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58 | Biol. Unserer Zeit | 35. Jahrgang 2005 | Nr. 1 MAGAZIN | BUCHBESPRECHUNGEN Sie haben eine weite Verbreitung ge- funden. Auch den „Memoiren eines Tier- fotografen“ sind viele Leser zu wün- schen. Das preisgünstige Buch ist ein Zeitdokument, das von Glücksmo- menten in der Natur, aber auch von bitteren Enttäuschungen eines Foto- grafen berichtet, der von sich sagte: „Immer denke ich beim Fotografieren auch an den Bildbetrachter; und so war ich mit der Kamera zwar meis- tens allein, aber nie einsam.“ Der ungerade Weg Memoiren eines Tierfotografen Frieder Sauer, Fauna Verlag, Nottuln 2003, 2. korrigierte Auflage, 276 S., R 12,95. ISBN 3-935980-26-4. Manfred Keil, Neckargemünd ÖKOLOGIE | Durch dick und dünn Mittlerweile steht eine ganze Reihe von deutschsprachigen Lehrbüchern der Ökologie zur Verfügung. Über die 1990er Jahre haben sich beispiels- weise die Werke von Bick, Müller, Nentwig (Humanökologie), Odum, Remmert, Schubert und Tischler be- währt und sich ihre Leserschaft bis heute erhalten. 2004 erschienen nun zwei wei- tere Ökologie-Bücher. Wie ordnen sich diese in die Reihe der genannten und weiterer Titel ein? Das Buch von Wolfgang Nentwig, Sven Bacher, Carl Beierkuhnlein, Ro- land Brandl und Georg Grabherr ist ein umfangreiches, großformatiges Werk, welches praktisch die gesamte Ökologie abdeckt. Die Hauptkapitel Organismen, Populationen, Wechsel- wirkungen, Lebensgemeinschaften, Großlebensräume und Raumschiff Erde zeigen den Gedankengang vom Einfacheren zum Komplexeren. Der Text ist im Allgemeinen klar. Das Werk ist überwiegend ansprechend bebildert und meines Erachtens den ähnlich umfangreichen Werken vor- zuziehen, die in den vergangenen Jahren ins Deutsche übersetzt wur- den. Allerdings gibt es Mängel. Der auffallendste steckt im Register. Von den vielen Beispielen im Text, in de- nen von Arten/Gattungen die Rede ist, ist im Register nichts zu finden. Nehmen wir das ökologisch so span- nende Beispiel des Kartoffelkäfers, welches auf S. 383 dargestellt ist. Wie findet der Interessierte das? Durch Blättern im Buch? Kann man in dieser Neuerschei- nung etwas nachlesen über Dreis- sena und Riftia, Phyllopteryx und Photuris, Andricus, Schildkäfer und Habicht, um nur einige ökologisch interessante Formen zu nennen? Die Antwortet lautet: Ja! Allerdings müssen Sie mal suchen, wo. Dennoch möchte ich dieses Buch zum Lesen/Lernen für diejenigen empfehlen, die Ökologie als Haupt- fach gewählt haben. Es bietet sehr viel an interessanter und wichtiger Information. Wegen der Mängel im Register qualifiziert es allerdings we- niger als Nachschlagewerk, und wehe dem Lernenden, der irgendwo etwas Interessantes gelesen hat und es nicht wieder findet ... Das Buch von Rüdiger Wittig und Bruno Streit ist gegenüber dem vor- her besprochenen ein Leichtgewicht. Es erschien in der Reihe UTBbasics, gliedert sich in 21 Kapitel und beruht auf einer zweistündigen Ökologie- Vorlesung der Autoren. In gewisser Hinsicht ist es als modern zu bezeich- nen: Dem raschen Abschluss eines Bachelor-Studiengangs steht es sicher nicht als Hürde im Wege. Der Text ist sehr leicht verständlich, studentische Leser werden vieles schon aus Schul- büchern kennen. Das Sachregister führt praktisch keine Tier- und Pflanzennamen auf; auch fehlen wichtige Begriffe der mo- dernen Ökologie. Nichts über Chro- nobiologie und circadiane Rhythmen, Kalamität und Massenwechsel u.v.a., praktisch nichts über Neozoen, Fal- sches über Korallen. Das Fazit lautet: Die bewährten Werke aus den 1990ern haben noch keine adäquaten Nachfolger gefun- den, sind aber ja noch gut zu gebrau- chen. Wolfgang Tischlers „Einfüh- rung in die Ökologie“ von 1994 enthält ein Register mit etwa 1500 Gattungsnamen. Na also! Ökologie Wolfgang Nentwig, Sven Bacher, Carl Beierkuhnlein, Roland Brandl, Georg Grabherr, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2004, 466 S., R 49,95. ISBN 3-8274-0172-0. Ökologie Rüdiger Wittig, Bruno Streit, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2004, 303 S., R 19,90. ISBN 3-8252-2542-9. Volker Storch, Heidelberg WAHRNEHMUNGS- PSYCHOLOGIE | Wie wirklich ist die Wirklichkeit? In seiner Monografie über Wahrneh- mungspsychologie geht es Heinz Penzlin darum, die erkenntnistheore- tischen Probleme zu diskutieren, die das Phänomen Wahrnehmung auf- wirft, weniger darum, ihre physiolo- gischen und psychologischen Grund- lagen darzustellen, die aber der Aus- gangspunkt der Überlegungen sind. In den Vorbemerkungen wird dem Leser vermittelt, dass jede wis- senschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen Wahrnehmung von nicht beweisbaren Voraussetzungen aus- geht: 1. dem Realitätspostulat, das besagt, dass es eine vom Beobachter unabhängige Wirklichkeit gibt, und 2. dem Strukturpostulat. Danach wird vorausgesetzt, dass die Natur für uns im Prinzip begreifbar ist. Im Kapitel „Vom Reiz zur Wahr- nehmung“ wird der Weg beschrie- ben, auf dem sich, ausgehend von den Sinneszellen, neurale Signale pa- rallel zum und im Cortex ausbreiten. Den Schwerpunkt bildet das Sehsys- tem, andere Sinne werden tangiert,

