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I7. DEZEMBER 1938 KLtNISCHE WOCHENSCItRIFT. 17 . JAHRGANG. Nr. 51 I787 is%. Zweifellos wird abet die spontane Fernthrombose ent- scheidend mitbesfimmt yon den KreislaufverhAltnissen, welche dutch Wirbelbildung, Stromverlangsamung usw. im Sinne ASC:~OFFS erst denjenigen innigen Kontakt der Pl~tt- ehen erm6glichen, der znm Aufbau grSBerer Agglutinate er- forderlich ist. Anch eine Ver/~nderung des Endothels ist des- halb nicht wegzndenken, well die Pt~ttehen ja sons% nicht an der Wand haften wfirden. Man darf annehmen, dab eine ebensolche oberfl/~chliche Fibrin~llung, welche die Pl~ttehen untereinander verbindet, aueh das Endothel des befallenen Gef~Bes fiberzieht nnd so die Pla.ttchenagglutinate an der Wand festhXlt, wobei dieser Fibrintiberzug nattirlich so wenig mikroskopisch sichtbar zu sein braucht wie derjenige der Pl~ttchen. Bei den durch Infektion, Tramna, .experimentelle 2S~tzung oder ~hnliche Vorg/~nge gebildeten Thromben wird die Gefitl3wand anl3erdem znm Fermentbildner. Ffir die Ursachenforschung er6ffnen sich verschiedene M6glichkeiten fiir weitere Untersuchungen, die allerdings am Kranken ausgeffihrt und quantitafiv ausgebaut werden mfiB- ten. Was schlieBlich die Vorbeugung der Thrombose anlangt, so wird die ~ mancherorts bereits versuchte -- Gerinnungs- aufhebung sicher ~4rksam sein. Doch di~fte ein solches Vorgehen erst dann praktische ]3edeutung erlangen, wenn es auf einfache und gefahrlose Weise gelingt, das ]31ut tiber l~ngere Zeit gerinnungsunf~hig zu erhalten. Die bessere Kenntnis der Pathogenese wird auch bier neue Ausblicke ffir das /~rzttiche Handeln er6ffnen. Absehliegend m6chte ieb dankbar der Altmeister der Pathologie gedenken, deren mtihsame Forscherarbeit es erst erm6glicht hat, das Grundproblem der Thrombusentstebung klar zu formlfiieren. Wenn nun neuere gerinnungsphysio- logische Ergebnisse und insbesondere die Anwendung kolloid- chemischer Begriffe die Thromboseforschung weiter gef6rdert haben, so kann das als ein Beispiel dafiir gelten, dab die Morphologie Methode und nicht Selbstzweck ist; denn oft erh/~lt sie erst im Verein mit anderen Forschungsmethoden, die aueh in das gestaltlich nieht FaBbare einzudringen ge- statten, ihren vollen Wert ftir die Gesamtmedizin. Literatur: At,ITZ, Zbl. Path. 5 o, 9 (I93 o) -- Z. exper. Ned. xo~, 552; io2, 2o2 (1937) -- Verh. Kolloid-Ges. 1938 (ira Druck). -- APITZ n. THEI, EN, Z. exper. Ned. xo3, 417 (I938). -- ASCHOFF, Verh. dtsch. Ges. Kreislaufforsch. 7, ii (1934). -- DIETI~ICH, Thrombose. Berlin: Julius Springer 1932. -- R6SSLE, Virchows Arch. 300, 18o (I937). -- VOEGT, Virchdws Arch. 3oo, 19o (1937). -- W6HLISCn, Erg. Physiologie 28, 443 (1929) -- Verh. Kolloid-Ges. 1938 (im Druck). ORIGINALIEN. C-VITAMINBEDARF UND C-HYPOVITAMINOSE*. Von Prof. RIETSCHEL, Universit~its- Kinderklinik, W/~rzburg. Ieh habe ktirzlich in einer Arbeit in der Deutschen Medi- zinischen 'Wochenschrift darauf hingewiesen, dab der t~g- liche C-Vitaminbedarf unm6glich so hoch sein kann (5 ~ bis 60 rag), wie ihn die meisten Forscher ~ordern (YON SZENT- GY6RGYI, STEPP nnd seine Schule, WACItHOLDER ll. V. a.). Jav. SZENT-Gu hat sich ktirzlich sogar dahin aus- gesprocheI1, dab der Bedarf des Menschen an Ascorbins~ure sieher noch h6her (als 5 ~ rag) sei, da nach seiner Meinung durch eine gesteigerte Vitaminmenge ein ,,erh6hter all- gemeiner Gesundheitszustand" erreicht werden k6nnte. Ba- bel sind die klinischen Erfahrnngen, auf die sich v, SZENT- GYORGu Stfitzt, dab durch Zufuhr yon C-Vitamin die Pneu- monien, die Diphtherie besser zur Heilung geffihrt werden, in keiner Weise bewiesen, Jedenfalls bin ich mit vielen anderen Forschern der Meinung, dab wir mit Zugabe yon Vitamin C bisher bei Pneumonien und Diphtherie keine eindeutigen Behandlungserfolge gesehen haben. W~re wirk- lich 5 ~ mg C-Vitamin die t~gtich notwendige Bedarfsmenge, so wfirde der allergr6Bte Tell unseres Volkes nnter diesem Be- darf w~hrend des ganzen Winters und Frfihling bleiben, und unser Heer w~ire zweifellos aufs schwerste gefa~hrdet, denn die Ern~hrung im Heer erreicht diesen "Wert im all- gemeinen w~hrend des ganzen Jahres nicht. In Irfiheren Jab- ten, also vor dem Weltkrieg, wo wir fiber den C-Vitamin- bedarf sehr wenig wugten, is% sicher die Verk6stigung des Soldaten eine noeh geringere an C-Vitamin gewesen. Niemals ist aber in der deutschen Armee im Frieden ein Skorbut beob- achtet worden. Es is% bekannt, dab im Winter und FrfiMing, also etwa yon November bis Ende Mai, die allermeisten Menschen im wesentlichen yon einer Nah rung leben, die relativ C-vitamin- arm is%, und dab als C-Vitamintr/iger nur Kartoifetn und hin und ~4eder Gemfise gegessen werden. Obst wird im Winter woM yon den meisten Volksgenossen nicht verzehrt, ganz gewiB nicht in diesem obstarmen ~u Wir wissen nun~ dab der C-Vitamingehalt yon Kartoffeln und Gemtise, die gelagert werden, stark abnimmt, daB also beide im Sommer wesentlich C-vitaminreicher sind als im Winter und gar im * Gum Teil als Vortrag gehalten atff der Tagung der Deutschen Gesellsehaft ft~r Hygiene in Berlin am 5- X. x938. Frfihjahr, und dab zweitens die Zubereitungsart dieser Nah- rungsmittel (langes Kochen, Auslaugen) eine groBe Rolle auf ihren C-Vitamingehalt ausfibt. So solIen z.B. nach OLLIVER neue Kartoffeln nach 20 Tagen schon 6o% ihres C-Vitamins vertieren nnd Spinat nach 3tggJger Lagerung 80%. Durch die Kfichenzubereitung biiBen z. B. Kohl- rabi 6o--8o%, Rotkohl 8o%, Wirsing 80% ihres C-Vitamingehaltes ein (JuNG, STEPP). Ob diese Zahlen allerdings sicher stimmen, vermag ich natiirlich nicht zu sagen, ieh entnehme sie der Literatur (ScHR6DER). Bei der Kartoffel is% sehr bemerkenswert, daB'I<ochen nnd ganz besonders das D&mpfen in der Schale (sog. Pellkartoffeln) nur wenig Verlnst gib%, dab aber beim Kochen in gr613eren (ge- sch~lten) Stricken erhebliche Verluste entstehen. Besonders groBe Verluste stellen sieh ein, wie ich neulich in einem Krankenhaus feststetlte, wenn die Kartoffeln abends vorher geschM% werden, dann in Wasser in der Nacht Iiegen, sodann im Dampft0pf be[ 19berdrnck in Temperaturen fiber ioo ~ weich gekocht werden. ~'Verden diese Kartoffeln nochmals als Bratkartoffeln wieder er- hitzt, so sink% der C-Vitamingehalt fast bis auf o. Wieviel Kartoffeln und Gemfise mfiBte der Mensch im Winter und Frtihting zu sich nehmen, um seinen C-Vitamin- bedarf yon 5 ~ mg zu sattigen ? Nach einer Tabelle yon VETT~ER und WINTER enthatten IOO g gekochte Kartoffeln 3--Io rag, Ioo g Rotkoh] 8 rag, ioo g Spinat 4 rag, Wirsing 3 mg C-Vitamin. Diese Zahlen sind im alten Frtihlingsgemfise vielleicht noch niedriger anzusetzen. Rechnet man nun den Bedarf yon 5o mg C,Vitamin in Kartoffeln und Gemfise urn, so w~re ein Quantum yon 5OO--lOOO g Kartoffeln nnd daneben etwa 300 g Rotkraut oder 5oo g Spinat oder 700 g %u zur t~glichen Bedarfs- menge yon 5 ~ mg n6tig. Diese errechneten Zahlen m6gen nicht ganz stimmen, aber sicher geht daraus herv0r, mit ge- kochten Kartoffeln und Gemfise allein k6nnte kein Mensch einen C-Vitaminbedarf yon 5omg auch nur ann~hernd decken. %~5~C~IHOLDER, der sogar noch t~glich Obst zn seiner W'inter- und Frfihlingskost genoB, wie es gewiB die wenigsten Volksgenossen sich leisten k6nnen, besonders in diesem Winter, kam bei dieser Digit, die er auf seinen C-Vitamin- gehalt untersuchte, nur auf 26 ~my C-Vitamin. Ich m6chte annehmen, dab die allermeisten Menschen im X~rinter und Frfihling nicht mehr wie to--I5mg C-Vitamin genieBen. Selbstverst~ndlich wird im Sommer in der Nahrung die C-Vitaminmenge steigen. Die Schweizer Forscher VETTER und WINTER haben eine ,,sehr gut verpflegte Kompanie eines Auszugsbataillons der Schweizer Armee" auf den C-Vitamingehalt der IKost unter- such% und stetlten lest, dab jeder Soldat nur etwa 15 mg 123"

C-Vitaminbedarf und C-Hypovitaminose

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I7. DEZEMBER 1938 K L t N I S C H E W O C H E N S C I t R I F T . 17 . J A H R G A N G . N r . 51 I787 is%. Zweifellos wird abe t die spontane Fe rn th rombose ent- scheidend m i t b e s f i m m t yon den KreislaufverhAltnissen, welche du tch Wirbelbi ldung, S t romver l angsamung usw. im Sinne ASC:~OFFS ers t denjenigen innigen K o n t a k t der P l~ t t - ehen erm6glichen, de r znm Aufbau grSBerer Agglu t ina te er- forderl ich ist. Anch e ine Ver/~nderung des Endo the l s is t des- ha lb n ich t wegzndenken, well die P t~ t tehen ja sons% nicht an der W a n d ha f t en wfirden. Man darf annehmen, dab eine ebensolche oberfl/~chliche F ib r in~ l lung , welche die P l~ t tehen un te re inander verb inde t , aueh das E n d o t h e l des befal lenen Gef~Bes f iberzieht nnd so die Pla . t tchenagglut inate an der W a n d festhXlt, wobei dieser F ibr in t iberzug natt ir l ich so wenig mikroskopisch s ich tbar zu sein b rauch t wie derjenige der Pl~t tchen. Bei den durch Infekt ion, Tramna , .exper imentel le 2S~tzung oder ~hnliche Vorg/~nge gebi ldeten T h r o m b e n wird die Gefitl3wand anl3erdem znm Fermentb i ldne r .

