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Büro-Knigge: Duzen oder Siezen?
Als unhöflich gilt, wer zu seinen Kollegen gleich "Du" sagt. Wer das "Sie"
nie aufgibt, wirkt steif. Doch eindeutige Regeln gibt es im Job nur selten
und oft entscheidet auch die gemeinsame Vergangenheit über die Form
der Anrede.
In der Produktion wird häufiger geduzt als in der Administration. Anders
ausgedrückt: Dort, wo Anzug und Krawatte Pflicht sind, ist das "Du" unter
Kollegen seltener. Gerade in Banken und Versicherungen seht das förmliche "Sie"
für Seriosität. "Wir haben uns lange darüber Gedanken gemacht, wie wir unsere
Kunden ansprechen sollen", sagt Uwe Otto, Vorstand Vertrieb in der Custom Cash
AG in Karlsruhe.
Das Unternehmen finanziert neue oder gebrauchte Motorräder der
amerikanischen Kultmarke Harley Davidson. "Weil das 'Du' in der Bikerszene
üblich ist, haben wir uns schließlich dafür entschieden", begründet Otto die Wahl.
Deshalb ist auf der Homepage auch zu lesen: "Für Deine Traum-Harley bieten wir
die passenden Finanzierungsmodelle." Das ist für die Bankenszene zwar untypisch,
doch haben Produkt und Zielgruppe in diesem Fall für eindeutige Regeln gesorgt -
extern wie intern und auch vor dem Kunden. Doch solche Konsequenz ist selten.
Auf die Außenwirkung achten
"In der Außenwirkung ist das 'Du' unter Kollegen ein kompliziertes Konstrukt, weil
es auf Kunden kumpelhaft wirken kann", gibt Margot Behrend zu bedenken.
Deshalb würden nach Erkenntnissen der Pädagogin und freiberuflichen Trainerin
für Persönlichkeit, Kommunikation und Rhetorik manche Unternehmen den Weg
gehen, dass sich die Kollegen im Unternehmen zwar duzen. Vor dem Kunden sind
sie dann aber wieder per 'Sie'. Damit würde der Respekt untereinander nach
Außen hin deutlich, begründet sie.
Behrend meint nicht, dass ein "Sie" unter Kollegen grundsätzlich Distanz schafft.
Ihrer Erfahrung nach duzen sich vor allem Kollegen, die eine gemeinsame
Geschichte haben, etwa gemeinsam ihre Ausbildung absolvierten, häufig in
Projekten zusammen arbeiten oder in derselben Abteilung. Macht dann einer der
Duz-Kollegen Karriere, so kann das zu Problemen führen.
Dazu Behrend: "Wenn der Chef nicht alle duzt, sondern nur bestimmte Kollegen,
schafft er eine Zweiklassengesellschaft und die kommt bei den Mitarbeitern nicht
so gut an." Allerdings sei es fast unmöglich, dass sich Kollegen mit einer
gemeinsamen Vergangenheit plötzlich siezen sollen, weil einer des anderen
Vorgesetzter geworden ist. Wohl deshalb der Tipp von Behrend: "Das 'Sie' ist eine
bei uns übliche und förmliche Anrede, die ich nur wärmstens empfehlen kann." Für
Berufseinsteiger gelte der Rat allemal.
"Sie" steht für ein freundlich-distanziertes Miteinander
Zu Autorität gelangt ein Vorgesetzter nicht dadurch, dass er sich siezen lässt.
Doch das "Sie" unterstützt ein höfliches und freundlich-distanziertes Miteinander,
weil es Emotionen erschwert. "Du Pfeife" geht nun mal leichter über die Lippen als
"Sie Pfeife" - und sei es nur in Gedanken. Grundsätzlich ist die Ansprache im
Kollegenkreis abhängig von der Unternehmenskultur. "Deutsche Unternehmen
bevorzugen das 'Sie', amerikanische das 'Du'", so Behrend. Der Softwarekonzern
SAP betreibt eine nicht ganz unübliche Mischform.
"Vom Auszubildenden bis zum Vorstand reden wir uns alle mit 'Vornamen' und
'Sie' an", so Steffen Laick, der als Direktor für das Rekruting bei SAP zuständig ist.
Das ist die offizielle Regel. Weil sie für den deutschen Sprachgebrauch aber sehr
ungewöhnlich ist, duzen sich die meisten Mitarbeiter innerhalb einer Abteilung.
"Das 'Du' schafft eine emotionale Verbundenheit innerhalb der Teams", so die
Erfahrung von Laick. Im Umgang mit dem höheren Management wird daraus
allerdings wieder ein 'Sie'. Weil SAP ein globales Unternehmen sei und die
Konzernsprache Englisch, vereinfache die Regel 'Vorname' und 'Sie' die weltweite
Kommunikation untereinander. Das englische 'you' scheint die Sache einfach zu
machen.
Das englische "You" entspricht nicht dem "Du"
Doch Werner Besch, Germanistik-Professor an der Universität Bonn und Autor des
Buches "Duzen, Siezen, Titulieren" räumt einen weit verbreiteten Irrtum aus: "Das
Wörtchen 'You' im Englischen ist kein intimes 'Du', sondern eine Respekt zeugende
Pluralform, die dem deutschen 'Ihr' entspricht. In England habe sich zwar die
Anrede mit dem Wandel vereinfacht, indem das früher vertraute 'Du', das 'thou',
abgeschafft wurde mit der Konsequenz, dass sich nun alle siezen - und nicht
duzen. Auch im Englischen gibt es durchaus unterschiedliche Anreden, die sich
aber auf den Titel verlagert haben. Wie viele andere gibt Besch dennoch zu: "Das
Deutsche hat im Vergleich zu anderen Sprachen ein sehr schwankendes,
unsicheres System der Anrede."
Wohl deshalb hat der Professor eine große Schwäche für die Zwischenform
entwickelt. "Die Kombination aus Vorname und Sie drückt zwar Vertrautheit aus,
wahrt aber immer noch höfliche Distanz." Sollte es zum 'Du' kommen, hat Besch
folgende Regeln parat: "Der Vorgesetzte offeriert es dem Mitarbeiter, unter
gleichberechtigten Kollegen ist es derjenige, der am längsten in der Firma
arbeitet."
Heikel: Das "Schnaps-Du"
Doch was ist zu tun, wenn die Gesprächspartner auf einer feucht-fröhlichen
Betriebsfeier unüberlegt zum 'Du' übergegangen sind: der Auszubildende zum
Chef, der Abteilungsleiter zur Assistentin oder der neue Mitarbeiter zu den
alteingesessenen Kollegen? "Das 'Schnaps-Du' ist die heikelste Situation, aber sie
kommt vor", weiß Besch. Doch seiner Empfehlung nach sollte niemand auf die Idee
kommen, am nächsten Tag bei dieser Form der Anrede zu bleiben. "Wer auf ein
solches 'Du' beharrt, wirkt höchst peinlich."