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DAS ERSTE JAHR IM INKLUSIVEN FRÖBELKINDERGARTEN 20 JAHRE BWS BEHINDERTENWERK GMBH BWS»Jahresbericht»2014 ein » blick BWS Behindertenwerk GmbH | Behindertenwerk Spremberg e.V. - BWS BESTÄNDIGKEIT • WERTSCHÄTZUNG • SOZIALE KOMPETENZ

BWS Behindertenwerk GmbH |Behindertenwerk … · stine Stamm, Herr Dipl. Psychologe Matthias Zeschitz, Frau ... 4 Erzieher, Lisa Teschner und Maria Soyka ver-stärkten das »Starter

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DAS ERSTE JAHR IM INKLUSIVENFRÖBELKINDERGARTEN

20 JAHRE BWS BEHINDERTENWERK GMBH

BWS»Jahresbericht»2014

ein»blickBWS Behindertenwerk GmbH | Behindertenwerk Spremberg e.V. - BWS

B E S T ÄND I G K E I T • W E R T S C HÄ T Z UNG • S O Z I A L E K OMP E T E N Z

» Editorial

» Unser BetriebskindergartenDas erste Jahr im Inklusiven Frobelkindergarten

» BWS-Reha-Pädagogik»Sehen mit den Ohren« – Chancen und GrenzenDurch meine Sehbehinderung kam die Fotografie zu mir

» BWS-FrühförderungWenn Fruhforderung zur Reise der Sinne wird

» Werkstatt: Mehr als TeilhabeMomente meines LebensTagesausflug zur Slawenburg

» Wohnen individuell und vielfältig15 Jahre »Betreutes Wohnen« – Gelebte InklusionSpezial – Fahrsicherheitstraining»Gemeinsam sind wir stark«

» Aktivitäten im BWS»Betreuertage in Berlin« – Die individuelle QualitatBrandenburgtag 2014 – Ich war dabei!Das bunte Kamel – Es ist normal verschieden zu seinMitgliederversammlung des Behindertenwerk Spremberg e.V. – BWS20 Jahre BWS Behindertenwerk GmbH – Wir feierten ohne Grenzen

2 in»halt

Redaktionsleitung

Olaf Taubenek

Fotos

Mitarbeiter(innen) des BWS

Abdelkrim Brahimi

uschi dreiucker / pixelio.de

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Impressum

Herausgeber

Behindertenwerk Spremberg e.V. - BWS

BWS Behindertenwerk GmbH

Wiesenweg 58 / 03130 Spremberg

Telefon 03563 342-180

Fax 03563 342-199

[email protected]

www.bws-spremberg.de

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Liebe Leserinnen und Leser,

das Jahr 2014 war für das BWS ein Jahr der Jubiläen. DieBWS Behindertenwerk GmbH beging ihr 20-jähriges Beste-hen, was natürlich mit einem großen Fest gefeiert wurde.Der Fachbereich Betreutes Wohnen kann stolz auf 15Jahre erfolgreiche Entwicklung zurückblicken. Der inklu-sive Fröbelkindergarten als jüngstes Kind der BWS-Familiewurde im Jahr 2013 festlich eröffnet und vollendete damitsein erstes Jahr. Mit diesem Jahresbericht erhalten Sieeinen kleinen Einblick in unsere Arbeit und über die Viel-falt unserer Veranstaltungen und Aktivitäten im Behinder-tenwerk Spremberg e.V. – BWS und der BWS Behinderten-werk GmbH.

Zum ersten Mal konnten wir den »Tag der Sehbehinder-ten« in Forst (Lausitz) durchführen, um direkt an Ort undStelle auf die Probleme von Sehbehinderten aufmerksamzu machen. Nach den positiven Erfahrungen in Sprembergin den Vorjahren war es der richtige Schritt, in Forst (Lau-sitz) diesen Aktionstag einzuführen, wie die Besucherreso-nanz bewies.

In diesem Jahresbericht erwartet Sie ein Novum und viel-leicht ist es Ihnen auch schon aufgefallen. Dieser »ein-blick« ist nicht so wie die vorangegangenen Berichte ge-staltet. Neben dem bereits bekannten Aufbau und denwichtigsten Themen zum vorangegangenen Jahr ist dieserAusgabe ein fachlicher Sonderteil beigefügt, der »blick-punkt«. Er wurde ins Leben gerufen, um die Fachlichkeitunserer Arbeit mehr in den Fokus der Leserinnen & Leserzu stellen, die sonst nur in gekürzter Fassung den Weg inden »einblick« gefunden hätte. Dies wäre allerdings sehrschade, denn gerade diese Themen ermöglichen den Lese-rinnen & Lesern einen Einblick in das spezifische fachlicheKnow-how unserer Arbeit. So auch das Thema »Sehendblind oder wenn die Wahrnehmung für ein Durcheinandersorgt«. Die Referenten des vom Klinikum Frankfurt (Oder)und dem Behindertenwerk Spremberg e.V. – BWS organi-sierten gleichnamigen Fachtags in Frankfurt (Oder) vom18. Oktober 2014 waren so freundlich und haben uns ihreFachbeiträge für eine Veröffentlichung zur Verfügung ge-stellt. Wir bedanken uns an dieser Stelle bei Frau Dr. Chri-stine Stamm, Herr Dipl. Psychologe Matthias Zeschitz, FrauChristine Muschner und Frau Katrin Binnenhei dafür rechtherzlich. Um für Sie als Leser die bestmögliche Separierungzu gewährleisten, haben wir uns für eine spiegelverkehrteGestaltung entschieden. Diese Form macht es möglich,

beide Teile – den »einblick« als auch den »blick-punkt« – getrennt voneinander zu betrachten. In Zu-kunft wird der »blickpunkt« immer dann zum Ein-satz kommen, wenn wir fachspezifische Themenaufgearbeitet haben, die für Sie als Leser von Inter-esse sein könnten.

Wie ich schon eingangs berichtet hatte, war das Jahr2014 geprägt von Jubiläen. Ein besonderes erwartetuns auch 2015, wenn wir gemeinsam am 4. Septem-ber das 25-jährige Bestehen unseres Trägervereins,dem Behindertenwerk Spremberg e.V. – BWS, feier-lich begehen werden. Die Vorbereitungen dazu lau-fen bereits auf Hochtouren.

Ich bedanke mich bei all unseren Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern, den Ehrenamtlern, Vereinsmitglie-dern sowie Partnern und Freunden für Ihr tolles En-gagement und freue mich auf die weiterhin gute Zu-sammenarbeit in 2015.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen des »ein-blick« und des »blickpunkt«.

Ihr

Olaf TaubenekGeschäftsführer

4 BWS»Jahresbericht»2014

Das erste Jahr verging wie im Fluge.Am 13.12.2014, hatten wir unseren 1. Geburtstag,den wir am Montag, den 15.12.2014 zünftig fei-erten. Unser Kindergarten wächst wie eine Blumeim Garten, ganz im Sinne von Friedrich Fröbel.Wurzeln schlugen wir im Dezember 2013 mit 4Kindern und 2 Erzieher(innen), Constanze Jäkelund ich. Im Januar 2014 waren wir 17 Kinder und4 Erzieher, Lisa Teschner und Maria Soyka ver-stärkten das »Starter – Team«. Es war eine span-nende Zeit, anfangs waren Neugier, Aufregungund ständige Flexibilität unsere täglichen Beglei-ter. Strukturen, Regeln und Normen im Kinder-gartenalltag mussten erst wachsen. Von einereinzigen Gruppe wuchsen wir schnell zu zweiGruppen und dann auch zur dritten Gruppeheran. Vom anfänglichen Morgenkreis für alleKinder wurde ein alterspezifisches Morgenange-

bot, in denen die Kinder ihre Fähigkeiten und ihrer Fantasiefreien Lauf lassen können. Besonders in unserem erstenJahr waren auch die vielen Eingewöhnungen und Neuan-meldungen, die dazu führten, dass wir innerhalb des erstenJahres alle 70 Kindergartenplätze für Kinder aus Sprembergvergeben konnten. Besonders freuen wir uns auch, dass be-reits 7 »Inklusionskinder« unseren Kindergarten besuchen.So wie die Kinderzahl, wuchs natürlich auch unser pädago-gisches Team wie eine Blume und zählt heute 10 Mitarbei-ter(innen), davon zwei männliche Erzieher. Im März 2015kam eine 2. Heilpädagogin zur Verstärkung in unser Team.Auch kleinere Pannen, wie der Wasserrohrbruch im gelbenHaus, hielten uns nicht davon ab, unseren Kindern jedenTag einen Raum zu bieten, in dem sie leben, lachen und ler-nen können.

Das erste Jahr im inklusiven Fröbelkindergarten

In unserem schonen Garten haben alle ihren Spaß.

»Kommt, lasst uns unsern Kindern Leben!«

BWS»Jahresbericht»2014 5

In der Kreativ AG konnen die Kinder ihren kunstlerischen Fahigkeitenfreien Lauf lassen und ihr handwerkliches Konnen in der Werkstatterweitern.

Seifenblasen im Morgenkreis begeistern auch die Kleinsten.

Besonders stolz sind wir auf unsere Bildungsan-gebote am Nachmittag. Schnell merkten wir, dassder Vormittag im Kindergarten nicht ausreicht,um den Neigungen der Kinder ausreichend Raumzu geben. Wir beobachteten in der täglichen Ar-beit, dass wir mehr Zeit für kreative und musischeAngebote benötigen. Gemeinsam mit den Kin-dern entschieden wir uns für die Angebote AGChor, AG Kreativ und AG Theater, die wir seit Ok-tober 2014 wöchentlich durchführen. Dienstagbis Donnerstag ab 14.15 – 15.00 Uhr finden un-sere AGs statt. So können wir Inklusion intensiverleben, denn Inklusion heißt für uns auch die För-derung von Talenten.

Andrea Ruhner(Fachbereichsleiterin Kindergarten)

6 BWS»Jahresbericht»2014

Haben Sie auch Freude daran, in einemTal laut zu rufen, um bald danach IhrEcho zu hören? Das ist doch immer wie-der wunderbar!Natürlich wissen wir, dass es kein Wun-der ist, sondern einfach die Wirkungphysikalischer Gesetzmäßigkeiten. Dieerzeugten Schallwellen werden in demTal mehrere Male hin- und hergewor-fen, sie springen praktisch durch dieSchlucht. Etliche werden auch absor-biert, aber ein Teil kommt zurück. Sohöre ich zeitversetzt ein schwächeresEcho.Blinde Menschen nutzen täglich dasPhänomen der Schallreflexion zur Ori-entierung. Sie nehmen auf diese WeiseHäuser, Hindernisse, Bushaltestellenund andere Umweltmuster wahr.Schließlich machen sie ja selbst beimLaufen Geräusche, erzeugen alsoSchallwellen und hören deren Refle-xion.Um sich die Schallreflexion verstärktnutzbar zu machen, können sie weitereGeräusche machen, wie beispielsweiseSchnipsen mit dem Finger oder Schnal-zen mit der Zunge. Die zuletzt ge-nannte Technik nennt man auch Klick

Sonar. Aus dem zurückfallenden Echoeines scharfen Zungenklicks können guttrainierte Menschen recht genaue Infor-mationen über ihre Umgebung erhalten.Daniel Kish, heute Entwicklungspsycho-loge und Orientierungs- und Mobilitäts-trainer (O&M), hat sich als blindes Kinddiese Technik angeeignet und bewegtsich, den Langstock nutzend, frei in seinerUmgebung. Er reist durch die Welt undgibt sein Wissen und seine Erfahrungenweiter. Daniel Kish beschreibt Klick Sonarfolgendermaßen: »Es ist wie Gips in eineForm zu gießen. Das Echo nimmt die Formder Umgebung an.« Jüngste Studien zeigen, dass das feste Ver-hältnis der Schallquelle Zunge zum Emp-fänger Ohr entscheidend für die Anpas-sung des Gehirns an das »Sehen« mitEchos ist. So lässt sich auch erklären,warum die Schallerzeugung durch denZungenklick weitaus genauere Informatio-nen gibt als andere Schallerzeugungen,beispielsweise das Schnipsen oder das Rol-len der Langstockspitze. Daher ist KlickSonar eine sehr wertvolle Bereicherung fürblinde Menschen. Sie liefert differenzierteInformationen über die Umgebung. Eckenund Türen klingen anders als die Wand.

»Sehen mit den Ohren«Chancen und Grenzen

BWS»Jahresbericht»2014 7

Wenn man sich die Ecken »erklickt« hat, findet man sich imgesamten Raum zurecht. Auch das Ausweichen vor Hinder-nissen gelingt gut. Natürlich ist auch hier noch kein Meistervom Himmel gefallen, Gehör und Gehirn müssen gut trai-niert werden. Das Gehirn muss hören lernen, um immerbesser die Echos zu erkennen.Klick Sonar ist daher zum festen Bestandteil der Frühförde-rung blinder Kinder geworden. Auf spielerische Weise trai-nieren sie Gehör und Gehirn, erfreuen sich am Echo, wassie klopfend unter dem Tisch machen, stampfend im Badoder eben auch schnalzend in der Küche. Die Erfahrungenwerden immer vielfältiger, die Vorstellungen immer diffe-renzierter, ihre Bewegungsfreiheit und Sicherheit immergrößer.

Aber wie ist das bei Erwachsenen? Können sie das auch ler-nen?

In meiner täglichen Arbeit habe ich folgende Erfahrungengemacht:Seit 2 Jahren erhält jeder blinde Klient von mir das Ange-bot, mit Informationen zu Klick Sonar versorgt zu werden.Alle betroffenen Erwachsenen im Alter bis zu 65 Jahrenhatten daran Interesse. Ein Teil von ihnen, ca. 30%, beschäf-tigen sich seitdem intensiver mit Klick Sonar. Wie unterstütze ich sie dabei? Was erscheint mir besonderswichtig?• dem Thema bewusst Bedeutung, Raum und Zeit in den

O&M-Schulungen geben• viel ausprobieren: Klicken, Schnipsen, auf die Schritte

achten – herausfinden, was individuell passt • diese Technik intensiv üben, in unterschiedlichen Um-

weltmustern, zunächst ohne Störgeräusche • anfangs durchaus isoliert üben, um die Sensibilität zu

erhöhen• sehr schnell in den Schulungsalltag integrieren• »zufällige« Situationen, in denen die Echoortung gut

erlebbar ist, bewusst machen• den Aha-Effekt »Ja, ich hör das!« immer wieder fördern • beim Üben: Hören und Anfassen sowie Anfassen und

Hören• anregen, sich selbst täglich darin zu üben• wichtige Bezugspersonen der Betroffenen zur Technik

und zum Sinn von Klick Sonar informieren • das Fachwissen und die Erfahrungen interdisziplinär

austauschen, bündeln und verbreiten

Welche Ergebnisse haben wir bisher erreicht?

Natürlich ist der Entwicklungsstand individuellganz unterschiedlich.Insgesamt lässt sich feststellen, dass alle, die sichmit der aktiven Echoortung beschäftigen, diesbe-züglich sensibler geworden sind. Enrico hört inzwischen große Bilder an der Wand,wenn er klickt. Nadin hört parkende Autos undim Weg stehende Mülltonnen. Anders als früherläuft sie daher nicht mehr dagegen. Bernhardklickt, wenn er sich verlaufen hat und findet sichdanach sofort wieder zurecht. Christian schnipstmit dem Finger und hört Nischen sicher und ge-schlossene Türen inzwischen schon sehr oft. Da-niel hörte vor einem Jahr Querstraßen noch nichtsicher, heute schnipst er öfters und nimmt par-kende Autos und große Bäume sehr oft wahr. Ihre Mobilität ist freier, sicherer, Hindernisse stö-ren nicht mehr so häufig. Alle scheinen jedochimmer wieder selbst verwundert darüber zu sein,dass sie tatsächlich so viele Umweltmuster wahr-nehmen können. Die Freude ist schon da, das Ver-trauen in sich selbst wird mit jedem Tag wachsen,wenn Gehör und Gehirn sich üben dürfen.Klick Sonar ist nach unseren Erfahrungen tatsäch-lich eine wunderbare Ergänzung zu den »tradi-tionellen« Blindentechniken und somit wichtigerBestandteil der O&M-Schulungen. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir alle immeröfter blinden Menschen begegnen, die dezent,aber wirkungsvoll schnalzen. Ich wünsche ihnenbeim Sehen mit den Ohren viel Erfolg und werdesie dabei gern weiterhin fachlich begleiten.

Annedore Neigenfind (Abteilungsleiterin Rehapädagogik)

8 BWS»Jahresbericht»2014

»Durch meine Sehbehinderung kamdie Fotografie zu mir«Mit diesen Worten erklärt JustusSteinfeldt, warum er so leidenschaft-lich fotografiert. Justus feierte am 8.Januar 2015 seinen 18. Geburtstag.Er ist sehbehindert und erhielt in sei-ner Kindheit viele Jahre Frühförde-rung durch das BWS. Mit viel Freudeverfolgen seine ehemaligen Frühför-derer, Herr Dr. Heinicke und FrauNeigenfind seine Entwicklung. LesenSie selbst, was Justus Steinfeldt aufseiner Homepage veröffentlicht hat!

