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L. Wohler u. Ph. Balx. Bildmg und Z~rs~t~ufig derNatriumkompleze usw. 363 Bildung und Zersetzung der Natriumkomplexe von Platin- und Iridiumchloriden. Von LOTHAR WOHLER und PH. BALD. Mit 2 Figuren im Text. Die Tensionsbestimmung im vollkommenen heterogenen Gleich- gewicht einfacher Verbindungen kann praktisch nutzbringend werden, wenn sie unter Verwendung der grogen Reaktionsgeschwindigkeit bei hiiherer Temperatur die praparative Darstellung neuer Valenz- stufen ein und desselben Metalls ermoglicht l) durch Begrenzung ihrer Bildungstemperaturen, zweckmaitlig bei dem Druck einer Atmosphare, im gasfarmigen Dissoziationsprodukt (Chlor, Sauerstoff, Kohlensaure), oder wenn sie die Trennung verschiedener Metalle ein und desselben Dissoziationsannexes erlaubt, z. B. der Sulfate mehrerer Metalle durch ihre stufenweise Zersetzung.2) Von den Chloriden der Platinmetalle sind, soweit dies sich ausfiihrbar erwies, die Tensionen mit dem ge- nannten Erfolg bestimmt worden. Nun liegt aber die Dissoziationstemperatur einer Anzahl Chloride so nahe beieinander, da6 sie nur schwierig zu den beregten Zielen ausgewertet werden kann. Andererseits ist die Verschiebung dieser Bestandigkeitsgrenzen durch energetisch oft garnicht bedeutsame Vorgange, wie Komplexbildung oder Hydratisierung oder selbst Korn- grOBenveranderung, betrachtlich, zuweilen so, daB dadurch bestindigo Stoffe unbestandig werden und umgekehrt, urn so leichter, je geringer die freie Energie des Hauptvorgangs ist, also insbesondere bei den EdeImetallverbindungen.3 Es wurde daher untersucht, ob die Kom- plexbildung der Chloride des Iridiums und Platins ihre Bestandig- keitsgrenzen so sehr verandert, da3 die neu gefundenen niederen Chloride ein- und zweiwertigen Iridiums und einwertigen Platins als Komplexe dieser Stufen mit sehr schmalem Bestandigkeitstemperatur- giirtel leichter zuganglich werden als im freien Zustande. Beispiels- I) L. WBHLER, 2. EZekCochem. 17 (1911), 617. %) L. WOHLER, Ber. 41 (1908), '115. s, L. WOHLEB u. MARTIN, Ber. 42 (1909), 4100.

Bildung und Zersetzung der Natriumkomplexe von Platin- und Iridiumchloriden

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L. Wohler u. Ph. Balx. B i l d m g und Z ~ r s ~ t ~ u f i g derNatriumkompleze usw. 363

Bildung und Zersetzung der Natriumkomplexe von Platin- und Iridiumchloriden.

Von LOTHAR WOHLER und PH. BALD. Mit 2 Figuren im Text.

Die Tensionsbestimmung i m vollkommenen heterogenen Gleich- gewicht einfacher Verbindungen kann praktisch nutzbringend werden, wenn sie unter Verwendung der grogen Reaktionsgeschwindigkeit bei hiiherer Temperatur die praparative Darstellung neuer Valenz- stufen ein und desselben Metalls ermoglicht l) durch Begrenzung ihrer Bildungstemperaturen, zweckmaitlig bei dem Druck einer Atmosphare, im gasfarmigen Dissoziationsprodukt (Chlor, Sauerstoff, Kohlensaure), oder wenn sie die Trennung verschiedener Metalle ein und desselben Dissoziationsannexes erlaubt, z. B. der Sulfate mehrerer Metalle durch ihre stufenweise Zersetzung.2) Von den Chloriden der Platinmetalle sind, soweit dies sich ausfiihrbar erwies, die Tensionen mit dem ge- nannten Erfolg bestimmt worden.

