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Martin Krauß BUND Ak Energie 14.3.2014 Zu den Verträglichkeitsuntersuchungen der N2000-Gebiete Mittelhessens Die am 17.2.2014 in der Endfassung vorgestellten und im Internet veröffentlichten Verträglichkeitsuntersuchungen für den Vogelsberg und den Hohen Westerwald von PNL, bzw. PNGU schließen in großer Zahl Vorranggebiete für Windenergienutzung in den Natura-2000-Gebieten plus 3000m-Puffer wegen potenziell erheblicher Beeinträchtigungen des Schwarzstorch und des Rotmilan pauschal nach kreisförmigen Abständen ohne Berücksichtigung der Habitatbeziehungen aus. (Die in den Inhaltsverzeichnissen der Untersuchungen genannten Karten sind nicht veröffentlicht.) Links: http://www.rp-giessen.hessen.de/irj/RPGIE_Internet? cid=e96d628f79e80042759c186d8a361a94 http://www.energieportal-mittelhessen.de/fileadmin/ image/Teilplan_Energie/Arbeitskarte_11_Windenergie.pdf Durch die Verträglichkeitsuntersuchungen werden detailliertere avifaunistische Untersuchungen z.B. der Habitatbeziehungen in Genehmigungsverfahren sowie Ausnahmeverfahren außerhalb der zur 2. Offenlage verbleibenden VRGWE ausgeschlossen. In den Untersuchungen wurden Habitatverbesserungen durch Schadensvermeidungs- und Kompensationsausgleichsmaßnahmen nicht untersucht, obwohl Lenkungs-und Habitate verbessernde Maßnahmen den

BUND zu Vertraeglichkeitsuntersuchungen für den Vogelschutz

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Die am 17. 2. 2014 in der Endfassung vorgestellten und im Internet veröffentlichtenVerträglichkeitsuntersuchungen für den Vogelsberg und denHohen Westerwald von PNL, bzw. PNGU schließen in großer Zahl Vorranggebietefür Windenergienutzung in den Natura-2000-Gebieten plus3000m-Puffer wegen potenziell erheblicher Beeinträchtigungen desSchwarzstorch und des Rotmilan pauschal nach kreisförmigen Abständenohne Berücksichtigung der Habitatbeziehungen aus.

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Martin KraußBUND Ak Energie 14.3.2014

Zu den Verträglichkeitsuntersuchungen der N2000-Gebiete Mittelhessens

Die am 17.2.2014 in der Endfassung vorgestellten und im Internet veröffentlichten Verträglichkeitsuntersuchungen für den Vogelsberg und den Hohen Westerwald von PNL, bzw. PNGU schließen in großer Zahl Vorranggebiete für Windenergienutzung in den Natura-2000-Gebieten plus 3000m-Puffer wegen potenziell erheblicher Beeinträchtigungen des Schwarzstorch und des Rotmilan pauschal nach kreisförmigen Abständen ohne Berücksichtigung der Habitatbeziehungen aus. (Die in den Inhaltsverzeichnissen der Untersuchungen genannten Karten sind nicht veröffentlicht.) Links: http://www.rp-giessen.hessen.de/irj/RPGIE_Internet?cid=e96d628f79e80042759c186d8a361a94 http://www.energieportal-mittelhessen.de/fileadmin/image/Teilplan_Energie/Arbeitskarte_11_Windenergie.pdf

Durch die Verträglichkeitsuntersuchungen werden detailliertere avifaunistische Untersuchungen z.B. der Habitatbeziehungen in Genehmigungsverfahren sowie Ausnahmeverfahren außerhalb der zur 2. Offenlage verbleibenden VRGWE ausgeschlossen.

In den Untersuchungen wurden Habitatverbesserungen durch Schadensvermeidungs- und Kompensationsausgleichsmaßnahmen nicht untersucht, obwohl Lenkungs-und Habitate verbessernde Maßnahmen den Erhaltungszielen von Schwarzstorch und Rotmilan dienlich und nach den Erhaltungszielen der VSG-VO und VS-Richtlinie und nach den hessischen Artenhilfskonzepten geboten wären1.

Die Möglichkeit einer artenschutzverträglichen Windenergieanlagen-Nutzung in den Natura-2000-Gebieten gemäß LEP, die im Einzelfall mit dem Erhaltungsziel und Schutzzweck vereinbar ist, wird nicht geprüft. Eine Abwägung mit den klima-und energiepolitischen Zielen findet nicht statt.

