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Buchholz, Michael B. Schachspieler, Gast vom fremden Stern, Kapitän auf großem Fluß, Freud und Bateson - Zur Kontroverse zwischen Psychoanalyse und Systemtheorie Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 35 (1986) 8, S. 275-283 urn:nbn:de:bsz-psydok-31853 Erstveröffentlichung bei: http://www.v-r.de/de/ Nutzungsbedingungen PsyDok gewährt ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht- kommerziellen Gebrauch bestimmt. Die Nutzung stellt keine Übertragung des Eigentumsrechts an diesem Dokument dar und gilt vorbehaltlich der folgenden Einschränkungen: Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen. Mit dem Gebrauch von PsyDok und der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. Kontakt: PsyDok Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek Universität des Saarlandes, Campus, Gebäude B 1 1, D-66123 Saarbrücken E-Mail: [email protected] Internet: psydok.sulb.uni-saarland.de/

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Buchholz, Michael B.

Schachspieler, Gast vom fremden Stern, Kapitän auf großem Fluß, Freud und Bateson - Zur Kontroverse zwischen Psychoanalyse und Systemtheorie

Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 35 (1986) 8, S. 275-283 urn:nbn:de:bsz-psydok-31853 Erstveröffentlichung bei:

http://www.v-r.de/de/

Nutzungsbedingungen

PsyDok gewährt ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt. Die Nutzung stellt keine Übertragung des Eigentumsrechts an diesem Dokument dar und gilt vorbehaltlich der folgenden Einschränkungen: Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen.

Mit dem Gebrauch von PsyDok und der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. Kontakt: PsyDok

Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek Universität des Saarlandes, Campus, Gebäude B 1 1, D-66123 Saarbrücken

E-Mail: [email protected] Internet: psydok.sulb.uni-saarland.de/

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INHALT

Aus Praxis und Forschung

Bartoszyk, J, Nickel, H Teilnahme von Vätern an Saug-

hngspflegekursen und ihr Betreuungsverhalten in den

eisten Lebenswochen des Kindes (Eather's Partrcrpa-tion in Infant Caretaking Courses and Paternal Care-

taking Behavior in the First Weeks of Life) 254

Bauers, B, Reich, G, Adam, D Scheidungsfamilien Die

Situation der Kinder und die famihentherapeutische

Behandlung (The Situation of the Children and the

Family Therapy in Famihes of Divoice) 90

Biermann, G, Kos-Robes, M Die Zeichentest-Batterie

(The Drayy mg Test Battery) 214

Boehnke, K Probleme der Intelligenzmessung bei Kin¬

dern mit dem HAWIK-R (Problems of the Measure¬

ment of Intelligence in Children by Means of the

HAWIK-R) 34

Dittmann, R W, Kioning-Hammer, A Interkulturelle

Konfhkte bei 10-18jahngen Madchen türkischer Her¬

kunft (Intercultural Confhcts in 10 to 18 Years Old

Girls ofTurkish Origin) 170

Fischer, G Die Beziehung des Kindes zur gegenstandh-chen und personalen Welt (The Child's Object-Directed and Interpersonal Relations) 2

Goies, H G, Gotting, S Überleitung einer Therapie¬gruppe mit Jugendlichen in eine Selbsthilfegruppe(Transferal of a Therapy-group for Adolescents into a

Self-help-group) 177

Gruen, A , Prekop, J Das Festhalten und die Problematik

der Bindung im Autismus Theoretische Betrachtungen(Holding and Attachment in Autism Theroretical

Considerations) 248

Gutezeit, G, Marake, J, Wagner, J Zum Einfluß des

KorpeiIdealbildes auf die Selbstemschatzung des iea-

len Korperbildes im Kindes- und Jugendalter (The In-

fluence of Ideal Body Images on the Assessment of

Real Body Image in Children and Juveniles) 207

Hartmann, H Aufmerksamkeits-Interaktions-Therapiemit psvchiotischen Kindern (Attention-Interaction-

Therapy with Psychotic Children) 242

Hobrucker, B Eine Verlaufsanaivse heilpadagogischerProbleme in kinderpsychiatrischen Langzeitbehandlungen (A Process Analysis of Problems in SpecialEdueation during Residential Child Psychiatric Treat¬

ment 82

Klosinski, G Die Bedeutung des Vaters fui die Entwick¬

lung dehquenten Verhaltens (The Significance of the

Father for the Deyelopment of deliquent Behavior) 123

Knolker, U Psychotherapie bei Colitis ulcerosa in der

Adoleszenz (About Psychotherapy of Colitis ulcerosa

in Adolescence) 8

Krampen, G Zur Verarbeitung schlechter Noten bei

Schülern (Stress and Coping with Grades in Schols) 200

Ossowsky, G Zur Anorexia nervosa im Kindes- und Ju¬

gendalter - Behandlungsplan und Katamnese (In Ad¬

dition to Anorexia Neryosa in Early Adolescence -

Treatment and Catamnestic Investigation) 56

Reich, G, Bauers, B, Adam, D Zur ramihend) namik

von Scheidungen Eine Untersuchung im mebrgeneiitionalen Kontext (The Family Dynamics of Deyotce

an Investrgation in the Multigenerational Contevt) 42

Rosset, E, Steffens, W, Konig, R Entwickeln adiposeKinder eine geringere Leistungsmotivation-' (Do

Obese Children Develop a Low Need for Achime

ment') 164

Sarimski, K Untersuchungen zui Entwicklung der sen

somotonschen Intelligenz bei gesunden und behindei

ten Kindein (Studies of Sensonmotor Deyelopment m

Normal and Retarded Children) 16

Schecter, D E Bemerkungen zur Entwicklung der Kie

ativrtat (Notes on the Development of Cieatiy ity) 2 1

Schutze, Y Der Verlauf det Geschyyisteibeziehung wah

rend der ersten beiden Jahie (The Course ot SibhngRelationship Dunng the First Ivvo'ieais) 130

Streeck-Fischer, A „Rahmensetzende" und „bundnisbildende" therapeutische Funktionen in der klinischen

Psychotherapie yon Kmdein und Jugendlichen („Gu

idrng" and „Alhance Forming" Theiapeutic lunctions

in Chnical Psychothetapy yyith Children and Adoles¬

cents) 50

Sussenbachei, G Hilfreichei Dialog als stiukturales Pio¬

blem Zur Ubeietnstimmung yon Methaper und Affekt

- Erörterung am Beispiel einer Märchen Kur/therapievon Enkopresis (Helpful Dralogue as Structural Pro

blems About Correspondence of Metaphor with \f

fection - Discussion on the Illustntton of a Eairy

Tale-Bnef-Treatment of Encopresis) 137

Wiesse, J Uber die Angst in der Psychotherapie yon Ju¬

gendlichen (Anxiety in the Psychotherapy of Adoles

cents) 87

Wirschmg, AI Krankheit und Eamihe - Zur Entwick

lung einer beziehungsdynamischen Sicht in der Psychosomatik (Illness and the Family - Towards a Sv

stem's Perspective in Psychosomatic Medicine) I 18

Pädagogik und Jugendhilfe

Bourgeon, AI Beratungsarbeit mit Familien von Vei folgten aus der NS-Zeit (Expenences in Counsehng with

Famihes of Victims of the Holocaust) 222

Hartmann, K Das Problem dei Intervention in der Re

habihtation (The Problem of Intetvention in Rehabih

tation) 146

Hoffineyer, O, Hi/s, J Offene Spielgruppe in der Ju-

gendps) chiatne (Open Plavgroups in Adolescent Psy

chiatry) 261

Hubbertz, K P Prävention in ländlichen Erziehungsbe

ratungsstellen (Preventron in Rural Welfarccentres for

Eamilycounsehng) 96

Huffnei, U, Mayr, T Integtative Korpertherapie - eine

Integrationshilfe bei der gemeinsamen Forderung be¬

hinderter und nichtbehmdeiter Kinder im Kindergar¬ten' (Integrative Body Therapy - Can it Support Inte

gi ation in Joint Furthermg of Handicapped and Non-

Handicapped Children in Kindeigarten') 184

Vandenhoeck&Ruprecht (1986)

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I\ Inhalt

Familientherapie

Austeimann, W, Reinhard, H G Ein Euisorgegutachtenals systematisch-famihentherapeutische Intervention

(\n Expcrt in Child Weifare as a Systemic-Fanuly

Therapeutic Intervention) 302

Buchholz, AI B Schachspieler, Gast vom fiemden Stern,

Kapitän auf dem großen Fluß, Freud und Bateson -

Zur Kontroverse zwischen Psychoanalyse und System¬theorie (Chessplayer, Guest from a distant Star, the

Great Rrver's Captain, Freud and Bateson - A Contrr-

butron to the Controversy between Psvchoanalysrs and

Systemic Theory) 274

Heekerens, Fl P Zehn Jahre Famihentherapie in Erzie¬

hungsberatungsstellen - Entwicklung und Fehlent¬

wicklung (Ten Years Family Therapy in Child Guid¬

ance) 294

Atussig, R Famihentypologie - Ein hohstisches Klassifi¬

kationsschema auf der Basis von Gestaltwahrneh-

mung, Humantheologie, Systemtheorie und Psycho¬analyse (Familv Tvpology - A Hohstic Classification

Scheme Based on Gestalt Conception, Human Ehto-

logy, System Theory und Psychoanalytical Theory) 283

Ruckett-Embden-Jonasch, I u a Famihentherapeuten er¬

leben ihre Herkunftsfamihe (Family Therapists Expe¬nence Their Families of Orrgin) 305

Tagungsberichte

Bericht uber den 11 Internationalen Kongreß der Inter¬

national Association for Child and Adolescent Psy¬chiatrv and Alhed Professions 312