Nun liegt aber die Dissoziationstemperatur einer Anzahl Chloride so nahe beieinander, da6 sie nur schwierig zu den beregten Zielen ausgewertet werden kann. Andererseits ist die Verschiebung dieser Bestandigkeitsgrenzen durch energetisch oft garnicht bedeutsame Vorgange, wie Komplexbildung oder Hydratisierung oder selbst Korn- grOBenveranderung, betrachtlich, zuweilen so, daB dadurch bestindigo Stoffe unbestandig werden und umgekehrt, urn so leichter, je geringer die freie Energie des Hauptvorgangs ist, also insbesondere bei den EdeImetallverbindungen.3 Es wurde daher untersucht, ob die Kom- p lexbi ldung der Chloride des Iridiums und Platins ihre Bestandig- keitsgrenzen so sehr verandert, da3 die neu gefundenen niederen Chloride ein- und zweiwertigen Iridiums und einwertigen Platins als Komplexe dieser Stufen mit sehr schmalem Bestandigkeitstemperatur- giirtel leichter zuganglich werden als im freien Zustande. Beispiels-

I) L. WBHLER, 2. EZekCochem. 1 7 (1911), 617. %) L. WOHLER, Ber. 41 (1908), '115. s, L. WOHLEB u. MARTIN, Ber. 42 (1909), 4100.

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weise ist das an sich unbekannte IrCl, durch Komplexbildung sogar recht bestkndig geworden, wie gleich gezeigt werden soll. Es sei vorausgeschickt, daB sich diese Erwartung zwar nicht erfiillt hat. Komplexe dieser neuen Valenzstufen konnten nicht erhalten werden, weil dnrch Bildung von bivarianten Liisungen der verschiedenen Stufen die scharfen Ternperaturgrenzen der einfachen Chloride uber- deckt worden sind. Immerhin sind interessante Beobachtungen dabei gemacht worden, welche die Beschreibung rechtfertigen.

Die Chlortensionen des Bariumhexachloroplatinats, BaPtCI,, und ebenso des Kaliumhexachloroiridats, KzIrC16, sind vor kurzem von GIRE') zwischen 570 und 850° gemessen und aus den Drucken die Dissoziationswarmen berechnet morden nnter der Voraussetzung, daB diese Salze mit vollstii~idigem Gleicbgewiclit dissoziieren , d. h. fur jede Temperatur nur e i n definiertes System bilden, also ganz bestimnite Drucke erzeugen, und da6 sie ferner unter direkter Eil- dung von metallischem Platin bzw. Iridium neben Chlor und Chlor- barium bzw. Chlorkalium sich zersetzen. Nach den folgenden Ver- suchen treffen beide Voraussetzungen nicht zu, soweit sich am dem Verhalten der Natriumsalze im Chlorstrome einer Atmosphare analoge Schliisse ziehen lassen far das Kaliumsalz vierwertigen Iridium- bzw. das Bsriumsdz vierwertigen Platinkomplexes; denn es entstehen durch die Zersetzung vielmehr unmittelbar erst die Komplexe zweiwertigen Platins bz w. dreiwertigen Iridiums, die erst weit oberhalb der Versuchstemperaturen von GIRE freies Metal1 erkennen lassen.

Die Iridiumsalze, besonders die des 3-Chlorids, sind bestsndiger als die Platinkomplexe, deren dreiwertige Stufe, anders als das be- standige einfache Platin-3-Chlorid, schon durch seine schwarzgriine Farbe im Gegensatz zur roten bzw. gelben des komplexen 2- und 4-Chlorids7 seine Unbestkndigkeit erwarten l'iiWt. ,)

Es wurde bis zu 800° im Quarzschiffchen chloriert, um ab- schrecken zu kdnnen (in CCl,), dariiber bei dem fridiumkomplex im Iridiumschiffchen.

Na,PtCl,- 6H,O, Nn,PtCl,. 4H,O, Na,IrCI,. 6H,O, Na3IrC1,.12H,O,

weil die Natriumsalze des vierwertigen Metalls, anders als die Kalium- salze, in heiBem absoluten Alkohol 16dich, durch vie1 Ather daraus rein fallbar sind, NaCl znruckbleibt. Nur bei langem Erhitzen in ver-

Nur die Natriumsalze slurden angewandt

l) C. v. 174 (1922), 1700; 176 (1923), 241. 2, L. WOELEE u. MARTIN, Ber. 42 (1909), 4100.

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diinnter alkoholischer LGsung tritt Reduktion zu Metall ein. Bei 150° verlieren sie alle ihr Kristallwasser.

