CCCDebatte01 Neue Rollen Und Aufgaben Fuer Unternehmen in Der Gesellschaft 2009

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  • 7/31/2019 CCCDebatte01 Neue Rollen Und Aufgaben Fuer Unternehmen in Der Gesellschaft 2009

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    herausgegeben vom

    CCCDCentrum fr Corporate Citizenship Deutschland

    Neue Rollen und Aufgaben fr

    Unternehmen in der Gesellschaft:

    auf dem Weg zur nchsten Generation

    von Corporate Citizenship

    Philip H. Mirvis und Bradley K. Googins

    ebatte01

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    ber das CCCD:

    Das CCCD ist eine gemeinntzige Organisation an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Poli-

    tik. In Kooperation mit fhrenden Unternehmen, wissenschaftlichen Instituten und zivilgesellschaftlichen Organi-

    sationen im In- und Ausland arbeitet das CCCD als Think Space und Kompetenzzentrum sowie als Dialogplatt-

    form, Impuls- und Gastgeber fr Good Corporate Citizens und diejenigen, die es werden wollen. So organisiert

    das CCCD Foren fr den fachlichen Austausch zwischen Corporate Citizens sowie zwischen Unternehmen,Wis-

    senschaft,Politik und Brgergesellschaft,frdert und betreibt anwendungsorientierte Forschung,ermglicht Lern-

    prozesse durch Diskussions- und Fortbildungsangebote und untersttzt die Zusammenarbeit von Unternehmen

    mit Partnern aus Brgergesellschaft,Wissenschaft und/oder Politik. Mit Workshops, Publikationen und ffentlichen

    Veranstaltungen gibt das CCCD darber hinaus gezielte Impulse fr den Diskurs zu Corporate Citizenship inDeutschland sowie fr die Praxis gesellschaftlich engagierter Unternehmen.

    Das CCCD ist der deutsche Partner des Boston College Center fr Corporate Citizenship, USA, Teil des GERN

    Global Education and Research Network und des CSR 360-Global Partner Network von Business in the Commu-

    nity, UK.

    Kontakt:

    CCCD Centrum fr Corporate Citizenship Deutschland

    Kollwitzstr. 73

    D-10435 Berlin+49 (0)30 41 71 72 21

    [email protected]

    www.cccdeutschland.org

    Bradley K. Googins ist der Direktor des Boston College Center for Corporate Citizenship und auerordentlicher

    Professor an der Carroll School of Management des Boston College. Er ist ein weltweit renommierter Corporate

    Citizenship-Experte und hat zahlreiche Studien zum Thema verffentlicht.

    Philip H. Mirvis ist ein Organisationspsychologe, der sich in seiner Forschung und seiner praktischen Arbeit mit

    Strukturvernderungen in Organisationen und mit der Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft beschftigt. Er

    ist ein Research Fellow am Boston College Center.

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    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    Editorial

    Management Summary

    Einleitung

    I. Das neue operative Umfeld

    Globalisierung und die Macht der Wirtschaft

    Soziale und kologische Fragen

    Unzufriedenheit mit der Wirtschaft Mchtige neue Interessen

    Die Praxis der Unternehmen

    II. Beziehung zur Gesellschaft: Corporate Citizenship von auen nach innen

    Themenmanagement: Von Abwehr zu Aufgeschlossenheit

    Genaue Beobachtung des Umfelds

    Festlegung der wichtigen Themen

    Beziehungen zu Stakeholdern aus Gegnern werden Partner

    Stakeholder als Partner

    Transparenz und Berichterstattung:Auf dem Weg zu Offenheit und Verantwortlichkeit

    ffentliche Berichterstattung

    III. Reaktion auf die Gesellschaft: Corporate Citizenship von innen nach auen

    Konzepte von Corporate Citizenship: nderung der Spielregeln

    Integration

    Ein neues Spiel

    Strategische Absicht: Corporate Citizenship als Strategie

    Corporate Citizenship: Das Wert-Versprechen

    Die Werte zum Leben erwecken Erschlieung neuer Mrkte und sozialer Wandel

    Leadership: von oben nach unten

    Wegbereiter

    Geteilte Fhrungsrollen

    Managementstrukturen: vom Rand in die Mitte

    Koordinationsmechanismen

    Governance

    Performance Managementsysteme

    IV. Auf dem Weg zu globalem Corporate Citizenship

    Inhalt

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    Mit der CCCDebatte legt das CCCD Centrum fr

    Corporate Citizenship Deutschland eine neue Publika-

    tionsreihe vor, die im Kern eine Einladung ist: die Einla-

    dung zur Diskussion ber die Rolle(n) von Unterneh-men in der Gesellschaft. Diese Diskussion ist vielleicht

    eine der wichtigsten, sicher aber eine der kontrover-

    sesten unserer Zeit.Die Finanzkrise hat dabei nur zuge-

    spitzt, was schon zuvor in der Luft lag: die Spannung

    zwischen tief sitzendem Misstrauen einerseits und

    hohen Erwartungen an die Wirtschaft andererseits.Die

    Erschtterung ber das Ausma und die Folgen der

    Finanzkrise ist das Spiegelbild der Hoffnungen, die in

    die Leistungsfhigkeit der liberalisierten Mrkte und

    die Verantwortung der marktwirtschaftlichen Akteuregesetzt worden war.

    Unterdessen werden die gesellschaftlichen Rollen von

    Unternehmen unter vielerlei Namen und in den unter-

    schiedlichsten Handlungszusammenhngen disku-

    tiert: Als CSR oder Corporate Responsibility errtern

    Managementexpertinnen und experten in und

    auerhalb von Unternehmen, wie die Wirtschaft den

    Herausforderungen einer vernderten Umwelt und

    den Anforderungen der immer besser informierten

    und selbstbewussten Stakeholder gerecht werden

    kann. Der Terminus Corporate Citizenship prgt einen

    gesellschaftspolitischen Diskurs ber die Rolle von

    Unternehmen im Gemeinwesen und vernderte Kon-

    stellationen in der Arbeits- und Verantwortungsteilung

    zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die

    breit gefhrte Nachhaltigkeitsdebatte zielt darauf,

    wirtschaftliche Prosperitt mit der Erhaltung der natr-

    lichen Lebensgrundlagen zu vershnen. Das gesell-

    schaftliche Engagement der Unternehmen steht in

    brgergesellschaftlichen Kontexten fr die vielfltigen

    Formen und Potenziale, wie Unternehmen sich

    gemeinwohlorientiert engagieren Brgergesell-

    schaft, Politik und Unternehmen in Deutschland ent-

    decken die Mglichkeiten

    Gleichwohl sprechen Wirtschaft und Brgergesell-

    schaft in Deutschland noch immer eher ber- als mit-

    einander. Die CCCDebatte will diesen unverbunde-

    nen Diskursen einen gemeinsamen Ort geben, dabei

    weniger selbst Position beziehen als vielmehr das

    Gesprch miteinander ermglichen, ber die Poten-

    ziale ebenso wie ber die Herausforderungen.Fr die-

    jenigen, die sich aktiv an der Debatte beteiligen wol-

    len, gibt es auf www.cccdeutschland.org/cccdebat-

    teGelegenheit zu eigenen Kommentaren und Diskus-sionsbeitrgen.

    Nicht zuletzt will die CCCDebatte internationale Dis-

    kussionsbeitrge einbinden und auf diesem Wege die

    deutsche und die internationale Debatte miteinander

    verknpfen. Die Beitrge erscheinen auf deutsch und

    auf englisch Beitrge internationaler Autoren werden

    ins Deutsche bersetzt, um sie fr ffentlichkeiten in

    Deutschland zugnglich zu machen.Deutschsprachige

    Beitrge wiederum werden ins Englische bersetzt,umsie in die internationalen Diskussionen einzubringen.

    Fr die erste Ausgabe der CCCDebatte haben wir

    zwei Autoren gewonnen, die einen weltweiten Ruf als

    Corporate Citizenship- bzw. Corporate (Social)

    Responsibility-Experten genieen ( dem Streit um

    Worte entziehen sie sich schlicht durch synonymen

    Gebrauch).Brad Googins und Phil Mirvis tragen in ihrer

    praktischen Arbeit mit Unternehmen ebenso wie in

    ihrer Forschung die Spannung zwischen dem, was

    Unternehmen knnen, und dem, was sie tun, bewusst

    aus, im Vertrauen auf die Innovationskraft der Wirt-

    schaft. Sie beschreiben die Entwicklung von Corpora-

    te Citizenship bzw. Corporate Reponsibility als ein Stu-

    fenmodell, das das bloe Befolgen von Regeln ganz

    ebenso hinter sich lsst wie die Philanthropie. Firmen

    aus der nchsten Generation von Corporate Citizen-

    ship verknpfen ihren unternehmerischen Erfolg mit

    den Bedarfen und Bedrfnissen der Gesellschaft. Mir-

    vis und Googins illustrieren diese Entwicklungsprozesse

    an einer Vielzahl von Beispielen aus der Unterneh-

    menspraxis.

    Lesen Sie selbst und teilen Sie Ihre Gedanken dazu mit

    uns.See you on www.cccdeutschland.org/cccdebatte.

    Ihre

    geschftsfhrendes Vorstandsmitglied CCCD

    5

    Editorial

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    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    Vernderte Erwartungen der ffentlichkeit, das

    Scheinwerferlicht der Medien,Druck von Seiten der

    NGOs, Resolutionen aufgebrachter Aktionre undnatrlich eigene Verfehlungen - all das rckt gesell-

    schaftliche Themen in den Horizont unternehmeri-

    scher Strategieentwicklung. Dabei stehen Mana-

    ger heute vor einer paradoxen Situation. Einerseits

    hlt die ffentlichkeit nicht viel von ihnen. Sie miss-

    traut ihren uerungen und den Motiven, die ihr

    Handeln leiten. Grounternehmen gelten als zu

    mchtig und weit mehr an Profit interessiert denn

    am Wohlergehen der Menschen oder des Plane-

    ten. Andererseits hat die ffentlichkeit hohe Erwar-tungen an Unternehmen: Sie sollen Verantwortung

    zeigen, ihr Handeln am Ziel kologischer Nachhal-

    tigkeit ausrichten, ihre Ressourcen und Fhigkeiten

    zum Wohl der Gesellschaft einsetzen und sich

    sozialer Fragen annehmen.