Ffir die Ursachenforschung er6ffnen sich verschiedene M6gl ichkei ten fiir wei tere Untersuchungen , die al lerdings a m Kranken ausgeffihrt und q u a n t i t a f i v ausgebaut werden mfiB- ten. Was schlieBlich die Vorbeugung der Thrombose anlangt , so wird die ~ mancheror t s bereits ve r such te - - Ger innungs- au fhebung sicher ~4rksam sein. Doch d i~ f t e ein solches Vorgehen ers t dann prakt i sche ]3edeutung erlangen, wenn es

auf einfache und gefahrlose Weise gelingt, das ]31ut tiber l~ngere Zeit ger innungsunf~hig zu erhal ten. Die bessere Kenntn is der Pa thogenese wird auch bier neue Ausbl icke ffir das /~rzttiche Hande ln er6ffnen.

Absehl iegend m6ch te ieb dankba r der Al tmeis t e r der Pa thologie gedenken, deren mt ihsame Forsche ra rbe i t es ers t e rm6gl ich t hat , das Grundprob lem der T h r o m b u s e n t s t e b u n g klar zu formlfiieren. Wenn nun neuere ger innungsphys io- logische Ergebnisse und insbesondere die Anwendung kolloid- chemischer Begriffe die Thromboseforschung wei ter gef6rder t haben, so kann das als ein Beispiel dafi ir gelten, dab die Morphologie Methode und nicht Selbs tzweck is t ; denn oft erh/~lt sie ers t im Verein mi t anderen Forschungsmethoden , die aueh in das gestal t l ich nieht FaBbare e inzudr ingen ge- s ta t ten , ihren vol len W e r t ftir die Gesamtmediz in .

L i t e r a t u r : At, ITZ, Zbl. Path. 5 o, 9 (I93 o) - - Z. exper. Ned. xo~, 552; io2, 2o2 (1937) - - Verh. Kolloid-Ges. 1938 (ira Druck). -- APITZ n. THEI, EN, Z. exper. Ned. xo3, 417 (I938). -- ASCHOFF, Verh. dtsch. Ges. Kreislaufforsch. 7, i i (1934). -- DIETI~ICH, Thrombose. Berlin: Julius Springer 1932. -- R6SSLE, Virchows Arch. 300, 18o (I937). - - VOEGT, Virchdws Arch. 3oo, 19o (1937). -- W6HLISCn, Erg. Physiologie 28, 443 (1929) - - Verh. Kolloid-Ges. 1938 (im Druck).

ORIGINALIEN. C-VITAMINBEDARF UND C-HYPOVITAMINOSE*.

V o n

Prof . RIETSCHEL, Universit~its- Kinderklinik, W/~rzburg.

Ieh habe ktirzlich in einer Arbe i t in der Deutschen Medi- zinischen 'Wochenschrif t da rauf hingewiesen, dab der t~g- l iche C-Vi taminbedar f unm6gl ich so hoch sein kann (5 ~ bis 60 rag), wie ihn die meis ten Forscher ~ordern (YON SZENT- GY6RGYI, STEPP nnd seine Schule, W A C I t H O L D E R l l . V. a . ) .

J a v . SZENT-Gu h a t sich ktirzlich sogar dah in aus- gesprocheI1, dab der Bedar f des Menschen an Ascorbins~ure sieher noch h6her (als 5 ~ rag) sei, da nach seiner Meinung durch eine gesteigerte V i t aminmenge ein , ,erh6hter all- gemeiner Gesundhe i t s zus t and" er re icht werden k6nnte . Ba - bel s ind die kl inischen Er fahrnngen , auf die sich v, SZENT- GYORGu Stfitzt, dab durch Zufuhr yon C-Vi tamin die Pneu- monien, die Diph the r i e besser zur Hei lung geffihrt werden, in keiner Weise bewiesen, Jedenfal ls bin ich mi t vielen anderen Forschern der Meinung, dab wir m i t Zugabe yon V i t a m i n C bisher bei Pneumon ien und Diph the r i e keine e indeut igen Behandlungser fo lge gesehen haben. W~re wirk- lich 5 ~ mg C-Vi tamin die t~gtich notwendige Bedarfsmenge, so wfirde der allergr6Bte Tell unseres Volkes nn te r diesem Be- dar f w~hrend des ganzen W i n t e r s und Frf ihl ing bleiben, und unser Hee r w~ire zweifellos aufs schwerste gefa~hrdet, denn die E r n ~ h r u n g im H e e r e r re icht diesen "Wert im all- gemeinen w~hrend des ganzen Jahres nicht . In Irf iheren Jab - ten, also vo r dem Weltkr ieg, wo wir fiber den C-Vi tamin- bedarf sehr wenig wugten , is% sicher die Verk6s t igung des Solda ten eine noeh geringere an C-Vi tamin gewesen. Niemals is t aber in der deu tschen Armee im Fr ieden ein Skorbu t beob- ach t e t worden.

Es is% bekannt , dab im Win te r und FrfiMing, also e t w a yon N o v e m b e r bis E n d e Mai, die a l lermeis ten Menschen im wesent l ichen yon einer Nah rung leben, die re la t iv C-v i tamin- a rm is%, und dab als C-Vitamintr / iger nu r Kar to i fe tn und h in und ~4eder Gemfise gegessen werden. Obst wird im W i n t e r woM yon den meis ten Volksgenossen n ich t verzehr t , ganz gewiB nicht in diesem obs t a rmen ~u Wi r wissen nun~ dab der C-Vi tamingeha l t yon Kar tof fe ln und Gemtise, die gelagert werden, s t a rk a b n i m m t , daB also beide im Sommer wesent l ich C-v i taminre icher sind als im W i n t e r und gar im

* Gum Teil als Vortrag gehalten atff der Tagung der Deutschen Gesellsehaft ft~r Hygiene in Berlin am 5- X. x938.

Frf ihjahr , und dab zweitens die Zubere i tungsar t dieser N a h - rungsmi t t e l (langes Kochen, Auslaugen) eine groBe Rolle auf ih ren C-Vi tamingeha l t ausfibt.

So solIen z .B. nach OLLIVER neue Kartoffeln nach 20 Tagen schon 6o% ihres C-Vitamins vertieren nnd Spinat nach 3tggJger Lagerung 80%. Durch die Kfichenzubereitung biiBen z. B. Kohl- rabi 6o--8o%, Rotkohl 8o%, Wirsing 80% ihres C-Vitamingehaltes ein (JuNG, STEPP). Ob diese Zahlen allerdings sicher stimmen, vermag ich natiirlich nicht zu sagen, ieh entnehme sie der Literatur (ScHR6DER). Bei der Kartoffel is% sehr bemerkenswert, daB'I<ochen nnd ganz besonders das D&mpfen in der Schale (sog. Pellkartoffeln) nur wenig Verlnst gib%, dab aber beim Kochen in gr613eren (ge- sch~lten) Stricken erhebliche Verluste entstehen. Besonders groBe Verluste stellen sieh ein, wie ich neulich in einem Krankenhaus feststetlte, wenn die Kartoffeln abends vorher geschM% werden, dann in Wasser in der Nacht Iiegen, sodann im Dampft0pf be[ 19berdrnck in Temperaturen fiber ioo ~ weich gekocht werden. ~'Verden diese Kartoffeln nochmals als Bratkartoffeln wieder er- hitzt, so sink% der C-Vitamingehalt fast bis auf o.

Wievie l Kar tof fe ln und Gemfise mfiBte der Mensch im Win te r und Fr t ih t ing zu sich nehmen, u m seinen C-Vi tamin- bedar f yon 5 ~ m g zu sa t t igen ? Nach einer Tabel le yon VETT~ER und WINTER en tha t t en IOO g gekochte Kar tof fe ln 3 - - I o rag, Ioo g Rotkoh] 8 rag, ioo g Spina t 4 rag, Wirs ing 3 mg C-Vitamin. Diese Z a h l e n sind im al ten Frt ihl ingsgemfise viel le icht noch niedriger anzusetzen. Rechne t m a n nun den Bedar f yon 5o mg C,Vi tamin in Kar tof fe ln und Gemfise urn, so w~re ein Q u a n t u m yon 5OO--lOOO g Kar to f fe ln nnd daneben e t w a 300 g R o t k r a u t oder 5oo g Spina t oder 700 g %u zur t~gl ichen Bedarfs- menge yon 5 ~ mg n6tig. Diese e r rechne ten Zahlen m6gen nicht ganz s t immen, aber sicher geh t daraus herv0r , m i t ge- koch ten Kar tof fe ln und Gemfise allein k6nnte kein Mensch einen C-Vi taminbedar f yon 5 o m g auch nur ann~hernd decken. %~5~C~IHOLDER, der sogar noch t~glich Obst zn seiner W'inter- und Frf ihl ingskost genoB, wie es gewiB die wenigsten Volksgenossen sich leisten k6nnen, besonders in diesem Winter , k a m bei dieser Digit, die er auf seinen C-Vi tamin- geha l t un tersuchte , nur auf 26 ~my C-Vitamin. Ich m6ch te annehmen, dab die a l lermeis ten Menschen im X~rinter und Frf ihl ing n ich t m e h r wie t o - - I 5 m g C-Vi tamin genieBen. Selbstvers t~ndl ich wird im Sommer in der N a h r u n g die C-Vi taminmenge steigen.

Die Schweizer Forscher VETTER und WINTER haben eine , ,sehr gu t verpf leg te Kompan ie eines Auszugsbata i l lons der Schweizer A r m e e " a u f den C-Vi tamingeha l t der IKost un te r - such% und s tet l ten lest, dab jeder Soldat nu r e twa 15 m g

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i 7 8 8 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

C-Vitamin (!) in der Nahrnng erhielt*. Ich glaube, dab in der deutschen Armee wenigstens in frfiheren Jahren und vor dem ~Weltkrieg die Verpflegung nie mehr C-Vitamin ent- halten hat. Hier klafft zwischen theoretischer Forschung and kiinischer bzw. Lebenserfahrung ein groBer Zwiespalt.

