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brennpunkt 2 | 2012 INHALT Sackgasse Einheitskasse: Mehr Kosten und Probleme Die Initiative «für eine öffentliche Gesundheitskasse» gaukelt eine einfache Lösung für die Schweizer Gesundheitspolitik vor. In Wahrheit führt die Fehlkonstruktion Einheitskasse direkt in die Sackgasse: Mehrkosten, Bevormundung der Versicherten durch den Verlust der Wahlfreiheit und die Vermischung der Verantwortlichkeiten wären die Folgen. santésuisse lehnt dieses unkalkulierbare Risiko für alle Versicherten und Steuerzahler unisono ab. Heute können alle Versicherten ihren Grundversicherer frei wählen. Jeder ein- zelne der über 60 Krankenversicherer behauptet sich nur dann erfolgreich im Markt, wenn er seine Leistungen effizient und in hoher Qualität erbringt. Die Versi- cherer bezahlen mit rund 95 Rappen je- des Prämienfrankens medizinische Be- handlungen. Die verbleibenden 5 Rappen werden für Verwaltungskosten verwen- det: Von einer durchschnittlichen Prämie von 3000 Franken jährlich werden ledig- lich 150 Franken für die Verwaltung be- nötigt. Damit werden u.a. über 80 Mil- lionen Spital- und Arztrechnungen ad- ministriert, die Löhne der Angestellten, Informatikkosten, Abschreibungen, Mu- tationen bei Kassenwechseln sowie das Marketing (inklusive Makler) bezahlt. Ausserdem sparen die Versicherer mit ih- ren Rechnungskontrollen ihren Kunden jährlich über eine Milliarde Franken an Prämiengeldern. Einheitskasse heisst höhere Prämien Unter einer Einheitskasse wird die Festle- gung von Einheitsprämien pro Kanton zu höheren Prämien führen. Eine Einheits- kasse hat auch keinen Anreiz zu tiefen Verwaltungskosten, weil sie keinem Wett- bewerb ausgesetzt ist. Ein Wechsel zu ei- nem günstigeren Versicherer ist nicht mehr möglich. Eine Einheitskasse ändert an der Prämienentwicklung nichts: Unab- hängig von der Versicherungsform wer- den Gesundheitskosten weiter um meh- rere hundert Millionen Franken jährlich steigen. Weil die Menschen länger leben, weil die Ansprüche steigen und weil der medizinische Fortschritt nicht gratis zu haben ist. Um das Versprechen der Initi- anten für günstigere Prämien einzulösen, wäre die Einheitskasse gezwungen, Leis- tungen zu streichen oder zu rationieren. Einheitskasse heisst weniger Qualität Die Verstaatlichung der Krankenversi- cherung ist der erste Schritt zur Verstaat- lichung der Medizin. Staatsmedizin, so zeigen Beispiele aus den Nachbarlän- dern, vermindert die Qualität und ge- fährdet den direkten Zugang der Bevöl- kerung zu medizinischen Leistungen. Die Initiative setzt am falschen Ort an, indem sie sich auf die 5% Verwaltungs- kosten konzentriert, statt auf die immer teurer werdenden 95% Gesundheitskos- ten. Damit löst sie keines der Probleme unseres Gesundheitswesens. Deswegen lehnt santésuisse die Ende Mai einge- reichte Volksinitiative für eine «öffentli- che Gesundheitskasse» ab. (GPA) Editorial Einheitsbrei Einheitskasse 1 santésuisse setzt sich für Grundversorger ein 2 Prämienkorrektur: Kein rückwirkendes «Rumdoktern» 3 In Kürze 4 Zum dritten Mal innert 10 Jahren startet die Linke den Versuch, mit einer Verstaatlichung der Kran- kenkassen die Wahlfreiheit der Versicherten einzuschränken. Eine Einheitskasse bringt unkalkulierbare Risiken für die zukünftige Kosten- entwicklung. Mit der Vermischung von Verantwortlichkeiten zwischen Leistungszahlern und -erbringern verstösst die Einheitskasse gegen grundlegende Prinzipien: weil Leistungserbringer im Führungs- gremium der Einheitskasse sitzen, von der sie bezahlt werden, wird dies unweigerlich zu einer Kosten- explosion führen. Gegenüber dem heutigen System, bei welchem die Krankenkassen sich als Vertreter der Versicherten für günstige Tarife einsetzen, ist die Einheitskasse eine gefährliche Fehlkonstruktion. Christoffel Brändli Präsident santésuisse Brennpunkt Gesundheitspolitik 2/12