    Fhrende Unternehmen gehen in ihrem gesell-

    schaftlichen Engagement weit ber das Befolgen

    von Gesetzen,ber Scheckbuch-Wohlttigkeit und

    Stakeholder Management hinaus. Sie reprsen-tieren eine neue Generation von Corporate Citi-

    zenship, das nicht lnger an der Peripherie der

    Unternehmen angesiedelt ist, sondern immer nher

    an und in das Kerngeschft rckt. Mirvis und Goo-

    gins beschreiben diesen Trend als ein Entwicklungs-

    modell: Die Entwicklung beginnt auf einer elemen-

    taren Stufe und vollzieht sich ber engagierte,inno-

    vative und integrierte Stadien bis zu einem mitunter

    sogar transformativen Ansatz von Corporate Citi-

    zenship.

    Einige Vorreiter unter den Unternehmen haben die

    Verbindung zwischen Geschft und Gesellschaft in

    ihre Strategien, Plne und Wertschpfungsketten

    von der Materialbeschaffung bis zu den fertigen

    Produkten und Dienstleistungen integriert. Das

    Kernstck ihrer Vorgehensweise ist: 1) die Perspekti-

    ve von auen nach innen einnehmen, um die The-

    men zu identifizieren,die fr das Unternehmen und

    die Gesellschaft von Bedeutung sind; 2) in der Per-spektive von innen nach auen festlegen, wie das

    Unternehmen sich dieser Themen in authentischer

    und klarer Form annehmen kann.

    Die Informationsgewinnung zu gesellschaftlichen,

    politischen, kulturellen und kologischen Fragen,

    die Auswirkungen auf das Geschft haben, fiel fr-her in die Zustndigkeit der Public-Affairs-Abteilung

    und bildete fr die strategische Planung das Hinter-

    grundmaterial. Heute hingegen gehren die Erhe-

    bung und Gewichtung dieser Informationen zu

    den Aufgaben von Topmanagern, Vorstandsmit-

    gliedern und Betriebsleitern. Deren geschrfte Auf-

    merksamkeit fr die Themen an den Schnittstellen

    zwischen Unternehmen und Gesellschaft hat zwei

    Grnde: Diese Themen stellen sowohl potentielle

    Risiken als auch signifikante Chancen fr das Unter-nehmen dar.

    Gesellschaftliche Innovation wird zunehmend in

    geteilten Fhrungsrollen vorangetrieben, wobei

    Topmanager mit vielen verschiedenen Stakehol-

    dern zusammenarbeiten und Fhrungskrfte auf

    jeder Hierarchieebene der Organisation sich der

    Herausforderung stellen. Die Untersuchung einiger

    Firmen,die ihre Corporate Citizenship-Agenda wei-

    terentwickelt haben, hat interessanterweise erge-ben, dass das mittlere Management der Katalysa-

    tor fr Vernderungsprozesse sein kann. Durch die

    Verbreitung von Informationen sowie durch die Bil-

    dung von Koalitionen mit Untersttzern in Stabs-

    und Linienfunktionen kann das mittlere Manage-

    ment Impulse fr Vernderung setzen, die trotz

    anfnglichen Desinteresses letzten Endes auch die

    CEOs anerkennen mussten.

    Die ffentlichkeit toleriert heute weder Firmenskan-dale noch den Versuch, sie durch PR-Kampagnen

    zu vertuschen.Brgerinnen und Brger verurteilen

    in ihrer Rolle als Verbraucher, als Investoren und als

    Mitarbeiter - schlechtes Benehmen von Unter-

    nehmen, sie sind nicht bereit, fr unverantwortliche

    Unternehmen zu arbeiten oder in sie zu investieren,

    sie sprechen sich im Familien- und Freundeskreis

    gegen sie aus, und sie boykottieren ihre Produkte

    und Dienstleistungen. Als effektivste Manahmen

    fr Unternehmen, die in sensiblen Auseinanderset-zungen stehen, empfehlen sich die Erhhung der

    Transparenz, die Implementierung von CSR-Strate-

    gien und die Einbindung der Stakeholder.

    Management Summary

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    Europische Unternehmen neigen eher als ameri-

    kanische dazu,Umwelt- und Sozialberichte heraus-

    zugeben und extern begutachten zu lassen. Vielesehen hier eine Chance,das Beste aus beiden Wel-

    ten zusammenzubringen: marktwirtschaftliche Akti-

    vitten amerikanischen Stils, angereichert mit euro-

    pischen Standards und Kriterien fr unternehmeri-

    sches Verhalten. Gerade amerikanische Manager

    uern jedoch die Besorgnis, eine starke Betonung

    auf Rechenschaftspflicht und Berichterstattung

    knnte zu bloem Abarbeiten von Checklisten

    (box checking) fhren,verbunden mit Audits und

    Revisionen. Oder das Berichtswesen laufe imErgebnis auf eine Art XL-Version des Compliance-

    Modells von Corporate Citizenship hinaus.

    Firmen wie Dow Chemical, IBM, Interface Carpets

    oder Wal-Mart, um nur einige wenige zu nennen,

    haben von ihren Strategien, Plnen und Lieferket-

    ten bis zu ihren Produkten und Dienstleistungen

    gesellschaftliche und kologische Fragen mit

    ihrem Kerngeschft verknpft. Die operative

    Herausforderung fr diese Firmen besteht darin,Marketing, Fertigung, Finanzwesen, Forschung und

    Entwicklung sowie weitere betriebliche und kom-

    merzielle Funktionen in einer Strategie zu integrie-

    ren, die sie mit den Bedrfnissen und Anliegen derGesellschaft verknpft. Firmen wie diese geben

    sich nicht damit zufrieden, die Geschfte auf ver-

    antwortliche und nachhaltige Weise zu betreiben;

    die strategische Absicht geht vielmehr dahin,sozia-

    le und kologische Belange der Welt zu bearbeiten

    und daraus ein verantwortliches und nachhaltiges

    Geschft zu machen.

    ber diese Entwicklungen hinaus scheint sich eine

    sechste Stufe von Corporate Citizenship herauszu-bilden. Auf dieser Stufe reagieren Firmen auf glo-

    bale soziale, politisch-konomische und kologi-

    sche Chancen und Bedrohungen, indem sie mit

    anderen Unternehmen, mit Regierungen und mit

    der Zivilgesellschaft kooperieren. Diese sechste

    Stufe wirft Fragen ber the business of business in

    unterschiedlichen soziokonomischen Formatio-

    nen auf und ldt ein zu neuem Nachdenken ber

    die jeweiligen Rollen von Privatwirtschaft, Zivilge-

    sellschaft und ffentlichem Sektor auf der nchs-ten Stufe von Corporate Citizenship.

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

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    Unternehmen wenden ihre genuinen Kompetenzen

    wie Forschung und Entwicklung, Risikomanagement,

    Marktanalyse,Markendifferenzierung,Entwicklung von

    Managementsystemen und dergleichen mehr

    immer mehr auf wirtschaftliche, gesellschaftliche und

    kologische Herausforderungen an, die sich auch in

    Kategorien von gesellschaftlicher Verantwortung,ko-

    logischer Nachhaltigkeit oder Corporate Citizenship

    beschreiben lieen. Betrachten wir einige Beispiele:

    Energieverteuerung und die Bedrohung durch die

    globale Erwrmung waren fr General Electric

    Anlass, die ecomagination-Kampagne ins Leben

    zu rufen. Im Rahmen dieses Projekts investiert das

    Unternehmen 20 Milliarden US-Dollar in Technolo-

    gien zur Reduktion des Energieverbrauchs und der

    CO2-Emissionen seiner Kunden;

    Als Ausdruck ihrer Open Sourcing-Philosophie hat

    die IBM hat einen elektronischen Values Jam

    durchgefhrt, um die Mitarbeiter an der Neufas-

    sung der Unternehmenswerte zu beteiligen. Heute

    organisiert die IBM online Jams mit Kunden, Zuliefe-rern und Experten zu Themen wie Gesundheit, Ver-

    kehr und Urbanitt, um Innovationspotentiale zu

    identifizieren: Innovations that matter for the

    company and the world.

    Procter & Gamble, Nestl und Unilever haben

    angesichts stagnierender Verkaufszahlen in gest-

    tigten Mrkten neue Geschftsmodelle fr das

    Untere Ende der Pyramide, d. h. fr die rund vier

    Milliarden Menschen, die von weniger als zwei US-Dollar pro Tag leben, entwickelt. Sie bieten ihnen

    sauberes Wasser, erschwingliche Hygieneprodukte

    und Lebensmittel mit Vitamin- und Mineralstoffzu-

    stzen an. Gleichzeitig arbeiten diese Unterneh-

    men daran, ihre gesamte Produktpalette umwelt-

    freundlicher und gesnder zu gestalten.

    Unterdessen widmet sich Johnson & Johnson dem

    verheerenden Pflegenotstand; Cisco, Dell und

    andere Hightech-Firmen engagieren sich fr dieberwindung der digitalen Spaltung, und der Per-

    sonaldienstleister Manpower bildet Millionen von

    schwer vermittelbaren Jugendlichen aus.