Ich habe kfirzIich versucht, diese Kluft zu fiberbriicken und babe in einer Arbeit in der vorher erw~ihnten Wochen- schrift darauf hingewiesen, dab das zugeffihrte Vitamin C in erster Linie als KatMysator im Organismus tgtig ist, wie das die Chemiker nnd Physiologen framer schon betont haben. Auch fast in jeder medizinischen Arbeit ist ein Hinweis auf diese Eigenschaft der Ascorbinsgure zu tesen. Ja wit miissen uns wohl fast alle Vitamine als kataly~sch wirkend vor- stellen, sonst kSnnten sic wohl in so geringer Menge gar nicht wirksam sein**, v. SZZXT-GvSR~YI hat schon in seiner ersten Mitteilung darauf hingewiesen, dab das C-Vitamin im Organis- mns dabei immer zurfickreduziert werden kann. Man bezeich- net mit Recht daher die Wirkung des C-Vitamins ats ,,*'e- versiblen (endothermen) Redoxkveisprozeri". Der mensehliehe K6rper eermag also das C-Vitamin in erhebliehe~n Marie wieder zu rezynthetisieren, nnd ist dies der Fail, dann wird verst~nd- lich, dal3 der oxydativ abgebaus Anteil dieses Stoffes relativ sehr gering ist, also ein Ersatz nu t in geringem MaBe not- wendig i s t Ich kann in dieser Arbeit ant Einzelheiten nicht eingehen, ich betone aber, dab sowoht Chemiker wie Physio- Iogen und Kliniker diese Resynthese der Ascorbins~ure volI anerkennen, abet lceiner yon ihnen hat diese Resynthese in den Mittelpunlct der Bedarfs]vage gestellt. Denn es ist ktar, daB, falls eine solche Riickreduktion im Organismus m6glich ist, sie um so besser funktioniert, je geringer die Zufnhr dieses Stoffes ist. Selbstverstandlic h wird aber eine solche Re- synthese niemals hundertprozentig vet sich gehen kSnnen, stets wird ein Teil des C-Vitamins oxydativ verbrannt , and so wird verst~ndlich, daft die Zufuhr yon C-Vitamin notwendig ist, wenn aueh, wie ich glaube, in relativ geringeren ~engen als das heute behauptet wird. Es scheint mir e in ]alseher Weg, aus Untersuehungen i~ber S~ittigu~\qsde~izite zu dem Minimal- bzw. Optimalbedar] des Vitamins C zu gelangen. Vet allem bin ich aber der Meinung, daft der Si~ttigungszustand yon C-Vitamin nieht der No~zatzustand ist, wie immer wieder behauptet wird. Vielmehr ist ein katalytisch wirksamer Stoff, der auch nut in Milligrammen im Urin ausgeschieden wird, immer noch im LlberfluB vorhanden, u n d e s ist bekannt, wie schwer der Nachweis im Urin yon geringsten Mengen Ascorbinsi~ure ist. Uber die t t6he des ]31utspiegels wissen wir insofern noch sehr wenig, als noch gar nichts fiber die Minimalgrenze bekannt ist***. Alle bisher beigebrachten Zahlen beruhen nur ant Annahmen.

Praktisch kann kein Mensch in Deutschland im Fr~hjahr solche Mengen yon Kartoffeln und Gemiise genieBen, um 5 ~ mg C-Vitamin zu sich zu nehmen, zumal die meisten Menschen kein Obst genieSen. Es ist daher einfach eine Illusion, ]i~r ]eden. Menschen 50 mg Vitamin C zu ]ordern, *end wgre diese Zabt richtig, so hdtte seit JahYen und Jahxzehnten unser Vollc ein zu geringes Quantum yon Vitamin C zu sich genommen.,

Es gib4c abet noch einen anderen praktischen, vlel ein- facheren Weg, um den C-Vitaminbedar/ des Menschen sich klar zu machen. Wieviel C-Vitamin braucht der Menseh, um einen Skorbut zur Heilung zu bringen oder ihn jedenfalls mit Sicherheit zu verhiiten? Uber diese wichtige Frage be- stehen in der Ta t klinische Erfahrungen.

Im Jahre ~9'7 (Juli, August) brach in %Vien in einem FKichtlingsheim und in der KinderMinik eine Skorbut- epidemie bei etwa fiber ~oo Kindern irn Atter yon z--~ 5 Jahren

* Diese ~48 Sotdaten erhiGltea wahrend ~2'[~ Tagen an Vitamintr~gern: 643 1 Milch, ~,5 kg gndiviensalat~ 5 kg KarottGn, 8 kg Suppengemfise, 65 kg Wirsing, x 5 kg Zwiebeln,

a kg TomatGnpfiree, x8o kg Karteffeln and 60 kg Apfel. ** Man hat mir in der Diskussion eingewendet, es sei nieht bewiesen, dab das C-Vitamin Gin Katalysator sei. gs is t dies deshalb abet sehr wahrseheknliGh, als atlG Stoffe, die in so geringer. Menge w k k s a m sind, katatytisehe Wirkungen Gntfaltem Das Vitamin C ist wohl ein eehter ,Biokatalysator" im Sinne yon MITTASCH. *** IGh habe znr Zeit einen hiedizinalpraktikanten im Versueh, der seit 5"t X 'Cwi t aminfr ei Iebt, dessen Blutspiegel auf o j m g % CWitamin gesur[ken ist nnd der sieh vSllig wohl dabei befindet.

R I F T . ~7- J A H R G A N G . Mr. 5 ~ ~7. DEZEMBER ~938

aus. TOBLER, damals Assistent yon v. PIRgUL~I:, jetzt Kinder- arzt in Bern, ha t diese Skorbutepidemie sehr aufschluBreich und gut beschrieben. Dabei erkrankten yon den Insassen des Heims und der klinischen Station allein 43,6 %, also fast die Halfte der Kinder. Diese Kinder erhielten wiihrend des ganzen Winters I9~6/I7 kein frisches Gemtise nnd ungef~ihr seit \Veihnachten I916 keine Kartoffeln. Die Erni~hrung der Kinder an/ der Dachstation der Klinis (TuberIculosestation) war folgende, ich zi~iere w6rtlich TOBnER:

r. Frfihstfick : Kaffee, Brot, Magerkgse (oder Wurst, Marmelade, D6rrgemfise).

2. Frfihstflck: DSrrgemfise mit Brot oder D6rrgemfise allein, ~/~ Milch, 1/2 Rohrzuckerl6sung (~7%) als Gleichnahrung (d. h. der caI. VVert yon xoo Milch is~: gleich cal. Vv'ert yon ioo g I7% ]Rohr- zuckerlSsung.

Mittagsmahl: Suppe, DSrrgemfise, Mehlspeise; z real die Woche Fleisch als ZuIage.

Jause : Kuhmilch-RohrzuckerlSsung (I7 %}. Abendmahl: Milchspeise allein, oder Kase, Brot undMitchspeise*. Auch fiber die Erndthrungsweise in den Kinderfliiehtlings-

heimen sind wit genau orientiert:

i. Frfihstfick: Kakao mit Brot. 2. Frfihstfiek: :Butter oder Marmeladebrot, zuweilen Keks.

Mittagsmahh Bohnen- oder Teigsuppe, Hirse- oder Weizengrieg- brei mit Fett-, Zucker-, 2r oder Gulaschsol3e; einmal die \~oche Fleisch.

Janse: Kakao mit Brot. Abendmahl: Hirse- oder GrieBbrei mit Butter, Milch oder

Marmelade, zuweilen Bohnen oder Teigsuppe.

TOBLER schreibt welter: ,,Die schwachen oder blutarmen Kinder (dieses Flfichthngsheimes) erhieIten fiberdies t~glich eine Schale frische Milch. l~ber die Menge der verabreichten frischen MiIch kann man sich eine VorstelIung machen, wenn man vernimmt, dab im Heim ftir im ganzen etwa 5oo Per- sonen - - i6 Liter Milch zur Verffigung standen.

Grfines Gemiise (und Kartofieln) gab es nicht. Der Kakao war, wie wit uns iiberzeugt haben, sehr gut,

mit reichlich lcondensiertev Mitch hergestellt. Diese Speisefolgen zeigen deutlich, dab sowohl in den

Heimen als such auf der Sonnenstation der Klinik frisches Gemtise vSllig gefehlt hat. Frische gekoehte Milch war in den Kinderheimen ein so rarer Artikel, dab wit sie vernachl~issigen k6nnen. Abet such in der Klinik hat die Milchration nu t eine sehr geringe Rolle gespielt."

ES hat also bei dieser Di~t 7--9 Monate, ja Ms zu I Jahr und darfiber gedauert, bis der Skorbut manifest wurde, ja er ist, das sei besonders betont, sogar nur bei der H~lfte der Kinder aufgetreten. Daraus geht hervor, dab es selbst bei einer fast C-vitaminfreien ErnShrung gar nicht so leicht ist, einen echten Skorbut za erzeugen, und zweitens, dab sehr geringe Zugaben yon C-Vitamin geniigen, um den Skorbut nicht aufkommen zu lassen oder zur Heilung zu bringen und das Gieichgewicht im C-Vitaminstoffwechsel wieder herzustetlen.

So wurden damals Kinder aus dem lqtichtlingsheim mlt sehweren Skorbutsympto'men in die Klinik (Allgemeine Ab- teilung) aufgenommen und erhielten, well es nichts anderes zu essen gab, folgende Kost :

,,~. Frflhstf~ck: I<uhmilch-RohrzuckerlSsung, als Gleichnah- rung (t<mrog) Brot mit Wurst, 2r oder N[agerk~se.

~. Fr/ihstfick: I<urog, Milchspeise oder Fieisch. Mittagsmahl: Suppe (als Gleichnahrung), Milchspeise, Mehl-

speise und Kompott oder D6rrgemflse rnit Fleisch und Kompott. Jause: Kurog.