Ehrungen

Hedwig Wallis zum 65 Geburtstag 150

Buchbesprechungen

Armstrong, L Kiss Daddy Good Night Aussprache uber

Inzest 151

Baumarin, U (Hrsg ) Psychotherapie Makro/Mikroper-

spektive 155

Beland, H ua (Hrsg) Jahrbuch der Psychoanalyse,Bd 16 27

Beiz, H, Muthmann, Ch Trainingskurse mit Randgrup¬

pen 26

Berger, F, Friedlich, HM, Schuck, B Verhaltensbeurtei¬

lung bei Kindern und Jugendlichen 104

Bettelheim, B So können sie nicht leben 25

Biber, B Early Edueation and Psychological Develop¬ment 156

Bleidick, U (Hrsg) Theorie der Behindertenpadagogik 106

Boczkowski, K Geschlechtsanomalien des Menschen 266

Bos, K, Mechhng, H Bilder-Angst-Test fur Bewegungs¬situationen 106

Bratnerd, Ch J, Pressley, AI (Hrsg ) Basic Processes in

Memory Development Progress in Cognitive Deve¬

lopment Research 111

Brakhoff, J (Hrsg ) Eßstorungen - ambulante und Sta¬

tionare Behandlung 108

Brand, M Erziehungsberatung im Spannungsfeld von

Familie und Schule 157

Brandstadter, J, Grasa, H (Hrsg ) Entwicklungsbera

tung unter dem Aspekt der Lebensspanne 192

Briet, R, Morsberger, H Kindei btauchen Horte 75

Bruder-Bezzel, A, Bruder, K J Jugend Psychologie ei

ner Kultur 153

Brunner, E J Grundlagen der Familientherapie Systematische Theorie und Methodologie 268

Bundschuh, K Dimensionen der Forderdiagnostik bei

Kindern mit Lein-, Verhaltens- und Entwicklungspro-blemen 231

Burkhard!, H, Krech, R Aggression und geistige Behin¬

derung 76

Dietrich, G Erziehungsvorsteilungen von Eltern 234

Eberlein, G Autogenes Training fur Kinder 318

Eggers, Ch (Hrsg) Emotionalitat und Motivation im

Kindes-und Jugendalter 156

Eichlseder, W Unkonzentriert - Hilfen fur hyperaktiveKinder und ihre Eltern 73

Eiser, Ch The Psychology of Childhood Illness 318

Fleischer-Peter, A , Scholz, U Psychologie und Psychoso¬matik in der Kieferorthopadie 320

Freutet, E Erziehung ohne Zwang 25

Frey, D, Irle, M (Hrsg ) Motivations- und Informa-

tronsverabertungstheonen 267

Fromm, E Psychoanalyse und Religion 155

Fthenakis,WE Vater (Bd I und II) 315

Fuchs, M Funktionelle Entspannung in der Kinderpsy¬

chotherapie 72

Fussentch, I, Glaß, B Dysgrammatismus 191

Goppnet, H J Hilfe durch Kommunikation in Erzie¬

hung, Therapie, Beratung 103

Haubl, R, Peltzer, U Veränderung und Soziahsation 158

Heil, G Erziehung zur Sinnfindungshaltung - eine Ant¬

wort der Lernbehindertenpadagogik 26

Hennig, C, Knodter, U Problemschuler - Problemfami-

hen 232

Juttemann, G (FIrsg) Die Geschichtlichkeit des Seeli¬

schen 319

Krahenbuhl, V u a Stieffamilien Struktur - Entwick¬

lung - Therapie 267

Kieme-Moritz, G Der gegenwartige Stand des Rechts-

Links-Problems 265

Khcpera, Ch Leistungspiofile von Kindern mit spezifi¬schen Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten 316

Krech, D ua Grundlagen der Psychologie (Bd I—VIII) 104

Langenmayr, A, Prumel, U Analyse biographischer Da¬

ten von Multiple Sklerose-Kranken 92

Eiepman, D, Stiksrud, A (Hrsg) Entwicklungsaufgabenund Bewaltigungsprobleme in der Adoleszenz 234

Marx, H Aufmerksamkeitsverhalten und Leseschwierigkeiten 104

Mehringer, A Verlassene Kinder 73

Meyer, W U Das Konzept der eigenen Begabung 28

Vandenhoeck&Ruprecht (1986)

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Inhalt

Morgan, S R Children in Cnsis A Team \pproach in

the Schools

Musselwhtte, C R Adaptive Play for special Needs Chil¬

dren

Nickolai, W u a Sozialpadagogik im Jugendstrafvoll

zug

Nissen, G (Hrsg ) Psychiatrie des Pubertatsalters

Oswald, G, Mullensiefen, D Psycho-soziale Famihenbe

ratung

Päramo Ortega, R Das Unbehagen an der Kultur

Perrez, M u a Erzrehungspsychologische Beratung und

Intervention

Peteimann, F Psychologie des Vertrauens

Petermann, U Kinder und Jugendliche bessei verstehen

Qintmann, H Humanistische Psychologie

Rahn, H Talente finden - Talente fordern

Remschmidt, H, Schmidt, M H (Hrsg ) Kinder- und Ju¬

gendpsychiatne in Klinik und Praxis (Bd II)

Remschmidt, H, Schmidt, M H (Hrsg ) Kinder- und Ju

gendpsychiatne in Klinik und Praxis (Bd III)

Remschmidt, H, Schmidt, M H (Hrsg ) Therapieevaluation in der Kinder- und Jugendpsychiatne

Rtedl, I Tabu im Märchen

Rotthaus, W (Hrsg) Psychotherapie mit Jugendlichen

Rudnick, M Behinderte im Nationalsozialismus

Rudolf G A, Tolle, R (Hrsg ) Prävention in der Psych¬iatrie

Sedlmayr-Langer, E Klassifikation von Klinischen Äng¬sten

Schaer, K R u a Die Streßreaktion - Physiologie und

Verhalten

Schmidt, H D, Schneeweiß, B (Hrsg) Schritt um Schritt

Die Entwicklung des Kindes bis ins 7 Lebensjahr

71

317

229

108

190

109

229

266

102

108

74

235

268

320

265

232

235

Schulte, F J, Spranger, J (Hrsg) Lehibuch der Kinder

hedkunde 317

Schwabe-Hollein, M Hrntergrundanalvsen zur Kinder

kriminalität 230

Shepherd, M (Hrsg) Psychiater uber Psychiatrie 319

Solnit, A J u a (Hrsg ) The Psychoanalytic Study of

the Child (Vol 39) 110

Spreen, O ua (Hrsg) Human-Developmental Ntuio

psychology 27

Stein, A, Stein, H Kreativität Psychoanalytische und

philosophische Aspekte 233

Textor, M E Integrative Familientherapie 317

Thommen, B Alltagspsvchologie von Lehrern uber vei

haltensauffalhge Schuler 191

Tobler, R, Grond, J (Hrsg) Fruherkennung und Iruh

erzrehung behinderter Kinder 103

Wiedl, K H (Hrsg) Rehabihtationspsychologie Giund

lagen, Aufgabenfelder, Entwicklungsperspektiven 114

Wieghaus, B Ich habe mich nicht gemalt, weil ich nicht

zur Familie gehöre - eine Kindeithcrapie 193

Ytvisaka, M (Hrsg ) Head Injurv Rehabilitation Chil

dren and Adolescents 110

Autoren der Hefte 24, 64, 102, 150, 189, 228, 265, 314

'' 1 Diskussion/Leserbnefe 24, 64

105

Tagungskalender 29, 77, 112, 159, 193, 236, 269, 321

231

316 Mitteilungen 30, 78, 112, 160, 194, 237 270, 322

Vandenhoeck&Ruprecht (1986)

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JwMBi^ifmraße

Aus der Abteilung fur Psycho- und Soziotherapie am Zentrum Psychologische Medizin der Universität Gottingen(Abteilungsvorsteher: Prof. Dr. E. Sperling)

Schachspieler, Gast vom fremden Stern, Kapitän auf großem Fluß,Freud und Bateson - Zur Kontroverse

zwischen Psychoanalyse und Systemtheorie

Von Michael B. Buchholz

Zusammenfassung

Die kontroversen Punkte zwischen Psychoanalyse und

Systemtherapie werden aufgelistet. Kernstuck therapeuti¬scher Haltung und Identität sind Metaphern; Freud

sprach vom Analytiker nicht nur als Chirurg, sondern

verglich ihn auch mit dem Schachspieler; von systemi¬scher Seite wird der Therapeut als „Kapitän auf großemFluß" (Simon/Stierlin) gesehen. Diese Metaphern lassen

sich austauschen: im allgemeinen gilt ja der systematischeTherapeut als der strategische Schachspieler und umge¬

kehrt. Gute klinische Theorie hat in ihrem Zentrum ein

set von nahe verwandten Metaphern, so daß Batesons

Konzept der „doppelten Beschreibung" angewendet wer¬

den kann: zirkuläres und kausales Denken, Kreis und

Gerade können im Modell der Spirale vereinigt werden.

Das ist - überraschenderweise - allerdings der traditio¬

nelle psychoanalytische Weg, sich der Wahrheit zu na¬

hern. „Wahrheit" ist weder subjektiv noch objektiv, we¬

der systemisch noch psychoanalytisch: sie braucht den

Konsens, sie ist Angelegenheit eines gelingenden Dia¬

logs.

1 Einleitung

Eine erneute Aufnahme dieses Themas kann nicht

ohne einige vorausgerichtete Bemerkungen geschehen.Kann überhaupt von einer Kontroverse gesprochen wer¬

den' Im wesentlichen wird an der Anwendung der Sy¬stemtheorie, vor allein in der Famihentheorie und -thera¬

pie von psychoanalytischer Seite aus Kritik geübt (z.B.Mohrmg, 1982; Buchholz, 1981, 1982). Systemtherapeu¬ten antworten auf solche Kritiken nicht und entwickeln

ihr eigenes Konzept weiter. Diese Situation kann entwe¬

der zu einem Stillstand der wissenschaftlichen Auseinan¬

dersetzung fuhren oder aber insofern fruchtbar werden,als beide Richtungen unterschiedliche Wege einschlagenund so nebeneinander koexistieren. Dies Auseinander¬

driften der Kontinente ist derzeit der „mainstream" des

therapeutischen Denkens. Nur wenige Autoren versu¬

chen, Psychoanalyse und Systemtheorie in gegenseitigbefruchtender Weise zu nutzen, um Schwachen der

Theoriebildung, aber auch Mangel der therapeutischenPraxis im Licht der je anderen Theorie überhaupt identi¬

fizieren zu können. Furstenau (1984) hat den „Rahmen"der psychoanalytischen Situation in systemischer Per¬

spektive beschrieben; Tafertshofer (1980) interpretiertahnlich psychoanalytische Verfahrensregeln; Kohler

(1982) referiert Ergebnisse der Mutter-Kind-Interak¬

tionsforschung und sieht deren therapeutischen Nutzen

darin, daß sie als Hintergrundsfolie fur das Zusammen¬

spiel von Übertragung und Gegenubertragung aufgefaßtwerden können - dies Zusammenspiel aber beschreibt ein

System. Ciompi (1984) hat auf theoretisch anspruchsvol¬lem Niveau Systemtheorie, Psychoanalyse und Piagetsgenetische Epistemologie zu integrieren versucht; dabei

allerdings entsteht der Eindruck des Verlusts der „Tiefe"und der Eigentümlichkeit gerade der psychoanalytischenTheorie. Sie laßt sich nicht „kognitivieren". Ich habe

(Buchholz, 1985) die Integration von Psychoanalyse und

Systemtheorie auf dem Gebiet der Selbstpsychologie ver¬

sucht; dabei kam das moderne Konzept der „Auto-

poiese" als systemisches Äquivalent des erweiterten psy¬

choanalytischen „Selbst" zur Anwendung. Auf philoso¬phische Hintergrunde kann hier nun verwiesen werden

(vgl. Buchholz, 1986); hier sollen therapeutische Konse¬

quenzen starker akzentuiert werden.