    Diese und andere Unternehmen gehen in ihrem gesell-

    schaftlichen Engagement weit ber das Befolgen von

    Gesetzen, ber Scheckbuch-Wohlttigkeit und Stake-

    holder Management hinaus. Sie reprsentieren eine

    neue Generation von Corporate Citizenship, das nicht

    lnger an der Peripherie der Unternehmen angesiedelt

    ist, sondern immer nher an und in das Kerngeschft

    rckt.1

    Wir haben diesen Trend als ein Entwicklungsmodell

    beschrieben.2 Die Entwicklung beginnt auf einer elemen-

    taren Stufe und vollzieht sich ber engagierte, innovative

    und integrierte Stadien bis zu einem mitunter sogar trans-

    formativen Ansatz von Corporate Citizenship. Zentral fr

    das Entwicklungsmodell ist die Interaktion zwischen dem

    Unternehmen und seiner Umwelt, die Lernprozesse in der

    Organisation auslst. Von Entwicklungsstufe zu Entwick-

    lungsstufe wird das Engagement des Unternehmens

    fr gesellschaftliche Themen offener, der Umgang mit

    Stakeholdern wird interaktiver und beruht strker auf

    Gegenseitigkeit. Gleichzeitig entwickeln Unterneh-

    men eine zunehmend komplexere Einstellung zu Cor-

    porate Citizenship und Verantwortung,die Organisati-onsstrukturen, Prozesse und Systeme fr das Manage-

    ment von Corporate Citizenship werden anspruchs-

    voller und sind immer besser auf die Geschftsttig-

    keit abgestimmt.

    Unser Buch Beyond Good Company: Next Generati-

    on Corporate Citizenship erklrt, wie fhrende Unter-

    nehmen die Verbindung zwischen Geschft und

    Gesellschaft herstellen und in ihre Strategien, Plne

    und Wertschpfungsketten von der Materialbeschaf-fung bis zu den fertigen Produkten und Dienstleistun-

    gen integrieren. Das Kernstck ihrer Vorgehensweise

    ist: 1) die Perspektive von auen nach innen einneh-

    men, um die Themen zu identifizieren, die fr das

    Unternehmen und die Gesellschaft von Bedeutung

    sind; 2) in der Perspektive von innen nach auen fest-

    legen, wie ein Unternehmen sich dieser Themen in

    authentischer und klarer Form annehmen kann.

    8

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    1 Teile des verwendeten Materials sind entnommen: Bradley Googins,Philip H.Mirvis, und Steven Rochlin.Beyond Good Company: Next Gener-ation Corporate Citizenship. (New York: Praeger McMillan,2007).

    2 Philip H.Mirvis und Bradley Googins,Stages of Corporate Citizenship: ADevelopmental Framework. California Management Review 48, 2 (2006):104126.

    Einleitung

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    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    In dem vorliegenden Essay betrachten wir aus der Ent-

    wicklungsperspektive einige praktische Beispiele, wie

    Unternehmen in diesen beiden Dimensionen Fort-

    Stage 1Compliant

    Stage 2Engaged

    Stage 3Innovative

    Stage 4Integrated

    Stage 5Transforming

    Relating toSociety:Outside In

    IssuesManagement

    Defensive Reactive, PoliciesResponsive,Programs

    Pro-Active,Systems

    Defining

    StakeholderRelationships

    Unilateral Interactive Mutual Influence PartnershipMulti-Organiza-tion Alliances

    Transparency Flank Protection Public Relations Public Reporting Assurance Full Exposure

    Responding toSociety:Inside out

    CitizenshipConcept

    Jobs,Profits &Taxes

    Philanthropy,EnvironmentalProtection

    Responsible toStakeholders

    Sustainability orTriple BottomLine

    Change theGame

    Strategic IntentLegal Compli-ance

    Reputation Business caseValue Proposi-tion

    Market Creationor SocialChange

    LeadershipLip Service, Outof Touch

    Supporter,In the Loop

    Steward,On Top of It

    Champion,In Front of It

    Visionary,Ahead of thePack

    StructureMarginal:Staff driven

    FunctionalOwnership

    Cross-FunctionalCoordination

    OrganizationalAlignment

    Mainstream:Business Driven

    Development of Citizenship: Outside In/Inside Out

    schritte machen. Um die Anstze einordnen zu kn-

    nen, untersuchen wir zunchst, wie sich das operative

    Umfeld fr Unternehmen derzeit darstellt.

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    Noch vor wenigen Jahrzehnten konnten die meisten

    Fhrungskrfte in Unternehmen ihren Beruf ausben

    ohne das geringste Problembewusstsein fr Fragen

    des Gemeinwohls, der kologie, des Gesundheitssys-

    tems, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der

    Einhaltung von Menschenrechten in globalen Liefer-

    ketten.Sie blieben auch weithin unbehelligt von NGO-

    Aktivisten oder Aktionrsresolutionen, von Boykottdro-

    hungen und Protesten, von Forderungen nach mehr

    Transparenz und Enthllungen, wie sie das Internet

    inzwischen ermglicht. Das ist heute anders. Und ironi-

    scher Weise sind diese Vernderungen mindestens

    zum Teil auch eine Folge dessen, dass Kraft, Reichwei-

    te und Einfluss der Wirtschaft, insbesondere der Gro-

    unternehmen, dramatisch angestiegen sind.

    Globalisierung und die Macht der Wirtschaft

    Das letzte Viertel des 20. Jahrhunderts erlebte ein

    gewaltiges Anschwellen der relativen Macht des pri-

    vaten Sektors, whrend die Globalisierung der Wirt-

    schaft neue Marktchancen fr global agierende

    Unternehmen erffnete.3

    Die Zahl multinationalerUnternehmen hat sich allein in den letzten fnfzehn

    Jahren verdoppelt (von etwa 36.000 in 1990 auf ber

    72.000 in 2006), und die Zahl ihrer Auslandsaktivitten

    und Tochtergesellschaften verdreifachte sich im sel-

    ben Zeitraum (von etwa 240. 000 auf mehr als

    700.000). Heute erwirtschaften zweihundert Unterneh-

    men etwa 23 Prozent des Bruttoglobalprodukts;

    gleichzeitig sind 51 der 100 grten Volkswirtschaften

    der Welt nicht mehr Staaten,sondern Unternehmen.

    Die Integration eines globalen Marktes, die Internatio-

    nalisierung der Kapital- und Arbeitsmrkte sowie der

    Rckzug des ffentlichen Sektors in den USA und

    anderswo haben dieses beispiellose Wachstum an

    wirtschaftlicher Aktivitt in Gang gesetzt. Gestiegene

    Produktivitt aufgrund von Innovation und Spezialisie-

    rung hat Wettbewerbsfhigkeit und Effizienz verbes-

    sert; grere Marktchancen weltweit haben neue Ein-

    kommensquellen und bessere geschftliche Mglich-

    keiten erschlossen; Zugang zu billigeren Arbeitskrftenund Rohstoffen senkt kontinuierlich die Kosten. Diese

    Chancen haben die Machtposition von Unternehmen

    so weit gestrkt, dass sie oft die Macht von Staatsre-

    gierungen bersteigt. Gleichzeitig hat diese Entwick-

    lung allerdings unbestreitbare wirtschaftliche, gesell-

    schaftliche und kologische Kosten verursacht.

    Soziale und kologische Fragen

    In den letzten Jahrzehnten hat sich der Abstand zwi-

    schen dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den

    zwanzig reichsten und den zwanzig rmsten Lndern

    verdoppelt; mehr als vier Milliarden Menschen leben

    heute von weniger als zwei US-Dollar pro Tag.4 Etwa 2,4

    Milliarden Menschen leben mit vllig unzureichenden

    Sanitranlagen, nicht einmal einfache Latrinen, und

    1,1 Milliarden haben keinen Zugang zu sauberem

    Trinkwasser. Diese Kombination hat katastrophale Fol-

    gen fr die Armen dieser Welt. So haben Schtzungen

    zufolge fast die Hlfte der Menschen in den Entwick-

    lungslndern aufgrund von Mngeln beim Trinkwasser

    und bei den Sanitreinrichtungen stndig Gesund-

    heitsprobleme.Jedes Jahr sterben zwei Millionen Men-

    schen an infektiser Diarrh, davon 90% Kinder. Diese

    enorme Kluft zwischen Arm und Reich stellt Unterneh-

    men vor Herausforderungen,die nicht allein die Vertei-lung des Wohlstands, Zugnge zu Gesundheitsversor-

    gung oder zu Technologie und dergleichen betreffen,

    sondern auch ihre Berechtigung, berhaupt in Ent-

    wicklungs-und Schwellenlndern ttig zu sein (license

    to operate).

    Was die Umwelt betrifft, ist von der globalen Erwr-

    mung einmal abgesehen vor allem aufgrund der

    Aktivitten des Menschen jede vierte Sugetierart

    gefhrdet, Fischgrnde verschwinden, ebenso wieFeuchtgebiete und Wlder; und die Ausdehnung der

    Wstengebiete bedeutet fr rund 135 Millionen Men-

    schen weltweit die Gefahr, ihr Land verlassen zu ms-

    sen.5 UNEP, das Umweltprogramm der Vereinten Natio-

    nen, prognostiziert weltweit 50 Million Umweltflchtlin-

    10

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    3 Siehe Medard Gabel und Henry Bruner, Globalinc: An Atlas ofthe Multinational Corporation (New York: The New York Press,2003); und Sarah Anderson und John Cavanaugh,Top 200: TheRise of Corporate Global Power, Institute for Policy Studies,

    Dezember 2000.4 Siehe World Bank PREM Economic Policy Group and Develop-ment Economics Group, Assessing Globalization (2000); WorldBank, World Development Indicators, 2007, beide unter: world-bank.org.

    I. Das neue operative Umfeld

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    ge bis zum Jahre 2010. All dies ruft nach grneren

    Unternehmen und wirft insbesondere fr Firmen,die in

    ihrer Geschftsttigkeit von Wasser, von Meereslebe-

    wesen oder von Nutzholz abhngen,Fragen auf.

