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| Der Radiologe 7·99 508 T. Brodowicz 1 · C.C. Zielinski 1,2,3 1 Klinische Abteilung für Onkologie, Allgemeines Krankenhaus, Universitätskliniken Wien 2 Extraordinariat für internistisch-experimentelle Onkologie, Klinik für Innere Medizin I, Allgemeines Krankenhaus, Universitätskliniken Wien 3 Ludwig Boltzmann Institut für klinisch experimentelle Onkologie,Wien Bildgebung als Teil des klinischen Tumorstagings Veränderungen ist nach wie vor die Un- tersuchung der Wahl, um maligne Brustveränderungen frühzeitig zu er- kennen. Es darf aber trotzdem nicht un- erwähnt bleiben, daß der Großteil der Mammakarzinome von den betroffenen Frauen selbst durch einen Zufallspalpati- onsbefund entdeckt wird. Bei inkonklu- siven Mammographiebefunden (rönt- gendichte Brust) stellen sowohl Brust- sonographie als auch Kernspintomo- graphie zusätzliche Optionen dar, deren Einsatzfrequenz zunimmt. Zusätzlich wird die Sonographie auch bei der Punktionsführung, präoperativen Draht- markierung sowie zur Demonstration von Lymphknotenmetastasen in der Axilla oder im Bereich der A. mamma- ria interna eingesetzt. Erst kürzlich konnte gezeigt werden, daß auch Meta- stasen der Lymphknoten entlang der A. mammaria interna eine durchaus we- sentliche prognostische Bedeutung ha- ben. Um eine bereits stattgefunde- ne Fernmetastasierung auszuschließen, werden perioperativ und meist nach ge- sicherter Histologie routinemäßig Lun- genröntgen, Abdomensonographie und Ganzkörperskelettszintigraphie zum Ausschluß einer Fernmetastasierung an die häufigsten Lokalisationen durchge- führt. Besteht aufgrund dieser Untersu- chungen der Verdacht einer Fernmeta- stasierung, sollte zur Bestätigung der Diagnose und zur Erlangung eines Aus- Um ein adäquates, die klinische Vor- gehensweise weitgehend determinie- rendes Tumorstaging nach dem TNM- System unter Einschluß der Evaluie- rung der Größe des Primärtumors (T), des Ausmaßes des nodalen Befalls (N) sowie einer eventuell vorhandenen Fernmetastasierung (M) durchzufüh- ren, ist die Bildgebung von unerläßli- cher Bedeutung. Die Bildgebung als Teil des klinischen Tumorstagings stellt zu- sätzlich zur genauen histologischen Ab- klärung des entsprechenden Primärtu- mors eine conditio sine qua non für die Festlegung des weiteren Procedere dar. Im folgenden Beitrag soll anhand der häufigsten Tumorentitäten – dem Mamma-, Bronchial-, Prostatakarzi- nom sowie dem kolorektalen Karzinom – der Stellenwert der Bildgebung für Diagnose, Prognose, Therapie und letztendlich Nachsorge erläutert wer- den. Unter Berücksichtigung dieser Karzinome können somit klinische Vorstellungen für den Großteil aller Karzinome in Relation zur Durch- führung bildgebender Untersuchungen dargestellt werden. Mammakarzinom Das Mammakarzinom repräsentiert ca. ein Drittel aller malignen Tumoren bei Frauen, wobei die Inzidenz in allen westlichen Industrieländern sowie in Japan steigt [1]. Diagnose Die Mammographie mit nachfolgender Biopsie bzw. Probeexzision suspekter Tumorstaging Radiologe 1999 · 39:508–512 © Springer-Verlag 1999 Zusammenfassung Ein adäquates, das weitere klinische Pro- cedere bestimmende Tumorstaging nach dem TNM-System, sprich die Evaluierung der Primärtumorgröße (T), des Ausmaßes des Lymphknotenbefalls (N) sowie einer eventuell vorhandenen Fernmetastasierung (M) ist nur durch Inkludierung der Bild- gebung möglich. Anhand der häufigsten Tumorentitäten – dem Mammakarzinom, Bronchialkarzinom, Prostatakarzinom sowie dem kolorektalen Karzinom – wird die Be- deutung der Bildgebung für Diagnose, Prognose,Therapie und letztendlich Nach- sorge erläutert. Schlüsselwörter Bildgebung · Onkologie · Radiodiagnostik · Solide Tumoren · Tumorstaging Univ. Prof. Dr. C. Zielinski Extraordinariat für internistisch experimentelle Onkologie, Klinik für innere Medizin I, Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Wien& / f n - b l o c k : & b d y :

