Bestimmungen des IAS 32.31 wie folgt: In einem ersten Schritt wird die finanzielle
56 Vgl. IAS 32.15. 57 Vgl. IAS 32.15. 58 Vgl. IAS 32.30.
20
Verbindlichkeit ermittelt. In einem zweiten Schritt wird dann die ermittelte Schuldkomponente
von dem beizulegenden Zeitwert abgezogen, wodurch man die Eigenkapitalkomponente als
Residualanspruch für die Bilanzierung erhält. Das heißt, die Fremdkapitalkomponente ist als
Schuld und die Optionskomponente als Eigenkapital zu bilanzieren.59
Die Schuldkomponente ist gemäß den Bestimmungen des IFRS 9 zu bilanzieren. In der Regel
erfolgt der Ansatz zu fortgeführten Anschaffungskosten, das bedeutet, dass die Schuld über die
Laufzeit um den Zinsaufwand aufgestockt wird, bis am Ende der Laufzeit der
Rückzahlungsbetrag bilanziert wird.60
Die Optionskomponente, das Wandlungsrecht, ist ein Derivat, das im Eigenkapital gemäß den
Bestimmungen des IAS 32.31 als Residualanspruch bilanziert wird. IFRS 9 ist auf Derivate,
die der Definition eines Eigenkapitalinstruments entsprechen, nicht anwendbar.61
Der Wert der Optionskomponente bleibt zeitlich unbegrenzt in den Kapitalrücklagen stehen,
wenn am Ende der Laufzeit die Wandlungsoption nicht ausgeübt wird. In Summe kommt es
durch diese Vorgehensweise zu keiner Schaffung von Eigenkapital. Durch die Zubuchung des
Zinsaufwands zu der finanziellen Verbindlichkeit wird das Eigenkapital über die Laufzeit
genau um den Betrag gemindert, der die Optionskomponente darstellt.62 Die
Schuldkomponente ist bei Tilgung auszubuchen.
Wird hingegen das Wandlungsrecht ausgeübt, so kommt es zu einer Übertragung der Schuld
ins Eigenkapital. Die Umwandlung hat erfolgsneutral zu erfolgen.63
Bei frühzeitiger Rücknahme bzw. bei Rückkauf, bei dem das Wandlungsrecht weiterhin
bestehen bleibt, müssen alle Kosten für den Rückkauf bzw. die Rücknahme auf die Eigen- und
Fremdkapitalkomponente anhand derselben Methode wie beim erstmaligen Ansatz der
finanziellen Verbindlichkeit bzw. dem Eigenkapital zugeordnet werden.64
59 Vgl. Grünberger, 2017, S. 302. 60 Vgl. IFRS 9.4.2.1. iVm IFRS 9.5.4.1 ff. 61 Vgl. IFRS 9.2.1. lit. a. 62 Vgl. Grünberger, 2017, S. 302. 63 Vgl. IAS 32.A32. 64 Vgl. IAS 32.A33.
21
4.1.1 Die Rolle des Kriteriums des „wirtschaftlichen Gehalts“ einer Vereinbarung
Wie bereits erwähnt, ist gemäß IAS 32.15 im Rahmen des erstmaligen Ansatzes auf die
wirtschaftliche Substanz von vertraglichen Verpflichtungen abzustellen. Somit gilt es im
Rahmen der Bilanzierung anhand der vertraglichen Bestimmungen zu eruieren, ob ein
Eigenkapitalinstrument, ein Fremdkapitalinstrument oder ein zusammengesetztes
Finanzinstrument vorliegt.
Das IFRIC hat in einer Stellungnahme im November 2006 erläutert, dass
Wahrscheinlichkeitsüberlegungen oder außerhalb der Vertragsvereinbarung liegende Faktoren
für die Klassifizierung als Eigenkapitalinstrument, Fremdkapitalinstrument oder
zusammengesetztes Instrument keine Rolle spielen.65
Entsprechend den vertraglichen Bestimmungen, kann die Bilanzierung unterschiedlich sein. In
Kapitel 3.2. wurde das Beispiel einer ewigen Anleihe angeführt, die eine unendliche Laufzeit
und somit keine Rückzahlungsverpflichtung aber in der Regel vertragliche Zinszahlungen hat.
Hier bestimmt IAS 32.AG6, dass eine solche Anleihe als Schuldinstrument zu bilanzieren ist.
Werden jedoch keine fixen Zinszahlungen vereinbart, sondern liegen diese im Ermessen des
Emittenten, liegt keine vertragliche Zahlungsverpflichtung vor und somit ist die Voraussetzung
für die Bilanzierung als finanzielle Verbindlichkeit gem. IAS 32.11 nicht mehr erfüllt, was zu
einer Bilanzierung als Eigenkapitalinstrument führt.
Barckow erweitert das Beispiel dahingehend, dass anstatt der zwingenden Auszahlung von
Zinsen eine Vortragung und Kumulierung möglich sind und des Weiteren dem Emittenten alle
fünf Jahre ein Kündigungsrecht eingeräumt wird. Sofern er davon Gebrauch macht, müssen die
gesamten aufgelaufenen Zinsansprüche sowie die Nominale zurückbezahlt werden. Erfolgt
keine Kündigung, so erhöht sich der Zinssatz. Auch in diesem Fall kommt Barckow zum
Schluss, dass das Instrument als Eigenkapitalinstrument zu klassifizieren ist. Dies ruht daher,
dass sich der Emittent vertraglich zu keiner Zahlung verpflichtet, derer er sich nicht entziehen
kann. Die Kündigung durch den Emittenten und die damit einhergehende
Zinsrückzahlungspflicht steht in seinem freien Ermessen und ist gemäß den gesetzlichen
Bestimmungen für die Klassifizierung als Eigenkapitalinstrument nicht schädlich.66
65 Vgl. IASB, IFRIC Update November 2006, S. 7 f. 66 Vgl. Barckow in: Baetge et al. (Hrsg.), 2015, S. 20.
22
Die angeführten Beispiele sollen aufzeigen, wie der „wirtschaftliche Gehalt“ in der Praxis
ausgelegt werden kann. Obwohl eine Kapitalform augenscheinlich eine begrenzte Laufzeit hat
und derart bepreist ist, kann durch marginale Änderungen in den vertraglichen Bestimmungen
ein Ausweis als Eigenkapitalinstrument herbeigeführt werden. Es macht sich der Eindruck
breit, dass die formalrechtliche Betrachtung der wirtschaftlichen Sichtweise übergeordnet
wird.67
4.1.2 Ausgewählte Finanzinstrumente mit Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital
In den folgenden Kapiteln wird auf ausgewählte Finanzinstrumente eingegangen, die
Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital aufweisen. Dabei wurde auf Finanzinstrumente
abgestellt, die bereits vom Standardsetter als regelungswürdig empfunden wurden und explizit
Eingang in den IAS 32 gefunden haben.
4.1.2.1 Wandelschuldverschreibungen
Ein klassisches Beispiel für zusammengesetzte Finanzinstrumente, die Eigenschaften von
Eigen- und Fremdkapital haben und auch in IAS 32 explizit angeführt sind, sind
Wandelschuldverschreibungen.
Je nach wirtschaftlichem Gehalt der vertraglichen Vereinbarung muss beim erstmaligen Ansatz
die Klassifizierung als Eigen- oder Fremdkapitalinstrument bzw. als zusammengesetztes
Finanzinstrument erfolgen. Für die Klassifizierung maßgeblich ist auch, ob die sogenannte
„fixed-to-fixed“ Regel68 im Falle der Erfüllung in Eigenkapitalinstrumenten zum Einsatz
kommt oder die Erfüllung anhand einer variablen Anzahl von Aktien erfolgt, ob die
Voraussetzungen in IAS 32.16A-D im Hinblick auf kündbare Instrumente erfüllt sind, oder ob
eben zusammengesetzte Finanzinstrumente vorliegen.
67 Vgl. Barckow in: Baetge et al. (Hrsg.), 2015, S. 21 68 Vgl. hierzu die Erläuterungen in Kapitel 0.
23
Abbildung 3: Entscheidungsbaum für die Klassifizierung von Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten
Der Entscheidungsbaum für die Klassifizierung kann wie folgt abgebildet werden:
Quelle: BDO, 2012, S. 5.
Es gibt unterschiedliche Arten von Wandelschuldverschreibungen wie beispielsweise
klassische Wandleanleihen („convertible bonds“) Pflichtwandelanleihen („mandatory
convertible bonds“) oder bedingte Pflichtwandelanleihen („contingent convertible bonds“
bzw. „CoCo Bonds“).
Das Merkmal der klassischen Wandelanleihe ist, dass es zum Laufzeitende ein Wahlrecht
zwischen Kapitalrückzahlung und Wandlung in Aktien gibt. Die Bilanzierung erfolgt hier, wie
eingangs in diesem Kapitel beschrieben, als zusammengesetztes Finanzinstrument. Auf die
klassische Wandelanleihe wird nicht weiter eingegangen, da die Vorschriften zur Bilanzierung
gut im IAS 32 abgebildet werden.
4.1.2.1.1 Pflichtwandelanleihen
Bei der Pflichtwandelanleihe besteht kein Wandlungswahlrecht, was bedeutet, dass bereits bei
Zeichnung klar ist, dass der Vertrag durch die Ausgabe von Aktien erfüllt wird.69 Das bedeutet
jedoch auch, dass der Investor im Falle von sinkenden Aktienkursen einem Verlustrisiko
ausgesetzt ist. Zur attraktiveren Gestaltung der Anleihe wird häufig vereinbart, dass während
der Laufzeit Zinszahlungen vom Emittenten erfolgen und dass das Wandlungsrecht auch bereits
69 Vgl. Bardens et al. in: PiR 7/2013, S. 218.
Gibt es eine vertragliche Verpflichtung, der sich der Emittent nicht entziehen kann?
Gibt es eine Verpflichtung eine variable Anzahl von Aktien zu emittieren?
Gibt es eine Verpflichtung mit einer variablen Anzahl von Aktien die Rückzahlung zu erfüllen, wobei der Buchwert variabel ist?
Eigenkapital
JA
JA
NEIN
NEIN
NEIN
JA
Hat das Instrument dem Eigenkapital ähnliche Charakteristiken?
Ist IAS 32.16A-D anwendbar?
Eigenkapital
Fremdkapital Zusammengesetzt
JA
JA NEIN
NEIN
24
während der Laufzeit ausgeübt werden kann.70 Des Weiteren wird oft eine variable Anzahl von
Aktien – abhängig vom Marktpreis zum Laufzeitende – vereinbart, wobei es hier oft zu einer
Beschränkung nach oben und unten (Mindest- und Maximalanzahl, „collar“) kommt.71
Für die Bilanzierung von solchen Pflichtwandelanleihen ist das Kriterium des IAS 32.16 (b) (i)
relevant. Die Schlussfolgerung daraus ergibt, dass bei einer Verpflichtung, eine festgelegte
Anzahl an Aktien auszugeben („fixed-to-fixed“ Regel) – etwaige Zinszahlungsverpflichtungen
vorbehalten – eine gänzliche Bilanzierung als Eigenkapital erforderlich ist. Variiert die Anzahl
der Aktien hingegen – etwaige Zinszahlungsverpflichtungen vorbehalten - so liegt zur Gänze
Fremdkapital vor.72 Besteht hingegen bis zur Wandlung eine Zinszahlungspflicht, so stellt
dieser Teil eine Fremdkapitalkomponente dar, dessen Barwert als Verbindlichkeit anzusetzen
ist.73 Hier liegt somit ein zusammengesetztes Finanzinstrument vor, bei dem eine Unterteilung
in die Eigen- und Fremdkapitalkomponente erforderlich ist.
Schwieriger wird die Einstufung schon, wenn Erfüllungsalternativen vertraglich vorgesehen
sind. Wird beispielsweise vereinbart, dass eine Pflichtwandelanleihe in einer variablen Anzahl
von Aktien zu erfüllen ist (alleinige Betrachtung stellt auf eine Klassifizierung als Fremdkapital
ab) und wird zusätzlich eine Maximal- und Minimalanzahl (collar) von Aktien vereinbart,
sowie ein Kündigungsrecht während der Laufzeit, wobei allerdings die Maximalanzahl von
Aktien zu leisten ist, so wird die Einstufung schon sehr komplex.74 Der Emittent erhält hier das
Recht, eine fixe Anzahl von Aktien während der Laufzeit zu liefern. Alternativ könnte der
Vertrag aber auch erst zum Laufzeitende mittels einer variablen Anzahl von Aktien unter
Berücksichtigung des collars erfüllt werden. Hier stellt sich die Frage, ob das
Erfüllungswahlrecht während der Laufzeit mittels einer fixen Anzahl von Aktien („fixed-to-
fixed“ Regel) die Klassifizierung beeinflusst und so aus einem Schuldinstrument (Erfüllung
mittels einer variablen Anzahl von Aktien) ein Eigenkapitalinstrument (Erfüllung mittels einer
fixen Anzahl von Aktien) macht.75
70 Vgl. Burckhardt-Böck in: IRZ 2/2017, S. 61. 71 Vgl. Bardens et al. in: PiR Nr. 7/2013, S. 218. 72 Vgl. Bardens et al. in: PiR Nr. 7/2013, S. 219. 73 Vgl. Lüdenbach et al., 2018, §20 Rz 16. 74 Anm.: Ausführliche Darstellung des Beispiels siehe Freiberg in PiR Nr. 5 vom 10.05.2013, S. 166. 75 Vgl. Freiberg in: PiR 5/2013, S. 166.
25
Eine ähnliche Anfrage in Bezug auf Erfüllungswahlrechte wurde auch an das IFRIC
herangetragen. Der Antwort des IFRIC ist folgendes zu entnehmen: „The Interpretations
Committee noted that if the issuer has the contractual right to choose to settle a non-derivative
financial instrument in cash or a fixed number of its own equity instruments, that financial
instrument would meet the definition of an equity instrument in IAS 32 as long as the instrument
does not establish an obligation to deliver cash (or another financial asset) indirectly through
its terms and conditions.“ 76
Das bedeutet, dass das Instrument als Eigenkapital zu klassifizieren ist, wenn der Emittent aus
eigener Kraft in der Lage ist, eine Bilanzierung als Eigenkapital herbeizuführen, wobei immer
zu prüfen ist, dass sich aus den Vertragsbestimmungen keine indirekte Verpflichtung ableiten
lässt.77
Der Ausschluss von indirekten Verpflichtungen ist auch im Standard unter IAS 32.20 verankert.
Nähere Bestimmungen und Ausführungen dazu sind jedoch im Standard nicht zu finden.
Freiberg kommt in seiner Analyse zum Schluss, dass „solange eine Erfüllung durch eine
variable Anzahl von Aktien nicht in jedem denkbaren Szenario ausgeschlossen werden kann“,
eine finanzielle Verbindlichkeit zu bilanzieren ist.78
Dieser Ansicht steht lt. Bardens et al. die Bestimmung des IAS 32.20 entgegen, die die
Bestimmung so auslegt, dass eine Abwägungsentscheidung getroffen werden muss.
Bardens/Fladt/Meurer kommen nach einer Durchleuchtung der möglichen qualitativen und
quantitativen Betrachtungsweisen einer „indirekten Verpflichtung“ zur Conclusio, dass hier die
zentrale Frage sein muss, ob es „denkbar ist, dass der Emittent das Kündigungsrecht ausübt
und damit die Entstehung eines Fremdkapitalausgangs tatsächlich verhindert“.79 Das
Vorliegen eine indirekten Verpflichtung, d.h. eine Gesamtwürdigung, ob „unter keinen
Umständen ein Szenario denkbar ist, in dem es für den Emittenten rational ist, die
76 Vgl. IASB, IFRIC Update Mai 2013. 77 Vgl. Bardens et al. in: PiR 7/2013, S. 220. 78 Vgl. Freiberg in: PiR 5/2013, S. 167. 79 Vgl. Bardens et al. in: PiR 7/2013, S. 225.
26
Pflichtwandelanleihe vorzeitig zu kündigen“ muss daher fallbezogen geprüft werden. Bardens
et al. lehnt somit die Ansicht von Freiberg ab.80
4.1.2.1.2 Bedingte Pflichtwandelanleihen
Unter einer bedingten Pflichtwandelanleihe (einem sogenannten „contingent convertible bond“
oder kurz „CoCo Bond“) versteht man eine Pflichtwandelanleihe, die bei Eintritt eines
bestimmten Ereignisses oder bestimmter Bedingungen in Eigenkapital gewandelt wird.81 Der
Eintritt dieses Ereignisses („trigger event“) liegt weder im Einflussbereich des Emittenten noch
im Einflussbereich des Inhabers. Tritt dieses Ereignis ein, hat der Inhaber ein Wandlungsrecht,
nicht jedoch eine Wandlungspflicht. Tritt das Ereignis nicht ein, so wird die Anleihe klassisch
rückgeführt.82
Die Tatsache, dass das Recht bedingt ist bedeutet nicht, dass dieses Finanzinstrument keine
Eigenkapitalkomponente hat. Diese Eigenkapitalkomponente liegt vor, wenn eine Wandlung
eines bestimmten Betrages in eine fixe Anzahl von Aktien vereinbart ist, d.h. in diesem Fall
würde es sich um ein zusammengesetztes Finanzinstrument handeln.83
Alternative Finanzierungsformen, wie beispielsweise bedingte Pflichtwandelanleihen haben in
den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Die erste Emission eines sogenannten
CoCo Bonds erfolgte im Jahr 2013. Seitdem wurden beinahe 200 CoCo Bonds mit einem
Gesamtvolumen von rund 160 Milliarden Euro im EU Raum emittiert.84
Bedingte Pflichtwandelanleihen spielen insbesondere im Bankensektor seit der stufenweisen
Einführung von Basel III ab dem Jahr 2013 eine größere Rolle. Mit Basel III hat der Basler
Ausschuss für Bankenaufsicht die Anforderungen für aufsichtsrechtliches Kernkapital als
Reaktion auf die Finanzkrise verstärkt. Das sogenannte „bedingte Kapital“, welches als
Additional-Tier-1 Kapital (AT-1-Anleihen)85 in der Eigenmittelberechnung berücksichtigt
80 Vgl. Bardens et al. in: PiR 7/2013, S. 225 f. 81 Vgl. Glanzmann in GesKR 4/2011, S. 489. 82 Vgl. EY (2017), S. 3500. 83 Vgl. EY (2017), S. 3500. 84 Vgl. Breadsworth/Glover in: Bloomberg, Contingent Convertibles, 2019. 85 Anm.: Nähere Definitionskriterien siehe VO (EU) 575/2013 Artikel 51 f.