Brennpunkt Nr. 02/2012

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Page 1: Brennpunkt Nr. 02/2012

brennpunkt 2 | 2012

Urs Pfenninger Leiter Politik und Kommunikation santésuisse

INHALT

Sackgasse Einheitskasse: Mehr Kosten und Probleme

Die Initiative «für eine öffentliche Gesundheitskasse» gaukelt eine einfache Lösung für die Schweizer Gesundheitspolitik vor. In Wahrheit führt die Fehlkonstruktion Einheitskasse direkt in die Sackgasse: Mehrkosten, Bevormundung der Versicherten durch den Verlust der Wahlfreiheit und die Vermischung der Verantwortlichkeiten wären die Folgen. santésuisse lehnt dieses unkalkulierbare Risiko für alle Versicherten und Steuerzahler unisono ab.

Heute können alle Versicherten ihren Grundversicherer frei wählen. Jeder ein-zelne der über 60 Krankenversicherer behauptet sich nur dann erfolgreich im Markt, wenn er seine Leistungen effizient und in hoher Qualität erbringt. Die Versi-cherer bezahlen mit rund 95 Rappen je-des Prämienfrankens medizinische Be-handlungen. Die verbleibenden 5 Rappen werden für Verwaltungskosten verwen-det: Von einer durchschnittlichen Prämie von 3000 Franken jährlich werden ledig-lich 150 Franken für die Verwaltung be-nötigt. Damit werden u.a. über 80 Mil-lionen Spital- und Arztrechnungen ad-ministriert, die Löhne der Angestellten, Informatikkosten, Abschreibungen, Mu-tationen bei Kassenwechseln sowie das Marketing (inklusive Makler) bezahlt. Ausserdem sparen die Versicherer mit ih-ren Rechnungskontrollen ihren Kunden jährlich über eine Milliarde Franken an Prämiengeldern.

Einheitskasse heisst höhere Prämien

Unter einer Einheitskasse wird die Festle-gung von Einheitsprämien pro Kanton zu höheren Prämien führen. Eine Einheits-kasse hat auch keinen Anreiz zu tiefen Verwaltungskosten, weil sie keinem Wett-bewerb ausgesetzt ist. Ein Wechsel zu ei-

nem günstigeren Versicherer ist nicht mehr möglich. Eine Einheitskasse ändert an der Prämienentwicklung nichts: Unab-hängig von der Versicherungsform wer-den Gesundheitskosten weiter um meh-rere hundert Millionen Franken jährlich steigen. Weil die Menschen länger leben, weil die Ansprüche steigen und weil der medizinische Fortschritt nicht gratis zu haben ist. Um das Versprechen der Initi-anten für günstigere Prämien einzulösen, wäre die Einheitskasse gezwungen, Leis-tungen zu streichen oder zu rationieren.

Einheitskasse heisst weniger Qualität

Die Verstaatlichung der Krankenversi-cherung ist der erste Schritt zur Verstaat-lichung der Medizin. Staatsmedizin, so zeigen Beispiele aus den Nachbarlän-dern, vermindert die Qualität und ge-fährdet den direkten Zugang der Bevöl-kerung zu medizinischen Leistungen. Die Initiative setzt am falschen Ort an, indem sie sich auf die 5% Verwaltungs-kosten konzentriert, statt auf die immer teurer werdenden 95% Gesundheitskos-ten. Damit löst sie keines der Probleme unseres Gesundheitswesens. Deswegen lehnt santésuisse die Ende Mai einge-reichte Volksinitiative für eine «öffentli-che Gesundheitskasse» ab. (GPA)

Editorial Einheitsbrei Einheitskasse 1

santésuisse setzt sich für Grundversorger ein 2

Prämienkorrektur: Kein rückwirkendes «Rumdoktern» 3

In Kürze 4

Zum dritten Mal innert 10 Jahren startet die Linke den Versuch, mit einer Verstaatlichung der Kran-kenkassen die Wahlfreiheit der Versicherten einzuschränken. Eine Einheitskasse bringt unkalkulierbare Risiken für die zukünftige Kosten-entwicklung. Mit der Vermischung von Verantwortlichkeiten zwischen Leistungszahlern und -erbringern verstösst die Einheitskasse gegen grundlegende Prinzipien: weil Leistungserbringer im Führungs-gremium der Einheitskasse sitzen, von der sie bezahlt werden, wird dies unweigerlich zu einer Kosten-explosion führen. Gegenüber dem heutigen System, bei welchem die Krankenkassen sich als Vertreter der Versicherten für günstige Tarife einsetzen, ist die Einheitskasse eine gefährliche Fehlkonstruktion.