* {)bet dlese Dig~t sehreibt mi r T O B L E R ant Anfrage noch Iotgendes: , ,Zum zweKen Frflhstiiek erhielten die Kinder etwa xoo g Milch, aber nicht jeden Tag, denn werm sic Dfirrgemfise nnd Brot erhielten, bekmnen sie kehle Milch. Mittags erhielten Sic nie Milch, naehrnittags etwa ioo g Milch und abends nicJat mehr als ioo-- I5o g Milch. I m ganzer~ also etwa 3oo g Milch, die stets abgekoehtwurde. Eineandere Aseorbins~ureqnelle als die Milch stand diesen Kindern nieht zur Verffigung. Man kann den Aseorbins~iuregehalt woh'i ant 3 mg t~.glich sch~tzen. Aus meinen Protnkollen geht hervor, dab die Patlenten, die an Skorbut erkranktGn, zum Tell seit fiber 1 Jahr hospitalisiert und der SehFedigung dutch die Vitamin C-arme :Yahrung ausgesetzt waren (Falle I, 8, xo) : die skorbu- tischen Vera~nde~un~en waren bei allen dizsen Patienten te@hten Grad~. Es ee- ntWten o]/enbar sehon weniffe Milligramm Aseorbinsgu~e, i~m das Au]treten sehwerer skofbutiseher Erseheinungen zu verhilten."

~7. DEZEMBER i938 . K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 17 . J A H R G A N G , Nr. 5 ~ 1789 Abendmahlzeit: Kurog, Milchspeise nnd Kompott*:, (Kurog

= Milch nnd I7% /Zohrzuckerl6sung zu gleichen~ Teilen)!'

TOBLER teilt mir hierzu mit, dab die Kinder der Klinik (nicht die Kinder der obenerwXhnten Dachstation) mehr Milch erhielten, etwa z/21 gekochte Kuhmilch. Die Ern~hrung wurde damals yon v. PIRQUET ganz schematisch nach dem Nem-System durchgeffihrt .

,,Warulll die Kinder ~ auf der Dachstation monatelang weniger Milch erhielten, kann ich nicht mehr angeben, es ist abet nicht daran zu zweifeln. Auch die Kinder auf der All~emeinen Abteilung konnten ihren C-Vitaminbedarf nur aus der Milch decken. Sie erhielten also bei x/e 1 abgekochter Milch etwa 5 mg Ascorbins~ure."

Bei dieser Digit erkrankten nun anch 2 Kinder an einem ,,leichten Skorbut", wie sich TOBLER noch genau erinnert. ,,Andererseits gingen abet bei allen m.einen Patienten, die ich mit zum Tell achwerem Sl~orbut aus dem t~li~chtlinffsheim ins Spital brachte, der Skorbut ohne Zula~e anderer Vitamintrg~ffer zuri~ck. Und die Patienten, welche au] der Daehstation erkrankt waren, heilten, sobcdd sie etwas mehr Milch erhielten."

, ,Dem s e h r nach dem Agens hungrigen Organismus bot die Nahrung offenbar noch genug, am die Krankheit zum Stillstand, ja sogar die schlimmsten Symptome zum Ver- schwinden zu bringen. Wie aus den entsprechenden Kranken- geschichten ,~ervorgeht, haben die Erscheinungen bei den Schwer- skorbutischen wohl sehr langsam, abet in allen _~dllen (bei dieser Didt) doch best~ndig abgenommen."

In dieser Kliniknahrung war wohl der einzige C-Vitamin- spender die Milch. Dabei wurde aber die Milch stets au/- gekocht (nach persbnlicher Mitteilung T O B L ~ R S ) , sie ent- hielt wohl nicht mehr als I mg in ioo g, d. h. diese Kinder bekamen etwa 5 mg C-Vitamin. Diese 5 m(d C-Vitamin ge- ni~gten aber, um die Krankl~eit zum Stillstand, ]a sogar die schlimmsten Symptome zum Versehwinden zu bringen. Sie stellen wohl selbst bei einem vbllig C-vitamin ausgehungerten Organismus die Grenze des notwendigen Minimalbedar]es dar. Mit einer Citrone oder 2 ~pfeln heilte der Skorbut stets und sicher. Nadh SCHn0DE~ sollen 5o mg in I kg ~pfel oder in i5o--2oo g Citrone enthalten sein, die Kinder erhielten also wohl nur lO--15 mg C-Vitamin in del~ J~pfeln und vielleicht 2o mg in der einen Citrone.

Hat ten die Kinder yon vornherein Kartoffeln nnd frisches, wenn auch gelagertes Gemfise erhalten, wie wir es in einer zweckm~igen Nahrung fordern, so w~re sicher kein Skorbut entstanden.

Diese Skorbutepidemie scheint mir ein klassisches Ver- suchsexpe'riment zu sein, wie es wohl hie wieder vorkommen wird, denn heute k6nnen wir ja jeden Skorbut sofort bek~mpfen, damals aber hat te man in Wien nicht genfigend frisches Obst und Gemfise, auch waren die Kenntnisse tiber das

C-Vi tamin vim zu gering, so dab viele Kinder trotz ihres Skorbuts llur sehr wenig C-Vitamin erhalten konnten, wit haben also direlct ,,Minimalbedar]sversuehe'" vor uns.

Hinweisen mbchte ich nut kurz darauf, dab I Tasse Tannennadeltee, die etwa 5--1o mg C-Vitamin enth~lt, ge- ntigt, um einen Kinderskorbut zur Heilung zu bringen und sicher prophylaktisch zu verhfiten. Darauf habe ich in meiner frtiheren Arbeit ausffihrlich schon hingewiesen.

Fassen wit alles zusammen, so bin ich der ]esten ~berzeugung, daft, ]alls der Bedar[ an Milch, Karto//eln und Gemi~se /i~r das Kind gesichert ist, l~ein Grund zur Furcht liar einen C-Vitamin- mangel besteht. Als viertes wichtiges Nahrungsmittel nenne ich das Obst. Falls Ran dem Kind und der graviden und lactic- renden Frau noch etwas Obst zur Nahrung zuffigen kann, ist

* Interessant ist, was TOBLER mir noch fiber die Zeit mitteilt, naeh der die Kinder im Flfiehtlingsheim :an Skorbut erkrankten. 7 Kinder (2, 4, 6, ~i, ~5, 20 der Protokolle) erkrankten nach etwa ~ Jahr Aufenthaltsdauer, andere Kinder (3, 9 u. a.) nach i i Monaten, wieder andere naeh 9, 8, aueh 6 Monaten. Ein groBer Teil blieb ganz versehont. Die Disposition war also sehr versehieden, was wohl auch davon abhing, ob interkurrente Infektionen eintraten. ,,In dem Flfiehtlingsheim wurde die Nahrung den Kindem nieht wie in der Klinik genau zugemessen. Sie agen nach Appetit, so dab manehe Kinder wohl etwas mehr Vitamin C erhielten, als andere." Daraus geht bervor, wie lange es dauert, bis der Organismus trotz kfimmerliehster C-vitaminfreier Ern~hrung an Skorbut wirklieh erkrankt. Dabei waren die meisten F~ille leichterer Art. So wird es verst~indlieh, dab ein experimenteller Skorbut am Mensehen sehr sehwer zu erzeugen ist. Der Organismus verffigt also fiber auBerordentliehe SehufzmaBnabmen und Regula- tionen.

dies natfirlich aufs w~rmste zu begrti/3en, aber in gr6f3ten Zeiten d e r Not halte ich dies auch ffir entbehrlich, denn wit werden diesen Winter einen ,,obstlosen Winter" haben. Und selbst, wenn wir ffir Hunderte yon Millionen Mark Obst einffihren, so ist damit nicht gesagt, ob gerade die Menschen das Obst erhalten, die es am n6tigsten haben, da es nicht mit der ]~infuhr geschehen ist, sondern es mtil3te auch eine billige und gerechte Verteilung erfolgen. Ich glaube daher, dab das Wichtigste ist, die Sicherstellung des 13edarfs an Milch, Kartoffeln nnd frischem Gemfise ffir das Kind. Zweitens ist wichtig die Art der Zubereitung, und man sollte d ie sog. ,,Pellkartoffeln", also das D~mpfen der Kartoffeln mit Schale, besonders im Volk empfehlen. I c h gehe dabei yon der Voraussetzung aus, dab der Bedarf an C-Vitamin lange nicht so hoch ist, wie er bisher gefordert wird, ohne dab ich nattir- lich eine genaue Zahl angeben kann. Sch~tzungsweise wtirde ich den t&glichen ]3edarf auf lO--15 mg ftir das Kind nnd 15--2o mg ffir den Erwachsenen annehmen. Sollte aber etwas Zus~tzliches gesehehen, so haben wir auBer dem teuren Obst noch 3 gute Vitaminspender ffir dell Menschen:

I. Die rohe Kartoffel. Man kann sehr gut r rohe Kartoffeln zerreiben oder zerquetschen nnd den Salt in Suppe oder SoBe vermischen.

2. Die Hagebutten sind sehr reiche C-Vitaminspender, und man sollte sie pfleglich ffir den Winter sammeln und Marmeladen oder Infuse daraus herstellen.

3. Ein Infus von Tannen- oder Fichtennadeln einige L6ffel bis zu einer Tasse gentigt stets, um den vblligen C-Vita- minbedarf zu sichern.

Soweit die ]3edarfsfrage. Ich weiB, dab meille Gegner mir vorwerfen, dab ich

immer nur yon Skorbut spreche, nicht aber voI1 dell heute so oJt genannten C-Hypovitaminosen. Hier bekenne ich nun often, dab das klinische Bild der C-Hypovitaminosen noch keineswegs erforscht ist, sondern dab die C-Hypovitaminose, wie ich sch0n dies ausgedrfickt babe, , ,unbebauter klinischer Boden" ist. Frtihlingsmtidigkeit, Arbeitsunlust, Zahncaries, Paradentose, Thrombopenien ohne weiteres auf einen C-Vita- minmangel zurfickzuffihren, erscheint mir unzul~ssig. DaB wir so wenig Sicheres fiber diese angebliche C-Hypovitaminose wissen, ha t seinen Grund darin, dab wohl die allermei.sten Kliniker i~ber das Bild des eigentlichen Skorbuts gar nieht richtiy unterrichtet sind, denn nur wenn wir das klinische Krankheits- bfld der echten Avitaminose wirk l ich kennen, k6nnen wir eine Vorstellung fiber eine Hypovitaminose gewinnen, ~Tir mfissen in die alte Li teratur hineinblicken, wenn wir fiber den Skorbut etwas wissen wollen, nnd es ist verst~ndlich, dab diese a]te Li teratur heute nicht mehr so sicher verwertet werden kann, zumal die genaueren Untersnchungsmethoden (Blut-, R6ntgenuntersuchung) damals nicht m6glich waren. Ich ver- weise aber hier wieder auf die ausgezeichnete Minische Arbeit yon TOILER, der an der Hand yon tiber 200 F~llen uns ein sehr gutes klinisches Bild tiber den Skorbut, wenigstens bei ~tlteren Kindern (3--15 Jahren) gegeben hat.