27
werden kann, hat hierbei die Aufgabe, bei Eintritt eines risikobasierten Ereignisses (wenn z.B.
das harte Kernkapital unter einen bestimmten Schwellenwert sinkt) die Zeichner dieses
„bedingten Kapitals“ an den Rettungskosten der Bank zu beteiligen. AT-1-Anleihen müssen
gemäß EU (VO) 575/2013 Artikel 51f CRR zeitlich unbefristet sein, Zinszahlungen müssen im
Ermessen des Emittenten liegen und lediglich für den Emittenten ein Kündigungs-, Rückkaufs
oder Rückzahlungsrecht mit vorheriger Erlaubnis der Finanzmarktaufsicht vorsehen. Hierbei
ist in der Ausgestaltung zwischen bedingten Pflichtwandlungen („CoCo Bonds“) und
Herabschreibungsanleihen („write-down bonds“) zu unterscheiden.86 Der Terminus
„Herabschreibung“ hat sich aus der offiziellen deutschen Übersetzung der CRR ergeben, im
englischen Originaltext wird der Terminus „write down“ verwendet.87 Art. 54 Abs. 2 CRR
bestimmt, dass sich durch eine Herabschreibung oder Wandlung hartes Kernkapital ergeben
muss.
AT-1-Herabschreibungsanleihen sind somit dadurch gekennzeichnet, dass bei Eintritt des
auslösenden Ereignisses der Rückzahlungsbetrag sowie der Nennbetrag zu herabzuschreiben
sind. Eine Wiederhochschreibung liegt – nach Besserung der wirtschaftlichen Situation - im
Ermessen des Emittenten.88 Diese Anleihen sind als Eigenkapital gemäß IAS 32 zu
klassifizieren, da weder eine Rückzahlungsverpflichtung noch eine laufende Zinszahlung
vorgesehen ist.
Bei der bedingten Pflichtwandelanleihe kommt es zu einer Wandlung in
Eigenkapitalinstrumente, wenn das Ereignis eintritt. In der Regel ist ein variables
Wandlungsverhältnis vereinbart. Hier gibt es im Hinblick auf die Bilanzierung unterschiedliche
Auffassungen:
- Die Anleihe wird zur Gänze als Fremdkapitalinstrument bilanziert, da gemäß IAS 32.25
iVm IAS 32.11 b dies bei einem variablen Wandlungsverhältnis so vorgesehen ist.
- Bilanzierung als zusammengesetztes Finanzinstrument gemäß IAS 32.28 mit der
Begründung, dass die Lieferverpflichtung von variablen Anteilen als Fremdkapital zu
bilanzieren ist, aber die Zinszahlungen als Eigenkapitalinstrument zu sehen sind, da sie
86 Vgl. Lüdenbach et al., 2018, § 20 Rz 63. 87 Vgl. AFRAC-Stellungnahme 23, 2015, S. 7. 88 Vgl. AFRAC-Stellungnahme, 2014 , Rz 16.
28
im Ermessen des Emittenten liegen. Hierbei wäre aber der Wert der
Eigenkapitalkomponente null, da das „trigger event“ sofort eintreten könnte. 89
4.1.2.2 Vorzugsaktien
Vorzugsaktionäre sind in der Regel den Stammaktionären bevorrechtet. Die gängigste Art ist
hierbei der Dividendenvorzug, bei dem den Inhabern ein Vorteil im Rahmen der
Gewinnverteilung eingeräumt wird, wobei in der Regel im Gegenzug auf bestimmte Rechte,
wie beispielsweise das Stimmrecht, verzichtet wird. Die Ausgestaltung von Vorzugsaktien
basiert auf den Gewinnverteilungsregeln einer Gesellschaft. Als Beispiele wären hier zu
nennen:
- Prioritätischer Dividendenanspruch: Hier hat der Vorzugsaktionär eine Bevorrechtung
bei der Zuteilung des Gewinns.
- Prioritätischer Dividendenanspruch mit Überdividende: Hier erhalten die
Vorzugsaktionäre immer eine Dividende, die betragsmäßig über jener der
Stammaktionäre liegt.
- Limitierte Vorzugsdividende: Hier liegt eine Deckelung der Ausschüttung an
Vorzugsaktionäre vor, d.h. die Vorzugsaktionäre werden bis zu einem Höchstbetrag
bedient und der restliche Gewinn fließt ausschließlich den Stammaktionären zu.
- Kumulative Vorzugsdividende: Hier wird dem Vorzugsaktionär eine jährliche
Dividende garantiert. Das bedeutet, dass die Ausschüttung in einem Folgejahr
nachgeholt wird, sofern in einem Jahr keine Dividende ausgeschüttet wird.90
Hat die Gesellschaft das uneingeschränkte Recht, über die Zahlung der Vorzugsaktien zu
entscheiden, d.h. steht eine Ausschüttung im freien Ermessen der Gesellschaft, so hat eine
Klassifizierung als Eigenkapital zu erfolgen.91 Bei den ersten drei oben genannten Varianten
der Vorzugsaktien ist dies in der Regel erfüllt, was eine Klassifizierung als
Eigenkapitalinstrument bedingt.
Bei letzterer Variante erfolgt jedoch durch den kumulativen Charakter eine unabhängige
Entlohnung des eingesetzten Kapitals, was ein Kennzeichen für ein Fremdkapitalinstrument
89 Vgl. Lüdenbach et al., 2018, § 20, Rz 63. 90 Vgl. Nadvornik et al., 2015, S. 379 ff. 91 Vgl. Isert/Schaber, in: DStR 48/2005, S. 2051.
29
darstellt.92 Die Literatur legt hierzu jedoch fest, dass kumulative Vorzugsaktien im Eigenkapital
bilanziert werden können, da die Höhe der Dividendenzahlung nicht von Anfang an feststeht,
sondern jedes Jahr im Rahmen der Hauptversammlung neu beschlossen wird, d.h. die
Gesellschaft sich der Leistung aus eigener Kraft entziehen kann. Es wird weiter begründet, dass
das Argument der Aufschiebung der Zahlung hier nicht schlagend wird, da es sich um keinen
Einzelanspruch handelt, sondern um kollektive Ansprüche, denen sich die Gesellschaft für
unbestimmte Zeit aufgrund der verpflichtenden Beschlussfassung der Ausschüttung im
Rahmen der Hauptversammlung verwehren kann.93
IAS 32.18 geht auf Vorzugsaktien ein, bei denen der Emittent zu einem Rückkauf zu einem
festgelegten oder festzulegenden Geldbetrag zu einem bestimmten Zeitpunkt verpflichtet wird,
bzw. der Inhaber berechtigt wird, den Rückkauf zu einem bestimmten Geldbetrag zu verlangen.
Gemäß den Bestimmungen des IAS 32.18 sind solche Vorzugsaktien als finanzielle
Verbindlichkeit einzustufen. IAS 32.AG25 konkretisiert, dass die Definition einer finanziellen
Verbindlichkeit jedoch nicht erfüllt ist, wenn dem Emittenten die Option auf Rückkauf
eingeräumt wird, da sich der Emittent hierbei nicht zur Übertragung finanzieller
Vermögenswerte verpflichtet und die Ausübung der Option ausschließlich in seinem Ermessen
liegt.
IAS 32.A26 bestimmt weiter, dass bei nicht rückkaufsfähigen Vorzugsaktien die
Klassifizierung von den mit der Verzugsaktie verbundenen Rechten abhängt, wobei hier
wiederum auf den wirtschaftlichen Gehalt der vertraglichen Vereinbarung abzustellen ist. Sind
Gewinnausschüttungen im Ermessensspielraum des Emittenten, so liegen
Eigenkapitalinstrumente vor. Keine Auswirkung auf die Einstufung als Eigenkapitalinstrument
haben beispielsweise
- bisherige Ausschüttungen,
- geplante Ausschüttungen in der Zukunft,
- potentielle nachteilige Auswirkungen auf den Kurs, wenn keine Ausschüttungen
getätigt werden,
- die Höhe der Rücklagen des Emittenten,
- die Ergebniserwartung des Emittenten für eine Berichtsperiode.
92 Vgl. Nadvornik et al., 2015, S. 382. 93 Vgl. Dürr, 2007, S. 248 f.
30
- die Fähigkeit bzw. Unfähigkeit des Emittenten die Höhe des Periodenergebnisses zu
beeinflussen
Ein reines Eigenkapitalinstrument kann nur Vorliegen, wenn es im Ermessen der Gesellschaft
liegt, ob eine Ausschüttung vorgenommen wird. Ist dies nicht der Fall, so liegt eine vertragliche
Verpflichtung zur Zahlung vor und es handelt es sich um ein zusammengesetztes
Finanzinstrument, bei dem eine Aufteilung in Eigen- und Fremdkapital erforderlich ist. Als
Fremdkapital wäre hier der Barwert der erwarteten Vorzugsdividende, die nicht im Ermessen
der Gesellschaft liegt anzusetzen und der Residualwert als Eigenkapital. Somit sind
insbesondere die Bestimmungen des Gesellschaftsrechts maßgeblich für die Bilanzierung.94
Derart ausgestaltete Vorzugsaktien, durch die Mindestzahlungen eingeräumt werden bzw. die
ein Rückgaberecht gegen Geld einräumen, sind Fremdkapital.95
Im März 2010 wurde die Frage an das IFRIC herangetragen, wie die Klassifikation von
Vorzugsaktien zu erfolgen hat, wenn eine vertragliche Verpflichtung einer Barzahlung
vorgesehen ist, die jedoch im Ermessen („ultimate discretion“) des Emittenten liegt. Hier
argumentiert der IFRIC zum einen, dass gemäß IAS 32.AG26 Eigenkapitalinstrumente
vorliegen, wenn die Auszahlung im Ermessen des Emittenten liegt. Auf der anderen Seite
gesteht das IFRIC ein, dass in der Praxis zu unterscheiden ist, ob der Emittent ein
bedingungsloses Recht hat die Ausschüttung zu vermeiden oder ob die vertragliche
Verpflichtung im Ermessen des Emittenten liegt. Das IFRIC hat sich zu dieser Problemstellung
nicht abschließend geäußert, und hat dies nicht auf die Agenda genommen, sondern angeregt,
dass dies im FICE Projekt behandelt wird.96
94 Vgl. Lüdenbach et al., 2018, § 20, Rz 17, S. 952. 95 Vgl. Lüdenbach et al., 2018, § 20, Rz 18, S. 954 ff. 96 Vgl. IASB, IFRIC Update März 2010.
31
4.2 Zusammenfassung der Problembereiche
Am derzeit geltenden IAS 32 wird insbesondere kritisiert, dass es zu viele Einzelregelungen
und Ausnahmen und kein klares Prinzip für die Klassifizierung von komplexeren Instrumenten
gibt. Für eine Vielzahl von Instrumenten, wie beispielsweise Stammaktien oder klassische
Schuldverschreibungen, sind die Regelungen des IAS 32 gut anwendbar.
Die in dem vorherigen Kapitel identifizierten Problembereiche in der Klassifizierung werden
hier noch einmal kurz zusammengefasst:
Wirtschaftlicher Gehalt einer Vereinbarung („substance over form“)
IAS 32.15 stellt dieses Grundprinzip in den Mittelpunkt, wonach im Rahmen der
Klassifizierung beim erstmaligen Ansatz auf die wirtschaftliche Substanz von Verpflichtungen
abzustellen ist. Das bedeutet, dass auf die vertraglichen Bestimmungen abzustellen ist und
davon abgeleitet die Einstufung als Eigen- oder Fremdkapitalinstrument bzw. als
zusammengesetztes Instrument zu erfolgen hat. Das IFRIC hat in einer Stellungnahme im Jahr
200697 dazu klargestellt, dass Wahrscheinlichkeitsannahmen für die Klassifizierung keine Rolle
spielen dürfen. Dies bedeutet, dass es hier insbesondere auf die formalrechtlichen
Bestimmungen ankommt, ob eine Klassifizierung als Eigen- oder Fremdkapitalinstrument
erfolgt und die wirtschaftliche Betrachtung in den Hintergrund treten könnte, was jedoch im
Kern nicht der Intention der Regelung des IAS 32.15 entspricht. Theoretisch hätte man hier
vertragliche Ausgestaltungsmöglichkeiten um eine gewünschte Klassifizierung
herbeizuführen, die den Bestimmungen des IAS 32 entspricht, jedoch unter der tatsächlichen
wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht zwingend die „true and fair view“98 abbildet.
Kündbare Instrumente
Wie in Kapitel 3.2.1. erläutert, wurde diesbezüglich für bestimmte Instrumente im Jahr 2008
eine Ausnahmeregelung in den IAS 32 aufgenommen99, da das Klassifizierungsergebnis für
bestimmte Instrumente nicht treffend war. Stellt man bei Gesellschaftern von bestimmten
Rechtsformen auf den wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung ab, so findet man in vielen
Verträgen die Regelung, dass bei Ausscheiden des Gesellschafters die geleistete Einlage
97 Vgl. IASB, IFRIC Update November 2006, S. 7 f. 98 Vgl. IAS 1.15. 99 Vgl. IAS 32.16 A-D.
32
zuzüglich von Gewinnansprüchen zurückzuzahlen ist. Unter Betrachtung des IAS 32.15 iVm
IAS 32.11 ist somit eine Bilanzierung als finanzielle Verbindlichkeit erforderlich, da es eine
vertragliche Verpflichtung gibt, bei Kündigung eine Rückzahlung zu leisten. Der
Beteiligungsanspruch tritt hier in den Hintergrund. Durch die Ausnahmeregelungen des IAS
32.16A-D kommt es bei Erfüllung der im Standard genannten Voraussetzungen zu einer
Klassifizierung als Eigenkapitalinstrument. Das Erfordernis einer Ausnahmeregelung für
solche Sachverhalte stellt in Frage, ob die derzeitigen Regelungen des IAS 32 dazu in der Lage
sind entsprechende Sachverhalte zu einer adäquaten Klassifizierung entsprechend der im
Conceptual Framework verankerten „true and fair view“100 zu führen.
Erfüllungsalternativen
Manche Verträge sehen unterschiedliche Erfüllungsalternativen vor, die bei Einzelbetrachtung
Eigen- als auch Fremdkapitalkomponenten enthalten. Hierzu hat sich das IFRIC im Mai 2013101
so geäußert, dass sofern der Emittent ein vertragliches Recht hat, eine Begleichung in
Zahlungsmitteln oder in einer festen Zahl von Eigenkapitalinstrumenten zu erzwingen, eine
Klassifikation als Eigenkapitalinstrument zu erfolgen hat. Geprüft werden muss jedoch, ob die
vertraglichen Bestimmungen eine indirekte Verpflichtung enthalten. Der erste Teil der IFRIC
Stellungnahme ist sehr klar, der Verweis auf die Prüfung einer indirekten Verpflichtung kann
jedoch in der Praxis zu Problemen führen. Dies rührt zum einen daher, dass der Begriff zwar
im IAS 32.20 verankert ist, jedoch eine Definition, was genau darunter zu verstehen ist, fehlt.
In der Literatur haben sich hier beispielsweise Freiberg und Bardens et al. dieser
Problemstellung gewidmet, eine einheitliche Meinung kann der Literatur jedoch nicht
entnommen werden.
Auch der Fakt, dass der Emittent selbst in der Lage ist, vertraglich einen Eigenkapitalausgang
herbeizuführen als Basis für die Klassifizierung heranzuziehen, könnte dazu missbraucht
werden durch vertragliche Ausgestaltung ein bestimmtes Klassifizierungsergebnis
herbeizuführen. Wahrscheinlichkeiten spielen – gemäß der IFRIC Stellungnahme des Jahres
2006102 – für die Klassifizierungsentscheidung keine Rolle. Das bedeutet, auch wenn eine
Ausübung des im Vertrag verankerten Rechts, einen Eigenkapitalausgang herbeiführen zu
können, sehr unwahrscheinlich ist, dennoch zu einer Klassifizierung als Eigenkapital führt. Wie
100 Vgl. IAS 1.15. 101 Vgl. IASB, IFRIC Update Mai 2013. 102 Vgl. IASB, IFRIC Update November 2006, S. 7 f.
33
in solchen Fällen eine indirekte Verpflichtung zu berücksichtigen bzw. auszulegen wäre, ist
aufgrund der derzeitigen Regelungen im IAS 32 und aufgrund der IFRIC Stellungnahmen nicht
klar beantwortbar.
Bedingte Erfüllungsalternativen
Im Vergleich zu den Erfüllungsalternativen liegt das Ereignis, das sogenannte „trigger-event“,
weder im Einflussbereich des Emittenten noch des Inhabers. Erst durch das „trigger-event“
wird die Erfüllungsalternative schlagend. Die Klassifizierung solcher Instrumente ist im IAS
32 nicht direkt geregelt, sondern ist aus den einzelnen Bestimmungen des IAS 32 abzuleiten.
Die IFRIC Stellungnahme des Jahres 2013103 zu den Erfüllungsalternativen kann für solche
Instrumente nicht herangezogen werden, da der Emittent keinen Eigenkapitalausgang
herbeiführen kann. In der Literatur ist die Behandlung unterschiedlicher Ausgestaltungen von
AT-1-Anleihen104, wie beispielsweise als CoCo Bonds nicht final geklärt, was in der Praxis zu
unterschiedlichen Auslegungen in der Klassifizierung führt.
Vorzugsaktien
Nicht abschließend vom IASB geklärt wurde die Frage zur Klassifizierung von Vorzugsaktien,
bei denen eine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung vorgesehen ist, die im Ermessen des
Emittenten liegt. Das IASB argumentiert hier zum einen, dass ein Eigenkapitalinstrument gem.
IAS 32.AG26 vorliegt, gesteht allerdings ein, dass die Beurteilung, ob der Emittent ein in
seinem Ermessen liegendes bedingungsloses Recht zur Vermeidung der Ausschüttung hat, in
der Praxis differiert. Das IASB hat sich zu dieser Frage nicht abschließend geäußert, sondern
angeregt, dass dies im FICE Projekt behandelt wird.105
103 Vgl. IASB, IFRIC Update Mai 2013. 104 Anm.: Nähere Erläuterungen hierzu siehe Kapitel 4.1.2.1.2. 105 Vgl. IASB, IFRIC Update März 2010.
34
5 DP/2018/1 – Finanzinstrumente mit Eigenschaften von
Eigenkapital
Das Discussion Paper „Financial Instruments with Characteristics of Equity“ wurde im Juni
2018 vom IASB veröffentlicht. Das DP fasst anfangs die Kernproblembereiche, die über die
Jahre hinweg an das IASB bzw. IFRIC herangetragen wurden zusammen und erläutert in Folge
einen Vorschlag, wie künftige Guidelines für die Bilanzierung von Finanzinstrumenten mit
Eigenschaften von Eigenkapital lauten könnten. Das DP ist in unterschiedliche Sections
unterteilt, wobei am Ende jeder Section ein oder mehrere Fragen formuliert sind, die der breiten
Öffentlichkeit gestellt werden. Interessierte, Adressaten, Interessensvertretungen und
Anwender wurden aufgefordert, bis zum 7. Jänner 2019 eine Rückmeldung zu den gestellten
Fragen in Form eines Comment Letters dem IASB zu übermitteln.
Im kommenden Teil der Masterarbeit wird in einem ersten Schritt auf die Kernpunkte bzw. das
Grundprinzip, auf dem die gesamte Klassifizierungslogik des DP/2018/1 basiert, eingegangen.