Christoffel Brändli Präsident santésuisse

BrennpunktGesundheitspolitik 2/12

Page 2: Brennpunkt Nr. 02/2012

brennpunkt 2 | 2012

SA N T ÉSU ISSE G I BT BE I M TAR I F DEN TAK T A N

Seit ihrer Einführung im März 2009 hat die BIP (Besuchs-Inkonvenienz-Pauschale) viele Probleme verursacht. Dank des guten Willens von santésuisse ist es nun endlich gelungen, diesen Fremdkörper aus dem TARMED herauszuoperieren und durch eine nachhaltige und einfache Lösung zu ersetzen. Dadurch wird ab dem 1. Juni 2012 im Tarif der Hausbesuch der Grundversorger tatsächlich als solcher vergütet und aufgewertet. Die Krankenversicherer setzen damit ein Zeichen der Wertschätzung für die Hausärzte.

santésuisse ist sich bewusst, dass es die Grundversorger sind, die Patien-ten zu Hause besuchen und oft Ein-sätze ausserhalb der Praxis leisten. Diese Sondereinsätze zum Wohle des Patienten bedürfen einer entspre-chenden definitiven finanziellen Ab-geltung. Indem man das Gewicht der ärztlichen Leistung der Tarifposition «Grundbesuch» um den Faktor 2.6 er-höht (von 9.57 Taxpunkten auf 24.89 Taxpunkte) wird diese Position be-deutend aufgewertet. Gesamthaft ge-sehen bleibt dabei aber die Kosten-neutralität gewährleistet (siehe Gra-fik). Mit dieser Lösung bezeugen die Versicherer ihre hohe Wertschätzung gegenüber den Schweizer Hausärzten und ihrer Arbeit.

Fernziel TARMED-RevisionWird diese Lösung vom Bundesrat genehmigt und am 1. Juni 2012 defi-nitiv im TARMED verankert, ist dies ein starkes Zeichen Richtung Grund-versorger. santésuisse sieht diese Massnahme als ersten Schritt in Rich-tung einer gerechteren und besseren Honorierung der verschiedenen Leis-tungen in der Grundversorgung. Die-ses Ziel ist integraler Bestandteil des laufenden Projekts der Revision der TARMED-Tarifstruktur. santésuisse fordert die Tarifpartner auf, dieses übergeordnete Ziel nicht aus den Au-gen zu verlieren. (GPA)

Dank santésuisse erreicht:

• nachhaltigeLösung• HöhereWertschätzungderArbeit

der Hausärzte durch Aufwertung der Hausbesuche

• vereinfachterTarifdurchWegfalldes Providuriums BIP

• rasche,logischeundunkomplizierteUmsetzung ermöglicht

Die BIP war ein Fremdkörper im Ta-rif. Ein alljährlicher Zankapfel in den Tarifverhandlungen zwischen Versi-cherern und Ärzten. Ursprünglich als Zeichen des guten Willens seitens der Versicherer dafür gedacht, dass es bei der Revision des TARMED konstruktiv vorwärtsgeht, verkam die BIP seitens Teilen der Ärzteschaft zu einer Glaubensfrage, zu einem un-seeligen Providurium. santésuisse konnte im März dieses Jahres einen Ausweg aus dieser verfahrenen Situa-tion präsentieren.

Irrweg BIPMit der BIP wurden den Ärzten in Form einer Pauschale Opportuni-tätskosten entgolten, sprich theore-tisch in der Arztpraxis «entgangene Umsätze» während eines Hausbe-suchs. Diese Pauschale stand quer in der Tariflogik. santésuisse verfolgt im Zuge der TARMED-Revision das Ziel einer Besserstellung der Grund-versorger. Dazu gehört u.a. eine ver-

nünftige Lösung für Hausbesuche im Tarif. Einzelaktionen zur Förderung des Hausbesuchs im Sinne einer Pauschale, wie die BIP, sind keine grundsätzliche Lösung. Denn damit wurden eben «entgangene Umsätze» vergütet und nicht die tatsächlich er-brachte ärztliche Leistung.