Bildgebung als Teil des klinischen Tumorstagings

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Page 1: Bildgebung als Teil des klinischen Tumorstagings

| Der Radiologe 7·99508

T. Brodowicz1 · C.C. Zielinski1,2,3

1 Klinische Abteilung für Onkologie, Allgemeines Krankenhaus, Universitätskliniken Wien2 Extraordinariat für internistisch-experimentelle Onkologie, Klinik für Innere Medizin I,

Allgemeines Krankenhaus, Universitätskliniken Wien3 Ludwig Boltzmann Institut für klinisch experimentelle Onkologie,Wien

Bildgebung als Teil desklinischen Tumorstagings

Veränderungen ist nach wie vor die Un-tersuchung der Wahl, um maligneBrustveränderungen frühzeitig zu er-kennen. Es darf aber trotzdem nicht un-erwähnt bleiben, daß der Großteil derMammakarzinome von den betroffenenFrauen selbst durch einen Zufallspalpati-onsbefund entdeckt wird. Bei inkonklu-siven Mammographiebefunden (rönt-gendichte Brust) stellen sowohl Brust-sonographie als auch Kernspintomo-graphie zusätzliche Optionen dar, derenEinsatzfrequenz zunimmt. Zusätzlichwird die Sonographie auch bei derPunktionsführung,präoperativen Draht-markierung sowie zur Demonstrationvon Lymphknotenmetastasen in derAxilla oder im Bereich der A. mamma-ria interna eingesetzt. Erst kürzlichkonnte gezeigt werden, daß auch Meta-stasen der Lymphknoten entlang der A.mammaria interna eine durchaus we-sentliche prognostische Bedeutung ha-ben. Um eine bereits stattgefunde-ne Fernmetastasierung auszuschließen,werden perioperativ und meist nach ge-sicherter Histologie routinemäßig Lun-genröntgen, Abdomensonographie undGanzkörperskelettszintigraphie zumAusschluß einer Fernmetastasierung andie häufigsten Lokalisationen durchge-führt. Besteht aufgrund dieser Untersu-chungen der Verdacht einer Fernmeta-stasierung, sollte zur Bestätigung derDiagnose und zur Erlangung eines Aus-

Um ein adäquates, die klinische Vor-gehensweise weitgehend determinie-rendes Tumorstaging nach dem TNM-System unter Einschluß der Evaluie-rung der Größe des Primärtumors (T),des Ausmaßes des nodalen Befalls (N)sowie einer eventuell vorhandenenFernmetastasierung (M) durchzufüh-ren, ist die Bildgebung von unerläßli-cher Bedeutung. Die Bildgebung als Teildes klinischen Tumorstagings stellt zu-sätzlich zur genauen histologischen Ab-klärung des entsprechenden Primärtu-mors eine conditio sine qua non für dieFestlegung des weiteren Procedere dar.Im folgenden Beitrag soll anhandder häufigsten Tumorentitäten – demMamma-, Bronchial-, Prostatakarzi-nom sowie dem kolorektalen Karzinom– der Stellenwert der Bildgebung fürDiagnose, Prognose, Therapie undletztendlich Nachsorge erläutert wer-den. Unter Berücksichtigung dieserKarzinome können somit klinischeVorstellungen für den Großteil allerKarzinome in Relation zur Durch-führung bildgebender Untersuchungendargestellt werden.