In einem zweiten Schritt werden ausgewählte Sections des DP, in denen bestimmte
Schwerpunkte näher erläutert werden und auf denen die Fragen, die an Interessierte,
Adressaten, Interessensvertretungen und Anwender herangetragen werden, näher beleuchtet.
Die gestellten Fragen werden durch die Rückmeldungen, die ausgewählten Comment Letters
zu entnehmen sind, analysiert. Die Interessierten, Adressaten, Interessensvertretungen und
Anwender, die Comment Letter zu dem DP/2018/1 verfasst haben, werden in diesem Kapitel
vereinfachend als „Anwender“ oder „Rückmelder“ bezeichnet. Aus den präsentierten
Hintergründen und den Rückmeldungen aus den Comment Letters wird dann abgeleitet, ob der
präsentierte Vorschlag Bilanzierungslücken bei den identifizierten Problembereichen schließen
könnte.
5.1 Die Kernpunkte des DP/2018/1
5.1.1 Identifizierte Problembereiche des IASB
Das IASB stellt eingangs klar, dass der IAS 32 für einen Großteil der Finanzinstrumente ohne
Probleme angewendet werden kann, dass die Inhalte des IAS 32 von den Anwendern gut
verstanden werden und dass es auch während der Finanzkrise zu keinen fundamentalen
35
Problemen gekommen ist.106 Allerdings führen finanzielle Innovationen, Änderungen in den
Bankenregulatorien und Marktkräfte dazu, dass neue Finanzinstrumente generiert werden und
wurden, die laufend ändernde Merkmale von Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten
aufweisen.107
Konkret hat das Board folgende Schwachstellen des IAS 32 vernommen:
- Kein klares Grundprinzip für die Klassifizierung von Verpflichtungen, die durch
eigene Eigenkapitalinstrumente beglichen werden.
- Zweifel an der Nützlichkeit von veröffentlichten Informationen zu Finanzinstrumenten
mit Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital auch bei Bereichen, die IAS 32 klar
regelt, da auch hier die Vorschriften keinem klaren Prinzip folgen.
- Herausforderungen bei in IAS 32 nicht ausdrücklich geregelten Instrumenten (wie
beispielsweise Put Optionen von non-controlling interests108 oder bei einigen bedingten
Wandelschuldverschreibungen) mangels klarer Grundprinzipien für die
Klassifizierung. 109
5.1.2 Der Lösungsvorschlag des IASB
Ziel des IASB in der Erarbeitung des DP/2018/1 war es, Grundprinzipien aufzustellen die die
Konsistenz, Vollständigkeit und Klarheit der Regelungen verbessern, ohne die derzeit gültigen
Klassifizierungsvorschriften gemäß IAS 32 grundlegend zu ändern. Des Weiteren sollten die
Anforderungen an die Darstellung und Offenlegung („presentation and disclosure“) so
ausgestaltet sein, dass die Informationen für die Adressaten verbessert werden.
Das IASB stützt sich in seinem erarbeiteten Klassifizierungsgrundsatz im DP/2018/1 auf
folgende Kernelemente für die Bilanzierung als finanzielle Verbindlichkeit:
1. „Timing feature“: Es besteht eine vertragliche Verpflichtung, Zahlungsmittel oder
finanzielle Vermögenswerte zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu liefern.
106 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, IN3 und IN7. 107 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz 1.23. 108 Anm.: Darunter versteht man Verkaufsoptionen auf nicht beherrschende Anteile. 109 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, IN3 und IN7.
36
2. „Amount feature“: Die Höhe des zu zahlenden Betrags ist unabhängig von den
wirtschaftlichen Ressourcen.110
Der im DP/2018/1 präsentierte Klassifizierungsgrundsatz des IASB (in Folge auch „Board“)
kann wie folgt zusammengefasst werden:
Quelle: IFRS Standards Discussion Paper DP/2018/1, IN11 (leicht modifiziert)
Abbildung 4: Klassifizierung nach dem "preferred approach" des Boards
Das Board betont, dass es Ihnen wichtig sei, keine Klassifizierungsänderungen im Vergleich
zu IAS 32 vornehmen zu wollen, wo es nicht unbedingt nötig sei.111 Keine Änderungen würde
der im DP/2018/1 präsentierte Klassifizierungsgrundsatz beispielsweise bei dem Tausch einer
variablen Anzahl von Aktien gegen einen fixen Geldbetrag hervorrufen – dieser Sachverhalt
wird nach dem derzeit gültigen IAS 32 Regelwerk sowie nach dem im DP/2018/1 präsentierten
Klassifizierungsgrundsatz als finanzielle Verbindlichkeit klassifiziert. Des Weiteren wird auch
die Klassifizierung von Stammaktien, der Großteil der Vorzugsaktien sowie von einfachen
Derivaten als Eigenkapitalinstrument durch den neuen Vorschlag des Boards nicht berührt.112
110 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1 Rz IN10. 111 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz IN17. 112 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz IN18.
37
Änderungen in der Klassifizierung würden durch den neu präsentierten
Klassifizierungsgrundsatz beispielsweise bei Finanzinstrumente mit fixen Rückflüssen (z.B.
kumulative unbefristete Vorzugsaktien) schlagend werden. Diese wären nach dem neuen
Vorschlag des Boards als finanzielle Verbindlichkeit zu klassifizieren. Nach dem geltenden
IAS 32 Regelwerk stellen sie Eigenkapitalinstrumente dar, da ein unbedingtes Recht besteht
die Zahlung auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben.113
Das in der Einleitung des DP/2018/1 vorgestellte Grundprinzip wurde in mehrere Sections mit
unterschiedlichen Schwerpunkten unterteilt und vertiefend erläutert. Am Ende einer jeden
Section werden ein oder mehrere Fragen formuliert, die das IASB durch die breite
Öffentlichkeit bestehend aus Interessierten, Adressaten, Interessensvertretungen und Anwender
gerne beantwortet hätte.
Die Themenbereiche und Fragestellungen des DP/2018/1 gliedern sich wie folgt:
Section Themenbereich Frage
1 Ziele, Umfang und Herausforderungen Frage 1
2 Die bevorzugte Herangehensweise des Boards Frage 2
3 Klassifizierung von nicht derivativen Finanzinstrumenten Frage 3 und 4
4 Klassifizierung von derivativen Finanzinstrumenten Frage 5
5 Zusammengesetzte Instrumente und Rücknahmeverpflichtungen Frage 6
6 Präsentation Frage 7 und 8
7 Offenlegung Frage 9
8 Vertragliche Bestimmungen Frage 10 und 11
Die Sections 6 und 7 wurden im Rahmen dieser Arbeit nicht näher beleuchtet, da die
Darstellung und Offenlegung („presentation and disclosure“) nicht im Fokus stehen.
113 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz IN22.
38
5.2 Lösungsansätze des DP/2018/1 und Analyse der Fragestellungen des
Boards anhand der Comment Letters
5.2.1 Einleitung
In Summe langten 128 Comment Letter beim IASB ein, 126 davon bis zum Ende der
Kommentierungsfrist am 7. Jänner 2019. Zwei Comment Letters, einer vom Ministry of
Finance China - China Accounting Standards Committee (CASC) und einer vom Chartered
Financial Institute (CFA Institute) wurden erst verspätet an das IASB übermittelt und
veröffentlicht. Von diesen 128 Comment Letters stammt mehr als die Hälfte, nämlich 77 (60%)
aus Europa, 26 (20%) aus Asien, 10 (8%) aus Nordamerika, 7 (6%) aus Südamerika, 4 (3%)
aus Ozeanien und 3 (2%) aus Afrika. Ein Comment Letter (1%) konnte keinem Kontinenten
zugeordnet werden, da es sich um eine Privatperson handelt, von der nur der Name bekannt ist.
Quelle: Verfasserin.
Abbildung 5: Verteilung der Comment Letter nach Kontinenten
Es ist klar ersichtlich, dass die Rücklaufquote aus Europa am Höchsten ist. Innerhalb von
Europa wurden die meisten Comment Letter aus dem Vereinten Königkreich (UK) mit 19
Comment Letters, gefolgt von Deutschland mit zwölf Comment Letters und Frankreich mit
zehn Comment Letters. Aus Österreich wurden zwei Comment Letters dem IASB übermittelt,
nämlich vom Austrian Financial Reporting and Auditing Committee (AFRAC) sowie der Erste
Bank Group.
39
Die Verteilung der 77 Comment Letters aus Europa ist wie folgt:
Quelle: Verfasserin
Abbildung 6: Verteilung der Comment Letter nach europäischen Staaten
Für die Analyse der Comment Letters, die Eingang in dieses Arbeit finden, wurde eine Auswahl
getroffen. Es wurde entschieden, alle Comment Letter aus der DACH-Region (Deutschland,
Österreich, Schweiz) für die Analyse heranzuziehen. Die Auswahl kann damit begründet
werden, dass in den drei Ländern ähnliche Gesellschaftsformen vorherrschen, Deutschland und
Österreich ähnliche nationale Grundlagen für die Bilanzierung haben und die Schweiz und
Österreich von der Größe her vergleichbar sind.
Somit werden im Rahmen dieser Arbeit in Summe 19 Comment Letters, davon zwei aus
Österreich, fünf aus der Schweiz und zwölf aus Deutschland analysiert. In der folgenden
Tabelle ist ersichtlich, um welche Rückmelder114 es sich handelt und wer auf welche Fragen
geantwortet hat. Einige Comment Letters enthalten lediglich allgemeine Rückmeldungen zum
präsentierten Ansatz und gingen nicht weiter auf die einzelnen Fragestellungen ein – diese sind
durch eine graue Hinterlegung gekennzeichnet:
114 Anm: Die Bezeichnung der Rückmelder in der Tabelle basiert auf den Wortlaut, in dem die Comment Letters auf der Seite des IASB (URL: https://www.ifrs.org/projects/work-plan/financial-instruments-with-characteristics-of-equity/comment-letters-projects/dp-fice/#comment-letters) veröffentlicht sind.
8
1 1
12
10
2 2 21
2 2
45 5
1
18
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
COMMENTLETTERSEUROPA
9
1
12
10
2 2 21
2 2
45 5
1
19
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
COMMENTLETTERSEUROPA
9
1
12
10
2 2 21
2 2
5 5 5
19
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
COMMENTLETTERSEUROPA
40
Quelle: Verfasserin.
Abbildung 7: Analysierte Comment Letter
In den folgenden Unterabschnitten werden die Kernpunkte der analysierten Sections des
DP/2018/1 wiedergegeben, die Comment Letters zu den jeweiligen Fragen analysiert und in
Folge versucht, Rückschlüsse des präsentierten Ansatzes auf die bestehenden Regelungslücken
zu ziehen.
Es sei darauf hingewiesen, dass es sich bei den ausgewählten Rückmeldern um Unternehmen
aus unterschiedlichen Branchen bzw. Interessensvertretungen handelt, bei denen nicht jeder im
selben Ausmaß von den Regelungslücken des IAS 32 betroffen ist.
5.2.1.1 Section 1 des DP/2018/1 – Ziele, Umfang und Herausforderungen
5.2.1.1.1 Erläuterungen des Boards und Fragestellung an die Anwender115
In Rz. 1.25 des DP/2018/1 nennt das IASB Wandelschuldverschreibungen und Put Optionen
auf non-controlling interests mit einem Fair Value als Ausübungspreis als explizite Beispiele,
bei denen Herausforderungen in der Klassifizierung aufgetreten sind.
115 Anm.: Ein Comment Letter kann von jeder Person verfasst und an das IASB übermittelt werden. In dieser Arbeit werden die Verfasser der Comment Letter als „Anwender“ bzw. „Rückmelder“ bezeichnet.
41
Bei den bedingten Wandelschuldverschreibungen hebt das IASB insbesondere AT-1-Anleihen
hervor, die in der Regel dadurch charakterisiert sind, dass die Zinszahlung im Ermessen des
Emittenten liegt und es verpflichtend zu einer Wandlung in eine variable Anzahl von Aktien
kommt, wenn der Emittent gegen den Tier-1-Eigenmittel-Ratio116 verstößt.117
Das IASB sieht es als unumgänglich ein klares Grundprinzip für die Klassifizierung zu schaffen
und dabei eine Balance zwischen Kosten, Nutzen und Komplexität zu finden.118
Beim derzeit gültigen IAS 32 wird kritisiert, dass unterschiedliche Merkmale für die
Klassifizierung herangezogen werden, jedoch ohne erkennbares Muster119 was zu
Inkonsistenzen führt, die Vergleichbarkeit erschwert und die Abschlüsse weniger verständlich
macht.120 Des Weiteren beklagen Anwender auch, dass es in Bezug auf Finanzinstrumente mit
Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital auch ungenügend Informationen in den Notes gibt
(z.B. allgemeine Bedingungen und Risiken von Finanzinstrumenten).121
Das DP/2018/1 sieht Herausforderungen auf der konzeptionellen Ebene sowie auf der
Anwendungsebene. Konzeptionelle Schwierigkeiten entstehen, wenn unterschiedliche
Merkmale unterschiedliche Auswirkungen auf den Zahlungsfluss haben können. Die
Merkmale, auf die es dabei ankommt sind der zeitliche Aspekt („timing“), der Betrag („amount
of the claim“) und die Priorität („priority“). Die Details dieser drei Merkmale „timing“,
„amount of the claim“ und „priority“ sind laut Ansicht des Boards wichtig für die
Abschlussadressaten und könnten die Basis für die Unterscheidung von finanziellen
Verbindlichkeiten und Eigenkapital darstellen.122
116 Anm.: Gemäß Basel III muss die Mindesteigenmittelausstattung von Kreditinstituten zu 4,5% aus hartem Kernkapital, zu 6% aus Kernkapital (4,5% hartes Kernkapital + 1,5% zusätzlichem Kernkapital) und zu 8% aus Gesamteigenkapital (4,5% hartes Kernkapital + 1,5% zusätzliches Kernkapital und 2% Ergänzungskapital) bestehen. Das harte Kernkapital und das zusätzliche Kernkapital werden gemeinsam als Tier 1 Kapital bezeichnet, während das Ergänzungskapital als Tier 2 Kapital bezeichnet wird. Mit Tier-1-Eigenmittel-Ratio ist somit die Kernkapitalquote gemeint. 117 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz 1.25. 118 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz 1.27. 119 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz 1.30. 120 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz 1.31. 121 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz 1.41. 122 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz 1.28.
42
In Rz. 1.35 f werden einige Anwendungssachverhalte aufgegriffen, die aus der Sicht des Boards
herausfordernd für die Anwender sind. Hier wird beispielsweise angeführt, dass Unklarheiten
bestehen, wie die „fixed-to-fixed“ Regel auszulegen ist, wenn eine Vereinbarung die Option
enthält, eine fixe Anzahl von eigenen Aktien gegen einen Fixbetrag zu tauschen und sich
dennoch die Anzahl der Aktien aufgrund von Verwässerungseffekten ändert. Des Weiteren
wird bemängelt, dass IAS 32 keine Guidelines enthält, wie Transaktionen innerhalb der
Position Eigenkapital handzuhaben sind. Im Hinblick auf bedingte
Wandelschuldverschreibungen wurde die Frage aufgeworfen, ob die Fremdkapitalkomponente
die Bedingtheit der Erfüllungsalternative berücksichtigen sollte oder nicht. Des Weiteren wird
in Bezug auf vertragliche Bestimmungen die Frage aufgegriffen, dass es in manchen Fällen
unklar ist, woraus sich die Verpflichtung ergibt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine
Verpflichtung weder explizit noch indirekt im Vertrag verankert ist, sondern bestimmte
wirtschaftliche Anreize dazu führen, dass Zahlungen geleistet werden anstatt das
Wandlungsrecht auszuüben. Auch regulatorische oder gesetzliche Regelungen können zu
bestimmten Verpflichtungen führen, die nicht explizit in einem Vertrag enthalten sind.
Neben Herausforderungen in Bezug auf die Klassifizierung von Eigen- und
Fremdkapitalinstrumenten beim Anwender hat das Board auch Herausforderungen bei den
primären Adressaten (z.B. Investoren, Geldgeber, Kreditoren) festgestellt. Mangels klarer
Guidelines wird es ihnen erschwert, Abschlüsse unterschiedlicher Unternehmen zu vergleichen
und ihren erwarteten Rückfluss aus den Investitionen zu schätzen.123 Des Weiteren haben die
primären Adressaten ein Informationsdefizit im Hinblick auf die Abgrenzung von Eigen- und
Fremdkapitalinstrumenten. Beispiele hierfür sind, dass ihnen die Geschäftsbedingungen von
emittierten Eigenkapitalinstrumenten sowie die Risiken und Chancen nicht ausreichend
dargelegt werden um die Rendite ausreichend schätzen zu können und auch die
Wertsteigerungspotentiale von Forderungen unzureichend feststellbar sind.124
Abschließend hält das Board am Ende dieser Section fest, dass die Klassifizierung von Eigen-
und Fremdkapital bei einigen Anwendern signifikante Auswirkungen auf die Abschlüsse hat.
Als Beispiele werden hier Banken genannt, die sich nach der Finanzkrise neuen gesetzlichen
Kapitalanforderungen stellen müssen, und daher vermehrt Additional-Tier-1-Anleihen
vergeben, die als Eigenmittel angerechnet werden können. Ein anderes Beispiel sind
123 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz 1.39. 124 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz 1.40.
43
Unternehmen, die Fremdwährungswandelanleihen begeben haben um den Markteintritt in
bestimmten Märkten zu forcieren und die Aufgrund der Ausnahmeregel des IAS 32 diese
Instrumente derzeit als finanzielle Verbindlichkeiten bilanzieren müssen.125
Aus dieser Analyse heraus wurde vom IASB folgende Frage an die Anwender herangetragen:
Frage 1126:
a) Stimmen Sie den beschriebenen Herausforderungen und den Ursachen zu? Warum oder
warum nicht? Glauben Sie, dass es noch weitere Faktoren gibt, die zu den
Herausforderungen beitragen?
b) Stimmen Sie zu, dass die identifizierten Herausforderungen wichtig für die Adressaten
von Abschlüssen sind und überzeugend genug, dass die einer Standardsetzung
bedürfen? Warum oder warum nicht?
5.2.1.1.2 Rückmeldungen der Anwender
Aus den 19 analysierten Rückmeldungen haben zwölf Anwender explizit auf die Frage 1
geantwortet.
Von den zwölf analysierten Comment Letters konnte aus elf eindeutig entnommen werden, dass
sie den Herausforderungen und Ursachen, die das Board im DP/2018/1 Section 1 präsentiert
hat, zustimmen. Lediglich bei einem Anwender (Suedzucker) konnte aus der Rückmeldung
keine klare Aussage dazu abgeleitet werden. Als weitere Faktoren die zur Herausforderung bei
der Klassifizierung von Finanzinstrumenten mit Eigenschaften von Eigenkapital beitragen
wurde folgendes genannt:
- Put Optionen auf non-controlling interests
- “Fixed-to-fixed” Kriterium
- Zusammengesetzte Instrumente mit Wandlungsoption
- Bedingte Erfüllungsvereinbarungen
- Ewige Schuldinstrumente
125 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz 1.43. 126 Anm.: Die Fragen wurden vom Verfasser so wie sie im DP/2018/1 stehen ins Deutsche übersetzt. Dies gilt für alle Fragen in allen Sections die in dieser Masterarbeit behandelt werden.