Der Ausschluss der meisten geeigneten VRGWE wird über die Natura2000-Gebiete hinaus auch noch auf die avifaunistischen Schwerpunkträume für den Schwarzstorch und den Rotmilan ausgedehnt. Die übrig gebliebenen VRGWE werden wegen Ortsumzingelungen, wegen sehr

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großer Mittelgebirgsflächen mit ungeeigneten Hängen und Senken und wegen nicht ausreichender Windgeschwindigkeiten in Verbindung mit den Vorschlägen zur Novellierung des EEG (Referenzertrag) in avifaunistischen Workshops und durch die Berücksichtigung von Fledermäusen noch weiter verringert werden müssen, so dass das energiewirtschaftliche Ziel nicht erreicht werden kann. 1 Artenhilfskonzept für den Schwarzstorch (Ciconia nigra) in Hessen und Artenhilfskonzept für den Rotmilan(Milvus milvus) in Hessen, beide staatl. VSW

2 Artenhilfskonzept für den Schwarzstorch (Ciconia nigra) in Hessen und Artenhilfskonzept für den Rotmilan (Milvus milvus) in Hessen, beide staatl. VSW.

Während für den Schwarzstorch im N2000-Gebiet des Hohen Westerwalds die Datensituation für den Schwarzstorch „sehr gut“ und für die Milane ebenfalls als „gut bis sehr gut“ eingestuft wird, wird für den Schwarzstorch im N2000-Gebiet des Vogelsberg ein „ungünstiger Erhaltungszustand“ zugrunde gelegt.

Eine Auswertung der zugrunde liegenden Daten2 einschließlich der Werte für das Jahr 2013 durch die hessenEnergie3, sowie durch RA Hans Karpenstein4 bestätigt die Einschätzung für den Vogelsberg, wenn die Horste außerhalb und nahe der N2000-Gebietsgrenze einbezogen werden, jedoch nicht.

Der Schwarzstorch kommt nach seiner fast Ausrottung in fast jeden großen Waldgebiet Hessens wieder vor. Seine Bestandsgefährdungen

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liegen in Störungen während der Brut, v.a. durch die Forstwirtschaft, Freizeitnutzung, in Nahrungsmangel, ungünstiger Witterung wie 2013, Hochspannungsleitungen, Prädatoren, aber unstreitig nicht durch Windkraftanlagen. Auf die Habitatproblematik weist die Entwicklung der Brutpaare hin. In den Verträglichkeitsuntersuchungen wird jedoch das Kollisionsrisiko stärker eingestuft, „als die Zahlen bisher belegen“.

Kollisionsgefährdungen des Rotmilans mit Windkraftanlagen sind gegeben, seine Bestandsgefährdungen liegen aber in erster Linie in den Überwinterungsgebieten sowie im Nahrungsmangel in den Brutgebieten aufgrund von Strukturveränderungen der Landwirtschaft.

Besser als mit großflächigen Gebietsausschlüssen könnte mit Artenhilfsmaßnahmen zur Verbesserung der Habitate aus Ausgleichsmitteln von Windenergieprojekten dem Schwarzstorch mit Schaffung von Flachgewässern und Feuchtgebieten, wie durch mit dem Artenhilfskonzept der hessenENERGIE GmbH und dem Rotmilan wie mit dem Nabu-Projekt „Mäuse für den Milan“ (500.000,-€ für Klagerücknahme Ulrichstein) geholfen werden, wie es nach den Erhaltungszielen der VSG-VO und VS-Richtlinie geboten ist5 und wie der BUND Hessen fordert, s. Anhang.

3 hessenENERGIE, Schreiben v. 23. 1. 2014 an Staatsministerin Priska Hinz und an Staatsminister Tarek Al-Wazir Erhaltungszustand des Schwarzstorchs im EU-Vogelschutzgebiet „Vogelsberg“ 5421-401, 23.01.2014 4 RA Hans Karpenstein, Stellungnahme, Auswertung Artenhilfskonzept VSW Frankfurt 2012, 10.01.2014 5 Im Anhang der Untersuchungen

Anhang

Zum Schutz des Schwarzstorches fordert der BUND Hessen6

„Die Staatliche Vogelschutzwarte hat u.a. bei der Tagung im Regierungspräsidium Kassel am 29.01.2013 berichtet, dass die Forstwirtschaft Auslöser für zahlreiche Konflikte bei der Planung von Windenergieanlagen ist. Störungen durch den regulären Forstbetrieb führen immer wieder zur Aufgabe der bestehenden Brutplätze, mit der Folge, dass die Tiere Horststandorte aufgeben.