    Die beschriebenen globalen Trends von steigender

    Armut und sinkender ko-Produktivitt finden eineParallele in den USA: Dort ist ein Fnftel der Bevlke-

    rung in der glcklichen Lage, dass ihre Einkommen

    gestiegen sind,die Lhne der brigen vier Fnftel aber

    stagnierten. Aber Gesundheitsprobleme gibt es auch

    in reichen Nationen. Europer und Amerikaner

    machen gemeinsam gerade 28 Prozent der Weltbe-

    vlkerung aus, stellen aber 42 Prozent der Todesflle

    bei Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs Krankheits-

    bilder, die hufig durch Rauchen, Bewegungsarmut,

    stark salzhaltige,zucker- und fettreiche Ernhrung aus-gelst werden. Nahrungsmittel- und Getrnkeherstel-

    ler mssen nun sorgsam darauf achten, welche

    Inhaltsstoffe sie in ihren Produkten verarbeiten und wie

    sie fr diese Produkte werben.

    Unzufriedenheit mit der Wirtschaft

    Manager von heute stehen vor einer paradoxen Situati-

    on. Einerseits hlt die ffentlichkeit nicht viel von ihnen.

    Sie misstraut ihren uerungen und den Motiven, die ihr

    Handeln leiten. Grounternehmen gelten als zu mchtig

    und weit mehr an Profit interessiert denn am Wohlerge-

    hen der Menschen oder des Planeten. Andererseits hat

    die ffentlichkeit hohe Erwartungen an Unternehmen: Sie

    sollen Verantwortung zeigen, ihr Handeln am Ziel kolo-

    gischer Nachhaltigkeit ausrichten, ihre Ressourcen und

    Fhigkeiten zum Wohl der Gesellschaft einsetzen und

    sich sozialer Fragen annehmen, die so umfassend sind

    wie die Kluft zwischen Arm und Reich und so speziell wie

    die Bekmpfung von HIV/AIDS.6

    Jngste Studien, durchgefhrt vom Boston College

    Center for Corporate Citizenship, McKinsey & Co. und

    anderen, machen deutlich, dass die meisten Top-

    Manager den Erwartungsdruck begreifen und die

    Notwendigkeit erkennen, dass Unternehmen eine

    engagiertere und verantwortlichere Rolle in der

    Gesellschaft spielen sollen.7 Eine Umfrage unter ame-

    rikanischen Spitzenmanagern hat beispielsweise

    gezeigt, dass 75 Prozent der Ansicht sind, die Allge-

    meinheit erwarte von ihnen, gesetzliche Vorgaben zur

    Produktsicherheit zu bertreffen, um sicherzustellen,

    dass ihre Produkte auch wirklich sicher und zuverlssig

    sind. 58 Prozent gaben an, von ihnen wrde erwartet,

    in ihren Manahmen zum Umweltschutz ber die

    gesetzlichen Bestimmungen hinauszugehen. Eine

    internationale Umfrage zeigte auf, dass nur mehr 16

    Prozent aller Fhrungskrfte in 116 Lndern der

    Ansicht sind, Unternehmen sollten sich ausschlielich

    darauf konzentrieren, die unter Einhaltung bestehen-der Vorschriften und Gesetze bestmgliche Rendite

    fr die Investoren zu erwirtschaften. Die anderen 84

    Prozent stimmten der Aussage zu, dass Unternehmen

    den Investoren hohe Ertrge verschaffen, aber

    gleichzeitig einen angemessenen Beitrag zum

    Gemeinwohl leisten sollen.

    Mchtige neue Interessen

    Neue Akteure und Krfte tragen ihre Erwartungen mitMacht ins Geschftsleben. Eine wachsende Gruppe

    von NGOs, die unterschiedliche soziale und kologi-

    sche Interessen vertreten,operieren an der Schnittstel-

    le von Wirtschaft und Gesellschaft.8 Weltweit sind seit

    Mitte der 1980er Jahre mehr als 200.000 neue zivilge-

    sellschaftliche Organisationen entstanden, und die

    globalen NGOs haben an Anzahl, Reichweite und

    11

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    5 Siehe World Business Council for Sustainable Development,From Challenge to Opportunity: The Role of Business in Tomor-rows Society (February, 2006), online unter: wbcsd.org. UND-Penvironment

    6 Eine Umfrage von GlobeScan (2005) befragte die ffentlich-keit, ob Unternehmen gar nicht etwas oder komplett ver-antwortlich sind fr verschiedene Aspekte ihres wirtschaftlichenHandelns und ihrer Wirkung auf die Gesellschaft.Die Fragestellerfanden heraus,dass in einundzwanzig Lndern eine signifikanteMehrheit der Befragten Unternehmen fr vollstndig verantwort-lich halten fr Produktsicherheit, gerechten Umgang mit Mitar-beitern, und fr den Einsatz von Rohstoffen und dafr, derUmwelt nicht zu schaden. Dies sind in der Tat operative Aspektevon Unternehmen und unterliegen als solche auch klar der Fir-menkontrolle.Aber darber hinaus hielt eine signifikante Anzahlder Befragten Unternehmen auch fr komplett verantwortlich

    fr den Abbau von Menschenrechtsversten, Prvention derVerbreitung von HIV/AIDS, Reduzierung der Armutskluft. Wennman noch die Kategorie von teilweise verantwortlich hinzu-fgt, dann sind Unternehmen in den Augen der ffentlichkeitnicht nur verantwortlich fr das eigene Sppchen,sondern auchfr eine Vielzahl der bel dieser Welt.Fr besonders umfassende Lngsschnittstudien ber die ffentli-che Meinung zu Corporate Citizenship, siehe globale Umfragenvon Globescan, Corporate Social Responsibility Monitor (2001-2007), auf www.globescan.com

    7 Siehe die zweijhrlichen Surveys des Boston College Center forCorporate Citizenship: The State of Corporate Citizenship in theU.S.: A View from Inside 2003-2005; The State of Corporate citi-zenship in the U.S.: Business Perspectives in 2005; The State ofCorporate Citizenship in the US: Rhetoric versus Reality in 2007(Boston: Boston College Center for Corporate Citizenship, 2004;dies. 2006; dies. 2008). The McKinsey Quarterly Global Survey(Januar,2006).

    8 Siehe John Hopkins Institute for Policy Studies, Center for CivilSociety Studies, online www.jhu.edu/~ccss; NGOs

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    Bettigungsfeldern zugenommen.Amnesty Internatio-

    nal zum Beispiel hat nahezu zwei Millionen Mitglieder

    und ist praktisch in jedem Land der Welt aktiv, in dem

    multinationale Unternehmen operieren. Der World

    Wildlife Fund hat mehr als fnf Millionen Mitglieder. Die-

    se beiden Organisationen haben ebenso wie Oxfam,Greenpeace und Tausende andere mehr in der Vergan-

    genheit als watchdogs das Verhalten von Unternehmen

    berwacht und Firmen gezwungen, fr ihre Versumnisse

    und ihre Verste gegenber Menschen und Umwelt

    geradezustehen. Mittlerweile haben einige von ihnen

    begonnen, partnerschaftlich mit der Wirtschaft zusam-

    menzuarbeiten, wenn es um Menschenrechtsfragen, die

    Erhaltung der natrlichen Lebensgrundlagen, Klimawan-

    del, Armutsbekmpfung und dergleichen Fragen mehr

    geht.Die naheliegende Frage lautet nun, wie Unternehmen mit

    diesem neuen operativen Umfeld umgehen sollen. Einem

    Umfeld, das komplex und vielschichtig ist, das unzhlige

    Gefahren und Chancen bietet, deren Ursachen oft mehr-

    deutig und deren Auswirkungen ungewiss sind. Reaktio-

    nen knnen in der Folge zu Einbuen fhren, whrend

    ihre Erfolgsaussichten unkalkulierbar sind. Unterdessen

    potenzieren sich die Herausforderungen, wenn eine Fir-

    ma, ihre Wettbewerber und andere Interessen und Akteu-

    re aus dem Umfeld sich strategisch neu positionieren.Aus

    der Entwicklungsperspektive betrachtet, erfordert diese

    Situation eine entsprechende Komplexitt im Handlungs-

    repertoire des Unternehmens, einschlielich fundierter

    Analysen und eines kohrenten, koordinierten Aktions-

    plans. Sind die Unternehmen diesen Anforderungen

    gewachsen?

    Die Praxis der Unternehmen

    Viele Unternehmen handeln nicht verantwortlich; so

    lautet zumindest die ffentliche Meinung.9 Eine welt-

    weite mehrjhrige Untersuchung von GlobeScan

    zeigt, dass gleichzeitig mit dem Anstieg der Erwartun-

    gen an Unternehmen die Bewertungen ihrer ge-

    sellschaftlichen Verantwortung immer schlechter aus-

    gefallen sind. Laut der jngsten Daten des Reputation

    Institute aus 25 untersuchten Lndern stimmen nur ein

    Fnftel der Befragten der Aussage zu, dass die meis-

    ten Unternehmen gesellschaftlich verantwortlich han-

    deln. Andererseits stellen McKinsey & Co. 2007 in

    einer Studie multinationaler Unternehmen fest,dass 90

    Prozent der Unternehmensvorstnde heute mehr tun

    als noch vor fnf Jahren, um soziale, kologische und

    Governance-Fragen in ihre Strategie und Geschfts-

    prozesse einzubinden. Allerdings gibt es deutliche

    Lcken: 72 Prozent der Vorstnde sind dafr, Corporate

    Responsibility in Strategie und Geschftspraxis zu veran-

    kern, aber nur 50 Prozent denken, dass ihre Unternehmendies tatschlich tun. Und sechs von zehn Wirtschaftsfh-

    rern erklren, Corporate Responsibility solle in die globa-

    len Zulieferketten integriert werden, aber nur 27 Prozent

    geben an, dies Erfordernis einzulsen.10

    Innerhalb der breiten Palette von Branchen und Firmen

    gibt es aber auch eine Unmenge an Aktivitten. Einige

    Unternehmen berarbeiten ihren Verhaltenskodex, inte-

    grieren Nachhaltigkeitsprinzipien, verndern ihre Corpo-

    rate Citizenship-Programme entsprechend, etc.; andere

    setzen Steuerungsgruppen fr ihr Corporate Citizenshipein, messen ihre Beitrge zu Umwelt und Gesellschaft

    und verffentlichen CSR-Berichte. Wieder andere stren-

    gen sich an, CSR-Themen und -Funktionen in Arbeitspro-

    zesse und Geschftszweige zu integrieren. Die Vorreiter

    versuchen, einen greren Markt fr Corporate Citizen-

    ship zu schaffen und bieten Produkte und Dienstleistun-

    gen an, die das ausdrckliche Ziel verfolgen, Gewinne zu

    generieren und zugleich die Welt zu verbessern. Aus der

    Entwicklungsperspektive betrachtet, knnen diese Akti-

    vitten als Fortschritt von einer relativ einfachen hin zu

    einer komplexeren Stufe gesehen werden; vom funktio-

    nalen hin zum interdisziplinren Ansatz und von den Hilfs-

    hin zu den Kernfunktionen eines Unternehmens. Wie

    sehen diese Entwicklungsprozesse im Corporate Citizen-

    ship-Management in der Praxis aus?