Die Lösung von santésuisseNachdem Bundesrat Alain Berset die Tarifpartner im Februar aufgefordert hatte, sich über eine allfällige weitere Verlängerung der unseeligen BIP zu einigen, brachte santésuisse mit dem Segen des Verwaltungsrates eine konstruktive, nachhaltige und faire Lösung ins Spiel: Die bestehende TARMED-Tarifposition 00.0060 «Grundbesuch» wird per 1. Juni 2012 um die Höhe der bisherigen BIP auf-gewertet. Das vereinfacht zum ei-nen die Tarifstruktur, zum anderen wird die Arbeit der Grundversorger nicht nur provisorisch, sondern de-finitiv und nachhaltig aufgewertet.

Die neue Tarifposition 00.0060 (Besuch, erste 5 Minuten) bewertet die ärztliche Leistung des Hausbesuchs neu mit 24.89 Taxpunkten (zuvor 9.57 Taxpunkte). Im neuen Tarif wird also wirklich die eigentliche Leistung des Grundversorgers vergütet und wertgeschätzt.

18,7 18,7

15,9 16

0

10

20

30

40

ZUSTAND 2010 MIT HEUTIGEM TARMED V1.07

SIMULATION 2010 MIT SANTÉSUISSE-VORSCHLAG FÜR TARMED V1.08

(GÜLTIG AB 1.6.2012)

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AUFWERTUNG DES HAUSBESUCHS

TARIFPOSITION 00.0060 BESUCH(BISHER)

BIP

AUFWERTUNG TARIFPOSITION 00.0060 BESUCH

QUELLE: SANTESUISSE

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brennpunkt 2 | 2012

KE I N RÜCK W I RKEN DES PR ÄM I EN - FL I CK W ERK

In Art. 106 KVG sollen die – bereits bewilligten – Prämien von 1996 bis 2011 rückwirkend «verschlimmbessert» werden. santésuisse warnt eindringlich vor einem solchen Eingriff: Erstens entbehrt das Gedankenkonstrukt der «kantonalen Reserven» jeglicher faktischen Grundlage. Zweitens sind Prämienkorrekturen wettbewerbswidrig, administrativ aufwändig, rechtsstaatlich bedenklich, versicherungstechnisch falsch und gefährden alles in allem die Stabilität des Gesundheitssystems.

Jede Rückwirkung eines neuen Ge-setzes ist problematisch. Zudem wur-den alle Prämien durch das BAG ge-prüft und genehmigt. Im KVG fin-det sich keine Grundlage für «kanto-nale Reserven». Diese sind rein fiktiv. Sie werden nicht kantonal berechnet, denn systemlogisch dienen die Re-serven eines Versicherers allen sei-nen Versicherten und eben nicht nur den bei ihm versicherten Einwoh-nern eines Kantons. Rückwirkende Prämienkorrekturen verzerren per se den Wettbewerb, führen zu unverhältnismässigem ad-ministrativen Mehraufwand, sind rechtsstaatlich bedenklich (eigent-lich hätte jeder Bürger Anspruch auf die Lenkungsabgabe) und die neuer-liche Umverteilung zeugt von einer beliebigen und ungerechten Solida-ritätsvorstellung: Versicherte, die gar nie von «zu tiefen» Prämien profitiert haben (Geburt, Zuzug, Kassenwech-sel), würden mit Zuschlägen belas-tet. Versicherte, die gar nie «zu hohe» Prämien bezahlt haben (Geburt, Zu-zug, Kassenwechsel, Prämienverbilli-gung), würden von Abschlägen pro-fitieren.

System willkürlich gefährdetKantonalisiert man die Reserven, ver-kleinert sich automatisch das Versi-chertenkollektiv. Ein kleineres Kol-

lektiv wiederum zieht eine notwen-dige, da gesetzlich vorgeschriebene Erhöhung der Reserven nach sich. Dies hätte also pro Versicherer je-weils 26 kantonal unterschiedliche Reserven zur Folge. Heute beziehen sich die Reserven auf das schweiz-weite Versichertenkollektiv eines Ver-sicherers, die Prämien hingegen auf das Kollektiv einer Region. Das vor-geschlagene Umverteilen bedeu-tet, dass eine Teilmenge Versicherte von den Reserven aller Versicherten profitieren würde. Diese Ungleich-behandlung der Bürger wäre grob falsch und versicherungstechnischer «Mumpitz».