»…Ich bin 18 Jahre alt und komme aus Dresden,gehe auf das Gymnasium Dresden-Bühlau undsinge seit 10 Jahren im Knabenchor Dresden. Durch meine Sehbehinderung kam die Fotografiezu mir, als ich ungefähr 10 Jahre alt war. Es gingdarum, in der Schule die Tafel abzufotografierenund vergrößern zu können, um alles zu erkennen. Vor vier Jahren habe ich mich auf die künstleri-sche Fotografie gestürzt. Dabei bin ich zuerstmit Bildbearbeitung in Kontakt gekommen undhabe viel über Photoshop und Co. gelernt.Dafür habe ich viele Bücher gelesen, aber vorallem habe ich große Mengen an Videotrainings

Durch meine Sehbehinderung kam die Fotografie zu mir

verschlungen (am Anfang vor allem beiwww.video2brain.de). Die Grundlage für die Bildbearbeitungist ein gutes fotografisches Ausgangs-material. Ich habe mich immer weiterfür die Entstehung von Bildern interes-siert und mir vor dreieinhalb Jahren dieCanon EOS 600D gekauft, mit der ichbis heute fotografiere. Gleichzeitig ent-wickelte ich viel Interesse an der Bildge-staltung. Über die Zeit haben sich fürmich Landschaften und später Architek-tur als Motive herauskristallisiert. Inspirationen finde ich auch bei vielenanderen Fotografen…

ANDERS SEHEN Kurz nach meiner Geburt wurde bei mirGrauer Star diagnostiziert. Das heißt,dass meine Augenlinsen auf beiden Sei-ten trüb waren. Diese wurden operativentfernt als ich 2,5 Monate alt war. Des-halb bekam ich schon im ersten Lebens-jahr Kontaktlinsen und viele andereHilfsmittel. Vor allem in meinen erstenLebensjahren ging es darum, mir dasSehen beizubringen. Normale Babyslernen in den ersten Monaten dasSehen. Ich konnte in der wichtigstenPhase nicht sehen lernen und musstedavon möglichst viel nachholen. Hierwill ich mich sehr bei meinen Eltern,meinem Großvater und meinen Früh-förderern bedanken, die mir die Freudeam Sehen nahe brachten und mich sehrunterstützt haben! Mit allen Hilfsmitteln sehe ich jetzt aufdem besseren Auge mit einer Seh-schärfe von etwa 20% (Visus = 0.2 -> ichmuss 5x so nah heran gehen). Außer-dem kann ich nur mit einem Augegleichzeitig schauen, weshalb ich zwei-dimensional sehe. Mit der Sehschwächeist auch ein Nystagmus verbunden (Zit-tern der Augen). Mein Blickfeld wirdvom Gehirn jedoch so stabilisiert, dasich wackelfrei sehe. Ich nutze Hilfsmit-tel und Vergrößerungen, um möglichst

Justus Steinfeldt beiseiner Lieblingsbe-schäftigung dem Fotografieren.

Schweriner Schloss, Mecklenburg-Vorpommern, DeutschlandSonnenaufgang, Juli 2014, Bildnr: 207

BWS»Jahresbericht»2014 9

Auf der Elbe beiWehlen, Sachsen,

DeutschlandMorgen

Oktober 2014Bildnr: 308

Karlsbrücke,Prag, Tschechien

MorgenMärz 2014Bildnr: 001

MoritzburgerSchloss, Sachsen,

DeutschlandAbend

April 2015Bildnr: 109

Zingst, Mecklenburg-Vorpommern,Deutschland

SonnenaufgangMai 2014

Bildnr: 201

viel erkennen zu können. Schnell an-gestrengt bin ich, wenn ich kleineDinge entziffern muss. Das erscheint vielen wahrscheinlich alseine große Einschränkung und ist eseigentlich auch. Ich sehe jedoch schonmein Leben lang auf diese Art undkomme damit ganz gut zurecht. Ichgehe in die Schule und kann dortdurch die besondere Unterstützungmeiner Lehrer mit meinen normal se-henden Freunden lernen. Meine Mit-schriften schreibe ich auf demComputer, wodurch ich auf den be-sonders schnellen Umgang mit ihmgeschult bin. Dort findet sich auch dieFotografie wieder: Ich habe immereine Kamera dabei, um die Tafel zu di-gitalisieren. Auch Photoshop kommtin der Schule zum Einsatz, wenn ichschnell Skizzen zu Sachverhalten er-stellen muss. Dabei will ich ausdrücklich betonen,dass ich unter meiner BehinderungNICHT leide und sehr glücklich lebe,obwohl mich meine Sehbehinderungnatürlich prägt. Sie verändert sichermeine Sichtweise auf die Umgebungund beeinflusst damit die Entstehungmeiner Fotos entscheidend – ANDERSsehen.

KAMERATECHNIK Alle meine Bilder entstehen mit einerDSLR-Kamera mit APS-C – Sensor undauf einem Stativ. Zusätzlich kommenein Fernauslöser und Spiegelvorauslö-sung zum Einsatz, um Verwacklungenzu vermeiden... Bei der Aufnahme ver-wende ich zusätzlich eine Bildschirm-lupe, um den Fokuspunkt akkuratsetzen zu können…« Sind Sie ebenso beeindruckt wie wir?Wenn Sie mehr seiner wunderschönenFotos sehen möchten, dann gehen Sieeinfach auf seine Homepage: www.justussteinfeldt-photography.de! Wir wünschen Ihnen viel Freudedabei!

Annedore Neigenfind (Abteilungsleiterin Rehapädagogik)

10 BWS»Jahresbericht»2014

»Wenn Frühförderung zur Reise der Sinne wird«

Die Frühförderung taubblinder Kinder stellt eine beson-dere Herausforderung dar. Es bedeutet nicht nur, dass dasKind stark sehbehindert bzw. blind UND stark hörbehin-dert bzw. taub ist. Es impliziert vielmehr, dass alle anderenSinne angesprochen werden müssen, um es erfahren undbegreifen zu lassen.Doch was genau bedeutet Taubblindheit bzw. Hörsehbe-hinderung?Taubblindheit ergibt sich aus der Kombination taub undblind - bzw. auch abgeschwächten Formen davon. Das be-deutet, dass die Menschen teilweise über ein Teilhör- bzw.-sehvermögen verfügen, trotzdem aber als hörsehbehin-dert / taubblind gelten. Dennoch darf Taubblindheit nichtnur als die Addition der zwei einzelnen Behinderungsar-ten betrachtet und dargestellt werden. Taubblindheit isteine eigenständige Behinderungsform. Das große Ziel der Frühförderung taubblinder Kinder stelltdas Erfahren des eigenen Ichs und der Umwelt dar, woraussich nachfolgend das Anbahnen und Aneignen von Kom-munikationsstrategien und -formen ergibt. Mit Hilfe vonunterstützender Handführung wird der eigene Körper er-forscht, beginnend beim Kopf. Danach folgt das langsameErfahren des Umfeldes sowie der Umwelt des Kindes. Dafür das Kind aufgrund der Behinderung alles scheinbareine »Überraschung« ist, sollten Rituale eingeführt wer-den, die dem Kind Sicherheit bieten und seinen Erkun-dungsdrang wecken.

Lina beim gemeinsamen Spiel mit derFruhforderin mit dem Licht-Klang-Ball.

Lina beim Erfahren, Erfuhlen und Horen eines neuen Instruments und neuer Klange.

BWS»Jahresbericht»2014 11

Zudem kommunizieren taubblinde Kinder auf eine beson-dere, stets individuelle Art und Weise. Im Rahmen derFrühförderung muss die Kommunikationsform erkanntwerden, um anschließend die Umwelt dafür zu sensibili-sieren, diese zu erkennen und aufzugreifen. Bei diesemwichtigen Teil der Kommunikationsanbahnung tritt derFrühförderer als Vermittler zwischen der Umwelt und demKind auf. Welche Form der Kommunikation gewählt wird,hängt vom Kind ab, denn dieses steht im Fokus. Häufigwird mit Bezugsobjekten und taktilen Gebärden gearbei-tet. Alle Angebote, die dem Kind gemacht werden, sprechenzudem stets mehrere Sinne an. Aus Sicht des Kindes be-deutet Kommunikation somit:Ich RIECHE einen vertrauten Duft, den ich dann einer mei-ner vertrauten Bezugspersonen zuordne; ich SPÜRE meinGegenüber aufgrund unserer Nähe, ich SEHE den Spre-chenden, der das Gesprochene durch den Einsatz einesLeuchthandschuhs zur Unterstützung der Gesten benutzt;ich SPÜRE dabei seinen Atem in meinem Gesicht; ich ver-suche zu HÖREN, was er zu mir spricht. Mich selbst erfahren heißt: Ich HÖRE wo meine Füße sind,denn wenn ich sie bewege, klingeln die Glöckchen an mei-nen Schuhen; ich SPÜRE durch Vibration meinen gesamtenKörper und SEHE zudem durch den Leuchthandschuh, wodie Stelle ist; ich SCHMECKE verschiedene Sachen, die ichesse, und weiß genau, ob sie MIR wirklich schmecken; undich RIECHE auch an meinem Essen und an meinem Spiel-zeug, um es zu ERFAHREN.

– Das ist meine Reise der Sinne, die mich erfahren und ver-stehen lässt und mir Sicherheit bietet.

Im Behindertenwerk Spremberg e. V. - BWS hatsich in den letzten Jahren die Arbeit mit hörseh-behinderten bzw. taubblinden Kindern stetigweiterentwickelt. Die Tendenz ist auch durch diesteigende Zahl der taubblinden Kinder zu be-gründen. Jennifer Beyer, die an der TU ChemnitzPädagogik studierte, interessiert sich schonlange für die Arbeit mit taubblinden Menschen.Ihre Bachelorarbeit zum Thema »Untersuchun-gen zur Frühförderung von taubblinden Kin-dern« wurde durch die Frühförderung desBehindertenwerk Spremberg e.V. – BWS betreutund begleitet. Eine Untersuchung im Juli 2014ergab in diesem Zuge, dass aktuell 14 Kinder inder Frühförderung betreut werden, die als hör-sehbehindert bzw. taubblind gelten. Zudem setzte sie sich neben der empirischen Er-hebung und dem Behinderungsbild u. A. auchmit dem Merkzeichen »tbl« im Schwerbehinder-tenausweis auseinander, denn Taubblindheit istnoch keine im Schwerbehindertenausweis ver-merkte eigenständige Behinderung und hatsomit noch kein autonomes Merkzeichen.Mit diesem Problem müssen sich auch die Elterntaubblinder Kinder beschäftigen, die aufgrunddes fehlenden Merkzeichens bei den entspre-chenden Krankenkassen um jedes Hilfsmittel fürihre Kinder kämpfen müssen. Leider ist auch diesist ein Teil ihrer gemeinsamen Reise.

Jennifer Beyer / Ariane Groba(Frühförderinnen des Fachbereiches Frühförderung)

Vincent beim Kennenlernen einesneuen Spiels. Dieses wird ihm, un-terstützt durch taktile Gebärden,von seinem Frühförderer nähergebracht.

12 BWS»Jahresbericht»2014

Mit diesem Thema beschäftigte sich im letzten Jahr derTheaterkreis des Förder- und Beschäftigungsbereiches(FBB) in Spremberg. Eine alte Dame sitzt abends allein inihrem Wohnzimmer, schaut sich ein Fotoalbum an undschwelgt in Erinnerung ihrer Lebensjahre. Die Zeit im Kin-dergarten, Schuljahre, die erste große Liebe, die Ausbil-dung zur Schneiderin, eine Hochzeit, Reisen und daseigene Kind werden von fünf weiteren Teilnehmer(innen)des Theaterkreises über Schattenspiele und Bühnenprä-senz dargeboten.Wichtig war dabei die Auseinandersetzung mit den ein-zelnen Lebensphasen. Einige haben die Darsteller(innen)schon miterlebt und konnten sich gut mit der Situationidentifizieren. Bei anderen kam Neugier und Freude auf.Wie spannend ist es doch mal ein Hochzeitskleid zu tra-gen, Eheringe aufzusetzen und von »Blumenmädchen«umzingelt zu werden. Aber auch mit unschönen Momen-

Momente meines Lebens

Momentaufnahmenbeim Theaterspielen.

ten wird jeder Mensch im Leben konfrontiert. Mit einem »gebrochenen« Herzen und dem Ver-lust des geliebten Ehemannes Gustavs spiegeltdas Theaterstück solche Momente wieder.Ein Jahr lang wurde für das 30-minütige Stückjede Woche geprobt bis es endlich vor vielen Zu-schauern, wie zur Weihnachtsfeier des FBB’s inSpremberg mit den Eltern, den Schülern aus derFörderschule für Geistigbehinderte im Wiesen-weg, dem FBB in Forst, dem Pflegeheim des BWSund den Wohnstätten, den Mitarbeiter(innen)der Werkstatt sowie der Verwaltung, aufgeführtwerden konnte. Ein Theaterstück voller Mensch-lichkeit, Lebensnähe und Emotionen.

Antje Köppe / Catherine Künstler(Gruppenbetreuer im FBB Spremberg)

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Momente kommen und gehen. Sie laufen davon, denn sie bleiben nie stehen.

Du hältst sie fest, sie sollen bleiben, aber dadurch tust du nur bessere vertreiben.

Genieße einfach diesen Moment, auch wenn er so schnell davon rennt.

Sieh dir an, was in ihm steckt, denn dieser Moment, er ist perfekt.

unbekannter Verfasser

BWS»Jahresbericht»2014 13

Am 31.07.2014 war es für unsere Jubilare endlich so weit! AlsDankeschön für ihre über 20 Jahre lange Betriebszugehörigkeitunternahmen wir einen gemeinsamen Ausflug in den wunder-schönen Spreewald. Mit insgesamt 24 Teilnehmer(innen) starte-ten wir unsere Reise von Spremberg aus mit dem Bus. Angekom-men im Fiedermannhof wurden wir zunächst mit einem leckerenImbiss empfangen. Nachdem wir uns gestärkt hatten, stand auchschon das Highlight unserer Reise bevor: Die Fahrt mit der „Rum-pel-Guste“ zur Slawenburg. Während der Fahrt konnten wir denSpreewald in seiner vollen Pracht kennenlernen. Toll, dieses satteGrün der Natur und das Zwitschern der Vögel! Die Slawenburg isteine nachgebaute Wehranlage aus dem 9. / 10. Jh. n. Chr.. Nacheinem ausgedehnten Rundgang und vielen Eindrücken fuhrenwir wieder zurück zum Fiedermannhof, wo uns schon das Mittag-essen erwartete. Wir wurden wieder bestens versorgt und tratengesättigt und müde – aber glücklich über den tollen Ausflug –den Heimweg an. Betriebszugehörigkeit40 Jahre – Rainer Dittmann, Dieter Lehmann, Sybille Nousch,Karla Grätz35 Jahre –Maik Schulz, Frank Lindner, Dietmar Brandt, Andrea Schmidt, Andreas Kube25 Jahre – Gabriele Steinsch, Sabine Gaeth, Angelika Weber, Andrea Wichmann, Dirk Exner, Bianka Eikmeier, Peter Jenz, Sylvana Preuß20 Jahre – Petra Smoller, Michael Feltin, Bernd Wald, Ines Ermer,Gerhard Dreßler, Eberhard Jäger, Janine Mustroph

Gabi Höhna(Mitarbeiterin des Reha-Fachdienstes)

