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1 Brüssel, den 10. Oktober 2008 EU-Leitlinien für körperliche Aktivität Empfohlene politische Maßnahmen zur Unterstützung gesundheitsfördernder körperlicher Betätigung Gebilligt von der EU-Arbeitsgruppe „Sport & Gesundheit“ auf ihrer Sitzung vom 25. September 2008 Bestätigt von den Sportministern der EU-Mitgliedstaaten auf ihrer Sitzung in Biarritz vom 27.-28. November 2008

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Brüssel, den 10. Oktober 2008

EU-Leitlinien für körperliche Aktivität

Empfohlene politische Maßnahmen zur Unterstützung gesundheitsfördernder

körperlicher Betätigung

Gebilligt von der EU-Arbeitsgruppe „Sport & Gesundheit“ auf ihrer Sitzung vom 25. September 2008

Bestätigt von den Sportministern der EU-Mitgliedstaaten auf ihrer Sitzung in Biarritz vom 27.-28. November 2008

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Inhalt

1. EINLEITUNG.......................................................................................................... 3

1.1. Die Vorteile körperlicher Aktivität ................................................................... 3

1.2. Besonderer Nutzen dieser Leitlinien ................................................................. 5

1.3. Bestehende Leitlinien und Empfehlungen für körperliche Aktivität ................ 6

2. EINE SEKTORÜBERGREIFENDE VORGEHENSWEISE ...................... 10

3. POLITISCHE BEREICHE .................................................................................. 12

3.1. Sport ........................................................................................................... 12

3.1.1. Die Zentralregierung ........................................................................ 13

3.1.2. Regionale und lokale Behörden......................................................... 14

3.1.3. Organisierter Sportsektor .................................................................. 15

3.1.4. Nicht organisierte sportliche und körperliche Aktivitäten ................ 17

3.2. Gesundheit ....................................................................................................... 19

3.2.1. Öffentlicher Gesundheitssektor ......................................................... 19

3.2.2. Bereich der Gesundheitsfürsorge ...................................................... 21

3.2.3. Krankenversicherungen..................................................................... 22

3.3. Bildung ........................................................................................................... 26

3.3.1. Förderung von körperlicher Aktivität in der Schule ......................... 26

3.3.2. Aus- und Weiterbildung des medizinischen Personals ..................... 28

3.4. Verkehrswesen, Umwelt, Städteplanung und öffentliche Sicherheit .............. 29

3.5. Arbeitsumfeld .................................................................................................. 33

3.6. Angebote für ältere Mitbürger......................................................................... 35

4. INDIKATOREN, MONITORING UND BEWERTUNG ............................ 38

5. ÖFFENTLICHES BEWUSSTSEIN UND VERBREITUNG ...................... 40

5.1. Kampagnen zur Schaffung öffentlichen Bewusstseins ................................... 40

5.2. EU-Netzwerk für gesundheitsfördernde Bewegung (HEPA).......................... 41

ANHANG: LISTE DER EXPERTEN ...................................................................... 44

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1. EINLEITUNG

1.1. Die Vorteile körperlicher Aktivität Körperliche Aktivität wird in der Regel als „jegliche Körperbewegung bezeichnet, die mit einer Muskelkontraktion verbunden ist und bei der der Energieverbrauch höher als im Ruhezustand ist“. Diese breit gefasste Definition bezieht sich auf zahlreiche Formen körperlicher Aktivität, sei es körperliche Betätigung in der Freizeit (einschließlich der meisten Sportarten und Tanzen), berufliche körperliche Aktivität, Bewegung im häuslichen Umfeld oder im Bereich des Verkehrs. Neben persönlichen Faktoren haben auch das materielle (Gebäude, Flächennutzung), das soziale und das wirtschaftliche Umfeld einen Einfluss auf den Umfang der körperlichen Aktivität. Körperliche Aktivität, Gesundheit und Lebensqualität stehen in einem engen Zusammenhang. Der menschliche Körper ist dazu beschaffen, sich zu bewegen. Er benötigt daher regelmäßige körperliche Aktivität, um optimal zu funktionieren und gesund zu bleiben. Es gibt hinreichende Erkenntnisse darüber, dass eine sitzende Lebensweise ein Risikofaktor für die Entstehung zahlreicher chronischer Krankheiten ist, einschließlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die in der westlichen Welt zu den Haupttodesursachen zählen. Eine aktive Lebensweise bringt zudem viele andere soziale und psychologische Vorteile mit sich, und es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Lebenserwartung, die bei körperlich aktiven Menschen im Vergleich zu inaktiven Menschen höher liegt. Menschen mit überwiegend sitzender Lebensweise, die ihre körperliche Betätigung erhöhen, berichten über eine Stärkung des körperlichen und geistigen Wohlbefindens und eine Zunahme der Lebensqualität. Infolge regelmäßiger körperlicher Aktivität vollziehen sich im menschlichen Körper morphologische und funktionelle Veränderungen, die ein Auftreten bestimmter Krankheiten verhindern oder verzögern und die körperliche Belastbarkeit erhöhen können. Es gilt als hinreichend erwiesen, dass ein körperlich aktiver Lebensstil zahlreiche gesundheitliche Vorteile bringt, zu denen unter anderem folgende gehören:

• Verringertes Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen • Verhütung bzw. Verzögerung des Auftretens von arteriellem Bluthochdruck und

verbesserte Kontrolle des Blutdrucks bei Personen, die unter Bluthochdruck leiden.

• Gute Herz-Lungen-Funktion • Aufrechterhaltung der Stoffwechselfunktionen und geringe Häufigkeit von Typ-

2-Diabetes • Erhöhte Fettverwertung, was zur Gewichtskontrolle beitragen und das Risiko von

Adipositas verringern kann • Geringeres Risiko bestimmter Krebserkrankungen, beispielsweise Brust-,

Prostata- und Darmkrebs • Verbesserte Knochenmineralisation in jungen Jahren, was zur Verhütung von

Osteoporose und Knochenbrüchen in höherem Alter beiträgt • Verbesserung der Verdauung und der Regulierung der Darmtätigkeit

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• Aufrechterhaltung und Verbesserung der Kraft und Ausdauer der Muskeln, wodurch sich die funktionellen Fähigkeiten zur Durchführung alltäglicher Aktivitäten verbessern

• Aufrechterhaltung motorischer Funktionen, einschließlich Kraft und Gleichgewicht

• Aufrechterhaltung kognitiver Funktionen und geringeres Risiko von Depression und Demenz

• Geringeres Stressniveau und damit verbundene bessere Schlafqualität • Stärkung des Selbstwertgefühls und der Selbstachtung sowie Zunahme von

Enthusiasmus und Optimismus • Weniger Arbeitsausfall (Krankschreibung) • Bei erheblich älteren Menschen ein geringeres Sturzrisiko sowie Verhütung oder

Verzögerung chronischer Krankheiten im Zusammenhang mit dem Älterwerden. Kinder und Jugendliche beteiligen sich an unterschiedlichen Formen körperlicher Betätigung, zum Beispiel durch Spiel und Sport. Ihre täglichen Gewohnheiten haben sich jedoch aufgrund neuer Freizeitbeschäftigungen (Fernsehen, Internet, Videospiele) verändert, und diese Veränderungen haben zu einem Anstieg der Anzahl übergewichtiger und fettleibiger Kinder geführt. Aus diesem Grund wächst die Besorgnis, dass die körperliche Betätigung von Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren zunehmend durch sitzende Beschäftigung ersetzt wird. Die Möglichkeiten der körperlichen Betätigung nehmen im Erwachsenenalter in der Regel ab. Durch die jüngsten Veränderungen im Lebensstil hat sich dieses Phänomen verstärkt. Infolge der großartigen modernen Erfindungen hat sich der körperliche Aufwand zur Verrichtung der alltäglichen Hausarbeit, zur Fortbewegung (Auto, Bus) oder auch in der Freizeitgestaltung (selbst, wenn sie der körperlichen Betätigung dient), gewaltig verringert. Untersuchungen zufolge ist 40 bis 60 % der EU-Bevölkerung eine sitzende Lebensweise verbreitet. Es ist deshalb wichtig, dass die EU-Mitgliedstaaten nationale Pläne zur Förderung körperlicher Betätigung aufstellen, um zur Änderung ungesunder Lebensgewohnheiten beizutragen und die Vorteile körperlicher Aktivität für die Gesundheit stärker ins Bewusstsein zu rücken. In diesen Plänen sind die konkreten Bedingungen, Gewohnheiten und kulturellen Merkmale der einzelnen Länder zu berücksichtigen. Es wurde nachgewiesen, dass jeder Mensch, unabhängig von seinem Alter und auch nach längeren Zeiten der Inaktivität, durch die Erhöhung seiner körperlichen Aktivität gesundheitliche Vorteile erzielen kann. Für einen Anfang ist es nie zu spät. Ein Wandel kann durch umfassende politische und praktische Maßnahmen, insbesondere in der sektorübergreifenden Zusammenarbeit, sowie dadurch bewirkt werden, dass verschiedene, in ihrem Kompetenzbereich bereits etablierte Akteure in diesen Bemühungen eine neue Rolle übernehmen. Großangelegte Lösungen und umfassende, globale Strategien können und sollen nicht angeboten werden. Vielmehr sollte durch viele kleine Veränderungen in Politik und Praxis in unserer Gesellschaft insgesamt auf mehr Ansporn zu Bewegung hingewirkt werden.

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1.2. Besonderer Nutzen dieser Leitlinien

In einigen EU-Mitgliedstaaten gibt es nationale Leitlinien zur körperlichen Betätigung, mit denen staatliche und private Einrichtungen bei der gemeinsamen Förderung körperlicher Aktivitäten unterstützt werden.1 Oft tragen diese Leitlinien auch dazu bei, dass öffentliche Gelder für Projekte zur Bewegungsförderung bereitgestellt werden. Leitlinien für körperliche Aktivität gibt es in verschiedenen Formen in den USA und auch bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die EU-Arbeitsgruppe „Sport und Gesundheit“, an der sich alle Mitgliedstaaten beteiligen können, erhielt auf dem Treffen der Sportminister der Mitgliedstaaten, das unter der finnischen Präsidentschaft im November 2006 stattfand, das Mandat, Leitlinien für körperliche Aktivität auf EU-Ebene zu erarbeiten. Zentrales Anliegen war die Schaffung von Leitlinien, die Prioritäten für politische Maßnahmen zur stärkeren Förderung körperlicher Aktivität enthalten. Zu diesem Zweck ernannte die Arbeitsgruppe eine Expertengruppe aus 22 bekannten Fachleuten, die mit der Erarbeitung dieser Leitlinien beauftragt wurde. Auf dem Treffen der Sportminister, das aufgrund fehlender vertraglicher Vereinbarungen informellen Charakter hatte, wurde auf die vom (insbesondere für Gesundheitsbelange verantwortlichen) EU-Ministerrat zum Ausdruck gebrachte Besorgnis regiert. Im Zeitraum 2002-2006 gab der Rat fünf Entschließungen heraus, in denen EU-Maßnahmen zur Bekämpfung von Adipositas gefordert wurden, die nicht nur auf Ernährung, sondern auch auf körperliche Aktivität abzielen.2 Um die Integration politischer Maßnahmen zur Förderung körperlicher Aktivität im Alltagsleben zu gewährleisten, sollten die relevanten öffentlichen und privaten Akteure bei der Ausarbeitung politischer Maßnahmen in den Bereichen Sport, Gesundheit, Bildung, Verkehr, Stadtplanung, Arbeitsumfeld, Freizeit usw. in enger Abstimmung zusammenarbeiten. Wenn politische Maßnahmen zur Förderung körperlicher Aktivität erfolgreich integriert werden, sollte es für die Bürger die einfachste Lösung sein, sich für eine gesunde Lebensweise zu entscheiden. Die Leitlinien wenden sich in erster Linie an politische Entscheidungsträger in den Mitgliedstaaten und sollen als Anregung für die Aufstellung und Annahme handlungsorientierter Leitlinien für körperliche Aktivität dienen. Das Ziel des

1 Zum Beispiel: Frankreich: Ministère de la Santé et de la Solidarité (2005): Programme Nutrition Santé: Activité physique et santé. Arguments scientifiques, pistes pratiques. – Deutschland: Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Bundesministerium für Gesundheit: Gesunde Ernährung und Bewegung – Schlüssel für mehr Lebensqualität. 04.05.2007. – Luxemburg: Ministère de la Santé (2006): Vers un plan national: Alimentation Saine et Activité Physique. – Slowenien: Ministrstvo za Zdravje (2007): Nacionalni program spodbujanja telesne dejavnosti za krepitev zdravja od 2007 do 2012. Povzeto po Strategiji Vlade Republike Slovenije na področju telesne (gibalne) dejavnosti za krepitev zdravja od 2007 do 2012. – Vereinigtes Königreich: H.M. Government (2008): Healthy Weight, Healthy Lives: A Cross-Government Strategy for England. – Vereinigtes Königreich: Office of the Deputy Prime Minister; Local Government Association; Department of Culture, Media and Sport; Sport England (2004): Sport and Physical Activity in 2nd Generation Public Service Agreements: Guidance Notes. DCMS, Sport England (2008): Shaping Places through Sport and Health. – Finnland: Regierungsbeschluss zur Aufstellung von Richtlinien für gesundheitsfördernde körperliche Aktivität und Ernährung (2008).

2 KOM(2007) 279. 30.05.2007: Weißbuch Ernährung, Übergewicht, Adipositas: Eine Strategie für Europa. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/en/com/2007/com2007_0279en01.pdf, p. 2

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Dokuments besteht nicht in einer umfassenden akademischen Abhandlung der Materie oder einer Neudefinierung der Empfehlungen und Ziele der WHO. Der zusätzliche Nutzen der EU-Maßnahmen entsteht durch die Förderung der Umsetzung bestehender WHO-Empfehlungen zur körperlichen Aktivität sowie durch die Ausrichtung auf Aktionen und die Konzentration auf körperliche Aktivität (und nicht Ernährung und andere Themen in diesem Zusammenhang). Dieses Dokument richtet sich an einen breiten Nutzerkreis von Personen, die sich mit dem Thema körperlicher Betätigung beschäftigen. Der Einsatz von Fußnoten, Literaturhinweisen und Fachbegriffen wurde deshalb auf ein Minimum beschränkt.

1.3. Bestehende Leitlinien und Empfehlungen für körperliche Aktivität Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört zu den Hauptakteuren, die an der Festlegung der Vorgaben für die Politik zur Bekämpfung von Adipositas beteiligt sind.3 Im Rahmen ihrer Tätigkeit hat die WHO eine Reihe von Dokumenten angenommen, in denen sowohl individuelle als auch kollektive Ziele hinsichtlich körperlicher Aktivität und Ernährung festgelegt wurden.4 Einige WHO-Empfehlungen sind an die gesamte Bevölkerung und andere an spezielle Altersgruppen gerichtet. Die Anleitungsdokumente der WHO beziehen sich auf körperliche Aktivität als Mittel der Primärprävention für die Bevölkerung und beruhen auf neuesten Forschungsergebnissen. 2002 verabschiedete die WHO eine Empfehlung, dass sich jeder Mensch mindestens 30 Minuten täglich körperlich betätigen sollte.5 In ihrem Weißbuch Sport (internes Arbeitsdokument) stellte die Kommission fest, dass „einige Studien darauf hinweisen, dass sogar noch mehr körperliche Aktivität zu empfehlen ist. Dies legt den Schluss nahe, dass Leitlinien zur Förderung körperlicher Aktivität in der EU nützlich wären. Solche Leitlinien könnten verschiedene Empfehlungen für unterschiedliche Altersgruppen, wie Kinder und Jugendliche, Erwachsene und ältere Menschen, enthalten.“6 In den EU-Leitlinien werden die Vorschläge des Weißbuches Sport aufgegriffen und konkrete politikbezogene Handlungsmaßnahmen vorgeschlagen, die am Ende der jeweiligen Textabschnitte zu finden sind. Die Leitlinien richten sich an Entscheidungsträger auf allen Ebenen (europäischer, nationaler, regionaler und lokaler) des öffentlichen und privaten Sektors. Sie bestätigen einerseits den von der WHO vorgegebenen Ansatz, dienen jedoch gleichzeitig dazu, nützliche Schritte aufzuzeigen, wie die Ziele in konkreten Maßnahmen umgesetzt werden können.

3 http://www.euro.who.int/obesity 4 Weltgesundheitsorganisation (WHO, Genf, 2004): Globale Strategie zu Ernährung, körperlicher

Aktivität und Gesundheit. – Weltgesundheitsorganisation (WHO-Regionalbüro für Europa, Kopenhagen (2006): Schritte zur Gesundheit. Ein europäischer Rahmen zur Förderung körperlicher Aktivität. – WHO Europa, Ministerkonferenz zur Bekämpfung von Adipositas (Istanbul, 2006): Europäische Charta zur Bekämpfung von Adipositas. – Weltgesundheitsorganisation (WHO, Genf, 2007): Anleitung für bevölkerungsspezifische Ansätze zur Erhöhung körperlicher Aktivitäten. Umsetzung der globalen Strategie der WHO zu Ernährung, körperlicher Aktivität und Gesundheit.