    12

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    9 Globale Daten siee Globescan und the Reputation Institute,RepTrak Pulse 2006: Social Responsibility Report athttp://www.reputationinstitute.com. Zur offentlichen Meinung inden USA siehe GolinHarris, Doing Well by Doing Good: The Tra-

    jector y of Corporate Citizenship in American business, at

    www.golinharris.com.

    10 McKinsey & Co.,Shaping the New Rules of Competition: UNGlobal Compact Participant Mirror. (July,2007).Online at McKin-sey.com.

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    Wal-Mart hat sich ein Jahr lang mit Verbraucher- und

    Umweltexperten beraten, bevor das Unternehmeneine neue Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen hat.

    Shell plant auf der Grundlage von Szenarien, wie sich

    verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen auf die

    Mrkte, Angebote und die Akzeptanz des Unter-

    nehmens auswirken. IBM hlt elektronische jams ab,

    bei denen breite Trends und wirtschaftsrelevante

    gesellschaftspolitische Themen mit Tausenden von

    Menschen und Stakeholder-Gruppen berall auf der

    Welt diskutiert werden. General Electric beruft alle

    zwei Jahre die Energy 2015- und Healthcare 2015-Meetings ein; die Diskussionen mit einer sektorenber-

    greifend und interdisziplinr zusammengesetzten

    Gruppe von Regierungsvertretern, Wirtschaftsfhrern,

    wichtigen Zulieferern, NGOs und Wissenschaftlern flie-

    en in die Unternehmensstrategie ein.

    Worum geht es bei all dem? Um die Gewinnung von

    Informationen zu gesellschaftlichen, politischen, kultu-

    rellen und kologischen Fragen,die Auswirkungen auf

    das Geschft haben. Frher fiel dies in die Zustndig-keit der Public-Affairs-Abteilung und bildete fr die

    strategische Planung das Hintergrundmaterial. Heute

    hingegen gehren die Erhebung und Gewichtung

    dieser Informationen zu den Aufgaben von Topmana-

    gern, Vorstandsmitgliedern und Betriebsleitern. Deren

    geschrfte Aufmerksamkeit fr die Themen an den

    Schnittstellen zwischen Unternehmen und Gesell-

    schaft hat zwei Grnde: Diese Themen stellen sowohl

    potentielle Risiken als auch signifikante Chancen dar.

    Themenmanagement:

    Von Abwehr zu Aufgeschlossenheit

    Um Unternehmen von einer abwehrenden zu einer

    aufgeschlossenen Haltung gegenber der Gesell-

    schaft zu bewegen, mssen drei Bedingungen erfllt

    sein:

    1) eine offene, wissbegierige und von Feedbackpro-

    zessen geprgte Beziehung zum Umfeld,

    2) gut ausgestattete und effektive Mechanismen, umwahrzunehmen, zu analysieren und zu interpretieren,

    was vor sich geht, und

    3) einer internen Kultur, die empfnglich ist fr frhe

    Anzeichen von Bedrohungen und Chancen und die

    den Boten, der die schlechte Nachricht berbringt,nicht hinrichtet, sondern vielmehr willkommen heit.

    Dies sind selbstredend Charakteristika von Menschen,

    Gruppen und Organisationen, die zunehmend in eine

    proaktive Beziehung mit ihrer Umgebung treten.

    Unternehmen,die solche Fhigkeiten gerade erst ent-

    wickeln, neigen zu reaktivem Verhalten gegenber

    entstehenden sozialen und Umweltproblemen so

    war es auch bei Nike (bei Menschenrechtsfragen in

    ihrer Lieferkette), bei Chiquita (Arbeitsbedingungenauf Plantagen), Nestl (Babymilch) Home Depot

    (Holzverkauf aus geschtzten Wldern) und Walmart

    (mit Unzulnglichkeiten in vielen Bereichen). Nike

    zeigt, wie ein Unternehmen sich aus dieser Phase in

    eine mehr proaktive Position begibt. Simon Zadek,

    Begrnder des Thinktanks AccountAbility und Berater

    von Nike, gibt eine eingngige Beschreibung des Ent-

    wicklungsprozesses, den Nike im Umgang mit den Pro-

    blemen bei den Zulieferern durchlaufen hat: aus der

    Abwehr ber die Phasen der Compliance und dergeschftsmigen Handhabung zur strategischen

    Problembewltigung. 11

    Zunchst wurde jede Verantwortung geleugnet (wir

    stellen die Schuhe ja nicht her); dann wurden grund-

    legende Arbeitnehmerrechte eingefhrt und externe

    Firmen beauftragt, die Einhaltung dieser Vorschriften

    zu berwachen. Im nchsten Schritt wurden die fir-

    meninternen Kontrollsysteme ausgebaut, um sowohl

    die gesamte Zulieferkette als auch Nikes eigeneGeschftsprozesse zu analysieren. Diese Analyse fr-

    derte zutage,wiejust in time-Beschaffungsmethoden,

    interne Kostenallokationsregeln und Produktionsan-

    reizsysteme die Zulieferer geradezu angestiftet hatten,

    ihre Mitarbeiter unter Druck zu setzen und berstun-

    den anzuordnen. Nike stellte diese Praktiken ab zu

    erheblichen Kosten und unter manchem Murren. In

    der nchsten, strategischen Phase hat Nike eine Bran-

    chenlsung angestrebt, die die entstandenen Wett-

    13

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    11 Simon Zadek,The Path to Corporate Responsibility,HarvardBusiness Review (December, 2004): 12533; auch: Mark Kramerand John Kania,Changing the Game, Stanford Social Innova-tion Review (Spring, 2006), online auf www.ssireview.org.

    II. BEZIEHUNG ZUR GESELLSCHAFT:CORPORATE CITIZENSHIP VON AUEN NACH INNEN

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    bewerbsnachteile ausgleicht. Das Unternehmen tat

    sich mit anderen Firmen aus der Schuh- und Beklei-

    dungsindustrie, mit NGOs und ausgesuchten Einzel-

    hndlern zusammen, darunter die Fair Labor Associa-

    tion (USA) und die Ethical Trading Initiative (Vereinigtes

    Knigreich), um branchenweit faire Arbeits- und Han-delsbedingungen durchzusetzen.

    Genaue Beobachtung des Umfelds

    Ian Davis, der Geschftsfhrer von McKinsey & Co.,

    weist darauf hin, dass CSR als Agenda fr unterneh-

    merisches Handeln beschrnkt bleibt, weil es nicht

    gelingt,gesellschaftliche Fragen in ihrer Bedeutung fr

    die Unternehmensstrategie aufzugreifen.12 Sein Unter-

    nehmen befragt jedes Jahr Spitzenmanager weltweit

    zur Relevanz verschiedener gesell-schaftlicher The-

    men fr die Wirtschaft. Im Jahr 2007 besetzten Umwelt-

    themen, darunter auch Klimawandel, die Spitzenplt-

    ze der Liste. McKinsey hatte die Manager auch

    befragt, ob diese Themen eher Risiken oder eher

    Chancen bedeuten. Auf der Risikoseite nannten die

    Manager Widerstnde gegen freien Handel, Renten,

    Gefhrdungen der Privatsphre und den politischen

    Einfluss von Unternehmen. Ein ausgeglichenes Verhlt-

    nis von Risiken und Chancen hingegen erblickte die

    groe Mehrheit der befragten Manager in Forderun-

    gen nach mehr Investitionen in Entwicklungslndern,

    nach ethischen Standards in Werbung und Marketing

    und nach Achtung der Menschenrechte.

    Zwar gibt es unzhlige Modelle und Formate; im Prin-

    zip aber prfen Unternehmen ihr Umfeld aus wenigs-

    tens zwei Blickwinkeln: Was sind die Chancen und Risi-

    ken fr unser Geschft? Und was sind die Chancenund Risiken fr die Gesellschaft? Daraus entsteht eine

    Vier-Felder-Matrix, wie sie in der Wirtschaft bekannt ist.