Da ist zun~chst hervorzuheben, dab es monatelang, yet 5/ter i~ber 1 Jahr dauerte, his der Skorbut trotz ki~mmerliehster, /ast C-vitamin./reier Erndhrung wirldich ausbrach, ~a bei der Hgl./te der Kinder kommt es trotz dieser Erndihrung i~berhaupt nicht zu irgendwelchen Krankheitserscheinungen. Es wird hier die bekannte Tatsache nur wieder sichergestellt, dab das C-Vitaminbedfirnis bei den einzelnen Menschen ein sehr ver- schiedenes ist. Vielleicht ist die Disposition bei den ein- zelnen Kindern anch deshalb verschieden, well interkurrente Infektionen den Bedarf natfirlich erhbhen. Es ist bekannt, dab fieberhafte Krankl~eiten den Skorbut leichter manifest werden lassen. Man toni3 sich abet diese Tatsache der ,,langen Inkubationszeit" immer .vor Augen halten, am zu verstehen, daft der Organismus 8icher i~ber gute Schutzrnaftnahmen und ReguIationen ver]i~gen muft, um den Skorbut nicht ausbrechen zu lassen. Wir sehen die HauptschutzmaBnahme in jener oben beschriebenen Resynthese*.

* Vielleieht aber kommt dies aueh daher, daB, wie WACHHOLDER mir brleflich mitteilt, eine gewisse F~ihigkeit zar S~lthese des C-Vitamins beim Menschen aueh be~ stebt, falls die Zufuhr knapp wird. Dieser Gedanke hat sehr viel Bestechendes.' Es ist

i79o K L I N I S C H E W O C H E N S C H

Das erste und wichtigste S y m p t o m s ind nach TobIer stets die Ver(~nderungen am Zahn]leisch.

, i Im Anfang schwillt die Zahnschle imhaut , das Zahnfleisch w i r d aufgelockert und legt sieh wie ein samtenes Kissen am Zahn- halsrand an. Die Ver~nderung ist am deutl ichsten am Zahnfleisch- rand, und vor altem an den Par t ien zwischen den Z~thnen, wo sich die Scbleimhaut fSrmlich in die engen Spalten hineinstaut , u n d kleine W~lste bildet ." I m Beginn ist k a u m sine Hyper~mie be- merkbar , allmghlich r6te t sich der Zahnfleischrand, so dab die Zahnkronen wie yon einem schmalen P u r p u r s a u m umzogen er- scheinen. , , In diesen leichten Fgllen pftegen, wenigstens bet Kindern, die sich nicht m i t 13flrsten die kranke Schleimhaut lgdieren, wesentliche Beschwerden zu fehlen." Besonders deutlich sind diese Vergnderungen an den Schneidezghnen zu sehen. I s t der Zus tand schwerer, so ko lnmt es zu hochgradiger Schwellung des Zahnfleisches mit blgnlicher bis t ieler cyanot ischer Ver igrbnng und ausgedehnten Bln tungen und schlieglich folgen ulcer6se Schle imhantvergndernngen. Diese Ulcerat ionen der Schleimhaut beginnen fas t immer in der Ngl{e von cariSsen Zghnen, wghrend die leichteren Vergnderungen bet allen Zghnen, selbst bet bes tem GebiB, angetroffen werden k6nnem Auch beim Zahndu r c hb r uc h wird die skorbut ische Vergnderung hguiiger manifest . TOBL~R meint, dab besonders an den Stellen sieh die skorbut ischen Ver- gnderungen ausbilden, wo die Zahne den s tgrks ten Druck beim Essen ausznhal ten haben. Daft die Caries erst dutch den C-Mangel hervorgeru]en set, daJi~r liegt klinisch gar ~ein Grund vor. Er erw~hnt mehrere Kinder, die mi t tadellosem Gebifi skorbutisehe Veri~nde- rungen zeigten (F~lle 5, 7, 24). , ,WXhrend bet leichten VerAnde- rungen die Z~hne noch iestsitzen, sind sie bet s ta rker Schwellung gelockert"*.

TOBLER s a g t f e rne r : , ,Ira An]angss tad ium des Skorbuts jehlen A l lgemeinsymptome vSllig."

, ,Es ist sehr wohI verst~ndlich, dab wir un te r der groBen Zahl yon Ylflchtlingskindern, die wir anf Skorbut un t e r such t haben, sine ganze Reihe gefunden haben, deren kSrperlicher nnd geistiger Zus tand n ieht demjenigen eines gesunden Kindes entsprochen, die mancherlei Spuren du rehgemaeh ten Elends und frfiher Sorgen getragen haben. Tiefernste, schmale Kindergesichter, die die Zeichen von Frische und Freude noch lernen mfissen. Weitaus die meisten waren ~riseh und ]r6hlieh. Und 9r wir daran denken, welch lustiger L~rm uns empfing, als wir nach dem ]3esuck der schweren Kranken zum Un:~ersuchen der angeblieh gesnnden Kinder des Kinderheimes V I kamen, so miissen wir gestehen, dab wir nicht den E indruck hat ten , vor Patienten zu stehen. Das E r s t a n n e n war wirklich groB, als wir ans der /ibermfitigen Gesell- sehaf t eine so groBe Skorbutgemeinde ausmns t e rn muBten. Und viele waren darunter , die, wie wir gesehen haben, doch schon recht erhebliche Zahnfleischver~nderungen zeigten. Der jugend- liehe Spieleifer flbertflncht oft lange den Schaden eines keimenden l~bels. Wi t zweifeln n icht daran, dab Kinder, deren Zahnschleim- hau t schon s ta rk geschwollen ist, gelegentlieh unangenehme Emp-

doch sehr anffa l lend, dab de r Sko rbu t be im Menschen n u r d o r t zu en t s t ehen seheint , wo eine ,,schwerste Fehlernghrung" s t a t t i i n d e t (s. auch die 2 FMIe yon KOCH) und dab er expe r imen te l l be im I\{ensehen n u r sehr schwer zu erzeugen ist . Es w~trc durehaus m~glich~ dab nieht der C-M(tngel allein den Skorbut verursaeht, 8ondern dab irgendein anderer wiehtiger Sto]], sin Mineral oder sonstiger Kdrlger in der ~ahrung ]ehlt, bet dessen Anwesenheit die C-Vitaminsynthese m6glich ist, und diese erst ausbleibt, wenn dieser hypothelische Stoff fehlt. Das ist natfirlich Mne reine Vermutung, aber man sollte diesem Gedankenweg naehgehen. Er seheint mir durchaus ctiskussionsfahig. * Zahnfleisehblutungen kommen aber sicker sehr h~ufig vor, ohne dab sine C~Hypo- vitaminose vortiegt, besonders bet Zahnstein, bet Paradentosen u. a. Erkrankungen, besonders wenn die Z~ihne stark gebiirstet werden. KRAMER, ehl Milit~rarzt, sehreibt z. B.: dab die C-Avitaminose im Heer recht h~ufig set und teilt mit, dab ,,etwa 2o% der Truppe an Zahnfleisehblatungen als Ausdruek einer C-Hypavitaminose leide" Das erscheint angerordentlich unwahrseheinlieh. Arts seiner Arbeit seheint h'ervor- zugehen, daG Zugabe yon C-Vitamin stets diese Blutungen zum Verschwinden bringt. Wesentlieh anders drfiekte sieh Mlerdings KRAMER aus in der Diskussion zu meinem Vortrag in der Dtsch. Ges. f. Hyg. in Berlin mad in einem persOnlichen Sehreiben an mich. In diesem Brief sagt er: . . . ,,Bevor die Behandlungmit C-VitaminbeiZahniIeiscb- bluten einsetzt, inuB zun~ehst der Zahnstein dutch den Zahnarzt entfernt werden nnd mfissen s~mtliehe andere irritierende Faktoren, wie Caries, fiberh~ngende F/ilinngen, beseitigt werden. Wenn diese MaBnahmen nicht getroffen wiirden, kann bet v011iger Abs~ttigung des K6rpers die GingiVitis erhalten bleiben, well wegen der wiederholten Zahnfleisehblutungen es zu einer Tasehenbildung gekommen ist, die dann von sieh aus infolge des anfgelagerten Zahnsteines die Gingivitis unterh~it."

Mit dieser Feststeilung werden abet seine mitgeteilten Erfahrungen fiber C Hypo- vitaminose im Heer sehr ersehiittert. Auch tier Oberfeldarzt SCHREIBER wies in der Diskussion auf diesen Widerspruch bin. Es muB gefordert werden, dag nur dann yon ether C-Hypovitaminose gesprochen werden kann, wenn dutch Zufuhr voi1 C-Vitamin (am besten in Form yon Obst) die Bluttmgen restlos zurt~ekgehen und der Patient geheilt wird, wie dies aus den Krankengeschichten TOBLER s hervorgeht. Dieser eindeutige Beweis scheint mir bei den ZahnfleisehblntungelI, die KRAMER mitteilt, nicht geliefert zu sein. Exakte Krankengesehiehten sind notwendig, und nieht Allgemeinurteile. Mi~ Allgemeinurteilen wird diese wichtige Frage nieht gef0rdert.

R I F T. 17. J A H R G A N O. N r. 51 ~7. DEZEMBER 1938

f indungen im Munde haben. Einzelne haben auf Befragen auch direkt Schmerzen ge~nl3ert. Aber, wie gesagt, zu weiteren Sym- p tomen k o m m t es nieht . Weitans die meisten ha t t en guten Appet i t und normale Verdauung. Uber Schmerzen in den Ex t r emi t~ ten klagten die Kinder nieht, sie sprangen h e r u m nnd tollten, kurz, alles sprach daffir, dab die skorbut ische Noxe noch nicht tier ins Allgemeinbefinden gegriifen ha t t e . "

I n s c h w e r e n F g l l e n ~ n d e r t s ieh a b e r dies r e I a t i v h a r m l o s e Bild. ]3esonders k o m m t es zu G e h b e s c h w e r d e n u n d S c h m e r z e n in d e n Gl iedmaBen , b e s o n d e r s in den ]3einen. Die K i n d e r s ind v e r s t i m m t , t r a u r i g ; TOBLI~R e r w ~ h n t , d a b se ine E r - f a h r u n g e n , , u n z w e i f e l h a f t " daf i i r s p r e c h e n , d a b , ,diese F u n k - t i o n s s t O r u n g e n in den u n t e r e n E x t r e m i t ~ i t e n ge legen t l i ch f a s t p lS tz l ich a u f t r e t e n " .