Eine Auseinandersetzung zwischen beiden Richtungenist demnach sinnvoll - aber wird sie auch gewünscht'Peggy Penn (1983) kennzeichnet die zirkuläre Sichtweise

der Systemtherapie durch das sehr anschauliche Bild vom

Kreis; die angeblich kausale Vorgehensweise der Psycho¬analyse und anderer Individuum-zentrierter Therapiefor¬men ließe sich durch das Bild der Geraden veranschauli¬

chen. Eine Synthese, so Penn, scheint nicht möglich zu

sein. Bei zirkularer und kausaler „Sichtweise" handelt es

sich jedoch um Beschreibungen von therapeutischen Pro¬

zessen durch Beobachter. Wenn wir Bateson (1982)Glauben schenken, wonach erst durch „doppelte Be-

Prax Kinderpsychol Kinderpsychiat 35 274-283 (1986), ISSN 0032-7034

© \andcnhoeek & Ruprecht 1986

Vandenhoeck&Ruprecht (1986)

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M B Buchholz Schachspieler, Gast vom fremden Stern, Kapitän auf dem großen Iluß, Freud und Bateson 275

Schreibung" (s u ) überhaupt „Tiefe" entsteht, käme es

einem Veilust an Tiefe gleich, Penns Behauptung von der

Unmöglichkeit einer Synthese stehen zu lassen Sie exi¬

stiert tatsächlich in Torrn der Spirale Immer nur im eige¬

nen Kreis sich zu bewegen, veranschaulicht eher das

Thema vom Wiederholungszwang, nicht jedoch ist es

eine geeignete Metaphei fur therapeutische Veranderun

gen, immer nur geiadeaus laufen zu wollen und anzu¬

nehmen, daß mit dem Ausgangspunkt beieits auch das

Ziel festliegt, unterschätzt die menschlichen kreativen

Möglichkeiten Die Synthese in Form einer Spnale ver¬

anschaulicht hingegen eine Entwicklungslogik, der wir in

unseren Famihentherapien doch immer wieder begegnenEntwicklung geschieht, indem wir alten Themen und

Konfhktbereichen unseres Lebens immei wieder begeg¬nen, jedoch sozusagen auf hoherei Stufe

Die prägnante Gegenüberstellung von Kreis und Gera

der als Metapher fur die Auseinandersetzung zwischen

Systemtheorie und Psychoanalyse scheint mir ein Bei¬

spiel dafür zu sein, von welch gravierenden Mißveistand-

mssen und aber auch gegenseitigen Fehlwahrnehmungendie Auseinandersetzung gekennzeichnet ist In solche

Fehlwahrnehmungen fließen immer sehr personlicheMotive mit ein, auch meine Darstellung und Stellung¬nahme in dieser Kontroverse kann naturlich nicht anders

gelesen werden Solche peisonhchen Motivierungen eig¬

nen sich jedoch nicht fur eine wissenschaftliche Ausein¬

andersetzung, sie sollten jedoch in Rechnung gestelltund im Auge behalten werden

Die Diskussion scheint mir von vielen affektiven Kli¬

schees beherrscht Eines davon ist die Gleichsetzung der

Systemtheorie mit einer kuh) überlegte Technik applizie¬renden Verfahrensweise zur Veränderung von Men¬

schen, auf der anderen Seite wud die Psychoanalyse hin¬

gestellt als eine von Gefühlen und Empathie daherre¬

dende alte Tante, von der jedoch nicht wirklich Problem¬

losungen zu erwarten sind Eine solche Dichotomisie¬

rung entspricht der in unserem Fuhien und Denken sehr

tief verwurzelten Spaltung zwischen Gefühl und Ver¬

stand, nicht jedoch den Wirklichkeiten beider Richtun

gen Eine solche Spaltung reproduziert konventionelle

Klischees, die offenbar tiefer greifen als unsere theoreti¬

schen Denkgewohnheiten Immerhin wird der Psvcho

analytiker auch von nicht psychoanalytischer Seite (Ja-

hoda, 1985) bestätigt, daß sie sich gerade nicht nur fur

das „Affektive" (und Piaget etwa fur das „Kognitive") in¬

teressiere, vielmehl strebe die Psychoanalyse von Anfangan eine Synopse aufeigenem Boden an Das der Psycho¬

analyse eigene Postulat von der Einheit der Person, der

Einheitlichkeit des Psychischen (Ciompi, 1982) spent

sich gegen alle Versuche, Erfahrung und Erleben modern

in verschiedene „Bereiche" zu zerstückeln Hier halt die

Psychoanalyse „konservativ" an einer Einheit fest, die im

modernen „Psychowirrwarr" verloren zu gehen dioht,

dies konservative Moment erweist sich gerade als Kultui-

kntisches es verhalt sich widerstandig gegen die unre-

flektierte Veieinnahmung durch gesellschaftliche Ten¬

denzen, die im therapeutischen Piozeß selbst analysiertwerden sollten Wenn Psychoanalytiker sich aufs „Affek¬

tive" zurücknehmen lassen, geben sie damit den kultui

kntischen Anspruch auf Kulturkritik namlich ist Sache

des Denkens, „Betroffenheit" nicht Ergebnis, sondern

bestenfalls aufstachelndei AnspornBeide Seiten jedoch tragen zu dieser Dichotomisierung

bei, indem sie sich so piasentieien, wie sie \on den ande¬

ien hingestellt -werden Man hat tatsächlich manchmal

den Eindruck, als ginge es der Systemtheone lediglichum die Optimierung von technischen Losungsstrategienmenschlicher Probleme und als beiufe sich dei ps\cho

analytisch verfahrende Famihentherapeut immei wiedei

auf seine Empathie, ohne daß die Möglichkeit bestünde,

seine Vorgehensweise zu erklären und sie damit auch

lehrbar zu machen

Halten wir fest es geht um verschiedene Theorien und

den Versuch ihrer Anwendung Dabei hat die Praxis im

mer einen betrachtlichen Überhang, der sein schwer

theoretisch zu fassen ist Die Erfahrung lehrt und es ist

meine peisonhche Überzeugung, daß die meisten piakti-zierenden Therapeuten bessei sind als die von ihnen \er-

tretenen Theorien Die Integration verschiedener An

satze gelingt, z T bruchig, in ihrer Peison Damit \ei-

bunden ist, daß therapeutisches Können in entscheiden¬

den Bereichen nicht diskuisiv vetmittelt werden kann, es

bleibt immei ein Rest, der - weil ei uber Sprache hinaus

geht - an die personale Vermittlung gebunden ist Dies

Problem ist seit Plato bekannt, berührt also nicht nui

therapeutische Dialoge Es geht um ein „Wissen", das ab¬

solut persönlich ist und universell zugleich und das viel¬

leicht der Weisheit nahesteht Die moderne, auch s\ste

mische Theonebildung droht den Bezug dazu zu verlie¬

ren, insofern sie Wissen lediglich mit „Information"

gleichsetzt Es ist deshalb meine Überzeugung, daß die

ser praktische Ubei hang, der vom Geschick, dei Lebens¬

erfahrung und Intuition des Therapeuten gefüllt ist, der

Psychoanalyse nahersteht als dem Vokabular der S>stemtheone Kohut (1973) z B beschreibt eine Stufen

folge der Reifung des Narzißmus, die von dei „Infoima

tion" uber das „Wissen" zur „Weisheit" fortschreitet',

Stein (1986) greift solche Überlegungen auf und sieht die

Reifung therapeutischer Kompetenz m der Entfaltungdes eigenen Selbst Von svstemischei Seite wnd dei hiei

anvisierte Bereich des theiapeutischen Dialogs eher nn-

stifizierend als „Charisma" mancher Theiapeuten be¬

schrieben Die Systemtheorie sieht m L etwas Richtiges,kann es jedoch nicht angemessen in der ihi eigenen Sprache fassen

1 Hiei greift der Psychoanalytiker Kohut ein philosophisches Problem (die Steigerungsstufen des Erkennens) auf, das

Cusanus vorformulieit hat Er sieht die einfache Form der Er

kenntnis als „sensus", die sich uber den „intellectus' (und andere

Zwischenstufen) zur „\isio" steigert Die letzteie ist die höchste

und entspricht der mystischen „Schau" der Finheit der Welt,

dem Mathematiker Cusanus ist namlich nicht das naturwissen

schaftliche Bescheidwissen das Höchste - ich erwähne das hier

weil in solchem Rekurs deutlieh wird was uns modernen Men

sehen - trotz oder wegen des Fortschritts - \eiloren ging

Vandenhoeck&Ruprecht (1986)

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276 M B Buchholz Schachspielei, Gast vom fremden Stern, Kapitän auf dem großen Fluß, Freud und Bateson

2 Was ist, wenn die Integration verschiedener Ansätze in

der Person des Therapeuten nicht gelingt oder scheitert?