    Im Quadrant oben links sieht man sowohl Wirtschaft

    als auch Gesellschaft im Risikobereich. Gesellschaftli-

    che Themen wie die Defizite des Bildungssystems, die

    digitale Spaltung, die Geiel HIV/AIDS und andere

    Infektionskrankheiten gehren alle in diese Rubrik. Sie

    bedrohen nicht nur das Wohlergehen und die wirt-

    schaftliche Zukunft von Vlkern und Gesellschaften,

    sie beschrnken auch das Wachstumspotenzial von

    Unternehmen, die geschulte Arbeitskrfte,wirtschaftli-

    che Infrastruktur und zahlungskrftige Kunden brau-

    chen. Auch die stark verbreitete Jugendarbeitslosig-

    keit, die Massenmigration in die Mega-Cities und Kor-

    ruption gehren zu diesen Risiken. Abgesehen von

    den offensichtlichen Kosten, die der Gesellschaft

    daraus entstehen, fhren diese Faktoren zu einem

    instabilen Geschftsklima. IBMs weltweites Engage-

    14

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    KlimawandelDigitale Spaltung

    JugendarbeitslosigkeitKorruption

    VerstaatlichungZugang zu

    MedikamentenZugang zu Krediten

    Piraterie

    Billige Arbeitskrfte/Beschaffung,

    Umweltschden,Bestechung

    Boden der Pyramide,Mikro-Kredite,

    ko-EffektivittCSR-Partnerschaften

    GESELLSCHAFT

    Risiko Chance

    Risiko

    Chance

    WIRTSCHAFT

    Wirtschaft und Gesellschaft: Risiken und Chancen

    12 Ian Davis, The Biggest Contract, The Economist (May 16,2005); siehe auch Sheila M. J. Bonini, Lenny T. Mendonca, undJeremy M. Oppenheim,When Social Issues Become Strategic,McKinsey Quarterly 2 (2006), beide online einsehbar unter:www.mckinseyquarterly.com.

  • 7/31/2019 CCCDebatte01 Neue Rollen Und Aufgaben Fuer Unternehmen in Der Gesellschaft 2009

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    ment zur Verbesserung der Bildungssysteme (reinven-

    ting education), die Anstrengungen von High Tech-

    Unternehmen wie AMD, HP, Cisco, Intel, Nokia und

    anderen, die digitale Spaltung zu berwinden, das

    breite Engagement von Unternehmen gegen die

    Aids-Pandemie all das illustriert, wie Wirtschaft undGesellschaft profitieren knnen, wenn sie zusammen-

    arbeiten, um die gemeinsamen Risiken zu minimieren.

    Der Quadrant unten links richtet das Augenmerk

    darauf, wie die Wirtschaft Risiken fr die Gesellschaft

    kreiert. Die stndige Suche nach billigen Arbeitskrf-

    ten, die Produktion von Umweltverschmutzung und

    Mll, der Verkauf von ungesunden Nahrungsmitteln

    (junk food) und minderwertigen Produkten: Das ist die

    Hinterlassenschaft, wenn Unternehmen zu Lasten desGemeinwohls aus Chancen Kapital schlagen. Es liegt

    auf der Hand,warum Unternehmen, deren Geschfte

    in diesem Quadranten angesiedelt sind, mehr Trans-

    parenz zeigen sollen: der Zugang zu Information ber

    ihre Aktivitten wirkt abschreckend auf Fehlverhalten.

    Aber es ist fr Firmen auch eine Chance, sich auf die

    Interessen betroffener Stakeholder und das Wohl der

    Allgemeinheit einzulassen. Ein Beispiel sind die Refor-

    men der Zulieferketten von Nike und Reebok bei Schu-

    hen, von Levi Strauss & Co. und GAP bei Bekleidungund von vielen Hochtechnologieunternehmen bei

    der Mikroelektronik. Ein weiteres Beispiel betrifft Schrit-

    te zu gesnderer Ernhrung durch die Nahrungsmittel-

    und Getrnkeindustrie. Ein drittes Beispiel ist das breit

    gefcherte Interesse von Unternehmen aus allen

    Branchen an kologischer Nachhaltigkeit.

    Im oberen rechten Quadrant nutzt die Gesellschaft in

    ihren verschiedenen Erscheinungsformen selbst die

    Chance, die eigenen Interessen zu verteidigen; aller-

    dings auf Kosten der Wirtschaft. Die Verstaatlichung

    von Wirtschaftszweigen, die Errichtung von Handels-

    hemmnissen und die Abschaffung von Agrarsubven-

    tionen, Patentschutz oder Urheberrecht sind einige

    der Bedrohungen, denen die Wirtschaft hier ausge-

    setzt ist. Unternehmen antworteten darauf traditionell

    in Form von Lobbyarbeit, Parteispenden etc. Aber Fir-

    men, die stndig gegen den Strom der gemeinsamen

    Werte einer Gesellschaft und der legitimen politischen

    Vorgaben schwimmen,werden letztendlich sich selbst

    erhebliche Kosten aufbrden und ihre Geschfts-

    grundlage gefhrden. Bemhungen der pharmazeu-

    tischen Industrie, Behandlungen erschwinglicher zu

    machen,und Anstrengungen der Energieverbraucher

    und Banken,einen Markt fr Emissionshandel zu schaf-

    fen, sind als Mittel zu verstehen, drohender Regulie-

    rung zuvorzukommen und Risiken beherrsch-bar zu

    machen.

    Im Quadrant unten rechts ist eine Chance fr die Wirt-

    schaft zugleich eine Chance fr die Gesellschaft. Das

    zeigen Unternehmen, die mit Mikrofinanzierung, ko-Effi-

    zienz oder der Erschlieung von Mrkten am unteren

    Ende der Einkommenspyramide (bottom oft he pyra-

    mid) neue Geschftsmodelle entwickeln. Dieser Qua-

    drant ist, mehr als alle anderen, ein Bereich, wo Unter-

    nehmen statt der Defensive die Offensive ergreifen und

    den bergang von einer philantropischen Antwort aufgesellschaftliche Herausforderungen zu sozio-unterneh-

    merischen Unterfangen wagen. In diesem Quadranten

    tummeln sich auch zunehmend NGOs und sogar Regie-

    rungsstellen, die die eigene Rolle neu definieren und

    partnerschaftlich mit Unternehmen zusammenarbeiten.

    Festlegung der wichtigen Themen

    Wie entscheidet ein Unternehmen, welche Themen

    besonders relevant sind, und wie setzt es seine Priorit-ten? Ein Kriterium - gewhlt,weil es aus den Bereichen

    Rechnungswesen und Risikomanagement bekannt ist

    - betrifft die Materialitt der Themen. Das Konzept

    der Materialitt bedeutet, dass Unternehmen smtli-

    che Informationen, die von materieller Bedeutung fr

    die Investoren sind, bercksichtigen und offenlegen

    mssen. Viele Unternehmen haben mit Steve Rochlin

    und seinen Kollegen bei AccountAbility zusammenge-

    arbeitet, um die Interessen von Unter-nehmen und

    Gesellschaft in ihre operative Agenda aufzunehmen.

    Ein funktionsbergreifendes Team bei dem Chipher-

    steller AMD hat die klassische SWOT-Analyse durch-

    gemacht, d.h. in jedem Bereich Strken, Schwchen,

    Chancen und Bedrohungen betrachtet so Teamlei-

    ter Phil Trowbridge. Aber wir haben auch grundstzli-

    che Fragen gestellt: Haben wir ein Programm,das die-

    ses Thema behandelt? Und wenn nicht, brauchen wir

    eins? Als wie wichtig fr AMD wrde es eingestuft wer-

    den? Schnell waren Lcken identifiziert: AMD hatte

    Aussagen zu den Menschenrechten z.B. in die Werte

    des Unternehmens und auch in Vertrge aufgenom-

    15

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

  • 7/31/2019 CCCDebatte01 Neue Rollen Und Aufgaben Fuer Unternehmen in Der Gesellschaft 2009

    16/28

    men, aber bei Audits der Zulieferer oder bei der Fort-

    bildung von Managern und anderen Mitarbeitern

    spielten sie keine Rolle. Die Untersuchung enthllte

    auch eine Riesenchance fr eine Fhrungsrolle fr

    AMD beim berwinden der digitalen Spaltung zwi-

    schen denen, die Zugang zur neuesten Technologiehaben, und denen, die ausgeschlossen sind. Das war

    ein wesentlicher Anreiz fr das 50x15 Programm des

    Unternehmens, dessen Ziel es ist, bis 2015 fnfzig Pro-

    zent der Welt ans Internet anzuschlieen.

    Beziehungen zu Stakeholdern

    aus Gegnern werden Partner

    Die Anfangsstadien der Entwicklung von Stakeholder-

    Beziehungen verlaufen analog zur Entwicklung beimThemenmanagement: Typischerweise beginnen Fir-

    men mit einem unilateralen Ansatz, werden Schritt fr

    Schritt interaktiver und kommen schlielich zu einer

    Beziehung auf Gegenseitigkeit. Nehmen wir das Bei-

    spiel Pfizer, ein Unternehmen, das von vielen Interes-

    sensgruppen weltweit so wahrgenommen wird, dass

    es seine Gewinne auf Kosten der Verbraucher erhht.

    In den letzten Jahren hat das Unternehmen die Mei-

    nungen einer breiten Gruppe von Stakeholdern ein-

    geholt, darunter Patientengruppen, rzte, Apotheker,Vertreter der Regulierungsbehrden, Geschftspart-

    ner und verschiedene NGOs. Auch 250 Gesundheits-

    experten aus aller Welt wurden um ihre Meinung

    gebeten.

    Dieses Feedback von Wissenschaftlern und anderen

    Stakeholdern nutzte Pfizer als Grundlage, um globale

    Regeln fr den eigenen Umgang mit ffentlichkeit

    und Fachleuten aus dem Gesundheitssektor aufzustel-

    len. Diese Regeln legen fest, dass Treffen mit rzten

    und Kundenveranstaltungen ausschlielich Fortbil-

    dungszwecken dienen sollen, dass die medizinische

    Kommunikation genau und wissenschaftlich solide zu

    sein hat und dass das Marketingmaterial auch voll-

    stndige Informationen zu mglichen Nebenwirkun-

    gen enthlt. Pharmareferenten drfen rzten keine

    Anreize zur Verschreibung von Medikamenten oder fr

    eine Beeinflussung von klinischen Tests bieten. Diese

    Leitlinien werden durch einen ganzen Satz von Ma-

    nahmen zur Durchsetzung der Regeln untersttzt es

    gibt einen leitenden Compliance-Beauftragten,der in

    jedem Land Verbindungsstellen hat; es gibt regelm-

    ige berprfungen,Hotlines,Strafen und dergleichen

    mehr sowie ein sehr hohes Transparenzniveau. Pfizer

    verffentlicht jetzt, von anderen Themen abgesehen,

    auch Informationen ber Kundenbeschwerden oder

    ber politische Spenden des Unternehmens.