44
Die UBS Group äußerte sich zu dieser Frage sehr allgemein und stellte fest, dass die
präsentierten Herausforderungen nicht im Detail jenen Schlüsselherausforderungen
entsprechen, die bisher zu Problemen geführt haben. Eine explizite Nennung der
Schlüsselherausforderungen erfolgte durch die UBS Group im Comment Letter nicht.
Auf die Frage, ob es aufgrund der Herausforderungen bei der Klassifizierung von
Finanzinstrumenten mit Merkmalen von Eigenkapital eines neuen Standards bedarf,
antworteten zwei Anwender mit ja (Commerzbank, Erste Group Bank). Sieben Anwender sind
der Meinung, dass kein neuer Standard erforderlich ist. Die Anwender gaben folgende
alternativen Lösungsansätze an:
- Überarbeitung des IAS 32
- Konzeptionalisierung der bestehenden Logik
- Erlass eines IFRIC
- Umfassendere Anhangsangaben
Ein Anwender, nämlich das deutsche DRSC (Deutsches Rechnungslegungs Standards
Committee), war einerseits der Meinung, dass die Herausforderungen dafür sprechen, einen
neuen Standard zu erlassen, jedoch andererseits zu beachten ist, dass die Probleme nur auf einen
kleinen Teil von Finanzinstrumenten zutreffen. Daher wurde hier vorgeschlagen, dass in einem
ersten Schritt eine Änderung bzw. Ergänzung im IAS 32 und in einem zweiten Schritt ein
robustes Klassifizierungsprinzip erarbeitet werden sollte.
Unabhängig von der gestellten Frage äußerten drei Anwender (DSCG, UBS Group, Institut der
Wirtschaftsprüfer in Deutschland) ihre Zweifel darüber, ob der präsentierte Zugang tatsächlich
zu einer Verbesserung führen wird.
5.2.1.1.3 Conclusio
Im Hinblick auf die in Kapitel 4.2 identifizierten Problembereiche wurden vom IASB explizit
die Klassifizierung von Erfüllungsalternativen, die Bilanzierung von AT-1-Anleihen und die
Regelungen zur Klassifizierung nach dem wirtschaftlichen Gehalt einer Vereinbarung
angesprochen. Zwar war die Rückmeldequote auf diese Frage mit zwölf aus 19 Comment Letter
relativ hoch und die Frage, ob die präsentierten Herausforderungen tatsächlich existieren,
wurde von fast allen Rückmeldern mit ja beantwortet, dennoch ist auch vielen Comment Letter
45
zu entnehmen, dass die wenigsten von den präsentierten Herausforderungen tatsächlich
betroffen sind. Die Probleme stellen sich – wie in Kapitel 4 ausführlich beschrieben –
hauptsächlich bei komplexen Instrumenten. Komplexere Instrumente werden insbesondere im
Finanzdienstleistungssektor eingesetzt und daher war es auch nicht verwunderlich, dass sich
mit der Erste Group und der Commerzbank AG zwei Banken für einen neuen Standard
aussprachen. Den Comment Letters war auch zu entnehmen, dass der IAS 32 für den Großteil
der Finanzinstrumente wie einfache Schuldverschreibungen, zusammengesetzte Instrumente
mit eingebetteten Derivaten sowie einfache Wandelschuldverschreibungen gut funktioniert.
Dadurch ergibt sich auch, dass ein großer Teil der Anwender, deren Comment Letter analysiert
wurden, zwar die Herausforderungen erkennt, sich jedoch für eine Überarbeitung des IAS 32
ausspricht. Die tatsächlichen Klassifizierungsschwierigkeiten betreffen – wie auch im
DP/2018/1 festgehalten – nur bestimmte Instrumente, die wiederum nur von einem
eingeschränkten Kreis begeben werden.
Aus der Analyse des IASB im DP/2018/1 Section 1 und den Antworten aus den analysierten
Comment Letter zur Frage 1 kann man ableiten, dass das IASB die Problembereiche kennt, und
dass es bestätigt bekommen hat, dass die Problembereiche nicht die breite Masse betreffen.
Somit wäre es das in Section 1 bereits definierte Ziel des IASB, eine Grundsatzregelung zu
schaffen, durch die es zu keinen großen Änderungen in der Klassifizierung im Vergleich zum
IAS 32 kommt, jedoch das Grundprinzip so robust sein sollte, dass die Grundsätze die
Regelungslücken abdecken.
5.2.1.2 Section 2 des DP/2018/1 – Der “preferred approach“ des Boards
5.2.1.2.1 Erläuterungen des Boards und Fragestellung an die Anwender
Im ersten Unterabschnitt präsentiert das Board, welche Merkmale von Ansprüchen es für die
Klassifizierung als finanzielle Verbindlichkeit oder als Eigenkapital als wesentlich erachtet.
Dabei geht das Board näher auf das „timing feature“ und das „amount feature“ ein und erklärt
die Merkmale anhand von einfachen Schuldverschreibungen und Stammaktien. Besteht eine
Verpflichtung, wirtschaftliche Ressourcen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu transferieren, so
ist laut Ansicht des Boards eine Klassifizierung als finanzielle Verbindlichkeit erforderlich. Die
zeitliche Komponente - also der „bestimmte Zeitpunkt“ - kann entweder als fixes Datum, als
46
Kuponzahlungsdatum, als Zinszahlungsdatum, als zahlbar auf Verlangen, als Zahlungsdatum
der Nominale oder als ein bestimmter Ausübungszeitpunkt spezifiziert sein.
Dieses „timing feature“ ist aus Ansicht des Boards das Hauptkriterium, um finanzielle
Verbindlichkeiten von Eigenkapitalinstrumenten zu unterscheiden. 127
Das zweite Hauptkriterium ist die quantitative Komponente („amount feature“). Die
Spezifizierungen der quantitativen Komponente können eine fixe Anzahl einer
Währungseinheit, Nennwerte, Zinszahlungen, indexbasierende Werte oder Anteile an
wirtschaftlichen Ressourcen nach Abzug aller Verpflichtungen sein.128
Neben der Definition von finanziellen Verbindlichkeiten unterbreitet das Board auch die
Definition von Eigenkapital, nämlich als „the residual interest in the assets of the entity after
deducting all of its liabilities“129.
Das Board tritt nach den Erläuterungen mit folgenden Fragen an die Anwender heran:
Frage 2:
Nach dem “preferred approach”130 des Boards sollte eine Klassifizierung als Verbindlichkeit
dann erfolgen, wenn
a) eine unvermeidbare Verpflichtung besteht, wirtschaftliche Ressourcen zu einem
bestimmten Zeitpunkt – mit der Ausnahme von der Liquidation – zu transferieren
und/oder
b) eine unvermeidbare Verpflichtung besteht, eine Verbindlichkeit unabhängig von den
verfügbaren wirtschaftlichen Ressourcen zu befriedigen.
Aus Sicht des Boards ist die Information über diese Merkmale (Anm.: „timing“ und „amount“)
relevant, um die Vermögenslage und die finanzielle Performance zu beurteilen.
Es ist die vorläufige Schlussfolgerung des Boards, dass Informationen zu anderen Merkmalen
von Ansprüchen in der Darstellung und Offenlegung („presentation and disclosure“)
abzubilden sind.
Stimmen Sie zu? Warum oder warum nicht?
127 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 2.3 ff. 128 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 2.7. 129 IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 2.34. 130 Anm.: mit „preferred approach“ ist das Grundprinzip, wie in Kapitel 5.1.2 präsentiert, gemeint.
47
5.2.1.2.2 Rückmeldungen der Anwender
Eine konkrete Antwort auf die Fragestellung lieferten 13 der 19 analysierten Comment Letter.
Eine konkrete Zustimmung für das präsentierte Konzept konnte lediglich dem Comment Letter
von The European Federation of Financial Analysts Societies (EFTAS) entnommen werden.
Einziger Kritikpunkt von EFTAS war, dass der Kontext mit Liquidation etwas verwirrend ist
und überarbeitet werden sollte.
Aus dem Comment Letter der Swiss Holding und von Siemens konnte keine klare Aussage
abgeleitet werden. Die Swiss Holding hebt zum einen hervor, dass das präsentierte Konzept
rational und verständlich ist, aber es andererseits kritisch betrachtet wird, dass Ausnahmen aus
dem IAS 32, wie beispielsweise die Ausnahme zu den „kündbaren Instrumenten“ im neuen
Konzept übernommen werden müssen, da das neue Klassifizierungsprinzip dies nicht löst.
Siemens stellt unter anderem eine mangelnde Analyse der Interaktion mit anderen Standards
(IFRS 9, IFRS 10 und IAS 33) sowie einen Interpretationsspielraum durch neue Terminologie
in den Raum.
Den Comment Letters aller anderen Anwender, die eine Rückmeldung zu dieser Frage
abgegeben haben, ist zu entnehmen, dass sie dem vorgestellten Zugang nicht bzw. nicht zur
Gänze zustimmen können. Suedzucker, DRSC und die Commerzbank merken an, dass eine
Klassifizierung anhand von zwei Merkmalen nicht ausreichend ist. Das „timing feature“ findet
bei fünf Rückmeldern (Six Exchange Regulation, DRSC, UBS Group, Volkswagen Group,
Erste Group Bank) Zustimmung, u.a. auch, weil der derzeit gültige IAS 32 derzeit schon eine
ähnliche Regel aufweist. Kritisch gegenüber dem „timing feature“ geäußert haben sich drei
Rückmelder (UBS Group, IDW und AFRAC). Hier wird von allen dreien insbesondere die
Frage aufgeworfen, wie das „timing feature“, das in der Definition die Liquidation
miteinbezieht, bei industriespezifischen Formen von Liquidation, wie beispielsweise der
Abwicklung von Banken,131 anzuwenden ist. Das „amount feature“ wurde als nicht
angemessen für die Klassifizierung durch diese Rückmeldergruppe beurteilt. Die häufigsten
Kritikpunkte am „amount feature“ waren:
131 Anm.: Hier sind regulatorische Bestimmungen zur Abwicklung von Banken, wie die Abwicklungsrichtlinie BRRD (Bank Recovery and Resolution Directive) gemeint.
48
- Das „amount feature“ passt nicht mit der existierenden Definition einer Verbindlichkeit
im Conceptutal Framework zusammen.
- Das „amount feature“ bzw. die „verfügbaren wirtschaftlichen Ressourcen“ sind
augenscheinlich aus einer anderen Perspektive zu beurteilen als das „timing feature“
(Eigentümersicht vs. Unternehmenssicht).
- Das „amount feature“ stellt auf „gone concern“132 ab, obwohl im IFRS Grundsatz des
„going concern“133 ein Grundprinzip darstellt.
- Die Liquidation als einmaliges Ereignis eines Unternehmens wird durch das Konzept
ignoriert.
- Das „amount feature“ stellt keine geeignete Basis für die Klassifizierung dar.
In den Comment Letters wurde des Weiteren Klärungsbedarf zu bestimmten neuen Termini
wie „independent of the entity’s available economic resources“, „unrecognized assets“,
„available exonomic resources“, „economic compulsion”, “liquidation” und „solvency“
gefordert.
In vier Comment Letters (Six Exchange Regulation, Siemens, DRSC, Swiss Holdings) wurden
auch Sorgen im Hinblick auf eine erforderliche nochmalige Prüfung bereits getroffener
Klassifizierungsentscheidungen und damit verbundene Kosten sowie Implementierungskosten
eines neuen Grundprinzips geäußert.
5.2.1.2.3 Conclusio
Das Abstellen der Klassifizierung auf zwei Merkmale, nämlich das „timing feature“ und das
„amount feature“, scheint bei der Komplexität der Finanzinstrumente, bei denen es derzeit
Unklarheiten in der Bilanzierung gibt, als nicht ausreichend. Nimmt man beispielsweise ein
Instrument mit unterschiedlichen Erfüllungsalternativen her, so kann zwar eine Alternative die
Voraussetzung für die Klassifizierung als finanzielle Verbindlichkeit erfüllen, aber es ist
fraglich, ob damit ein der Realität entsprechendes Klassifizierungsergebnis erzielt wird.
132 Anm.: Darunter versteht man eine bevorstehende Liquidation eines Unternehmens. 133 Anm.: Darunter versteht man die Unternehmensfortführung, ein Grundprinzip des IAS 1.25f, nach dem Abschlüsse nach IAS/IFRS grundsätzlich aufzustellen sind.
49
Stellt man die Definition des „timing feature“ dem derzeit gültigen IAS 32.11 gegenüber, so
erkennt man inhaltlich keinen großen Unterschied. Auch jetzt wird in der Klassifizierung als
finanzielle Verbindlichkeit darauf abgestellt, dass es eine vertragliche Verpflichtung geben
muss, flüssige Mittel oder einen anderen finanziellen Vermögenswert zu liefern oder unter
potentiell nachteiligen Bedingungen auszutauschen. Im „preferred approach“ formuliert man
das Erfordernis etwas anders, und zwar als „an unavoidable contractual obligation to transfer
cash or another financial asset at a specified time other than liquidation“134. Fraglich bei der
neuen Definition ist jedoch, wie der Terminus Liquidation tatsächlich auszulegen ist. Die UBS
Group, das AFRAC und das IDW haben in diesen Zusammenhang auf branchenspezifische
regulatorische Bestimmungen hingewiesen, die im vorliegenden DP/2018/1 nicht
berücksichtigt wurden.
Das zweite Merkmal, das „amount feature“, zielt auf einen gänzlich neuen Zugang ab, der bis
jetzt so nicht im IAS 32 zu finden war. Die Phrase „independent of the entity’s available
economic resources“135 wirft die Frage auf, warum ein potentielles Liquidationsereignis
Eingang in die Definition dieses Merkmals findet. Die Unternehmensfortführung, also das
Prinzip des „going concern“ ist ein Grundprinzip der IFRS/IAS Rechnungslegung - verankert
in IAS 1.25f - wonach Abschlüsse grundsätzlich auf Basis der Annahme einer
Unternehmensfortführung aufzustellen sind, außer das Management beabsichtigt das
Unternehmen aufzulösen, das Geschäft einzustellen oder das Management hat keine
realistische Handlungsalternative mehr. Angesichts der Tatsache, dass die Klassifizierung als
Eigen- oder Fremdkapitalinstrument beim erstmaligen Ansatz getroffen werden muss, kann
hier die Formulierung und somit auch die Absichten des Boards nicht gänzlich nachvollzogen
werden. Das „amount feature“ war auch in den Comment Letters durchgehender Kritik
ausgesetzt.
Die Einführung von neuen Termini, die im DP 2018/1 nicht oder unzureichend definiert sind,
wirft neue Fragen bzw. Interpretationsspielräume auf, die die Beurteilung des vom IASB
unterbreiteten Zugangs schwierig macht.
Ob der präsentierte „preferred approch“ tatsächlich eine Hilfestellung für existierende
Regelungslücken bietet, ist fraglich.
134 IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. IN10 (a). 135 IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. IN10 (b).
50
5.2.1.3 Section 3 des DP/2018/1 – Klassifizierung von nicht derivativen Finanzinstrumenten
5.2.1.3.1 Erläuterungen des Boards und Fragestellung an die Anwender
Einleitend stellt das Board klar, dass - wie auch im IAS 32 - die Rechte und Pflichten, die sich
aus einem Vertrag ergeben, ein wesentlicher Aspekt in der Klassifizierung von
Finanzinstrumenten sind.136 Das Eigenkapital wird im DP/2018/1 Rz. 3.9 als
Negativabgrenzung zur Definition von finanziellen Verbindlichkeiten präsentiert und gilt somit
als Residualgröße die nach dem Abzug aller Verbindlichkeiten übrig bleibt.
Nicht derivative Finanzinstrumente könnten mehrere Erfüllungsalternativen haben, die von
zukünftigen Ereignissen abhängen. Hat ein Unternehmen kein bedingungsloses Recht eine
Erfüllungsalternative zu vermeiden, die ein oder beide Merkmale einer finanziellen
Verbindlichkeit aufweist, so ist im ersten Schritt eine Klassifizierung als finanzielle
Verbindlichkeit erforderlich. Wenn das nicht derivative Finanzinstrument weitere mögliche
Erfüllungsoptionen hat, die keine Merkmale einer finanziellen Verbindlichkeit aufweisen, so
muss geprüft werden, ob es sich um ein zusammengesetztes Finanzinstrument handelt.137
Zusammengesetzte Finanzinstrumente sind auch nach dem „preferred approach“ in eine
Eigenkapital- und Fremdkapitalkomponente aufzuteilen.138 Das bedeutet, dass der Bilanzierer
in einem ersten Schritt feststellen muss, ob eine unvermeidbare Verpflichtung besteht und erst
in einem zweiten Schritt prüfen muss, ob es sich um ein zusammengesetztes Finanzinstrument
handelt.139 Der Unterschied, der sich zwischen der derzeitigen Regelung des IAS 32 und dem
„preferred approach“ des DP/2018/1 herauskristallisiert ist, dass sich der „preferred
approach“ beim „amount feature“ auf die Unabhängigkeit der Verpflichtung von den
verfügbaren wirtschaftlichen Ressourcen stützt, während IAS 32 sich bei der Klassifizierung
als Eigenkapitalinstrument auf die Lieferung einer variablen Anzahl von
Eigenkapitalinstrumenten stützt.140
136 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 3.3. 137 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 3.10. 138 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 3.25. 139 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 3.19. 140 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 3.13.
51
Grundsätzlich geht das Board davon aus, dass sich durch den vorgestellten „preferred
approach“ das Klassifizierungsergebnis nicht maßgeblich ändert.141 Keine Änderungen
werden bei in Aktien getilgten Schuldverschreibungen erwartet.142 Zu einem anderen
Klassifizierungsergebnis kommt man mit diesem Ansatz jedoch bei festen kumulierenden
Vorzugsaktien. Unter IAS 32 werden diese Vorzugsaktien als Eigenkapital klassifiziert, da es
keine vertragliche Verpflichtung gibt, Zahlungsmittel oder andere finanzielle Vermögenswerte
oder eine variable Anzahl von Aktien zu einem bestimmten Zeitpunkt zu liefern. Unter den
Bestimmungen des „preferred approach“ wären solche Vorzugsaktien als finanzielle
Verbindlichkeiten zu klassifizieren, da es eine Verpflichtung unabhängig von den verfügbaren
wirtschaftlichen Ressourcen gibt.143
Das Kriterium der verfügbaren wirtschaftlichen Ressourcen („available economic resources“)
wird definiert als: „total recognised and unrecognised assets of the entity that remain after
deducting all other recognized and unrecognized claims against the entity (…)”144. Das Board
führt in DP/2018/1 Rz. 3.18 weiter aus, dass ein Betrag unabhängig von den verfügbaren
Ressourcen eines Unternehmens ist, wenn
- sich der Betrag nicht ändert, obwohl es zu Änderungen in den wirtschaftlichen
Ressourcen des Unternehmens gekommen ist
- sich der Betrag ändert, da es zu Änderungen in den wirtschaftlichen Ressourcen
gekommen ist, aber so, dass der Betrag die verfügbaren wirtschaftlichen Ressourcen
des Unternehmens übersteigen könnte.