Solche Vertreibungen sind für die Art problematisch, weil die Art auf eine langjährige Brutplatztreue über Jahrzehnte eingerichtet ist, wie man sie auch vom Weißstorch kennt. Umsiedlungen sind problematisch, weil sie

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immer das Risiko der Revieraufgabe auslösen und der mittlere Bruterfolg auf neu begründeten Horsten geringer ist. Für den Ausbau der Windkraft bedeuten solche Umsiedlungen ein ständiges Planungsrisiko bei der Festlegung der Vorranggebiete und deutliche Verzögerung, ggf. auch das Ende eines bereits laufenden Planungs-und Genehmigungsverfahren. Die Naturschutz-Leitlinie von Hessen-Forst sieht vor, dass Horstbäume erhalten, der Waldcharakter im engen Horstbereich von 50 m durch reduzierten Einschlag gewahrt wird und im Radius von 300 m in der Zeit von Anfang März bis Ende August Störungen zu vermeiden sind. Die Praxis zeigt, dass dies nicht genügt. In Brandenburg gibt es zur Vermeidung solcher Probleme eine Horstschutzzone mit einem Radius von 100 Metern, in der die Bewirtschaftung im Regelfall vollständig ruht.

Lösungsvorschlag BUND: Die Horststandorte werden in die Betriebskarten der Revierförster übertragen. Die forstliche Nutzung wird in einem Radius von 100 m um die Horste eingestellt und in einem Radius von 300 m wird der Waldcharakter durch reduzierten Einschlag gewahrt (Schonung und Entwicklung des Altholzes).“

Zum Schutz des Rotmilan fordert Der BUND Hessen7 „Flächendeckend ist der Rotmilan heute mit einer deutlich schlechteren Nahrungsgrundlage konfrontiert, so dass der Bruterfolg geringer ausfällt als früher und vermutlich kaum noch ausreicht, um den heutigen Bestand zu stabilisieren. Die Energiewende birgt in dieser Situation das potenzielle Risiko einer erhöhten Mortalität an der wachsenden Zahl der Windkraftanlagen und einer weiteren Verschlechterung des Nahrungsangebots durch die Ausweitung des Maisanbaus zur Biomasseproduktion. Wir plädieren deshalb nachdrücklich für Schutzmaßnahmen, die beide Aspekte - die mögliche erhöhte Mortalität und die Verschlechterung der Nahrungsgrundlage - in den Blick nehmen und schlagen folgende Maßnahmen vor:

Lösungsvorschläge 1. Schutz des vorhandenen Grünlands in den EU-Vogelschutzgebiete, die für den Rotmilan ausgewiesen wurden, durch: • Verbot des Grünlandumbruchs • Verbot der Aufforstung von Grünland • Angebote zum Vertragsnaturschutz im Grünland gemäß dem im Artenhilfsprogramm beschriebenen Modul

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2. Durchführung von FFH-Verträglichkeitsprüfungen für Biomasseanlagen in den EU-Vogelschutzgebieten, die für den Rotmilan ausgewiesen wurden (Begrenzung des Maisanbaus auf einen Umfang, der die Erhaltungsziele des Schutzgebietes nicht „erheblich beeinträchtigt“).

3. Neuanlage von Grünland mit Bewirtschaftungsvorgaben gemäß dem im Artenhilfsprogramm beschriebenen Modul über Nebenbestimmungen bei der Genehmigung von WEA; Finanzierung der Neuanlage durch die Mittel der Ausgleichsabgabe, die für den Bau von WEA erhoben wird.“

Nach der im Anhang angefügten, umfassenden Literaturrecherche (auch zum Uhu und Fledermäusen) des Unterzeichners ergibt sich, zum Schutz von Schwarzstorch und Rotmilan als Fazit:

Der Rotmilan kann Schlagopfer von Windkraftanlagen sein, leidet aber in erster Linie unter Nahrungsmangel durch weniger Grünland und andere Veränderungen in der Landwirtschaft. Er verhungert eher, als dass er erschlagen wird. Durch richtige Standortwahl von Windenergieanlagen, z.B. im Wald und durch Artenhilfsmaßnahmen wie mit dem Nabu-Projekt „Mäuse für den Milan“ kann seine Bestandsentwicklung gesichert und positiv beeinflusst werden.

Der Schwarzstorch hat wieder eine sehr positive Bestandsentwicklung. Er ist kein Schlagopfer von Windkraftanlagen, sondern eher durch ungünstige Witterung, Nahrungsmangel und Hochspannungsleitungen gefährdet. Seiner Störempfindlichkeit v.a. in der Brutzeit durch Forstmaßnahmen, Jagd, Freizeit, etc. muss durch Schutzmaßnahmen entsprochen werden. Artenhilfsmaßnahmen mit Schaffung von Flachgewässern und Feuchtgebieten wie durch die hessenENERGIE GmbH können seine Bestandsentwicklung sichern.

6 Im Brief an MP Bouffier v.15. 2. 2013 7 a.a.O.

Siehe auch: „Windkraft und Artenschutz in Hessen“, Literaturauswertung, Martin Krauß https://www.dropbox.com/s/0i5a51n4nfe8ix9/Lit%20Windkraft%20und%20Artenschutz%20in%20Hessen%20Krau%C3%9F%202014.pdf