Es k o m m t insbesondere zu F lex ionskont rak tnren , die Kinder sehleppen sich , ,mit gebogenen ]3einen und greisenhaft vorgebeugten OberkOrper auf den FuBspitzen d a m n und leiden un te r heftigen Schmerzen. SchlieBlich stehen sie nicht mehr auf, und liegen mit angezogenen Beinen im ]3ett und waehen ~ngstlieh, ob n iemand sie u n v e r m u t e t angreifen komme" . ]3esonders gilt dies fi~r Meinere Pat ienten. SchlieBlich ist jede Bewegung schmerzhaf t . Die Zahn- f leischver~nderungen nehrnen meist erheblich zu u n d e s k o m m t zu ansgedehnten Uleerationen. Nnr bet in t ak tem GebiB iehl t die Ulceration. <Tber die H a u t b l n t u n g e n ~nBert sich TOBLER folgender- maBen: ,,Als erstes nnd oft auch einziges pathologisches S y m p t o m an der R a n t sieht man sehr h~ufig eine Schwellung und l-Iyper~mie der Haarfol l ikel" . ,,Eigentliche Petechien, wie man sie be~ der t~urpura ]indet, haben wi t nu t selten beobaehtet. ~berhaupt slnd ober]ldchliche Hautblutungen, abgesehen yon den an die Follikel gebundenen, recht selten im Vergleich zur Hdu]igl~eit der tie]en Hdmorrhagien." In schweren F~llen kommen haufig Muskelb lu tungen vor. TOBLER br ing t diese Blu tungen mit Zerrungen an den Muskelans~Ltzen in Zusammenhang . Die grSi3te Empfindl ichkei t ist aber regelm~tGig die Gegend der Epiphysenl inie am Knochen. Die Gelenkspal ten sind aus- nahmslos auf Druck schmerzfrei . Die Druckemp~indliehkeit an den Epiphysen hdlt Tobler nach den ZahnJleischveriinderungen ]i~r das charakteristischste Symptom des in]antilen Skorbuts. Es erkl~rt sich dies S y m p t o m auf Grund der spezifischen Veriinderungen an der Epiphyse beim Skorbut , die rSntgenologisch nachweisbar s ind."

Zur D i f f e r e n t i a l d i a g n o s e gegen P u r p u r a u n d M o r b u s Werlhof, die gar nichts 4itiologisch und pathogenetisch m i t dem Skorbut zu t un haben, sagt Tobler ]olgendes:

, ,Nie sieht m a n bei~n Skorbut s in schubartiges Au]treten yon Petechien und gr6fieren Hd~morrhagien am ganzen K6rper , wie m a n es hiiuyig, trotz Bettruhe, bet P u r p u r a beobachten lcann. W i r m6chten auch darau] au]merlcsam machen, daft beg der P u r p u r a die Peteehien sehr leicht du tch oberfldichliches Stecher~ u n d andere Eingrg/fe sich [~ervorrufen lassen, w~ihrend dies, ~vie w i t uns viel]ach i,berzeugt haben, beim Skorbut bei wei tem nicht mi t derselben Leicht igkei t mSglich is t ."

Auch BAVMA~N weist darauf bin, dab das Rumpel-Leedesche Ph~nomen (Endothe lsymptom) , das GOETt~LIN als Frflhzeichen einer Hypov i t aminose ansehen wollte, in keiner Weise fiir die C-Hypovi taminose charakter is t i sch ist. E r schreibt : , ,Es ergibt sich die bekannte Tatsache, dab die verschiedensten E rk rankungen ein sehr s ta rk posit ives E n d o t h e l s y m p t o m bedingen. Wei terhin ist aber auch dami t gezeigt worden, dab dieses posit ive Endothe l - s y m p t o m bzw. die Capil~arresistenz des k ranken Organismus in den un te r snch ten F~tllen n ieht im geringsten Zusammenhange mit dem S~tttigungsgrade des Organismns an C-Vitamin steht . Das posit ive E n d o t h e l s y m p t o m verl~uft unabhang ig yore Sat t igungsgrade des Organismus an C-Vitamin, aber es verl~uft parallel zur Schwere der E r k r a n k u n g nnd bildet sich parallel mi t der Heilnng der Krank- heir auch wiederum zurfick.

Es ist dami t auch gezeigt, dab die yon GOE~I~LI~ ausgear- beitete capillare Fest igkei tsprobe weder im gesunden noeh im kranken Organismus im allgemeinen und anf brei ter Grundlage zu einer anwendbaren ernghrungshygienischen Probe ausge- bildet werden kann, durch welche aui indirektem Wege der aktuelle C-Vi tamins tandard eines Ind iv iduums ermit te l t werden kann, wie dies yon GOETttLIN p o s t u l i e r t wurde . " I m gleichen Sinne ba t t en sich irt~her KL]~INSClalMIDT nnd ]3"RONTALI, Padua, ausgesprochen.

Ja, BA~-ViAxN- e r w ~ h n t e inen Sgug l ing m i t s c h w e r e m S k o r b u t , bet d e m das R u m p e l - L e e d e s c h e P h ~ n o m e n vSl l ig n e g a t i v w a r . D a s R u m p e l - L e e d e s e h e P h ~ n o m e n i s t a lso fiir die D i a g n o s t i k der C - F f y p o v i t a m i n o s e wie a u c h f t i r d e n

17. D E Z E M B E R 1938 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

S k o r b u t n i c h t o h n e w e i t e r e s b r a u c h b a r * . N a t t i r l i c h k a n n e s v o r k o m m e n . E s i s t a b e r n i c h t p a t h o g n o m o n i s c h .

, , W e n n die Bilder des Morbus W er l ho f b e k a n n t s ind" , f~h r t T O B L E R fort:, , ,wird a l lerdings ein I r r t u m n ich t v o r k o m m e n . Die Z a h n f l e i s c h b l u t u n g e n erfolgen be im Morbus macu lo sus n i ch t aus e ine r hochg rad ig geschwollei /en, cyano t i s chen S ch l e imhau t , wie ii1 s chweren FMlen yon Skorbu t , sonde rn aus der n o r m a l a u s s e h e n d e n in s chweren F~l len sogar seh r b las sen Gingiva . W i t h a b e n gesehen, dab Peteehi,en an Gaumen-, Zungen- und Wangensehleimhaut bei Skorbut zu den extremsten Seltenheiten gehbren. Profuse ]31utungen aus al len Tei len der M u n d s c h l e i m h a n t , aus Nase u n d Ohren, wie wir sie be im M orbus W er l ho f f inden, s ieh t m a n be im Skorbu t , w e n i g s t e n s his in das K r a n k h e i t s s t a d i u m , das wir noch h a b e n be- o b a c h t e n k6nnen , n ich t .

Es is t cha r ak t e r i s t i s ch ffir den Morbus macn losus , dab be im le ises ten T r a u m a , se lbs t d u r c h den D r u c k au fe inande r l i egende r H a n t f a l t e n , eines S t r u m p f b a n d e s usw. B l n t s u f f u s i o n e n a n f t r e t e n kOnnen, desha lb oft in al ien A u s d e h n n n g e n u n d F a r b e n den K 6 r p e r i]bers~en. E ine solche universe l le A n s d e h n u n g der H k m o r - r h a g i e n s ieh t m a n bei S k o r b n t gew6hn l i ch n i ch t .

Die Schmerzen in den E p i p h y s e n fehlen bei Morbus W e r l h o f vo l l s t~ndig . Die P a t i e n t e n f~hlen sich sogar t ro t z der gefahr - .drohenden S y m p t o m e h~uf ig r e c h t wohl.

Die M u s k e l b l u t u n g e n n e h m e n be im M orbus Wer lhof , wenn sie a n c h z iemlich hXufig gerade in den u n t e r e n Ext remi t i~ ten vor- k o m m e n m6gen , doch n i c h t eine solche A u s d e h n u n g an, wie wir es be im S k o r b u t gesehen haben , u n d ff ihren desha lb a u c h n i ch t zu d e n schweren K o n t r a k t u r e n . "

, ,Direkt entscheidend s ind die Unterschiede i m Blutbejund. W i e wi r g e s e h e n h a b e n , i s t beim Skorbut die Blu tungsze i t normal. ]3e im M o r b u s W e r l h o f i s t s ie s t e t s ve r l~ inge r t (die G e r i n n u n g s z e i t i s t n i c h t v e r l ~ n g e r t ) . B e i m Skorbut haben wir, wie be i d e r P u r p u r a , regelm4ifiig eine normale Retralction des Gerinnsels g e s e h e n . GLANZMANN h a t d a g e g e n b e i m W e r l - h o t d ie R e t r a k t i b i l i t ~ t d e s G e r i n n s e l s b e s t ~ n d i g v e r m i g t , d a s g e r o n n e n e B l u t b i l d e t e e i ne h o m o g e n e , g e l a t i n 6 s e M a s s e . K e i n T r o p f e n S e r u m t r a t in s e i n e n F ~ l l e n a u s . A u c h d a s V e r h a l t e n d e r B l u t p l ~ t t c h e n i s t d u r c h a u s v e r s c h i e d e n . I n den meisten t~dllen sehweren Skorbuts haben wir eine deutliche Vermehrung der Pldt tchen gejunden. D e r M o r b u s W e r l h o f d a g e g e n v e r l ~ u f t a u s n a h m s l o s m i t e i n e r h o c h g r a d i g e n V e r - m i n d e r u n g ( u n t c r 3000o) ' ' ** .

W e n n al le A u t o r e n d i e s e s k l i n i s c h e B i l d d e s S k o r b u t s b e r f i c k s i c h t i g t h ~ t t e n , d a n n h ~ t t e n v ie le A r b e i t e n i n d e r L i t e r a t u r n i c h t z u e r s c h e i n e n b r a u c h e n . V e t a l l e m g e h t a u s d i e s e n U n t e r s u c h u n g e n h e r v o r , daft die hdmorrhagische Diathese der P u r p u r a u n d des Morbus Werlhoj gar nichts m i t ,dem Skorbut zu t un haben u n d d a b h i e r s t r e n g k l i n i s c h u n t e r - s c h i e d e n w e r d e n m u B , w a s i n d e r L i t e r a t u r o f t n i c h t g e s c h i e h t .

N u n w i r d n e u e r d i n g s b e s o n d e r s d u r c h STn~P u n d s e i n e S c h u l e sowie B n u ~ s u . a . b e t o n t , d a b n i c h t so s e h r d ie v e r - m i n d e r t e exogene C - Z u f u h r d ie C - H y p o v i t a m i n o s e b e d i n g e , : s o n d e r n d ie mangelnde oder ]ehlende ,,endogene Verwer tung" , E i n e s o l c h e A u f f a s s u n g i s t n a t f i r l i c h v e r s t ~ n d l i c h , w e n n es s i c h u m s c h w e r e D a r m e r k r a n k u n g e n h a n d e l t (Sprue , Coe l i ak ie , A m y l o i d o s e d e s ] : ) a rms u s w . ) . H i e r k a n n i n d e r T a t d ie R e - s o r p t i o n so 8 e h w e r g e s t b r t se in , d a b es z u r E n t w i c k l u n g e i n e r A v i t a m i n o s e k o m m e n k a n n . A b e r e c h t e r S k o r b u t i s t s e l b s t be i d e r S p r u e d e r K i n d e r (Coel iakie) sehr selten. K e i n e s f a l l s a b e r g e h t es an , d i e s e A n n a h m e e i n e r e n d o g e n b e d i n g t e n S t 6 r u n g d e r C - V i t a m i n v e r w e r t u n g a u f al le m b g l i c h e n K r a n k - h e i t e n zu f i b e r t r a g e n . W i e u n k r i t i s c h d a b e i v e r f a h r e n w i rd , d a f t i r m 6 c h t e i ch n u r e in t y p i s c h e s ]3eispiel a u s d e r j t i n g s t e n L i t e r a t u r a n f t i h r e n .