Als Beispiele für Finanzinstrumente deren Betrag unabhängig von den finanziellen Ressourcen
des Unternehmens ist, werden in DP/2018/1 Rz. 3.23 folgende Finanzinstrumente angeführt:
- Schuldverschreibungen oder andere Verpflichtungen, einen fixen Betrag bzw. einen
Betrag, der auf einer zugrundeliegenden Variable (Marktzins, Rohstoffindex, etc.)
basiert, zu begleichen.
- Finanzinstrumente mit der Verpflichtung einen Betrag, der auf einen bestimmten
realisierten oder unrealisierten finanziellen Vermögenswert referenziert, den das
Unternehmen kontrolliert, zu begleichen.
141 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 3.13. 142 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 3.14. 143 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 3.15. 144 IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 3.17.
52
- Unkündbare kumulierende Vorzugsaktien, mit einem bestimmten Kupon oder einer
bestimmten Dividende, die kumuliert zum nächsten Auszahlungstermin vorgetragen
und ausbezahlt wird, wenn in einem Jahr keine Ausschüttung stattfindet.
- Aktien mit der Ausprägung, dass es zu einer Erhöhung der Dividende kommt, wenn in
einem Jahr keine Dividende ausgeschüttet wurde. Diese Dividenden werden zwar als
„nicht kumulierend“ bezeichnet, allerdings erhöht sich der Anspruch im Folgejahr der
Nicht-Ausschüttung.
Als Beispiele für Finanzinstrumente deren Betrag von den finanziellen Ressourcen des
Unternehmens abhängig ist, werden in DP/2018/1 Rz. 3.24 folgende Finanzinstrumente
angeführt:
- Gewöhnliche Aktien.
- Unkündbare nicht kumulierende Vorzugsaktien mit einem bestimmten Kupon oder
einer bestimmten Dividende, deren Auszahlungsanspruch verfällt, wenn in einem Jahr
keine Ausschüttung erfolgt.
- Gewöhnliche Aktien an einer Tochtergesellschaft, die durch einen „non-controlling-
interest“ gehalten wird.
Im letzten Bereich der Section 3 werden die „kündbaren Instrumente“ des derzeit gültigen IAS
32 aufgegriffen.145 Hierbei handelt es sich um die Ausnahmeregelungen, die für bestimmte
Gesellschaftsvertragskonstrukte gelten. Für nähere Erläuterungen wird hier auf das Kapitel
3.2.1. verwiesen. Der „preferred approach“ sieht hierzu vor, dass diese Ausnahme beibehalten
werden sollte.
Aus diesem Abschnitt werden zwei Fragestellungen an die Anwender herangetragen:
Frage 3:
Nicht derivative Finanzinstrumente sind als finanzielle Verbindlichkeit zu klassifizieren, wenn
sie folgende Merkmale enthalten:
a) eine unvermeidbare Verpflichtung, Zahlungsmittel oder andere finanzielle
Vermögenswerte zu einem bestimmten Zeitpunkt – abgesehen von der Liquidierung –
zu transferieren und/oder
145 Anm.: Nähere Erläuterungen hierzu siehe im Kapitel 3.2.1.
53
b) eine unvermeidbare vertragliche Verpflichtung zur Leistung eines Betrags, der von den
im Unternehmen verfügbaren Ressourcen unabhängig ist.
Diese Regelung ist auch anzuwenden, wenn ein Finanzinstrument zumindest eine
Erfüllungsalternative hat, die einer nicht-derivativen finanziellen Verbindlichkeit entspricht.
Stimmen Sie zu? Warum oder warum nicht?
Frage 4:
Die „puttable exception“146 sollte laut der Ansicht des Board’s auch unter dem „preferred
approach“ beibehalten werden. Stimmen Sie zu? Warum oder warum nicht?
5.2.1.3.2 Rückmeldungen der Anwender
Eine Antwort auf die Frage 3 gaben neun Anwender, zwei (Swiss Holding und UBS Group)
verwiesen auf Frage 2 und von zwei Anwendern (Six Exchange Regulation und Erste Group
Bank) war aus dem Comment Letter keine eindeutige Antwort ableitbar. Von sieben
Anwendern gab es keine explizite Rückmeldung auf diese Frage.
Dem präsentierten Ansatz eindeutig zugestimmt hat auch hier – wie schon bei Frage 2 – die
EFTAS mit der Erläuterung, dass nicht-derivative Finanzinstrumente aus ihrer Sicht im
Wesentlichen eine „reine“ Verbindlichkeit sind und auch so zu klassifizieren sind.
Aus den Comment Letters aus denen keine explizite Antwort ableitbar war, war Six Exchange
Regulation der Meinung, dass der „preferred approach“ schwer zu verstehen ist, und sie
Zweifel an der neuen Terminologie haben. Positiv angemerkt wurde hingegen, dass die
Klassifizierung von kumulierenden Vorzugsaktien als Verbindlichkeit als sinnvoll erachtet
wird.
Die Erste Group Bank bekräftigte, dass sie eine Klassifizierung anhand der zwei Merkmale
befürwortet, wobei sie es als erforderlich erachten, dass das „amount feature“ überarbeitet
werden muss. Kritische Äußerung gab es jedoch in Bezug auf die Klassifizierung von
unkündbaren kumulierenden Vorzugsaktien sowie einer mangelnden Berücksichtigung von
146 Anm.: Hier ist die Ausnahmeregelung zu kündbaren Instrumenten gemäß IAS 32.16A-D gemeint.
54
Instrumenten, die bei einem bestimmten „trigger event“ verpflichtend in Aktien umzuwandeln
sind.
Die Kritikpunkte der Anwender, die dem präsentierten Zugang nicht zustimmten, waren ähnlich
den in Section 2 beschriebenen Einwänden:
- Das „amount feature“ ist schwer zu verstehen und trägt zur Komplexität bei.
- Es wird hinterfragt, ob das „amount feature“ im Einklang mit den Bestimmungen zu
den Verbindlichkeiten im Conceptual Frameworks ist.
- Es wurden Bedenken hinsichtlich der Bezugnahme auf die Liquidation und einen „gone
concern“ Ansatz geäußert.
Auch bei dieser Frage wurde wieder von mehreren Anwendern auf die neuen Terminologien
und die damit verbundenen Unsicherheiten hingewiesen sowie Zweifel darüber geäußert, ob
der präsentierte Zugang tatsächlich zu einer Verbesserung führt.
Vier Comment Letters (Six Exchange Regulation, DRSC, Commerzbank und Erste Group
Bank) waren Anmerkungen zu den unkündbaren kumulierenden Vorzugsaktien zu entnehmen.
Bis auf die Six Exchange Regulation stellten alle die Klassifizierung in Frage, die sich für diese
Instrumente nach dem präsentierten Zugang ergibt – nämlich eine Klassifizierung als
finanzielle Verbindlichkeit.
Kritikpunkte gab es von den Banken (Commerzbank und Erste Group Bank), dass auf
Additional-Tier-1-Instrumente nicht explizit eingegangen wird und dass eine Klassifizierung
als zusammengesetztes Instrument unter dem präsentierten Ansatz fragwürdig ist. Des
Weiteren merkten diese beiden auch an, dass im DP/2018/1 in keiner Weise auf die Fragen
eingegangen wird, die zu Abgrenzungsfragen zu Eigen- und Fremdkapital in den letzten Jahren
an das IFRS Committee herangetragen wurden. Hierzu zählen Fragen zur Klassifizierung von
finanziellen Verbindlichkeiten, die durch ein bestimmtes Ereignis verpflichtend in eine variable
Anzahl von Eigenkapitalinstrumenten umgewandelt werden oder die Realisierung von Zinsen
solcher Anleihen.
Die Frage 4, ob die „puttable excemption“ gemäß IAS 32.16 A-D beibehalten werden sollte
oder nicht, wurde von allen zwölf Anwendern, die zu dieser Frage Stellung nahmen,
grundsätzlich befürwortet. Die EFTAS standen dieser Frage am kritischsten gegenüber und
55
gaben an, dass die Ausnahme für kündbare Instrumente akzeptabel sei, sofern entsprechende
Angaben zu den Instrumenten sowie zu den Geschäftsbedingungen in den Notes ihren
Niederschlag finden.
Kritisch angemerkt wurde in Zusammenhang mit der Fortführung der Ausnahmebestimmung,
dass der „preferred approach“ wohl nicht die optimale Lösung sein kann, da ein neues
Grundkonzept so robust konzipiert sein sollte, dass es keiner Ausnahmeregelungen mehr bedarf
und die Regelungslücken geschlossen werden.
5.2.1.3.3 Conclusio
Die Frage 3 ähnelt sehr stark der Frage 2 mit dem Unterschied, dass es bei Frage 2 um die
Klassifizierung als Verbindlichkeit im Allgemeinen geht und bei Frage 3 um die
Klassifizierung als finanzielle Verbindlichkeit. Das „timing feature“ verlangt bei Frage 3 eine
Begleichung in Zahlungsmitteln oder einem anderen finanziellen Vermögenswert um als
finanzielle Verbindlichkeit eingestuft zu werden. Bei Frage 2 geht es allgemein um eine
Begleichung durch wirtschaftliche Ressourcen, d.h. der Begriff ist weiter gefasst. Im Hinblick
auf das „amount feature“ sind die Bestimmungen bei beiden Fragen ident.
Eine klare Regel des „preferred approach“ ist, dass in einem ersten Schritt festgestellt werden
muss, ob ein Instrument eine unvermeidbare vertragliche Verpflichtung hat. Auch der derzeit
gültige IAS 32.11 hat diesbezüglich eine ähnliche Regelung. Was durch den „preferred
approach“ neu hinzukommt ist jedoch die Bestimmung zum „amount feature“, nämlich dass
die Verpflichtung unabhängig von den verfügbaren wirtschaftlichen Ressourcen zu erfolgen
hat. Was darunter zu verstehen ist, versucht das DP/2018/1 zu erklären und mit Beispielen zu
unterlegen. Aus diesem Kriterium heraus würden sich – und das stellt auch das DP/2018/1
bereits fest – insbesondere Auswirkungen auf bestimmte Arten von Vorzugsaktien ergeben –
wie zum Beispiel kumulierende Vorzugsaktien. Derzeit werden Vorzugsaktien als
Eigenkapitalinstrumente klassifiziert, da es keine vertragliche Verpflichtung zur Ausschüttung
gibt. Durch die präsentierten Bestimmungen im DP/2018/1 würden solche Instrumente jedoch
als Fremdkapitalinstrumente zu klassifizieren sein, was bei einigen Kapitalgesellschaften zu
erheblichen Auswirkungen führen würde.
In diesem Teil des DP/2018/1 sind auch einige neue Termini zu finden, die teilweise zwar
definiert werden, aber eine genaue Erläuterung erforderlich wäre, wenn diese Termini in das
56
IAS/IFRS Regelwerk Einzug finden würden, um Auslegungen und Bilanzierungsspielräume zu
begrenzen. Als Beispiel für einen neuen Terminus ist jener des „an amount independent of the
entity’s available economic resources“ zu nennen. Es wurde zwar versucht, dies beispielhaft
zu erläutern, allerdings konnte auch schon bei den analysierten Comment Letters der Bedarf
einer tiefergehenden Erläuterung entnommen werden.
Interessant ist, dass das Board zwar in Section 1 explizit AT-1-Anleihen als Herausforderung
im Rahmen der Klassifizierung erwähnt, jedoch in dieser Section nicht detailliert darauf
eingeht. Die Regelungen in der Section 3 würden dazu führen, dass AT-1-Anleihen als
zusammengesetzte Instrumente zu klassifizieren sind. Insbesondere für Kreditinstitute würden
sich hier gröbere Auswirkungen ergeben, da AT-1-Anleihen seit Inkrafttreten von Basel III,
durch das die Eigenmittelerfordernisse und -quoten strenger reguliert wurden, gerne emittiert
werden, da sie als Additional-Tier-1 Kapital angerechnet werden können. Dies wurde von den
Banken unter den analysierten Comment Letters kritisch angemerkt.
Die Antworten auf die Frage 4 waren wenig überraschend, da diese Änderung auf Basis einer
Forderung diverser Anwender aufgenommen wurde. Überraschend hingegen ist, dass es auch
der neue „preferred approach“ der vom IASB ausgearbeitet wurde, es nicht schafft, von dieser
Ausnahme wegzukommen und eine Regelung zu etablieren, bei der es ein klares Grundprinzip
gibt, bei dem es dieser Ausnahme nicht mehr bedarf und welches trotzdem zu dem „richtigen“
Ergebnis führt.
5.2.1.4 Section 4 des DP/2018/1 – Klassifizierung von derivativen Finanzinstrumenten
5.2.1.4.1 Erläuterungen des Boards und Fragestellung an die Anwender
Derivate enthalten ein vertragliches Recht und eine Verpflichtung, einen zu Grunde liegenden
finanziellen Vermögenswert, eine finanzielle Verbindlichkeit oder ein Eigenkapitalinstrument
mit der anderen Partei zu tauschen.147
Das Board identifiziert Merkmale von Derivaten, die einen Einfluss auf die Klassifizierung
haben. Demnach können Derivate auf Eigenkapitalinstrumente bedingt oder unbedingt sein, in
unterschiedlichen Arten beglichen werden (Austausch, Nettoausgleich, Begleichung in
147 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 4.3.
57
Eigenkapitalinstrumenten) und sie können alleinstehend oder eingebettet in andere nicht
derivative Basisverträge sein.148 Im Hinblick auf den Austausch (Brutto oder Nettoausgleich)
kommt das Board zu folgendem Schluss und präsentiert zwei neue Termini:
• „asset/equity exchange“: Erhalt von Zahlungsmitteln oder anderen finanziellen
Vermögenswerten gegen Lieferung eigener Eigenkapitalinstrumente.
• „liability/equity exchange“: Die Tilgung einer finanziellen Verbindlichkeiten wird
durch eine Lieferung von eigenen Eigenkapitalinstrumenten bzw. ein Wandlungsrecht
bei Eigenkapitalinstrumenten wird gegen eine finanzielle Verpflichtung
ausgetauscht.149
Asset/equity exchange:
Das Board stellt im Rahmen dieser Section unterschiedliche Überlegungen zur Klassifizierung
von Derivaten auf eigene Eigenkapitalinstrumente an und kommt zu einem ähnlichen Schluss
wie die derzeit zu diesem Thema geltenden Regelungen des IAS 32. Das bedeutet, dass solche
Derivate weiterhin in ihrer Gesamtheit klassifiziert werden sollen und dass Derivate auf
Eigenkapitalinstrumente, die im Nettoausgleich beglichen werden oder auf einer unabhängigen
Variable basieren (z.B. Rohstoffindex), als finanzielle Vermögenswerte bzw. finanzielle
Verbindlichkeiten zu klassifizieren sind.150 Ein Unterschied zum IAS 32 ist natürlich, dass die
Klassifizierung auch hier auf dem „timing feature“ und „amount feature“ basiert. Das „timing
feature“ ist in diesem Zusammenhang relativ eindeutig bestimmbar. Wird bei einem Derivat
auf ein Eigenkapitalinstrument ein Nettoausgleich vereinbart und wird somit das Unternehmen
verpflichtet, Zahlungsmittel zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bezahlen, so hat eine
Klassifizierung als finanzielle Verbindlichkeit zu erfolgen. Wird bei einem Derivat auf ein
Eigenkapitalinstrument hingegen ein physischer Bruttoausgleich vereinbart oder kommt es zu
einem Nettoausgleich in Aktien, kommt es zu keiner Verpflichtung, Zahlungsmittel oder andere
finanzielle Vermögenswerte zu einem bestimmten Zeitpunkt zu liefern, so wird die
Klassifizierung durch das „amount feature“ bestimmt.151 Hier kommt wieder die Bestimmung,
die in den vorherigen Sections bereits erklärt wurde zum Tragen, d.h. dass der Tilgungsbetrag
unabhängig von den verfügbaren finanziellen Ressourcen des Unternehmens sein muss, damit
eine Klassifizierung als finanzielle Verbindlichkeit erfolgen kann. Auf Derivate wirken
148 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 4.5 f. 149 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 4.8. 150 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 4.40. 151 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 4.27.
58
verschiedene Variablen (z.B. Zinssätze, Fremdwährungen, Aktienpreise, etc.) unterschiedlich
ein. Hier ist laut der Ansicht des Boards eine Unterteilung in „dependent variable“ und
„independent variable“ in Bezug auf die Unabhängigkeit des Tilgungsbetrags von den
verfügbaren finanziellen Ressourcen des Unternehmens vorzunehmen. Eine Indexierung auf
einen Rohstoffpreis wäre hier als unabhängig zu erachten, während eine Variable, die auf dem
eigenen Aktienpreis basiert als abhängig zu erachten ist.152
Die Herausforderung zeigt sich hierbei in der Identifizierung der abhängigen und unabhängigen
Variablen und es kann in vielen Fällen zu Mischformen kommen, die im DP/2018/1 4.31 als
„partly independent variables“ tituliert werden. Das DP/2018/1 sieht vor, dass solche Derivate
in ihrer Gesamtheit als finanzielle Vermögenswerte oder finanzielle Verbindlichkeiten zu
klassifizieren sind.153
Liability/equity exchange:
Für diese Fälle kommt das Board zum Schluss, dass eine Klassifizierung als finanzieller
Vermögenswert oder finanzielle Verbindlichkeit erforderlich ist, wenn
- ein Nettobarausgleich stattfindet, oder
- der Nettotilgungsbetrag des Derivats von einer unabhängigen Variablen beeinflusst
wird.154
Unterschiede im Vergleich zum IAS 32 ergeben sich laut einer Einschätzung des Boards
insbesondere in folgenden Fällen:
- Nettoausgleich von Derivaten durch Aktien: Lieferung einer fixen Anzahl eigener
Aktien gegen den Erhalt einer variablen Anzahl von Aktien wobei der Gesamtwert
fixiert ist. Unter IAS 32 ist eine Klassifizierung als finanzieller Vermögenswert oder als
finanzielle Verbindlichkeit erforderlich, unter dem „preferred approach“ kommt es zu
einer Klassifizierung als Eigenkapitalinstrument, da eine vertragliche Verpflichtung
besteht, wirtschaftliche Ressourcen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu transferieren.
- Fremdwährungsbezugsrechte: hier gibt es im IAS 32 eine Ausnahmeregelung, wonach
eine Klassifizierung als Eigenkapitalinstrumente erfolgt. Unter dem „preferred
approach“ sind Fremdwährungsbezugsrechte als finanzielle Vermögenswerte oder
152 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 4.30. 153 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 4.32. 154 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 4.36.