5 Siehe: „Why move for Health“, http://www.who.int/moveforhealth/en/ 6 SEK(2007) 935, 11.07.2007: Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen: Die EU und Sport:

Hintergrund und Kontext. Begleitdokument zum Weißbuch Sport (KOM (2007) 391). http://ec.europa.eu/sport/whitepaper/dts935_en.pdf

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Die Leitlinien greifen auch ein weiteres von der Kommission angenommenes strategisches Dokument auf. In ihrem am 30. Mai 2007 angenommenem Weißbuch „Ernährung, Übergewicht, Adipositas: Eine Strategie für Europa“, vertritt die Kommission „die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten und die EU proaktive Schritte unternehmen müssen, um den Rückgang an körperlicher Bewegung in den letzten Jahrzehnten, der durch zahlreiche Faktoren begründet ist, wieder umzukehren.“ Das Weißbuch begrenzt die Diskussion über Adipositas nicht auf Ernährungsaspekte, sondern plädiert nachhaltig für geeignete Maßnahmen zur verstärkten Förderung körperlicher Aktivitäten, um so dem gegenwärtigen Bewegungsdefizit entgegenzuwirken. Die Kommission unterstreicht gleichzeitig, dass organisatorische und strukturelle Voraussetzungen für die Ausübung körperlicher Betätigung durch politische Koordination gemeinsam geschaffen werden müssen. In den Schlussfolgerungen des Weißbuchs „Ernährung, Übergewicht, Adipositas“, die vom Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“7 und auch im Bericht des Europäischen Parlaments zum selben Weißbuch bestätigt wurden8, hoben beide Institutionen die Bedeutung körperlicher Aktivität im Kampf gegen Adipositas und damit verbundene Krankheiten hervor. Im gleichen Weißbuch werden Maßnahmen zur Sammlung und Verbreitung neu zu entwickelnder Modelle auf lokaler und regionaler Ebene empfohlen, einschließlich über die Hochrangige EU-Gruppe Ernährung, Gesundheit und körperliche Aktivität, um eine stärkere Einflussnahme und Koordination zu fördern. Ein Beispiel für einen solchen Austausch unter den beteiligten Akteuren ist bereits die Europäische Aktionsplattform für Ernährung, körperliche Aktivität und Gesundheit, an der Vertreter der europäischen Forschung, Industrie und Zivilgesellschaft mitwirken. Maßnahmen im Sinne der Vorschläge dieser Leitlinien könnten aufgrund ihres übergreifenden Charakters in ähnlichen Netzwerken auf unterschiedlichen Ebenen entwickelt werden. Für gesunde Erwachsene im Alter zwischen 18 und 65 Jahren empfiehlt die WHO als Ziel mindestens 30 Minuten gemäßigte körperliche Aktivität an 5 Tagen in der Woche oder mindestens 20 Minuten intensive körperliche Aktivität an 3 Tagen in der Woche. Der erforderliche Umfang an körperlicher Aktivität kann in Zeitspannen von mindestens 10 Minuten zusammengerechnet werden und auch aus einer Kombination gemäßigter und intensiver Übungsphasen bestehen.9 Aktivitäten zur Stärkung der Muskelkraft und Ausdauer sollten zusätzlich an 2 bis 3 Tagen der Woche erfolgen.

7 http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressData/en/lsa/97445.pdf 15612/07 8 http://www.europarl.europa.eu/news/expert/infopress_page/066-38015-266-09-39-911-

20080924IPR38014-22-09-2008-2008-false/default_en.htm 9 Bei Erwachsenen (im jungen bis mittleren Alter) kann langsames/leichtes Gehen (Spazieren gehen)

eine körperliche Anstrengung von 3 500 Schritten in 30 Minuten bedeuten, wogegen ältere Menschen den selben Effekt bei 2 500 Schritten in 30 Minuten erreichen. Gemäßigtes Gehen würde daher 4 000 Schritte im Erwachsenenalter und 3 500 Schritte bei älteren Personen bedeuten, wogegen ein intensives Gehen (bergauf, Treppe oder Laufen) 4 500 Schritte bei Erwachsenen und 4 000 Schritte bei älteren Menschen erfordern würde.

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Für Erwachsene im Alter von über 65 sollten im Prinzip die gleichen Ziele wie für gesunde jüngere Erwachsene erreicht werden. Hinzu kommt, dass Krafttraining und Gleichgewichtsübungen in dieser Altersgruppe besonders wichtig sind, um Stürze zu vermeiden. Diese Empfehlungen gelten zusätzlich zu den alltäglichen Routinetätigkeiten, die weniger intensiv sind bzw. weniger als 10 Minuten dauern. Die gegenwärtigen Daten über den Zusammenhang zwischen Umfang und Auswirkung der körperlichen Betätigung zeigen jedoch, dass sich für den größten Teil der Menschen, die eine überwiegend sitzende Lebensweise führen, bereits eine leichte oder gemäßigte Erhöhung der Bewegungsintensität wahrscheinlich positiv auf die Gesundheit auswirkt, insbesondere, wenn die Mindestgrenze von 30 Minuten gemäßigter körperlicher Aktivität an 5 Tagen in der Woche (noch) nicht erreicht wird. Bei allen Zielgruppen können durch eine Erhöhung der Bewegungsintensität zusätzliche positive Auswirkungen erzielt werden.10 Jugendliche im Schulalter sollten sich 60 Minuten oder länger täglich mäßig bis intensiv in einer Form körperlich betätigen, die ihrer Entwicklung entspricht, Spaß macht und unterschiedliche Bewegungen einschließt. Der vollständige Bewegungsumfang kann in Zeitspannen von mindestens 10 Minuten erreicht werden. Die Förderung motorischer Fähigkeiten sollte bereits im frühen Alter beginnen. Spezifische Betätigungsarten wie Aerobic, Kraftsport, Gewichtheben, Gleichgewichtsübungen, Flexibilität oder motorische Entwicklung sollten sich an den Bedürfnissen der Altersgruppe orientieren. Die Erarbeitung nationaler Empfehlungen zur körperlichen Aktivität sollte in enger Abstimmung mit der Planung und Auswertung politischer Maßnahmen erfolgen, die dazu dienen, die in der Anleitung der WHO zur Förderung körperlicher Aktivität dargestellten Ziele zu erreichen. In ihrem Weißbuch „Ernährung, Übergewicht, Adipositas: Eine Strategie für Europa“ schlägt die Kommission ebenfalls vor, dass „Sportvereine gemeinsam mit Akteuren des öffentlichen Gesundheitswesens in Europa Werbe- und Marketingkampagnen entwickeln könnten, bei denen insbesondere körperliche Aktivität unter bestimmten Zielgruppen wie Jugendlichen oder sozioökonomisch schwächer gestellten Gruppen gefördert wird.“ Das WHO-Regionalbüro für Europa hat vor kurzem die Empfehlungen zur körperlichen Aktivität zusammengestellt, die in den Mitgliedstaaten der Europäischen WHO-Region

10 Nach Angaben des Zentrums für Kontrolle und Verhütung von Krankheiten (CDC) [der Abteilung für Gesundheit und Sozialdienste in den USA] und des American College of Sports Medicine (ACSM) kann die Intensität als „gemäßigt“ (Verbrennung von 3,5 bis 7 kcal/min) oder als „anstrengend“ (Verbrennung von mehr als 7 kcal/min) eingestuft werden. „Gemäßigte Aktivität“ beinhaltet „mäßiges oder zügiges Gehen mit einem Tempo von 3 bis 4.5 mph auf ebenem Boden drinnen oder draußen, wie Laufen zur Schule, zur Arbeit oder zum Einkaufen, Gehen zum Zwecke der Erholung, Ausführen des Hundes, Gehen als Arbeitspause, Treppen heruntergehen oder abwärts laufen, Wettlauf – langsamer als 5 mph, Laufen mit Stöcken, Wandern, Rollschuhlaufen oder Inlineskating in entspanntem Tempo“. „Anstrengende Aktivität“ beinhaltet „sportliches und aerobes Gehen – 5 mph oder schneller, Joggen oder Laufen, eigener Handbetrieb des Rollstuhls, zügiges Gehen bergauf, Laufen mit Rucksack, Bergsteigen, Klettern, Abseilen, Rollschuhlaufen oder Inlineskating in zügigem Tempo“. Siehe CDC [Centers for Disease Control and Prevention]: Allgemeine körperliche Aktivitäten nach Intensitätsgrad. (Undatiert) http://www.cdc.gov/nccdphp/dnpa/physical/pdf/PA_Intensity_table_2_1.pdf

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gegenwärtig eingesetzt werden. Als Quellen wurden das „Internationale Verzeichnis von Dokumenten zur Förderung körperlicher Aktivität“11 zusammen mit einer Informationsanfrage in 25 Ländern (von denen 19 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind) sowie zusätzliche Internetrecherchen genutzt. Es wurden Informationen aus 21 Ländern gefunden, von denen 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind. In allen Dokumenten wird als allgemeine Empfehlung „als Minimum 30 Minuten gemäßigter körperlicher Aktivität an 5 Tagen pro Woche“ für alle Erwachsenen genannt12. Nicht alle Dokumente enthalten spezifische Empfehlungen für verschiedene Altersgruppen (Jugendliche, Erwachsene, ältere Menschen). Die meisten Dokumente enthielten die Empfehlung von 60 Minuten gemäßigter körperlicher Aktivität pro Tag für Kinder und Jugendliche, aber in nur wenigen Ländern gab es Empfehlungen für ältere Menschen. Die Empfehlungen der meisten Länder beruhen in der Regel auf dem Umfang und der Art der für einen guten gesundheitlichen Allgemeinzustand erforderlichen körperlichen Aktivität. Zusätzlich gibt es in einigen Ländern spezifische Empfehlungen, um bestimmte gesundheitliche Effekte zu erreichen, z.B. zur Erhaltung gesunder Knochen oder zur Vorbeugung von Herzerkrankungen. In einigen Ländern enthielten die Empfehlungen auch Anleitungen für spezifische Gruppen der Bevölkerung, insbesondere bezüglich Adipositas und Gewichtskontrolle. Auch eine Begrenzung der Zeit vor dem Bildschirm bzw. für sitzende Beschäftigung auf nicht mehr als zwei Stunden am Tag wurde in einigen Ländern empfohlen. Obwohl die Länder in der Regel die gleichen Empfehlungen benutzen, die sich an die der WHO anlehnen, gibt es starke Unterschiede in der Art und Weise, wie die Aussagen zur körperlichen Aktivität verbreitet werden. Einige nationale Dokumente enthalten praktische Ratschläge (z.B. die Benutzung von Treppen, Aktivitäten mit der Familie im Freien, Tanzen) für die Bevölkerung und für Mitarbeiter der Gesundheitsdienste, wie der empfohlene Umfang an körperlicher Aktivität erreicht werden kann. Andere Dokumente sind stärker darauf ausgerichtet, wie politische Entscheidungsträger die Empfehlungen zur körperlichen Aktivität umsetzen und verbreiten können. Einige Länder haben spezifische Kommunikationsinstrumente entworfen, zum Beispiel eine Pyramide oder eine Torte, um ihre Empfehlungen zur körperlichen Aktivität für Erwachsene zu veranschaulichen. Handlungsmaßnahmen • Leitlinie 1 – In Übereinstimmung mit den Leitdokumenten der

Weltgesundheitsorganisation empfehlen die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten mindestens 60 Minuten körperlicher Betätigung mäßiger Intensität

11 HEPA Europe – Internationales Verzeichnis von Dokumenten zur Förderung körperlicher Aktivität – Kopenhagen, WHO-Regionalbüro für Europa, 2006 (http://data.euro.who.int/PhysicalActivity)

12 WHO: Benefits of Physical Activity (Vorteile körperlicher Aktivität) (letzte Aktualisierung 2008). http://www.who.int/dietphysicalactivity/factsheet_benefits/en/index.html

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pro Tag für Kinder und Jugendliche und mindestens 30 Minuten körperlicher Betätigung mäßiger Intensität pro Tag für Erwachsene, einschließlich der Senioren.

• Leitlinie 2 – Alle betroffenen Akteure sollen sich an den Leitdokumenten der

Weltgesundheitsorganisation zu Fettsucht und körperlicher Aktivität orientieren und Wege zu ihrer Umsetzung suchen.

2. EINE SEKTORÜBERGREIFENDE VORGEHENSWEISE Viele öffentliche Einrichtungen, die beträchtliche Finanzmittel verwalten, beteiligen sich an der Förderung körperlicher Aktivität. Die gestellten Ziele können nur durch eine Zusammenarbeit zwischen den Ministerien, Behörden und berufsspezifischen Einrichtungen untereinander und auf allen staatlichen Ebenen (national, regional, lokal) sowie durch Kooperation mit dem privaten Sektor und freien Trägern erreicht werden. Die Erhöhung der körperlichen Aktivität unter der Bevölkerung gehört zu den Aufgaben verschiedener Bereiche, die zum größten Teil auch im öffentlichen Sektor angesiedelt sind:

• Sport • Gesundheit • Bildung • Verkehrswesen, Umwelt, Städteplanung und öffentliche Sicherheit • Arbeitsumfeld • Angebote für ältere Mitbürger

Zielstellungen reichen jedoch nicht aus, um eine wirksame Umsetzung der nationalen Leitlinien für körperliche Aktivität sicherzustellen. Leitlinien zur Erarbeitung und Umsetzung politischer Maßnahmen, mit denen die Menschen zu mehr Bewegung veranlasst werden, sollten auf folgenden Qualitätskriterien beruhen, die sich für eine wirksame politische Umsetzung bewährt haben: (1) Aufstellung und Kommunikation konkreter Ziele: Welche genauen Ziele sollen

durch die politische Maßnahme erreicht werden? Welche Zielgruppen werden angesprochen und unter welchen Rahmenbedingungen werden ihnen diese Maßnahmen vermittelt?

(2) Planung konkreter Schritte zur Umsetzung: In welchem konkreten Zeitrahmen ist

die Umsetzung der Maßnahmen vorgesehen? Welche konkreten Umsetzungsphasen und Zwischenergebnisse sind geplant?

(3) Festlegung klarer Verantwortungsbereiche und Verpflichtungen für die

Umsetzung: Wer übernimmt die strategische Leitung? Gibt es gesetzliche Bestimmungen zur Unterstützung der politischen Maßnahmen?

(4) Zuweisung der geeigneten Ressourcen: Wer hat die zur Umsetzung der

Maßnahmen erforderlichen organisatorischen Kapazitäten und qualifiziertes Personal bzw. wer kann diese Kapazitäten aufbauen? Wie kann die Finanzierung

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für die Umsetzung der Maßnahmen gesichert werden? Wie sind die verschiedenen Finanzierungsquellen (nationaler, regionaler und kommunaler Haushalt, private Unternehmen) untereinander verbunden?

(5) Schaffung eines förderlichen politischen Umfelds: Durch welche politischen

Institutionen und wichtigen Akteure können die Maßnahmen unterstützt werden? Welche politischen Partnerschaften können zur Förderung der Maßnahmen und zur Überwindung potenzieller Hindernisse gebildet werden?

(6) Verstärkung der öffentlichen Unterstützung: Wie kann das Interesse der

Bevölkerung bzw. der speziellen Zielgruppen an den Maßnahmen erhöht werden? Wie können die Medien einbezogen werden?

(7) Beobachtung und Bewertung des Umsetzungsprozesses und seiner Ergebnisse:

Was sind die Hauptindikatoren für eine wirksame Umsetzung? Welche Ergebnisse werden erwartet und wie können diese gemessen werden?

Alle Maßnahmen müssen auf ihren spezifischen Kontext ausgerichtet werden und die Bedürfnisse der Zielgruppen sowie die jeweiligen Rahmenbedingungen widerspiegeln. Beispiele bewährter Praktiken In Großbritannien wurden Vereinbarungen des öffentlichen Sektors genutzt, um Anreize für spezifische gesundheitsrelevante Ziele zu schaffen. Lokale Einrichtungen stellen konkrete Angaben darüber zur Verfügung, wie die Ziele erfüllt und bewertet werden. In Großbritannien werden sie zurzeit als „Local Area Agreements“ (lokale Vereinbarungen) bezeichnet und zur Förderung von Sport und körperlicher Aktivität eingesetzt. Ein Beispiel stammt aus Hertfordshire, wo im Rahmen der lokalen Vereinbarung der Bedarf an einer Stärkung der Unabhängigkeit und demzufolge der Gesundheit der älteren Bevölkerung untersucht wurde. Dabei wurde Folgendes festgestellt: „Erforderlich ist eine Stärkung der Unabhängigkeit und des Wohlbefindens durch aktive Teilnahme an Sport und körperlicher Aktivität, um einen gesunden Lebensstil zu erlangen, bei dem sie sich so lange wie möglich fit und wohl fühlen können.“ Zur Messung des Ergebnisses wurden folgende Leistungsindikatoren und Ziele aufgestellt: „Anteil der Erwachsenen im Alter von 45 und älter, die an drei oder mehr Tagen pro Woche mindestens 30 Minuten Sport gemäßigter Intensität und aktive Erholung betreiben (einschließlich Wandern und Radfahren).“ Die Erreichung des Ziels (+4 % über der Ausgangsbasis) war an eine finanzielle Belohnung in der Region von 1,2 Millionen Pfund gebunden. In Deutschland wurden vom Bundesgesundheitsministerium und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Leitlinien zur „gesunden Ernährung und körperlichen Bewegung als Schlüssel für eine höhere Lebensqualität“ entwickelt13, die als Grundlage für einen nationalen Aktionsplan zur Verhütung von Fehlernährung, Übergewicht, sitzender Lebensweise und der damit verbundenen

13 http://www.bmelv.de/cln_045/nn_749118/SharedDocs/downloads/03-Ernaehrung/Aufklaerung/EckpunktepapierGesundeErnaehrung,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/EckpunktepapierGesundeErnaehrung.pdf

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Auswirkungen und chronischen Krankheiten dienen. Die Leitlinien konzentrieren sich auf folgende fünf Tätigkeitsbereiche:

• Politik (verschiedene Bereiche und Tätigkeitsfelder) • Bildung und Aufklärung über Ernährung, Bewegung und Gesundheit • Körperliche Aktivität im Alltag • Verbesserung der Qualität von Mahlzeiten, die außerhalb von Zuhause angeboten

werden (Kindergarten, Schule, Arbeitsplatz usw.) • Forschungsimpulse

In Luxemburg haben vier Ministerien (Bildung, Gesundheit, Sport, Jugend) im Juli 2006 einen sektorübergreifenden Aktionsplan mit dem Titel „Gesund essen, mehr bewegen“ aufgestellt. Lokale Akteure sind zu Aktionen aufgerufen, die sich nach Möglichkeit sowohl auf Ernährung als auch körperliche Aktivität beziehen sollen. Mehr als 60 Interessenvertretern aus verschiedenen Bereichen (Schulen, lokale Gemeinschaften, Klubs, Arbeitswelt, Gesundheitsfürsorge) wurde das Label des nationalen Aktionsplans verliehen. Eine sektorübergreifende Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus den vier Ministerien verfolgt den Aktionsplan sowie die lokalen Initiativen und Kampagnen. Handlungsmaßnahmen • Leitlinie 3 – Die für unterschiedliche Sektoren zuständigen staatlichen Stellen sollen

sich gegenseitig durch eine sektorübergreifende Zusammenarbeit bei der Umsetzung politischer Maßnahmen, die den Individuen eine Ausweitung ihrer körperlichen Aktivitäten erleichtern und diese für sie attraktiver machen, unterstützen.