Mammakarzinom

Das Mammakarzinom repräsentiert ca.ein Drittel aller malignen Tumoren beiFrauen, wobei die Inzidenz in allenwestlichen Industrieländern sowie inJapan steigt [1].

Diagnose

Die Mammographie mit nachfolgenderBiopsie bzw. Probeexzision suspekter

TumorstagingRadiologe1999 · 39:508–512 © Springer-Verlag 1999

Zusammenfassung

Ein adäquates, das weitere klinische Pro-

cedere bestimmende Tumorstaging nach

dem TNM-System, sprich die Evaluierung

der Primärtumorgröße (T), des Ausmaßes

des Lymphknotenbefalls (N) sowie einer

eventuell vorhandenen Fernmetastasierung

(M) ist nur durch Inkludierung der Bild-

gebung möglich. Anhand der häufigsten

Tumorentitäten – dem Mammakarzinom,

Bronchialkarzinom, Prostatakarzinom sowie

dem kolorektalen Karzinom – wird die Be-

deutung der Bildgebung für Diagnose,

Prognose,Therapie und letztendlich Nach-

sorge erläutert.

Schlüsselwörter

Bildgebung · Onkologie · Radiodiagnostik ·

Solide Tumoren · Tumorstaging

Univ. Prof. Dr. C. ZielinskiExtraordinariat für internistisch experimentelle

Onkologie, Klinik für innere Medizin I,

Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Wien&/fn-block:&bdy:

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Der Radiologe 7·99 | 509

T. Brodowicz · C.C. Zielinski

Imaging as component ofclinical tumor staging

Summary

In order to evaluate the anatomic extension

of neoplastic disease according to the TNM

system sufficiently, inclusion of imaging

techniques is absolutely necessary. In additi-

on, decisions on further clinical processing

are based on precise identification of prima-

ry tumor extent (T), condition of regional

nodes (N) and possible presence of distant

metastases (M). Breast cancer, lung cancer,

colorectal cancer and prostate cancer repre-

sent the most common tumor entities.

Within this context the importance of im-

aging techniques for diagnosis, prognosis,

therapy and follow-up of patients with these

malignancies is presented in this report.

Key words

Imaging techniques · Oncology · Staging ·

Solid tumors

Abdomensonographie, Lungenrönt-gen und eine nach brusterhaltenderOperation homo- und heterolateraleMammographie werden als Teil desklinischen Tumorrestagings durchge-führt. Allerdings ist von diesen Unter-suchungen von klinischer Seite ledig-lich die Wertigkeit der Mammographieals wesentliche und den klinischen Ver-lauf maßgeblich beeinflussende Früh-erkennungsmethode eines Rezidivsbzw. eines Zweittumors unbestritten.Bei Patientinnen mit metastasiertemMammakarzinom mit einem palliati-ven Therapieansatz unter besondererBeachtung zytostatischer Chemothera-pie bei Organfunktionseinschränkungwäre es wünschenswert, zwecks Eva-luierung des Therapieerfolgs ein Tu-morrestaging unter besonderer Beach-tung der involvierten Region in 2- bis3monatigen Intervallen (=nach jeweils2 bis 3 Chemotherapiezyklen) durchzu-führen. Zur Vergleichbarkeit und damitverläßlichen Aussage über die Effektivi-tät der Therapie sollte, wenn technischmöglich, immer das identische bildge-bende Verfahren wie vor (Chemo-)The-rapiebeginn angewendet werden. Immetastasierten Krankheitsstadium wirdder Therapieeffekt bzw. der Krankeits-verlauf vor allem mit der Computerto-mographie der von Metastasen befalle-nen Region, d.h. der Computertomo-graphie des Abdomens bei hepataleroder retroperitonealer Aussaat und derComputertomographie des Thorax beipulmonaler, pleuraler oder mediastina-ler Aussaat objektiviert. Nach neuerenErkenntnissen kann auch durch eindi-mensionale Vermessung der Referenz-läsion(en) direkt auf die dreidimensio-nale Ausdehnung der Metastasen ge-schlossen werden [8].

