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E s gibt kaum ein Produkt, das man ohne Werkzeugmaschinen her- stellen könnte. So ist diese Bran- che ein wichtiger Indikator für die Leis- tungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, ein unverzichtbarer Antrieb für die kon- junkturelle Entwicklung und ein Impuls- geber für Fortschritt und technische Inno- vation. Mit rund 70 000 Beschäftigten und einem Umsatzvolumen von knapp 14 Mrd. € ist die Branche ein zwar eher kleiner Industriezweig, doch im interna- tionalen Vergleich – sowohl bei der Pro- duktion als auch im Export – belegt sie seit Jahrzehnten Spitzenplätze. Hoch und Tief dicht beieinander Mit einem Weltmarktanteil von 20 % lag Deutschland 2008 knapp hinter Japan an zweiter Position. Rund 62 % der Produk- tion wurden ins Ausland verkauft. 2009 sank der Auftragseingang in der deut- schen Werkzeugmaschinenindustrie im Vergleich zum Vorjahr um etwa 64 %. „Unsere Industrie war insbesondere in den beiden letzten Jahren in einer Aus- nahmesituation“, erklärt Carl Martin Welcker, der Vorsitzende des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW). Die internationale Nachfrage nach Produktionstechnik sei im Vertrau- en auf immer weiter wachsende Märkte auf Rekordniveau gestiegen. Viele welt- weit tätige Großanwender hatten vor- sorglich ihre Produktionskapazitäten stark erweitert, um international Markt- anteile zu gewinnen. Diese 'Nachfra- geblase' ist Ende letzten Jahres ausgelöst durch die Finanzkrise geplatzt. Das hat in der Folge zu heftigen Auftragsrückgängen geführt. Alle Ergebnisse müssen jedoch vor dem Hintergrund des historisch nied- rigen Niveaus beurteilt werden, auf dem sich der Auftragseingang der Industrie be- wegt. Nach einem Fünfjahreshoch mit Rekordergebnissen ist die Industrie auf dem Niveau von 1999 angelangt. Gesamte Lieferkette unterstützen „Für den Produktionsstandort Deutsch- land ist es immens wichtig, dass die Kette zwischen Anwendern, Ausrüstern aus der Werkzeugmaschinenindustrie und Zulie- ferern gesichert wird“, verdeutlicht der VDW-Vorsitzende die derzeitige Heraus- forderung. Schließlich begründet die Leis- tungsfähigkeit der gesamten Lieferkette letztlich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, von der Auto- mobilindustrie über den Maschinenbau bis hin zu Luft- und Raumfahrt, Elektro- technik sowie Metallherstellung und -be- arbeitung. Es komme in der nächsten Zeit Werkzeugmaschinen – das Rückgrat der Produktion Indikator für die Industrie Die Werkzeugmaschinenindustrie ist entscheidend für jede Industrieproduktion. Sie er- möglicht mit leistungsfähiger Technik, dass die Industrie mit neuen Produkten, sowohl Konsum- als auch Investitionsgütern, auf den Markt kommen kann. Aber wie ist es um die Branche bestellt? Bildquelle: EMO Hannover 64 IEE 2-2010 PRAXIS Werkzeugmaschinen Werkzeugmaschinen sind immer ein Blickfang auf Messen; wie hier auf der EMO, der größten Messe für die Werkzeugmaschi- nenindustrie in Europa.

Bildquelle: EMO Hannover - All-Electronics · tungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, ... sank der Auftragseingang in der deut-schen Werkzeugmaschinenindustrie im Vergleich zum

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Page 1: Bildquelle: EMO Hannover - All-Electronics · tungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, ... sank der Auftragseingang in der deut-schen Werkzeugmaschinenindustrie im Vergleich zum

E s gibt kaum ein Produkt, das man ohne Werkzeugmaschinen her-stellen könnte. So ist diese Bran-

che ein wichtiger Indikator für die Leis-tungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, ein unverzichtbarer Antrieb für die kon-junkturelle Entwicklung und ein Impuls-geber für Fortschritt und technische Inno-vation. Mit rund 70 000 Beschäftigten und einem Umsatzvolumen von knapp 14 Mrd. € ist die Branche ein zwar eher kleiner Industriezweig, doch im interna-tionalen Vergleich – sowohl bei der Pro-duktion als auch im Export – belegt sie seit Jahrzehnten Spitzenplätze.