• Leitlinie 4 – Für die Umsetzung von Leitlinien zu Sport und körperlicher Aktivität

zuständige Stellen sollen Vereinbarungen zwischen zentralen, regionalen und lokalen Regierungsebenen nutzen, um Sport und körperliche Aktivität zu fördern. Solche Vereinbarungen können gegebenenfalls auch spezielle Belohnungsmechanismen beinhalten. Eine Vernetzung zwischen den Strategien zur Förderung von Sport und körperlicher Aktivität sollte unterstützt werden.

• Leitlinie 5 – Die Regierungen sollen Initiativen starten, um die öffentliche und private

Finanzierung körperlicher Aktivität zu koordinieren und zu fördern und den Zugang für die gesamte Bevölkerung zu erleichtern.

3. POLITISCHE BEREICHE

3.1. Sport

Öffentliche (nationale, regionale und lokale) Behörden geben eine Menge Geld für die Sportförderung aus. Steuern und Sportlotterien sind wichtige Finanzierungsquellen. Es kommt jedoch darauf an, dass diese Gelder für die Unterstützung der körperlichen Aktivität der breiten Bevölkerung eingesetzt werden. Im Hinblick auf körperliche Aktivität muss das oberste Ziel der Sportpolitik die verstärkte Teilnahme aller Gesellschaftsschichten an sportlicher Betätigung von hoher Qualität sein. Als Ausgangspunkt für fundierte Entscheidungen sollten die Gewohnheiten

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der Bevölkerung bezüglich der körperlichen Aktivität in gesundheitsrelevanten Umfragen untersucht werden. Ein dauerhaft körperlich aktiver Lebensstil erfordert ein landesweites Netz kostengünstiger Sportstätten, die leicht zugänglich sind und eine Anleitung für Anfänger anbieten. Sportinfrastruktur muss für alle Bevölkerungsschichten leicht zugänglich gemacht werden. Dazu gehören die öffentliche Finanzierung für den Bau, die Renovierung, Modernisierung und Wartung von Sporteinrichtungen und -ausrüstungen sowie die Bereitstellung von unentgeltlichen oder preiswerten Sporteinrichtungen. Bei der Förderung des Kinder- und Jugendsports kann die finanzielle Grundausstattung durch eine Pro-Kopf-Finanzierung erfolgen. Öffentliche Finanzierungsmittel könnten zum Beispiel verstärkt für Breitensport (z B. Umbau von Schulhöfen) anstatt für Leistungssportzentren eingesetzt werden. Eine Sportpolitik, die auf eine verstärkte körperliche Aktivität der Bevölkerung abzielt, muss den Breitensport auf lokaler und nationaler Ebene fördern. Wo Maßnahmen im Bereich des Sports und der Förderung körperlicher Aktivität getrennt erfolgen, sollten diese sich zumindest ergänzen und den gleitenden Übergang von körperlicher Aktivität leichter Intensität zu Wettkampfsportarten verdeutlichen. Breitensportprogramme sollten dazu dienen, alle Bürger zur Teilnahme an körperlicher und sportlicher Aktivität zu motivieren und ihnen bewusst machen, dass die gesamte Bevölkerung angesprochen ist und Sport unabhängig von Alter, Rasse oder ethnischer Herkunft, gesellschaftlicher Klasse oder Geschlecht ein Menschenrecht ist. Die Sportpolitik sollte deshalb das Ziel verfolgen, immer mehr Bürger zu sportlicher und körperlicher Aktivität zu bewegen. Zu diesem Zweck sollten die erforderlichen Ressourcen und wichtigsten Akteure benannt und gleichzeitig soziale und durch das Umfeld bedingte Hindernisse für die Teilnahme am Sport insbesondere für benachteiligte soziale Gruppen aus dem Weg geräumt werden. In diesem Zusammenhang lassen sich folgende vier Gruppen von Hauptakteuren unterscheiden: die zentrale Regierung, die Kommunen, der organisierte und der nicht organisierte Sportsektor.

3.1.1. Die Zentralregierung Die Regierung hat als Hauptfinanzierungsträger eine zentrale Rolle bei der Verteilung der Finanzmittel unter den Sportorganisationen, Verbänden und Kommunen. Die zentralen Sportbehörden könnten folgende Schritte unternehmen:

• Entwicklung nationaler politischer Maßnahmen im Bereich Sport und körperliche Aktivität mit dem Hauptziel, die Beteiligung an Sport und körperlicher Aktivität in allen Bevölkerungsschichten zu erhöhen; bessere und kontinuierliche organisatorische und finanzielle Ausstattung der Sportorganisationen; Gewährung von gleichem Zugang zu Sport und körperlicher Aktivität für alle, unabhängig von sozialer Klasse, Alter, Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft und körperlicher Fähigkeiten

• Erarbeitung einer Anleitung zur finanziellen Unterstützung für die Umsetzung spezifischer Programme im Einklang mit den Hauptzielen der Sportpolitik

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• Finanzierung von Sportorganisationen und Kommunen, die spezielle Programme zur verstärkten Teilnahme der verschiedenen Altersgruppen an sportlichen und körperlichen Aktivitäten anbieten. Programme zur Erhöhung der sportlichen Betätigung unter besonderen Gruppen und Minderheiten (Zuwanderer, ältere Personen, Behinderte oder Erwerbsunfähige) könnten vorrangig berücksichtigt werden

• Finanzielle Unterstützung von Kommunen und Sportorganisationen beim Aufbau von Sporteinrichtungen und -infrastruktur, die allgemein zugänglich sind. Die Flächengröße der Sporteinrichtungen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl kann als Referenzwert bei der Planung neuer Wohngebiete benutzt werden.

• Anregung von ressortübergreifenden Kooperationen, insbesondere zwischen den für Gesundheit, Sport, Verkehr und Bildung verantwortlichen Ministerien, um eine lebenslange Beteiligung an sportlichen und körperlichen Aktivitäten zu fördern.

• Einrichtung von Partnerschaften mit öffentlichen und privaten Investoren und Medien zwecks Förderung des Breitensports.

• Entwicklung und finanzielle Unterstützung für Beobachtungs- und Evaluierungssysteme zwecks Bewertung der Auswirkungen der Sportpolitik auf den verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Zeiträumen.

Beispiel bewährter Praktiken Deutschland verfügt über nationale Leitlinien zur Entwicklung lokaler Sporteinrichtungen. Diese Leitlinien werden bei der Entwicklung der städtischen Infrastruktur zur Förderung einer aktiven Lebensweise eingesetzt. Nach den Vorgaben der „Integrierten Sportentwicklungsplanung“ werden verschiedene Schritte zur Bewertung, Entwicklung und Umsetzung lokaler Infrastrukturmaßnahmen für die körperliche Betätigung durchgeführt. In der Bewertungsphase erfolgt eine Bestandsaufnahme der bestehenden Sporteinrichtungen und Freizeitflächen und es wird der jeweilige Bedarf anhand der Bevölkerungszahl ermittelt. Die Bestandsaufnahme wird dann dem Bedarf gegenübergestellt. In der Entwicklungsphase werden die Ergebnisse der Bewertungsphase mit lokalen Interessenvertretern und Entscheidungsträgern diskutiert und es wird eine sektorübergreifende gemeinsame Planungsgruppe gebildet. Bei anschließenden Beratungen werden Ideen zur Verbesserung der Sporteinrichtungen und Freizeitflächen zunächst gesammelt und strukturiert. Die Ideen werden dann diskutiert und nach Prioritäten geordnet und es wird überlegt, mit welchen Mitteln sie umgesetzt werden können. Schließlich wird ein „Maßnahmenkatalog für die Verbesserung der lokalen Infrastruktur für die körperliche Betätigung“ vereinbart und umgesetzt. Dazu gehört die Bestimmung der konkreten Verantwortungsbereiche und der Durchführungsfristen für die einzelnen Maßnahmen. Die Gruppe ist für die Umsetzung des Maßnahmenkatalogs verantwortlich. Im Idealfall werden die Umsetzung des Maßnahmenkatalogs von der Gruppe überwacht und die Ergebnisse evaluiert.

3.1.2. Regionale und lokale Behörden Regionen bzw. Kommunen sind für den größten Teil der öffentlichen Sportinfrastruktur verantwortlich und damit in der Lage, die besten Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die gesamte Bevölkerung vor Ort Zugang zu sportlicher Betätigung hat. Regionen bzw. Kommunen können folgende Schritte unternehmen:

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• Bestandsaufnahme aller Sport- und Freizeiteinrichtungen und gegebenenfalls deren Erweiterung, nach Möglichkeit im Zusammenwirken mit Sportorganisationen

• Sicherstellung der guten Erreichbarkeit von Sporteinrichtungen sowohl für die Bewohner von städtischen als auch von ländlichen Gebieten (Infrastruktur und öffentlicher Verkehr)

• Sicherstellung eines offenen Zugangs zu Sporteinrichtungen für alle Bürger, unter Berücksichtigung der Gleichstellung von Frauen und Männern und der Chancengleichheit für alle

• Anregung zur Beteiligung an sportlichen und gesellschaftlichen Veranstaltungen in der Gemeinde durch Maßnahmen vor Ort, wie spezielle Sportveranstaltungen und verschiedene Alternativen zum Wettkampfsport, um das Niveau der körperlichen Aktivität der Bevölkerung zu erhöhen

• Konzipierung interessanter Veranstaltungen und Aktivitäten für die gesamte Einwohnerschaft, damit regelmäßige körperliche Aktivität zur dauerhaften Gewohnheit wird

• Unterstützung lokaler Sportorganisationen bei der Entwicklung und Durchführung von Projekten zur Förderung körperlicher Aktivität und Teilnahme an Sport für Bevölkerungsgruppen mit einer bewegungsarmen Lebensweise

• Entwicklung von Kooperationen mit Universitäten und Fachleuten aus dem Gesundheitswesen, um Einrichtungen zu schaffen, die über körperliche Aktivitäten beraten und diese unterstützen bzw. verordnen, um die sportliche Betätigung in Bevölkerungsgruppen mit Bewegungsmangel zu erhöhen.

Beispiele bewährter Praktiken In Großbritannien (England) wurden Informationen über 50 000 Sport- und Freizeiteinrichtungen gesammelt und der Öffentlichkeit über das Internet zur Verfügung gestellt. Diese Sportstätten-Datenbank enthält Informationen über ein breites Angebot an Sporteinrichtungen, von Turnhallen, Skipisten und Schwimmbädern bis hin zu Gesundheits- und Fitnesscentern. Enthalten sind sowohl kommunale Freizeiteinrichtungen als auch die Einrichtungen kommerzieller Vereine. In den Kommunalbehörden in Großbritannien (England) wird gegenwärtig auch untersucht, wie hoch in den einzelnen Kommunen der Prozentsatz der Menschen ist, die 20 Minuten zu Fuß (in städtischen Gebieten) bzw. 20 Minuten mit dem Auto (in ländlichen Gebieten) von hochwertigen Sporteinrichtungen entfernt leben.

3.1.3. Organisierter Sportsektor In vielen EU-Mitgliedstaaten konzentrieren sich die Sportorganisationen (Ligen, Verbände, Vereinigungen, Vereine) oft in erster Linie auf die Organisation von Wettkämpfen. Für sie sollten Anreize geschaffen werden, ihre Strategie auf die Förderung von Breitensport und die positiven Auswirkungen des Sports auf die öffentliche Gesundheit, die sozialen Werte, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die kulturelle Entwicklung auszurichten. Sportorganisationen können das soziale Wohlbefinden der Bevölkerung vor Ort positiv beeinflussen und zur Entlastung des öffentlichen Haushaltes beitragen. Dank ihrer Vielseitigkeit und Kosteneffektivität können die Vereine den Bevölkerungsbedarf an körperlicher Aktivität teilweise abdecken. Eine zukünftige wichtige Aufgabe des

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organisierten Sportsektors sollte die Bereitstellung landesweiter gesundheitsfördernder Übungsprogramme sein. Trainer und Manager der Sportorganisationen können eine wichtige Rolle bei der Förderung körperlicher Aktivität spielen. Durch ihre Ausbildung und Fachkenntnis können sie bei der Auswahl der richtigen Trainingsmethoden und Sportarten Hilfestellung bieten. Bei den Menschen muss sich jedoch das Verständnis dafür durchsetzen, dass körperliche Aktivität in den Alltag einbezogen werden muss und nicht nur auf die Zeit in Sport- oder Freizeitzentren begrenzt bleiben darf. Daher müssen sie Zugang zu geeigneten Informationen erhalten, die zeigen, wie der Umfang an Bewegung im Alltag, zu Hause, am Arbeitsplatz und im Verkehr erhöht werden kann. Die positiven Effekte für die jeweilige Person und ihre Umwelt erhöhen sich insbesondere, wenn der Weg zum Sportzentrum mit dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt wird. Beispiele bewährter Praktiken Der Deutsche Olympische Sportbund entwickelte in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer und verschiedenen Krankenversicherungen Gesundheitsprogramme mit dem Qualitätssiegel „Sport pro Gesundheit“. Sportvereine müssen folgende standardisierte Kriterien erfüllen, um das Qualitätssiegel zu erhalten: zielgruppenorientierte Angebote, qualifizierte Trainer, einheitliche Organisationsstruktur, vorbeugende Gesundheitsuntersuchung, Unterstützung durch Qualitätsmanagement und Sportvereine als aktive Gesundheitspartner. Es gibt ca. 14.000 zertifizierte vorbeugende Kurse zur Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems, Rücken- und Entspannungstraining, die in rund 8.000 Sportvereinen angeboten werden. Begleitmaßnahmen wie systematische Dokumentationen, Qualitätszirkel und obligatorische Weiterbildungsmaßnahmen für die Kursleiter gewährleisten ein umfassendes Qualitätsmanagement. Ein zusätzliches Kommunikationskonzept mit einer Online-Datenbank und das in Zusammenarbeit mit Krankenkassen und der Ärztekammer entwickelte Programm „Bewegung auf Rezept“ sichern eine hohe Effektivität. In Österreich wurde das Programm „Fit für Österreich“ im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaftsinitiative entwickelt. Es wird mit öffentlichen Mitteln finanziert, aber von der Österreichischen Bundessportorganisation (Die NRO-Dachorganisation des organisierten Sports in Österreich) verwaltet. Die Umsetzung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium, der öffentlichen Krankenkasse und den Landesregierungen. Ein Netzwerk von 30 „Fit für Österreich“-Koordinatoren bietet landesweit Expertenhilfe für Vereine an, um Qualität und Umfang der gesundheitsorientierten Bewegungsprogramme in den Vereinen zu erhöhen. Eine alljährliche Konferenz „Fit für Österreich“ dient dem praxisorientierten Ideenaustausch unter den Trainern. Das „Qualitätsabzeichen“ für gesundheitsorientierte Bewegung wird für Programme vergeben, die spezielle Anforderungen bezüglich der Managements, des Inhalts und der qualifizierten Anleitung erfüllen. In Ungarn wurde eine spezielles „Seniorensportprogramm“ als Pilotprojekt gestartet, um diese Altersgruppe zu mehr körperlicher Aktivität zu bewegen. Es wurde ein Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen herausgegeben und 215 Projekte erhalten nun staatliche Unterstützung. Die Regierung fördert außerdem 110 Organisationen, die sich am „Schrittzähler-Programm Zehntausend Schritte“ beteiligen.

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3.1.4. Nicht organisierte sportliche und körperliche Aktivitäten Obwohl sich körperliche Aktivität im Alltag (Laufen oder Radfahren zur Schule bzw. zur Arbeit oder zum Einkaufen, Treppensteigen, Bewegung zu Hause usw.) auf die Gesundheit bereits positiv auswirkt, kann sportliche Betätigung in der Freizeit eine wichtige Ergänzung darstellen. Nicht organisierte sportliche Aktivitäten gewinnen in vielen Ländern zunehmend an Bedeutung: Dazu gehören häufige Besuche von Fitness – und Wellnesszentren, Freizeitaktivitäten wie Schwimmen, Rudern, Segeln, Laufen, Wandern, Reiten, Radfahren oder andere Aktivitäten an der frischen Luft. Solche nicht organisierten körperlichen Aktivitäten sind besonders attraktiv, weil die Menschen dadurch (wieder-)entdecken, dass Bewegung für Geist und Körper wohltuend ist. Dies betrifft insbesondere auch kleinere Kinder, für die einfaches unstrukturiertes Spielen ein entscheidender Bestandteil der körperlichen Aktivität ist und zur Förderung des körperlichen und geistigen Wohlbefindens beiträgt. Angesichts des zunehmenden Drucks in der Flächennutzung und des wachsenden Autoverkehrs kommt es darauf an, dass Spielplätze für Kinder bei der städtebaulichen Planung nicht vernachlässigt werden. Nicht oder eigenständig organisierte Aktivitäten sind jedoch bestimmten Einschränkungen unterworfen, die nicht vergessen werden dürfen und teilweise ein Eingreifen erfordern:

• Geographische Einschränkungen: Es ist offensichtlich, dass die Motivation zur Entwicklung einer spezifischen Aktivität stark durch die geographischen Voraussetzungen bedingt ist. So kann man zum Beispiel nur in Gegenden mit kalten Wintern in größerem Umfang Schlittschuh oder Ski laufen, wogegen Sport- oder Freizeitaktivitäten im und auf dem Wasser nur in der Nähe eines Sees oder Meeres möglich sind. Diese recht selbstverständlich wirkende Überlegung macht aber deutlich, dass spezielle Stätten, die sich für körperliche Aktivitäten im Freien eignen, eigentlich in jeder Stadt oder Wohngegend vorhanden sind und zur Bewegung in der Freizeit genutzt werden können. Mitunter kann es vorkommen, dass bei der Nutzung natürlicher Stätten Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Nutzungsarten auftreten. So kann Mountainbiking im Konflikt zum Wandern stehen. Hier ist ein behutsames Konfliktmanagement gefragt, um die Bedürfnisse der verschiedenen Nutzer zu erfüllen und die natürliche Umgebung zu schützen.