Nach meiner Kenntnis wnd die Auseinandersetzungzwischen den beiden Richtungen oft auf einei falschen

Ebene gefuhrt, so daß den Praktikern, die sich dafui in

teressieren und ihre berufliche Identität stabilisieren wol¬

len, oft nur ein resignativer Ruckzug verbleibt Ihr Ruck¬

zug nimmt oft die Form an, daß sie resigniert feststellen,daß Therapeuten der verschiedensten Richtungen halt

doch oft dasselbe tun Ich meine nun, daß diese Diskus¬

sion nicht auf der Ebene gefuhrt werden sollte, was The¬

rapeuten „tun" (Ähnlich hat sich auch schon Bauriedl,

1980, geaußeit) Ob ein Psychoanalytiker etwas tut oder

ein Verhaltenstherapeut oder ein Systemtherapeut, macht

einen Unterschied Entscheidend ist, wie einer darubei

denkt, was ei tut, dort zeigen sich die Differenzen Das

Denken ist das Ordnen des Tuns (Aebli), nui auf dieser

Ebene lassen sich ubeihaupt Differenzen diskutieren

Differenzen sind namlich auf Begründungen angewiesen

und Begiundungen verweisen auf die theoretischen Zu¬

sammenhange oder aber auf die Intuition des Theiapeuten "Von dieser mußte sich im Zweifelsfall feststellen las¬

sen, ob sie richtig war oder nicht

Neben dem resignativen Ruckzug von der Kontro

verse findet sich aber auch eine Losung bei Praktikern,

die ich veihangnisvoll finde den therapeutischen Eklek¬

tizismus Da wnd dann ein Kleid, ein Rock oder auch

eine Hose aus Stoffen von Gestalttherapie, Psychodrama,

Psychoanalyse, Verhaltenstherapie und schließlich auch

noch Systemtheorie zusammengenaht, das dann zwai

dem Einzelnen passen und ihn warmen mag, unberuck

sichtigt bleibt jedoch, ob diese Stoffe miteinander ver¬

traglich und stimmig sind Ein Kriterium fur Stimmigkeitkonnte u a auch die Schönheit der gelungenen Mixtur

sein Ein solcher Eklektizismus ist sehr häufig, seine Ge¬

fahr besteht dann, daß die Kohärenz der dann verschnit¬

tenen Theoriestoffe gefährdet ist Der Eklektizismus

übersieht, daß therapeutische Konzepte in methodischer

wie inhaltlicher Sicht identitatsbildend und handlungslei-tend sind Daiuber hinaus sollen Konzepte den Patienten

auch davor bewahren, nur allem der Persönlichkeit des

Theiapeuten ausgeliefert zu sein, der Thetapeut kann

sich in schwierigen therapeutischen Situationen am Kon¬

zept orientieren Das heißt geiade nicht, daß Therapieunpersönlich wird, Konzepte gehen immer durch die

Person des Therapeuten hinduich, ihre Anwendung er¬

halt eine persönliche Färbung Aber Konzepte und wis¬

senschaftliche Orientierung bilden auch ein Korrektiv

und eine Hilfe fur die Petsonlichkeit des TherapeutenEin wilder, nur am pragmatischen „Erfolg" orientierter

Eklektizismus verhindert die Herausbildung einer „guten

Gestalt", die sich im Zusammenpassen von Konzept und

Persönlichkeit ergeben kann

Darüber hinaus erschwert es der Eklektizismus, daß

die Schwachen dei jeweiligen Theorie überhaupt erkannt

werden können Auf diese Weise wird wissenschaftlicher

Fortschritt nicht gefordeit In dei Praxis fuhrt er zu ei¬

nem unuberschaubaren Wirrwarr, zum Agieren von Ge¬

genubei tragungsproblemen und zur Rechtfertigung jedes

beliebigen VorgehensNun mochte ich Problemfelder abstecken, innerhalb

derer eine Diskussion zwischen Psychoanalyse und Sy¬

stemtheorie möglich erscheint Eine erste Trennung, die

ich vornehme, ist die zwischen dei jeweiligen Theorie

und deien Anwendungen in therapeutischen SitzungenDann werde ich einige Gedanken zur Integration von

Bateson und Freud vortragen

3 Theorie in der Systemtheorie

Es scheint mir charakteristisch, daß die therapeutischeAnwendung der Systemtheone beträchtliche Wandlun¬

gen gemacht hat In einei eisten Phase sind vor allen

Dingen Begriffe dei Kybernetik zur Beschreibung fami¬

harei Systeme verwendet worden Solche kybernetischen

Begriffe sind beispielsweise Homöostase, Regler, Feed

back, Kalibrierung usw Hinzu kommen Unterscheidun¬

gen wie die zwischen offenem und geschlossenem Sy¬stem, Verandeiungen erster und zweiter Ordnung etc

Die Systemtheorie hat sich schon früh von der Kommu¬

nikationstheorie beeinflußt gezeigt, jedenfalls in den Be¬

reichen, wo sie therapeutische Anwendung fand Die

Konzepte der Veränderung erster und zweiter Ordnung

(Watzlawick et al 1974) gehören hierhei

Mittlerweile hat sich gezeigt, daß rein physikalischeKonzepte der Systemtheorie nicht ausreichen, um

menschliche Systeme zu beschreiben Deshalb wurden

Anleihen gemacht bei biologischer Systemtheorie und

neue Konzepte zur Erweiterung eingeführt Solche

neuen Konzepte sind die Autopoiese, Ordnung durch

Fluktuation (Dell & Goolishian, 1981), die biologische

Epistemologie (Matuiana, 1982) Die Bedeutung der ein¬

zelnen Konzepte mochte ich an dieser Stelle nicht expli¬zieren Allerdings mochte ich die Frage aufwerfen, ob sie

mehi sind als Analogien aus Physik und Biologie, die auf

psychosoziale Phänomene angewandt werden - geradeuntei Vernachlässigung des „Unterschieds" (Bateson,

1982) der so veischiedenen Ebenen Diese Frage ist fui

den Praktiker relevant, auch wenn der Theoretiker inner¬

halb seines Konzepts genau erklaren konnte, was die ein

zelnen Konzepte beinhalten Fragen, die ich meine, sind

etwa folgende Wenn ich eine Familie als System be¬

schreibe, ist dann der „autoritäre Vater" der Regler des

Systems' Oder ist es vielleicht der gestörte (störende)Sohn' In welcher Weise ist jeder einzelne, eine bestimmte

Ideologie der Familie, ein verstorbener Großvater auch

als Regler des Systems zu betrachten' Fragen dieser Art

sind von größter Bedeutung, wenn sie sich nicht genau

beantworten lassen, lassen sich aus einer solchen Theorie

namlich nur schlecht Handlungsanweisungen fur den

Therapeuten ableiten Eine Antwortmoghchkeit besteht

dann, daß es sich bei familiären Systemen um „ver-

maschte Regelkreise" handelt Eine solche Annahme ist

im Prinzip möglich, sie unterstellt richtig, daß ein fami¬

liäres System von mehieren überlappenden Regeln und

Regelki eisen beherrscht sein kann Allerdings stellt sich

dann die sehr viel schweier zu beantwortende Frage, ob

Vandenhoeck&Ruprecht (1986)

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M B Buchholz Schachspieler, Gast vom fremden Stern, Kapitän auf dem großen Fluß, Freud und Bateson 277

ein so konzipiertes familiäres System nicht ubeikomplexwird, so daß es therapeutisch nicht gehandhabt weiden

kann

Aufgrund solcher Überlegungen wendet sich Ludewig

(1986) gegen physikalische und biologische Reifizierun-

gen der Familie Entscheidend ist fur ihn die Ebene der

sozialen Phänomene neben der Ebene dei Physik und der

Biologie Die Mitglieder einer sozialen Organisationnamlich können ihre Zugehörigkeit beenden, Rollen tau¬

schen und beliebig vielen anderen Organisationen gleich¬zeitig angehoien - das macht den Unteischied zu biolo¬

gischen Systemen aus Im Anschluß an Luhmann (1984)mußte deshalb daran festgehalten wetden, daß es Sinn

und Sinngrenzen sind, die fur einen Beobachter ein Sy¬stem darstellen, der Beobachter definiert ein Miteinan¬

der von Individuen dann als sinnhafte Einheit, wenn

diese sich selbst als zusammengehörig definieren Was

also ein System ist, wird durch den Beobachter festgelegtTatsächlich laßt sich oft genug beobachten, daß schwer

gestörte Familien sich nicht durch ihre bloße Anwesen¬

heit im Therapieraum als System konstituieren, sondern

daß die entscheidende Systemebene die zu Veistorbenen,

zur Herkunftsfamihe oder zu anderen nicht anwesenden

Personen ist, der Theiapeut mußte demnach festlegen,was er als sinnvolle Ganzheit zum Gegenstand seiner

therapeutischen Bemühungen machen mochte Wird die

Familie nicht in Analogie zu bloß physikalischen oder

biologischen Einheiten, sondern als psychosoziales Phä¬

nomen aufgefaßt, ergibt sich ein Folgeproblem „Psycho¬sozial" ist nicht nur ein Schlagwort, es ernstzunehmen

bedeutet, daß die Dimension des Sinnverstehens einge¬

fühlt wird2 mit der therapeutischen Konsequenz, daß

der Therapeut Anschluß finden muß an das naive Selbst¬

verstehen der Familie Anders ausgedruckt Es lassen sich

zwar Regeln, denen eine Familie folgt, an Verhaltensre¬

dundanzen ebenso gut wie kreisförmige Interaktionen

beschreiben Entscheidend ist aber, ob die Familie weiß,

daß sie Regeln befolgt, ob diese Regeln symbolisch le-

prasentiert sind (Liebsch, 1984) Daraus folgen unter

schiedhche therapeutische Strategien Wer Verhalten

ohne Beachtung symbolischer Reprasentierung andern

will, gibt einen „input" ins System, wer symbolisch ver¬

mitteltes Selbstverstehen erweitern will, wird Anschluß

suchen an das vorhandene (naive) Selbstverstehen der

Familie, wird uber Regeln reflexiv kommunizieren und

so einen therapeutischen „Dialog" zu initiieren suchen

Letzteies tun wahrscheinlich auch Systemtherapeuten,abei die Frage ist offen, ob nicht fur eine Konzeptuahsie¬

rung symbolischer Reprasentierung die physikalischeund biologische Sprache verlassen werden muß „Selbst¬

verstehen" jedenfalls kommt m W in famihentherapeuti¬scher Literatui nicht vor, allerdings gibt es Ansätze wie

die von Neraal (1976)Wenn Ludewig (1986) mit seinei Kritik an den physi¬

kalischen und biologischen Reifizierungen des sozialen

1 Die andere Seite des Schlagwortes „psychosozial", die Di¬

mension histonschei und gesellschaftlicher Bezüge wird eben¬

falls schwer in systemischer Sprache zu fassen sein

Phänomens der Familie recht hat, dann ergäbe sich aus

der Entwicklung der Systemtheone selber ein Freud hin

zu sozialen (und damit auch psychoanalytischen) Be¬

griffsbildungen Tatsächlich schlagt ei namlich vor, so¬

ziale Systeme durch ganz andere Begriffe wie z B den

der sozialen Rolle zu beschreiben - von dort aus ist es

nur noch ein kleiner Schritt zur psychoanalytischen Ta-

mihentheone, wie sie von Richtet (1963) vorgelegtwurde

4 Familientheorie der Psychoanalyse

Auch hier beginne ich wieder damit, indem ich einige

zentrale Begriffe psychoanalytischer ramihentherapieund -theone darstelle Zu nennen sind der unbewußte