Hoch und Tief dicht beieinander Mit einem Weltmarktanteil von 20 % lag Deutschland 2008 knapp hinter Japan an zweiter Position. Rund 62 % der Produk-tion wurden ins Ausland verkauft. 2009

sank der Auftragseingang in der deut-schen Werkzeugmaschinenindustrie im Vergleich zum Vorjahr um etwa 64 %. „Unsere Industrie war insbesondere in den beiden letzten Jahren in einer Aus-nahmesituation“, erklärt Carl Martin Welcker, der Vorsitzende des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW). Die internationale Nachfrage nach Produktionstechnik sei im Vertrau-en auf immer weiter wachsende Märkte auf Rekordniveau gestiegen. Viele welt-weit tätige Großanwender hatten vor-sorglich ihre Produktionskapazitäten stark erweitert, um international Markt-anteile zu gewinnen. Diese 'Nachfra-geblase' ist Ende letzten Jahres ausgelöst durch die Finanzkrise geplatzt. Das hat in der Folge zu heftigen Auftragsrückgängen geführt. Alle Ergebnisse müssen jedoch vor dem Hintergrund des historisch nied-

rigen Niveaus beurteilt werden, auf dem sich der Auftragseingang der Industrie be-wegt. Nach einem Fünfjahreshoch mit Rekordergebnissen ist die Industrie auf dem Niveau von 1999 angelangt.

Gesamte Lieferkette unterstützen „Für den Produktionsstandort Deutsch-land ist es immens wichtig, dass die Kette zwischen Anwendern, Ausrüstern aus der Werkzeugmaschinenindustrie und Zulie-ferern gesichert wird“, verdeutlicht der VDW-Vorsitzende die derzeitige Heraus-forderung. Schließlich begründet die Leis-tungsfähigkeit der gesamten Lieferkette letztlich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, von der Auto-mobilindustrie über den Maschinenbau bis hin zu Luft- und Raumfahrt, Elektro-technik sowie Metallherstellung und -be-arbeitung. Es komme in der nächsten Zeit

Werkzeugmaschinen – das Rückgrat der Produktion

Indikator für die Industrie Die Werkzeugmaschinenindustrie ist entscheidend für jede Industrieproduktion. Sie er-möglicht mit leistungsfähiger Technik, dass die Industrie mit neuen Produkten, sowohl Konsum- als auch Investitionsgütern, auf den Markt kommen kann. Aber wie ist es um die Branche bestellt?

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Werkzeugmaschinen sind immer ein Blickfang auf Messen; wie hier auf der EMO, der größten Messe für die Werkzeugmaschi-nenindustrie in Europa.

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vor allem darauf an, dass den mittelstän-dischen Firmen genügend Liquidität zu erschwinglichen Konditionen zur Ver-fügung steht, damit Aufträge, aber auch Forschung und Entwicklung finanziert werden können, so Welcker weiter. Adres-siert an die Politik bekräftigt er, dass die verfügbaren Kreditmittel aus den Kon-junkturpaketen schnell zur Verfügung ste-hen müssen. Die Vergabe laufe nach wie vor zu schleppend und werde durch den Weg über die Hausbanken nicht selten sehr kompliziert, da diese unterschiedli-che Kreditrichtlinien hätten. International ist die Branche gut positio-niert. Springt die Nachfrage wieder an, wird sie davon profitieren, dass sie ihre Prozesse in der Vergangenheit gestrafft hat und damit schnell wieder lieferfähig ist. Insbesondere Unternehmen, die Inno-vationen zur Kostensenkung anbieten können, werden dann partizipieren. Am ehesten ist zu erwarten, dass die Schwel-lenländer in Asien und Südamerika mit

ihrem hohen Bedarf an Produktionstech-nik auf den Wachstumspfad zurückkeh-ren werden. Gute Chancen bieten auch weniger konjunkturabhängige Abneh-merbranchen wie Medizin- und Energie-technik oder der Schienenfahrzeugbau, in denen auch heute weiter investiert wird.

Werkzeugmaschinen und Komponenten Ihre Leistungsfähigkeit verdankt die Branche nicht zuletzt der Entscheidungs-freude und der Flexibilität mittelstän-discher Unternehmer. Moderne Werk-zeugmaschinen stellen mehr denn je ein Beispiel für mechatronische Systeme dar. Nur eine optimale Funktionalität der Ein-zelkomponenten und dazu ein perfekt ab-gestimmtes Zusammenspiel der verschie-denen mechanischen, elektrischen und elektronischen Komponenten führen zu optimalen Ergebnissen bei aktuellen Ma-schinenkonzepten und Neuentwicklun-gen. Ein Trend, der sich schon lange in der Industrie abzeichnete und auch im ver-gangenen Jahr auf der EMO, der größten Messe für die Werkzeugmaschinenindus-trie in Europa, Anklang fand, war die Op-timierung des Energiebedarfs. In der Entwicklung und Konstruktion von spanenden Werkzeugmaschinen spielte diese bis dato nur eine untergeord-nete Rolle. Im Fokus der Entwickler stan-den vor allem die Fertigungsqualität, die Bearbeitungsgeschwindigkeit sowie die Zuverlässigkeit und Flexibilität. Das liegt zum einen daran, dass die Kunden das Thema Energiebedarf selten zum Gegen-stand der Verhandlungen machen,