• Sozioökonomische Einschränkungen: Wirtschaftliche Bedingungen können eine starke Einschränkung für selbst organisierte Aktivitäten aufgrund der damit häufig verbundenen hohen Kosten darstellen. Das kann bedeuten, dass einige Aktivitäten nur für Menschen mit mittlerem oder hohem Einkommen möglich sind, jedoch für andere nicht zur Verfügung stehen. Durch zielgerichtete Maßnahmen kann der Zugang zu selbst organisierten Aktivitäten für alle und insbesondere für Jugendliche, unabhängig von ihren wirtschaftlichen Voraussetzungen, erreicht werden.

• Kulturelle Einschränkungen: Der Zugang zu selbst organisierten Aktivitäten hängt auch zum Teil davon ab, wie stark den Menschen der Wert körperlicher Aktivität für Körper und Geist bewusst ist. Dieses Thema muss gezielt angegangen werden, um alle Menschen zu motivieren, sich für ihre Freizeit die geeignetsten Formen körperlicher Aktivität herauszusuchen.

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Es muss darüber nachgedacht werden, welche Aktivitäten für den selbst bzw. nicht organisierten Sektor am besten geeignet sind. Am besten eignen sich sicherlich Aktivitäten in Verbindung mit Fortbewegung, also Gehen oder Laufen in einem schönen und sicheren Umfeld, nach Möglichkeit im Grünen, oder Radfahren, wobei in diesem Fall besonderes Augenmerk auf die Verkehrssicherheit gelegt werden muss. Auch Mannschaftssportarten können eine interessante Möglichkeit zur selbst organisierten Aktivität bieten, zum Beispiel Basketball oder Fußball. Aktivitäten wie Gehen, Joggen oder Rudern können nicht nur im städtischen, sondern auch im natürlichen Umfeld außerhalb der Stadt unternommen werden. Dies bedeutet, dass politische Maßnahmen hinsichtlich des Umweltschutzes einen starken Einfluss auf viele selbst organisierte körperliche Aktivitäten haben können (siehe auch Abschnitt 3.4 unten). Obwohl die Förderung von nicht oder selbst organisierten Aktivitäten bedingt durch deren Spezifik lediglich optional ist, wird durch die oben angeführten Überlegungen die Bedeutung der Unterstützung durch die nationalen bzw. lokalen Regierungen hervorgehoben, um solche Aktivitäten zu entwickeln und zu verbreiten, gerade auch angesichts der genannten geographischen, sozioökonomischen und kulturellen Einschränkungen. Beispiel bewährter Praktiken In Ungarn finanziert die Regierung ein Programm mit dem Titel „Offene Türen“, bei dem einige Sporteinrichtungen über ihre offiziellen Öffnungszeiten hinaus geöffnet sind (an Wochenenden oder am Abend), um Familien und Anwohnern die Möglichkeit zur sportlichen Betätigung zu bieten. Zusätzlich dazu gibt es ein Programm mit der Bezeichnung „Mondschein“, bei dem unentgeltliche abendliche Sportveranstaltungen (z.B. Tischtennis) für Jugendliche in Gegenden angeboten werden, wo die Freizeitangebote für Jugendliche besonders rar sind. Vereine, die solche Aktivitäten veranstalten, werden von der Regierung unterstützt. Handlungsmaßnahmen • Leitlinie 6 – Im Falle öffentlicher (nationaler, regionaler, lokaler) Unterstützung des

Sports mit staatlichen Mitteln ist besonderes Augenmerk auf Projekte und Organisationen zu legen, die einer möglichst großen Zahl von Menschen körperliche Betätigung ermöglichen, und zwar unabhängig von ihrem Leistungsstand (Breitensport, Freizeitsport).

• Leitlinie 7 – Im Falle öffentlicher (nationaler, regionaler, lokaler) Unterstützung des

Sports mit staatlichen Mitteln müssen geeignete Management- und Bewertungsmechanismen existieren, die eine Überwachung im Sinne des Ziels der Förderung von Breitensport sicherstellen.

• Leitlinie 8 – Werden staatliche Beihilfen für Aktivitäten bereit gestellt, die körperliche

Betätigung zum Inhalt haben, sollten die Kriterien für die Förderungswürdigkeit und Vergabe auf den geplanten Aktivitäten, aber auch auf den allgemeinen Tätigkeiten der sich um Mittel bewerbenden Organisationen beruhen. Ein besonderer gesetzlicher Status, die Geschichte der Organisation oder die Mitgliedschaft in übergeordneten Verbandsstrukturen sollten dabei nicht als vorqualifizierende Kriterien gelten. Die

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Mittel sollten direkt an Breitensportaktivitäten gehen, wobei gilt, dass auch Organisationen mit einer Elitesport-Komponente einen bedeutsamen Beitrag zur Breitensportagenda leisten können. Öffentliche und private Akteure sollten sich gleichberechtigt um Finanzmittel bewerben können.

• Leitlinie 9 – Sportpolitik hat sich auf Fakten zu stützen, und öffentliche Gelder zur

Unterstützung der Sportwissenschaft sollen Forschung unterstützen, die sich um den Erwerb neuer Kenntnisse über Tätigkeiten bemüht, welche es der breiten Bevölkerung ermöglichen, körperlich aktiv zu sein.

• Leitlinie 10 – Sportorganisationen haben für jedermann attraktive

Betätigungsmöglichkeiten und Veranstaltungen anzubieten und Kontakte zwischen mit unterschiedlichen Fähigkeiten ausgestatteten Angehörigen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen zu fördern, unabhängig von Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Alter, Geschlecht, Nationalität und körperlicher und geistiger Verfassung.

• Leitlinie 11 – Sportorganisationen sollen bei der Entwicklung von

Trainingsprogrammen für Trainer, Lehrer und sonstige beruflich in diesem Bereich Tätige mit Universitäten und berufsbildenden höheren Schulen zusammenarbeiten. Diese Programme sollen dazu dienen, Menschen mit sitzender Lebensweise und solchen mit motorischen oder geistigen Gebrechen, die einen speziellen Sport ausüben möchten, körperliche Betätigung anzuraten und zu verordnen.

• Leitlinie 12 – Einfache, gesundheitsbezogene Übungsprogramme, die möglichst viele

Gesellschafts- und Altersgruppen ansprechen und möglichst viele Sportdisziplinen umfassen (Athletik, Joggen, Schwimmen, Ballsportarten, Kraft- und Herz-/Kreislauf-Training, Kurse für Senioren und Jugendliche) sollen fester Bestandteil des Angebots von Sportorganisationen werden.

• Leitlinie 13 – Sportorganisationen bergen ein einzigartiges Potenzial zur Prävention

und Gesundheitsförderung, das man nutzen und weiterentwickeln sollte. Sportorganisationen gewinnen spezielle Bedeutung für die Gesundheitspolitik, wenn sie qualitätsgeprüfte und kosteneffiziente Programme zur Prävention und Gesundheitsförderung anbieten können.

3.2. Gesundheit

Zwischen körperlicher Aktivität und Gesundheit besteht ein enger Zusammenhang. Zum Zwecke einer organisierten Diskussion dieses Zusammenhangs muss zwischen öffentlicher Gesundheit, Gesundheitsfürsorge und dem Krankenversicherungssektor unterschieden werden.

3.2.1. Öffentlicher Gesundheitssektor Damit die Förderung körperlicher Aktivität in der Gesundheitspolitik zur Priorität wird, muss körperliche Aktivität im breiteren Sinne auf der Grundlage der Bevölkerungsspezifik und eines umfassenden und nachhaltigen Ansatzes betrachtet werden. Gesundheitssysteme können sektorübergreifende koordinierte Aktionen

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bewirken, indem sie körperliche Aktivität als wirksamen Bestandteil der Primärprävention aufnehmen, wirksame Maßnahmen dokumentieren, Forschungsergebnisse verbreiten, die wirtschaftlichen Vorteile verdeutlichen, die sich aus verstärkter körperlicher Aktivität ergeben, den diesbezüglichen Informationsaustausch fördern und die maßgeblichen Politikbereiche zusammenbringen, damit zwischen dem Gesundheitssektor und anderen Bereichen Verbindungen hergestellt werden, die eine Politik gewährleisten, die zu mehr Möglichkeiten zur körperlichen Aktivität führt. Der öffentliche Gesundheitssektor sollte nur solche Maßnahmen oder Programme zur Förderung der gesundheitsrelevanten Bewegung durchführen, bei denen wirksame Gesundheitseffekte nachgewiesen sind. Die Umsetzung gültiger und zuverlässiger Maßnahmen und Programme zur Förderung körperlicher Aktivität wird somit auf den besten verfügbaren Daten aufbauen, verschiedene Ansätze zur Verhaltensänderung aufnehmen und das jeweilige Umfeld für körperliche Aktivitäten berücksichtigen müssen. Evaluierung und Risikobewertung sind ebenfalls wichtig, um die Vorteile gegenüber möglicherweise höheren Risiken einer stärkeren körperlichen Aktivität (z.B. Verletzungen) abzuwägen. Eine wichtige Aufgabe des öffentlichen Gesundheitssektors ist eine bessere Messung der körperlichen Aktivität zum Zwecke der Gesundheitskontrolle der Bevölkerung und zur besseren Ergebnisbewertung der Bewegungsprogramme. Durch bessere Mittel zur Messung der körperlichen Aktivität können die Bevölkerungsgruppen mit den größten Bewegungsdefiziten ermittelt werden. Fragebögen sind die am häufigsten verwendete Methode zur Messung der körperlichen Aktivität der Bevölkerung. Mittel zur Bewertung des Umfeldes zur körperlichen Aktivität werden zurzeit entworfen und müssen dann getestet werden. Eine Bewertung der Ziele der körperlichen Aktivität (z.B. Beschleunigungsmesser) kann ebenfalls zu einer besseren Gesundheitskontrolle der Bevölkerung beitragen. Auf gesellschaftlicher Ebene muss der öffentliche Gesundheitssektor auf eine Veränderung der Normen zur körperlichen Aktivität und eine gesellschaftliche Unterstützung gesundheitsfördernder körperlicher Aktivität in der Bevölkerung insgesamt und besonders auf lokaler Ebene hinwirken. Diese Normen können als beschreibende Normen (umfassende öffentliche Information über die Rolle der körperlichen Aktivität), subjektive Normen (stärkere Akzeptanz der Rolle der körperlichen Bewegung in der Gesellschaft) und persönliche Normen (stärkeres persönliches Engagement zur aktiven Bewegung) untergliedert werden. Im Bereich der Berufsausbildung kommt dem öffentlichen Gesundheitssektor eine führende Rolle in der Ausbildung von Ärzten zu, die sich sowohl in der allgemeinen Gesundheitsfürsorge als auch in der Einzelarbeit mit Patienten auf den Einsatz gesundheitsfördernder körperlicher Aktivität spezialisieren. Die Schulungen für Trainer, die Maßnahmen und Programme zur Bewegungsförderung anwenden, müssen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen aus unterschiedlichen Bereichen (Gesundheit, körperliche Aktivität, Sport und Sportmedizin) vermitteln. Neben Aufklärungskampagnen über die gesundheitlichen Vorteile körperlicher Aktivität, die sich an alle Mitarbeiter der Gesundheitsfürsorge richten, werden ihnen gleichzeitig Möglichkeiten geboten, mit zahlreichen Organisationen in Kontakt zu treten und multidisziplinäre Teams aufzustellen.

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Beispiel bewährter Praktiken In Slowenien verabschiedete die Regierung 2007 einen nationalen Plan über gesundheitsfördernde körperliche Aktivität (HEPA Slowenien 2007-2012). Die drei Hauptsäulen dieses Plans sind körperliche Aktivität in der Freizeit, Bewegung in der Schule und am Arbeitsplatz sowie körperliche Betätigung anstelle der Nutzung von Verkehrsmitteln. Hauptanliegen des nationalen HEPA-Programms ist die Förderung verschiedener Formen regelmäßiger körperlicher Aktivität über die gesamte Lebenszeit hinweg. Das Programm erfasst ein breites Publikum und insbesondere folgende Bereiche und Zielgruppen: Kinder und Jugendliche, Familien, Arbeit, ältere Menschen, Personen mit speziellen Bedürfnissen, Gesundheits- und Sozialwesen, Verkehrsbereich und Sportorganisationen.

3.2.2. Bereich der Gesundheitsfürsorge Mitarbeiter des Gesundheitswesens (Ärzte, Krankenschwestern, Physiotherapeuten, Ernährungswissenschaftler), die mit Einzelpatienten und Gruppen (z.B. Schulen) arbeiten, können diese zu Fragen der gesundheitsfördernden körperlichen Aktivität beraten oder sie an entsprechende Fachleute verweisen. Bei einer solchen individuellen Anleitung werden Alter, Beruf, Gesundheitszustand, frühere Erfahrungen mit körperlicher Aktivität und andere relevante Faktoren berücksichtigt. Zu einer maßgeschneiderten Beratung gehören eine Bewertung des aktuellen Umfangs der körperlichen Aktivität, der Motivation, der speziellen Interessen, der mit körperlicher Aktivität verbundenen Gesundheitsrisiken sowie die Kontrolle der erzielten Fortschritte. Die Mitarbeiter des Gesundheitswesens können Eltern bei der Förderung der körperlichen Aktivität ihrer Kinder sowie Lehrern bei der Verbesserung des Sportunterrichts helfen. Eine erfolgreiche Verhaltensänderung ist dann erreicht, wenn körperliche Aktivität zur Gewohnheit wird. Doch diese Aufgabe der Mitarbeiter des Gesundheitswesens erfordert eine bessere Anerkennung dieser Arbeit sowohl in professioneller als auch in finanzieller Hinsicht. In Zusammenarbeit mit Fachleuten aus den Bereichen Sport, Bildung, Verkehr und Stadtplanung können die Mitarbeiter Informationen, Wissen und Erfahrungen weitergeben, um vor Ort einen ganzheitlichen Ansatz zur Förderung eines gesunden und aktiven Lebensstils durchzusetzen. Beispiele bewährter Praktiken In Großbritannien steht die Förderung körperlicher Aktivität im Gesundheitswesen unter dem Motto „Let’s get moving“, einem Programm, das in einem Pilotprojekt von Winter 2007bis Sommer 2008 in fünfzehn Arztpraxen in London durchgeführt wurde. Die Ärzte erfassen den Umfang sportlicher Betätigung und körperlicher Aktivität ihrer Patienten mittels eines medizinischen Fragebogens zum Bewegungsverhalten (2006 vom Gesundheitsministerium veröffentlicht). Sie unterstützen ihre Patienten dann bei der Änderung ihrer Verhaltensweisen durch fachliche Beratung und die Vorgabe spezifischer Bewegungsziele. Die Mitarbeiter des Gesundheitswesens arbeiten mit den Patienten an der Überwindung von Übungshindernissen und der Festlegung persönlicher Zielstellungen. Sie machen sie auf Möglichkeiten zur körperlichen Aktivität im lokalen Umfeld aufmerksam und verfolgen ihre Fortschritte. Patienten, die zu einer Verhaltensänderung bereit sind, werden aufgefordert, eigene Lösungen für ihre Bewegungshindernisse vorzuschlagen. Sie werden dann dabei unterstützt, 5 Mal pro

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Woche 30 Minuten eine gemäßigte körperliche Betätigung auszuüben. Im Rahmen dieses Programms werden die Möglichkeiten körperlicher Aktivität von Aerobic-Übungen in der Wohnung, über Fitnesscenter bis hin zu Spaziergängen im Grünen und anderen Übungen im Freien in der natürlichen Umgebung erweitert. Wenn Patienten nach der Bewertung körperlich aktiver werden möchten, bekommen sie eine „Let’s get moving“-Mappe mit einem individuellen Übungsplan, Informationen über Sportgruppen, an denen sie sich beteiligen können, einer Karte der Park- und Freiflächen in ihrer Nähe sowie Ernährungs- und Übungshinweisen. Nach jeweils drei und sechs Monaten prüfen die Ärzte die Fortschritte der Patienten. In Dänemark sind Allgemeinärzte angehalten, bei vielen mit der Lebensweise zusammenhängenden Krankheiten - sei es nach der Diagnose oder zu deren Verhütung -, körperliche Aktivität zu verordnen. Von den Ärzten in Dänemark wird auch erwartet, dass sie einmal pro Jahr mit ihren Patienten über Fragen der gesunden Lebensweise sprechen. In Schweden verordnen die kommunalen Gesundheitsfürsorgeeinrichtungen in der Provinz Östergötland ihren Patienten körperliche Aktivität. Eine Evaluierung ergab, dass nach 12 Monaten 49 % der Patienten, die diese Verordnung erhalten hatten, sich daran hielten, und weitere 21 % regelmäßig körperlich aktiv waren.

3.2.3. Krankenversicherungen Je nach den nationalen oder regionalen Vereinbarungen können die Bürger mit Wohnsitz in der EU oftmals ihre medizinischen Ausgaben von den Krankenversicherungen zurückerstattet bekommen. Zwar bieten einige Krankenhäuser, kommunale Gesundheitszentren bzw. medizinisches Personal in einigen Mitgliedstaaten kostenlose Gesundheitsfürsorge an, aber die Krankenversicherungen sind in vielen Mitgliedstaaten Eckpfeiler der nationalen Gesundheitssysteme. Selbst in Mitgliedstaaten mit einem umfassenden staatlich finanzierten Gesundheitssektor gibt es außerdem auch private Anbieter. In Abhängigkeit von den nationalen oder regionalen Vereinbarungen können die Krankenversicherungen gemeinnützige Einrichtungen mit unterschiedlichem Rechtsstatus, gewinnorientierte private Versicherungsgesellschaften oder auch eine Kombination beider Formen sein. Inwieweit die Analysen und Empfehlungen in diesem Abschnitt auf sie zutreffen, hängt von der rechtlichen und finanziellen Form der Krankenversicherungen ab. Die Förderung körperlicher Aktivität gehört zu den potenziell effektivsten und demzufolge kostengünstigsten Möglichkeiten zur Krankheitsverhütung und Verbesserung des Wohlbefindens. Maßnahmen der Krankenversicherungen, um ihre Mitglieder oder Kunden zu körperlicher Aktivität anzuspornen, können sich sehr gut auszahlen. Krankenversicherungen haben verschiedene Möglichkeiten, um körperliche Aktivität unter ihren Versicherten zu fördern:

• Zum Zwecke der Kosteneffektivität und Konfliktvermeidung mit anderen Trägern können sie mit den bestehenden Anbietern von Programmen zur Förderung körperlicher Aktivität, wie nicht staatlichen Sportorganisationen (NRO), Sportklubs, Fitnesscentern usw. zusammenarbeiten. Durch solche Kooperationen

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lassen sich finanzielle Investitionen in Personal und Infrastruktur für Programme zur Bewegungsförderung vermeiden. Krankenkassen, die Dienstleistungen externer Anbieter in Anspruch nehmen, müssen jedoch möglicherweise bei der Gestaltung der Programme und der Qualitätskontrolle aktiv eingreifen.