Konflikt, die interpersonelle Abwehr (Mentzos, 1976)

Untei das Konzept der intei personellen Abwehi lassen

sich m E auch andere Konzepte subsumieren, so z B

Stiethns Konzept der Delegation als auch Richteis Theo¬

rie vom Rollenoktioi beide Konzepte formuheien die

Art und Weise, wie ein Mensch einen andeien benutzt,

um die eigene Krankheit auszubalancieien Ein weiteres

Konzept psychoanalytischer ramihentheone ist die „ge¬

meinsam geteilte unbewußte Phantasie", die Lehre von

den Affekten und ihrer Entwicklung, die intrafamiliare

Übertragung mehrgenerationaler Muster (Speihng et al

1982) sowie die Bedeutung von Werten, Normen und

StatusgegebenheitenDie Auflistung dieser Konzepte macht deutlich, daß

die Psvehoanalvse in der Familientherapie den Umweguber physikalische und biologische Theorien gar nicht

erst beschritten hat, sondern von vornherein auf der

Ebene der sozialen Phänomene vei blieben ist und dort

ihie Konzepte entwickelt hat Man mache sieh klar, was

diese These bedeutet Die psychoanalytische Familien¬

therapie kann vom Vorwurf, sie denke in veralteten phy¬sikalischen Konzepten, die von Newton & Descaites ab¬

stammen (so z B Guntern, 1980), gai nicht getroffenwerden, dieser Vorwurf trifft auf die Anwendung dei

physikalischen Svstemtheone in dei Familientherapie zu'

Ähnliches gilt fur die Fiage, ob der gegen die Psychoana¬

lyse gerichtete Vorwuif, sie denke nur monadisch und es

sei ihr unmöglich in Beziehungen zu denken, überhauptnchtig ist' Ich halte diese These fur falsch und habe ge¬

gen den Paradigmawechsel ausführlich argumentiert

(Buchholz, 1981, 1982)

Auf der anderen Seite muß gesehen werden, daß syste¬

mische Konzepte etwas formulieren, was in pathologi¬scher Erstarrung tatsächlich wie ein physikalisches Sy¬stem wirkt Insofern sich die Systemtheorie mit solchen

erstarrten Folgen von Systembildungen befaßt, konzep-tuahsiert sie pathologische Phänomene wahrscheinlich

richtig Physikalische Konzepte entspiechen möglicherweise erstanter Pathologie, das konnte eine Rechtfer-

tiung dafür sein, weshalb die Psvehoanalvse beispiels¬weise von Abwehr„mechanismen" spricht Wie laßt es

sich beschreiben, wenn solche erstarrten Regelkreisme-chanik im therapeutischen Prozeß sich verflüssigt' Grei-

Vandenhoeck&Ruprecht (1986)

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278 VI B Buchholz Schachspielei Gast vom fremden Stern, Kapitän auf dem großen Tluß, Freud und Bateson

fen systemische Konzepte dann noch' Anders ausge¬

druckt Offen bleibt die Frage, wie einzelne Individuen

sich aus famihaien Systemzwangen überhaupt losen kön¬

nen' Mu erscheint es deshalb sinnvoll, das familiäre Sy¬stem des unbewußten Wiederholungszwangs, das Systemvon undurchschauten Macht- und Abhängigkeitsverhält¬nissen duichaus als Svstem zu konzeptuahsieren, inso

fern namlich, als jeder der Beteiligten den Regeln dieses

Systems folgt und an deren Widersprüchen auch ei

krankt Solche Regeln müssen vom therapeutischen Be

obachter uber die Verhaltensiedundanzen erschlossen

werden, diese Erschließung ist ein Akt der therapeuti¬schen Wahrnehmungseinstellung, die in scheinbar hete¬

rogenen und verschiedenen Ablaufen ein Mustei zu er

kennen gestattet, wahrend die Familie jedesmal glaubt,etwas ganz Neues und Anderes zu eileben (dies ist z B

bei den so beliebten Streitigkeiten der Fall) Das, was die

Systemtheorie als famihaies System beschieibt, ließe sich

- folgt man dei Forderung von Ludewig (1986) - auf der

Ebene sozialer Ordnungen und sozialer Phänomene an

gemessener konzeptuahsieren Erkennbar ist, daß Fami

henmitgheder einander benutzen, um ihre eigenen

Krankheiten zu stabilisieren, in diesem Prozeß schieben

sie sich wechselseitig Rollen zu, die dann nicht mehr fle¬

xibel gehandhabt werden können Rollen werden zu

Identitäten (zum Beispiel beim Sundenbock) Eigene ab¬

gespaltene Personhchkeitsanteile, die dem eigenen Be¬

wußtsein nicht mehr verfugbar sind, setzen sich dennoch

hinter dem Rucken der Beteiligten im familiären Gesche¬

hen durch, entfalten eine unbegriffene und unreflektieite

Wirksamkeit jenseits von sprachlichen Zugangsmoghchkeiten - und deshalb um so intensiver Solche abgespalte¬nen Personhchkeitsanteile ließen sich mit Lorenzei (1971,

1974) als „desymbohsierte Interaktionsformen" kenn¬

zeichnen Die Familie mszenieit ein „Spiel" gemäß den

Regeln der gemeinsam geteilten Störungen, der unbe¬

wußte Sinn dieses Spiels entgeht ihr jedoch gerade Die

von den einzelnen Mitgliedern abgespaltenen desymbohsierten Interaktionsformen schließen sich zu einer ge

meinsamen unbewußten Phantasie zusammen - diese

bildet das Svstem der unbewußten familiären Zwange(ausführlich dazu Buchholz, 1982, 1985) In dem Maße,in dem die Spiehegeln des unbewußten Konfliktes sym¬

bolisch repräsentiert, in dem Maße, in dem sie sprachlichvei fugbar und erlebbai weiden können, gibt es eine

Möglichkeit zui Individuation Individuation ist dann

aufzufassen als ein Weg dei Befreiung von familiären Sv-

stemzwangen

Fine solche psychoanalytische Konzeption von fami¬

liärer Pathologie ist im Untei schied zur Systemtheorie in

der Lage, fur die einzelnen Familienmitglieder einen Wegheraus aus dem System zu zeigen Der Gegenpol zu den

Systemzwangen ist die Individuation

5 Technik der Systemtheorie

Die Diskussion zwischen Psychoanalyse und Systemtheone findet häufig auf der Ebene der technischen Vor¬

gehensweisen statt Nach dem Vorausgesagten kann dies

sinnvollerweise nur geschehen, wenn man sich uber die

dahinterstehenden Haltungen im klaien ist Deshalb vei

suche ich, statt einzelner Techniken auch ehei therapeu¬tische Haltungen zu skizzieren

Therapeutisches Ziel des Systemtherapeuten ist das

Andeinwollen (so z B Haley) Er konzeptuahsiert sein

eigenes Vorgehen als Strategie Formelhaft formuliert

Gunter Schmidt (in TrenklelSchmidt, 1985, S 7) „Um das

Denken uber den therapeutischen Prozeß zu struktuile-

ren, benutzen wir die Formel FDxX = G"

Damit ist ge

meint, daß FD einen Ausgangszustand der Famihendyna¬mik anzeigt, mit G ist das „goal", d h Ziel der therapeu¬tischen Veränderung anvisiert und X kennzeichnet die

gesuchte Variable, die diese Veränderung bewerkstelligtDie Stelle in der Gleichung, wo X steht, kann von Ma߬

nahmen ausgefüllt werden, die von einfachen Fragen, bis

hin zu paradoxen Interventionen oder Techniken wie

Hypnotherapie reichen Das einfache Befragen kann sich

raffiniert zur Technik der zirkulären Befragung steigernFestzuhalten ist, daß als UrsacheV) der familiären Ver¬

änderung der Input des Therapeuten ins System giltHier ist ein ungelöstes Problem der theoretischen Kon

zeptuahsierung selbst wenn wir davon ausgehen, daß

Zirkulantat und Rekursivitat die angemessenen Beschrei¬

bungsebenen menschlichen Verhaltens und menschlicher

Systeme ist, dann kann es nicht möglich sein, daß davon

Therapeuten ausgenommen sein sollen Zirkulantat und

Rekursivitat waren dann nur auf die Famihensysteme an¬

gewendet, auf die der Therapeut dann doch wiederum

kausal einwirkt Ludewig (1986) zitiert hier richtig Me¬

phisto „Du glaubst zu schieben und Du wirst gescho¬ben

"

(Vgl dazu auch Wrede, 1986)