Nachsorge

Sinn der Nachsorge ist es prinzipiell,nach Beendigung der adjuvanten The-rapie möglichst frühzeitig Lokalrezidi-ve und Metastasen nachzuweisen. Einklinischer Vorteil für die frühzeitigeErkennung einer Frühmetastasierungmittels radiologischer Methoden konn-te mit Ausnahme maligner Raumfor-derungen in der operierten oder derkontralateralen Mamma bisher jedochnicht demonstriert werden. Die Meta-stasierung des Mammakarzinoms ist inden ersten 3–4 Jahren nach Primärthe-

gangsbefunds für eine verläßlicheVerlaufskontrolle unter entsprechenderTherapie eine Computertomographieder entsprechenden Region mit demZiel der genauen Evaluierung derAusdehnung der Fernmetastasierungerfolgen.

Prognose

Bei fehlender Beteiligung axillärerLymphknoten beträgt die Rezidivratebis zu 20%, bei axillärem Lymph-knotenbefall ist im gleichen Zeitraumhingegen mit einer Rezidivrate von60–80% zu rechnen [2]. Demgegenübersteht eine mittlere Überlebenszeitvon16–27 Monaten bei Patientinnenmitklinisch manifest metastasiertemMammakarzinom [3, 4].

Therapie

Prinzipiell wird bei der Therapie vonPatientinnen mit Mammakarzinom jenach Nachweis von Fernmetastasenzwischen einem adjuvanten (mit undohne Beteiligung axillärer Lymphkno-ten, jedoch keine Fernmetastasierung)und einem palliativen (Vorliegen einernachgewiesenen Fernmetastasierung)Therapieansatz unterschieden. Thera-pieformen der letzten wenigen Jahrehaben zudem die Möglichkeit der Ver-abreichung einer neoadjuvanten Che-motherapie definiert, die mit dem Zieleiner brusterhaltenden Operation zurTumorverkleinerung präoperativ durch-geführt wird. Bei dieser noch nicht alsgänzliches Routineverfahren eingesetz-ten Methode sind die Definition derAusdehnung des Primärtumors in Re-lation zur Brustgröße sowie – mit fastgrößerer Bedeutung – die möglichst ex-akte Diagnose einer Beteiligung axillä-rer Lymphknoten von Bedeutung. DieIndikationsstellung für die Applikationeiner adjuvanten Therapie ist in derletzten Zeit auf der Basis großer kon-trollierter klinischer Studien ausgewei-tet worden und beinhaltet derzeit so-wohl Fälle mit [5] als auch ohne [6]axilläre Lymphknotenbeteiligung. Diesberuht auf der Beobachtung, daß inbeiden Krankheitsformen des opera-blen Mammkarzinoms eine signifi-kante Verbesserung der Prognose mit-tels adjuvanter Therapiemaßnahmen(Chemo- und/oder Hormontherapie)erreicht werden konnte [7].