59
finanzielle Verbindlichkeiten zu klassifizieren. Diese Herangehensweise wird als
konsistent mit Derivaten auf Eigenkapitalinstrumente, deren Nettobetrag durch andere
unabhängige Variablen beeinflusst wird, erachtet. Ein Beispiel hierfür ist eine
eingebettete Wandlungsoption in eine Fremdwährungsschuldverschreibung. 155
Aus dieser Section heraus wurde folgende Frage an die Anwender herangetragen:
Frage 5:
Derivate auf eigene Aktien sollten wie folgt klassifiziert werden:
a) Ein Derivat auf eigene Aktien soll in seiner Gesamtheit als Eigenkapitalinstrument, als
finanzieller Vermögenswert oder als finanzielle Verbindlichkeit klassifiziert werden,
d.h. es kommt zu keiner Aufteilung in Eigen- und Fremdkapitalkomponenten.
b) Ein Derivat auf eigene Aktien sollte als finanzieller Vermögenswert oder eine
finanzielle Verbindlichkeit klassifiziert werden, wenn
i. eine Nettozahlungsausgleich erfolgt – d.h. das Derivat verpflichtet das
Unternehmen ein Zahlungsmittel oder einen finanziellen Vermögenswert zu
liefern und/oder enthält ein Recht Zahlungsmittel zu einem bestimmten Zeitpunkt
zu erhalten (ausgenommen ist der Liquidationszeitpunkt) und/oder
ii. der Nettobetrag des Derivats durch eine Variable beeinflusst wird, die unabhängig
von den verfügbaren finanziellen Ressourcen des Unternehmens ist.
Stimmen Sie zu? Warum oder warum nicht?
5.2.1.4.2 Rückmeldungen der Anwender
Zum Teil a) der gestellten Frage war bei neun der 19 analysierten Comment Letters eine
Antwort zu entnehmen. Alle befürworten, dass Derivate auf Eigenkapitalinstrumente in ihrer
Gesamtheit klassifiziert werden und nicht aufzusplitten sind. Als Grund wurde hier u.a.
genannt, dass dieser Zugang sinnvoll ist, um Komplexität zu vermeiden.
Zum Teil b) der gestellten Frage nahmen zehn der 19 Anwender Stellung. Drei davon (AFRAC,
Erste Group Bank und Swiss Holdings) sprachen sich für das präsentierte Konzept aus.
Kritisiert wurden von diesen Anwendern, dass durch die neuen Termini wie „asset/equity
exchange“ oder „liability/equity exchange“ kein Mehrwert entsteht und dass sie zudem nicht
155 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 4.42.
60
klar im DP/2018/1 definiert werden (Erste Bank Group) bzw. dass es überdacht werden sollte,
die „foreign currency issue rights“ Ausnahme beizubehalten (AFRAC).
Die restlichen sieben Anwender, stimmen dem präsentierten Konzept nicht zu. Kritisiert wird
unter anderen die Komplexität des präsentierten Ansatzes (UBS Group, IDW, Commerzbank,
EFTAS). Im Hinblick auf die Eliminierung der Ausnahmebestimmung zu „foreign currency
issue rights“ gab es unterschiedliche Ansichten. Die UBS Group und die Commerzbank
kritisieren diesen Ansatz während sich das deutsche DRSC für eine Eliminierung der
Ausnahmebestimmung ausspricht, da es aus ihrer Sicht begrüßenswert ist,
Ausnahmeregelungen grundsätzlich zu minimieren. Die UBS Group und EFTAS kritisieren
u.a. auch eine mangelnde Berücksichtigung der Interaktion mit dem IFRS 9 im DP/2018/1.
Auf das „timing feature“ und das „amount feature“ gingen die meisten Rückmelder bei dieser
Frage nicht explizit ein bzw. wiederholten bereits zuvor geäußerte Bedenken.
5.2.1.4.3 Conclusio
Positiv hervorzuheben ist, dass das IASB im DP/2018/1 das präsentierte Prinzip klar
durchzieht. Die bisher präsentierten Ansätze für die Klassifizierung sind stimmig und bauen
auf das „timing feature“ und das „amount feature“ auf.
Von den Rückmeldern wird ebenfalls die Bilanzierung der Derivate auf
Eigenkapitalinstrumente in ihrer Gesamtheit - sprich keine Aufteilung in Eigen- und
Fremdkapitalkomponenten - als positiv erachtet, da dieser Zugang die Komplexität minimiert.
In diesem Kapitel werden wieder eine Reihe von neuen Termini wie beispielsweise
„asset/equity exchange“ oder „liability/equity exchange“ präsentiert, was voraussichtlich zu
neuen Fragestellungen und Herausforderungen führen wird. Die Erste Bank Group hat hierzu
in ihrem Comment Letter bereits angemerkt, dass die Definition der Begriffe im DP/2018/1
nicht klar ist. Auch Suedzucker hat Bedenken im Hinblick auf die neuen Terminologien
geäußert.
61
Die Rückmeldungen zu den bisher gestellten Fragen spiegeln sich grundsätzlich auch bei dieser
Frage wieder. So wird auf das „amount feature“ und „timing feature“ nicht neuerlich Bezug
genommen, sondern allgemeine Bedenken hinsichtlich des Ansatzes im Allgemeinen geäußert.
Interessant ist insbesondere, dass es seitens AFRAC, Erste Group und Swiss Holding auf diese
Frage eine eindeutige Zustimmung gab, während insbesondere die Fragen 2 und 3 nicht
eindeutig befürwortend für das präsentierte Konzept waren.
Im Hinblick auf die identifizierten Regelungslücken in Kapitel 4.2 kann hier abgeleitet werden,
dass der präsentierte „preferred approach“ sehr komplex ist, Detailregelungen nicht
ausführlich genug beschreibt und neue Termini zu neuen Fragen führen, wodurch ein
Lösungsansatz für die identifizierten Regelungslücken nicht beurteilt werden kann.
5.2.1.5 Section 5 des DP/2018/1 – Zusammengesetzte Instrumente und Rückzahlungsverpflichtungen
5.2.1.5.1 Erläuterungen des Boards und Fragestellung an die Anwender
Diese Section ist in mehrere Unterpunkte unterteilt: Zusammengesetzte Instrumente,
Rücknahmeverpflichtungen sowie Finanzinstrumente mit alternativen Begleichungsoptionen.
Zusammengesetze Instrumente
Um herauszufinden, ob es sich um zusammengesetzte Finanzinstrumente handelt, muss gem.
DP/2018/1, Rz. 5.12 ff in einem ersten Schritt beurteilt werden, ob eine Verbindlichkeits- und
Eigenkapitalkomponente vorhanden ist und ob eine separate Klassifizierung erforderlich ist.
Handelt es sich um ein zusammengesetztes Finanzinstrument, bei dem es einer gesonderten
Klassifizierung der Eigen- und Fremdkapitalkomponente bedarf, so gilt es in einem ersten
Schritt die unvermeidbare vertragliche Verpflichtung zu identifizieren. In einem zweiten Schritt
sind dann die übrigen Rechte und Verpflichtungen als Eigenkapitalinstrument zu klassifizieren,
sofern ein eigener Vertrag dafür besteht. Bei diesen verbleibenden Rechten und
Verpflichtungen handelt es sich um ein „liability/equity exchange derivative“, das gemäß den
Erläuterungen in Section 4 zu bilanzieren wäre.
62
Rückzahlungsverpflichtungen
Bei den Rückzahlungsverpflichtungen ist nach Ansicht des Boards wieder zwischen
„asset/equity exchange“ und „liability/equity exchange“ zu unterschieden. Für Derivate auf
Eigenkapitalinstrumente ist eine Analyse der Gesamtheit der vertraglichen Rechte und
Verpflichtungen die sowohl das Eigenkapitalinstrument selbst, als auch das Derivat betreffen,
vorzunehmen. Hier ist in Folge auf die Regelungen des zusammengesetzten Instruments
abzustellen.156
In dieser Section wird auch näher auf die Bedingtheit („conditionality“) von
Erfüllungsalternativen eingegangen und die Frage gestellt, ob die Fremdkapitalkomponente den
Bedingtheitseffekt beinhalten sollte oder nicht.157 Das Board kommt hier zum Schluss, dass
sofern ein Unternehmen kein bedingungsloses Recht hat, eine Erfüllungsalternative zu
vermeiden, das Finanzinstrument als finanzielle Verbindlichkeit zu klassifizieren ist –
unabhängig davon, wer die Kontrolle über die Erfüllungsalternative hat.158 Das Board illustriert
dies anhand des folgenden Beispiels: Eine Pflichtwandelanleihe wird vom Unternehmen
begeben. Das Unternehmen muss eine variable Anzahl von eigenen Aktien im Wert von 100
Cash Units (CU) liefern, wobei ein Cap von 100 Aktien vereinbart wird. Das bedeutet, dass der
Cap zum Einsatz kommt, wenn der Aktienkurs unter CU 1 fällt. Gemäß dem „preferred
approach“ des Boards sind die Bestimmungen hinsichtlich der Klassifizierung wie folgt:
1. Bei der Verpflichtung eine bestimmte Anzahl von Aktien zu liefern handelt es sich um
eine nicht derivative Verbindlichkeitskomponente. Die Ungewissheit aus der
Bedingtheit, sprich ob der Cap zum Einsatz kommt oder nicht, wird nicht berücksichtigt.
2. Die verbleibenden Rechte und Verbindlichkeiten sind anhand des
Klassifizierungsprinzips des „preferred approach“ zu klassifizieren. 159
Eine Bedingtheit ist somit nie in der nicht derivativen finanziellen Verbindlichkeit zu
berücksichtigen.
156 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 5.15. ff. 157 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 5.20. 158 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 5.21. 159 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 5.22. f.
63
Um die Vorschläge des Boards zu veranschaulichen werden noch zwei Beispiele in Bezug auf
die bilanzielle Behandlung von Wandelschuldverschreibungen und Put Optionen präsentiert.
Die beiden folgenden Beispiele werden ausführlich im DP/2018/1 in Rz. 5.33 f erläutert.
Beispiel Wandelschuldverschreibung:
Eine Wandelschuldverschreibung wird um CU 100.000 begeben. In zwei Jahren muss der
Emittent der Wandelschuldverschreibung dem Inhaber CU 110.000 zurückzahlen. Alternativ
wird dem Inhaber das Recht eingeräumt anstatt einer Barbegleichung Stammaktien im Wert
von CU 100.000 zu erhalten. Dem Beispiel werden folgende Annahmen unterstellt: Es gibt
keine Zinszahlungen, eine vorzeitige Tilgung ist ausgeschlossen, der Barwert zum Zeitpunkt
der Emission ist CU 82.000 und der Aktienpreis der Stammaktien nach den zwei Jahren beläuft
sich auf CU 1,25.
Die Verpflichtung CU 110.000 in zwei Jahren zurückzuzahlen ist in ihrer Gesamtheit als
finanzielle Verbindlichkeit zu klassifizieren, da die in dem DP/2018/01 präsentierten
Klassifizierungskriterien zutreffen. Die Bilanzierung hat gemäß den Bestimmungen des IFRS
9 zu erfolgen.
Beispiel Put Optionen auf Eigenkapital:
Ein Unternehmen gibt Aktien zum Wert von CU 100.000 um CU 0,9 pro Aktie aus. Gleichzeitig
kauft das Unternehmen eine Put Option auf 100.000 Stammaktien zu einem Ausübungspreis
von CU 1,1 pro Aktie. Die Put Option kann in zwei Jahren ausgeübt werden – als
Stillhalterprämie werden CU 10.000 vereinbart. Der Barwert des Rückzahlungsbetrags ist CU
82.000. Der Stammaktienpreis am Ende der zwei Jahre beläuft sich auf CU 1,25.
Die Option die Verbindlichkeit in Aktien zu tauschen stellt eine Eigenkapitalkomponente dar.
Die Option hat das Merkmal von Eigenkapital, da es sich um einen Tausch in eine fixe Anzahl
von Aktien handelt.
Alternative Erfüllungsoptionen
Im letzten Teil geht das DP in dieser Section noch auf alternative Erfüllungsoptionen ein, die
vom Emittenten kontrolliert werden, sprich bei denen der Emittent die Entscheidung trifft eine
Option auszuüben oder nicht. Ein Beispiel für ein solches Instrument stellt eine reversible
Wandelschuldverschreibung dar, bei der dem Emittenten das unbedingte Recht eingeräumt
64
wird zu entscheiden, ob die Rückzahlung in Cash oder durch die Lieferung von eigenen Aktien
erfolgt. Der Emittent hat somit die Verpflichtung, eine fixe Anzahl von
Eigenkapitalinstrumenten zu liefern und parallel dazu das Recht, diese Verpflichtung erlöschen
zu lassen und stattdessen Cash zurückzuzahlen. Hier wäre eine Klassifizierung als
Eigenkapitalinstrument erforderlich.160 Dies rührt daher, dass hier das Recht Aktien zu liefern
und somit die Rückzahlung in Cash zu begleichen im Vordergrund steht. Das Board hat sich
jedoch in diesem Zusammenhang dazu Gedanken gemacht, ob und wie den Adressaten
Informationen bezüglich der alternativen Begleichungsoption zugänglich gemacht werden
kann. Dabei wurden die Vor- und Nachteile einer möglichen Aufteilung in eine Eigen- und
Fremdkapitalkomponente erläutert.161
Zusammenfassend kommt das Board in Paragraph 5.48 zu folgendem Schluss:
a) Bei einem alleinstehenden, zur Erlöschung von Eigenkapitalinstrumenten gehaltenem
Derivat, ist die Gesamtheit der vertraglichen Rechte und Verpflichtungen, die sich aus
dem nicht-derivativen Eigenkapitalinstrument und aus dem Derivat ergeben, zu
berücksichtigen. Wurden die Rechte und Verpflichtungen identifiziert, so ist eine
Klassifizierung gemäß der Bestimmungen zu zusammengesetzten Derivaten
vorzunehmen.
b) Für zusammengesetzte Instrumente oder Rückzahlungsverpflichtungen ist die Eigen-
und Fremdkapitalkomponente separat zu klassifizieren. Hat ein Unternehmen kein
unvermeidbares vertragliches Recht eine Erfüllungsalternative mit den Merkmalen
einer finanziellen Verbindlichkeit zu umgehen, so
i. ist der Teil der unvermeidbaren vertraglichen Verpflichtung als nicht-
derivative finanzielle Verbindlichkeit zu klassifizieren, und
ii. die verbleibenden Rechte und Pflichten sind als Eigenkapitalinstrument
zu klassifizieren.
c) Hat ein Unternehmen das unbedingte Recht, alle Erfüllungsalternativen, die zur
Klassifizierung als finanzielle Verbindlichkeit führen, zu vermeiden, so enthält ein
Finanzinstrument keine Komponente einer finanziellen Verbindlichkeit.
160 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 5.45. 161 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 5.46.
65
Aus diesem Bereich gab es eine Frage, die an die Anwender herangetragen wurde:
Frage 6:
Stimmen Sie der Ansicht des Boards, die in Paragraph 5.48 a – b präsentiert wird zu? Warum
oder warum nicht?
Für Finanzinstrumente mit alternativen Erfüllungsoptionen, die keine unvermeidbare
vertragliche Verpflichtung haben, die dem Merkmal einer finanziellen Verbindlichkeit
entspricht, hat das Board verschiedene Möglichkeiten in den Paragraphen 5.43-5.47
vorgeschlagen, wie Informationen zu den alternativen Erfüllungsoptionen zur Verfügung
gestellt werden können.
a) Glauben Sie, dass das Board darauf näher eingehen sollte? Warum oder warum nicht.
b) Wenn ja, welcher Zugang wäre Ihres Erachtens der effektivste um Informationen zur
Verfügung zu stellen und warum?
5.2.1.5.2 Rückmeldungen der Anwender
Auf den ersten Teil der Frage (präsentierter Zugang in Paragraph 5.48 a und b) antworteten
neun der 19 analysierten Unternehmen, wobei die Rückmeldung von EFTAS nicht eindeutig
der Frage 6 zuordenbar war. Von den neun Rückmeldern stimmte lediglich die Swiss Holding
dem präsentierten Ansatz zu, mit der Begründung, dass Instrumente, die sich zwar rechtlich
unterscheiden, aber zum selben Ergebnis führen, derselben Klassifizierung und bilanziellen
Behandlung unterworfen werden sollten.
Die konträre Sichtweise zu dieser Begründung lieferten alle Anwender, die dem präsentierten
Ansatz nicht zustimmen (DRSC, UBS Group, IDW, Commerzbank, Erste Group Bank). Sie
kritisieren scharf, dass Wandelanleihen wirtschaftlich nicht mit Put Optionen vergleichbar sind.
Vom deutschen IDW wurde in diesem Zusammenhang argumentiert, dass bei Wandelanleihen
ein Anspruch auf Basis des ausstehenden Betrags entsteht, während beim Put ein
untergeordneter Anspruch auf den Residualwert besteht. Die Erste Group Bank argumentierte,
dass bei Wandelanleihen die Aktien zum Zeitpunkt der Bilanzierung noch nicht ausgegeben
wurden, bei der Put Option hingegen die Aktien bis zum Zeitpunkt des potentiellen Rückkaufs
zum Kapital beitragen.
Teilweise dem präsentierten Absatz etwas abgewinnen konnten Siemens und das
österreichische AFRAC. Siemens stimmt dem Ansatz einer getrennten Klassifizierung der
66
Eigen- und Fremdkapitalkomponente zu, wirft jedoch ein, dass sie nicht zur Gänze davon
überzeugt sind, ob diese Vorgehensweise das wahre Bild dieser Transaktion im wirtschaftlichen
Sinne widergibt. Das AFRAC geht nur auf Pflichtwandelanleihen ein und stimmt dem Ansatz
zu, bemängelt jedoch, dass die weitere bilanzielle Behandlung des verbleibenden Caps oder
Floors unklar ist und hier noch weitere Beispiele und Guidelines seitens des Boards erforderlich
sind.
Auf den zweiten Teil der Frage, nämlich ob sich das Board mit Regelungen zu
Erfüllungsalternativen auseinander setzen sollte oder nicht bzw. welche Vorschläge es zu
diesem Thema seitens der Anwender gibt, antworteten fünf Anwender, die alle zustimmten. Als
Gründe dafür, dass sie eine Behandlung dieses Themas fordern, wurden
Informationsbedürfnisse der Investoren, Strukturierungsmöglichkeiten in der Ausgestaltung
von Finanzinstrumenten sowie eine allumfängliche Guidance für alle Themenbereiche genannt.