6 Anwendungen der Psychoanalyse in der

Familientherapie

Die psychoanalytische Haltung ist von einem anderen

Grundwort gekennzeichnet Es lautet „in Beziehungsein" (Junker & Waßner, 1984) Erst dort, wo dei Thera¬

peut mit einem bedeutsamen Teil der familiären Störungin Kontakt kommt, kann er ihn wirklich verstehen, indem

er ihn ei lebend nachvollzieht, der Therapeut öffnet sich

so weit, daß die familiäre Störung auch in ihn hineinra

gen darf (Buchholz, 1982) Seine Aufmerksamkeit ist da¬

bei auf das unbewußte Thema gerichtet, das die Familie

verhandelt Dabei folgt er der Maxime, daß alles was in

der therapeutischen Sitzung geschieht, sowohl eine Be¬

deutung in bezug auf die Störung der Familie hat als

auch eine Bedeutung in bezug auf den Therapeuten3Dies deshalb, weil zentraler Ort psychoanalystischer Er¬

kenntnisbildungen das Zusammenspiel von Übertragungund Gegenubertragung ist Dieses Zusammenspiel impliziert die Voi Stellung der Reziprozität es ist nicht nur der

Therapeut, der die Familie behandelt, vielmehi inteies

siert er sich auch ausgesprochen dafür, wie ei von dei Fa

mibe „behandelt" wird Er tiachtet danach zu verstehen,

3 W Loch (1965) nennt dies die Haltung der .subjektivenTranszendenz' Vgl auch schon Baumann, 1963

Vandenhoeck&Ruprecht (1986)

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M B Buchholz Schaehspielei, Gast vom fremden Stern, Kapitän auf dem großen Fluß, Treud und Bateson 279

welche Position im emotionalen Zusammenspiel die Fa¬

milie ihm anweist, ob er wie ein Onkel behandelt wird,

wie ein Gast oder wie ein verstorbener Großvatei, wie

eine Autorität, wie ein seelischer Mulleimer oder wie je¬

mand, bei dem die Familie sich zum Kaffeeklatsch ver

sammelt usw Duich Einbeziehung dieser eigenen Be¬

findlichkeit und seiner Gegenubertragungsreaktion wird

es dem Therapeuten möglich, diese Position inneilich zu

verlassen und der Tamilie gegenüber eine Position einzu¬

nehmen, die im eigentlichen Sinne therapeutisch ist, weil

sie nicht zum familiären Spiel gehört Dies ist außei or¬

dentlich schwer und möglicherweise scheitern daran so

viele psychoanalytische Familientherapeuten es laßt sich

nicht genau formulieren, welches der optimale emotionale

Ort fur den psychoanalytischen Familientherapeuten ist

Damit verbunden ist das Problem seiner Abstinenz, das

hier auch nur erwähnt, nicht jedoch weitei diskutiert

werden soll (vgl dazu Buchholz, 1982)Festzuhalten ist allerdings, daß auch ein psychoanalyti

scher Familientherapeut von systemischen Interventions¬

techniken durchaus Gebrauch machen kann Vielen psy

choanalytisch Erfahrenen erscheinen die paiadoxen In¬

terventionen im Buch von Selvini et al (1977) als gute

psychoanalytische Deutungen, auch die Technik der zn-

kularen Befragung laßt sich ins psychoanalytische Reper¬toire übernehmen, wenn auch wiederum in einem ande

ren Verständnis (vgl Selvini et al 1981) In systemischerSicht erscheint die znkuklare Befragung als raffinieite

Strategie zur Eilangung von Informationen, die anders

nicht erhältlich sind In psychoanalytischer Sicht wird

deutlich, daß durch die zirkuläre Befragung auch in der

Familie ein Prozeß angelegt wird indem jeweils ein Fa

milienmitghed in die Position des Beobachters gegenüberzwei anderen Familienmitgliedern geiat und uber deren

Beziehung eine qualifizierende und kommentieiende Be-

meikung abgibt, gerat die Familie in einen Prozeß der

Selbstbeobachtung Dies bedeutet nicht mehr und nicht

weniger, als daß die Familie beginnt, ihren eigenen Re¬

geln, denen sie bisher gefolgt ist, auf die Spui zu kom

men Dies ist ein wichtiger Schritt dafür, daß desymbohsierte Interaktionsformen, die sich als unbegriffene Fami¬

lienregeln hinter dem Rucken der Beteiligten durchset

zen, allmählich symbolisieit und damit sprachlich verfüg¬bar werden können Die Familie beginnt zu begreifen,daß ihr Chaos sozusagen System hat Hier lassen sich

dann auch Möglichkeiten der weiteren Eruieiung an¬

knüpfen Wenn famihaie Regeln allmählich geahnt, ge

fühlt und dann auch ausgesprochen weiden können,

wird meist deutlich, daß solche Regeln mehrgenerationalbereits tiadiert sind und daß der Prozeß ihrer Desvmbo-

hsierung uber mehreie Generationen bereits angelegtwai (Sperling et al, 1982)Welche Schlußfolgerungen lassen sich aus dem Gesag

ten ziehen' Wenn ich auf das eingangs erwähnte Gleich¬

nis vom Kreis und der Geraden zurückkomme, fehlt eine

Synthese, die die Theorie betrifft Ob diese Syntheseüberhaupt möglich sein wird, konnte sich daran erweisen,

ob es gelingen kann, Freud durch die Brille von Bateson

zu lesen und umgekehrt Bateson mit der Brille von Fieud

7 Theonen und ihr metaphorischer Kern

Gute klinische Theorie ist spielensch und tastend, sie

veisucht, sich einem zentralen Aspekt der Realität zu na

hern, von dem sie weiß, daß sie ihn nie erreichen wird

Deshalb kann sie an ihrei Kreativität erkannt werden, an

zentraler Stelle findet sich als sprachliche Figur die Me-

taphei (vgl Goebel, 1986) Sie zeichnet sich daduich aus,

daß sie auf ein Jenseits der Metapher" verweisen will,

das aber gerade nicht anders als nur duich die Metaphei

(oder ein Bild) gezeigt werden kann

D D Jackson (zit nach Greenberg, 1977) hat die Hai

tung des systemischen Theiapeuten durch eine Metapheibeschrieben Man stelle sich vor, so fordert er auf, em

Besucher von einem fremden Stern beobachte eine

abendliche abendliche Runde von Bndgespielern Er

blickt durch das erleuchtete renstet und beobachtet die

Abfolge der Kai ten solange, bis er die Regeln des Spiels

herausgefunden hat

Auch Freud (G W VIII, 454) veigleicht die Eioffnungder psychoanalytischen Behandlung mit einem Spiel dem

Schach Dieser Vergleich macht auf das strategische Mo

ment in der Psychoanalyse aufmerksam und entmystifiziert die (Selbst )DaiStellung der Psvchoanalyse, sie be

stunde nur aus Empathie, sie besteht auch aus „Tech

nik" Solche Metaphern bestimmen therapeutische Iden

titat starker als theoretische Lehrsatze, Freuds Spiegel-und Chirurgenmetapher hat das gelehrt Hiei wird der

Psychoanalytiker als Schaehspielei vorgestellt, Tieuds

metaphonsche Vielfalt - an andeier Stelle lernen wir den

psychoanalytischen Therapeuten als „Bildhauei" (G W

V, S 17) oder als „Bergführer" (G W XVII, S 100) ken

nen - verweist genau darauf, daß die Metapher beredt

und stumm zugleich ist und psychoanalytische Arbeit

vielfaltig Verschiedene Metaphern im Vergleich aber

pioduzieren „Unterschiede" (Bateson, 1982), die doch et¬

was sichtbar machen Jacksons Beobachter sitzt nicht mit

am Spieltisch, andeis als Fieuds Schaehspielei Wer

Schachspielen will, muß sich dazu verabreden, JacksonsBeobachtei braucht genau das nicht, ei lugt - gebetenodei ungebeten - durchs Fenster Das Fenster dann mar¬

kiert einen Abstand, der fui Jacksons Besucher und seine

Art zu beobachten, unbedingt notwendig ist, beim

Schachspiel jedoch als störend, zumindest als ungewöhn¬lich empfunden wurde

Die beiden Gleichnisse nahern sich also symbolischdem Thema der Integration von Beobachtung und Teil¬

habe, scheinbar ist dei Pol der Beobachtung der System

theone, der Pol der Teilhabe der Psychoanalyse zuge-

oidnet Diese Dichotomisierung kann sich auch genau

umdrehen Simon/Stierlin (1984, S 178 ff ) illustrieren die

Stellung eines Beobachters im Rahmen dei (fur veraltet

gehaltenen) Subjekt-Objekt-Dichotomie (wie sie der

Psychoanalyse eigen sei) durch die Metapher von einem

am Ufer eines Flusses stehenden Mann, dei dessen Lauf

beschreibt In der systemtheoietischen Perspektive aber

gleiche der Beobachter eher dem Kapitän eines Schiffes

auf dem Tluß, der von der Verandeiung selbst veiandeit

wnd

Vandenhoeck&Ruprecht (1986)

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280 M B Buchholz Schachspieler, Gast vom fremden Stern, Kapitän auf dem großen Fluß, Freud und Bateson

Hier haben sich die Verhaltnisse umgedreht: jetzt ist

dei Pol der Teilhabe (zuvor beim Schachspieler) beim

Systemtherapeuten, der den Fluß entlang steuert; der Pol

der distanzierten Beobachtung ist beim Psychoanalyti¬ker. Die Sache wird noch komplizierter, wenn man be¬

hauptet, psychoanalytisch sei es vielmehr, gegen den

Strom zu schwimmen, weil man nur so zu den Ursprün¬

gen gelangt. Hier kommt das Problem auf den Punkt.

Offenbar haben wir es zu tun mit einer „doppelten (oder

mehrfachen) Beschreibung" (Bateson) von Beschreibun¬

gen.