• Sie können finanzielle Anreize wie zum Beispiel Bonuszahlungen für Kunden anbieten, die körperlich aktiv sind (oder werden). Diese Strategie wird bereits von Krankenversicherungen in einigen EU-Ländern verfolgt. Diese Bonuszahlungen können Versicherten angeboten werden, die sich regelmäßig an Bewegungsprogrammen beteiligen oder die durch eine körperlich aktive Lebensweise ein bestimmtes Fitnessniveau erreichen. Solche finanziellen Anreize können auch Anbietern von medizinischen Leistungen geboten werden. Ärzte der medizinischen Grundversorgung könnten zum Beispiel eine finanzielle Belohnung dafür erhalten, wenn sie ihre Patienten zu mehr Bewegung anregen (Verordnung von Übungen). Hierbei müssen die Krankenversicherungen, die diese finanziellen Anreize anbieten, als Voraussetzung für eine Kostenerstattung wiederum die Qualitätskriterien der Programme und Ergebnisse sorgfältig festlegen und prüfen.

Politische Maßnahmen für ein stärkeres Engagement der Krankenversicherungen bei der Förderung körperlicher Aktivität können, bedingt durch die Vielfalt der Gesundheitssysteme in Europa, recht unterschiedlich sein. In staatlich finanzierten Gesundheitssystemen sind es eher die staatlichen Einrichtungen auf nationaler oder regionaler Ebene, die vorbeugende Dienstleistungen (zur Förderung körperlicher Aktivität) unter Vertrag nehmen oder anbieten. Dadurch kann die Regierung die Umsetzung dieser Maßnahmen unmittelbar kontrollieren, gleichzeitig stellt sich jedoch die Frage nach der externen Kontrolle der Qualität, Wirksamkeit und Effizienz. In einigen Systemen sind unabhängige öffentliche Einrichtungen wie Gesundheitsfonds bei der Umsetzung der politischen Maßnahmen oftmals von entscheidender Bedeutung. Zusätzlich können private Krankenversicherungen in beiden Systemen eine wichtige Rolle spielen. Öffentliche oder private Krankenkassen haben aus Kosten- oder Marketinggründen oft eigene Strategien zur Förderung körperlicher Aktivität. Außerdem können sowohl öffentliche als auch private Krankenkassen durch staatliche Anreize (z.B. Steuererleichterungen, Fördermittel) zur verstärkten Förderung körperlicher Aktivität angeregt werden. Die Regierungen können auch gesetzgeberische Mittel einsetzen, um konkrete obligatorische Maßnahmen im Bereich Prophylaxe festzulegen (z.B. obligatorische Förderung körperlicher Aktivität durch öffentliche Krankenkassen). Krankenversicherungsunternehmen sind selbst daran interessiert, Aufklärung darüber zu betreiben, dass die Lebensweise (körperliche Aktivität, Ernährung, Stressmanagement) im entscheidenden Maße zur Entstehung bzw. Vermeidung von chronischen Krankheiten beiträgt. Dazu können sie folgende Mittel einsetzen:

• Website: Gesundheits-Portal mit aktuellen Informationen über Gesundheitsthemen und entsprechende Anbieter

• Medizinische Auskunftszentren mit Ärzten aus allen medizinischen Fachgebieten, die Angebote von medizinischen Untersuchungen bis hin zu gesundheitsfördernden Fittness-Studios in einem gesamteuropäischen Netzwerk offerieren

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• Erarbeitung eines so genannten Fitness-Profils zur Gesundheitsvorsorge mit medizinischen und körperlichen Standardtests, die nicht nur in Kooperation mit medizinischen Einrichtungen und Ärzten, sondern auch von mobilen Testeinrichtungen durchgeführt werden

• Entwicklung eines nationalen oder europäischen Netzwerkes von Einrichtungen, die ihren Klienten individuell abgestimmte und maßgeschneiderte Programme zum Gesundheitsmanagement anbieten

• Entwicklung eines Netzwerkes von Wellness-Hotels, Wellness-Anbietern und persönlichen Trainern (Gesundheitsberater), die auf individueller Basis bei der Änderung der Lebensweise behilflich sind.

Es sollte ein Paradigmenwechsel dahingehend bewirkt werden, dass die öffentlichen Krankenversicherungen nicht nur die Pflicht zur Erbringung medizinischer Leistungen, sondern auch die Pflicht zur Förderung von Gesundheitsprophylaxe-Maßnahmen haben sollten. Sie sollten den Kern eines Netzwerkes bilden, mit dem gewährleistet wird, dass alle vorbeugenden Maßnahmen auf der Zusammenarbeit zwischen den Sozialversicherungen, den Ministerien für Gesundheit und Soziales , den staatlichen und nicht staatlichen Gesundheitsbehörden, den Gemeinden und auch den privaten Versicherungsunternehmen beruhen, um eine Zersplitterung von Maßnahmen und Kompetenzen zu vermeiden. Dieses Netzwerk könnte Know-how und Finanzierungsmittel in verschiedenen Einrichtungen, wie zum Beispiel Kindergärten, Schulen oder Unternehmen, anbieten. Übergreifendes Motto sollte sein, dass die Vorbeugung so früh wie möglich beginnen und ein lebenslanges Programm sein sollte. Schließlich sollten private und öffentliche Krankenversicherungen mit Firmenkunden zusammenarbeiten, um gesundheitsfördernde körperliche Aktivität in den Unternehmen zu verstärken. Zum Beispiel könnten Programme „Fit für den Job“ zusammen mit Sportklubs, Fitness-Centern und den besagten Netzwerken und Mitteln umgesetzt werden. Beispiele bewährter Praktiken Die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen in den letzten zwei Jahrzehnten in Deutschland ist ein Beispiel, das zeigt, wie Krankenkassen eine führende Rolle bei der Förderung körperlicher Aktivität übernehmen können. Seit 1989 sind die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland gesetzlich verpflichtet, sich aktiv im Bereich der Prophylaxe und Gesundheitsvorsorge einzusetzen. 2000 legten die führenden Kassenvereinigungen ihre entsprechenden Prioritäten für die Primärprävention fest. Zu diesen Prioritäten gehört die Förderung körperlicher Aktivität. Zur Regulierung und Qualitätskontrolle der Maßnahmen in diesen prioritären Bereichen haben sich die Kassen auf spezifische Qualitätsziele geeinigt und konkrete Leitlinien zu deren Umsetzung entwickelt. Eines der wichtigsten Ergebnisse dieser politischen Entwicklung ist die Tatsache, dass die meisten Programme zur gesundheitsfördernden körperlichen Aktivität in Deutschland entweder direkt von den Krankenkassen angeboten oder von ihnen subventioniert werden. Da Fördermittel gesetzlich auf Bewegungsprogramme mit nachgewiesenem Nutzen und Qualitätssicherung beschränkt sind, haben Sportklubs und andere Anbieter von gesundheitsfördernden körperlichen Aktivitäten, die mit den Krankenkassen zusammenarbeiten, ihre Qualitätsstandards beträchtlich verbessert. Österreich hat in den letzten zwei Jahrzehnten für die Klienten der Sozialversicherungsgesellschaften verschiedene Angebote entwickelt. Diese

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Sozialversicherungsunternehmen bieten jedem Versicherten eine jährliche Gesundheitsüberprüfung an. Zusätzlich haben die Sozialversicherungsunternehmen gemeinsam mit verschiedenen nicht staatlichen Organisationen und Sportklubs speziell ausgerichtete Präventivprogramme (z.B. zur Verhütung von Diabetes) entwickelt. 1998 wurde außerdem ein staatlich finanzierter „Fonds Gesundes Österreich“ geschaffen, der zahlreiche Gesundheitsprojekte für unterschiedliche Zielgruppen in der gesamten Bevölkerung fördert. In Finnland fand im Rahmen des Programms „Fit for Life“ die Kampagne „Die Abenteuer von Joe Finn“ statt, mit der Männer mittleren Alters mit vorwiegend sitzender Lebensweise zu einem gesünderen Lebensstil bewegt werden sollten. Die Kampagne umfasste ein Fitness-Handbuch, eine Website, Trainingskurse, Kochkurse in Kombination mit Schnupperkursen für verschiedene Sportarten sowie den Einsatz von Info-Trucks mit verschiedenen Veranstaltungen. Programmpartner für die Info-Trucks war ein Versicherungsunternehmen, das traditionell Arbeitnehmer aus männerdominierten Bereichen wie der Baubranche versichert. In diesen Bereichen besteht ein hohes Risiko von Frühverrentung aufgrund von Erwerbsunfähigkeit. Die Teilnehmer erhielten von ihren Arbeitgebern eine Einladung und konnten während der Arbeitszeit zu den Veranstaltungen gehen. Handlungsmaßnahmen • Leitlinie 14 – Daten über die körperliche Aktivität sind auf nationaler Ebene in

Gesundheitsüberwachungssysteme zu integrieren. • Leitlinie 15 – Die staatlichen Stellen sollen die Berufe ermitteln, die die zur

Förderung körperlicher Aktivität erforderlichen Kompetenzen besitzen und sollen prüfen, wie die relevanten beruflichen Aufgaben durch entsprechende Anerkennungssysteme erleichtert werden können.

• Leitlinie 16 – Ärzte und sonstige Gesundheitsberufe sollen als Vermittler zwischen

Krankenversicherungen, ihren Mitgliedern oder Kunden und den Anbietern von Sportprogrammen agieren.

• Leitlinie 17 – Versicherungsgesellschaften sind dazu anzuhalten, Ärzten (Allgemein-

oder Fachärzten) ein jährliches Gespräch mit jedem Patienten über die Möglichkeiten zur Einbeziehung körperlicher Aktivität in den Alltag zu erstatten.

• Leitlinie 18 – Die staatlichen Stellen sollen Krankenversicherungssysteme als

Hauptelement der Sportförderung unterstützen. • Leitlinie 19 – Die Krankenversicherungssysteme sollen ihre Kunden ermutigen,

körperlich aktiv zu sein und sollen dafür finanzielle Anreize bieten. In allen EU-Mitgliedstaaten soll körperliche Betätigung auf Rezept erhältlich sein.

• Leitlinie 20 – In Mitgliedstaaten, die eine kostenfreie Behandlung anbieten, hat das

öffentliche Gesundheitssystem diese Kanäle zur Förderung körperlicher Aktivität in allen Altersgruppen zu nutzen und dabei auch ein Bonussystem für körperlich aktive

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Menschen einzuführen. Außerdem sollen in Gesundheitsberufen Tätige ermutigt werden, körperliche Aktivität als Teil einer Präventionsstrategie zu unterstützen.

3.3. Bildung

Der Zusammenhang zwischen dem Bildungswesen und körperlicher Aktivität hat drei verschieden Aspekte: Sport in der Schule, körperliche Aktivität im lokalen Umfeld (z.B. Sportklubs) und Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Sportlehrer, Trainer und Mitarbeiter des Gesundheitswesens.

3.3.1. Förderung von körperlicher Aktivität in der Schule Die sozialen Sphären von Schulen und Sportklubs sind wichtig für die gesundheitsfördernde körperliche Aktivität unter Kindern und Jugendlichen. Kinder und Jugendliche mit Bewegungsarmut weisen Anzeichen von Stoffwechselproblemen auf, die mit einer Zunahme von Herz-Kreislauf-Risiken verbunden sind. Die Anzahl dieser Kinder und Jugendlichen nimmt in vielen EU-Ländern beständig zu, sie sind von Sportorganisationen aber oft nur schwer erreichbar. Einerseits haben sie mitunter schlechte Erfahrungen mit Wettbewerbssport gemacht, andererseits bieten die Sportorganisationen neben ihrem traditionellen Wettkampfsport oft keine anderen geeigneten Programme an. Sport ist jedoch in den meisten Ländern in der Schule ein Pflichtfach. Mit einem gesundheitsorientierten und attraktiven Sportunterricht kann das Interesse an körperlicher Aktivität geweckt werden. Deshalb muss geprüft werden, ob ein umfangreicherer bzw. besserer Sportunterricht zu gesundheitlichen Vorteilen und gesünderen Verhaltensweisen unter Kindern und Jugendlichen führen kann. Der Sportunterricht an den Schulen ist ein effektives Mittel, um den Bewegungsumfang und die körperliche Fitness zu verbessern. Um jedoch eine wesentliche Änderung von gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen herbeizuführen, ist eine Stunde täglicher körperlicher Aktivität als Spiel auf dem Schulhof oder in Form des Sportunterrichts erforderlich. Maßnahmen, einschließlich Sportunterricht, die lediglich zwei- bis dreimal pro Woche stattfinden, haben nur wenig gesundheitliche Verbesserungen erbracht. Ein höherer Umfang an körperlicher Aktivität kann durch zusätzliche Unterrichtsstunden oder außerschulische Aktivitäten an der Schule erfolgen und muss nicht zum Nachteil anderer Fächer im Stundenplan führen. Körperliche Aktivität kann auch in die Hortzeit nach der Schule integriert werden, sodass die Maßnahmen keine zusätzlichen Ausgaben erfordern. Der Sportunterricht bildet die Grundlage zur Förderung körperlicher Aktivität unter Jugendlichen. Deshalb sollten alle möglichen Anstrengungen unternommen werden, um die Schulen dazu zu bewegen, innerhalb oder außerhalb des Stundenplans und in Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort in allen Klassenstufen täglich Möglichkeiten zur körperlichen Betätigung anzubieten und das Interesse an lebenslanger körperlicher Aktivität unter allen Schülern zu fördern. Die Lehrer müssen bei der Förderung körperlicher Aktivität der Kinder und Jugendlichen von entscheidender Bedeutung. Daneben spielen jedoch auch weitere wichtige Bezugspersonen eine Rolle, zu denen das Kindergartenpersonal, Trainer in Sportklubs und Vereinen und - insbesondere für Kinder bis zum 12. Lebensalter - die Eltern gehören.

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Damit der Sportunterricht so effektiv wie möglich wird, müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu gehören Zeit für körperliche Betätigung in der Schule, eine angemessene Klassengröße, entsprechende Anlagen und Ausrüstungen, ein gut durchdachter Stundenplan, geeignete Bewertungsmethoden, qualifizierte Lehrer und aktive administrative Unterstützung für Netzwerke, in denen lokale Akteure aus den Bereichen körperliche Aktivität und Gesundheitsfürsorge (z.B. Sportklubs) zusammengebracht werden. Außerschulische körperliche Betätigung kann entscheidend gefördert werden, indem die schulischen Sporteinrichtungen auch nach der Schule zur Verfügung gestellt und Kooperationen aufgebaut werden. Schulische Spielplätze und der Sportunterricht sollten so gestaltet werden, dass sie für alle Schüler geeignet sind, wobei insbesondere geeignete Sport- und Spielgeräte für Mädchen berücksichtigt werden müssen, um deren Beteiligung an Sport- und Freizeitaktivitäten zu fördern. Schulische Spielplätze sind auch insofern wichtig, dass dadurch in der Gemeinde Spielmöglichkeiten außerhalb der Schulzeiten zur Verfügung stehen könnten. Um Sport zu einer sinnvollen und erfolgreichen Betätigung für alle Kinder und Jugendlichen zu machen, müssen innovative Lehrmethoden und neue Auffassungen vom Sportunterricht geprüft, bewertet und eingeführt werden. Ein hochwertiger Sportunterricht muss hinsichtlich der Anweisungen und Inhalte für die jeweiligen Altersgruppen angemessen sein. Die Sportlehrer müssen die besten Forschungsergebnisse und Erfahrungen sowie Unterrichtsprogramme anwenden, um bestmögliche Lern- und Erfolgschancen für alle zu bieten. Das Lehrpersonal sollte dazu angehalten werden, im Sportunterricht technische Mittel einzusetzen, um die Konzepte zur Entwicklung von Fitness und motorischen Fähigkeiten stärker als bisher auf die persönlichen Voraussetzungen der Schüler abzustimmen. Pulsmesser, Video- und Fototechnik, Softwareprogramme und andere Geräte zur Beurteilung der körperlichen Verfassung können hierbei von Nutzen sein. Es gibt einige Empfehlungen von europäischen Interessenvertretern für die Sportlehrerausbildung (z.B. EUPEA) und in der EU-Untersuchung zu „Lebensstilen und Inaktivität von Jugendlichen“.14 Die Sportlehrer müssen bei der Förderung körperlicher Aktivität unter Kindern und Jugendlichen angesichts der Zunahme einer sitzenden Lebensweise, von Übergewicht und Fettleibigkeit aktiver werden. Zusätzlich zur Zeit, die im Lehrplan für Sport vorgesehen ist, könnten die Sportlehrer sich für die Förderung weiterer körperlicher Betätigungsmöglichkeiten einsetzen, zum Beispiel durch Zurücklegung des Schulweges zu Fuß, körperliche Bewegung in den Unterrichtspausen, Nutzung der Sportanlagen nach der Schule und individuelle Übungspläne. Es hat sich erwiesen, dass außerschulische

14 Universität Paderborn (2004): Untersuchung zu Lebensstilen und Inaktivität von Jugendlichen - Analyse der Möglichkeiten des Sports, im Kontext von Erziehung ausgleichend zu wirken. Abschlussbericht von Wolf-Dietrich Brettschneider, Roland Naul, et al. http://ec.europa.eu/sport/documents/lotpaderborn.pdf

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körperliche Betätigung entscheidend gefördert werden kann, wenn die schulischen Sporteinrichtungen auch nach dem Unterricht zur Verfügung stehen. In den Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sollten den Lehrern einschlägige Sachkenntnisse vermittelt werden, damit sie den Schülern, aber auch deren Eltern genau erklären und verdeutlichen können, dass körperliche Aktivität eine wichtige Voraussetzung für die Gesundheit ist. Beispiele bewährter Praktiken In Ungarn werden Schulungskurse und Konferenzen für Kindergärtnerinnenorganisiert, um deren Fähigkeiten und Kenntnisse über eine gesunde und aktive Lebensweise zu entwickeln. Die Regierung unterstützt auch die Veröffentlichung von Informationsmaterialien über frühkindliche Erziehung. Ein weiteres Ziel dieses Projekts besteht darin, dieses Thema bei den Eltern stärker ins Bewusstsein zu rücken. In Frankreich verfolgt das Programm ICAPS (Intervention Centred on Adolescents' Physical Activity and Sedentary Behaviour) einen Ansatz auf verschiedenen Ebenen unter Einbeziehung zahlreicher Akteure wie Jugendlicher, Schulen, Eltern, Lehrer, Sozialarbeiter, Jugend- und Sportklubs usw. Ziel ist es, Jugendliche zu mehr körperlicher Aktivität anzuspornen und ihnen dazu innerhalb und außerhalb der Schule mehr Möglichkeiten anzubieten. Die Ergebnisse aus den ersten vier Jahren waren positiv und zeigen, dass Maßnahmen zur Verringerung von Adipositas erfolgreich sein können. In Großbritannien stellte die Regierung 100 Millionen Pfund für das außerschulische Sportprogramm „Sport Unlimited“ bereit. Das Programm ist darauf gerichtet, für Kinder und Jugendliche mehr Möglichkeiten zu sportlicher Betätigung außerhalb der Unterrichtszeit zu schaffen und somit eine Erweiterung der sportlichen Betätigung auf fünf Stunden pro Woche zu erreichen. In kommunalen Sportpartnerschaften werden die Jugendlichen in die Diskussion einbezogen, um sicherzustellen, dass die angebotenen Aktivitäten den Wünschen der Jugendlichen entsprechen. Bei dem Programm handelt es sich um einen partnerschaftlichen Ansatz, bei dem auch lokale Einrichtungen außerhalb von Schulen Anlagen und Dienste bereitstellen, beispielsweise Jugendklubs, Sportklubs, private kommerzielle Einrichtungen und Freizeitzentren.