Tagesausflug zur Slawenburg

14 BWS»Jahresbericht»2014

Ein selbstbestimmtes Leben ist auch für Menschen mit Behinderun-gen ein Herzenswunsch. 15 Jahre ist es nun her, dass das Experiment– ambulante Betreuung für Menschen mit einer geistigen Behinde-rung im BWS begann und zu einer Erfolgsgeschichte wurde. Damalswar der Begriff »Ambulant Betreutes Wohnen« noch Neuland undmit vielen Fragezeichen versehen. Doch schon nach kurzer Zeitstellte sich heraus, dass die Klienten die neu gewonnene Freiheitschätzen und davon profitieren. Die Idee einer Wohnform zwischenden beiden damaligen »klassischen« Hilfeformen – Elternhaus / Heimoder völlig alleine zu wohnen – schloss eine wichtige Lücke, um dieUnterstützung bedarfsgerecht, aber auch zeitgemäß sicherzustel-len. Heute, nach dem Paradigmenwechsel hin zu mehr Selbstbestim-mung der Menschen mit Behinderung, ist das Bestreben nach mehrSelbständigkeit und Eigenverantwortung allgegenwärtig.Der Behindertenwerk Spremberg e.V. - BWS betrat am 01. Oktober1999 rechtliches Neuland. Zum Wohle geistig behinderter Menschenentstand im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe nach §§ 53,54 SGB XII ein Angebot, das ihnen die soziale Teilhabe am Leben er-möglichte. Mittlerweile ist die ambulante Wohnform für Menschenmit geistiger Behinderung, wobei dann auch Menschen mit seeli-scher Behinderung hinzu kamen, längst etabliert. Inklusion, d. h.eine selbstbestimmte Lebensweise in einer eigenen Wohnung mitambulanter Unterstützung bei der eigen- ständigen Lebensführungim Alltag vom Einkauf, Kochen, Reinigung, Abklärung gesundheitli-cher Belange … bis hin zur Problemlösung, wird in dieser Wohnformgelebt. Die wesentliche Zielsetzung der ambulanten Assistenz be-steht darin, Menschen mit einer geistigen oder seelischen Behinde-rung vergleichbare Lebensverhältnisse und Perspektiven wie nicht-behinderten Menschen zu erschließen und damit eine selbst-bestimmte Lebensführung in der eigenen Häuslichkeit und derenUmfeld zu öffnen und zu erhalten. Der Spagat zwischen Selbstbestimmung und ambulanter Betreuungist immer wieder ein brisantes Thema innerhalb der ambulanten Be-treuung. Was bedeutet Selbstbestimmung eigentlich? Wer selbst be-stimmt lebt, der führt ein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen.Er fällt frei seine Entscheidungen, er ist unabhängig. Die pädagogi-

schen Fachkräfte im Betreuten Woh-nen begleiten diesen Prozess. Nicht sel-ten eine schwierige Aufgabe, dennjeder Klient hat seine eigene Lebens-geschichte und hat ganz individuelleErfahrungen. Selbstbestimmung führtimmer auch zur Selbstverantwortung.Jeder Klient ist für sich und sein Lebenselbst verantwortlich, jedoch nichtimmer in der Lage, die Auswirkungenseines Handelns zu überschauen. Nurdurch Sicherheit und Vertrauen zu denBezugsbetreuern kann sich dieSelbstbe- stimmung entfalten und ent-wickeln. Der Klient weiß, er kann auchetwas wagen und ausprobieren. Dasheißt, die Klienten können eigene Er-fahrungen sammeln, sowohl positive,als auch negative. Wichtig ist hierbei,die Klienten auf diesem Weg zu be-gleiten. Der Bezugsbetreuer ist alspädagogischer Berater tätig und ver-sucht, gemeinsam mit dem Klient dieFolgen seines Handelns herauszufin-den mit dem Ziel, mehr Sicherheit beiEntscheidungen zu erlangen. DieSelbstbestimmung als höchstes Gut hatdazu geführt, dass heute auch frühereTabuthemen wie Kinderwunsch undFamilie besprochen werden. Die Klien-ten erhalten Beratung, was es bedeu-tet, eine Familie zu gründen und einKind groß zu ziehen. Auch die ThemenSexualität, Partnerschaft und der dar-aus resultierende Wunsch des Zusam-menlebens sind in den letzten Jahren

15 Jahre »Betreutes Wohnen« - Gelebte Inklusion

BWS»Jahresbericht»2014 15

zunehmend Inhalte der ambulanten Betreuung. Eine sehrgroße Herausforderung liegt für uns auch in der zuneh-menden Alterung unseres Klientels. Primäres Ziel ist es,diesem Klientel so lange wie möglich einen Verbleib inihren eigenen Wohnungen zu ermöglichen. Kooperations-partner, wie beispielsweise der Ambulante Pflegedienstdes BWS sind hierbei unerlässlich. Das Betreute Wohnenbedeutet Begleitung und zwar Begleitung mit allenHöhen und Tiefen sowie ohne Wenn und Aber.Als Leiterin des Betreuten Wohnens möchte ich an dieserStelle auch die Möglichkeit nutzen, die Personen ins Lichtzu rücken, die sonst im Verborgenen arbeiten. Allen vorandie pädagogischen Fachkräfte, die mit hohem Einsatzdiese Wohnform für geistig und seelische behinderteMenschen ermöglichen. Betreuer im Betreuten Wohnensein, heißt in der Regel als »Einzelkämpfer« daran zu ar-beiten, den Klienten nur soviel Hilfe wie nötig zu geben,um möglichst selbstständig und selbstbestimmt leben zukönnen. Wie viel Hilfe nötig ist, ändert sich jedoch häufigund oft kurzfristig. Neben ihrer hohen pädagogischenFachlichkeit, fundiertem Wissen über die Bereiche des all-täglichen Lebens, ist es vor allem die Kompetenz, Verän-derungen bei den Klienten wahrzunehmen, um bedarfs-gerecht agieren zu können. Schnelle Anpassung desBetreuungsumfangs und eine gewachsene Vertrauensba-sis zu den Klienten ist die Grundvoraussetzung für eineambulante Unterstützung in einer eigenen Wohnung. Für

die pädagogischen Fachkräfte ist die Arbeit im Be-treuten Wohnen nicht nur ein Job, sondern vor allemeine Berufung, in der man seine gesamte Persönlich-keit einbringt. Des Weiteren möchte sich das Team des BetreutenWohnens, auch im Namen unseres Geschäftsführers,Herr Olaf Taubenek, bei allen institutionellen Koope-rationspartnern, rechtlichen Betreuern, Vermietern,Mitarbeitern, Eltern und Angehörigen für die Zusam-menarbeit bedanken. Gemeinsam konnte es ermög-licht werden, dass in den letzten 15 Jahren viele Men-schen mit einer geistigen bzw. seelischenBehinderung in einer eigenen Wohnung unterstütztwerden konnten. Unsere 15-jährige Erfahrung im Bereich des Betreu-ten Wohnens bietet einen weitreichenden und spezi-fischen Erfahrungsschatz, der auch mit Blick auf dieZukunft hilft. Unser Ziel ist es, dass in Zukunft nochviel mehr Menschen mit einer geistigen oder seeli-schen Behinderung ein »Leben so normal wie mög-lich«, also in der Mitte der Gesellschaft erLEBEN kön-nen und zwar hin zu einer wirklich inklusivenGesellschaft.

Annett Sauder (Fachbereichsleiterin Betreutes Wohnen)

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Ladungssicherheit wird groß geschrieben.

Spezial - Fahrsicherheitstraining

Um unseren Bewohner(innen) die notwendige Mobilitätund eine Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, istes selbstverständlich, dass fast alle Mitarbeiter(innen) desFachbereiches Wohnen regelmäßig mit den Kleinbussenunterwegs sind. Der Name »Kleinbus« täuscht allerdingsein bisschen. So ein moderner Rollstuhlbus mit Hebebühnehat schon seine Ausmaße und muss erst einmal beherrschtwerden. Und in einer hektischen Zeit wie der unseren,kommt es dann immer mal wieder zu kleineren Blessuren,weil die Größe des Gefährts falsch eingeschätzt wird. Hier mehr Sicherheit zu erlangen, das ist das Ziel von Fahr-sicherheitstrainings, die regelmäßig im ACE Verkehrsgar-ten in Calau unter fachkundiger Anleitung stattfinden.Am 11. Oktober 2014 ging es aber noch um ein ganz an-deres Anliegen.Die zehn Mitarbeiter(innen) des Fachbereiches Wohnentrafen mit vier Bussen in Calau ein. Zur Ausstattung dies-mal gehörten aber auch Rollstühle und Augenbinden.Neben dem Üben einiger riskanter Fahrmanöver sollte beidem »Spezial - Fahrsicherheitstraining« auch eine Sensibi-lisierung dahingehend erfolgen, wie es wohl unseren Be-wohner(innen) geht, wenn sie im Bus sitzen. Also wurdejeweils ein(e) Mitarbeiter(in) im Rollstuhl gesichert und zu-sätzlich »blind« gemacht und schon ging es los. Selbst beiTempo 30 wurde die Fahrt bereits als unangenehm emp-funden, vor allem, wenn es in Schlangenlinien um dieKegel ging oder eine Vollbremsung gemacht wurde. EineErkenntnis war allen sicher: eine ruhige Fahrweise und dasAnsagen von möglicherweise notwendigen, stärkerenBremsungen wird zukünftig zu jeder Fahrt gehören. Aberauch der Spaß kam nicht zu kurz. Rückwärts eine längere

Strecke fahren und dabei Hindernissen auszu-weichen, die Höhe des Fahrzeugs abschätzenoder von breiten in enge Fahrbahnen einzubie-gen stellte sich als wirkliche Herausforderungdar und so manche Pylonen mussten dabei »ihrLeben lassen«. Zum Schluss testeten wir noch,wie gut man einen Parcours beherrscht, wennman nebenbei eine SMS liest….Insgesamt brachte dieser anstrengende undlehrreiche Tag nicht nur neue Erkenntnisse fürdie Teilnehmer(innen). Auch die Trainer entdeck-ten neue Perspektiven und lobten den engagier-ten Einsatz der Mitarbeiter(innen).

Simone Seliger(Fachbereichsleiterin Wohnen)

Feedback vom Trainer:»Sehr gut - Das wareine Vollbremsung«.

Die BWS-Flotte ist bereit. Ob das passt?

BWS»Jahresbericht»2014

»Gemeinsam sind wir stark«Eine gelungene Zusammenarbeit zwischen dem Elternhaus, dem Förder- und Beschäftigungsbereich (FBB) in Forst (Lausitz) und der Wohnstätte »Wilhelmsthal«

Die enge Zusammenarbeit zwischen Mitarbeiter(innen), El-ternhaus und dem FBB Forst ist ein wichtiger Bestandteil inunserer täglichen Arbeit.Deshalb ist es gerade in der Findungsphase beziehungs-weise dem Einzug in die neue Wohnform wichtig, Schnitt-stellen, insbesondere die zwischen der Wohnstätte»Wilhelmsthal« und dem Förder- und Beschäftigungsbe-reich Forst, dort im vergangenen Jahr konkret Herrn Jean-Marc Coumont, intensiv anzusteuern und zu nutzen.Im Vorfeld an den Einzug in das neue Zuhause bereitetendie Mitarbeiter(innen) der Wohnstätte »Wilhelmsthal« H3mit dem FBB Forst biographische, therapeutische und all-tagsrelevante Besonderheiten und Gewohnheiten StephanKarsunkes auf und stimmten sich so auf ihn ein. In der ersten Phase der Betreuung wurde Herr Karsunke indem Pflegeheim der BWS Behindertenwerk GmbH betreut.Dort knüpften die Mitarbeiter(innen) der Wohnstätte dieersten Kontakte, um ihn an die neuen Gesichter in seinemkommenden Zuhause zu gewöhnen.Herr Karsunke wurde zu diesem Zeitpunkt schon täglich inden Tagesablauf der zukünftigen Wohngruppe integriertund verbrachte die Vormittage und teilweise auch dieNachmittage in seinem heutigen Zuhause.Er nahm an kleinen, täglichen Prozessen und Aktivitätender Wohngruppe teil und brachte sich auch zum damaligenZeitpunkt schon mit seinem herzlichen Lachen ein. Mit dem Einzug im September stiegen die Aufregung unddie Freude zugleich.Nach einer herzlichen Begrüßung durch die Mitarbeiter(innen) und Bewohner(innen) der Wohngruppe konnte dasneue Leben beginnen. Der Einzug in das eigene Zimmer derWohngruppe war etwas ganz Besonderes. Mit kleinen Ge-schenken und freundlichen Worten wurde der »Neue«herzlich willkommen geheißen. Aber auch Freunde und Fa-milie gratulieren zum neuen Heim.Damit verbunden, begann ein Abnabelungsprozess der An-fangs schwieriger erschien als er letztendlich wirklich war.Besuche der Familie und der bekannten Gesichter aus demFFB Forst machten die erste Zeit leichter sowie Mut undFreude für das Kommende.In der Phase der Eingewöhnung wurde Stephan Karsunkedurch die Mitarbeiter(innen) fachgerecht und liebevoll be-gleitet, man konnte ein Miteinander finden, sich gegensei-

tig »austesten«, »beschnuppern« und schnell zum»Du« übergehen. Das Feedback der Angehörigenüber die Zufriedenheit mit der bislang erbrachtenBetreuung, der verantwortungsvollen, engagier-ten und fachlichen Arbeit unsererMitarbeiter(innen) und den damit verbundenen,bereits erkennbaren Fortschritten von Herrn Kar-sunke zeigen, dass der Einzug in das neue Lebengut gelungen ist.Seitdem Stephan Karsunke in der WohnstätteWilhelmsthal lebt, betreut bzw. gefördert wird,ist ein stabiles Wohlbefinden zu erkennen.Das zeigt uns, dass wir mit unserer derzeitigen Ar-beit zusammen den richtigen Weg gehen.Das ist das Ergebnis einer fachlich gut funktionie-renden und aufeinander abgestimmten, über-greifenden Arbeit zwischen drei Einrichtungendes BWS.

Christiane Herold(Gruppenleiterin Wohnstätte »Wilhelmsthal«)

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Die spezifische Freizeitgestaltung in unserenWohnstätten war schon immer ein wesentlicherBestandteil der Betreuung. Nun haben wir imRahmen der Möglichkeiten die Betreuertageeingeführt. Die Bewohner erleben eine neueQualität mit persönlicher Note und schätzendiese Art der Betreuungsleistung.Da die Bedürfnisse meiner drei zu betreuendenBewohner sehr unterschiedlich sind, hieß es fürmich, diese Tage individuell zu planen. Bereits im Januar organisierte ich eine Zugfahrtmit Herrn Kirpal nach Berlin. Am Vormittag be-suchten wir eine ehemalige Kollegin, zu welcherseit Jahren noch intensiver Kontakt besteht.Nach einer Shoppingtour ging es dann in die O2World zum Technokonzert mit Scooter »20 Yearsof Hardcore«. Dieses beeindruckende Klanger-lebnis war für einen Menschen mit visuellen Be-einträchtigungen ein besonderer Genuss.

Bei Herrn Reinicke wurde der Tag ruhiger orga-nisiert. Wir fuhren wieder mit dem Zug nachBerlin und nutzen dort das umfangreiche Ange-bot an S- und U-Bahnen, da Herr Reinicke sehrgern mit der Bahn unterwegs ist. Anschließenderkundeten wir die Wasserstraßen von Berlin mitdem Schiff.

Der dritte Betreuertag führte mich mit HerrnBöhme nach Berlin. Da dieser Tag sehr spät endensollte, fuhren wir erst mittags los. Herr Böhme istRollstuhlfahrer, daher nutzten wir das Auto. Wäh-rend einer Erkundungstour durch Berlin, führte unsder Weg durch das Brandenburger Tor, über das Re-gierungsviertel hin zum Berliner Hauptbahnhof.Am Abend dann der Höhepunkt für ihn: «Farben-spiel« von Helene Fischer in der O2 World. Aber auch die Gemeinsamkeit kam in diesem Jahrnicht zu kurz. Im Oktober fuhr ich mit meinen Be-zugsbewohnern und deren Angehörigen nachCottbus zum Konzert »Rocklegenden«. So bot sichauch für die Eltern in entspannter Atmosphäre dieMöglichkeit, ins Gespräch zu kommen. Die Ange-hörigen würden sich so einen individuellen Abendauch in diesem Jahr wünschen.Rückblickend kann man sagen, dass sich der zeitli-che Aufwand für die drei Bewohner gelohnt hat,denn an diesem Tag konnte »Bezugsbetreuung«gelebt werden.

Torsten Biehn(Gruppenbetreuer Wohnstätte Stadthaus)

»Betreuertage« in Berlin Die individuelle Qualität

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An einem Donnerstag im Juni besuchte mich unsere Mobilitäts-trainerin Frau Neigenfind. Wir sprachen über den Brandenburg-tag und sie fragte mich, ob ich daran teilnehmen möchte. Ichfand die Idee toll, und sagte gleich zu. Als sie mir sagte, dass ichin der 1. Reihe mit marschieren kann, war ich total stolz. Kaum hatte sie sich von mir verabschiedet, kamen mir doch ei-nige Bedenken. Wie soll ich mich da bloß orientieren, wenn soviele Leute herum stehen? Als Blinder bin ich darauf angewiesen,mich mit Hilfe meines weißen Stockes an bekannten Punkten zuorientieren. Meine Betreuerin, Frau Schönekäs, beruhigte michund sprach mit mir noch mal alles durch. Dann kam der große Tag. Schon am Morgen war ich mächtig auf-geregt und lief in meiner Wohnung hin und her.Als es endlich los ging, nahm ich meine Armbinde und meinenStock. Meine Betreuer brachten mich zum Puschkinplatz. Ichhörte gleich, dass schon viele Leute da waren, mir wurde mulmig.Als mich Frau Neigenfind ansprach, fühlte ich mich wieder siche-rer. An ihrer Seite lief ich dann in der großen Menschenmengemit. Ich hörte, wie die Leute Beifall spendeten und war ganzstolz. Manche grüßten mich und ich wurde auch oft angespro-chen, da ich viel in der Stadt gesehen werde. Ein Mann erzähltemir, dass er immer wieder staunt, wie ich mich allein in der Stadtmit meinem weißen Stock zurecht finde.Die Teilnahme am Brandenburgtag war für mich ein sehr schönesErlebnis. So schnell werde ich diesen Tag nicht vergessen.