Auf die Frage, welche Herangehensweisen im Hinblick auf die Klassifizierung sich die
Anwender für alternative Begleichungsmethoden vorstellen könnten, wurden folgende
Zugänge genannt:
- Vermeidung einer Trennung des eingebetteten Derivats in der Bilanzierung
- Trennung des eingebetteten Derivats bzw. selbe Behandlung wie zusammengesetzte
Instrumente
- Zusätzliche Informationen in den Notes
5.2.1.5.3 Conclusio
Der Ansatz, der in dieser Section präsentiert wird, ist grundsätzlich im Einklang mit dem im
DP/2018/1 präsentierten Grundprinzip. Die Frage, die aufgeworfen werden kann ist, ob nicht
zu stark auf ein Grundprinzip abgestellt wird und dabei die Charakteristika von
unterschiedlichen Instrumenten ein wenig außer Acht gelassen werden. Zu dieser Conclusio
könnte man kommen, wenn man die vorgeschlagene Behandlung von
Wandelschuldverschreibungen und Optionen auf eigene Aktien ansieht. Wie auch diverse
Anwender angemerkt haben, haben diese beiden Instrumente im Vergleich sehr
unterschiedliche Charakteristika. Bei einer Wandelschuldverschreibung besteht die Option zur
Wandlung in Eigenkapitalinstrumente statt einer Rückzahlung, bei einer Put Option verpflichtet
sich das Unternehmen hingegen die Aktien bei Ausübung zurückzukaufen. Dass diese Logik
auf starke Kritik stößt ist wenig verwunderlich, da die Gleichbehandlung von so verschiedenen
67
Instrumenten nicht intuitiv ist und bezweifelt werden kann, ob die Darstellung im Abschluss
den wirtschaftlichen Charakter wiederspiegelt.
Interessant und auch überraschend ist, dass die Frage gestellt wurde, ob das Thema der
alternativen Erfüllungsoptionen weiter behandelt werden sollte. Interessant einerseits, da dieses
Thema bereits in der Vergangenheit Fragen aufgeworfen hat und zu einer IFRIC Stellungnahme
im Jahr 2013162 geführt hat, die nicht zur Gänze zur Problemlösung beigetragen hat163 und
überraschend ist andererseits, dass das Board mit der Frage, welcher Zugang in der
Klassifizierung und Bilanzierung der effektivste wäre, mit einer Frage und nicht mit einem
ausgearbeiteten Vorschlag an die Anwender herantritt. Die Tatsache, dass nur fünf Anwender
auf diese Frage explizit geantwortet haben, könnte jedoch auch ein Hinweis darauf sein, dass
nicht alle Anwender von dieser Problemstellung betroffen sind.
Im Hinblick auf die in Kapitel 4.2 identifizierten Regelungslücken können aus den im
DP/2018/1 präsentierten Ansätzen des IASB in der Section 5 keine vollends befriedigenden
Lösungen abgeleitet werden. Erfüllungsalternativen werden zwar behandelt, allerdings sehr
oberflächlich und eher mit Überlegungen als mit Lösungsvorschlägen.
5.2.1.6 Section 8 des DP/2018/1 – Vertragsbestimmungen und die Beziehung zwischen Verträgen und dem Gesetz
5.2.1.6.1 Erläuterungen des Boards und Fragestellung an die Anwender
Einige Finanzinstrumente räumen dem Emittenten das Recht ein, zwischen verschiedenen
Erfüllungsalternativen zu wählen.164 In manchen Fällen sind die Anreize einer Option so stark,
dass es beinahe einem wirtschaftlichen Zwang gleichkommt, sich für eine bestimmte Option zu
entscheiden.165 Hier wird nun die Frage vom IASB aufgeworfen, ob solche wirtschaftlichen
Anreize in der Klassifizierung zu beachten sind oder nicht. Es werden zwei Finanzinstrumente
näher erläutert und dazu unterschiedliche Sichtweisen präsentiert.
162 Vgl. IASB, IFRIC Update Mai 2013. 163 Anm.: Nähere Erläuterungen hierzu siehe Kapitel 4.1.2.1.1. 164 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 8.4. 165 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 8.7.
68
Das erste Beispiel dreht sich um eine typische Wandelschuldverschreibung. Hier besteht in der
Regel eine unvermeidbare Verpflichtung zu einem bestimmten Zeitpunkt Zahlungsmittel zu
transferieren, was der Definition einer finanziellen Verbindlichkeit nach dem „preferred
approach“ des Boards entspricht. Das Recht des Inhabers die Wandelschuldverschreibung in
Aktien zu konvertieren, stellt die Eigenkapitalkomponente dar, die als solche zu klassifizieren
ist. Das heißt, es kommt hier nach dem „preferred approach“ zu einer separaten
Klassifizierung der beiden Komponenten, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass der Inhaber
das Recht ausübt, sehr hoch ist.166
Betrachtet man hingegen eine reversible Wandelanleihe, die dadurch charakterisiert ist, dass
der Emittent das Wahlrecht hat, eine fixe Anzahl von Aktien anstatt Zahlungsmittel zu
transferieren, so besteht hier keine unvermeidbare vertragliche Verpflichtung wirtschaftliche
Ressourcen zu transferieren, das heißt, dieses Instrument ist zur Gänze als
Eigenkapitalinstrument zu klassifizieren.167
Zu den zwei Instrumenten präsentiert das Board zwei unterschiedliche Sichtweisen. Zum einen
könnte man der Ansicht sein, dass die unterschiedlichen Rechte und Pflichten der beiden
Instrumente so wirklichkeitsgetreu abgebildet werden, da das Recht durch den Inhaber
kontrolliert wird und nur er entscheidet, ob das Recht ausgeübt wird oder nicht, während bei
der reversiblen Wandelanleihe das Recht vom Emittenten ausgeübt wird, der hier alleine
entscheidet. Die gegenteilige Ansicht wäre, dass die Klassifizierung kontra-intuitiv ist, da es
bei beiden Instrumenten leicht vorkommen kann, dass es zu einer Wandlung kommt.
Schwierigkeiten in der Berücksichtigung von wirtschaftlichen Anreizen in der
Klassifizierungsentscheidung sieht das Board insbesondere bei den Fragen der Signifikanz
eines wirtschaftlichen Anreizes, dem Umgang mit Änderungen am Markt, die Umwelteinflüsse
auf die Entscheidung sowie der Berücksichtigung von aktuellen wirtschaftlichen
Gegebenheiten oder auch einer Berücksichtigung von künftigen wirtschaftlichen
Entwicklungen.168
166 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 8.15 (a). 167 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 8.15 (b). 168 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 8.16.
69
Im zweiten Abschnitt der Section 8169 geht das IASB näher auf die Beziehungen zwischen
Gesetz und Vertrag ein. Hier wird die Frage gestellt, ob die gesetzlichen Bestimmungen in der
Klassifizierung zu berücksichtigen sind oder nicht. Hier ist die Regelung innerhalb des gültigen
IFRS Regelwerks nicht eindeutig.
Aus diesem Kapitel gingen zwei Fragen (Frage 10 und Frage 11) hervor, die an die Anwender
gestellt wurden.
Frage 10:
Stimmen Sie folgenden Ansichten des Boards zu:
a) Wirtschaftliche Anreize haben einen Einfluss auf die Entscheidung, ob Rechte
ausgeübt werden, daher sollten wirtschaftliche Anreize bei der Klassifizierung von
Finanzinstrumenten keine Rolle spielen.
b) Die Bestimmungen des IAS 32.20170 sollen beibehalten werden.
Warum oder warum nicht?
Frage 11:
Das Board ist der Ansicht, dass die Regelungen zu den vertraglichen Bestimmungen
unverändert vom IAS 32 übernommen werden sollen. Stimmen Sie zu? Warum oder warum
nicht?
5.2.1.6.2 Rückmeldungen der Anwender
Auf die Frage 10 Unterfrage a) antworteten neun der 19 analysierten Rückmelder. Das
österreichische AFRAC gab auf diese Frage keine eindeutige Antwort, sondern hielt lediglich
fest, dass das IASB sich in einem Research Project der Frage widmen sollte, ob „economic
compulsion“ zu berücksichtigen ist, wobei darauf geachtet werden sollte, dass die Regelungen
zu „economic compulsion“, die auch bereits teilweise in diversen anderen Standards verankert
sind (IAS 37 und IFRS 13), einheitlich im gesamten IAS/IFRS Standard behandelt werden
sollten. Alle anderen 8 Anwender, die einen Comment Letter verfassten, sind der Ansicht, dass
wirtschaftliche Incentives im Rahmen der Klassifizierung keine Berücksichtigung finden
169 Vgl. IFRS Foundation, DP/2018/1, Rz. 8.27 ff. 170 Anm.: IAS 32.20 behandelt indirekte vertragliche Verpflichtungen.
70
sollten. Als Gründe, warum von einer Berücksichtigung abgesehen werden sollte, wurden
genannt:
- Unbeabsichtigte Konsequenzen, die es zu vermeiden gilt.
- Regelung des IAS 32 wird gut verstanden.
- Auswirkungen werden von Emittent zu Emittent unterschiedlich beurteilt.
- Entstehung komplexer Bilanzierungsfragen.
- Incentives können unsicher sein.
- Neubetrachtung bei Änderungen.
Auf die Frage 10 Unterfrage b) antworteten acht Anwender, die sich alle einig waren, dass die
Regelung des IAS 32.20 beibehalten werden sollte. Das DRSC und die Erste Group Bank regten
hier jedoch an, dass eine prinzipienbasierte Klärung des Terminus „indirekten Verpflichtung“
gem. IAS 32.20 notwendig wäre.
Auf die Frage 11, ob nur die vertraglichen Bestimmungen – gemäß der Bestimmung des IAS
32 - in die Klassifizierungsentscheidung eingebunden werden sollten, oder ob auch gesetzliche
Bestimmungen berücksichtigt werden sollten, antworteten zwölf Anwender. Eindeutig für eine
ausschließliche Berücksichtigung der vertraglichen Bestimmungen sprachen sich sechs
Rückmelder aus (SIX Exchange Regulation, Suedzucker, Volkswagen Group, Erste Group
Bank, EFTAS und die Swiss Holding). Begründungen hierfür waren, dass der Ansatz als
passend empfunden wird oder dass der Ansatz im Einklang mit anderen Standards – wie
beispielsweise IFRS 9 – steht. Von der Erste Group Bank wurde jedoch noch kritisch
eingeworfen, wie mit Instrumenten umzugehen ist, bei denen gesetzliche Bestimmungen im
Vertrag ihren Niederschlag finden.
Teilweise dafür sprachen sich zwei Rückmelder aus (AFRAC und Commerzbank). Das
AFRAC stimmt zu, dass eine Abweichung von der derzeitigen Regelung im IAS 32 noch
intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema bedeuten würde und sieht die Schwierigkeit
insbesondere darin, wo die Grenze zwischen vertraglichen Bestimmungen und gesetzlichen
Bestimmungen gezogen wird und regt das IASB an die möglichen Auswirkungen einer
Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen weiter zu untersuchen. Die Commerzbank
sieht beim „substance over form“ Zugang des derzeit gültigen IAS 32 Unsicherheiten bei der
Klassifizierung von Finanzinstrumenten, die in der Bankindustrie aus regulatorischen Gründen
begeben werden (z.B. AT-1-Anleihen) und würde eine Klarstellung hierfür begrüßen.
71
Gegen eine ausschließliche Berücksichtigung der vertraglichen Bestimmungen bei der
Klassifizierung sprachen sich vier Anwender aus (Siemens, DRSC, UBS Group und IDW).
Hierbei wurde argumentiert, dass die wirtschaftlichen Charakteristika eines Finanzinstruments
sowohl durch die vertraglichen als auch die gesetzlichen Regelungen bestimmt sind und es
somit nicht sinnvoll ist, die Klassifizierungsentscheidung lediglich auf die vertraglichen
Bestimmungen abzustellen, da so die wirtschaftliche Realität nicht real wiedergegeben wird.
Siemens hatte einzuwenden, dass in den vertraglichen Bestimmungen nur jene Regelungen
aufgenommen werden, die nicht schon ohnehin gesetzlich geregelt werden und befürchtet, dass
es durch eine ausschließliche Berücksichtigung der vertraglichen Bestimmungen zu
unterschiedlichen Klassifizierungsergebnissen für ein und dasselbe Finanzinstrument in
unterschiedlichen gesetzlichen Umfeldern kommen kann. UBS Global ist der Ansicht, dass es
hier noch weitere Klarstellungen und Guidelines für die Anwender braucht.
5.2.1.6.3 Conclusio
Die Antworten zu Frage 10 a) sind wenig überraschend, da wirtschaftliche Anreize in der Regel
nicht klar sind, sich ändern können und subjektiver Natur sind. Ein Einbezug von
wirtschaftlichen Anreizen würde die Klassifizierung von Finanzinstrumenten erheblich
verkomplizieren. Eine weitere Frage die sich stellt und auf die im DP/2018/1 nicht eingegangen
wurde ist, wie bei einer Berücksichtigung von wirtschaftlichen Anreizen eine Änderung der
Annahmen zu beurteilen wäre.
Zur Frage 10 b) ist anzumerken, dass der Begriff der „indirekten Verpflichtung“ der im IAS
32.20 verankert ist, nicht weiter definiert ist. Der Stellungnahme zu alternativen
Erfüllungsoptionen des IFRIC vom Mai 2013171 ist zu entnehmen, dass im Falle, dass
alternative Erfüllungsverpflichtungen vorliegen, zu prüfen ist, ob auch eine „indirekte
Verpflichtung“ vorhanden ist. Eine weitere Ausführung, was darunter genau zu verstehen ist,
wurde nicht veröffentlicht. In der Literatur gibt es hierzu unterschiedliche Auffassungen und
somit Unklarheiten für die Anwender.172 Aufgrund der Tatsache, dass zu dieser Unterfrage nur
sieben der 19 analysierten Anwender Stellung genommen haben und davon nur zwei eine
weitere Guidance gefordert haben lässt vermuten, dass diese Unklarheit in der Klassifizierung
und Bilanzierung nur einen kleinen Adressatenkreis betrifft.
171 Vgl. IASB, IFRIC Update Mai 2013. 172 Anm.: Nähere Erläuterungen hierzu siehe Kapitel 4.1.2.1.1.
72
Die vertraglichen Bestimmungen sind im IAS 32 maßgeblich für die Bilanzierung. Eine
Berücksichtigung von regulatorischen oder gesetzlichen Bestimmungen, die nicht in Verträgen
abgebildet sind, sind im Rahmen der Klassifizierung nicht zu berücksichtigen. Dahingehend ist
spannend, wie das Board – sofern es zu einer Überarbeitung des IAS 32 oder der Entwicklung
eines neuen Standards kommt – damit umgehen wird, dass hier aus Anwenderkreisen die
Rückmeldung kommt, dass eine Berücksichtigung der regulatorischen und gesetzlichen
Bestimmungen für die Klassifizierung und wirtschaftlich korrekte Abbildung von
Finanzinstrumenten von Bedeutung wären.
73
6 Conclusio und Ausblick
6.1 Allgemeines
Das Research Projekt „FICE“ – Financial Instruments with Characteristics of Equity – wurde
ins Leben gerufen, um der immer lauter werdende Kritik, dass IAS 32 kein klares Grundprinzip
hat und dadurch bei komplexeren Instrumenten immer mehr Fragen auftreten,
entgegenzuwirken. Nach sechsjähriger Untersuchungsphase des IASB wurde im Juni 2018 das
DP/2018/1 veröffentlicht. Ziel des DP/2018/1 ist es, ein klares Grundprinzip für
Finanzinstrumente mit Eigenschaften von Eigenkapital zu präsentieren anhand dessen auch
bestehende Regelungslücken geschlossen werden können.
Die Frage, ob Regelungslücken bzw. Problembereiche in der Anwendung des IAS 32 bestehen,
wurde eingangs – nach Präsentation der aus Sicht des IASB vorhandenen
Anwendungsprobleme – an die Anwender gestellt. Diese Frage fand deutliche Zustimmung
durch elf von zwölf Anwendern. Auf die Unterfrage, ob Bedarf an einem neuen Standard
besteht oder ob eine Überarbeitung des IAS 32 bevorzugt wird, antworteten lediglich zwei von
zwölf Anwendern mit „ja“. Interessant dabei ist, dass es bei den beiden Anwendern um
Kreditinstitute handelt (Erste Group Bank und Commerzbank). Diese beiden Kreditinstitute
teilten auch andere Meinungen, wie zum Beispiel, dass auf Regelungen betreffend Additional
Tier 1 Instrumenten unzureichend eingegangen wurde oder auch, dass es das Board verabsäumt
hat, auf diverse dem Board in den letzten Jahren präsentierte Fragen einzugehen (Antworten zu
Frage 3). Hier könnte die Vermutung getroffen werden, dass insbesondere Banken u.a. auch
aus regulatorischen Gründen komplexere Instrumente emittieren, die zu vermehrten
Unklarheiten führen. Dem Comment Letter des dritten Kreditinstituts, der UBS Global waren
diese Anmerkungen nicht zu entnehmen.
Die Frage, ob es dem Board gelungen ist, ein Grundkonzept auszuarbeiten kann mit „ja“
beantwortet werden. Diese Feststellung ist auch einigen Comment Letters so zu entnehmen.
Allerdings wurde sehr starke Kritik am präsentierten Grundkonzept geäußert. Frage 2
beschäftigt sich mit der Klassifizierung von Verbindlichkeiten und der vorgeschlagenen
Klassifikation anhand der zwei Merkmale „timing feature“ und „amount feature“ und erzielt
bei 13 Rückmeldern zehn klare Ablehnungen. Bei Frage 3, die sich mit der Klassifizierung von
nicht-derivativen Finanzinstrumenten – ebenfalls anhand der zwei Merkmale „timing feature“
74
und „amount feature“ – beschäftigt, zeigt sich ein ähnliches Bild. Hier lehnen sieben von elf
Rückmeldern – wobei einer davon sich auf seine Rückmeldung zu Frage 2 bezieht – den Ansatz
ab. Einer der Hauptkritikpunkte ist, dass die zwei Merkmale, auf denen die Klassifizierung des
Grundprinzips basiert, einen Bezug zur Liquidation herstellen, wodurch ein Konflikt mit dem
Prinzip der Unternehmensfortführung („going concern“) gemäß IAS 1.25 suggeriert wird. In
diesem Zusammenhang wird auch die Frage aufgeworfen, welche Absichten hinter dieser
Definition stecken und wie in diesem Zusammenhang die regulatorischen Bestimmungen zur
Abwicklung von Banken (BRRD) auszulegen sind.
Ein weiterer Bereich, der Fragen aufwirft und der die Beurteilung des präsentierten
Grundprinzips erschwert, sind die neuen Termini, die im DP/2018/1 präsentiert werden, jedoch
aus Ansicht der Anwender (Frage 2, sechs von 13 und Frage 5, zwei von neun) unzureichend
erläutert werden. Zu nennen sind hierbei die Termini
- „available economic resources“
- „liquidation“
- „economic compulsion“
- „unrecognized assets“
- „asset/liability exchange“
- „liability/equity exchange“
- „dependent and independent variable“
Kritik am Grundprinzip wurde auch in Frage 6 laut. Hier wurden zwei Klassifizierungsbeispiele
gebracht, eine Wandelanleihe und eine Put Option auf Eigenkapitalinstrumente.