3.3.2. Aus- und Weiterbildung des medizinischen Personals Mitarbeiter des Gesundheitswesens müssen entsprechend ausgebildet sein, um eine geeignete Beratung über körperliche Aktivität im Hinblick auf die spezifischen Beschwerden der Patienten geben zu können, wegen derer sie die Praxis aufsuchen. Krankenschwestern stehen oft in besonders engem Kontakt zu den Patienten und haben daher gute Voraussetzungen, näher auf sie einzugehen. Informationen über die Notwendigkeit körperlicher Aktivität, die besten Möglichkeiten, sie in den Alltag zu integrieren, und über Änderungen des Lebensstils sollten allen medizinischen Fachkräften während des Studiums und in den fortlaufenden Weiterbildungsmaßnahmen obligatorisch vermittelt werden. Es wäre außerdem sinnvoll, Sportmedizin als Fachrichtung in der EU anzuerkennen, denn ein wichtiger Bestandteil der Sportmedizin sind Maßnahmen zur Prävention und gesundheitsfördernden körperlichen Tätigkeit.

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Allgemeinärzte müssen die Bedeutung der körperlichen Aktivität zur Verhütung zahlreicher Krankheiten kennen und sollten in der Lage sein, eine geeignete Beratung zu körperlicher Aktivität zu geben. „Übungen auf Rezept“, wobei Übungen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes oder zur Verminderung von Krankheitsrisiken verordnet werden, sind in einigen europäischen Ländern ein beliebtes Mittel, um spezifische körperliche Aktivität zu verordnen. Für Übungen auf Rezept verweist der Arzt den Patienten oft an ein Freizeitzentrum, das dann einen detaillierten Ergebnisbericht erstellt, der anschließend vom Arzt gemeinsam mit dem Patienten ausgewertet wird. Neben den spezifischen „Übungen auf Rezept“ ist die Beratung der Menschen zur Erhöhung ihrer körperlichen Betätigung durch Aktivitäten wie Laufen oder Radfahren in vielen Ländern Teil der Aufgabe der Allgemeinärzte geworden. Es ist daher wichtig, dass eine Beratung zur Lebensweise und zur Änderung von Verhaltensweisen bezüglich der körperlichen Aktivität von vornherein in die medizinische Aus- und Fortbildung aufgenommen wird. Beispiel bewährter Praktiken In den meisten europäischen Ländern ist die medizinische Ausbildung so organisiert, dass Allgemein- und Fachärzte, Krankenschwestern, Physiotherapeuten und Ernährungswissenschaftler jedes Jahr an Weiterbildungskursen teilnehmen müssen. Einige dieser Kurse sind auf die Förderung körperlicher Aktivität unter ihren Patienten und der allgemeinen Bevölkerung gerichtet. Handlungsmaßnahmen • Leitlinie 21 – Die EU-Mitgliedstaaten sollen nationale Leitlinien für körperliche

Aktivität sammeln, zusammenfassen und bewerten und Sportlehrern und sonstigen, in der Kinder- und Jugendförderung tätigen Personen zur Verfügung stellen.

• Leitlinie 22 – Als zweiten Schritt könnten die EU-Mitgliedstaaten an das Personal von

Kindergärten, Grundschulen und weiterführenden Schulen gerichtete Module für eine gesundheitsfördernde körperliche Erziehung erarbeiten.

• Leitlinie 23 – Informationen über die Notwendigkeit körperlicher Aktivität, die besten

Möglichkeiten zu ihrer Integration in den Alltag und zu einer Veränderung der Lebensweise sind Sportlehrern, Gesundheitsberufen, Trainern, Sportmanagern und Freizeitzentren sowie Medien im Zuge ihrer Studien und/oder beruflichen Fortbildungsmaßnahmen zugänglich zu machen.

• Leitlinie 24 – Sich auf körperliche Aktivität, Gesundheitsförderung und Sportmedizin

beziehende Angaben sind in die Lebensläufe der in der EU in Gesundheitsberufen tätigen Personen aufzunehmen.

3.4. Verkehrswesen, Umwelt, Städteplanung und öffentliche Sicherheit

Im Verkehrsbereich bieten sich zahlreiche Möglichkeiten der körperlichen Betätigung, allerdings nur, wenn eine geeignete Infrastruktur und Dienstleistungen vorhanden sind, die körperliche Aktivität als Fortbewegungsmittel ermöglichen.

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In den letzten zehn Jahren hat sich der Nachweis erhärtet, dass Laufen und Radfahren positive gesundheitliche Auswirkungen haben, insbesondere bezüglich der gemessenen Vergleichswerte zur Todesrate, zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Typ 2. Es hat sich gezeigt, dass bei erhöhter Lauftätigkeit das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Typ II sinkt. Laufen als Fortbewegungsmittel allein kann bereits die Sterblichkeitsrate senken, allerdings können durch Radfahren noch bessere Auswirkungen erzielt werden. Bei Personen, die das Fahrrad als Fortbewegungsmittel benutzen, wurde selbst nach Berücksichtigung anderer Formen der körperlichen Aktivität und weiteren Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Probleme wie Adipositas, Cholesterinwerte und Rauchen eine um 30-35 Prozent geringere Sterblichkeitsrate festgestellt. Die Studien weisen auch darauf hin, dass bei Personen, die zur Arbeit laufen bzw. mit dem Rad fahren, ein niedrigeres Risiko von Bluthochdruck, Schlaganfällen, Übergewicht und Adipositas besteht. Kinder und Jugendliche, die mit dem Rad zur Schule fahren, weisen ein höheres Fitnessniveau auf. In Dänemark, wo fast zwei Drittel der Heranwachsenden das Rad als Fortbewegungsmittel nutzen, fielen die Fitnesswerte unter Radfahrern um 8 % höher aus. Dies geht mit starken positiven Auswirkungen auf die Gesundheit einher, denn die 25 % der Kinder mit der geringsten Fitness leiden dreizehn Mal häufiger an Stoffwechselproblemen, die mit der Zunahme von Herz-Kreislauf-Risiken verbunden sind, als die 25 % mit den besten Fitnesswerten. Bei Kindern, die mit dem Rad zur Schule fahren, war die Wahrscheinlichkeit, dass sie im oberen Viertel der Fitnesswerte lagen, um ein Fünffaches höher. Laufen zur Schule wird nicht immer mit höherer Fitness in Zusammenhang gebracht, was wahrscheinlich daran liegt, dass die körperliche Anstrengung beim Laufen nicht so hoch ist wie beim Radfahren. Auch bei Erwachsenen scheint Radfahren einen stärkeren Gesundheitseffekt auszuüben als zu Fuß zu gehen. Bei einem städtischen Umfeld, das auf die Nutzung von Kraftfahrzeugen ausgerichtet ist und dadurch keine körperliche Aktivität fördert, nimmt die Tendenz der Bevölkerung zu Übergewicht und Adipositas zu. Die Bedingungen des Umfelds können einen entscheidenden Einfluss auf die Herausbildung bestimmter Bewegungsgewohnheiten haben. In diesem Zusammenhang müssen die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen getrennt betrachtet werden, da sie sich nur beschränkt mit ihrem baulichen Umfeld auseinandersetzen können. Im Gegensatz zu Erwachsenen verbringen Kinder und Jugendliche einen großen Teil ihres Tages in der Schule, haben relativ viel Zeit zur Erholung, können beim Spielen viel Bewegung ausüben, können nicht allein Auto fahren und unterliegen ansonsten den von Erwachsenen vorgegebenen Einschränkungen. Eine negative Einstellung der Eltern bezüglich der Wohngegend, insbesondere was die Sicherheit betrifft, wirkt sich negativ auf die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen an Aktivitäten in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aus. Eine Beteiligung an körperlichen Aktivitäten vor Ort ist jedoch für das körperliche und soziale Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen wichtig, da sie dadurch selbstständiger werden und soziale Kontakte aufbauen. Radfahren und Laufen können als Fortbewegungsmittel nur attraktiver gemacht werden, wenn auch die Sicherheit auf den Straßen verbessert wird. Wird eine Gegend aus persönlichen Gründen oder aufgrund der Verkehrssituation als unsicher betrachtet, werden sich die meisten Menschen für das Kraftfahrzeug, insbesondere in der Nacht, entscheiden. In gleicher Weise sind attraktive Grünflächen bzw. abgeteilte

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Straßenbereiche ein wichtiger Bestandteil eines bewegungsförderlichen nachbarschaftlichen Umfeldes. Die Frage des Umfeldes ist nicht nur in den städtischen, sondern auch in den ländlichen Gebieten, im Gebirge, am See oder Meer ein wichtiger Faktor bei der Förderung körperlicher Aktivität. Viele Formen selbstständig organisierter körperlicher Aktivitäten, wie Wandern, Radfahren, Segeln oder Rudern, machen mehr Spaß, wenn sie in einer schönen natürlichen Umgebung stattfinden. Aus diesem Grund ist der Erhalt der Umwelt nicht nur zum Schutz der Landschaft, Flora und Fauna wichtig, sondern dient auch dazu, für die Menschen attraktive Plätze zur körperlichen Aktivität bereitzustellen. In diesem Sinne müssen für die Nutzung solcher natürlichen Gegenden Regeln aufgestellt werden, die körperliche Aktivität fördern und die Nutzung von Fahrzeugen einschränken. So sollten zum Beispiel Motorboote Raum für Ruder- oder Segelboote und Motorschlitten Platz für Wanderungen mit Schneeschuhen oder Langlaufski lassen. Beispiele bewährter Praktiken In den meisten Ländern besteht die Tendenz, dass die Menschen immer weniger laufen oder Rad fahren. Bei einer systematischen Untersuchung wurde jedoch die Schlussfolgerung gezogen, dass durch Maßnahmen, die auf die individuellen Bedürfnisse insbesondere der Menschen mit Bewegungsarmut oder der Bereitschaft zur Verhaltensänderung ausgerichtet sind, der Umfang an Bewegung zu Fuß um 30 bis 60 Minuten pro Woche erhöht werden kann. Maßnahmen zur Förderung der Fahrradbenutzung sind eher selten, da eine stärkere Radnutzung sichere Fahrradwege voraussetzt. In der dänischen Stadt Odense wurde Radfahren systematisch über verschiedene Initiativen gefördert und die Radfahrquote im Laufe von fünf Jahren um mehr als 20 % erhöht. Gleichzeitig lag die Anzahl der Fahrradunfälle 20 % niedriger als im Rest des Landes. Die Verkehrsunfallquote von Radfahrern ist in den Ländern niedriger, in denen viel Rad gefahren wird. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass in diesen Ländern (hauptsächlich die Niederlande und Dänemark) eine Infrastruktur sicherer Fahrradwege vorhanden ist und die Autofahrer daran gewöhnt sind, auf die Fahrradfahrer Rücksicht zu nehmen. Aber selbst in Ländern, die nicht über eine solche Infrastruktur verfügen, sind Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt sind, in absoluten Zahlen eher selten und die Vorteile für die Gesundheit übersteigen bei weitem die Risiken. Studien aus Kopenhagen zeigten, dass die Gesamtanzahl der Verletzungen von Radfahrern bei Verkehrsunfällen weitaus niedriger ist als die Anzahl von Todesfällen, die dadurch verhindert werden, dass die Menschen mit dem Rad zur Arbeit fahren. In einigen Städten wurden öffentlich-private Partnerschaften eingesetzt, um Fahrräder unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Ermöglicht wurde dies durch die gleichzeitige Nutzung der Fahrräder zu Reklamezwecken. Ein Beispiel einer gut funktionierenden Fahrradstadt ist Aarhus in Dänemark. In den Niederlanden und Dänemark gibt es in der Regel entlang der Autostraßen räumlich getrennte Fahrradwege, wodurch Radfahren als sichere und gesunde Verkehrsart empfunden wird. In Ungarn gibt es einen Sonderbeauftragten der Regierung, der für die Koordination des Baus von Fahrradwegen im gesamten Land verantwortlich ist.

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In Großbritannien (England) kooperiert „Sport England“ und das Gesundheitsministerium gezielt mit Stadtplanern, Entwicklern und Architekten bei der Gestaltung neuer Wohngebiete.. Mit der Anleitung „Active Designs“ (Aktive Stadtgestaltung) sollen sportliche und körperliche Aktivitäten durch drei Hauptprinzipien gefördert werden: - Zugänglichkeit: Die Verbesserung der Zugänglichkeit bezieht sich auf die Gewährleistung eines einfachen, sicheren und bequemen Zugangs zu zahlreichen Möglichkeiten sportlicher Betätigung, aktiver Reisen und körperlicher Aktivitäten für die gesamte Einwohnerschaft. - Komfortable Gestaltung: Zur Erweiterung des Komforts gehören verbesserte Umweltstandards bei der Planung und Gestaltung neuer Sport- und Freizeitstätten sowie deren Vernetzung und Einbeziehung in die Entwicklung des öffentlichen Raums. - Bessere Bekanntmachung: Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie andere Betätigungsmöglichkeiten müssen in der Gesamtplanung der kommunalen Entwicklung stärker berücksichtigt und umfassender bekannt gemacht werden. Seit 2003 müssen Autofahrer in London 8 Pfund (ca. 10 Euro) bezahlen, wenn sie in das Stadtzentrum fahren wollen (Londoner Staugebühr). Hauptziel dieser Gebühr war zwar die Reduzierung von Staus, aber gleichzeitig hat sie zu einer bedeutenden Zunahme des Radverkehrs in der Stadt und zu Investitionen in die Infrastruktur für Radfahrer geführt. Die Londoner Verkehrsbehörden schätzen, dass sich die Radfahrquote seit Einführung der Gebühren um mehr als 80 % erhöht hat, ohne dass die Unfallquote wesentlich gestiegen ist. In einigen Ländern wurde die Idee des „laufenden Busses“ entwickelt. Dabei gehen Gruppen von Kindern unter der Aufsicht von Erwachsenen gemeinsam zu Fuß zur Schule oder zum Kindergarten. Den Kindern werden dabei Kenntnisse und Fähigkeiten über die Sicherheit im Straßenverkehr vermittelt und sie lernen in einem Alter, wo die Gefahr von Verkehrunfällen für sie besonders hoch ist, wie sie sich als Fußgänger richtig zu verhalten haben. Die Weltgesundheitsorganisation veröffentlichte vor kurzem das „Health Economic Appraisal Tool (HEAT)“ für Radfahren. Dieses Instrument soll den Stadtplanern die gesundheitlichen Vorteile des Radfahrens verdeutlichen und dazu führen, dass Radfahrmöglichkeiten bei neuen Infrastrukturplanungen stärker berücksichtigt werden. Kosten-Nutzen-Berechnungen gehören in der Verkehrsplanung zur üblichen Praxis. Mit „HEAT for Cycling“ wurde nun ein Instrument geschaffen, um zusätzlich auch die gesundheitlichen Effekte verkehrstechnischer Maßnahmen stärker zu berücksichtigen. HEAT gibt eine Anleitung, wie gesundheitliche Aspekte körperlicher Aktivität im Verkehrsbereich in wirtschaftliche Analysen der verkehrstechnischen Infrastruktur und Politik einbezogen werden können. Handlungsmaßnahmen • Leitlinie 25 – Die Behörden der Mitgliedstaaten sollen in allen Teilen ihres

Staatsgebietes, die sich für pendelnde Radfahrer eignen, auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene geeignete Infrastrukturen planen und schaffen, die es den Bürgern möglich machen, zur Schule und zur Arbeit zu radeln.

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• Leitlinie 26 – Sonstige Formen des aktiven Pendelns sind in nationalen, regionalen und lokalen Planungsunterlagen systematisch zu berücksichtigen. Ziel ist die Schaffung der für Sicherheit, Komfort und Benutzbarkeit nötigen Bedingungen.

• Leitlinie 27 – Investitionen in Infrastrukturen für Rad- und Gehwege für Pendler

sollen mit gezielten Informationskampagnen über den gesundheitlichen Nutzen aktiven Pendelns einhergehen.

• Leitlinie 28 – Erteilen Planungsbehörden Genehmigungen für den Bau neuer Anlagen

oder errichten sie selbst neue Viertel, dann haben sie in ihrer Genehmigung oder Planung die Notwendigkeit zur Schaffung eines für die Ausübung körperlicher Betätigung durch die heimische Bevölkerung sicheren Umfelds zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind Entfernungen zu beachten und Möglichkeiten zu schaffen, die das Zurücklegen der Wege zwischen Wohnung und Bahn- und Busstationen, Läden und sonstigen Dienstleistungsorten oder Erholungsräumen per Fuß oder Fahrrad erlauben.