Felix Göbel (Werkstattbeschäftigter)

Brandenburgtag 2014Ich war dabei!

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Im schönsten Monat des Jahres, dem Mai, fuhren wir mitacht Bewohner(innen) der Wohnstätte Wilhelmsthal daserste Mal in ein Inklusionshotel. »Das Bunte Kamel« befin-det sich in Schleswig Holstein, im beschaulichen DörfchenHohwacht, direkt an der Ostsee.Zuerst mussten einige Vorbereitungen getroffen werden.Es hieß, die Taschen für acht Urlauber zu packen. Damitnichts »schief gehen kann« nutzten wir hierzu unsere be-währte Checkliste. Bewohner(innen) und Betreuerinnenwaren schon einige Tage vorher sehr aufgeregt, denn soeine lange Reisestrecke hatten wir noch nie bewältigt. Am5. Mai 2014 war es dann endlich soweit und das Abenteuerkonnte beginnen. Vier Betreuerinnen packten die zweiKleinbusse voll und es zeigte sich, dass es nicht so einfachwar, alles zu verstauen. »Geschafft«. Mit guter Laune undtollem Wetter im Gepäck ging es los. Einige Pausen legtenwir ein, um die mitgenommenen, belegten Brote zu essenund uns die Beine zu vertreten. Nach sechs Stunden Fahrtsind wir immer noch gut gelaunt im Hotel angekommen.Dort begrüßten uns als erste die beiden Hunde Balu undBuddy, die dort mit ihren Besitzern, Familie Volkmar undihrem Sohn Christoph, leben. Der mit dem Down-Syndromgeborene junge Mann arbeitet in einer Werkstatt für Men-schen mit Behinderung, nach Feierabend hilft er seinen El-tern tatkräftig bei der Versorgung der Gäste. Das Hotelliegt am Rande eines Waldes. Nach Absprache kann manhier diverse Angebote nutzen. So gibt es unter anderemDiscoveranstaltungen oder Grillabende. Über einen ruhigenWaldweg erreicht man in wenigen Minuten den Ostsee-strand und das idyllische Ortzentrum. Die Zimmer sind teil-weise sehr groß geschnitten. Pflegebetten und Lifter sindausreichend vorhanden. Die Flure sind baulich bedingtetwas schmal gehalten, so dass es für Rollstuhlfahrer an ei-nigen Stellen etwas eng werden kann.Die Gegend ermöglicht es, viele Dinge zu erleben und zuentdecken. Am zweiten Tag unseres Urlaubes besuchtenwir den Eselpark in Nessen. Dort konnte man sich viele Tiereanschauen, unter anderem mehrere Riesenesel, die 1989 fürKutschfahrten in Osteuropa gekauft wurden. Rund herum

ein tolles Erlebnis für jedermann. Im Souvenir-shop gibt es diverse Andenken zu kaufen, was un-sere Urlauber rege nutzten. Jeden Tag wurdenAusflüge durchgeführt, z. B. zum Museumsbahn-hof Schönberg, Sea-Life am TimmendorferStrand, wo man 2500 Tiere in naturgetreu gestal-teten Meeresbecken beobachten kann. Mit derFähre ging es von Laboe bis nach Kiel um dorteine Shopping- Tour zu machen. Wenn man es einwenig ruhiger angehen möchte, ist ein Strandtagoptimal. Für lange Spaziergänge eignet sichhierzu der zwei Kilometer lange Sandstrand. Mu-scheln sammeln macht dabei riesigen Spaß.Leider war unser Aufenthalt nach fünf Tagenschon viel zu schnell vorbei und mit ein bisschenWehmut machten wir uns auf den Heimweg.Ohne Zwischenfälle kamen wir am Nachmittagdes 09.05. wieder in der Kraftwerkstraße an undwurden herzlich begrüßt.

Mandy Nessler(Gruppenhelferin Wohnstätte »Wilhelmsthal«)

»Das Bunte Kamel«Es ist normal verschieden zu sein!

Ein toller Ausblick.

Gemeinsam am Strand.

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Am 21.11.2014 fand satzungsgemäß die Mitgliederver-sammlung des Behindertenwerk Spremberg e.V. – BWSstatt. Von den insgesamt 53 Vereinsmitgliedern waren 27Personen anwesend. Fünf verhinderte Mitglieder ließenüber ihre Stimmrechtsvollmachten abstimmen. Die Eröff-nung der Mitgliederversammlung übernahm der inklusiveFröbelkindergarten durch die gelungene Darbietung voneinigen Herbstliedern, die allen Zuhörern ein Lächeln indas Gesicht zauberte. Die Leiterin des Kindergartens, FrauRuhner, begleitete die Kinder mit einer Gitarre. Im Anschluss folgte der offizielle Teil. Zunächst informierteder Vorstandsvorsitzende, Herr Hartmut Höhna, über dieVorstandsarbeit im Jahr 2014. Themen waren hierbei dieJubiläumsfeier – 20 Jahre BWS Behindertenwerk GmbH,die erfolgreiche Fertigstellung des Erweiterungsbaus inForst, wie auch die Eröffnung der Frühförderstelle in Dres-den und die geplante Erweiterung der Wäscherei in derKarl-Marx-Straße im Jahr 2015. Danach übernahm der Ge-schäftsführer, Herr Olaf Taubenek, das Wort und infor-mierte über die Arbeit der einzelnen Fachbereiche im Be-hindertenwerk Spremberg e.V. – BWS und der BWSBehindertenwerk GmbH. Dabei stellte er den Jahresab-schluss für 2014, wie auch den Haushaltsplan 2015 des Ver-eins vor. Anschließend folgten die einstimmig angenom-menen Mitgliedsabstimmungen zum Jahresabschluss, derEntlastung des Vorstandes und des Geschäftsführers sowiezu dem Haushaltsplan 2015.

Mitgliederversammlungdes Behindertenwerk Spremberg e.V. – BWS

Der wiedergewählte Vorstand:v.l. Hartmut Höhna – VorstandsvorsitzenderRita RichterMarion KellnerHans-Werner Dobberstein – stellv. VorstandsvorsitzenderJens Warnken

Frau Andrea Ruhner und die Kinder des inklusiven Frobelkin-dergartens stimmten Herbstlieder an.

Außerdem standen noch die Vorstandswahlenan. Sie erfolgen in Abständen von vier Jahrenund wurden letztmalig im Jahr 2010 durchge-führt. Alle Vorstandsmitglieder erklärten sich imVorfeld bereit, für eine weitere Wahlperiode zurVerfügung zu stehen und wurden daraufhin vonden Mitgliedern einstimmig bestätigt. Wie schon zuvor, übernimmt Herr HartmutHöhna bis 2018 den Vorsitz des Vorstands. Wir wünschen dem wiedergewählten Vorstandauch weiterhin alles Gute und viel Erfolg für dieanstehenden Aufgaben im Verein.

Eric Höhna(Leiter Öffentlichkeitsarbeit / Marketing)

22 BWS»Jahresbericht»2014

Im Jahr 1994 wurde die BWS Behindertenwerk GmbH ge-gründet - damals noch unter der Firmierung g.GmbH. Vie-les ist seit dem passiert, nicht nur die Bezeichnung hat sichverändert. Grund genug also, das runde Jubiläum zu nut-zen, um ausgelassen zu feiern und gemeinsam auf die ver-gangenen 20 Jahre zurückzublicken. Unter dem Motto„Wir feiern ohne Grenzen“ wurden am 28.08.2014 bei be-stem Wetter ca. 700 Besucher auf das BWS-Gelände ge-lockt. Hier erwarteten die Gäste viele Attraktionen, wiedas „Gästebuch zum Anfassen“, ein Streichelzoo sowieeine Bastelstraße und vieles mehr. Um die Anreise aus derStadtmitte zu erleichtern, pendelte zwischen dem Bus-bahnhof Spremberg und dem Wiesenweg die lustige„Seeschlange“, die zur kostenlosen Nutzung zur Verfü-gung stand. Natürlich bestand abseits der großen Feier-lichkeiten auch die Möglichkeit, für Besucher einmal hin-ter die Kulissen des BWS zu blicken. Führungen durch dieWerkstatt, das Pflegeheim und die Wohnstätten wurdengenauso begeistert genutzt, wie das Geräuschkino, wel-ches eigens von Menschen mit und ohne Sehbeeinträchti-gung entwickelt wurde, um sehenden Menschen einenEindruck zu vermitteln, wie es sich anfühlen könnte, blindzu sein. Anhand der Erklärung eines jungen, blinden Man-

20 Jahre BWS Behindertenwerk GmbHWir feierten ohne Grenzen

nes, der den Zuhörer mitnimmt auf einen Aus-flug in seinen persönlichen Alltag, entstand inabsoluter Dunkelheit der Eindruck eines „Spa-ziergangs mit den Ohren“. Die meisten Besucherwaren nach der Vorführung emotional sichtlichberührt. Die Höhepunkte der Feierlichkeiten bil-deten die Liveauftritte der Stargäste WolfgangZiegler und der Band Cora. Sie heizten die Stim-mung noch einmal richtig an und brachten dieGäste zum Mitsingen. Am Ende des Tages war eseine tolle Veranstaltung mit vielen Eindrücken,die nur aufgrund der gemeinsamen Teamarbeitaller Beteiligten in dieser Form möglich war.Daher gilt der abschließende Dank allen invol-vierten Personen, allen voran den Klienten undMitarbeiter(innen) des BWS, die über ihre übli-chen Aufgaben hinaus, einen großen Beitragzum Gelingen geleistet und aus einer einfachenJubiläumsfeier ein unvergessliches Erlebnis ge-macht haben.

Eric Höhna(Leiter Öffentlichkeitsarbeit / Marketing)

BWS:Jahresbericht:2014BWS»Jahresbericht»2014

BWS :Jahresbericht :2014 17

Für Naharbeiten ist der Leseständer eine Unterstützung der Eigenaktivität.

Tim 5;6 Jahre altWiedervorstellung bei PROVISION in DortmundEmpfehlungen insbesondere im Hinblick auf die Gestaltung der Lern-und Umweltbedingungen unter dem Aspekt des beeinträchtigtenHandelns unter visueller Kontrolle Das Ausführen visuell gesteuerter Körperbewegungen ist bei Timdeutlich beeinträchtigt, d. h. er kann sein Sehen nur bedingt für ge-zielte Bewegungen nutzen.Probleme können generell sein:• Überqueren von Fußbodenübergängen, da diese wie Stufen

aussehen• Höhen von Bordsteinkanten werden falsch eingeschätzt• Treppen ohne Geländer zu bewältigen• ungenaue Bewegungen beim Erreichen und Greifen von Objekten

Strategien• gemusterte Bodenoberflächen sollten vermieden werden• kompensatorisch sollte das Kind mit den Füßen taktil erkunden,

um die Höhe des Bodens einzuschätzen• wenn das Kind an der Hand eines Erwachsenen läuft, sollte dieser

seinen Arm leicht nach hinten strecken, damit eine vorausschau-ende Führung möglich wird

• Treppen mit Geländer, Stufen farblich markieren• generell auf eine gute Beleuchtung achten• weiße Turnschuhe ausprobieren, um die eigenen Füße besser

sichtbar zu machen • Bewegung und Orientierung im dreidimensionalen Raum scheint

erschwert – Tim benötigt viel Zeit, um neue Räume zu erkunden. Dies muss aus einer sicheren Position, z. B. angelehnt an eine Wand, erfolgen.

• Gegenstände im Bereich des unteren Gesichtsfeldes und sich schnell bewegende Gegenstände werden oft zu spät gesehen – Timbenötigt hier (verbale) Begleitung, entsprechende Umfeldgestal-tung und gute Kontraste

• u. a. m.Für Naharbeiten• Leseständer (www.touch-hh.de) • Unterstützung der Eigenaktivität• vertikale Ausrichtung der Arbeitsmaterialien, um irritierende Blick-

wechsel nach links und rechts zu vermeiden• Kontrastreiche und vergrößerte Darstellungen• Komplexität verringern, z. B. durch Abdeckung• z. B. Nutzen einer Lupe Raum und Orientierung• Unterstützung im Bereich der Wahrnehmung räumlicher Bezüge

und der Raumrichtungen durch konkrete Erfahrungen• Fotos von Dingen in unterschiedlichen Perspektiven Für die Schule• Sitzgelegenheit, die eine stabile und aktive Körperhaltung

unterstützt • Wechsel zwischen Ruhe- und Bewegungsphasen• Sortiersysteme an festen Plätzen• Lernen über Bewegung (z. B. Rollbuchstaben und taktile Erfahrung)

Katrin Binnenhei(Leiterin des Fachdienstes des Fachbereiches Frühförderung)

Unterstützung im Bereich der Wahrnehmungräumlicher Bezüge und der Raumrichtungendurch konkrete Erfahrungen.

Lernen über Bewegung (z. B. Rollbuchstabenund taktile Erfahrung).

Sitzgelegenheit, die eine stabile und aktiveKörperhaltung unterstützt.

16 BWS :Jahresbericht :2014

Diagnostik: Entwicklungsstörung der Grobmotorik, Ange-borene Muskelhypotonie (zu geringe Muskelspannung beigleichzeitiger Schwäche der Muskulatur), Kongenitaler Nys-tagmus (Augenzittern), Hyperopie (Weitsichtigkeit) R +2,5L +3,0

• Betreuung durch ein SPZ und eine Klinik für Augenheil-kunde (mit orthoptischer Untersuchung)

• 5. Lebensmonat - Beginn der Frühförderung für sinnes-behinderte Kinder des BWS e.V.

• besucht seit seinem 2. Lebensjahr einen Regelkindergarten• 1mal wöchentlich Physiotherapie und Ergotherapie• Visus cc Nähe 0,4 Ferne 0,6 (LEA)

Tim 3;4 Jahre altVorstellung im Beratungszentrum der ÜberregionalenFrühförderung für sinnesbehinderte Kinder des Behinder-tenwerkes Spremberg e.V. – BWS

Auffälligkeiten im Alltag• kurze visuelle Aufmerksamkeit und unruhiges Sehverhal-

ten, verfolgt eigene Tätigkeiten nicht visuell• Schwierigkeiten, sich schnell bewegende Dinge zu sehen• stolpert über Gegenstände, die am Boden liegen• läuft manchmal gegen Gegenstände• tastet mit dem Fuß unbekannte, aber auch bekannte

Fußbodenübergänge• Gegenstände werden teilweise nur kurz betrachtet, der

Kopf abgewandt und dann taktil ergriffen• unsicheres Ballspiel• Probleme, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, wenn eine

davon visuell ist• u. a. m.Beobachtungen z. B.• deutliche Schwierigkeiten, auf sich bewegende Objekte

(z. B. elektrisch öffnende Tür) adäquat zu reagieren• unsicher in der Bewegung im Raum• große Probleme bei komplexen visuellen Situationen, ins-

besondere wenn Tim sich selbst bewegt oder sich Objekte bewegen

• handeln oft ohne visuelle Kontrolle• unsicheres zielgerichtetes Greifen ohne visuelle Kontrolle

und teilweise Abwenden des Kopfes• u. a. m.

Erste Praxiserfahrungen im Alltag der Diagnostik und FörderungFallbeispiel 2 - Tim

Tim 4;1 Jahre altVorstellung unter den Fragestellungen bei PROVISION in DortmundBeurteilung• Instabilität des Rumpfes scheint eine länger an-

dauernde visuelle Ausrichtung zu erschweren• es bestehen okulomotorische Probleme (Nys-

tagmus, Folgebewegungen)• in Ruheposition: Tim kann sich gezielter visu-

ell auf Objekte ausrichten• in Bewegung: Tim orientiert sich an festen

Attributen z. B. Stehlampe, ohne visuelle Kon-trolle der Bodenbeschaffenheit

• Tim benötigt eine stabile Position, um visuell Handeln zu können

• deutlich reduziertes Kontrastsehen• unsicherer visueller Längenvergleich• erneute, differenzierte Beurteilung des Ge-

sichtsfeldes notwendigEmpfehlungen in den Bereichen Sehen in derNähe, Feinmotorik, Orientierung im Raum, Ko-operation mit Physiotherapeutin• Einlegesohlen zur Aktivitätsanregung• Stützen des Rumpfes mit Hilfe eines elastischen

Bodys• Materialien zur Fingerkräftigung• Kontrast und Vergrößerung (z. B. Lupe, Tisch-

lampe)• Aufgabenstellungen zur Verbesserung der Fein-

motorik mit Alltagsmaterialien (z. B. Schlüssel)• Erfahrungen mit haptisch erfahrbaren Materia-

lien im räumlich-konstruktiven Bereich ermög-lichen (z. B. Pertra Materialien)

• Tim benötigt viel Zeit, um neue Räume zu erkunden. Dies muss aus eine sicheren Position,z. B. angelehnt an eine Wand, erfolgen.