Na,PtCl, bleibt bis 705 O fest und infolge ReaktionsverzGgerung fast unzersetzt, sintert aber. Bei 710° entsteht ein zersetztes ge- schmolzenes Produkt, mit stetiger Chlorverminderung bei steigender Temperatur unter jeweiliger schneller Gleichgewichtseinstellung. Bei UberschuB an Kochsalz entweicht demgemaB unterbalb 7 10 O schon bei niedrigerer Temperatur das Chlor durch beschleunigte Zersetzung

2 io m

C T N

n ,

650 700 - I Id -r 810 900 _ . A

CD -7

m r- J

Fig. 1.

infolge Homogenisierung beim erleichterten Schmelzen (TB). Obwohl bei 710° die Zersetzung gerade bis zum komplexen Platin-3-ChIorid geht, ist dennoch durch Abschrecken, LGsen des Ruckstandes und Fallung mit Casiumchlorid nicht der ganz unlGsliche schwarzgrune Komplex d re iwer t igen Platins, wie wir ihn friiher darstelltenl), sondern nur der gelbe des vierwertigen Metalls zu erhalten, der des roten zwei- wertigen bleibt in LGsung. Bei etwa 800° ist der Komplex des 2-Chlorids fast allein noch i m Ruckstand. Oberhalb 900 O beginnt sich Metall abzuscheiden, das mit der kochsalzhaltigen Schmelze des Komplexes und dem Chlorgas im Gleichgewicht ist. Das an Platin gebundene ChIor aber war auch hier nie weniger, als es dem 2-Chlorid entspricht, so daB ebensowenig wie das komplexe 3-, auch das l-Chlorid des Platins bei diesen Temperaturen besteht.

I) Ber. 42 (1909), 4100.

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Die Kurve des Chlorgehalts der Natriumkomplexe fur 1 g Platin in Abhangigkeit von der Temperatur ist daher von 710° ab, wie das Diagramm, Fig. 1, zeigt, eine knicklose kontinuierliche Kurve und ist identisch mit der durch Chlorieren eines Gemisches von Metal1 mit NaCl bei mehr als 500° sich ergebenden, welche vollig knicklos vom Gehalt des reinen Na,PtCl, bei 6B0° sich allmahlich senkt bis znrn Na,PtCI, bei 800-900O. Infolge Losung wird dieser tiefste Chlorgehalt nur bis auf einige Prozent erreicht. Bei 530° geht die Chlorierung schon recht schnell. Erst oberhalb 710 O beginnt sich Platin als Chlorid merklich zu verfliichtigen.

Vom Iridium sind nur vier- und dreiwertige Komplexe bekannt, die bisherigen Angaben iiber zweiwertige Komplexe sind slimtlich irrig. Der Iridium-4-Komplex entsteht beim Chlorieren mit der drei- fachen Menge Kochsalz bei SOOO und krystallisiert nach der Filtra- tion der LGmng und Eindampfen im Chlorstrom. Reines, kochsalz- freies Na,IrCI, erhalt man durch Wiederauflosen auch in k a l t em Aceton und Verdunstenlassen des Losungsmittels.

Beim Erhitzen mit und ohne Kochsalz entspricht die Zersetzung den Gleichungen:

Na,IrCl, + NaCl = NaJrCl, + C1, 3Na21rC1, = 2Na,IrCl, + C1 + IrC1,

(= C1+ IrCI, [ = C1 + IrCI (= C1 + Ir)]). Aber auch die waBrige rote Losung zerfallt beim Erhitzen zum 3-Komplex, schnell nach Zugabe von Alkali unter Hypochloritbildung, langsam an sich, indem sich durch Bildung des komplementlir- farbigen grunlichen dreiwertigen Komplexes zuerst eine farblose, dann infolge Hydrolyse roserirote bis violette Losung bildet, die schlie6lich unter Absorption von Sauerstoff blaues Iridium - 4 -0xydhydrat ab- scheidet. In konzentrierter Losung ist auch der 3-Komplex braunrot, er ist in absolutem Alkohol unlbslich, in Aceton schwer loslich.