Radiologe1999 · 39:508–512 © Springer-Verlag 1999

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rapie am häufigsten, jedoch könnenauch zu jeder Zeit Spätmetastasierun-gen auftreten. Bezüglich der Frequenzder Lokalrezidive tritt diese meist in-nerhalb der ersten 2 Jahre nach Operati-on auf, bei Patientinnen nach adjuvan-ter Strahlentherapie sogar bis zu 6 Jahrenach Operation. Dementsprechend wur-de von einem Gremium wissenschaftli-cher Gesellschaften unter der Ägide desWiener Büros der European School ofOncology und der ÖsterreichischenKrebshilfe empfohlen, abgesehen vonregelmäßigen klinischen Untersuchun-gen bildgebende Verfahren in der Nach-sorge wie folgt einzusetzten [9]: Jähr-lich Mammographie, elektiv halbjähr-lich bis jährlich und bei klinischem Ver-dacht Oberbauchsonographie sowieLungenröntgen, bei klinischem Ver-dacht auf Skelettmetastasierung Ganz-körperszintigraphie. Die vor kurzemerstellten Empfehlungen der AmericanSociety of Clinical Oncology habendiese Vorgehensweise im wesentlichenbestätigt, jedoch hauptsächlich dieklinische Untersuchung in regelmäßi-gen Intervallen sowie die Mammogra-phie in jährlichen Abständen empfoh-len, während andere bildgebende Ver-fahren auf den Verdachtsfall beschränktblieben.

Kolorektales Karzinom

Die Häufigkeit der kolorektalen Karzi-nome beträgt ungefähr 15% aller Karzi-nome [10].

Diagnose

Die Endoskopie und die Biopsie sinddie diagnostischen Mittel der Wahl, diedurch eine Untersuchung des komplet-ten Dickdarms nach synchronen Karzi-nomen oder Adenomen ergänzt wer-den sollte. Die präoperative Stadienein-teilung des Tumors (entsprechend Tund N) erfolgt mittels Computertomo-graphie oder Kernspintomographie desbetroffenen Darmabschnitts. Bei Rek-tumkarzinomen ist dafür oft eine endo-skopische Sonographie sinnvoll. Die Er-gebnisse dieser Untersuchungen beein-flussen sowohl die Operationsplanunghinsichtlich einer Kontinenzerhaltungals auch die Entscheidungsfindung füreine postoperative Chemo- und/oderStrahlentherapie und somit nicht zu-letzt die Prognose. Ein adäquates Sta-

Chemotherapie behandelt. Um eineGrößendynamik der Metastasen wäh-rend der jeweiligen Therapie exakt eva-luieren zu können, sollte immer dasgleiche identische bildgebende Verfah-ren sequentiell angewendet werden, umdaraus auch in weiterer Folge die not-wendige therapeutische Konsequenzziehen zu können.

Nachsorge [16]

Das Ziel der Nachsorge ist die frühzeiti-ge Entdeckung von Lokalrezidiven undsolitären Leber- oder Lungenmetasta-sen, die durch eine chirurgische Inter-vention potentiell kurativ therapiertwerden können. Des weiteren kann beiPatienten mit inoperablen Tumorrezi-diven oder metachronen Kolorektal-karzinomen unter Voraussetzung einerrechtzeitigen Diagnose bei geringer Tu-mormasse durch Chemo- ±Radiothera-pie die Überlebenszeit unter Beibehal-tung einer adäquaten Lebensqualitätverlängert werden. Etwa 90% der Lo-kalrezidive und über 60% der Leberme-tastasen treten innerhalb von 2 Jahrennach der Primäroperation auf. Dement-sprechend werden – abgesehen von re-gelmäßigen Kolonoskopien, klinischenUntersuchungen und Laboranalysen –Abdomensonographien und Lungen-röntgen in 6monatigen Intervallen biszum 5. postoperativen Jahr empfohlen.Bei extraluminalem Rezidivverdachtergänzen Endosonographie, Compu-tertomographie und Kernspintomogra-phie das diagnostische Instrumentari-um mit entsprechenden klinischenKonsequenzen.

Bronchialkarzinom

Bei dieser Tumorentität wird zwischendem nichtkleinzelligen Bronchialkarzi-nom (NSCLC) und dem kleinzelligenBronchialkarzinom (SCLC) unterschie-den. 80% aller Bronchialkarzinome sindNSCLC. In den USA repräsentiert dasBronchialkarzinom sowohl bei Män-nern als auch bei Frauen den häufigstenzum Tode führenden Tumor [17].