BWS :Jahresbericht :2014 15

Hilfsmittel für Jastin

Ergebnisse• Jastin hat in allen Bereichen des visuellen Profils einige oder

mehrere eingeschränkte Funktionen• er zeigt deutliche Trennschwierigkeiten bei visuell komple-

xen Anforderungen• Trennschwierigkeiten können zu Schwierigkeiten im Lese-

lernprozess führen• durch crowdingspezifische Unterstützungsmöglichkeiten

kann der Eindruck einer kognitiven Funktionseinschränkungvermieden werden

• Jastin hat bereits Strategien entwickelt, mit denen die Funk-tionsausübungen gelingen

Unterstützungsmöglichkeiten• Jastins Strategien wertschätzen, aufgreifen und bewusst

einbeziehen• Möglichkeit zur Stabilisierung geben• Wechseln zwischen visueller Anspannung und Entspannung• Erschöpfungszeichen (Augen reiben / bohren, Stirnrunzeln,

Blickpausen) rechtzeitig erkennen und Ruhephasen einräumen

• Annäherung an das visuelle Angebot zulassen• Zeit zum Hinschauen gewähren• Eigenbewegung fördern: Finger führt Auge• Orientierung an Farbe nutzen• Umweltgestaltung und Angebotspräsentation in reduzierter

Komplexität für eine gute Aufmerksamkeitszentrierung• visuelle bzw. auditive Ablenkung und Überforderung

vermeiden• Angebotsstruktur spricht Wahrnehmungskanäle

nacheinander an • gute Ausleuchtung und Strukturierung des Arbeitsplatzes• Komplexität des visuellen Angebotes reduzieren• Fixationshilfen einsetzen• Laufweite, Zeilenabstand und Größe des visuellen Angebotes

adaptieren• Systematische Vorgehensweise erarbeiten

Christine Muschner(Frühförderin und Mitarbeiterin des Fachbereiches Frühförderung)

14 BWS :Jahresbericht :2014

Diagnostik von 08 / 2008, Klinikum• ehemaliges hypotrophes Frühgeborenes 31. + 4 SSW,

Gewicht: 1680 g (P 38.0, P 07.3)• Neugeborenenscreening: unauffällig• Schädel-Sonographie: unauffällig, im Verlauf mehrfach ohne

pathologischen Befund• Hörscreening: unauffällig• Augenärztliches Konsil: unauffällig

Diagnostik von 01 / 2014, SPZJastin zeigte von Beginn an in vielen Bereichen Entwicklungsauffäl-ligkeiten. Auch in der aktuellen Entwicklungsdiagnostik ist eine kom-plexe, verzögerte Entwicklung im Vergleich zu seiner Altersgruppefestzustellen.Hinsichtlich der Eltern-Kind-Interaktion ist durchgehend ein sehr be-schützendes Verhalten der Mutter zu beobachten, wodurch Jastin inseinem Explorationsverhalten gehemmt und folglich in seinen Wahr-nehmungserfahrungen eingeschränkt wird.In der Summe stellt sich ein komplexes Geschehen in der Wahrneh-mungsverarbeitung dar. Jastin ist nicht in der Lage, altersentspre-chend zeitgerecht auf mehrere Dinge komplex zu reagieren.

• leicht unterdurchschnittliche Intelligenz• Sprachentwicklungsstörung• Sehstörung

Auffälligkeiten im Alltag• Grundformen zu benennen fällt schwer• läuft gegen und stolpert über Gegenstände, fällt häufig hin• Probleme beim Erkennen von nahen Verwandten auf Fotos• Probleme bei komplexen visuellen Anforderungen• Schwierigkeiten, Dinge zu sehen, die sich schnell bewegen• leicht visuell und auditiv ablenkbar

Heilpädagogisch-visuelle Diagnostik / Beobachtungen

Sehschärfe

Erste Praxiserfahrungen im Alltag der Diagnostik und FörderungFallbeispiel 1 - Jastin

Sehschärfe – Jastins Strategien• Kopf aufstützen• verminderter, inkompletter Lidschlag • ständige Eigenbewegung / -stimulation• Annäherung• Blickpausen• Fixationshilfe durch Zeigen erzieltbei dem Crowding-Test ein besseres Er-gebnis: bin. 0,4

Crowding – Jastins Strategien• Orientierung an Vorlage, mit 1:1

Übertragung der Vorlage auf das Objekt

• erst grobes Vorgehen, feines Differenzieren nur bei Misserfolg

• eigene Vorgehensweise verbal begleiten

• rückversichernde Fragen stellen• Zeit zum Sehen• Finger führt Auge• Kopfzwangshaltung probieren• Orientierung an Farbe

Buchstaben / Formen – Jastins Strategien• Kopf ausrichten• Finger führt Auge• Annäherung an das visuelle Angebot• Zeit zum Sehen• rückversichernde Fragen stellen

Ferne

Lea Symbols Reihe, 3 mbin. 0,4

Lea Symbols Reihe, 40 cmbin. 0,4

Lea Crowded 50% / 25%bin. 0,16 / bin. 0,1

Nähe Crowded

BWS :Jahresbericht :2014 13

Zur Diagnostik räumlicher Wahrnehmungsstö-rungenWir wissen, dass Kinder mit räumlich-visuellenWahrnehmungsstörungen insbesondere bei denkonstruktiven Untertests von Intelligenzverfah-ren auffallen. Bei den Subtests Mosaike, Formen-legen und beim Nachzeichnen. Nun überprüfenWahrnehmungstests in der Regel komplexe visu-elle Leistungen und ein auffälliges Ergebnis lie-fert noch keinen exakten Rückschluss, welcheBasisleistung im Detail gestört ist. Die Beantwor-tung dieser Frage ist aber für die Auswahl thera-peutischer Schwerpunkte entscheidend wichtigund deswegen sind in solchen Fällen weiterfüh-rende Untersuchungen notwendig. Es ist wichtig,die genaue Ausprägung räumlich-konstruktiverund räumlich-kognitiver Auffälligkeiten mög-lichst genau zu beschreiben, aber darüber hinausdie Überprüfung zugrunde liegender räumlich-perzeptiver Basisleistungen weiter zu verfolgen.Aus ätiologischen Informationen, Vorbefunden,Berichten über Auffälligkeiten im Alltag und inunserem Fall insbesondere aus schulischen Befun-den und Beobachtungen ergeben sich Hinweisedafür, welche Bereiche genauer überprüft wer-den sollen. Wir versuchen eine genaue Analyseder Fehler bzw. der beeinträchtigten Teilleistun-gen durchzuführen indem wir die kindliche Ar-beitsweise genau betrachten. Was bereitetSchwierigkeiten, wie sehen die Lösungsversuchedes Kindes aus? Findet sich ein gedankliches, hierkognitiv-räumliches Antizipieren der Aufgabe,finden wir systematisches oder zufälliges Probie-ren? Wofür wird die Lösungszeit verbraucht? Kin-der mit sehr guter Feinmotorik sind eventuell inder Lage Defizite in der mentalen Rotationsfähig-keit durch schnelles Hantieren mit den Würfelnzu kompensieren. In der Verhaltensbeobachtunglässt sich erkennen, ob das Ergebnis einer Auf-gabe tatsächlich auf räumlich-konstruktive Fähig-keiten zurückzuführen ist oder das Kind nuräußerst effektiv nach Versuch und Irrtum gearbei-tet hat.

Förderung räumlich-konstruktiver FertigkeitenFür die Förderung räumlich-konstruktiver Fertig-keiten existiert zwar eine Anzahl von Program-men z. B. »Dimensioner II« oder »Clipboard«,aber diese setzen nach unserer Erfahrung zu hochan und überfordern Kinder mit einem speziellenFörderbedarf im räumlich-konstruktiven Bereich.Wir müssen in der Regel wesentlich einfacher be-ginnen: Zunächst muss das Kind lernen über-haupt auf die Vorlage zu achten. Es geht umSeriales, um das Nachlegen von einfachen Reihen,von Schmuckzeilen. Dann werden zwei gleicheObjekte räumlich miteinander in Beziehung ge-bracht, z. B.: Das Kind erfährt die Vielzahl ent-sprechender Möglichkeiten und lernt worauf esachten muss. Die nachzubauenden Objekte sindzuerst symmetrisch, dann komplizierter.

Schlussgedanken: Wir brauchen zunächst eine interdisziplinäre diagnostischeAbklärung, die spezifische visuelle Wahrnehmungsdefizitebeschreiben und auch quantifizieren kann. Das ist nichtleicht. Es ist eine diagnostische Herausforderung, die nurdann zu lösen ist, wenn sich die praktisch Tätigen vernet-zen. Genauso wichtig ist es, dass wir nahe an den Elternsind, weil diese nahe an den Kindern sind und die Auffäl-ligkeiten im Alltag beobachten können. Je genauer wir wis-sen, was den Kindern wirklich schwer fällt, umso eherkönnte es möglich sein, eine wirklich passgenaue Förde-rung und nicht ein »one size fits all« Standardprogrammanzubieten.Der Begriff der Wahrnehmungsstörung wird heute zu häu-fig verwendet. Dadurch verliert er an Kraft, er wird unver-bindlich und bringt keinen Erklärungsgewinn. Es ist ausklinischer Sicht nicht sinnvoll und auch nicht richtig, jedeForm von Entwicklungsstörung mit einer Wahrnehmungs-störung gleichzusetzen. Eine Intelligenzminderung lässtsich nicht auf eine Wahrnehmungsstörung reduzieren,denn sie beinhaltet mehr, z. B. Störungen der Merkfähig-keit oder Störungen des abstrakt-logischen Denkens, unab-hängig von Sinnesfunktionen. Wir sollten ein Kind nurdann als wahrnehmungsgestört bezeichnen, wenn ein dis-soziiertes Leistungsprofil vorliegt, in dem Sinne, dass seinevisuellen Wahrnehmungsleistungen deutlich unter seinemsonstigen Leistungsniveau liegen.Unsere bisherigen praktischen Erfahrungen haben uns ge-zeigt, dass bei etlichen der auffälligen Kinder einzelne,leichtere Wahrnehmungsschwächen vorliegen, insbeson-dere im räumlich-konstruktiven Bereich und im Bereich dervisuellen Aufmerksamkeit – oftmals aber auch gepaart mitallgemeinen Aufmerksamkeitsschwächen. Viel seltener fan-den wir Defizite im Bereich der Objekterkennung, Defizitedes ventralen Pfades.Daneben gibt es wenige Kinder und Jugendliche, aber esgibt zweifellos eine präzise diagnostisch bestimmbareGruppe, mit ganz spezifischen Störungen ihrer visuellenWahrnehmung und damit auch mit einen ganz »speziellenFörderbedarf«. Die meisten dieser Kinder sind ehemaligeFrühchen. Für diese Gruppe sind spezielle Angebote not-wendig. Diese Angebote und Hilfen müssen nicht nur aufschulische Inhalte sondern genauso auf die Bewältigungdes Alltags gerichtet sein. Wir glauben, dass es eine zukünf-tige und zukunftsweisende Aufgabe sein sollte, hier die ver-fügbare Fachlichkeit zusammenzuführen, um für diebetroffenen Kinder neben einer professionellen diagnosti-schen Abklärung zukünftig auch spezifische Hilfen und För-derangebote vorhalten zu können.

Dipl. Psychologe Matthias Zeschitzvom Beratungszentrum Sehen der Blindeninstitutsstiftung Würzburg

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C) Störungen der visuell-räumlichen Wahrneh-mungDie unterschiedlichen Teilleistungen der visuell-räumlichen Wahrnehmung können in vier Berei-che eingeteilt werden:

1. Räumlich-perzeptive FähigkeitenHier geht es zunächst um elementare räumlich-perzeptive Fähigkeiten wie die Wahrnehmungder visuellen Hauptraumachsen (die visuelle Ver-tikale und Horizontale, die gerade Ausrichtungund die subjektive Mitte (Wo befindet sich dieMitte des subjektiv wahrgenommenen Außen-raums?)) Daneben geht es darum, unterschiedli-che räumliche Aspekte eines Objekts richtigeinzuschätzen: Seine Entfernung, Größe, Position,den Neigungsgrad, den Ort seiner Richtung zuanderen Objekten bzw. seine Position zum Be-trachter. Es geht um Distanz- oder Abstandsschätzung,also wie groß ist die Distanz zweier Objekte zu-einander?Um Größenschätzung:Wie groß ist ein Objekt? Welches der Objekte istdas größte?Längenschätzung:Haben zwei Linien die gleiche Länge?Winkelschätzung:Ist dieser Winkel gleich groß?Positionsschätzung:Befindet sich dieser Gegenstand vor, hinter,neben oder über dem anderen?Tiefenwahrnehmung / Stereopsie: Liegt ein Ob-jekt näher oder weiter weg als ein anderes?All dies hat eine große Relevanz für Vollzüge imAlltag: Fehlerhafte Greifbewegungen resultierenzumeist aus fehlerhaften Einschätzungen vonEntfernung und Winkel. Fehler können passierenbeim Halbieren eines Brotes, Teilen einer Torte,beim Messen mit dem Messbecher. Auch das Trep-pensteigen kann Schwierigkeiten machen, woTiefe und Entfernung der Stufen falsch einge-schätzt werden. Und natürlich setzen auch dieOrientierung auf einem Arbeitsblatt und das Ab-schreiben von der Tafel bei einem Schüler räum-lich-perzeptive Fähigkeiten voraus.

2. Räumlich-kognitive FähigkeitenBei räumlich-kognitiven Fähigkeiten geht es umvisuell-räumliche Kompetenzen, die neben derreinen Wahrnehmung zusätzlich einen kogniti-ven Verarbeitungsprozess erfordern. Sie umfas-sen gedankliche Operationen mit Raum undObjekt. Es handelt sich hier um kognitive Trans-formationsleistungen, etwa doppelt so groß, ge-nauso so weit entfernt, halb so lang wie. Esbeinhaltet mentale Rotationsaufgaben oder Spie-gelungen oder auch die Fähigkeit, sich in die Po-

sition eines anderen zu versetzen und sich dann räumlicheAnordnungen vorzustellen. Menschen mit räumlich-kognitiven Defiziten fällt es schwer,sich einen Gegenstand oder eine räumliche Konstellation ge-danklich in bestimmter Weise anders als vorgegeben vorzu-stellen. Schwierigkeiten fallen vor allem auf beipraktisch-konstruktiven Tätigkeiten (etwa beim Zusammen-bau von IKEA Möbeln) oder dem Lesen von Straßenkarten.Die Fähigkeit etwa zur mentalen Rotation wird in der Regelnicht vor dem siebenten Lebensjahr erreicht. Kinder habenSchwierigkeiten beim Ablesen der Uhrzeit, während ihnendies bei einer Digitaluhr gelingt oder sie tun sich schwer beiFragen wie »Zeige mit der rechten Hand auf dein linkes Ohr«.

3. Räumlich-konstruktive FähigkeitenBei räumlich-konstruktiven Fähigkeiten geht es darum, mitgrundlegenden Fertigkeiten im Alltag zurechtzukommen.Hierunter fallen das Tischdecken, richtiges Anziehen, platz-sparendes Einpacken des Einkaufs oder der Büchertasche,das Einräumen eines Koffers. Hier geht es weiter um dasZeichnen von Objekten, das Basteln oder Zusammenfügenvon Dingen oder um den Bau eines dreidimensionalen Ge-genstandes, etwa aus Würfeln und so weiter. Dabei sindneben planerischen und motorischen Aspekten auch räum-lich-perzeptive und räumlich-kognitive Leistungen notwen-dig. Die Längen, Positionen und Winkel zueinander beimDrehen und Zusammenfügen von Gegenständen oder Puz-zleteilen müssen richtig eingeschätzt werden können. Men-schen mit visuokonstruktiven Beeinträchtigungen könnenProbleme haben mit Schrift, mit lebenspraktischen Fertig-keiten, am deutlichsten würde es bei konstruktiven Anfor-derungen, wie sie ein Schreiner, ein Bauingenieur oderArchitekt hat. Bei den Kindern fällt auf, dass sie ungernmalen und schon im Kindergarten Schwierigkeiten beimAusschneiden haben, beim Basteln, beim Puzzeln, beimNachbauen und beim LEGO-Spielen. Das Nachzeichnen ein-facher Objekte und Formen fällt ihnen schwer, entspre-chende Aufgaben werden vermieden. Später werdenBuchstaben wie »b« und »d« beim Schreiben (nicht beimLesen) vertauscht. Buchstaben werden beim Schreiben aus-gelassen, Hilfslinien im Heft werden nicht beachtet, Seiten-ränder werden nicht eingehalten.Es ist wichtig zu beachten, dass räumlich-konstruktive»Fehlleistungen« noch zu Beginn der Grundschulzeit vor-kommen dürfen, ohne auf eine Schädigung hinzuweisen.