Durch Titration mit Na,S,O, la8t sich der Betrag an 4-Kom- plex neben 3-Komplex analytisch feststellen - 1 ccm $0-Na,S,O, = 0,0193 g Ir -:

2 Na,IrCI, + 2Na,S,O, = 2 Na,IrCl, + Na,S40,, wobei wir das Reaktionsende aus der Farbe mit Hiife einer Ver- gleichslosung oder besver e 1 e k t r o m e t ri s c h feststellten. Na,IrCl, dient dabei in einem Glasrohrchen, unten umgebogen und zur Kapillarspitze ausgezogen, als negative Riihrelektrode.') Gegen Ende

l) Vgl. z. B. TREADWELL? Lehrbuch analyt. Chem. 11, 11. Aufl., 608.

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der Titration geht das Potential schnell auf Null. Zur Qewinnung des Iridium-3-Komplexes erhitzt man den 4-Komplex mit Natrium- oxalatlosung, so lange C0,-Entwicklung statthat, oder im Chlorstrom auf 800° und schreckt in CCl, ab.

Oberhalh zersetzt es sich, aber erst bei 730° treten richtige Schmelzen auf, obmohl schon lange zuvor sich Sinterung und Zusammenbacken mit kontinuierlichem Chlorverlust zeigt, d. h. das Verhalten einer bivarianten Losung wie bei den Platinkomplexen, indem jeder Temperatur a19 Gleichgewicht ein bestimmter Chlorgehalt entspricht. Rei 750 O ist dieser nahezu

Na,IrC16 ist bis 570° bestandig.

1

3 - '? Q 3 LD

m

0- m N

La n, 3

_ .

Spa1 t u n g von NaL3rC1, .

BLidung von NsJrCI, a u s Jr, NaCl und Cl,.

Fig. 2.

der des 3-Kontplexes, dessen schone Kriatalle nach dem Abschrecken bei ?'GO0 aus der wa6rigen Liisung auch erhalten wurden. Zwischen 950 und 1000 O beginnt sich metallisches Iridium abzuscheiden, aber selbst bis zu 1080O war in der stark kochsalzhaltigen Schmelze kein anderer als 3 - Komplex nachzuweisen. Zusatz von Koch- salz erhoht die Bestandigkeit durch Verminderung des Chlor- druckes.

Die Kurve des Chlorgehalts des Iridiumkomplexes in Abhangig- keit von der Temperatur (Diagramm, Fig. 2) ist bei der Zersetzung die gleiche, wie bei der Bildung im Chlorstrome aus 3-Komplex oder auch aus Kochsalz und Metall. Die Kurvenpunkte sind oberhalb 1000° nach 1 Stunde, unterhalb 800° nach 12-24 Stunden, unter- halb 600° nach 1-5 Tagen erhalten worden.

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Zusammenfaasung der Ergebnisae. 1. Bei der Dissoziation der beliannten Natriumkomplexe des

Platin-4- und 2-Chlorids, sowie des Iridium-4- und 3-Chlorids ver- Hndert sich der Chlordruck kontinuierlich mit dem Chlorgehalt des Ruclistandes, oder bei gleichem Chlordruck von einer Atmasphiire der Chlorgehalt mit steigender Temperatur. Es ergibt sich daraus, daS die dissoziierenden Komplexe mit den Dissoziationsprodukten eine bivariante Losung bilden. Die Chlorierung von Metall bei Gegeuwart von Kochsalz gibt genau dieselben Verhiiltnisse und Gleich- gewichte wie die Zersetzung. Die Kurven dieser Abhangigkeiten sind ohne Knickpunkte.

2. Weder bei der Chlorierung von Metall neben Kochsalz, noch bei der Dissoziation der Komplexe lieBen sich die neuen Wertig- keitsstufen der einfachen Chloride erkennen , namlich Platin-1 - und 3-Chlorid, Iridium-1- und 2-Chlorid.

3. Der Natriumkomplex des Platin-4-Chlorids bildet sich unter- halb 660 O, oberhalb bOOo enthalt die Schmelze allein den Komplex des zweiwertigen Metalls.

Der Komplex des Iridium-4- Chlorids entsteht bis 570°, auch hier ist oberhalb SOOO nur der niedrigerwertige 3-Komplex in der Schmelze nacliweisbar.

4. Iridium-4-Chlorid ist neben dem 3-Chlorid in den Komplex- losungen durch Natriumthiosulfat zu titrieren, zmeckmaBig mit elektro- metrischer Erkennnng des Umschlags.

Darrnstadt, Cheinisches Institut der Technischen Hochehule.

Bei der Redaktion eingegangen am 9. September 1925.