8 Die doppelte Beschreibung4

Sein Konzept illustriert Bateson (1982, S. 88 f.) am Fall

des binokularen Sehens. Jedes einzelne Auge nimmt aus

der Umwelt Informationen auf und bildet sie auf der Re¬

tina ab; der Abbildung entspricht in Raum und Zeit ein

„Etwas", was „da draußen" gesehen wird. Von diesem

Standpunkt der Entsprechung des Abbildes und des gese¬

henen Objektes konnte die doppelte Nutzung der Sin-

neskanale verschwenderisch erscheinen - was ist deren

evolutionarei Vorteil'

Bateson verweist darauf, daß naturlich nicht zwei un¬

terschiedliche Bilder getrennt codiert und verarbeitet

werden, vielmehr werden sie „zu einem einzigen subjekti¬ven Bild synthetisiert" (S.89). Daß das möglich ist, ver¬

dankt sich dem Unterschied - ein Konzept, dem Bateson

größte Bedeutung beimißt. Beide Augen haben ja unter¬

schiedliche Perspektiven, aus denen sie wahrnehmen,

zwischen den von beiden gelieferten und weiterverarbei¬

teten Informationen besteht ein „Unterschied". Das aber

ist eine Gioße, dei nichts in Raum und Zeit entspricht;sie existiert allein als ideelle. Ebenso ideell ist auch die

durch den Unterschied ermöglichte „Synthese" - auch sie

4 Ich erlaube mir hier noch eine philosophische AnmerkungImmer waeder wird von Systemtherapeuten fur neu ausgegeben

(und damit ein „Paradigmawechsel" gefordert), was tatsachlich

em altes philosophisches Problem ist. Es ist wiederum Cusanus,

der von einem Selbstportrat des Roga v d W/eyden faszinieit

ist, das im Rathaus zu Brüssel hing es hatte die Eigenschaft, je¬

dem Besuchei den Blick zuzukehren, mit dem sich Bewegenden

bewegte es sich mit, dem ruhenden Beobachter schien auch sein

Blick zu iuhen Das gleiche Gesicht scheint zu verharren und

überall zu sein - und in diesem „zugleich" stellt sich metapho¬risch ein Bezug zum allumfassenden Sein her, das bei Cusanus

mit dem Gottlichen gleichgesetzt wird. Casstrer (1927, in 1977)

schreibt „Der wahrhafte Sinn des Gottlichen aber erschließt

sich erst dann, wenn unser Geist nicht mehi bei einer dieser Be¬

ziehungen, noch auch bei ihrer bloßen Gesamtheit verweilt, son¬

dern wenn er sre in die Einheit einer Schau, einer „visio mtellec-

tuahs" zusammennimmt" Bei Hölderlin und Schelltng wird die

„visio intellectualis" als „rntellektuale Anschauung" fortgeführt,sie verbindet Transzendenz und Sinnlichkeit im Dienst einer

Überwindung einer Subjekt-Objekt-Dichotonne, che machtge¬leitet auf Ausbeutung der Natur zielte Stattdessen wird schon

dort - bei den Naturplnlosophen, nicht erst bei Bateson' - dar¬

auf abgehoben, daß war gewahr werden, wie sehr wir ein Teil

der Natur sind, die Natur abei Teil des Göttlichen, d h. der

„Einheit" Die aber heißt bei Bateson „Geist" oder „ewager Tan?

der Mustei"

hat keine Entsprechung auf der Seite der Objekte; „Syn¬these" ebenso wie „Unterschied" resultieren aus dem

Vergleich beider Wahrnehmungskanale, sie sind Katego¬rien des „Geistes".

Uber die rein optischen Vorteile, wie zum Beispiel bes¬

sere Schriftauflosung hinaus, bietet das binokulare Sehen

einen zentralen Vorteil: „Es wird eine Information uber

Tiefe geschaffen. In etwas formalerer Sprache ist der

Unterschied zwischen der Information, die von der einen

und der, die von der anderen Netzhaut kommt, selbst

eine Information von einem anderen logischen Typ. Aus

dieser neuen Art von Information übertragt der Sehende

eine zusatzliche Dimension auf das Sehen." (S. 89).Bateson wählt seine Beispiele mit Bedacht aus mög¬

lichst heterogenen Bereichen. Sie illustrieren ein anderes,

eine geistige, ideelle Struktur, die sich nur in ihren Bei¬

spielen zeigt; gerade der Vergleich so verschiedenartiger

Beispiele - so wie auf einfacher Ebene rechtes und linkes

Auge ihre Informationen miteinander vergleichen - soll

die Identität der geistigen Struktur, des „Musters, das

verbindet", erweisen.

Mit seinem Begriff von „Tiefe" (der dem des „Geistes"

entspricht) erreicht Bateson eine Dimension, die die Psy¬

choanalyse interessieren muß. Tiefe ist durchaus nicht

auf den Fall des binokularen Sehens beschrankt: „Im

Prinzip ist zusatzliche Tiefe in einem metaphorischenSinne immer dann zu erwarten, wenn die Informationen

fur die beiden Beschreibungen unterschiedlich zusam¬

mengestellt oder unterschiedlich codiert werden." (S.90)Bateson spricht von Tiefe naturlich in Analogie zur Tie¬

fenwahrnehmung. Im angesprochenen metaphorischenSinn handelt es sich jedoch bei Tiefe stets um die Syn¬

these, die wir gewohnt sind, uns als höhere Abstraktion

vorzustellen. „Hoch" und „tief", ideell Geistiges und Tie¬

fenpsychologie fallen hier in einer überraschenden Weise

zusammen, die an den „Gegensinn der Urworte" (Freud)erinnert5.

Wir sehen nun: die Integration der unterschiedlichen

Informationsstrange erreicht eine neue, tiefere und

ideelle Ebene, von der gesagt werden kann, daß sie mehr

ist als die Summe ihrer Teile. Mit Maturana (1982) laßt

sich auch sagen, daß dort, wo Differenzen (von Sichtwei¬

sen) miteinander in Beziehung treten, ein autopoietisches

Sinn-System (Luhmann, 1984) entsteht - und das thera¬

peutische System muß autopoietisch sein; anders als das

gestörte familiäre System, das die Kraft zur Veränderung

(Autopoiese) gerade verloren hat (vgl. Buchholz, 1986).

Laßt sich das Konzept der doppelten Beschreibung auf

den therapeutischen Prozeß der Psychoanalyse anwen¬

den' Passett (1981) hat eine Beschreibung des therapeuti¬schen Veranderungsprozesses verfaßt, die sich hier genau

einfugt: Eine individuelle Biographie kann als „Strom

von Erleben und Verhalten" beschrieben werden, dessen

Veränderungen meist nicht mehr als solche erlebt wer¬

den, da sie aus vorangegangenen Veränderungen pro-

' In „Das Ich und das Es" schreibt Fieud in etwas anderem

Zusammenhang' „Nicht nur das Tiefste, auch das Höchste am

Ich kann unbewußt sein"

(G W. XIII, S 255).

Vandenhoeck&Ruprecht (1986)

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M B Buchholz Schachspieler, Gast vom fremden Stern, Kapitän auf dem großen Tluß, Freud und Bateson 281

gnostizierbar, „berechenbar" erscheinen Wenn solche

Veränderungen in „bestimmbare" umgewandelt werden

können, entsteht ein Bewußtsein (oder Gefühl) von Fiei¬

heit, Folge eines „Ausbruchs" aus vorgezeichneten Bah¬

nen Die Psychotherapie ist ein Versuch, solch einen

Bruch, „oder besser eine Brechung" gezielt heibei zu

fuhren Das gelingt, indem der Patient in ein neues Ver¬

hältnis zur eigenen Biographie eintritt, das Erleben und

Verhalten verliert „seine Qualität als massiver, unduich-

schaubarer Brocken und wird zu einem durchschaubaren

System, das sich um einige wichtige Nahtstellen zentriert

(z B um gewisse infantile Konflikte und deren Losun

gen)" (Passett, 1981, S 164)Dabei tritt die Wahrheitsfrage auf, denn die Psycho¬

analyse sieht Wahrheit und Heilung eng miteinander ver¬

knüpft Wahrheit allerdings ist gebunden an den thera

peutischen Dialog, sie ist nicht objektiv, sondern kann

nur dialogisch gelebt werden „Denn die Wahrheit, die

hier gefunden wird und in einen mühsamen Prozeß des

Durcharbeiteiis vertieft und wirksam gemacht werden

muß, ist nicht einfach die des Analysanden, auch nicht

die des Analytikers oder gar der Psychoanalyse, sondern

die des Analysanden und seines Analytikers, d h es ist

jene Sicht, die möglich wird in der spezifischen Begeg¬

nung des Analysanden mit seinem Analytiker ( )"

(a a O)Wie kommt solche dialogische Wahrheit (Lorenzer,

1974) zustande' Indem zwei differente Sichtweisen mit

einander in Beziehung treten und sich aneinander abar¬

beiten die des Analysanden, der im Kreis seines Wieder-

holungszwangs tappt, und die des Analytikers Ware letz

tere nun „objektiv", ginge ihr - nach Passett - ein ent¬

scheidendes Merkmal einer „guten" Sicht ab die emotio¬

nale Beteiligung am Sehen Der Sicht des Analysandengeht ein anderes Merkmal ab das der Distanz (a a O

,

S 165)So fuhrt hier die „doppelte Beschreibung" zur Integra¬

tion zweier Sichtweisen, wodurch der therapeutischeProzeß „Tiefe" erfahrt Die dialogische Wahrheit, der

dann allerdings tatsächlich heilende Wirkung zukommt,entfaltet sich in einem „Zwischenraum" jenseits des Sub¬

jekts und diesseits des Objekts - diese Position erst ist es,

die die von der Systemtheorie zu Recht angegriffeneSubjekt Objekt-Spaltung aufhebt Der therapeutischeProzeß selbst folgt einer spiralförmigen Fntwicklungslogik, solange beide Sichtweisen sich miteinander konfron

tieren, ist Widerstandsarbeit (auch auf selten des Thera¬

peuten, es gibt auch Gegenubertragungswiderstande')notwendig Der Wegfall von Widerstanden ist immer ge¬

folgt von einer Verflüssigung des Dialogs und der Ver

tiefung dei Beziehung, Anzeichen fur eine voranschrei¬

tende Integi ation

9 Therapeutische Konsequenzen

Batesons Konzept der „doppelten Beschieibung" fallt

mit Passetts (1981) Darlegungen ubei die Integration von

Sichtweisen im psychoanalytischen Prozeß weitgehend

zusammen - ein eistaunhches Ergebnis1 Wenden wir das

Konzept der doppelten Beschreibung auf Systemtheoneund Psychoanalyse in dei Familientherapie an, konnten

beide Seiten voneinander an Tiefe piofitieren

a) Der Mythos, daß es der Therapeut sein, der lrgendet-was ändert, entfallt Dieser Mythos hat ehrgeizigt