4. Visuell-räumliche OrientierungsstörungenRäumlich-topographische Störungen Es geht hier um Defizite bei der Orientierung im Raum undbeim Erfassen geographischer Beziehungen. Um Probleme,Wege zu finden, sich orientierungsmäßig zurechtzufinden.Solche Kinder verlaufen sich häufig oder finden sich auchan bekannten Orten nicht zurecht. Im schlimmsten Fall fälltbereits die Orientierung im eigenen Zimmer schwer. Meistist auch das Lesen von Karten und Stadtplänen betroffen.Wir sehen hier die engen Zusammenhänge mit visuoper-zeptiven und kognitiven Störungen. In der Regel zeigensich Störungen nach rechtsposterioren Hirnschädigungen.

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systematisches Suchen und ein systematisches Be-arbeiten eines Arbeitsblattes erlernen. Konkretmuss es lernen von links nach rechts und Zeile fürZeile zu arbeiten. Wir vermitteln Blickstrategien,Abscannregeln und geben Orientierungshilfendurch sprachliche Begleitung der Suchaktivität.Wir unterstützen das Suchen und Bearbeitendurch das Anbringen von Startpunkten, durchein Abdeckblatt oder durch ein Suchfenster. Pri-mär wichtig für die Kinder mit eingeschränktervisueller Aufmerksamkeit sind Hilfen, die eineweniger stressige Situation schaffen und die esden Kindern leichter machen, die Anforderung zubewältigen. Bei mehrfachbehinderten Kinderngeht es in diesem Bereich um elementares Ent-decken und Unterscheiden, um Erkennen undWiedererkennen. Neugierde und Motivation stel-len kritische Faktoren für das Lernen dar. Es wirddort am erfolgversprechendsten sein, wo es sichan den Handlungsinteressen des Kindes orien-tiert.

B) Störungen der Form-, Objekt- und Gesichter-wahrnehmung Da viele Kinder mit CVI visuelle, okulomotorischeund kognitive Störungen aufweisen, muss zu-nächst unbedingt abgeklärt werden, ob die Stö-rung des visuellen Erkennens das Ausmaß dervisuellen, okulomotorischen und kognitivenFunktionsstörungen deutlich überschreitet. Dasheißt wir müssen abklären, ob nicht eine geringeSehschärfe oder geringes Kontrastsehen, ob nichteine Einschränkung der visuellen Such- und Ab-tastbewegungen oder eine vorliegende geistigeBehinderung dafür verantwortlich sind, dassetwas nicht erkannt wird. Aber es gibt auch pri-märe Objekterkennungsstörungen: In einer hol-ländischen Untersuchung (Stiers et al. 1998)zeigten knapp 80 % der Kinder mit frühkindlicherHirnschädigung Störungen des visuellen Erken-nens von Objekten. Hier traten die Störungen un-abhängig vom Visus auf, was wieder Beleg dafürist, dass es tatsächlich auch primäre Störungendes Erkennens gibt. Betroffen waren sowohl dieganzheitliche Erfassung von Figuren und Objek-ten als auch die Objektkonstanz. Die zugrundeliegende Hirnschädigung betrifft üblicherweiseokzipito-temporale Regionen, wobei einseitigeSchädigungen offensichtlich ausreichen, um Stö-rungen des Erkennens zu bewirken. Wo liegennun die typischen Schwierigkeiten eines (hirnge-schädigten) Kindes bei der Objekterkennung?Häufig finden wir eine fehlende Objektkonstanzin dem Sinne, dass es dem Kind nicht gelingt, einObjekt unter verschiedenen optischen oder ver-schiedenen Wahrnehmungsbedingungen als ein-und dasselbe zu identifizieren. Von Bedeutungsind zudem die Besonderheiten dieser Kinder bei

der visuellen Exploration, Schwächen bei Sammlung visuel-ler Informationen: Wir finden häufig eine unsystematische,unvollständige und häufig auch zu rasche Betrachtung.Zu den Grundschwierigkeiten der Kinder gehört die Orga-nisation von visuellen Informationen, was sich als Problemder Figur-Grund-Erfassung oder Crowding-Problematik zei-gen kann: Was ist die Figur, wo sind ihre Grenzen? Farbigeoder bewegte Objekte werden eher erkannt, da ihre Ge-stalt leichter aus dem Hintergrund auszugliedern ist. Wirhaben die Erfahrung gemacht, dass bei den Kindern zu-meist Schwächen der Objekterkennung in dem Sinne vor-liegen, dass unvollständig dargestelltes, teilweiseverdecktes, in ungewohnter Farbe abgebildetes oder in un-gewöhnlichem Kontext oder aus ungewöhnlichen Blickwin-kel dargestelltes Objekt nicht oder falsch erkannt wird. DieMehrzahl der zur Diagnose von Objekterkennungsschwä-chen verwendeten Testverfahren zielen genau auf oben ge-nannte Schwierigkeiten ab: Sie überprüfen Probleme beimIdentifizieren gezeichneter Objekte oder unvollständigerBildvorgaben, etwa Gestaltschließaufgaben oder das Erken-nen von Bildern, die unvollständig, untypisch oder gedrehtangeboten werden.

Förderung der Objekterkennung bei Kindern mit CVIBei kleinen oder mehrfachbehinderten Kindern ist es sinn-voll mit echten Objekten aus der Lebenswelt des Kindes zubeginnen. Ein Kennenlernen und Erkennen mit allen Sin-nen ist sicher gewinnbringend für die Aufnahme und lang-fristige Speicherung eines Objekts. Wir sollten uns dabeiaber vor Augen halten, dass wir visuelle Konzepte derDinge vermitteln wollen und gewährleisten, dass dies auchwirklich geschieht. Prinzipiell beginnen wir, den Kinderngute, eindeutig dargestellte Objekte anzubieten. Wenn wirErkennen üben, so könnte das bei einem Ausflug auf denMarkt geschehen, um Obst zu sehen, zu vergleichen, diespeziellen Kennzeichen einer Art und einer Sorte kennen-zulernen und zu beschreiben. Es geht um genaues Hinse-hen, um Vergleichen, um das Suchen von ganz bestimmten,bestimmenden Eigenschaften. Wie können wir grundsätz-lich das Identifizieren eines Objektes unterstützen? Indemwir bei den Bildangeboten:

1) einen geschlossenen, starken Umriss wählen2) eine gute Farbe klar abgegrenzt von einem3) einheitlichen, kontrastierenden Hintergrund 4) und eventuell zusätzlich dieses Objekt bewegen. 5) und nicht zuletzt sollten wir eine einfache

Form, einen guten Prototyp auswählen.

Es gibt auch für diesen Bereich eine Anzahl von Förderpro-grammen, etwa »freshminder« oder die Übungs-CDs vonRigling mit einer Vielzahl hierarchisch geordneter Aufga-ben zur Unterscheidung von Objekten. Aber all dies setztzu hoch an. Oder wird sehr schnell zu schwer. Ich glaube,die von uns entwickelte digi-dia-Serie ist in besondererWeise geeignet, das Erkennen von Objekten in spielerischerWeise und gleichzeitig systematisch zu üben.

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an. Die orthoptische Diagnostik findet nicht nur getrenntfür sich statt, sondern ist auch mit der psychologischen Un-tersuchung verschränkt. Sie begleitet wo nötig die psycho-logischen Wahrnehmungsüberprüfungen, indem sie auchdort die Sehtätigkeit, die okulomotorischen Aktivitäten desKindes bei entsprechenden Aufgaben, genau unter dieLupe nimmt. Das heißt, die Art und Weise der Bearbeitungder Aufgaben durch das Kind wird bei Bedarf von der Or-thoptistin mit betrachtet und mit bewertet. Es geht hier um eine genaue Analyse der »Visual Perfor-mance«. Dabei geht es z. B. nicht nur darum festzustellen,dass das Kind in seinem Suchen vielleicht langsam ist. Es istunsere Aufgabe zu klären, »wo die Zeit liegen bleibt«:

• Schaut das Kind ungezielt umher, schaut es daneben? • Muss es mehrmals schauen, um ein Zeichen zu entschlüs-

seln?• Benötigt es besonders viel Zeit, um ein Zeichen

zu entschlüsseln?• Verwechselt es die Zeichen?• Wie viele Fehler und welche Art von Fehlern passieren?• Hat es Probleme bei dicht gedrängten Vorlagen?• Wann passieren die Fehler und hat es etwas mit

Ermüdung zu tun? • Gibt es Schwankungen der Wahrnehmungsleistung?• Liegt es an der Motivation? • Und anderes mehr...

Um darüber hinaus Informationen über die praktische Seh-tätigkeit sammeln zu können, überlegen wir uns Verhal-tensproben und beobachten visuell gesteuertes Verhaltenin alltäglichen Situationen. Zihl empfiehlt ganz einfacheAbläufe zu überprüfen, denn Kinder mit CVI haben bereitsSchwierigkeiten mit dem Einfachen, dem scheinbar Selbst-verständlichen. (So betrachten wir, wie die Kinder Eier inSchachteln packen, Spielkarten sortieren oder Such-, Steck-und Zuordnungsspiele) Wenn so etwas auch auf Video do-kumentiert werden kann, ist es zwar aufwändig, bringtaber äußerst wichtige Informationen. Zu Beginn der psy-chologischen Diagnostik werden wir stets die Intelligenz-struktur des Kindes abklären. Bei einem schwach begabtenKind wären immer weniger differenzierte Wahrnehmungs-leistungen zu erwarten. Im zweiten Schritt wenden wir unsAspekten visueller Aufmerksamkeit zu.

A) Zur Visuellen AufmerksamkeitAufmerksamkeit ist die grundlegende Voraussetzung füralle unsere Aktivitäten, sie stellt sozusagen die Ressourcefür alle Funktionen des Gehirns dar. Die Aufmerksamkeitals kognitionsstützender Faktor sorgt für eine sinnvolle Aus-wahl von Informationen. Störungen der Aufmerksamkeitfinden sich als allgemeinste Folge bei den meisten diffusenerworbenen wie angeborenen Hirnschäden. Wir erwartenbei hirngeschädigten Kindern regelmäßig allgemeine Lei-stungseinbußen im Sinne von: 1.) einer insgesamt reduzierten Aktiviertheit oder Wach-heit.

2.) einer Verlangsamung bei jeder optisch zu lei-stenden Aufgabe, (insbesondere einer Verlangsa-mung beim Such-, Explorationverhalten und beider Gestalterfassung, d. h. beim Identifiziereneines Objekts) 3.) einer verminderten Belastbarkeit, d. h. zeitli-che Begrenztheit, bzw. reduzierte Ausdauer. DerBetroffene kann sich nur über einen kurzen Zeit-raum auf eine Sache konzentrieren.

4.) einer Reduziertheit der Aufmerksamkeitslei-stung, verbunden mit der Verminderung der Fä-higkeit Unterschiede im Detail wahrzunehmen.Hier berühren wir das ganze Spektrum schulna-her Aufgaben.5.) einer erhöhten Ablenkbarkeit und Störanfäl-ligkeit. Visuelle Aufmerksamkeit und visuelle Ex-ploration sind untrennbar miteinander ver-bunden. Die Beeinträchtigung des Suchens, d. h.die qualitative und quantitative Veränderung dervisuellen Exploration, kann ein eigenständigesDefizit nach einer Hirnschädigung sein. Das Such-verhalten ist dann planlos und ineffektiv. Es fin-den sich unökonomische Blickbewegungen undeine deutlich erhöhte Zahl von Fixationen. DasSuchverhalten ist gekennzeichnet durch einendeutlich erhöhten Zeitbedarf und durch vieleAuslassungen.

Diagnostik von Aufmerksamkeit und Aufmerk-samkeitsstörungenGrundsätzlich können ab dem vierten Lebensjahrzunehmend quantitative, standardisierte Funkti-onstests zur Beurteilung komplexer visuellerWahrnehmungsleistungen eingesetzt werden. Esgibt eine Vielzahl von Testverfahren, die visuelleAufmerksamkeit überprüfen. Und ohne Frage istder Bezug zum Entwicklungsalter, zu einer Norm,die wesentliche Voraussetzung für die Einschät-zung und Bewertung solcher Auffälligkeiten.Meist sind es intellektuell wenig anspruchsvolleSuchaufgaben bzw. visuelle Diskriminationsauf-gaben. Dabei müssen sequentiell visuelle Infor-mationen bearbeitet werden, es muss eine Reihevon Objekten oder Zeichen rasch abgescanntwerden und als Träger bestimmter Eigenschaftenbewertet oder markiert werden. Die Aufgabenkönnen mit unterschiedlich hohen »kognitivenAnforderungen« befrachtet sein und prüfendann nicht nur die reine Aufmerksamkeit.

Therapeutische Möglichkeiten u. Hilfen im Be-reich AufmerksamkeitEines sei vorher betont: Es geht hier nur um öko-logisch relevante Störungen, d. h. um solche,durch die das Kind bei der Bewältigung schuli-scher und alltäglicher Aufgaben wesentlich be-hindert wird. Häufig muss das Kind zunächst ein

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forderlich wäre, die im Einzelfall untersucht wer-den sollte. Einen solchen verbindlichen diagnosti-schen Standard gibt es bis heute nicht. Schon garnicht eine Liste empfohlener Testverfahren. Ob-wohl Zihl kritisch anmerkt, dass die BezeichnungCVI in der Fachliteratur weder diagnostisch zuver-lässig definiert, noch einheitlich verwendet wird,hält er die Verwendung des Begriffs für vertretbar,um die »zerebrale Natur« der Sehstörungen zucharakterisieren und so den Unterschied zu peri-pher verursachten Sehstörungen hervorzuheben.

Grundsätzliches zur Diagnostik bei CVIEs gibt gegenwärtig keinen nationalen oder in-ternationalen Konsens über die Kriterien und Me-thoden der Abklärung von CVI bei Kindern. Esgibt weder Vereinbarungen, noch einen differen-tiellen diagnostischen Ansatz. Dies beeinträchtigteine weiter reichende Forschung von Ursachen,Epidemiologie und therapeutischen Interventio-nen und behindert die internationale Zusammen-arbeit. Das Fehlen übergreifender Zusammen-arbeit hat unterschiedliche lokale Diagnosen ent-stehen lassen - sowohl in pädiatrischen, ophthal-mologischen und neurologischen Kliniken alsauch in regionalen visuellen Förderzentren. EinBeispiel solcher »regionaler Diagnoseempfehlun-gen« sind die Leitlinien der Gesellschaft für Neu-ropädiatrie und der Deutschen Gesellschaft fürSozialpädiatrie und Jugendmedizin, die im Fol-genden dargestellt werden, und die die zukünf-tige Arbeit in Deutschland bestimmen könnten.Man schlägt in diesen Leitlinien vor, dass der Be-griff der visuellen Verarbeitungs- und Wahrneh-mungsstörung in Analogie zu der auditivenVerarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung be-trachtet werden soll. Die Feststellung einer zen-tral-visuellen Wahrnehmungsstörung erfolgt mitHilfe standardisierter Entwicklungs- und Intelli-genztests um diese nach Art der Störung zu spe-zifizieren, ihren Schweregrad abzuschätzen undsie von einer allgemeinen Intelligenzminderungabzugrenzen. Die Diagnose einer zentral-visuel-len Wahrnehmungsstörung im Sinne einer um-schriebenen Entwicklungsstörung ist dann zustellen, wenn die visuelle Wahrnehmung deutlichvom allgemeinen Niveau der kognitiven Entwick-lung abweicht und eine umfassende Entwick-lungsstörung oder eine signifikante kognitiveEntwicklungsstörung ausgeschlossen werdenkann. Besteht eine deutliche Diskrepanz, sprichtman von einer dissoziierten Intelligenz, die ineinem zweiten Schritt durch spezifische Tests zurvisuellen Wahrnehmung genauer untersuchtwerden muss. Voraussetzung zur Definitionserfüllung in denLeitlinien sind hier also zunächst normale Intelli-genz und normales Sehvermögen. Aber inzwi-

schen werden visuelle Wahrnehmungsstörungen weiter ge-fasst und auch als zusätzliche Funktionsstörung bei einemTeil der Kinder mit globalen Entwicklungsstörungen be-trachtet. Visuelle Wahrnehmungsstörungen finden sich alsoals umschriebene Entwicklungsstörung, d. h. als Teillei-stungsstörung bei normalbegabten Kindern und als Seh-funktionstörung bei mehrfachbehinderten Kindern. CVIscheint ein Kontinuum zu sein, von schwerwiegendem Seh-schärfeverlust auf der einen Seite, normalerweise vonschwerwiegenden motorischen und intellektuellen Beein-trächtigungen begleitet, bis hin zu isolierten visuellen Teil-leistungsstörungen von sonst relativ gesunden Kindern.Kinder mit CVI sind also eine klinisch sehr heterogeneGruppe.Man vermutet, dass die überwiegende Mehrheit, etwa 80%der Kinder mit CVI mehrfachbehindert und nur 20 % nor-malbegabt sind.