'* ]eh babe in meiner frfiheren Arbeit erwahnt, dab Frl. v. EEKELEN trotz 84tfigiger 'C-vitaminfreier Kost ebenfalls nicht eine Capillarresistenzverminderung nachweisen konnte. DaB eii:L eehte~ Skorbut ohne das Rumpel-Leedsehe Phfinomen vorkomrnt, .erwahnt aueh LINDQUIST (Acta Paediatr. 20, Suppl. II). Er schreibt: ,,Eine negative Staubindenprobe bei Fallen von sicher manifestem Skorbut ist indessen keine Seltenheit (WEISSMANN i926 ' 0HNELL 1933, ODIN 1934, UTHEIM-TOVERUD 1935)." Die Skorbutnoxe wirkt daher nieht so sehr auf die Endothelien als auf die GefaBwand ein. ** Unter IO Fallen, die TOBLER genau untersuchte, waren einmal 158ooo Blut- plattchen als niedrigster Wert, in 3 Fallen 228--269o0o, in 3 Fallen fiber 3eoeeo, in 3 FAllen fiber 4ooooo Thromboeyten. Aueh KOCH, der 2 Skorbutffille besehreibt, teilt mit, daB die Thrombocyte~ einmal 15oooo, das andere Mal 22oooo be:~rugen. Das weiBe Blutbild er~bfi niehts Besonderes. Das alles solIten sich die Autoren, die fiber 'C-Hypovitaminose schreiben, einpragen. Selbstverstfindlich bleibt unbeschadet dabei die Tatsache besiehen, dab Vitamin C-Zufuhr 6fter wohI einen Reiz auf die Thrombo- ~ytogenese ausfibt (STEPP, SCHRODER u. a.).

R I F T . 17. J A H R G A N G . N r . 51 1791

GAEHTGENS t e i l t j t i n g s t a u s d e r L e i p z i g e r F r a u e n k l i n i k f o l g e n d e n F a l l e i n e r , , C - H y p o v i t a m i n o s e " m i t * :

3I j i ihr . F r a n leidet an s t a r k e n R e g e l b l u t u n g e n . 193 ~ wu rd e ein O v a r i n m en t fe rn t . Sehon dama l s wa r die , , B l u t g e r i n n u n g s - f~higkei t sehr m a n g e l h a f t " . Sie lebte in der H a u p t s a c h e vege tar i sch , ern~hrte sich mit Rohkost, Obst u. dgl. I m F e b r u a r 1935 A u f n a h m e in die F rauenk l in ik . Der K 6 r p e r i s t f ibers~t m i t e k c h y m o t i s c h e n u n d pe tech ia len B l u t u n g e n . Diagnose der Mediz in ischen Poli- k l in ik : essentiel le Th rombopen i e . T h r o m b o c y t e n I6 ooo. I m Jul i 1936 wieder t y p i s e h e r Anfa l l m i t B l n t u n g e n , besonder s U t e r u s - b l u t u n g e n . B lu tb i ld : 75oo T h r o m b o c y t e n . I m weiBen Blu tb i ld n i ch t s Besonderes . Eine B l u t u n t e r s u c h u n g auf den C-Vi tamin- spiegel wurde n i ch t gemach t . Der H a r n e rgab reduz ie rende Sub- s t a n z e n yon o , 6 m g % , die als V i t a m i n C a n g e n o m m e n wurden . Als Diagnose w u r d e abe r yon GAEHTGENS eine C - H y p o v i t a m i n o s e a n g e n o m m e n , obwohl , wie ich ausgeff ihr t , das kl in ische Bild ganz gegen eine C - H y p o v i t a m i n o s e spr ich t . N u n wurd e t h e r a p e u t i s c h C-Vi tamin in t ravenOs gegeben , tdglich 300 mg 10 Tage lang, also 3000 mg im ganzen, ohne ]eden Er]olg. I m H a m s te ig t die A u s f u h r von C-Vi tamin , wie bei j e d e m g e s u n d e n Menschen , wen n t iberreichl ich C-Vi tamin zugeff ihr t wird. Die T h r o m b o c y t e n b le iben u n t e n . Man soll te n u n meinen , der A u t o r mfisse schlieBen, da in der N a h r u n g reichl ieh C-Vi tamin zugeff ihr t wurde , da ferner die in t ravenOse Z u f u h r yon Ascorbins l iure vOllig wi rkungs los ist, so h a b e das K r a n k h e i t s b i l d n i ch t s m i t e iner C - H y p o v i t a m i n o s e zu tun . We l t gefehl t ! der A u t o r is t ab so lu t yon der C - H y p o v i t a - minose f iberzeugt , u n d pos tu l i e r t n u n e inen endogenen Sehaden . D u r c h solche Arbe i t en wird al lerdings die C-Vi tuminf rage n i ch t gekl~trt"**

I ) a s K a p i t e l C - H y p o v i t a m i n o s e i s t - - i ch h a b e d a s s c h o n f r t i h e r a u s g e s p r o c h e n - - n o c h u n g e k l X r t . J e d e n f a l l s w i r d h e u t e d u t c h d ie U n k e n n t n i s d e s k l i n i s c h e n B i l d e s d e s S k o r b u t s v i e l e s z u r C - H y p o v i t a m i n o s e g e r e c h n e t , w a s g a r n i c h t s d a m i t zu t u n h a t . H i e r m u B in Z u k u n f t k r i t i s c h e r g e a r b e i t e t W e r d e n .

A u s d r t i c k l i c h m 6 c h t e i ch z u m Sch luB b e t o n e n , d a B i c h s e l b s t v e r s t ~ n d l i c h n i c h t e i n e r C - v i t a m i n a r m e n K o s t d a s W o r t r ede . B e s o n d e r s be i s c h w e r e n E r k r a n k u n g e n , i n s b e s o n d e r e I n f e k t i o n e n , w i r d m a n i m m e r w i e d e r a u f e i n e a l l e r d i n g s g e r i n g e C - V i t a m i n z u f u h r b e d a c h t s e i n m f i s s e n .

E b e n s o i s t d ie Z u f u h r b e i m S~iugl ing y o n 4 M o n a t e n y o n O b s t - o d e r G e m f i s e s M t e n d u r c h a u s a n z u r a t e n . A u c h d a s e i n e G u t e h a t f e r n e r d ie f i b e r m ~ B i g e ] 3 e t o n u n g d e r e r h 6 h t e n C - V i t a m i n z u f u h r g e h a b t , d a b w i r be i M a s s e n s p e i s u n g e n (Mil i t~r , A r b e i t s d i e n s t ) a u f d i e se D i n g e m e h r a c h t e n .

I c h h a b e r e i ch n i c h t in d ie R e i h e d e r F o r s c h e r g e s t e l l t , d ie d e n V i t a m i n b e d a r f so h o c h a n g e b e n . W ~ r e w i r k l i c h u n s e r C - V i t a m i n b e d a r f so h o c h , wie STEPP, BRUitS, V. SZENT- GYORGu WACHHOLDER U. a. f o r d e r n , so bes t~ inde e r n s t e G e f a h r ffir u n s e r e G e s u n d h e i t . D i e E r f a h r u n g e n d e s L e b e n s s i n d be i a l le r A n e r k e n n u n g e r n s t e r w i s s e n s c h a f t l i c h e r A r b e i t e b e n s o h o c h zu a c h t e n , u n d sie l e h r e n u n s e t w a s a n d e r e s . I c h h a l t e die V i taminangs t p r a k t i s c h f t ir i i b e r t r i e b e n , u n d d ie s g i l t n i c h t n u t ffir d a s V i t a m i n C, s o n d e r n w o h l e b e n s o f i ir d e n B - K o m p l e x , wel l a u c h h i e r w o h l d ie k a t a t y t i s c h e W i r k u n g d a s W e s e n t l i c h s t e i s t . J a i ch s p r e c h e es o f t e n a u s , d ie g a n z e C - V i t a m i n f r a g e , s o w e i t s ie d ie K l i n i k b e t r i f f t , i s t h e i l l o s v e r - f a h r e n , u n d w i r s t e h e n h e u t e e r s t g a n z i m A n f a n g u n s e r e r E r - k e n n t n i s s e . E s geht nicht an, Purpurafo~,men und Thrombo- penien, Paradentosen und Zahncaries ohne weiteres zum Skorbut zu rechnen * * *, bei ausbleibender He i lung unter Z u f u h r yon C- Vita- m i n so/ort yon einem endogenen Schaden zu sprechen. Ers t dann sollten w i t eine C-Hypovi taminose annehmen, wenn die echten Symp tome des Prdskorbuts vorhanden sind, die au] eine As - eorbins~uretherapie sehr bald versehwinden.

L i t e r a t u r : BAUMANN, Z. V i t amin fo r sch . 6, 43 (1937). - - GAEHCGBNS, Klin. Wseh r . 1938 , Nr 4 o, 1389. - - K L E I N S C H M I D T ,

* Auch der Fall yon A. MEYER (Klin. Wschr. 1938, IIIi) hat mit Skorbut nichts zu tun, sondern ist ein Fall yon ,essentieller Thrombopenie". ** Die Mitteilung yon LEMMEL fiber Vitamin C-Defizit und Leistungssteigerung ist durchaus nicht fiberzeugend. 5o SchiiIer eines Pensionats erhielten IOO mg Ascorbin- sfiure tfiglich, 50 andere Schiller nehmen die gleiche Kost ohne C-Vitaminzugabe. Irgendwelche krankhaften Erscheinungen oder erh6hte Anffilligkeit boten die C-vitamin- arm genfihrten Kinder uicht, dagegen zeigten die 5o mit C-Vitamin geffitterten eiae Leistungegnderung im Sinne einer Besserung. Bei solchen Schlfissen mfissen wir sehr vorsichtig sein. SchlieBlich zeigten auch 6% der mit C-Vitamin reichlich geftitterten eine Versehlechterung gegen 8,5 % der C-Vitaminarm gen~ihrten. *** Wenn die Paradentose und die Zahnearies wirklich nur eine C ,Hypovitaminose waren, dann w~iren sie lfingst unter der Behandlung yon C-Vitamin zum Verschwinden ge- brae]at worden.