    Fhrende Unternehmen beobachten heute typischerwei-se ihr Umfeld sehr genau, um die Interessen und Akteure

    zu identifizieren, die Einfluss auf ihr Schicksal haben

    knnten. Dazu wird eine Stakeholder-Landkarte erstellt,

    mittels derer die Anspruchsgruppen identifiziert werden,

    die ein Interesse am Unternehmen und seinen Geschf-

    ten haben: innerhalb des Unternehmens, entlang der

    Wertschpfungskette und an den Rndern des Unterneh-

    mens, einschlielich der Medien, NGOs, und Gemein-

    den. Diese Art des Stakeholder-Mapping stimuliert wei-

    tere Analyse: Erfassung der Anliegen von Stakeholdern,Bewertung des Grades, in dem sie fr oder gegen die

    Interessen des Unternehmens Position beziehen, ihre Ein-

    flussmglichkeit auf den Gang von Ereignissen usw. Der

    Nachhaltigkeitsexperte Andrew Savitz beschreibt, wie

    solche Methoden Firmen helfen knnen, Chancen und

    Risiken in ihrem Umfeld zu identifizieren und auf etwas

    abzuzielen, was er die Schokoladenseite (the sweet

    spot) der Nachhaltigkeit nennt.13

    Whrend Unternehmen ihre eigene Dialogfhigkeitweiterentwickeln, verlagern sich die Stakeholder-Dia-

    loge hufig vom bilateralen Gesprch zu multilatera-

    len Untersuchungen der Anliegen,die allen Beteiligten

    wichtig sind. Mehrere zwingende Beispiele dessen

    kommen aus dem Bereich der natrlichen Ressour-

    cen. Ann Svendsen und Myriam Laberge haben ber

    einen Zeitraum von mehr als acht Jahren einen Pro-

    zess des Gesamtsystemischen Engagementsermg-

    licht - unter Einbeziehung des Frsters Macmillan Bloe-

    del, von Umweltgruppen, indigenen Gruppen und

    Kommunen an der Westkste von British Columbia,

    Kanada.Es gab hier erhebliche Konflikte zwischen und

    sogar innerhalb der verschiedenen Gruppen; die

    Regierung von British Columbia versuchte,Kompromis-

    se, die niemandem passten, in Gesetzesform zu gie-

    en; der Widerstand umfasste lokale Protestmrsche

    ebenso wie einen von Greenpeace organisierten

    internationalen Boykott, und es gab wiederholt den

    16

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    13 Andrew W. Savitz,The Triple Bottom Line: How Todays Best RunCompanies are Achieving Economic, Social, and EnvironmentalSuccessand How You Can Too (San Francisco: John Wiley &Sons, Inc., 2006).

  • 7/31/2019 CCCDebatte01 Neue Rollen Und Aufgaben Fuer Unternehmen in Der Gesellschaft 2009

    17/28

    Zusammenbruch jeglicher Kommunikation.Mit der Zeit

    aber gelang es, gemeinsame Interessen zu identifizie-

    ren und am Ende eine bereinkunft ber die Landnut-

    zung zu erzielen. Was fhrte diesen Prozess zum Erfolg?

    Eines der Unternehmen, die an dem Dialog teilnah-

    men,sagte, das Geheimnis sei, ber die herkmmlichenVerhandlungen hinauszugehen zu einem Modell der

    nchsten Generation. Dieses fragt: Wie knnen wir

    gemeinsam lernen? Wie knnen wir gemeinsam innova-

    tive Lsungen entwickeln, obwohl wir uns ab und zu has-

    sen und nicht miteinander auskommen?

    Stakeholder als Partner

    Im globalen Mastab genieen NGOs deutlich mehr

    Vertrauen als globale Unternehmen, was sowohl aufdie nrdliche Halbkugel (68 Prozent gegenber 38

    Prozent) als auch auf die sdliche Hemisphre (63 Pro-

    zent gegenber 56 Prozent) zutrifft. Und im Norden wie

    im Sden genieen NGOs mehr Vertrauen als nationa-

    le Regierungen, inlndische Firmen, Gewerkschaften

    und die Medien.14 Was bedeutet das fr die Wirt-

    schaft? Eine Meinungsumfrage von GlobeScan stellte

    fest, dass 85 Prozent der Befragten angaben, ihr Respekt

    fr Unternehmen wachse, wenn diese eine Partnerschaft

    mit einer Wohlttigkeitsorganisation oder einer NGO ein-

    gehen. Auerdem uert ein wachsender Teil der ffent-

    lichkeit, ein wesentlicher Indikator, dass ein Unternehmen

    gesellschaftlich verantwortlich handle, sei die direkte

    Zusammenarbeit mit einer gemeinntzigen Organisation

    oder einer NGO.15

    Dies ist ein Grund, warum fhrende Unternehmen heute

    Partnerschaften mit NGOs eingehen. Hier sind einige

    Beispiele fr solche Partnerschaften zwischen Wirt-

    schaft,NGOs und mitunter auch ffentlichen Institutio-

    nen, die eine neue Generation von Partnerschaft fr

    gesellschaftliche Aufgaben darstellen:

    Gemeinntziges Engagement in der Kommune

    Home Depot und KaBOOM! arbeiten als Partner

    beim Bau von Spielpltzen in einkommens-schwa-

    chen und von Katastrophen heimgesuchten Stadt-

    vierteln.

    Bildung Dell arbeitet mit Schulverwaltungen in

    den USA zusammen, um benachteiligten Schlern

    Hardware und Software-Kenntnisse zu vermitteln.

    Soziale Gerechtigkeit das Versicherungsunter-

    nehmen State Farm hat sich mit einer Wohnungs-

    gesellschaft (Neighborhood Housing Service) in

    Chicago zusammengetan, um in einkommens-

    schwachen Stadtvierteln Versicherungsdienste

    bereitzustellen.

    Digitale Spaltung Nokia ist mit der Grameen

    Foundation eine Partnerschaft eingegangen, um

    arme Drfer in Entwicklungslndern mit bezahl-

    baren Telekommunikationsdiensten zu versorgen.

    Umwelt Chiquita weist in einer Partnerschaft mit

    der Rainforest Alliance durch Zertifizierung nach,

    dass die Chiquita-Plantagen sozial und kologisch

    nachhaltig betrieben werden.

    Es entstehen auch immer mehr Koalitionen zwischen

    Unternehmen, die sich meist in Partnerschaft mit

    NGOs und Regierungen fr soziale Fragen en-

    gagieren,so wie die Business Roundtables Partnership

    for Disaster Relief und die Global Business Coalition

    against HIV/AIDS, Tuberculosis and Malaria. Diese Pro-

    gramme haben, wenn sie richtig aufgestellt sind, das

    Potential, signifikante gesellschaftliche Herausforderun-

    gen anzugehen, bei deren Bewltigung Unternehmen

    einen Beitrag fr die Gesellschaft leisten knnen, der

    wiederum, jedenfalls langfristig, auch direkt oder indirekt

    den Unternehmen zugute kommt.

    Transparenz und Berichterstattung:

    Auf dem Weg zu Offenheit und Verantwortlichkeit

    Vernderte Erwartungen der ffentlichkeit, das Schein-

    werferlicht der Medien, Druck von Seiten der NGOs,

    Resolutionen aufgebrachter Aktionre und natrlich

    eigene Verfehlungen - all das rckt gesellschaftliche The-

    men in den Horizont strategischer berlegungen von

    Unternehmen. McKinsey & Co. fragten Manager:

    Wenn Grofirmen ihrer Branche versuchen, gesell-

    schaftspolitische Fragen zu bearbeiten: welche drei

    17

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    14 Siehe The 21st Century NGO: In the Market for Change (Lon-don: Sustainability, 2003); Zu Vertrauen, siehe Richard Edelman,

    Rebuilding Trust through Accountability and Responsibility(Eth-ical Corporation Conference, 2002); GlobeScan, CorporateSocial Responsibility Monitor (2006).

    15 GlobeScan,Report on Issues and Reputation(2005).

  • 7/31/2019 CCCDebatte01 Neue Rollen Und Aufgaben Fuer Unternehmen in Der Gesellschaft 2009

    18/28

    Taktiken werden am hufigsten eingesetzt? Die drei

    meistgenannten Vorgehensweisen waren:

    1) Nutzung von Medien und ffentlichkeitsarbeit;

    2) Lobbyarbeit bei Behrden und Regierungen; und

    3) Reden und ffentliche Aktionen des Vorstandsvorsit-

    zenden.