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[1] In der deutschen Fertigungsindustrie sind Be-arbeitungszentren ein wesentlicher Bestandteil.

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[2] Dies ist die Austat-tung für das Energie-management einer Werkzeugmaschine. Bi

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zum anderen aber auch daran, dass den Maschinenherstellern der tatsächliche Energiebedarf in der Nutzungsphase der Werkzeugmaschine kaum bekannt ist. Dass aber ein Energieeinsparpotenzial bei konsequenter Ausrichtung besteht, bestä-tigt eine Umfrage bei Werkzeugmaschi-nenherstellern. Die Befragten schätzen Einsparungen von 10 bis 15 % für realis-tisch ein. Untersuchungen des PTW Darmstadt (In-stitut für Produktionsmanagement, Tech-nologie und Werkzeugmaschinen) haben ergeben, dass der Verbrauch an elektri-scher Energie bis zu 21 % der Betriebs-kosten in der Nutzungsphase einer Werk-zeugmaschine ausmachen kann. Neben den hohen Kosten des Stromverbrauchs müssen vor dem Hintergrund der globa-len Erwärmung auch die verursachten Umweltbeeinträchtigungen mit einbezo-gen werden. Eine durchschnittliche Werk-zeugmaschine emittiert indirekt über ih-ren Stromverbrauch pro Jahr so viel CO

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wie 70 PKW.

Durchgängiges Management Ein zentraler Bestandteil des effizienten Betriebes einer Maschine ist ein durch-gängiges Management von Energiebedarf und -verwendung. Innovative Automati-sierungslösungen für Werkzeugmaschi-nen führen über intelligentes Energiema-nagement zu niedrigen Lebenszykluskos-ten (Life-Cycle-Costs), minimierten Ge-samtkosten (Total Costs of Ownership) und damit zu einer höheren Produktivi-tät. Damit tragen energieeffiziente Auto-matisierungslösungen zur Zukunfts-sicherheit neuer Maschinen und Ausrüs-tungen bei. Eine Investition in energieeffi-ziente Technik amortisiert sich innerhalb kurzer Zeit und wirkt sich danach in re-duzierten Stückkosten in der Produktion

aus. Lösungen zum Energiemanagement bei Werkzeugmaschinen beginnen bei der intelligenten Einspeisung über den Motor mit verbessertem Wirkungsgrad und rei-chen bis zur kompletten energieeffizien-ten Maschinenoptimierung. Mit Simulationstools können Maschinen bereits in der Engineeringphase mit Blick auf die Energieeffizienz optimiert werden. Neben der Analyse des Verbunds aus Me-chanik und Antriebstechnik einer Ma-schine gehört auch die verbrauchsrele-vante Optimierung der bewegten Massen dazu. Über die durchgängige CAD/CAM/CNC-Kette kann die Fertigung von Pro-dukten bereits beim Design des Werk-stücks energieeffizient gestaltet wer-den. Während des Betriebs kann eine gute Steuerung Einsparungen über ein steue-rungsseitiges Energiemanagement si-chern. Dazu zählen der Einsatz intelligen-ter Regelalgorithmen und Steuerungssoft-ware zur Optimierung von Beschleuni-gungen oder Rückbegrenzungen. Die effi-ziente Steuerung von Nebenprozessen, wie Kühlung oder Werkzeugwechsel, so-wie der bedarfsorientierte Betrieb von Hilfsantrieben für maschinennahe Logis-tikaufgaben kann ebenso Energieeinspa-rungen bewirken. Je nach Applikation sind das bis zu 60 % der eingesetzten Energie. Auch der Einsatz energieeffizien-ter Komponenten wie Motoren oder Um-richtern hilft sparen.

Autor Harald Wollstadt ist Chefredakteur der IEE. infoDIRECT 754iee0210 www.iee-online.de Link zum VDW

[3] Auch der Antrieb kann den Energiebe-darf einer Maschine reduzieren.

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