Buchbesprechung: Ökologie von Rüdiger Wittig und Bruno Streit

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58 | Biol. Unserer Zeit | 35. Jahrgang 2005 |Nr. 1

M AG A Z I N | B U C H B E S PR EC H U N G E N

Sie haben eine weite Verbreitung ge-funden.

Auch den „Memoiren eines Tier-fotografen“ sind viele Leser zu wün-schen. Das preisgünstige Buch ist einZeitdokument, das von Glücksmo-menten in der Natur, aber auch vonbitteren Enttäuschungen eines Foto-grafen berichtet, der von sich sagte:„Immer denke ich beim Fotografierenauch an den Bildbetrachter; und sowar ich mit der Kamera zwar meis-tens allein, aber nie einsam.“

DDeerr uunnggeerraaddee WWeeggMemoiren eines Tierfotografen Frieder Sauer, Fauna Verlag, Nottuln2003, 2. korrigierte Auflage, 276 S., RR 1122,,9955. ISBN 3-935980-26-4.

Manfred Keil, Neckargemünd

Ö KO LO G I E|Durch dick und dünnMittlerweile steht eine ganze Reihevon deutschsprachigen Lehrbüchernder Ökologie zur Verfügung. Über die1990er Jahre haben sich beispiels-weise die Werke von Bick, Müller,Nentwig (Humanökologie), Odum,Remmert, Schubert und Tischler be-währt und sich ihre Leserschaft bisheute erhalten.

2004 erschienen nun zwei wei-tere Ökologie-Bücher. Wie ordnensich diese in die Reihe der genanntenund weiterer Titel ein?

Das Buch von Wolfgang Nentwig,Sven Bacher, Carl Beierkuhnlein, Ro-land Brandl und Georg Grabherr istein umfangreiches, großformatigesWerk, welches praktisch die gesamteÖkologie abdeckt. Die HauptkapitelOrganismen, Populationen, Wechsel-wirkungen, Lebensgemeinschaften,Großlebensräume und RaumschiffErde zeigen den Gedankengang vomEinfacheren zum Komplexeren. DerText ist im Allgemeinen klar. DasWerk ist überwiegend ansprechendbebildert und meines Erachtens den

ähnlich umfangreichen Werken vor-zuziehen, die in den vergangenenJahren ins Deutsche übersetzt wur-den. Allerdings gibt es Mängel. Derauffallendste steckt im Register. Vonden vielen Beispielen im Text, in de-nen von Arten/Gattungen die Redeist, ist im Register nichts zu finden.Nehmen wir das ökologisch so span-nende Beispiel des Kartoffelkäfers,welches auf S. 383 dargestellt ist. Wiefindet der Interessierte das? DurchBlättern im Buch?