Kantonalisierung: Bizarre EffekteDie Krankenversicherung folgt dem Prinzip, das Risiko durch eine mög-lichst grosse Zahl an Versicherten klein zu halten. Der Wechsel von na-tionalen zu kantonalen Reserven be-wirkt exakt das Gegenteil und nimmt absurde Prämiensprünge in Kauf. Je-des Gesetz, welches auf kantona-len Reserven fusst, führt zu sozia-ler Unruhe und zu mehr Risiko. Da-durch begünstigt man rasche massive Versichertenwanderungen, welche die Stabilität des Systems gefähr-den. Anstatt in 81 Kollektive (Stand 2009) müsste der Markt mit kantona-len Reserven in 26 x 81 = 2106 Kol-

lektive aufgeteilt werden. Von Geset-zes wegen wären dadurch mit 11,7 Mrd. Franken 4,5 Mal höhere Reser-ven als heute nötig. Das würde – aus Zwängerei und nicht aus Notwen-digkeit – je nach Kanton zu einem Prämienschub zwischen 53,8% und 233% führen. Alle Versicherten wür-den durch diese Zwangsmassnahme schlechter gestellt und speziell Ein-wohner von kleinen Kantonen ohne Not gezielt benachteiligt: In 45 Fäl-len war in einem Kollektiv im Jahr 2009 nur eine Person versichert. Dies wäre die totale Preisgabe des Versi-cherungsschutzes und hätte für diese Person einen Prämienzuschlag von 23 400 Franken zur Folge. Genau um solche Absurditäten zu verhindern, poolen die Versicherer ihre Versi-cherten über die Kantonsgrenzen hinweg. (GPA)

Rückwirkende Prämienkorrekturen gleichen einer Reparatur in voller Fahrt. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu erkennen, dass dies nicht funktionieren kann.

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Vier Gründe gegen rückwirkende Korrektur:

• KantonaleReservenhabenkeinerechtliche Grundlage

• Prämienkorrekturensindwettbe-werbswidrig, administrativ aufwän-dig und rechtsstaatlich bedenklich

• Prämienkorrekturensindversiche-rungstechnisch falsch

• PrämienkorrekturengefährdendasGesundheitssystem

Page 4: Brennpunkt Nr. 02/2012

IMPRESSUMHERAUSGEBER santésuisse – Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn REDAKTION Gregor Patorski, Anne Durrer,Abt. Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 41 54, Fax: 032 625 41 51, E-Mail: [email protected], Homepage: www.santesuisse.ch PRODUKTION City-Offset, Solothurnstrasse 84, 2540 Grenchen TITELBILD Carsten Reisinger, stockphoto-images.com

IN KÜRZE

brennpunkt 2 | 2012

Ja zum Präventionsgesetz

In der Gesundheitskommission des Ständerats war der Entwurf zum Prä-ventionsgesetz, welches für die Som-mersession traktandiert ist, umstritten. santésuisse unterstützt das Präventions-gesetz, insofern es eine bessere Koor-dination zwischen den Akteuren und eine effizientere Nutzung der finanziel-len Ressourcen bewirkt. Das Gesetz darf jedoch nicht missbräuchlich dazu ver-wendet werden, die Finanzierung der Prävention auf die Krankenversicherung abzuwälzen. Es muss verhindert wer-den, dass sich die öffentliche Hand aus der Prävention und der Gesundheits-förderung zurückziehen und die Kos-ten dem KVG weitergeben. santésuisse begrüsst in diesem Sinne den Antrag der SGK-SR, den Prämienzusatz auf 0,075% der durchschnittlichen Jahresprämie zu begrenzen. Zudem lehnt santésuisse die Schaffung eines neuen nationalen Insti-tuts ab.

Managed Care: Online-Dossier

Am 17. Juni 2012 stimmt die Schweiz über die Managed Care-Vorlage ab. santésuisse bietet den Stimmbürgerin-nen und Stimmbürgern unter dem Link www.santesuisse.ch/de/managedcare ein Abstimmungsdossier an, in welchem sie sich mit Texten aus unseren Publi-kationen, FAQs und einem Argumenta-rium über den Sinn und Zweck und die Nachhaltigkeit dieser Vorlage informie-ren können. Hauptziel der Revision ist die Förderung der integrierten Versor-gung, welche den Patienten in den Mit-telpunkt stellt. Die Vorteile von integ-rierter Versorgung sind: 1. Höhere Be-handlungsqualität 2. Mehr Orientierung im Gesundheitssystem 3. Höhere Patien-tensicherheit 4. Bessere Behandlungser-gebnisse. Aus diesen Gründen unterstüt-zen die Krankenversicherer die Managed Care-Vorlage.