• Leitlinie 29 – Lokale Verwaltungen sollen das Radfahren als festen Bestandteil in die

Städteplanung und das Bauwesen aufnehmen. Radwege und Parkmöglichkeiten müssen entworfen, entwickelt und im Hinblick auf fundamentale Sicherheitsanforderungen gewartet werden. Die lokalen Verwaltungen werden aufgefordert, sich EU-weit über die besten Praktiken auszutauschen, um die geeignetsten wirtschaftlichen und praktischen Lösungen zu finden.

• Leitlinie 30 – Die für verkehrspolizeiliche Dienste zuständigen staatlichen Stellen

haben sicherzustellen, dass Fußgängern und Radfahrern ein ausreichendes Maß an Sicherheit geboten wird.

• Leitlinie 31 – Die staatlichen Stellen sollen den Schutz der natürlichen Umwelt nicht

als Selbstzweck betreiben, sondern Umweltschutz auch im Lichte der von der Umwelt gebotenen Flächen zur körperlichen Betätigung im Freien sehen. Dabei ist ein effizientes Konfliktmanagementsystem einzuführen, um die Bedürfnisse der einzelnen Nutzer, vor allem der motorisierten und der nicht motorisierten, miteinander in Einklang zu bringen.

• Leitlinie 32 – Die staatlichen Stellen müssen sich bemühen sicherzustellen, dass dem

kindlichen Spielbedürfnis in der kommunalen Städteplanung und beim Städtebau genügend Raum eingeräumt wird.

3.5. Arbeitsumfeld

Die körperlichen Anforderungen am Arbeitsplatz haben sich im Laufe des letzten Jahrhunderts stark verändert und dieser Veränderungsprozess setzt sich weiter fort. Schwere körperliche Tätigkeiten gehören in der industrialisierten Welt kaum mehr zum Arbeitsalltag. Die große Mehrheit der heutigen Arbeitsplätze in der EU ist mit einem niedrigen Energieaufwand verbunden, und anstrengende Arbeit besteht heute eher aus monotonen Tätigkeiten, die an einen bestimmten Ort gebunden sind und bestimmte Muskeln einseitig beanspruchen. So liegt der Energiebedarf am Arbeitsplatz einerseits

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weit unter den für einen gesunden Lebensstil empfohlenen Werten, andererseits führen bestimmte Tätigkeiten zu Beschwerden der Skelettmuskulatur. Aus diesem Grunde würden sich Bewegungsprogramme am Arbeitsplatz anbieten, um körperliche Aktivität der Arbeitnehmer im Arbeitsalltag zu gewährleisten. Das könnte dem geringen Energieverbrauch und gleichzeitig einseitigen Muskelbelastungen entgegenwirken, u.a. bei der Rückenmuskulatur, und zur Erhaltung der körperlichen Fitness der Arbeitnehmer beitragen. Die Ergebnisse dieser Programme wurden anhand bestimmter Kriterien ausgewertet, wie Wohlbefinden, Krankschreibungen, Risikofaktoren für chronische Krankheiten, Skelettmuskulaturbeschwerden und Kosten-Nutzen-Verhältnis. Insgesamt lassen sich mit solchen Maßnahmen besonders für das Wohlbefinden, aber auch zur Förderung des allgemeinen Energieverbrauchs und der Körpertüchtigkeit positive Ergebnisse erzielen. In den meisten Studien wurden die Auswirkungen auf den Krankheitsstand ausgewertet, bei anderen stand der Kosten-Nutzen-Effekt im Mittelpunkt. Die vorliegenden Daten weisen darauf hin, dass der Arbeitsplatz der wichtigste Ort im Alltagsleben der Erwachsenen sein sollte, an dem auf einen körperlich aktiven Lebensstil hingewirkt werden kann. Arbeitgeber und Gewerkschaften sollten deshalb über entsprechende Maßnahmen nachdenken. Die Sozialpartner müssen hier aktiv handeln. Ohne ihren Beitrag können die Ziele der Regierung nicht erreicht werden. Die kritische Beurteilung des Arbeitsumfeldes hat eine lange Tradition. In der Vergangenheit lag das Augenmerk hauptsächlich auf der physischen Belastung und toxikologischen Situation am Arbeitsplatz. Heutzutage gewinnen gesunde Ernährung und Maßnahmen gegen Rauchen und Alkohol immer mehr an Bedeutung. Zusätzlich dazu sollte dafür gesorgt werden, dass den Menschen ein körperlich aktiver Lebensstil ermöglicht wird. Wenn Skelettmuskulaturbeschwerden und andere arbeitsbedingte chronische Erkrankungen auftreten, sollten rechtzeitig Vorsorgeprogramme angeboten werden. Beispiele bewährter Praktiken 32 Arbeitsplätze wurden in Großbritannien in ein zweijähriges Pilotprogramm mit der Bezeichnung „Well@Work“ einbezogen. An dem Programm beteiligten sich von einem großen Nahrungsmittelhersteller über ein Krankenhaus bis hin zu einem kleinen Landwirtschaftsbetrieb ganz unterschiedliche Unternehmen. Bei dem Pilotprojekt wurden zahlreiche Maßnahmen zur Förderung sportlicher und körperlicher Betätigung am Arbeitsplatz evaluiert. Aufbauend auf dem Erfolg von „Well@Work“ wurde dann das Programm „Activate your Workplace“ entwickelt. Dabei handelt es sich um ein einjähriges Programm zur Schulung und Unterstützung bei der Arbeitsplatzgestaltung und der Bereitstellung und Überprüfung gesundheitsfördernder Bewegungsangebote, die auch nach Abschluss des Programms fortgeführt werden sollen. Nach Abschluss des Programms sollten die teilnehmenden Einrichtungen über eine aktive Politik zur gesundheitsfördernden Arbeitsplatzgestaltung und einen verantwortlichen Mitarbeiter verfügen, der sich in diesem Bereich auskennt und eine Qualifikation des Königlichen Instituts für Öffentliche Gesundheit hat. Partnerschaftliche Zusammenarbeit steht im Mittelpunkt von „Activate your Workplace“, das vom Centre for Workplace Health des St Mary’s University College, Twickenham, London, koordiniert und in Zusammenarbeit mit Sport England, Transport for London, der Londoner Entwicklungsagentur, der

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Vereinigung der Fitnesscenter und dem NHS London realisiert wird. Die Partner beteiligen sich finanziell oder bringen Sachprämien, Wissen und Dienstleistungen ein. In Luxemburg verleiht das Gesundheitsministerium jährlich einen Preis an Unternehmen, die gesundheitsfördernde Programme am Arbeitsplatz, einschließlich Maßnahmen und Initiativen zur Förderung körperlicher Aktivität, anbieten. Der „Prix Santé en entreprise“ (Preis für Gesundheit am Arbeitsplatz) wurde 2008 erstmals vergeben. Handlungsmaßnahmen • Leitlinie 33 – Arbeitgeber und Gewerkschaften sollen in ihre Vereinbarungen

Arbeitsplatzanforderungen aufnehmen, die eine körperlich aktive Lebensweise erleichtern. Solche Anforderungen sind beispielsweise: (1) Der Zugang zu angemessen ausgestatteten Sportanlagen in Gebäuden und im Freien; (2) Regelmäßige Verfügbarkeit eines Sporttrainers für gemeinsame Übungen sowie für die individuelle Beratung und Anleitung; (3) Unterstützung bei arbeitsplatzbezogener sportlicher Beteiligung; (4) Unterstützung beim Zurücklegen des Wegs von und zur Arbeit per Fahrrad oder zu Fuß; (5) Bei monotoner oder körperlich schwerer Arbeit mit dem Risiko von Muskel-Skelett-Erkrankungen Zugang zu Übungen, die speziell diesen Erkrankungen entgegen wirken; (6) Ein Arbeitsumfeld, das körperlicher Aktivität entgegenkommt.

• Leitlinie 34 – Nationale Gesundheitszertifikate können an Arbeitsplätze vergeben

werden, an denen einer körperlich aktiven Lebensweise hohe Priorität eingeräumt wird.

3.6. Angebote für ältere Mitbürger

Es gibt immer mehr Nachweise für die Bedeutung körperlicher Aktivität unter älteren Erwachsenen. Obwohl der Gesundheitszustand im Alter zum großen Teil als Ergebnis des Lebensstils als Erwachsener und möglicherweise sogar als Jugendlicher betrachtet werden kann, bildet der Umfang an körperlicher Aktivität im Alter eine wichtige Grundlage für die Körpertüchtigkeit und anhaltende Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung. Eine fortlaufende körperliche Aktivität wirkt sich sowohl psychisch (Zufriedenheit) als auch körperlich, physiologisch und sozial positiv auf die Gesundheit aus. Es wurde nachgewiesen, dass eine Teilnahme an regelmäßigen Übungsprogrammen ein wirksames Mittel ist, um den altersbedingten Leistungsrückgang bestimmter Funktionen auch bei Achtzig- oder Neunzigjährigen zu vermindern bzw. zu verhüten. Es gibt zunehmende Hinweise darauf, dass durch körperliche Aktivität kognitive Funktionen aufrechterhalten und Depressionen und Demenz (als den häufigsten psychischen Erkrankungen im Alter) vorgebeugt werden kann. Körperliche Aktivität, einschließlich spezieller Muskelübungen (Kraft und Gleichgewicht) spielt eine wichtige Rolle zur Verbesserung der Lebensqualität der älteren Bürger. Aus Studien geht zwar hervor, dass regelmäßige körperliche Aktivität bzw. Übungen im fortgeschrittenen Alter keine bedeutende Verlängerung der Lebenserwartung bewirken, jedoch kann ein guter körperlicher und psychischer Zustand zur Aufrechterhaltung der Selbstständigkeit und zur Reduzierung von medizinischen

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Behandlungen beitragen, die aufgrund akuter oder chronischer Erkrankungen notwendig sind. Dies kann bedeutende wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen, da die so eingesparten Kosten die Ausgaben für anspruchsvolle Übungsprogramme sicherlich mehr als ausgleichen. Die Übungsprogramme müssen auf die spezifischen Bedürfnisse der älteren Menschen und ihr erreichbares Leistungsniveau zugeschnitten werden. Insbesondere muss die Rolle körperlicher Aktivitäten bei altersbedingten Beeinträchtigungen, Funktionsstörungen und dem Rückgang kognitiver Fähigkeiten überdacht werden. Kulturelle, psychologische und gesundheitliche Faktoren halten die Menschen oft von körperlichen Aktivitäten und Übungen im Alter zurück. Deshalb müssen ältere Menschen zur körperlichen Aktivität besonders motiviert und unterstützt werden, vor allem, wenn sie solche Aktivitäten nicht gewohnt sind. Über die Möglichkeiten, wie die diesbezüglichen Verhaltensweisen der Menschen in der frühen älteren Generation verändert werden können. Die positiven Auswirkungen eines gesunden Lebensstils einschließlich unterschiedlicher körperlicher Aktivitäten müssen den älteren Menschen und in der Gesellschaft zudem stärker bewusst gemacht werden. Wichtig für die Fortsetzung körperlicher Aktivitäten sind auch der sozioökonomische Status und die Lebensbedingungen zu Hause bzw. im Altersheim. Bei der Planung von Altersheimen sollten Möglichkeiten zur körperlichen Aktivität, insbesondere Laufen, vorgesehen und eine Teilnahme an spezifischen Aktivitäten im engeren Umfeld ermöglicht werden. Medizinische Einrichtungen, örtliche Behörden und Freiwilligenorganisationen können entscheidend dazu beitragen, den Widerstand gegen die Aufnahme oder die Fortsetzung körperlicher Aktivität bei älteren Menschen zu überwinden. Sie können Initiativen fördern, um einerseits die ökonomischen Einschränkungen und andererseits psychologische und kulturelle Hindernisse zu überwinden. Hausärzte können ältere Patienten unterstützen, indem sie ihnen die Vorteile der körperlichen Aktivität bewusst machen und sie durch Verordnung geeigneter Übungsprogramme oder die Überweisung an Bewegungsspezialisten zu mehr körperlicher Aktivität anregen. Als alltägliche Übung ist gemäßigtes Laufen im städtischen Bereich für ältere Menschen wahrscheinlich die ratsamste Form körperlicher Aktivität. Auf der Grundlage vorliegender Studien wird dazu ein Minimum von 30 Minuten empfohlen. Es muss betont werden, dass es sich dabei um einen angenehmen Spaziergang (zum Vergnügen) handeln soll, bei dem keine Lasten getragen werden und ein geeignetes Tempo eingehalten wird. Treppensteigen ist eine weitere nützliche Übung. Durch Haus- und Gartenarbeit können diese alltäglichen Aktivitäten ergänzt werden. In einigen europäischen Ländern gibt es die Tradition, dass zu einem bestimmten Tageszeitpunkt (in der Regel am Morgen) körperliche Übungen zu Hause ausgeführt werden. Solche Übungen sind zwar zweifelsohne für die Gesundheit von Vorteil, ihre genauen Auswirkungen müssen jedoch noch näher untersucht werden. Es ist auch zu betonen, dass Spazieren gehen im städtischen Umfeld eine bestimmte Sicherheit voraussetzt, die in europäischen Städten aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens selten gegeben ist. Die Fortbewegung fällt älteren Menschen schwerer und ihre sensorischen Fähigkeiten (Seh- und Hörvermögen) sind oft

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eingeschränkt, wodurch für sie ein höheres Verkehrsunfallrisiko besteht. Auch die Sicherheit vor Aggression und Gewalt kann für ältere Menschen eine wichtige Voraussetzung sein, um ohne Furcht das Haus zu verlassen. Die Nähe von Einkaufsmöglichkeiten, Treffpunkten (Cafés, Büchereien) sind weitere Faktoren, die zum Spazieren gehen in der Stadt oder Nachbarschaft anregen können. Zusätzliche, speziell auf ältere Menschen zugeschnittene körperliche Aktivitäten wie Muskeltraining, Schwimmen oder andere Fitnessübungen zur Stärkung der Herz-Kreislauf-Funktionen und der Ausdauer können eine wertvolle Ergänzung der alltäglichen Aktivitäten darstellen, wenn sie regelmäßig (zwei bis drei mal pro Woche) durchgeführt werden. Beispiele bewährter Praktiken Das von der Europäischen Kommission finanzierte „European Network for Action on Ageing and Physical Activity (Europäisches Netzwerk zur Förderung von Maßnahmen für ältere Menschen und körperliche Aktivität – EUNAAPA)“ hat bewährte Praktiken bei der Förderung körperlicher Aktivität unter älteren Menschen zusammengetragen. Dazu gehören gute Praktiken bei Übungsprogrammen und –kursen, die in verschiedenen Mitgliedstaaten für ältere Menschen angeboten werden. Zum Beispiel bietet der Deutsche Olympische Sportbund über das Programm „Richtig fit ab 50“ spezielle Trainingseinheiten für ältere Menschen an.. EUNAAPA hat außerdem bewährte politische Maßnahmen zur Förderung der körperlichen Aktivität unter älteren Menschen zusammengestellt. Zum Beispiel haben staatliche Einrichtungen in den Niederlanden das Thema der körperlichen Aktivität erfolgreich mit Initiativen vernetzt, die ursprünglich lediglich zur Förderung des Leistungssports im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele dienten. In Finnland wird mit dem nationalen Übungsprogramm „Kraft im Alter“ die Lebensqualität selbstständig wohnender älterer Menschen mit eingeschränktem funktionellen Leistungsvermögen gefördert. Erreicht wird dies durch Kraftübungen für die Beine und Gleichgewichtsübungen für diese Zielgruppe sowie durch verbesserte Betreuungsleistungen. Die Aktivitäten richten sich insbesondere an Menschen über 75. Bei dem Programm (2005-2009) handelt es sich um ein breit angelegtes Kooperationsprojekt des Ministeriums für Soziales und Gesundheit, des Bildungsministeriums, der finnischen Vereinigung der Münzautomatenbetreiber und verschiedener anderer Akteure. Die Koordination erfolgt durch das Institut für Altersforschung. Das Programm bietet geeignete Formen der Gruppengymnastik und Gleichgewichtsübungen für die Sporthalle oder auch für zu Hause an. Akteure des öffentlichen, privaten und gemeinnützigen Sektors sind aufgefordert, in gemeinsamen Netzwerken Übungen zu entwickeln und bessere Voraussetzungen für die alltägliche Bewegung zu schaffen. Handlungsmaßnahmen • Leitlinie 35 – Vor dem Hintergrund zunehmender Langlebigkeit in den europäischen

Gesellschaften müssen die EU-Mitgliedstaaten die Forschung auf dem Gebiet des Zusammenhangs zwischen körperlicher Aktivität älterer Mitbürger und ihrer psychologischen und physiologischen Verfassung sowie auf dem Gebiet der Ermittlung von Möglichkeiten zur Bewusstseinsschaffung über die Bedeutung körperlicher Aktivität ausweiten.

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• Leitlinie 36 – Die staatlichen Stellen haben Infrastrukturen anzubieten, die körperliche

Aktivität für ältere Menschen zugänglicher und attraktiver machen, und dies im Bewusstsein, dass durch Investitionen in derartige Einrichtungen medizinische Behandlungskosten eingespart werden können.

• Leitlinie 37 – Menschen, die ältere Personen zuhause und in Einrichtungen betreuen,

sollten besonders darauf achten, dass ein angemessenes, mit dem Gesundheitszustand zu vereinbarendes Maß an körperlicher Aktivität erhalten bleibt.

4. INDIKATOREN, MONITORING UND BEWERTUNG Die Umsetzung politischer Maßnahmen zur Förderung körperlicher Aktivität sollte auf nationaler und gegebenenfalls auf EU-Ebene überprüft werden. Die folgenden Indikatoren geben in der Regel einen guten Aufschluss über Realisierung und Ergebnisse der politischen Maßnahmen: A. Anteil der Bevölkerung, der einen adäquaten Umfang an körperlicher Aktivität erreicht – Indikatoren:

(1) Anteil der Bevölkerung, die die Empfehlungen zur gesundheitsfördernden körperlichen Aktivität erfüllen; Anteil der Bevölkerung, die sich an körperlichen Aktivitäten in der Freizeit beteiligen (systematische Übungen und Lebensweise) und sich aktiv fortbewegen (Arbeitsweg usw.); tägliche Bewegungsgewohnheiten hinsichtlich der Intensität, Häufigkeit und Dauer der Aktivität; Umfang körperlicher Aktivitäten unter der Bevölkerung, einschließlich bestimmter Gruppen (ältere Menschen, Kinder usw.); (2) Fitnessniveau (Herz-Kreislauf-Funktion, Kraft usw.).