Diagnose

Die Ausschöpfung der diagnostischenMaßnahmen wird entsprechend dermöglichen therapeutischen Konsequen-zen und der individuellen subjektiven

ging der Tumorausdehnung wird mit-tels einer Computertomographie desThorax und des Abdomens zum Nach-weis/Ausschluß pulmonaler bzw. hepa-taler Metastasen komplettiert.

Prognose [11]

Die 5-Jahres-Überlebensraten betra-gen: Stadium I (Dukes A) 90%; StadiumII (Dukes B) 60–80%; Stadium III(Dukes C) 30–60%; Stadium IV (DukesD, =vorhandene Fernmetastasierung)5%. Lokalrezidive treten bei ca. 25% derPatienten mit Rektumkarzinom undbei 5% der Patienten mit Kolonkarzi-nom auf. Die Lokalrezidivhäufigkeit istdirekt proportional zur Tumorgröße (T).

Therapie

Bei der Therapie des Kolorektalkarzi-noms wird zwischen einem postopera-tiven (mit kurativer Intention) ad-juvanten (bei Patienten ohne kli-nisch/radiologisch nachweisbare Fern-metastasierung) und einem palliativen(bei radiologischem Nachweis einerFernmetastasierung) Therapieansatz un-terschieden. Die Indikation zu einer ad-juvanten Therapie wird anhand des Tu-morstadiums gestellt: Im adjuvantenSetting (meist Chemotherapie beimKolonkarzinom Dukes C, eventuellauch Dukes B; kombinierte adjuvanteChemo- und Strahlentherapie beimRektumkarzinom) [12, 13] werden un-mittelbar nach Beendigung der je nachTherapieschema 6–12 Monate dauern-den adjuvanten Therapie unter ande-rem Abdomensonographie, Lungen-röntgen, Kolonoskopie sowie eine beimRektumkarzinom zusätzlich durchge-führte Rektosigmoidoskopie±Endoso-nographie als Teil des klinischen Tu-morrestagings veranlaßt. Bei Patientenmit metastasiertem Kolorektalkarzi-nom wird der Therapieeffekt meistensin 2- bis 3monatigen Intervallen mittelsComputertomographie der von Meta-stasen befallenen Region evaluiert. Da-bei besteht die Therapie des metasta-sierten Kolorektalkarzinoms oft aus ei-nem interdisziplinären Vorgehen, be-stehend aus der Resektion solitärer Le-ber- [14] oder Lungenmetastasen [15] inKombination mit einer “pseudoadju-vanten” Chemotherapie. Patienten mitdisseminierter Aussaat werden übli-cherweise mit einer zytostatischen

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Tumorstaging

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Belastbarkeit adaptiert. Das obligatori-sche Minimaluntersuchungsprogrammbei Verdacht auf Bronchialkarzinombesteht unter anderem aus Lungenrönt-gen in 2 Ebenen, Computertomogra-phie, Sputumzytologie und Broncho-skopie, erweitert durch Kernspintomo-graphie des Thorax, Feinnadelbiopsie,Mediastinoskopie oder Thorakoskopiemit Erweiterungsmöglichkeit zur dia-gnostischen, oft minimal invasivenThorakotomie. Zum Auschluß oderNachweis von Fernmetastasierung soll-te eine Ganzkörperskelettszintigraphie,Abdomen- und Schädelcomputertomo-graphie durchgeführt werden. Durchexakte Evaluierung der intrathoraka-len Tumorausbreitung und eventuellerFernmetastasen wird die weitere Be-handlungsstrategie sowie die Prognoseentscheidend beeinflußt.

Prognose

NSCLC. Die 5-Jahres-Überlebensraten be-tragen in etwa [18]: Stadium I 35%; Sta-dium II 25%; Stadium IIIA 15%; Stadi-um IIIB 7%; Stadium IV (=vorhandeneFernmetastasierung) 3%.