Powerplay der Pharma

Die ab dem 1. Mai geltende Verord-nung zu den Medikamenten-Preisen kommt der Pharmaindustrie weit entge-gen. santésuisse lehnt die darin verord-

nete Ausweitung der Bandbreite auf 5% entschieden ab. Durch diese Massnahme vermindert sich das Einsparpotenzial im Vergleich zu den geltenden Regeln um rund 67 Mio. Franken. Das Gesetz sieht vor, dass Leistungen wirtschaftlich zu erbringen sind. Die Prüfung der Wirt-schaftlichkeit wird mit dem Auslandpreis sichergestellt. Es ist nicht einzusehen, warum die Versicherten in der Schweiz mehr für die gleichen Medikamente zahlen sollen als Personen in den Ver-gleichsländern. santésuisse erwartet vom Bundesrat die Abschaffung der Band-breite von 5% allerspätestens in drei Jah-ren. Keine Industrie (auch nicht der Tou-rismus) hat aufgrund des starken Fran-kens eine Sonderbehandlung erhalten. Warum nun die Prämienzahler die Phar-maindustrie mit 67 Millionen (knapp 0,4 Prämienprozent) unterstützen sol-len, ist nicht nachvollziehbar. santésuisse setzt sich für die Umsetzung der beste-henden Regeln (Bandbreite 3%) ein. Be-reits diese kommen der Pharmaindustrie sehr entgegen. Standortpolitik soll nicht zulasten der Prämienzahler gehen. An-gesichts dieser Situation ist es überra-schend, dass die SGK-N eine Motion ein-gereicht hat, mit dem Ziel, die Pharma-industrie noch besser zu stellen.

Kostenneutralität ist Gesetz

Die Ärzteschaft argumentiert bei ihrem aktuellen TARMED-Revisi-onsprojekt TARVISION damit, den Tarif aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu aktualisieren und hat eine 18% zu tiefe Vergütung der ärztli-chen und eine 22% zu tiefe Vergü-tung der technischen Leistung er-rechnet. Obwohl sich alle Tarif-partner im Mai 2011 gegenüber Bundesrat Burkhalter verpflichte-ten, das Ziel der Kostenneutralität «ernsthaft anzustreben», versucht die FMH offenbar die in der KVV Art. 59c verankerte Kostenneutra-lität auszuhebeln. Mit dem Argu-ment, eine Teilrevision müsse nicht kostenneutral sein, wird hier die Gesetzeslogik arg strapaziert. Die Krankenversicherer fordern Kos-tenneutralität im Sinne des Geset-zes. Gibt man den impliziten For-derungen der Ärzteschaft nach,

kommt es zu einem Prämienschub von knapp 5%. Ein Nachgeben wäre hier gleichbedeutend mit dem tiefen Griff ins Portemonnaie eines jeden Prämienzah-lers. Notabene ohne konkreten Mehr-wert im Sinne der Behandlungsqualität.

Christoph Q. Meier wird neuer santésuisse-Direktor

Ab dem 1. Juni 2012 wird santésuisse von Dr. Christoph Q. Meier geführt. Der Verwaltungsrat hat den 52-jährigen pro-movierten Theologen am 24. April zum neuen Direktor von santésuisse gewählt. Christoph Q. Meier besitzt einen Exe-cutive MBA der Hochschule St. Gallen in General Management und hatte ver-schiedene leitende Funktionen in der Privatwirtschaft inne. In seiner letzten Funktion war er Zentralsekretär beim Schweizerischen Roten Kreuz und Lei-ter des nationalen Sekretariats der Rot-kreuz-Kantonalverbände. Der seit Ende September 2011 wirkungsvoll agierende, interimistische Direktor von santésuisse, Dr. Stefan Holenstein, wird sich in sei-ner Funktion als stellvertretender Direk-tor einem zusätzlich erweiterten Aufga-ben- und Verantwortungsbereich wid-men. Ziel der neuen Führungsstruktur ist es, die Kontinuität und Stabilität des Verbandes der Schweizer Krankenversi-cherer zu stärken. (GPA)

Christoph Q. Meier, neuer santésuisse-Direktor.

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