1792 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 17. J A H R G A N G . Nr. 51 17. DEZEMBER x938

Virchows Arch. 246, 131 (i923). - - Koc~I, Miinch. reed. Wschr. x937, Nr 37, 1453. -- KRASI~R, Dtsch. Mil.arzt x937, 489 . -- L~MNEI,, Mfinch. reed. Wschr. x938, 138I. -- RI~TSCI~, Dtsch. reed. ~rschrJ I938, 1382. -- SCHR6I)ER, Hippokrates ~938, 979. -- v. SZ~NT- GY6RaY1, Dtsch. reed. Wschr. x937, 1789. -- TOBL~R, Z. Kinder- heilk, x8, 63 (1918),

KOHLEHYDRATE UND MINERALE IN IHRER BEDEUTUNG FOR DIE SCHWANGER-

SCHAFTS-STOFFWECHSELSTORUNGEN.

V o n

H. ALBEt~S. Aus der Universit~ts-Frauenklinik zu Leipzig

(Direktor: Professor Dr. R. SCHRODER).

Die Bedeutung, die dem KoMehydratstoffwechsel in der Schwangerschaft zukommt, findet ihren Ausdl'uck in der Blutzuckerregulation. Im allgemeinen liegt das Blutzueker- niveau r ider als im nichtgraviden Zustand, bei einigen ganz frfihzeitig erfaBten Sehwangerschaften aber liegt der Blut- zueker an der obersten Grenze der Norm um 12o--13 ~ mg %. Aus einer groBen Reihe yon Stoffwechseluntersuchungen schlieBen wit auf eine verminderte Gtykogenfixation, um nicht zu sagen auf eine erhebliche Glykogenolyse. Trotz des im allgemeinen niedrigen Blutzuckers l~13t sieh die I3e- reitsehaft zur gesteigerten Zuckermobilisation immer wieder dureh Blutzuckerbelastungen nachweisen. Auf ~ine intra- ven6se Zufuhr yon 15 g Traubenzucker steigt der Blntzucker wesenflich h6her in der Fr~hgraviditgt an, um Ioo mg h6her als im nichtgraviden Zustand. Ffir die vollwertige Funkt ion des Inselapparates aber spricht, dab nach ioo Minuten der Blutzuckerausgangswer~ auch in der Frfihgraviditgt immer wieder erreicht wird, Nhnliche Vergndernngen im Ablaut der Blutzuckerregulation zeigen sich nach einer peroralen Kohlehydratbelastung mit 230 g, die innerhalb 2o Minuten auf- genommen werden, nu t kommt bei dieser Form der Be- lastung die Igngere Verweildauer der zugeffihrten Kohle- hydrate deutlich zum Ausdruck. AuBerhalb der Gravidit~t f~llt der angestiegene Blutzucker nach 60 Minuten wieder ab und mTeicht naeh 15 ~ und immer nach 18o Minnten seinen physiologischen Ausgangswert. In der Frtihgravidit~t er- reicht der Blutzucker frfiher seinen h6chsten Weft and h~lt sich fiber 3--4 Stunden auf seinem erh6hten Niveam Diese Umstellung im Ablaut des Kohlehydratstoffweehsels ist die Folge der Umstellung im enkretorischen System unter der Gravidit~t. Der Hypophysenvorderlappen, die Schilddrfise und das Nebennierensystem sind Faktoren, die die kontra- insulate Komponente f6rdern. Der Hypophysenvorderlappen scheint direkt oder indirekt durch Beeinflussung zwischen- stufiger Drfisen die Glykogenmobilisation in Gang zu bringen. Vergegenwgrtigen wir uns das klinische Bild der Akromegalie, so sehen ,~dr, dab in nicht ganz 5 ~ % aller FMle eine erhebliche Hyperglyk~mie mad auch Glykosurie auftritt , tIier Infissen die Versuche yon HUSSAY genannt werden, der durch tage- lange Zufuhr yon Hypophysenvorderlappenhormon bei Hun- den die Symptome eines Diabetes mellitus ent~dekeln konnte. Es handelt sich bei diesen Glykosurien abet nicht um eine Unterwertigkeit des Inselapparates, sondern um die 13ber- wertigkeit des kontrainsul~ren Systems, um den sog. zen- tralen Diabetes, der durch Insulin nicht zu beeinflussen ist. Die kontrainsulXre ~ ' i rkung des Hyophysenvorder- lappens auf dem Umwege fiber das Nebennierenmark wird yon LUCKE angenommen. Wir haben durch Hypophysen- vorderIappenhormon ebenfalls glatte ]31utzuckersteigerungen ausl6sen k6nnen. Nach 5 ~ RE. Preloban stieg der Blut- zucker regelm~Big um 20--30 rag% an und fiel nach etwa IO Minuten langsam wieder ab. CUSHING isolierte ebenso wie A N S E L M I N O und HOtrMANN eiI1 Hormon, das auf die Neben- nierenrinde funktionssteigernd wirkt, das corticotrope oder interrenotrope Hormon. Wie sich das Nebennierenrinden- h0rmon auf den Kohlehydratstoffwechsel auswirkt, ist nicht einheitlieh Mar; wir haben dutch Pancortex regelm~Big Blut-

zuckererh6hungen nachgewiesen, die fiber 20 mg % anstiegen nnd fiber 20--3 ~ Minuten ant dem .erh6hfen N'ivean verharr- ten. ANSELlVItNO n immt im Hypophysenvorderlappen ein spezifisches Kohlehydratstoffwechselhormon an, das in der Lage ist, den Organismus an Glykogen zu verarmen. Wenn wir die Funktionssteigerung des Hypophysenvorderlappens fiberblicken, so wirkt er sich unmit telbar und mittelbar auf den I~ohlehydratstoffwechsel im Sinne der gesteigerten Zuckermobitisation ans, Dieser Zustand ist nur noch in wenigen Frfihgraviditgten im hohen Blutzucker nachweisbar, meistens reagiert der Inselapparat auf den hohen ]31utzucker mit einer Mehrfunkfion und korrigiert die Blutzuckerverh~lt- nisse sogar etwas fiber. Das sind im Prinzip die gleichen Verh~kltnisse ~de bei intr.aven6sen Blutzuckerbelastungen, die in lOO--12o Minuten auf den anf~nglicben Blutzuckeranstieg mit einer negativen Phase antworten. Diese I~orrektion und ~lberlagerung lgBt sich leicht durchbrechen mit der Kohlehydratbelastung, die dann immer ~deder die Bereit- schaft zur Glykogenolyse deutlich werden IgBt.

Diese yore innersekretorischen System gesteuerten Vor- ggnge im intermedi~i~ren Kohlehydratstoffwechsel lassen manche Vorg~nge w~hrend der Schwangerschaft verst~nd- lich werden: die aliment~re und extrainsul~re Schwanger- schaftsglykosurie. Es ist wiederholt die Meinung vertreten, dab mit der Schwangersehaft die Nierenschwelle ffir Zucker sinkt. Das kbnnen ~dr nicht bestgtigen. Davon ganz ab- gesehen, dab die Bezeiehnung ,,renaler Diabetes" nur Yer- wirrung stiftet, denn das Wort Diabetes sollte ffir die Zucker- ausscheidung auf Grund insul~rer Unterwertigkeit reserviert werden, man k6nnte wohl yon einer renal bedingten GIykosurie sprechen, kommt es in der Gravidit~t nur dann zur alimen- tiiren Zuckerausscheidung, wenn der Blutzucker sein nor- males Niveau fiberschreitet. Durch die verlangsamte und verminderte Glykogenfixation wird durch aliment~re Zneker- zufuhr leichter der Blutzucker seine physiologisehe Grenze fiberschreiten. Noch ein Wort zur extrainsulgren Schwanger- schaftsglykosurie. Ihre ~tiotogie ist uns unbekannt , wichtig abet ist, dab wit ~4ssen, wie wit sie vom echten Diabetes mellitus t rennen und welcher ]~ehandlung sie bedarf. Kommt eine Schwangere mit einer Zuekerausscheidung in unsere Behandlung, dann sind wir verpflichtet, den Charakter der Glykosurie zu ldgren. Handelt es sieh um einen Diabetes, so steht die Gtykosurie im VerhXltnis zur H6he des ]glut- zuckers, die Zuckerausscheidung ist abh~ngig yon der H6he der Kohlehydratzufuhr, die Glykosurie spricht auf thera- peutische Insul inzuiuhr gut an; jeder Diabetiker ha t eine Toleranzgrenze, die nach der Schwere der Unterfunkt ion des Inselapparates verschieden hoch ist. Wird die Toleranzgrenze fibersehritten, so kommt es zur Glykosurie. Im Gegensatz dazu die extrainsuI~re Schwangerschaftsglykosurie: Der 131ut- zucker kann erh6ht sein, steht aber in keinem YerhMtnis zur Zuckerausscheidung; dabei ist die Blutzuckerbelastungsprobe imrner normal. Die Zuekeraflsscheidung ist unabh~ngig yon der H6he tier t(ohlehydratzufuhr. Die Glykosurie ist insulin- refraktgr. Eine Toleranzgrenze gibt es nieht. Die Zucker- ausseheidung kann bei niederem Blutzucker h6her sein als bei hohem Blutzuckerspiegel: Paradoxe Glykosurie. Haben wit die exakte Differentialdiagnose getroffen und handelt es sich um einen Diabetes metlitus, so muB die fibliche Digt- und evtl. !nsulintherapie eingeschlagen werden, t3e- steht eine extrainsulgre Schwangerschaftglykosnrie, so wird in vielen Fgllen eine Behandlung unn6tig sein, doch mfissen wit darauf achten, dab die Zuckerausscbeidung die Zufuhr nicht fiberwiegt. Das kann praktisch nu t in Frage kommen, wenn die Zuckerausscheidung hoch ist und in Verkennung der Lage eine kohlehydratarme Nost oder sogar Kohle- hydratkarenz angeordnet wird. Die negative l~ohlehydrat- bilanz aber wird ffir die Stoifwechselverhgltnisse in der Schwangerschaft bedeutungsvoll. Bei dem erh6hten Kohle- hydratbedarf ger~t die Schwangere schneller in die Acidose Ms die Nichtschwangere, da schon in der physiologisch ver- laufenden Graviditgt eine Neigung zur Bildung yon I~2eton- k6rpern besteht. Die ]3ehandlung der extrainsul~tren Schwan- gerschMtsglykosurie steht im direkten Gegensatz zur Diabetes-