– Mittel: Überprüfung des Umfangs der körperlichen Aktivität unter der Bevölkerung unter Einsatz objektiver Messmethoden wie Bewegungssensoren und subjektiver Methoden wie Fragebögen.

B. Erarbeitung und Umsetzung politischer Maßnahmen im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität – Indikatoren: politische Einflussnahme über nationale Politik, Strategien und

Maßnahmen; politische Umsetzung und Wirksamkeit durch effektive Gesetzgebung, Umsetzungsmaßnahmen und angemessene Finanzmittel (z.B. ausreichendes Personal); politische Ergebnisse, gemessen z.B. an der Adipositasrate unter der Bevölkerung oder der Länge der vorhandenen Fahrradwege.

– Mittel: System zur Überprüfung der politischen Umsetzung. Indikatoren für langfristige Ergebnisse der Umsetzung politischer Maßnahmen wie eine Veränderung des Anteils der Bevölkerung, die an sich an körperlicher Aktivität beteiligt (Punkt A oben), werden bereits durch die bestehenden gesundheitlichen Kontrollsysteme in den meisten EU-Ländern ausgewertet. Indikatoren für die kurz- und mittelfristigen Ergebnisse der politischen Einflussnahme, Umsetzung und Wirksamkeit (Punkt B) werden von der EU und in den meisten Ländern nicht ausgewertet. Im Zuge der Globalen Strategie der WHO hinsichtlich körperlicher Aktivität und Ernährung wurde vor Kurzem ein „Rahmen zur Überprüfung und Umsetzung“ veröffentlicht, der den Vorschlag

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enthält, Kontrollmechanismen zur Umsetzung der Politik zur körperlichen Aktivität auf nationaler Ebene einzurichten. Um die Auswirkungen von öffentlichen Initiativen auf den Umfang der körperlichen Aktivität in der Bevölkerung zu messen, müssen Umfragen vor der Durchführung der Maßnahme erfolgen und dann zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden. Obwohl es bisher viele Kontrollmethoden für den Einzelnen gibt, lassen sich manche Fragen besser durch einen Fokus auf andere Befragungsziele beantworten. Dabei können sowohl Einzelpersonen als auch Gruppen befragt werden. Individuelle Überprüfungsmethodenlassen sich in der Regel in subjektive und objektive Einschätzungen unterteilen. Bei der subjektiven Methode (Selbsteinschätzung) werden Fragebögen per Post oder E-Mail verschickt bzw. Befragungen per Internet oder Telefon durchgeführt. Bei der objektiven Methode werden Schritt-, Beschleunigungs-, oder Herzfrequenzmesser eingesetzt oder der Energieumsatz mit stabilen Wasserstoff- und Sauerstoffisotopen (DLW-Methode) gemessen. Untersuchungen von Zielgruppen sind auf bestimmte Personengruppen oder Gebiete ausgerichtet. Viele solcher Daten sind vielleicht schon zu anderen Zwecken erhoben worden, zum Beispiel bei nationalen Export- bzw. Importstatistiken oder Untersuchungen zur Verbrechensbekämpfung. Beispiele sind die Anzahl der Autos im Haushalt, am Arbeitsplatz, in der Region oder im Land; die Anzahl der Fahrräder; die Anzahl der Fernsehgeräte, Computer, Spielkonsolen, Geschirrspülmaschinen, Waschmaschinen und Wäschetrockner, die jährlich zurückgelegte Fahrleistung der Autos, die Anzahl der Menschen, die an bestimmten Orten eher die Treppen als den Fahrstuhl benutzen, die Mitgliederzahlen von Fitnesscentern/Sportklubs, die Anzahl der Sportstunden laut Lehrplan und Fehlstunden der Schüler im Sportunterricht. Beispiele bewährter Praktiken Der britische „English Active People Survey“ ist die umfassendste Untersuchung über Sport und aktive Erholung, die jemals in Europa durchgeführt wurde. Gegenstand der Untersuchung ist die unterschiedliche Aktivität an verschiedenen Orten und von verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Bei der Untersuchung werden auch der Anteil der Erwachsenen, die freiwillig jede Woche sportlich aktiv sind, die Mitgliedschaft in Vereinen, die Teilnahme an organisierten Sport- oder Wettkampfveranstaltungen, sportliche Beratung oder Anleitung und die allgemeine Zufriedenheit mit den örtlichen Sportangeboten erfasst. Der Fragebogen war so gestaltet, dass die Ergebnisse anhand umfassender demographischer Informationen ausgewertet werden konnten, wie Geschlecht, soziale Klasse, ethnische Zugehörigkeit, Haushaltsstruktur, Alter und Behinderungen. Der erste Untersuchungszeitraum lief von Oktober 2005 bis Oktober 2006 und fand in Form einer telefonischen Umfrage unter 363.724 Erwachsenen (ab 16 Jahren) in England statt. Aufgrund des Erfolgs wird die Umfrage bis 2010 jährlich wiederholt. „Sport England“ hat die Umfrageergebnisse der „Active People survey“ dazu genutzt, die Daten tiefgreifender zu analysieren. Dabei wurden 19 Marktsegmente mit unterschiedlichem Sportverhalten herausgearbeitet, um die Gewohnheiten und Motivationen der Menschen zu ermitteln, warum sie Sport treiben bzw. warum sie dies nicht tun. Die Marktsegmente geben darüber Aufschluss, wie die einzelnen Personengruppen in Zukunft stärker zu sportlicher Tätigkeit bewegt werden können.

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Jedes Segment kann nach unterschiedlichen geographischen Gegebenheiten untersucht werden. Es lässt sich feststellen, welche sportlichen Gewohnheiten in einer bestimmten Straße, Wohnviertel, Gemeinde oder Region bestehen. Dazu gehören Informationen zu den ausgeübten Sportarten, ob und weshalb die Menschen zum Sport motiviert sind und welche Hindernisse sie für die sportliche Betätigung sehen. Außerdem geben die Segmente Aufschluss über Medienkonsum, Kommunikationsmittel, materielle Voraussetzungen, Gesundheitsindikatoren einschließlich Adipositas sowie die allgemeine Teilnahme am kulturellen Leben. Handlungsmaßnahmen • Leitlinie 38 – Die Implementierung politischer Maßnahmen zugunsten der Förderung

körperlicher Aktivität ist regelmäßig auf der Basis zuvor festgelegter Indikatoren zu überwachen, um eine Einschätzung und Überprüfung zu ermöglichen.

5. ÖFFENTLICHES BEWUSSTSEIN UND VERBREITUNG

5.1. Kampagnen zur Schaffung öffentlichen Bewusstseins Eine erfolgreiche Umsetzung von Leitlinien für körperliche Aktivität hängt zum großen Teil von Änderungen in den öffentlichen Auffassungen und individuellen Verhaltensweisen ab. Öffentlichkeitskampagnen sind deshalb ein wichtiges Mittel bei der Umsetzung der Leitlinien für körperliche Aktivität. Bei der Planung von Öffentlichkeitskampagnen bietet es sich an, Erfahrungen und Ergebnisse von ähnlichen Kampagnen in anderen Ländern zu nutzen. Die äußeren Faktoren (Zeitrahmen, Budget) müssen bei der Planung einer Öffentlichkeitskampagne so früh wie möglich in Betracht gezogen werden. Es müssen Kooperationspartner (Wissenschaftler, Institute, öffentlichkeitswirksame Ansprechpartner, PR- und Werbeagenturen) bestimmt werden; sinnvoll sind auch Bezugsgruppen (NRO, Gewerkschaften, nationale und internationale Experten, einschließlich Medienexperten), um die Ideen und Botschaften zu testen. Die Einbeziehung der Kommunen ist ebenfalls nützlich (Basismarketing). In diesem Zusammenhang kann das Internet genutzt werden, um Materialien an das Gesundheitspersonal vor Ort und an Schulen zu versenden, lokale Presseerklärungen zu verbreiten, wissenschaftliche Beiträge von Fachleuten vor Ort bereitzustellen und bekannte lokale Persönlichkeiten in die Arbeit einzubeziehen. Die Medienbranche spielt eine entscheidende Rolle bei der Änderung individueller und gesellschaftlicher Verhaltensweisen. Angesichts der wachsenden Bedeutung der Medien, insbesondere des Fernsehens, bei der Gestaltung des Lebensstils kommt es insbesondere darauf an, den Mitarbeitern der Medienbranche die Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivität und gesundheitlichen und umweltrelevanten Auswirkungen nahe zu bringen und ihnen zu verdeutlichen, welchen Einfluss die Medien auf das Verhalten der Menschen ausüben können.

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Handlungsmaßnahmen • Leitlinie 39 – Kampagnen zur Schaffung öffentlichen Bewusstseins müssen – um

Wirkung zu zeigen – innerhalb einer kohärenten Strategie mit anderen Interventionsformen kombiniert werden.

5.2. EU-Netzwerk für gesundheitsfördernde Bewegung (HEPA)

So wie im Weißbuch der Europäischen Kommission über Sport von 2007 beschrieben, gibt es viele Möglichkeiten, um die öffentliche Gesundheit durch körperliche Aktivität zu fördern. Die zweite im Aktionsplan „Pierre de Coubertin“ vorgeschlagene Begleitmaßnahme zum Weißbuch ist, dass „die Kommission ein EU-Netzwerk zur gesundheitsfördernden körperlichen Aktivität (HEPA – Health Enhancing Physical Activity) unterstützen wird“. Ein HEPA-Netzwerk der EU sollte auf die Stärkung und Unterstützung von Bemühungen und Maßnahmen zur Erhöhung der körperlichen Aktivität und zur Schaffung günstiger Voraussetzungen für eine gesunde Lebensweise in ganz Europa hinwirken. Es sollte ebenfalls eine europäische Plattform zum Erfahrungsaustausch über die Erarbeitung und Umsetzung von erfolgreichen politischen Maßnahmen, Strategien und Programmen bieten. Von 1996 bis 2001 existierte das erste Europäische Netzwerk für gesundheitsfördernde körperliche Aktivität als ein von der Europäischen Union finanziertes Programm, das zum damaligen Zeitpunkt für den Austausch von Erfahrungen bei der Entwicklung nationaler integrierter Ansätze eine wichtige Rolle spielte. Da es nach 2001 keine solche Plattform mehr gab, wurde im Mai 2005 in Dänemark HEPA Europa, das europäische Netzwerk für die Förderung gesundheitsfördernder körperlicher Aktivität, gegründet. Zu seinem 3. Jahrestreffen im Mai 2007 zählte HEPA Europa 52 Mitglieder aus 23 europäischen Ländern, darunter 16 EU-Mitgliedstaaten, sowie einen Beobachter aus einem nichteuropäischen Land. Das Netzwerk arbeitet eng mit dem Regionalbüro der WHO für Europa zusammen. Zu den Zielen von HEPA Europa gehören: 1) Beitrag zur Erarbeitung und Umsetzung von politischen Maßnahmen und Strategien für HEPA in Europa; 2) Entwicklung, Unterstützung und Verbreitung wirksamer Strategien, Programme, Ansätze und anderer Beispiele bewährter Praktiken; 3) Unterstützung der Entwicklung sektorübergreifender Ansätze zur Förderung von HEPA. HEPA Europa beruht auf einem sektorübergreifenden Ansatz zur Förderung körperlicher Aktivität unter Einbeziehung von Fachleuten u. a. aus den Bereichen Gesundheit, Sport, Bildung, Umwelt, Verkehr und Stadtplanung aus ganz Europa. Ziel ist die Beteiligung an allen Bereichen der gesundheitsfördernden körperlichen Aktivitäten in Europa. HEPA Europa leistet einen Beitrag zur Sammlung und Verbreitung einer Datenbank mit wissenschaftlichen Forschungsergebnissen über die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Förderung körperlicher Aktivität. Das Netzwerk zielt auf Bevölkerungsgruppen ab, unter denen eine Erhöhung körperlicher Aktivitäten für die Gesundheit besonders wichtig ist (in Abhängigkeit vom Alter, der Region, des sozioökonomischen Status usw.), und

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untersucht, welche Voraussetzungen am besten für körperliche Aktivitäten geeignet sind (einschließlich Maßnahmen anderer Bereiche wie Sport, Gesundheit, Stadtplanung und Verkehr). HEPA Europa unterstützt ebenfalls die Entwicklung von besseren Methoden zur Messung und Untersuchung des Umfangs körperlicher Aktivitäten unter der Bevölkerung. Gleichzeitig werden Risikobewertungen bezüglich der Vorteile im Verhältnis zu den Risiken im Zuge erhöhter körperlicher Aktivitäten unter der Bevölkerung (einschließlich Kosten-Nutzen-Analysen) vorgenommen. Angesichts des erfolgreichen Wirkens des Netzwerks HEPA Europa sollte ein HEPA-Netzwerk der EU nicht das bestehende Netzwerk ersetzen, sondern nach gemeinsamen Betätigungsfeldern suchen. Der bereits funktionierende Austausch von Informationen und bewährten Praktiken des Netzwerkes HEPA Europa sollte als nachahmenswertes Modell betrachtet werden, und das Regionalbüro der WHO für Europa (Europäisches Zentrum für Umwelt und Gesundheit, ECEH) sollte in diesem Zusammenhang weiterhin eine wichtige Rolle übernehmen. Die Europäische Kommission sollte darüber nachdenken, wie HEPA Europa bei seinen EU-Maßnahmen und –Projekten unterstützt werden kann. Projektzuschüsse sollten auf der Grundlage begrenzter Ausschreibungen für die besten Angebote vergeben werden. Auf diese Weise könnte das Netzwerk einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung und Umsetzung dieser EU-Leitlinien für körperliche Aktivität in der EU leisten. Beispiel bewährter Praktiken Das Netzwerk HEPA Europa führt Jahrestreffen durch, die allen Organisationen und Personen offen stehen, die sich für die Verbreitung gesundheitsfördernder körperlicher Aktivitäten unter europäischem Blickwinkel interessieren. Mitglieder und Interessenten werden regelmäßig über laufende Aktivitäten und Veranstaltungen über die aktuelle Website von HEPA Europa informiert. Über das Netzwerk werden Aufklärungsbroschüren über Aspekte körperlicher Aktivität und Gesundheit mit wichtigen Fakten und Zahlen für politische Entscheidungsträger verbreitet. Eine Liste der vorhandenen Verfahren, Dokumente und Ziele bezüglich der Förderung körperlicher Aktivität in den verschiedenen europäischen Ländern wird fortlaufend aktualisiert. Das Netzwerk beteiligte sich an der Zusammenstellung von Fallstudien im Bereich der Zusammenarbeit zwischen den kommunalen und den Verkehrsbehörden zur Förderung körperlicher Aktivität, die einen Überblick über die europäischen Erfahrungen vermitteln. Eines der zahlreichen laufenden Projekte beschäftigt sich zum Beispiel mit Methoden zur Kosten-Nutzen-Analyse hinsichtlich Laufen und Radfahren. Handlungsmaßnahmen • Leitlinie 40 – Die Verbreitung und Umsetzung dieser EU-Leitlinien für körperliche

Aktivität auf europäischer Ebene ist durch ein EU-Netzwerk für gesundheitsförderliche Bewegung (health-enhancing physical activity HEPA) zu unterstützen, welches auf dem bestehenden Europäischen Netzwerk für gesundheitsförderliche Bewegung (HEPA Europe) beruht.

• Leitlinie 41 – Die Europäische Kommission wird diesbezüglich aufgefordert, sich

über die besten Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung eines EU-HEPA-Netzwerks Gedanken zu machen und das Netzwerk in die Implementierung und

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Bewertung von auf gesundheitsförderliche Bewegung bezogenen Projekten und die Verbreitung der Ergebnisse mit einzubeziehen.

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ANHANG: LISTE DER EXPERTEN

Die vorstehenden Leitlinien für körperliche Aktivität wurden von einer Expertengruppe entworfen, zu denen folgende wissenschaftliche Mitarbeiter gehören: (1) Lars Bo Andersen, Institut für Sportwissenschaft, Norwegen (2) Sigmund Anderssen, Institut für Sportwissenschaft, Norwegen (3) Norbert Bachl, Universität Wien, Österreich (4) Winfried Banzer, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt, Deutschland (5) Søren Brage, MRC Epidemiology Unit, Cambridge, Vereinigtes Königreich (6) Wolf-Dietrich Brettschneider, Universität Paderborn, Deutschland (7) Ulf Ekelung, MRC Epidemiology Unit, Cambridge, Vereinigtes Königreich (8) Mikael Fogelholm, UKK-Institut, Finnland (9) Karsten Froberg, Süddänische Universität, Dänemark (10) Nieves Palacios Gil-Antuñano, Hoher Sportrat, Spanien (11) Viesturs Larins, Akademie für Sporterziehung, Lettland, Estland und Litauen (12) Roland Naul, Universität Essen, Deutschland (13) Jean-Michel Oppert, Pierre et Marie Curie Universität, Frankreich (14) Angie Page, University of Bristol, Vereinigtes Königreich (15) Carlo Reggiani, Universität Padua, Italien (16) Chris Riddoch, Bath University, Vereinigtes Königreich (17) Alfred Rütten, Friedrich-Alexander-Universität, Deutschland (18) Bengt Saltin, Universität Kopenhagen, Dänemark (19) Luís Bettencourt Sardinha, Technische Universität Lissabon, Portugal (20) Jaakko Tuomilehto, Universität Helsinki, Finnland (21) Willem Van Mechelen, Abteilung für öffentliche und berufliche

Gesundheit/EMGO-Institut, VU Universitätsklinikum, Amsterdam, Niederlande (22) Henriett Vass, Sportdirektorat, Ungarn Die Expertengruppe wurde vom Referat Sport der Generaldirektion Bildung und Kultur der Europäischen Kommission geleitet, die auch die Rolle eines Sekretariats übernahm. Die EU-Arbeitsgruppe „Sport und Gesundheit“ benannte die Mitglieder der Expertengruppe und leitete die Erarbeitung dieses Dokuments. Die logistischen Ausgaben der Expertengruppe wurden von der Europäischen Kommission übernommen.