Zur CVI-Diagnostik am Blindeninstitut WürzburgZu Beginn der Diagnostik steht eine umfangreiche An-amneseerhebung, die sich an den Erhebungsbögen orien-tiert, wie sie etwa von Marjolein Dik und Visio Holland,vorgeschlagen wurden. Sie bezieht sich auf Auffälligkeitenin der frühen Kindheit, auf entsprechende Beobachtungenim Alltag, im Kindergarten und in der Schule. Wir habendie Erfahrung gemacht, dass die Bezugspersonen oft schonüber Jahre hin Auffälligkeiten feststellen konnten, sich aberkeine medizinische Erklärung hierfür finden ließ. Ein gutesHilfsmittel für eine Abklärung von CVI ist der Fragenkatalogfür Eltern, der von Dutton zusammengestellt wurde. DieseFragensammlung wurde aus vielen Hundert Fallgeschichtenentsprechender Risikokinder zusammengestellt. Er ist derAnsicht, dass eine so strukturierte Exploration den effek-tivsten Weg darstellt, Kinder mit CVI zu identifizieren.Zudem sagt Dutton ganz hart, dass die bisherigen Testver-fahren nicht in der Lage seien das abzubilden, was demKind eigentlich fehle und dass sie zumeist nur ein dürresKondensat der eigentlichen Probleme des Kindes liefernwürden. Unsere Diagnostik beinhaltet stets eine umfassende orthop-tische und eine psychologische Abklärung. Ohne zu wissen,was und wie das Kind tatsächlich sieht, brauchen wir nichtmit der psychologischen Wahrnehmungsdiagnostik begin-nen. Wir haben für die Abklärungen mehr Zeit als die mei-sten anderen Diagnostiker und besitzen inzwischen einrecht umfangreiches Set von diagnostischen Verfahren. Wirsind in diesem Zusammenhang verstärkt bemüht, die Mög-lichkeiten und Grenzen kindlichen Sehverhaltens und kind-licher Wahrnehmungstätigkeit durch eine Variation derTestsituation und eine systematische Änderung der Anfor-derungen auszuloten. Etwa durch Beobachtungen deskindlichen Wahrnehmungsverhaltens in natürlichen und inarrangierten Situationen. Dabei geht es weniger darum zubestimmen, ob das Kind CVI hat oder nicht, sondern um dieBeschreibung der funktionellen Defizite und aber auch derKompetenzen des Kindes. Wir adaptieren wo nötig dieTests, vergrößern sie, verstärken die Kontraste oder bietendie Aufgaben am Bildschirm oder am Bildschirmlesegerät

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Faden auf dem Teppich entdeckt, später dannwieder nur Großes, Buntes Nahes, sicher wahrge-nommen. All dies steht offensichtlich im Zusam-menhang mit einer instabilen, einer wechselndenvisuellen Aufmerksamkeit. Meist ist diese in ver-trauter Umgebung am besten, kann aber ineinem besonderen Maße durch Faktoren wie Mü-digkeit, Umgebungsgeräusche, durch körperlicheBeschwerden oder störende Umweltreize beein-trächtigt werden. Häufig finden sich Probleme des Sehens in »kom-plexen Umgebungen«: Im Supermarkt, am Schul-hof, im Schwimmbad, bei Teamsportarten, alsodort wo viel los ist und viele visuelle Reize über-blickt und geordnet werden müssen. Crowding-Probleme können überall dort entste-hen, wo es darum geht, dicht gedrängte visuelleInformationen zu trennen. Die Kinder können ihrSpielzeug in einer gefüllten Spielkiste nur schwerfinden, können nur schwer Leute in einer Gruppeerkennen. Sie können Gegenstände nur schwerfinden, wenn diese nah nebeneinander stehenoder sich vor einem gemusterten Hintergrund be-finden oder haben Probleme beim Lesen, wennBuchstaben oder Worte eng beieinander stehen.Kinder mit Crowding-Problemen können bereitsin der orthoptischen Untersuchung durch Trenn-schwierigkeiten bei dicht gruppierten Sehzeichenauffallen, bzw. durch deutlich schlechtere Visus-Werte bei der Reihensehschärfe als bei Einzelop-totypen. Wenn visuelle Informationen nichtgleichzeitig mit Informationen anderer Sinneska-näle verarbeitet werden können, sprechen wirvon Problemen der simultanen (oder parallelen)Informationsverarbeitung. Diese Kinder habenSchwierigkeiten, visuelle Reize aufzunehmen undgleichzeitig eine motorische Handlung auszufüh-ren.

Zum neurophysiologischen Hintergrund: Hirnschädigungen im weitesten Sinne sind heutedie Hauptursache von Sehschädigungen von Kin-dern in Industrieländern. Sie wurden zunächst alsCortical Visual Impairment (die Hirnrinde betref-fende Sehschwächen) bezeichnet. Der Begriff Cerebral-VI wurde in den 1990ern zu-nächst in Europa eingeführt, weil man erkannte,dass visuelle Beeinträchtigungen öfter aus dersubkortikalen weißen Substanz als aus den korti-kalen Arealen resultierten. Ein funktionales Mo-dell der höheren visuellen Pfade wurdeentwickelt, auf Grund derer man einen »dorsalenStrom« und einen »ventralen Strom« für die Wei-terleitung unterschiedlicher visueller Informatio-nen beschrieb. Die dorsale visuelle Route, derWo-Pfad, ist vorwiegend mit der Analyse visuell-räumlicher Informationen, mit Bewegung, Tiefe,Position, Orientierung und 3D-Merkmalen von

Objekten beschäftigt und verläuft von der primären Seh-rinde V1 hin zu Arealen des oberen Temporallappens unddes Parietallappens. Die ventrale visuelle Route, der Was-Pfad dient dagegen der Analyse von Formen, Farben, Ob-jekten und Gesichtern und Mimik. Der ventrale Strom führtvon V1 in Bereiche des unteren Temporallappens. Verlet-zungen der dorsalen Route führen zu räumlichen Wahrneh-mungsstörungen, aber nicht zu Defiziten der Wahrneh-mung von Formen, Farben, Objekten und Gesichtern. FürVerletzungen der ventralen Route gilt das umgekehrte. Dasdorsale System funktioniert rasch, automatisch und unbe-wusst. Es sorgt dafür, dass wir sofort auf einen Reiz reagie-ren können, und z. B. ausweichen können, noch bevor wirihn bewusst erkennen. Bei einer Schädigung des dorsalenStroms ist auch die Fähigkeit Informationen parallel zu ver-arbeiten eingeschränkt.

Zu den Ursachen von CVI Die verbreitetste Ursache ist die periventrikuläre Schädi-gung der weißen Substanz (Leukomalazie) bei frühgeburt-lichen Kindern. Dabei kommt es durch Sauerstoffmangeloder durch Mangeldurchblutung zu einem Absterben vonHirnzellen im dorsalen und lateralen Bereich der Seitenven-trikel. 25% der Frühgeborenen der 24. Schwangerschafts-woche und immer noch 5% der Frühgeborenen aus der 28.Schwangerschaftswoche entwickeln eine PVL.Andere Ursachen sind angeborene Hirnmissbildungen, pe-rinatale Schädigungen, und in geringerer Zahl, weniger als10 % auch spätere Hirnschädigungen der Kinder, etwa Me-ningitis und Enzephalitis, Erstickungsunfälle sowie Schädel-Hirn-Traumata. Diese Ursachen führen oft zu weiterenneurologischen Beeinträchtigungen wie etwa zerebralerLähmung, Epilepsie und geistigen Behinderungen. Folglichsind die wichtigsten Risikogruppen frühgeburtliche Kinderund Kinder mit Zerebralparese, besonders wenn diese Be-einträchtigungen mit intellektuellen Behinderungen undEpilepsie einhergehen. Leider gibt es bislang keine umfas-senden (epidemiologischen) Studien über die Auftrittshäu-figkeit von CVI. Das hängt wesentlich damit zusammen,dass man sich nicht darüber einig ist, was CVI genau ist. Rosenkötter, der Leiter des SPZ Ludwigsburg schreibt, dassman aufgrund theoretischer Überlegungen und aufgrundder Erfahrungen bei umschriebenen Entwicklungsstörun-gen davon ausgehen könne, dass visuelle Wahrnehmungs-störungen bei 3 bis 8 % aller Kinder vorliegen.Studien aus Belgien (Stiers, Belgien, 2002), haben gezeigt,dass Störungen der Wahrnehmung bei etwa zwei Drittelnder Kinder (68%) nach Sauerstoffmangel bei der Geburtund bei einem Drittel (37,5%) der Kinder mit Zerebralpa-rese festgestellt werden konnten. Bedeutsam dabei war,dass nur eine Minderheit dieser Kinder sehbehindert imSinne des Gesetzes war, also Sehschärfen hatte, die kleinerwaren als 0,3. CVI ist im Moment noch eine schwierige Begrifflichkeit. Zihlbetont, dass der Begriff CVI aus verschiedenen Gründenumstritten ist, insbesondere da für eine valide Verwendungder Bezeichnung CVI als diagnostische Kategorie eine ver-bindliche und standardisierte Liste von Sehfunktionen er-

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CVI – Diagnostisches Vorgehen und Prinzipien der Behandlung undFörderung.Während Sehschädigungen früher überwiegend durch eine Schädi-gung oder Erkrankung des Auges verursacht waren, finden wir seitden späten 1950er Jahren häufiger Schädigungen des Gehirns als Ur-sache visueller Beeinträchtigungen. Die Gründe dafür liegen in einerverbesserten medizinischen Betreuung, die zu gesteigerten Überle-bensraten von Neugeborenen und auch von schwerkranken Kindernführte. Man schätzt, dass cerebral bedingte Sehschädigungen inzwi-schen in den Industrienationen mit über 25 % die Hauptursache fürSehschädigungen im Kindesalter darstellen.Die Besonderheiten dieser Kinder wurden lange Zeit nur relativwenig beachtet. Die betroffenen Kinder wurden zumeist nicht vonsolchen mit peripheren Sehschädigungen unterschieden, sie wurdennicht anders behandelt. Das hat sich seit gut einem Jahrzehnt geän-dert. Insbesondere durch das Engagements und die Arbeiten der Au-genmediziner Gordon Dutton (Glasgow), Lea Hyvärinen (Helsinki),des Neuropsychologen Zihl in München sowie von holländischen undbelgischen Fachleuten begann man vermehrt auf die speziellen För-derbedürfnisse der betroffenen Kinder zu achten und suchte nachMöglichkeiten der Hilfe und Förderung. In diesem Arbeitszusammenhang steht unsere Arbeit am Beratungs-zentrum Sehen der Blindeninstitutsstiftung Würzburg. Wir bemühenuns seit 5 Jahren die Besonderheiten von Kindern und Jugendlichenmit visuellen Wahrnehmungsstörungen diagnostisch zu beschreibenund ihnen und ihren Eltern, Lehrern und Betreuern eine vernünftigeberaterische Unterstützung zukommen zu lassen. Die erste Etappeauf dem Weg dahin bestand in der Entwicklung und Erprobung eineskompakten und alltagstauglichen Sets diagnostischer Untersuchungs-,Beobachtungs- und Beschreibungsmethoden bei CVI. Inzwischenhaben wir einige Bausteine hierzu zusammengestellt und erprobt.Mittelfristig möchten wir Erfahrung sammeln bei der spezifischenpädagogisch-therapeutischen Förderung dieser Kinder und Jugend-lichen und ihrer Unterstützung im Alltag und Schule. Darüber ist im Folgenden zu berichten. Zunächst ist es aber notwen-dig zu klären, was CVI eigentlich bedeutet:

Im Unterschied zu einer okulären Sehschädigung, bei der eine Schä-digung des Auges oder der Sehnerven vorliegt, ist die Ursache einervisuellen Wahrnehmungsstörung bzw. einer cerebralen Sehstörung(CVI) in postchiasmatischen Veränderungen der Weiterleitungs- undVerarbeitungsprozesse visueller Reize im Gehirn zu suchen. Zum Teilsind dies cerebrale Strukturschäden, die sich auf einem MRT darstel-len lassen, zum Teil sind es Veränderungen in der Kommunikationneuronaler Netzwerke, die mit der Weiterleitung, Kodierung undVernetzung spezieller Qualitäten des Sehens zu tun haben. Die Schä-digungen liegen manchmal nur auf der mikrostrukturellen oder zel-lulären Ebene und lassen sich deswegen zum Teil nicht organischfestmachen. CVI beschreibt nicht ein konkretes Symptom, sondern –in der Begrifflichkeit des ICF ausgedrückt – die Folgen der Schädigung

CVI – Diagnostisches Vorgehen und Prinzipien der Behandlung und FörderungDipl. Psychologe Matthias Zeschitz

einer Körperstruktur. Das Spektrum derSchädigungen ist sehr heterogen: Siekönnen Auswirkungen auf den Visus,das Gesichtsfeld, und das Farb- undKontrastsehen, aber auch auf die Blick-motorik haben und damit den okulärenSchädigungen ähneln. Zudem kann CVIauch in Kombination mit peripherenokulären Sehschädigungen auftreten.Die Störungen können sich auf visuellgesteuerte Hand- und Fingerbewegun-gen beziehen, etwa auf genaues Han-tieren, Zeichnen und Schreiben oderaber auch auf die grobmotorische Fort-bewegung und sehen dann aus wiemotorische Defizite. Sie können, dasSuch- und Explorationsverhalten, dieForm-, Objekt- und Gesichterwahrneh-mung und die Raumwahrnehmung be-treffen, und werden dann leicht mitkognitiven Störungen verwechselt. Nununterscheidet Zihl zwar visuoperzeptivevon visuokognitiven Störungen sagtaber gleichzeitig, dass eine strikte Ein-teilung wegen der vielfältigen, gegen-seitigen Abhängigkeiten schwierig seiund bei ihm im Wesentlichen aus didak-tischen Gründen erfolge. In den Be-schreibungen von CVI finden wir einigezentrale Begriffe, Kernsymptome: Ein Kernsymptom bei CVI und ein we-sentliches Defizit aller mehrfachbehin-derten Kinder ist eine reduziertevisuelle Aufmerksamkeit: Wir erwarteneine Verschlechterung und Verlangsa-mung des kindlichen Such- und Explo-rationsverhaltens, eine zeitliche Be-grenztheit der visuellen Aktivität undschließlich eine Verminderung der Fä-higkeit Unterschiede im Detail wahrzu-nehmen. Zu den häufigstenAuffälligkeiten bei Verdacht auf CVI,besonders bei mehrfachbehindertenKindern, gehört die Instabilität der Seh-leistung. Manchmal kann etwas wahr-genommen werden, manchmal nicht.Manchmal werden auch größere Ob-jekte übersehen oder Objekte werdennur dann wahrgenommen, wenn siesich bewegen. Manchmal wird der