Laut DP/2018/1 Section 5 sind diese beiden Instrumente im Hinblick auf die Klassifizierung
ident zu behandeln. Vier von neun Anwendern kritisierten diesen Zugang stark, mit den
Argumenten, dass der wirtschaftliche Gehalt der jeweiligen Instrumente durch eine idente
Behandlung nicht korrekt abgebildet werde, da diese zwei Instrumente sich stark voneinander
unterscheiden.
In Kapitel 4.2 wurden die Problembereiche, die bei der Klassifizierung von Finanzinstrumenten
mit Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital bei Wandelschuldverschreibungen und
Vorzugsaktien identifiziert wurden, näher erläutert. Im folgenden Kapitel wird nun analysiert,
ob das DP/2018/1 hier Lösungsansätze bietet oder nicht.
75
6.2 Conclusio zu den einzelnen identifizierten Problembereichen des
Kapitels 4.2.
6.2.1 Wirtschaftlicher Gehalt einer Vereinbarung („substance over form“)
Wie einer IFRIC Stellungnahme aus dem Jahr 2006173 zu entnehmen ist, kommt es auf die
formalrechtlichen Bestimmungen an, ob eine Klassifizierung als Eigen- oder
Fremdkapitalinstrument erfolgt. Das bedeutet, dass die wirtschaftliche Betrachtung in den
Hintergrund treten könnte und man hier theoretisch vertragliche Ausgestaltungsmöglichkeiten
hätte, um eine gewünschte Klassifizierung herbeizuführen.
Im DP/2018/1 thematisieren im Wesentlichen zwei Fragen der Section 8 die Frage nach der
Behandlung des wirtschaftlichen Gehalts einer Vereinbarung:
Die Frage 11 beschäftigt sich damit, ob die Bestimmung des IAS 32 betreffend der
vertraglichen Verpflichtungen übernommen werden sollten. Das bedeutet, dass das IASB
vorschlägt, die Regelungen zum wirtschaftlichen Gehalt einer Vereinbarung gemäß IAS 32.15
zu übernehmen und somit kein eigener Lösungsvorschlag diesbezüglich erarbeitet wurde. Von
den zwölf Rückmeldern äußerten vier Bedenken an diesem Vorschlag. So wurde unter anderem
erwähnt, dass ein Ausklammern von gesetzlichen Rechten und Einschränkungen den
wirtschaftlichen Gehalt nicht korrekt abbildet, da in Verträgen oft auch nur Bestimmungen
enthalten sind, die nicht bereits durch das Gesetz festgelegt sind. Von einem Rückmelder wurde
auch darauf hingewiesen, dass es in der operativen Anwendung der Bestimmungen des IAS 32
derzeit Unterschiede gibt, da die Guidance in IAS 32 nicht klar genug ist. Des Weiteren wurde
auch von mehreren Anwendern weitere Klarstellungen zu der operativen Anwendung des IAS
32 verlangt.
Die Frage 10 beschäftigt sich mit der Frage, ob wirtschaftliche Incentives in der
Klassifizierungsentscheidung berücksichtigt werden oder nicht. Die Frage ist dahingehend zu
verstehen, dass wirtschaftliche Incentives so stark sein können, dass bei vermeintlichen
Erfüllungsalternativen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein bestimmter Ausgang prädestiniert ist.
Eine Berücksichtigung von wirtschaftlichen Incentives wurde durchgehend in den Comment
173 Vgl. IASB, IFRIC Update November 2006, S. 7 f.
76
Letters abgelehnt, was auch nicht verwunderlich ist, da hier Annahmen getroffen werden
müssten, was wiederum zusätzliche Komplexität in den Klassifizierungsprozess einbringt.
Außerdem wurde im DP/2018/1 nicht abschließend beantwortet, wie mit Änderungen in
Annahmen umzugehen wäre.
Das Fazit zu dem Punkt der Übernahme der Bestimmungen des IAS 32 muss somit wohl sein,
dass das DP/2018/1 - ohne jegliche Überarbeitung bzw. Klarstellung von Auslegungs- und
Anwendungsfragen - die Probleme in der operativen Anwendung und die Kritik an der
korrekten Abbildung des wirtschaftlichen Gehalts nicht lösen kann.
Auch die präsentieren Ansätze zu einer Berücksichtigung von Incentives im
Klassifizierungsprozess tragen nicht zu einer Minderung der bestehenden Regelungslücken bei.
Einerseits wäre es theoretisch möglich, durch eine Berücksichtigung von wirtschaftlichen
Anreizen eine bessere Abbildung der „true and fair view“ zu schaffen, auf der anderen Seite
wäre hier mangels konkreter Regelungen wahrscheinlich ein zu großer Ermessensspielraum für
die Anwender vorhanden.
6.2.2 Kündbare Instrumente
Die Ausnahmeregelung zu der Klassifizierung von kündbaren Instrumenten wurde erst im Jahr
2008 erlassen. Der Bedarf dieser Ausnahmeregelung stellt in Frage, ob der IAS 32 dazu in der
Lage ist, entsprechende Sachverhalte entsprechend der „true and fair view“ abzubilden.
Das DP/2018/1 behandelt die kündbaren Instrumente in Section 3 und hat dazu eine eigene
Frage formuliert. Demnach ist der Vorschlag des IASB die Ausnahmebestimmung des IAS 32
zu übernehmen. Die Zustimmung zu diesem Vorschlag ist sehr groß (elf von zwölf
Rückmeldern stimmen zu). Jedoch wird in den Anmerkungen dazu auch die Robustheit des im
DP/2018/1 präsentierten Konzepts in Frage gestellt, da es nach wie vor dieser Ausnahme bedarf
und das neu entwickelte Grundprinzip diesen Sachverhalt nicht schon so berücksichtigt, dass
die Abbildung „wirtschaftlich korrekt“ erfolgt, ohne dass es einer Ausnahmeregelung bedarf.
Somit muss man wohl bei diesem Punkt zum Schluss kommen, dass das DP/2018/1 das
präsentierte Grundprinzip der derzeit geltenden Bestimmungen des IAS 32 im Hinblick auf die
kündbaren Instrumente nicht überlegen ist, da es nach wie vor einer Ausnahmeregelung bedarf.
77
6.2.3 Erfüllungsalternativen
Wie einer IFRIC Stellungnahme aus dem Jahr 2013 zu entnehmen ist, sind Instrumente mit
Erfüllungsalternativen dann als Eigenkapitalinstrumente zu klassifizieren, wenn der Emittent
selbst in der Lage ist, eine Klassifikation als Eigenkapitalinstrument herbeizuführen, wobei
jedoch zu beachten ist, ob nicht eine indirekte Verpflichtung gemäß IAS 32.20 vorliegt.174
Zum einen ist hier die Herbeiführung einer Klassifizierung als Eigenkapitalinstrument und zum
anderen der Begriff der indirekten Verpflichtung im Hinblick auf die Vorschläge im DP/2018/1
näher zu beleuchten.
Die IFRIC Stellungnahme aus dem Jahr 2013 stellt darauf ab, dass sofern der Emittent durch
die Erfüllungsalternativen theoretisch in der Lage ist eine Klassifizierung als Eigenkapital
herbeizuführen, eine Klassifizierung als Eigenkapitalinstrument zu erfolgen hat. Das
DP/2018/1 stellt hingegen die Kriterien für die Klassifizierung als finanzielle Verbindlichkeit
in den Vordergrund, d.h. dass in einem ersten Schritt zu prüfen ist, ob die Kriterien für die
Klassifizierung als finanzielle Verbindlichkeit gemäß dem neu präsentierten Konzept, erfüllt
sind. Der primäre Fokus im DP/2018/1 Section 3, Frage 3 liegt in erster Linie jedoch auf dem
Grundkonzept, nämlich dem „timing feature“ und dem „amount feature“, die die wesentlichen
Kriterien für die Klassifizierung darstellen. Die konkrete Behandlung von
Erfüllungsalternativen baut auf das Grundkonzept auf und da die Anwender das präsentierte
Grundkonzept und insbesondere das „amount feature“ und die neuen Termini stark kritisieren,
sind den Comment Letters kaum Anmerkungen zu Erfüllungsalternativen zu entnehmen.
Eine Unterfrage nimmt auf die Behandlung von Erfüllungsalternativen in Section 5, Frage 6 a)
und b) Bezug und zwar dahingehend, ob die Behandlung von Erfüllungsalternativen, die keine
vertraglichen Verpflichtungen enthalten, die zu einer Klassifizierung als finanzielle
Verbindlichkeit führen, seitens des IASB weiter ausgearbeitet werden sollte und welche
Ansätze sich die Anwender hier vorstellen könnten. Diese Fragestellung war dahingehend
überraschend, da das IASB dies als Problembereich identifiziert hat und im DP/2018/1 dennoch
zu keinem klaren Vorschlag kommt. Die Rückmeldung zu dieser Frage war mit fünf aus 19
analysierten Rückmeldungen eher niedrig, jedoch sprachen sich alle fünf Rückmelder dafür
aus, dieses Thema weiter zu verfolgen.
174 Vgl. IASB, IFRIC Update Mai 2013.
78
Der zweite Aspekt, der in der IFRIC Stellungnahme eine größere Rolle spielt, ist jener der
„indirekten Verpflichtung“ der im IAS 32.20 zwar erwähnt, aber nicht näher definiert ist. Auch
in der Literatur gibt es hier keine einheitliche Meinung (nähere Erläuterungen hierzu siehe
Kapitel 4.1.2.1.1)
Im DP/2018/1 wird in Section 8, Frage 11 b) vorgeschlagen, genau diese Bestimmung des IAS
32.20 zu übernehmen. Eine genaue Definition, was darunter zu verstehen ist, findet sich auch
im DP/2018/1 nicht. Von den Rückmeldern ist hier bei allen (sieben Rückmelder) der Wunsch
der Übernahme der Bestimmung aus dem IAS 32 zu entnehmen, wobei hier jedoch nur zwei
eine Klarstellung des Begriffes anregen.
Auch bei diesem Punkt lautet der Vorschlag des IASB die Bestimmung des IAS 32.20 zu
übernehmen. Auch hier kann man sich die Frage stellen, ob der vom IASB im DP/2018/1
präsentierte Ansatz den bestehenden Regelungen des IAS 32 überlegen ist, da auch hier eine
Übernahme der bestehenden Regelungen vorgeschlagen wird, ohne auf die unterschiedlichen
Auslegungen des Begriffes der „indirekten Verpflichtung“ in der Literatur näher einzugehen.
Überraschend hierzu war bei der Analyse, dass nur zwei von sieben Rückmeldern nach weiterer
Klärung der Begrifflichkeit verlangten, was zu der Vermutung führen könnte, dass hier nur ein
eingeschränkter Adressatenkreis von dieser Regelungslücke explizit betroffen ist.
Neben einer mangelnden Definition der „indirekten Verpflichtungen“ gemäß IAS 32.20 stellt
sich auch die Frage, wie damit umzugehen ist, wenn die Erfüllungsalternativen es dem
Emittenten theoretisch erlauben einen „Eigenkapitalausgang“ herbeizuführen und somit die
Voraussetzung für die Klassifizierung als Eigenkapitalinstrument formell erfüllt ist, allerdings
die wirtschaftlichen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen so sind, dass die
Wahrscheinlichkeit, dass diese Alternative ausgeübt wird, schwindend klein ist. Hierzu hat das
IASB in einer Stellungnahme 2006175 festgelegt, dass Wahrscheinlichkeiten in der Beurteilung
der Klassifizierung außer Acht zu lassen sind. Das IASB schlägt diesbezüglich in Frage 10 a)
– wie bereits erwähnt - vor, dass auch unter dem neu präsentierten Ansatz Wahrscheinlichkeiten
und wirtschaftliche Anreize bei der Klassifizierung nicht zu berücksichtigen sind. Dieser
Vorschlag findet große Zustimmung (zehn von elf Rückmeldern), wobei als Gründe unter
anderem genannt werden, dass ein Einbezug von Wahrscheinlichkeiten und wirtschaftlichen
175 Vgl. IASB, IFRIC Update November 2006, S. 7 f.
79
Anreizen zu neuen Unsicherheiten und Komplexitäten führt. Somit greift das DP/2018/1 auch
hier auf bestehende Regelungen zurück.
Eine eindeutige Beurteilung, ob das DP/2018/1 Lösungsansätze für die identifizierten
Regelungslücken bildet, kann hier nicht gegeben werden. Das präsentierte Grundkonzept ist in
vielen Punkten zu unklar, die neuen Termini unzureichend definiert und die indirekte
Verpflichtung nach wie vor nicht vertiefend erklärt.
6.2.4 Bedingte Erfüllungsvereinbarungen
Im Gegensatz zu den Erfüllungsalternativen liegt es hier weder im Ermessen des Emittenten
noch des Inhabers einen Ausgang herbeizuführen, sondern am Eintreten eines sogenannten
„trigger-events“. Eine eindeutige Regelung für die Bilanzierung von solchen Instrumenten
kann dem IAS 32 nicht ausdrücklich entnommen werden (nähere Erläuterungen zu den
Problembereichen siehe 4.1.2.1.2)
Das DP/2018/1 identifiziert die sogenannten „contingencies“ als Problembereiche, geht jedoch
in Section 4 nur sehr oberflächlich darauf ein. Da auch hier die Grundlage für die präsentierten
Regelungen auf dem „timing feature“ und dem „amount feature“ basiert, muss auch hier
angemerkt werden, dass eben genau diese Basis in den Comment Letters stark kritisiert wird.
In Section 3, Frage 3 wird von der Erste Group Bank und der Commerzbank kritisiert, dass das
DP/2018/1 die AT-1-Anleihen ungenügend behandelt und dass die aus den präsentierten
Ansätzen abgeleitete Klassifizierung als zusammengesetztes Finanzinstrument kritisch
hinterfragt wird. Bezüglich der Behandlung von derivativen Finanzinstrumenten wird in
Section 4, Frage 5 des Öfteren zurückgemeldet, dass der präsentierte Ansatz zu komplex ist und
in der Praxis schwer umzusetzen ist.
Eine eindeutige Beurteilung, ob das DP/2018/1 Lösungsansätze für die identifizierten
Regelungslücken bildet, kann auch hier nicht gegeben werden. Das Grundkonzept, welches die
Basis für jegliche Klassifizierung bildet, wurde stark kritisiert. Dazu kommt noch, dass
bestimmte AT-1-Instrumente unzureichend erläutert wurden und die Sinnhaftigkeit des
suggerierten Klassifizierungsergebnisses bei AT-1-Anleihen als zusammengesetzte
Finanzinstrumente hinterfragt wurde.
80
6.2.5 Vorzugsaktien
Im Hinblick auf die offenen Fragen zur Klassifizierung von Vorzugsaktien, bei der die
vertragliche Verpflichtung zur Zahlung vorgesehen ist, die jedoch im Ermessen des Emittenten
liegt, wurde vom IASB auf die Behandlung dieses Themas im Rahmen des Projektes FICE
verwiesen. Explizit wurde diese Form von Vorzugsaktien im DP/2018/1 nicht behandelt.
Stattdessen werden kumulierende Vorzugsaktien thematisiert, die – anders als bisher – zu einer
Klassifizierung als finanzielle Verbindlichkeit unter dem „preferred approach“ führen würden,
was bei den analysierten Anwendern zu großer Unzufriedenheit führt.
Bei diesem Problembereich wurde – anstatt eine explizite Lösung für einen bestehenden
Problembereich zu präsentieren – ein neuer Diskussionspunkt geschaffen.
6.3 Beantwortung der Forschungsfrage
Die eingangs dieser Arbeit gestellte Forschungsfrage war, welche Regelungslücken in der
Bilanzierung von Finanzinstrumenten mit Eigenschaften von Eigenkapital es im IAS/IFRS gibt
und inwiefern die Lösungsansätze des DP/2018/1 dabei Abhilfe schaffen können.
Regelungslücken wurden eindeutig identifiziert, wobei hier die Vermutung angestellt werden
kann, dass wahrscheinlich nur ein kleiner Kreis der Anwender von den Regelungslücken
tatsächlich betroffen ist und für eine Vielzahl von Anwendern der IAS 32 gut anwendbar ist.
Die Frage, ob die Lösungsvorschläge des DP/2018/1 Abhilfe bei den Regelungslücken
schaffen, kann nicht final beurteilt werden. In vielen Bereichen ist keine Schließung der
Regelungslücken erkennbar. Dies liegt zum einen daran, dass das präsentierte Grundprinzip in
vielen Bereichen eine Reihe neuer Fragen aufwirft, die es zu klären gilt. Genannt seien hier
beispielsweise die Berücksichtigung der Liquidation in der Definition des „amount features“,
eine Vielzahl von neuen Termini, die umfassendere Definition und Klarstellung benötigen oder
auch die Sinnhaftigkeit bestimmter Klassifizierungsergebnisse, die anhand des „preferred
approach“ erzielt werden würden (z.B. Klassifizierung von kumulierenden Vorzugsaktien als
finanzielle Verbindlichkeiten oder die Klassifizierung von AT-1-Anleihen als
zusammengesetzte Finanzinstrumente). Des Weiteren wird es wohl erforderlich sein,
bestimmte Themen, wie beispielsweise die Behandlung von Erfüllungsalternativen, die keine
Merkmale von finanziellen Verbindlichkeiten aufweisen, oder auch eine potentielle
81
Berücksichtigung von gesetzlichen Bestimmungen und eventuell auch von wirtschaftlichen
Anreizen bei Erfüllungsalternativen im Klassifizierungsprozess vertiefender zu untersuchen,
mögliche Ansätze auszuarbeiten und diese zu evaluieren.
Abschließend ist zu sagen, dass dem DP/2018/1 zwar ein klares Grundprinzip entnommen
werden kann, allerdings neben den bereits genannten Punkten auch die Robustheit zu
hinterfragen ist, da nach wie vor auf bestehende Ausnahmebestimmungen in bestimmten
Bereichen zurückgegriffen wird. Genannt sei hier die vorgeschlagene Übernahme der
Ausnahmeregelung zu den kündbaren Instrumenten des IAS 32.16A-D, der indirekten
Verpflichtung gemäß IAS 32.20 oder des wirtschaftlichen Gehalts einer Vereinbarung.
6.4 Ausblick
Im Rahmen dieser Masterarbeit wurde nur ein kleiner Teil der Comment Letter mit Fokus auf
ein - global gesehen - kleines Gebiet mit Deutschland, Österreich und der Schweiz analysiert,
in dem die Marktgegebenheiten, Finanzinstrumente und gesetzlichen Regelungen und
Gesellschaftsformen einander sehr ähneln. Welche gesammelte Sichtweise sich aus allen 128
Comment Letters und welche weitere Vorgehensweise das IASB daraus ableitet wird, wird sich
zeigen.
Laut der Website des IASB wird derzeit gerade darüber entschieden, wie mit dem Projekt FICE
weiter vorgegangen wird. Eine Veröffentlichung der Entscheidung der weiteren
Vorgehensweise ist im 2. Halbjahr 2019 zu erwarten.176
176 Anm.: Siehe https://www.ifrs.org/projects/work-plan/.
82
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