SCLC. Je nach Durchführbarkeit einerBestrahlung wird zwischen Limiteddisease (LD) und Extensive disease(ED) unterschieden. Um der prognosti-schen Bedeutung der Tumorausbrei-tung eher Rechnung zu tragen, kannbeim SCLC zusätzlich in Very limiteddisease (VLD), LD, ED I, ED IIa und EDIIb unterschieden werden. Die 5-Jahres-Überlebensraten betragen: VLD undLD 10–15%; ED I 5%; ED II 1% [19].

Therapie

NSCLC [18]. Der radikale, potentiell kura-tive chirurgische Eingriff ist bei opera-blem NSCLC die Therapie der 1. Wahl.Umso wichtiger ist ein adäquates prä-operatives Tumorstaging (siehe Dia-gnose). Die postoperative Strahlenthe-rapie ist vorwiegend bei TumorstadienN2 und N3 sowie bei inkompletter Re-sektion indiziert, wird aber auch beiT3- und T4-Tumoren in Erwägung ge-zogen. Im Stadium III wird der Chemo-therapie in Kombination mit der Ope-ration und/oder Radiotherapie ein zu-nehmend kuratives Potential zugespro-chen: Lokal fortgeschrittene und damitnur marginal resezierbare NSCLC kön-

reich der Atemwege deutlich erhöht.Die Empfehlung in Österreich geht da-hin, nach einmal aufgetretenem Bron-chialkarzinom lebenslang jährliche Lun-genröntgenuntersuchungen durchzufüh-ren, wobei bei klinischem Verdachtdas diagnostische Instrumentariumentsprechend der unter dem AbschnittDiagnose erläuterten bildgebenden Ver-fahren erweitert werden kann.

Prostatakarzinom

In den westlichen Industrieländern istdie Inzidenz des Prostatakarzinomsweiter steigend und repräsentiert denhäufigsten malignen Tumor des Man-nes [21].

Diagnose

Aufgrund der mangelhaften Spezifitätder routinemäßig eingesetzten diagno-stischen Maßnahmen ist der histologi-sche Nachweis (meist durch Prostatabi-opsie) eines Prostatakarzinoms obligat.Digital-rektale Untersuchung, transrek-taler Ultraschall und Serum-PSA-Be-stimmungen komplettieren die derzeitroutinemäßig eingesetzten diagnosti-schen Möglichkeiten.

Prognose [22]

Die 10-Jahres-Überlebensraten nachradikaler Prostatektomie betragen:pT2pN0M0 65–75%; pT3pN0M040–72%.

Therapie [22]

Die Therapie des Prostatakarzinomshängt vom Tumorstadium ab. ImRahmen der radikalen Prostatovesi-kulektomie wird auch die derzeit obliga-te Staging-Lymphadenektomie durchge-führt. Bei lokal fortgeschrittenen Prosta-takarzinomen wird eine Strahlenthera-pie sowie meist zusätzlich eine antian-drogene Therapie initiiert, währendbei fernmetastasiertem Prostatakarzi-nom der Androgenentzug routine mäßigdurchgeführt wird.Der Stellenwert einerStrahlentherapie versus der radikalenProstatektomie wird sehr kontroversdiskutiert. Ungeklärt ist die Effektivitäteiner Chemotherapie beim hormon-refraktären Prostatakarzinom, obwohlpalliative Effekte mancher Zytostatikadurch kontrollierte Studien belegt sind.

nen durch eine erfolgreiche Indukti-onschemotherapie einer radikalen Tu-morresektion in Verbindung mit einerVerlängerung der Gesamtüberlebens-zeit unterzogen werden. Hierfür ist eineexakte Definition des Tumorstadiumsvor Beginn der Induktionstherapieganz entscheidend. Des weiteren sollteunmittelbar nach Abschluß der präope-rativen Induktionschemotherapie einTumorrestaging mittels Thoraxcompu-tertomographie oder Kernspintomo-graphie erfolgen, um die Effektivitätdieser Therapie zu evaluieren und chir-urgische Möglichkeiten (kurativ oderpalliativ) einzuschätzen. Beim metasta-sierten Bronchialkarzinom (StadiumIV) wird der jeweilige Therapieffektmeist in 2- bis 3monatigen Interval-len mittels Computertomographie desThorax oder der von Metastasen befal-lenen Region evaluiert.