Kann man in dieser Neuerschei-nung etwas nachlesen über Dreis-sena und Riftia, Phyllopteryx undPhoturis, Andricus, Schildkäfer undHabicht, um nur einige ökologischinteressante Formen zu nennen? Die Antwortet lautet: Ja! Allerdingsmüssen Sie mal suchen, wo.

Dennoch möchte ich dieses Buchzum Lesen/Lernen für diejenigenempfehlen, die Ökologie als Haupt-fach gewählt haben. Es bietet sehrviel an interessanter und wichtigerInformation. Wegen der Mängel imRegister qualifiziert es allerdings we-niger als Nachschlagewerk, und wehedem Lernenden, der irgendwo etwasInteressantes gelesen hat und esnicht wieder findet ...

Das Buch von Rüdiger Wittig undBruno Streit ist gegenüber dem vor-her besprochenen ein Leichtgewicht.Es erschien in der Reihe UTBbasics,gliedert sich in 21 Kapitel und beruhtauf einer zweistündigen Ökologie-Vorlesung der Autoren. In gewisserHinsicht ist es als modern zu bezeich-nen: Dem raschen Abschluss einesBachelor-Studiengangs steht es sichernicht als Hürde im Wege. Der Text istsehr leicht verständlich, studentischeLeser werden vieles schon aus Schul-büchern kennen.

Das Sachregister führt praktischkeine Tier- und Pflanzennamen auf;auch fehlen wichtige Begriffe der mo-dernen Ökologie. Nichts über Chro-nobiologie und circadiane Rhythmen,Kalamität und Massenwechsel u.v.a.,praktisch nichts über Neozoen, Fal-sches über Korallen.

Das Fazit lautet: Die bewährtenWerke aus den 1990ern haben noch

keine adäquaten Nachfolger gefun-den, sind aber ja noch gut zu gebrau-chen. Wolfgang Tischlers „Einfüh-rung in die Ökologie“ von 1994 enthält ein Register mit etwa 1500Gattungsnamen. Na also!

ÖÖkkoollooggiieeWolfgang Nentwig, Sven Bacher, CarlBeierkuhnlein, Roland Brandl, GeorgGrabherr, Spektrum AkademischerVerlag, Heidelberg 2004, 466 S., RR 4499,,9955. ISBN 3-8274-0172-0.

ÖÖkkoollooggiieeRüdiger Wittig, Bruno Streit, VerlagEugen Ulmer, Stuttgart 2004, 303 S.,RR 1199,,9900. ISBN 3-8252-2542-9.

Volker Storch, Heidelberg

WA H R N E H M U N G S -P S YC H O LO G I E|Wie wirklich ist die Wirklichkeit?In seiner Monografie über Wahrneh-mungspsychologie geht es HeinzPenzlin darum, die erkenntnistheore-tischen Probleme zu diskutieren, diedas Phänomen Wahrnehmung auf-wirft, weniger darum, ihre physiolo-gischen und psychologischen Grund-lagen darzustellen, die aber der Aus-gangspunkt der Überlegungen sind.

In den Vorbemerkungen wirddem Leser vermittelt, dass jede wis-senschaftliche Beschäftigung mit demPhänomen Wahrnehmung von nichtbeweisbaren Voraussetzungen aus-geht: 1. dem Realitätspostulat, dasbesagt, dass es eine vom Beobachterunabhängige Wirklichkeit gibt, und 2. dem Strukturpostulat. Danachwird vorausgesetzt, dass die Natur füruns im Prinzip begreifbar ist.

Im Kapitel „Vom Reiz zur Wahr-nehmung“ wird der Weg beschrie-ben, auf dem sich, ausgehend vonden Sinneszellen, neurale Signale pa-rallel zum und im Cortex ausbreiten.Den Schwerpunkt bildet das Sehsys-tem, andere Sinne werden tangiert,