Therapeuten zu immer iaffinierteren Steigerungenvon Interventionsstrategien verfuhrt, er basiert abei

auf einem epistemologischen Iirtum "Veiandeiungenentstehen in der Familie selbst, nicht duich den „in

put" des Therapeuten (vgl Wrede, 1986) Dei Theia

peut kann dafür gunstige Bedingungen schaffen ei

teilt dei Familie seine Beobachtungen („Sichtweise")mit unter Beachtung eines Prinzips der optimalen Di¬

stanz, was er sagt, sollte nicht zu weit vom Selbstver¬

standnis der Familie entfernt sein, abei auch nicht zu

nah, so daß eine doppelte Beschreibung beginnenkann

Mitteilung von Beobachtungen, statt raffmieitei In¬

terventionen - das sieht bescheiden aus, folgt abei Ba¬

teson und Passett Hier darf man sich auf che Maxime,

wonach weniger mehr ist, veilassen

b) Solche dosierte Mitteilungen von Beobachtungentragt zum Aufbau einer gemeinsamen Verslehetislogikmit der Familie bei, die Familie oszilliert ldentifikato-

nsch zwischen eigenei und neuer Sichtweise Durch

den Wechsel von emotionaler Beteiligung und Di

stanz öffnet sich ein „Zwischenraum", der autopoieti-

sche Vetanderung möglich macht Hier kommt die

oben angesprochene Diffeienz zwischen biologisch/physikalischer und psychosozialer Dimension ent¬

scheidend zum Tragen Das Konzept der Autopoiese

(Maturana, 1982) kann nicht einfach nur pei Analogieauf psychosoziale Systeme transponiert werden, ent

scheidend ist, daß angegeben wird, wo Autopoiesestattfindet „Die Selbstbeweghchkeit des Sinngesche¬hens ist Autopoiesis par excellence", schieibt Luh

mann (19852, S 101)

„Sinn" ist eine neu hinzutretende Dimension auf psy¬

chosozialer Ebene, er wird erschaffen durch Perspektivitat, die andere Perspektiven zunächst ausschließt

Perspektivitat tritt in psvchosozialen Systemen neben

Zirkulantat und Rekursivitat, die Einnahme von Per¬

spektiven ermöglicht Durchsetzung sozialer (famiha¬rei) Regeln und es ist von therapeutisch größter Be

deutung, nicht nur, ob solche Regeln automatisiert be

folgt weiden, sondern ob sie in der Familie psychisch/symbolisch repräsentiert sind - entscheidend fur Pa¬

thologie ist, ob die Familie „weiß", daß sie Regeln

befolgt (Ltebsch, 1984) Weiß sie das nicht, ist das der

eiste Schritt, die Technik der zirkulären Befragungtragt in der oben beschriebenen Interpretation auch in

psychoanalytischer Sicht zur Symbolbilldung bei,

weiß die Familie, daß sie Regeln befolgt, ist es ent¬

scheidend, ob sie die Abhängigkeit befolgter Regelnvon der eingenommenen Perspektive (z B der Identi

fizierung mit einem Verstorbenen) eikennen kann

Diese Einsieht relativiert die starr eingenommene Per-

Vandenhoeck&Ruprecht (1986)

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282 M B Buchholz Schaehspielei, Gast vom fremden Stern, Kapitän auf dem großen Fluß, Freud und Bateson

spektive, die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Per¬

spektiven zu wechseln, flexibihsiert den Umgang mit

Regeln, macht aber Regeln als solche nicht überflüs¬

sig

Das Gesagte bezieht sich auch auf die Fähigkeit der

sozialen Perspektivenubernahme zwischen den Fami¬

lienmitgliedern, Symbolbildung (im Sinne Lorenzers,

1971), Reprasentierung von Interaktionsregeln und

soziale Perspektivitat stehen in einem Wechselverhalt-

nis zueinander Ihr Zusammenspiel - bzw Störungenwie die Defekte der Svmbolbildung z B (vgl Buch¬

holz, 1982) - konstituiert entscheidende Aspekte des

autopoietischen, psychosozialen Sinnsystems

c) Wenn Psychoanalytiker durch die Systemtheorie an¬

geregt werden konnten, ihren eigenen Beitrag bei der

Schaffung von Wahrheiten zu sehen, so konnten Sy

stemtherapeuten umgekehrt gerade von Bateson lei¬

nen, daß es nicht die „Intervention" ist, die etwas be¬

wirkt Mit Bateson, aber im Sinne der Psychoanalysemochte ich deshalb fur die Einfuhrung des Dialogsauch in die familientheiapeutische Technik plädierenOhne den Dialog säße der Famihentherapeut wie in

Jacksons Gleichnis lediglich hinter der Scheibe und

konnte gerade deswegen die Familie nicht erteichen,

das Sichtbarmachen von Differenzen der Sichtweisen,

um „doppelte Beschreibung" überhaupt zu ermögli¬

chen, bewahrt den Therapeuten davor, in der Sicht¬

weise der Familie ununterschieden aufzugehen Ge¬

rade die Differenz konstituiert das therapeutische als

ein autopoietisches System und gibt dem Therapeutendie Kraft, gegen den Strom Kurs zu halten - denn im

therapeutischen System ist er der Kapitän

Summary

Chessplayer, Guest from a distant Star, The Great River's

Captain, Freud and Bateson - A Contiibution to the Con¬

troversy between Psychoanalysis and Systemic Theory

The controveisial issues between the two mainstreams

of therapeutic thinking, psychoanalysis and systemic

therapy, are hsted up The author considers metaphors

(the analyst as playing chess- Freud, the systemic therap¬

ist as captain- Simon/Stierlin) to be the essential core of

therapeutic attitude and identity But these metaphorscan be exchanged normally, the systemic therapist is pre-

senbed as the Strategie chess player, and vice versa

Based on the Observation, that good chnical theory has a

heart of closely related metaphors, the author proposes

to make use of Batesons concept of "double descnption"circular and causal thinking, circle and hne can be unified

in the model of a Spiral Surpnsingly, this is the tradi

tional way of psychoanalysis how to appioach the truth

(the chent's) "Truth" is neither objeetive nor subjeetive,neither systemic nor psychoanalytic, it is consensual, a

matter of a not faihng dialogue

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Anschr d Verf Dr Michael B Buchholz, Gleiwitzer Weg

12, 3400 Gottingen

Familientypologie

Ein holistisches Klassifikationsschema auf der Basis von Gestaltwahrnehmung,Humanethologie, Systemtheorie und Psychoanalyse

Von Ricarda Mussig

Zusammenfassung

Das Klassifikationsschema enthalt eine Typologie von

Familien, die auf Gestaltwahrnehmung, humanethologisehen und systemischen Gesetzmäßigkeiten beruht und

psychoanalytische Theorie mit einbezieht Zu Parame¬

tern in der Vertikalen wurden Harmonie- und Streitver-

halten - Faktorenbundel, die alle Formen sozialer Inter¬

aktion umschließen In der Horizontalen wurden Fami¬

lien nach den Organisationsstufen angeordnet, die durch

Lernfähigkeit und Art und Dichte der Vernetzung defi¬

niert werden und in Wechselwirkung mit dem Individu-

ationsgrad der Mitglieder stehen Diese Stufen zeichnen

sich durch spezifische Kommunikationsstorungen und

„existentielle double-binds" aus Von 7 Kategorien sind 5

praktisch wichtig Bei den Symptomen können wir spezi¬

fische und unspezifische unterscheiden Das Schema giltfur alle humanen Systeme und ist seiner Natui nach un¬

abhängig von Begriffen wie Gesundheit und Krankheit

Beim Vergleich mit anderen hohstischen Typologien

zeigt sich, daß dieses Schema Raum bietet fur alle bisher

identifizierten Famihengestalten Neben die von mir so¬

genannte kategonale Famihengestalt tritt die einzigar¬

tige, historisch gewordene personale FamihengestaltSchließlich werden einige theoretischen Fragen ebenso

diskutiert wie solche der praktischen Anwendung

nicht mehr psychoanalytisch klassifizieren ließen Das

galt fur Familien ebenso wie fur Personen und einzelne

Merkmale In einer gegebenen Familie konnte Vater

schizoid sein, Mutter depressiv und die Tocher hyste¬risch Nach einer Weile jedoch begannen sich aus der

verwirrenden Vielfalt Famihengestalten herauszulosen

Dabei stand ich vor zwei Aufgaben der Abgrenzung und

Definition von Famihengestalten und der Suche nach Pa¬

rametern, die möglichst einfach und umfassend sein soll¬

ten und frei von Bewertungen wie Gesundheit und

ICrankheit Allmahlich wichen psychoanalytische Para¬

meter zurück, ethologische und systemische erwiesen

sich als übergeordnet, wie es ja auch der Forderung der

Logik entspricht, daß Parameter niederer Klassen (wie

einer Person) nicht identisch sein können mit denen ei¬

ner höheren Klasse (wie eines Mehrpersonensystems)Auch fur die Symptomtheorie ergaben sich neue Sicht¬

weisen

Aus der Untersuchung von 30 Familien, die an einem

bestimmten Stichtag 1978 in meiner Therapie waren, trat

das vorliegende Schema hervor, in das weitere 73 Fami¬

lien einbezogen wurden, die ich früher sah Das Schema

wurde erstmals auf einer Tagung in Zürich (1979) vorge¬

stellt, 1982 wurde eine Kurzfassung veröffentlich Es

wurde inzwischen auf uber 200 Familien ausgedehnt und

hat sich nur unwesentlich verändert

Als ich 1974 begann, von der psychoanalytischen Kin¬

derpsychotherapie zur Familientherapie überzugehen,stand ich vor einer Vielzahl neuer Phänomene, die sich

Prax Kinderpsychol Kinderpsychiat 35 283-294 (1986), ISSN 0032 7034

© Vandenhoeck & Ruprecht 1986

1 Die Parameter

Bei meinem Bestreben, Famihengestalten abzugrenzen,stieß ich zunächst auf den in der Literatur verbreiteten

Begnff der Harmoniefamihe Familien mit diesem Merk-

Vandenhoeck&Ruprecht (1986)