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2. den WachzustandWichtig für die Testergebnisse ist aber auch:3. die Wahl der Testmethode: wird der Bildeindruck beider Augendurch den Test vollständig dissoziiert, oder erfolgt eine assoziierte Dis-soziation?4. in welcher Prüfdistanz wird gemessen?5. wie ist die Umfeldhelligkeit (Raumbeleuchtung)?Binocularsehen erfolgt über einen Regelkreis – sowohl für die motori-sche Seite, als auch die sensorischen Komponenten. Beide Regelkreisegreifen ineinander und verändern sich durch verschiedene Parameter.Dies führt zu unterschiedlichen Ergebnissen durch verschiedene Test-methoden, deren Ergebnisse dann nicht vergleichbar sind. Es handeltsich um ein SEHR komplexes Problem. Das ist auch der Grund, weshalbAugenärzte und Augenoptiker häufiger darüber streiten. Viele Augen-optiker wenden den MKH-Test an, der auf einer Theorie beruht, dieaus augenärztlicher Sicht unhaltbar erscheint. Durch die Anwendungder Methode wird aber eine Lücke geschlossen, die die Lehrmeinungder Augenheilkunde bezüglich der Sehprobleme mancher Kinder offenlässt. Insofern müssen sich viele Augenärzte darüber im Klaren sein,dass sie selbst am Fortbestand der (ggf. auch unkritischen) Anwendungder MKH-Messmethode mitarbeiten. Denn es gibt Kinder, die eine zen-trale Wahrnehmungsverarbeitungsstörung des Sehens haben (im eng-lischen Sprachraum cerebral visuell impairment – kurz CVI – genannt).Bei manchen dieser Kinder wirken Prismen eindeutig wahrnehmungs-erleichternd, auch ohne dass die MKH-Theorie stimmen muss. Leiderwerden die Prismen durch die Anwender der Methode in Abständennicht selten verstärkt, auch wenn die alltäglichen Sehprobleme da-durch gar nicht mehr besser werden, weil sie entsprechend der Theoriearbeiten. In der Medizin wird aber nie ein Messwert behandelt, son-dern immer nur ein Mensch. Nur weil die Augenheilkunde das Problemderzeit noch nicht versteht und auch niemand wirklich sagen kann, wiedie zentrale Verarbeitung des Seheindruckes geschieht und warumPrismen manchmal bei derartigen Problemen sehr hilfreich sind, mussman die Kinder nicht alleine lassen. Wer dabei auf der Strecke bleibt,sind Kinder mit zentralen Sehproblemen. Vor jeder Anpassung von Pris-men wegen zentraler Wahrnehmungsstörungen sollte folgendes ab-geklärt werden: genaue Anamnese - welche Beschwerden bestehen?Bei welchen Tätigkeiten und in welchen Entfernungen?Dann die Messung von:1. subjektiver Refraktion2. objektiver Refraktion (auch in Cycloplegie!)3. Fusionsbreite4. Abdecktest und Ausschluss eines Mikrostrabismus (Fixationsort prüfen)5. Augenbefund im Hinblick auf Erkrankungen6. Akkomodationsbreite7. Akkomodationsdauer8. FixationsdisparationWenn diese Fakten erfasst sind, sollte eine optimale Brillenkorrekturerfolgen (ggf. auch Versuch mit Vollkorrektur, abweichend von denLeitlinien der DOG bzgl. der Indikation für eine Brille). Wir haben dieErfahrung gemacht, dass insbesondere Kinder mit kleiner Fusionsbreitepositiv auf Prismen ansprechen. Dies kann man in der Praxis über derBrille oder im Probiergestell leicht testen. Erst dann, wenn entspre-chend offene Augenärzte keine wesentliche Verbesserung der Situa-tion schaffen konnten, kommt aus meiner Sicht die Bestimmung mitder MKH-Methode in Frage. Mit Prismen sollte eine wesentliche Ver-haltensänderung innerhalb von zwei Wochen eindeutig sichtbar sein.Bleibt dies aus, empfiehlt es sich von weiteren Erhöhungen der Prismenabzusehen. Denn es gibt auch eine CVI, die durch die Augenstellungnicht zu beeinflussen ist! Sollten Prismen zu einer erheblichen Sehver-besserung führen, kann es bei Nachlassen der Wirkung notwendig sein

in Abständen die Prismen zu verändern.Es besteht grundsätzlich die Gefahr derNotwendigkeit einer Schiel-Operationdurch ständig zunehmenden Winkel(wenn es dann nicht mal eine Besserungder Wahrnehmung gab, wäre dasfatal!). Auch ein Horror fusiones und an-dere Augenbeschwerden können dieFolge sein. Für den Einsatz von Prismenohne deutliche Besserung spricht nur dieEntlastung der Kinder vom Elterndruck»mein Kind hat kein Leistungsdefizit!«.Das kann aber auch durch entsprechendsensibilisierte Augenärzte ohne Prismenerfolgen!Es bleiben ungeklärte Fragen bestehen:Was hakt an der Verarbeitung im Ge-hirn? Warum entwickeln sich bei man-chen Kindern manche Sehqualitäten solangsam? Und: wie kann man die Kindersonst noch fördern? Wichtig ist es denSpaß am Lernen zu erhalten, obwohlüben, üben und üben nötig ist! Mansollte das Kind eigene Strategien ent-wickeln lassen, nachdem das Problem er-kannt ist. Fast immer ist ReizbegrenzungSEHR wichtig. Häufig hilft eine Scha-blone oder ein einfarbiges Lineal beimLesen. Auch die Motorik fördern, d. h.nicht zu lange Zeiten der reinen Kon-zentration auf Bilder. Freie Bewegungbei Konzentrationsanforderungen undkurze Pausen nach erfolgter Anstren-gung / Leistung. Unser Sehen ist nichtvon Anfang an da, Sehen lernen wir, wiehören, sitzen, krabbeln, laufen, reden,aber auch schweigen, sinnvolle Tätigkei-ten, sowie bewusstes Abschalten undEntspannen. Eigentlich ist es nicht ver-wunderlich, dass es damit manchmalProbleme gibt, verwunderlich ist es, dasses so häufig problemlos klappt. Manchertut sich auch bei motorischen Dingensehr schwer – z. B. beim Rollerfahren,Ballspielen, Radfahren, Rollschuhlaufen.Bei allen Schwierigkeiten gilt: es ist nochkein Meister vom Himmel gefallen.Schauen Sie nicht nur auf die Defizitedes Kindes, sondern auch auf seine Stär-ken: die meisten dieser Kinder haben eineher fotographisches Gedächtnis – siesehen nicht schnell, aber viel – das isthäufig Teil ihres Problems. Hierbei hilftdie Beschränkung, aber auch Wertschät-zung der Kinder. Man muss nicht alleskönnen, man sollte nur im Leben glück-lich werden können.

Dr. Christine Stammvon der Beratungsstelle für Sehbehin-derte in Berlin

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Akkommodation ist die Fähigkeit des Auges,die Sehschärfe aktiv an verschiedene Entfernungen anzupassen.

Vorab eine einfache Einführung für Laien zumThema Sehen.Wie geht Sehen eigentlich? Das Sehen erfolgt mitden Augen – wie mit einer Kamera, die ein Bild lie-fert. Sehen benötigt aber auch die Weiterleitungdes Signals der Augen zur Sehrinde (gleich einemKabel) und dann ein Abbild, wie auf einem Moni-tor, in der Sehrinde. Und dann? Dann haben wirBilder, wie auf einem "Bildschirm" ... und wir brau-chen noch jemanden, der hinsieht. Jenes ICH, dasden Film, der da abgebildet wird auch mitbe-kommt, das wach und aufnahmebereit genug istfür "die Welt da draußen". Dieses Problem sehenwir bei schwerstmehrfachbehinderten Kindern garnicht selten – sie können das Bild nicht lange wahr-nehmen. Sie können sich nicht entsprechend langehinwenden, als dass wir es von außen wahrneh-men könnten, obwohl das System der visuellenBildentstehung bis hin zur Sehrinde intakt ist. Esgibt bei zentralen Wahrnehmungsstörungen alleGrade, bis hin zur fast normalen Wahrnehmung.Diese sind auch nicht auf das Visuelle beschränkt –diese Schwierigkeiten gibt es für akustische Signalegenau wie für die anderen Sinne. Sie entstehen beider Verarbeitung von Sinnesreizen im Gehirn undkönnen mit allen weiteren Beeinträchtigungenkombiniert sein, aber auch bei sonst vollständiggesunden Kindern auftreten.

Zum augenärztlichen Wissen über das SehenDas Sehen erfolgt zunächst im Auge durch ein Linsensystem, das ggf.beim Vorliegen einer Fehlsichtigkeit durch eine Brille oder Kontakt-linsen optimiert werden sollte. Das Licht wird in der Netzhaut desAuges dann in elektrische Impulse umgewandelt, von wo diese andas Gehirn weitergeleitet werden. Jedes Auge liefert ein einzelnesBild, das in einem Gehirn zusammengeführt und verarbeitet wird.Dabei greift ein sensorischer Regelkreis in die Steuerung der Motorikein. Jedes Auge wird durch sechs Muskeln bewegt, die koordiniertwerden müssen. Zusätzlich müssen beide Seiten zusammengeführtwerden. Diese Koordination und Zusammenführung erfordert - überdas Wachstum von Gesicht und Augen hinweg - stetige Nachjustie-rung, da sich die Stellung der Augen zueinander in dieser Zeit verän-dert. Drei Hirnnerven setzen die vom Gehirn intendierte Augenbe-wegung um: Nervus oculomotorius, Nervus trochlearis und Nervusabducens. Deren beiderseitige Verknüpfung, über beide Hirnhälftenhinweg, steuert die Augenbewegung durch die Muskeln. Die senso-rische Verarbeitung ist anders geteilt: das Gesichtsfeld beider Augenwird zusammengefügt und innerhalb des Gehirns seitengetrennt ver-arbeitet. Die Steuerung der Synchronisation ist über die Pons (Brücke)im Gehirn verbunden. Zusätzlich gibt es ein Konvergenzzentrum für

Gute Sehschärfe allein genügt nichtungewöhnliche Herausforderungen für AugenärzteDr. Christine Stamm

die Naheinstellung, da bei dieser Blick-richtung beide Augen gegenläufig be-wegt werden müssen. Auch hier greiftein sensorischer Regelkreis in die Moto-riksteuerung ein. Ein Problem machtuns die Bewertung schwer: der Menschist keine optische Bank, an der manstets gleiche Daten messen könnte.Jeder Mensch hat eine Psyche, die dieWahrnehmung überhaupt erst ermög-licht (jenes ICH). Im schweren Schockkönnen wir evtl. gar nichts wahrneh-men. Verschiedene Erregungs- und Auf-merksamkeitszustände können daskomplexe System stören. Unser Sehenhat eine variable Einstellung (mit sen-somotorischem Regelkreis), die bedingtist durch:1. den Akkommodationszustand (deshalb ist immer auch eine objektiveRefraktion mit Lähmung der Akkom-modation und gleichzeitiger Pupillen-erweiterung erforderlich). Diese ist nurbei Augenärzten möglich, da ein Au-genoptiker keine Medikamente gebendarf. Insbesondere für den Zusammen-hang von Akkommodation und Kon-vergenz (AC/A-Quotient) ist dies unent-behrlich (es sind sogar verschiedene Ak-kommodationszustände beider Augenmöglich).

»Man muss nicht alles können,

man sollte nur im Leben glücklich werden können.«

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Vorbemerkung

Der Behindertenwerk Spremberg e.V. – BWS unddie Klinikum Frankfurt (Oder) GmbH haben am18. Oktober 2014 ihren ersten gemeinsamenFachtag zu dem Thema »Sehend blind oder wenndie Wahrnehmung für ein Durcheinander sorgt«in Frankfurt (Oder) durchgeführt. Der Fachtagstand unter der Schirmherrschaft des Beauftrag-ten der Landesregierung Brandenburg für die Be-lange der Menschen mit Behinderungen, HerrnJürgen Dusel. Herr Dusel, selbst blind, hob insbe-sondere den Beitrag des Fachtages zur Interdiszi-plinarität von Ärzten, Pädagogen undTherapeuten als wichtigen Punkt hervor. Als eineder ersten deutschsprachigen Fachkonferenzenzum Thema »Cerebral Visual Impairment (CVI)«konnten mehr als 120 Gäste aus ganz Deutsch-land begrüßt werden. Das Interesse im Vorfeldwar derart groß, dass innerhalb kürzester Zeit allePlätze vergeben waren und leider viele Anfragenabgelehnt werden mussten. In drei Referaten,welche von Frau Dr. Stamm (Berlin), Herrn Dipl.

Psych. Zeschitz (Würzburg) und Frau Dr. Kerkmann (Dort-mund) vorgetragen wurden, konnten aus medizinischer,psychologischer und pädagogischer Sicht Zugänge für dieBehandlung, Therapie und Förderung von Kindern mitWahrnehmungs- und Wahrnehmungsverarbeitungsstörun-gen eröffnet werden, die vor allem das interdisziplinäreHandeln stärken werden. Anhand von zwei Fallbeispielenbetroffener Kinder aus Frankfurt (Oder) und Spremberg,konnte den Teilnehmer(innen) durch Frau Binnenhei (BWS)und Frau Muschner (BWS) erste Erfahrungen im Alltag derDiagnostik und Förderung in Spremberg und Frankfurt(Oder) vorgestellt und erläutert werden.Auf den folgenden Seiten sind die einzelnen Beiträgeschriftlich aufgearbeitet und veröffentlicht worden. Wir be-danken uns an dieser Stelle für die Bereitstellung der Refe-ratsmanuskripte bei Frau Dr. Christine Stamm, Herrn Dipl.Psychologe Matthias Zeschitz, Frau Christine Muschner undFrau Katrin Binnenhei zu diesem so wichtigen Thema.

Eric Höhna(Leiter Öffentlichkeitsarbeit / Marketing)

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Liebe Leserinnen und Leser,

das Jahr 2014 war für das BWS ein Jahr der Jubiläen. DieBWS Behindertenwerk GmbH beging ihr 20-jähriges Beste-hen, was natürlich mit einem großen Fest gefeiert wurde.Der Fachbereich Betreutes Wohnen kann stolz auf 15Jahre erfolgreiche Entwicklung zurückblicken. Der inklu-sive Fröbelkindergarten als jüngstes Kind der BWS-Familiewurde im Jahr 2013 festlich eröffnet und vollendete damitsein erstes Jahr. Mit diesem Jahresbericht erhalten Sieeinen kleinen Einblick in unsere Arbeit und über die Viel-falt unserer Veranstaltungen und Aktivitäten im Behinder-tenwerk Spremberg e.V. – BWS und der BWS Behinderten-werk GmbH.

Zum ersten Mal konnten wir den »Tag der Sehbehinder-ten« in Forst (Lausitz) durchführen, um direkt an Ort undStelle auf die Probleme von Sehbehinderten aufmerksamzu machen. Nach den positiven Erfahrungen in Sprembergin den Vorjahren war es der richtige Schritt, in Forst (Lau-sitz) diesen Aktionstag einzuführen, wie die Besucherreso-nanz bewies.

In diesem Jahresbericht erwartet Sie ein Novum und viel-leicht ist es Ihnen auch schon aufgefallen. Dieser »ein-blick« ist nicht so wie die vorangegangenen Berichte ge-staltet. Neben dem bereits bekannten Aufbau und denwichtigsten Themen zum vorangegangenen Jahr ist dieserAusgabe ein fachlicher Sonderteil beigefügt, der »blick-punkt«. Er wurde ins Leben gerufen, um die Fachlichkeitunserer Arbeit mehr in den Fokus der Leserinnen & Leserzu stellen, die sonst nur in gekürzter Fassung den Weg inden »einblick« gefunden hätte. Dies wäre allerdings sehrschade, denn gerade diese Themen ermöglichen den Lese-rinnen & Lesern einen Einblick in das spezifische fachlicheKnow-how unserer Arbeit. So auch das Thema »Sehendblind oder wenn die Wahrnehmung für ein Durcheinandersorgt«. Die Referenten des vom Klinikum Frankfurt (Oder)und dem Behindertenwerk Spremberg e.V. – BWS organi-sierten gleichnamigen Fachtags in Frankfurt (Oder) vom18. Oktober 2014 waren so freundlich und haben uns ihreFachbeiträge für eine Veröffentlichung zur Verfügung ge-stellt. Wir bedanken uns an dieser Stelle bei Frau Dr. Chri-stine Stamm, Herr Dipl. Psychologe Matthias Zeschitz, FrauChristine Muschner und Frau Katrin Binnenhei dafür rechtherzlich. Um für Sie als Leser die bestmögliche Separierungzu gewährleisten, haben wir uns für eine spiegelverkehrteGestaltung entschieden. Diese Form macht es möglich,

beide Teile – den »einblick« als auch den »blick-punkt« – getrennt voneinander zu betrachten. In Zu-kunft wird der »blickpunkt« immer dann zum Ein-satz kommen, wenn wir fachspezifische Themenaufgearbeitet haben, die für Sie als Leser von Inter-esse sein könnten.

Wie ich schon eingangs berichtet hatte, war das Jahr2014 geprägt von Jubiläen. Ein besonderes erwartetuns auch 2015, wenn wir gemeinsam am 4. Septem-ber das 25-jährige Bestehen unseres Trägervereins,dem Behindertenwerk Spremberg e.V. – BWS, feier-lich begehen werden. Die Vorbereitungen dazu lau-fen bereits auf Hochtouren.

Ich bedanke mich bei all unseren Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern, den Ehrenamtlern, Vereinsmitglie-dern sowie Partnern und Freunden für Ihr tolles En-gagement und freue mich auf die weiterhin gute Zu-sammenarbeit in 2015.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen des »ein-blick« und des »blickpunkt«.

Ihr

Olaf TaubenekGeschäftsführer

» Editorial

» Einleitung

» Gute Sehschärfe allein genügt nicht –ungewöhnliche Herausforderungen für Augenärzte

» CVI – Diagnostisches Vorgehen und Prinzipien der Behandlung und Förderung

» Erste Praxiserfahrungen im Alltag der Diagnostik und FörderungFallbeispiel 1 - Jastin

» Erste Praxiserfahrungen im Alltag der Diagnostik und FörderungFallbeispiel 2 - Tim

2 in:halt

Impressum

Herausgeber

Behindertenwerk Spremberg e.V. - BWS

BWS Behindertenwerk GmbH

Wiesenweg 58 / 03130 Spremberg

Telefon 03563 342-180

Fax 03563 342-199

[email protected]

www.bws-spremberg.de

Redaktionsleitung

Olaf Taubenek

Fotos

Mitarbeiter(innen) des BWS

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GUTE SEHSCHÄRFE ALLEIN GENÜGT NICHT

CVI – DIAGNOSTISCHES VORGEHEN UND PRINZIPIEN DER BEHANDLUNG UND FÖRDERUNG

ERSTE PRAXISERFAHRUNGEN IM ALLTAGDER DIAGNOSTIK UND FÖRDERUNG

blick:punktBWS Behindertenwerk GmbH | Behindertenwerk Spremberg e.V. - BWS

B E S T ÄND I G K E I T • W E R T S C HÄ T Z UNG • S O Z I A L E K OMP E T E N Z

Spezial:»Sehend blind oder wenn die Wahrnehmung für ein Durcheinander sorgt«