SCLC [19]. Die zytostatische Polychemo-therapie ist die Grundlage für die Be-handlungsstrategie beim SCLC. Prinzi-piell besteht bei Patient ohne Fernme-tastasierung eine kurative Therapieop-tion in einer Kombination aus Chemo-und Strahlentherapie. Des weiteren wirdin manchen Zentren bei Patienten mitLD eine prophylaktische Schädelbe-strahlung erwogen. Für Patienten mitfehlendem mediastinalen Lymphkno-tenbefall scheint auch eine primäreOperation mit anschließender adjuvan-ter Chemotherapie eine primäre Thera-pieoption darzustellen. Ein komplettesRestaging ist unmittelbar vor Therapie-beginn und nach Therapieabschluß ob-ligat. Beim metastasierten Bronchial-karzinom ist die Applikation einer zy-tostatischen Chemotherapie Therapieder 1. Wahl, wobei deren Effekt meistin 2- bis 3monatigen Intervallen mit-tels Computertomographie des Thoraxoder der von Metastasen befallenen Re-gion evaluiert wird.

Nachsorge [20]

Das Ziel der Nachsorge ist die frühzeiti-ge Entdeckung eines Rezidivs nach ku-rativem Therapieansatz sowie die Ent-deckung eines eventuellen Zweitkarzi-noms. In diesem Kollektiv treten bei biszu 70% der Patienten Rezidive auf. Desweiteren ist bei Patienten nach kurati-ver Therapie eines Bronchialkarzinomsdas Risiko eines Zweitkarzinoms im Be-

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| Der Radiologe 7·99

Tumorstaging

512

Nachsorge [23]

Halbjährliche PSA-Kontrollen und diedigital rektale Untersuchung sind dieGrundpfeiler der Nachsorge. In speziel-len Fällen ergänzt die Computerto-mographie des Beckens die Diagno-stik. Der Stellenwert einer periodi-schen Ganzkörperknochenszintigra-phie ist äußerst umstritten.

Fazit für die Praxis

Bildgebende Verfahren sind heute nichtnur aus der Erstdiagnostik, sondern auchder Erstellung der Prognose für den Pati-enten mit einer malignen Erkrankung, fürdas Design des gesamten onkologischenTherapieplans unter Berücksichtigungchirurgischer, internistisch-onkologischerund strahlentherapeutischer Verfahren so-wie aus der Nachsorge und der daraus re-sultierenden anhaltenden Interaktion zwi-schen dem Radiologen mit dem klinischenOnkologen nicht mehr wegzudenken.Während der klinische Onkologe die dia-gnostische Genauigkeit im Frühstadiumder Erkrankung weiter ausgebaut sehenmöchte, um Patienten eventuell unnötige,weil nicht radikale, chirurgische Interven-tionen zu ersparen, ist in der Nachsorgeder Ausbau der Indikationsstellung zu ra-diologischen Untersuchungen in direkterRelation mit der Definition eines klini-schen Benefits der frühzeitigen Rezidiver-kennung notwendig.Während verbesserteapparative Ausstattungen einen Teil dieserFragen beantworten werden, werden kon-trollierte klinische Studien in direkter In-teraktion zwischen dem diagnostischenund dem therapeutischen Zentrum not-wendig sein, um manche der hier darge-stellten offenen Fragen zu beantworten.

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