    Eine darauffolgende Frage indes zielte auf die Effekti-

    vitt dieser Methoden. Gerade 35 Prozent nannten

    Medien- und ffentlichkeitsarbeit als erfolgreiche Vor-

    gehensweise, fr 25 Prozent war es die Lobbyarbeit,

    und nur 14 Prozent hielten Reden und Aktionen des

    CEO fr ein effektives Mittel.16

    Kein Zweifel: Die ffentlichkeit toleriert heute weder Fir-

    menskandale noch den Versuch, sie durch PR-Kampa-gnen zu vertuschen. Umfragen belegen, dass die Brge-

    rinnen und Brger in ihrer Rolle als Verbraucher, als

    Investoren und als Mitarbeiter - schlechtes Benehmen

    von Unternehmen verurteilen die Menschen sind nicht

    bereit, fr unverantwortliche Unternehmen zu arbeiten

    oder in sie zu investieren, sie sprechen sich im Familien-

    und Freundeskreis gegen sie aus, und sie boykottieren

    ihre Produkte und Dienstleistungen.17 Im Lichte der

    McKinsey-Studie empfiehlt sich fr Firmen, die in sol-

    chen Auseinandersetzungen stehen, eine Strategieder Offenheit und Verantwortlichkeit: Als effektivste

    Manahmen werden Erhhung der Transparenz (von

    36% genannt), Implementierung interner CSR-Strate-

    gien (35%) und Einbindung der Stakeholder (33%)

    erachtet.

    ffentliche Berichterstattung

    Ein Modell, um Transparenz zu schaffen, ist die Verf-

    fentlichung von Sozial- und Umweltberichten. Das

    bedeutet: Unternehmen ermitteln die Auswirkungen

    ihrer Geschftsttigkeit auf Gesellschaft und Umwelt

    anhand von Indikatoren und Kriterien, die etwa von

    der Global Reporting Initiative (GRI) oder der Interna-

    tional Standardization Organization (ISO 14000) bereit-

    gestellt werden, und verffentlichen einen Bericht

    ber die Befunde. Derzeit gibt es Grund zu der Annah-

    me, dass in Europa ansssige Unternehmen in Sachen

    Berichterstattung den amerikanischen voraus sind: Euro-

    pische Firmen geben deutlich eher als amerikanische

    Umwelt-und Sozialberichte heraus, die sie dann auch in

    externen Audits verifizieren lassen.

    Viele sehen darin eine Chance, das Beste aus beiden

    Welten zusammenzubringen: marktwirtschaftliche Aktivi-

    tten amerikanischen Stils, angereichert mit europi-

    schen Standards und Kriterien fr unternehmerisches Ver-

    halten. Es ist kein Wunder, dass viele amerikanische

    Manager die Vorstellung von externen Leitlinien rundhe-raus ablehnen und sich gegen strkere Reglementierung

    von Unternehmen wehren (etwa im Stil der Sarbanes-

    Oxley Vorschriften, die den Unternehmen in der Folge des

    Enron-Skandals verbesserte Governance und Finanz-

    berichterstattung abverlangen). Andere uern in Ge-

    sprchen mit uns die Besorgnis, eine starke Betonung auf

    Rechenschaftspflicht und Berichterstattung knnte zu

    bloem Abarbeiten von Checklisten (box checking)

    fhren, verbunden mit Audits und Revisionen. Oder das

    Berichtswesen laufe im Ergebnis auf eine Art XL-Versiondes Compliance-Modells von Corporate Citizenship

    hinaus. Der alternative Ansatz beinhaltet vllige Offenle-

    gung der Firmenaktivitten, integriert die Unternehmens-

    verantwortung durch den Aufbau eines Corporate Citi-

    zenship-Managementsystems.

    18

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    16 Siehe Global Survey of Business Executives, The McKinseyQuarterly(January, 2006), online unter www.mckinseyquarterly.

    17 siehe Cone,Inc.,2004 Corporate Citizenship Study (Decem-ber,2004), online auf Coneinc.com.

  • 7/31/2019 CCCDebatte01 Neue Rollen Und Aufgaben Fuer Unternehmen in Der Gesellschaft 2009

    19/28

    Dialoge mit Stakeholdern,Beobachtung gesell-schaft-

    lich relevanter Themen, Analysen komplexer Interak-tionen, Bewertungen von Prioritten All dies liefert

    zwar Informationen fr die Entscheidungsfindung,

    aber letztlich mssen die Manager entscheiden, was

    zu tun ist. Untersuchungen legen den Schluss nahe, dass

    die Gestaltung der Beziehungen eines Unternehmens zur

    Gesellschaft davon abhngt, auf welchem Entwicklungs-

    stand von Corporate Citizenship das Unternehmen steht.

    Denen, die erst krzlich bekehrt wurden, mangelt es oft

    an Verstndnis fr die vielen verschiedenen Verbindungs-

    linien zur Gesellschaft, und sie haben weder die Fach-kenntnis noch die Techniken, den vielfltigen Interessen

    und Forderungen, die auf sie einstrmen, zu begegnen.

    Fr sie besteht die entscheidende Herausforderung darin,

    Corporate Citizenship auf der Agenda des Unterneh-

    mens zu verankern, sich bessere Informationen ber die

    Anliegen der Stakeholder zu verschaffen und einige sinn-

    volle erste Schritte zu tun. Das andere Extrem dieses Ent-

    wicklungsprozesses bilden Unternehmen, die sich bereits

    erheblich engagiert haben. Unsere Gesprche mit ihnen

    machen deutlich, dass einige Unternehmen ihre Bezie-hungen zur Gesellschaft in moralische Kategorien fassen,

    andere unter dem Aspekt des Risikomanagements, und

    wieder andere sehen sie als Chance, Gutes zu tun und

    dadurch auch fr das eigene Wohlergehen zu sorgen

    doing well by doing good. Die Spitzenreiter betrachten

    ihre Rolle in der Gesellschaft ganzheitlich, was auf grund-

    legende Vernderungen in Unternehmenskultur, Ge

    schftspraxis und Strategie hindeutet.

    Konzepte von Corporate Citizenship:nderung der Spielregeln

    Was bedeutet Corporate Citizenship fr Unternehmen?

    Die einfachste Formel betrifft Arbeitspltze, Gewinne

    und Steuern.Bei Unternehmen,deren Vision dort Halt

    macht, ist das Interesse an Corporate Citizenship spo-

    radisch; auch die Umweltprogramme und das gesell-

    schaftliche Engagement eines solchen Unternehmens

    sind unterentwickelt. Die Grnde liegen auf der Hand:

    rudimentres Verstndnis dessen, worum es eigentlichgeht, Gleichgltigkeit seitens der Unternehmenslei-

    tung und eingeschrnkte Interaktion mit externen Sta-

    keholdern, vor allem in Sozial- und Umweltfragen.

    Viele Unternehmen engagieren sich heute am Unter-

    nehmensstandort oder durch philanthropische Aktivi-tten fr gesellschaftliche Belange, achten auf

    Umweltschutz und gehen im brigen ihren Geschf-

    ten nach.Ein Unternehmen,das auf eine innovativere

    Stufe von Corporate Citizenship vorgestoen ist, ist der

    Arzneimittelhersteller Baxter. Das Unternehmen war

    unter den Vorreitern einer Praxis, die sich Anfang der

    1990er Jahre zur Global Reporting Initiative entwickeln

    sollte,und begann,die eigene wirtschaftliche,kologi-

    sche und soziale Leistung zu messen und darber zu

    berichten. 1997 war Baxter eine der ersten Firmen, diedie CERES-Prinzipien annahmen, entsprechende

    Umweltberichte erstellten und Verbesserungen einlei-

    teten. Im Zuge dieser Entwicklung akzeptierte das

    Unternehmen die nach wie vor umstrittene Vorstel-

    lung, sowohl den Aktionren als auch anderen Stake-

    holdern gegenber verantwortlich zu sein und von

    diesen wie von jenen zur Rechenschaft gezogen wer-

    den zu knnen. Interessanterweise wurde diese freiwil-

    lige Selbstverpflichtung 2001 in Spanien auf den Prf-

    stand gestellt, als sechs Patienten whrend einer Dia-lysebehandlung starben mglicherweise aufgrund

    von Problemen mit Filtern,die von einem Tochterunter-

    nehmen hergestellt wurden. Baxter reagierte mit

    einem Rckruf der Filter und einer ffentlichen Ent-

    schuldigung, nahm einen Verlust von $189 Millionen

    hin und krzte auf Wunsch des Vorstandsvorsitzenden

    dessen Bonuszahlung.

    Die Geschichte von Baxter verdeutlicht zwei Wege,

    die ein Unternehmen in diesem Stadium nach vornbringen: 1) die Erweiterung der Agenda durch ein

    umfassenderes Konzept von Corporate Citizenship

    und 2) die Intensivierung des Engagements, indem die

    Unternehmensleitung mehr Verantwortung bernimmt

    und als Vertrauensbildner agiert. Die meisten Unter-

    nehmen scheinen beim Durchlaufen dieses Stadiums

    ein tiefergehendes Verstndnis zu entwickeln, was

    Corporate Citizenship erfordert. Corporate Citizens

    der nchsten Generation gehen noch einen oder

    auch zwei Schritte weiter.

    19

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    III. REAKTION AUF DIE GESELLSCHAFT:CORPORATE CITIZENSHIP VON INNEN NACH AUSSEN

  • 7/31/2019 CCCDebatte01 Neue Rollen Und Aufgaben Fuer Unternehmen in Der Gesellschaft 2009

    20/28

    Integration

    In den letzen Jahrzehnten gab es einige Modelle, die

    einen integrierenden Bezugsrahmen und Leitfaden fr

    dieses ansonsten noch unbekannte Terrain anboten.

    So wurde die Vorstellung entwickelt,Unternehmen sei-en fr die gesellschaftlichen,wirtschaftlichen und ko-

    logischen Auswirkungen ihres Betriebs verantwortlich

    und rechenschaftspflichtig John Elkington, UK, hat

    dafr den Begriff der Triple Bottom Line (d.h. die tradi-

    tionelle, konomische Bilanzierung wird erweitert um

    soziale und kologische Bilanzen).18 Gleichzeitig stieg

    das Interesse an einem Konzept von Nachhaltigkeit,

    das die Aufmerksamkeit darauf lenkt, wie Natur und

    Gesellschaft von der Macht der Wirtschaft betroffen

    sind. Die wichtigsten Nachhaltigkeitskonzepte undmodelle stammen aus Umweltstudien,aber das Kon-

    zept ist ausgeweitet worden auf soziale Nachhaltig-

    keit oder das Wohlergehen von Mensch und Gesell-

    schaft.

    Diese Konzepte von Corporate Citizenship reflektieren

    eine inklusivere Sicht von unternehmerischer Verant-

    wortung, bei deren Annahme Unternehmen eine

    ganzheitlichere Sicht ihrer Rolle in der Gesellschaft

    entwickeln, begleitet von grerer Verantwortung frdie Auswirkungen ihrer Ttigkeit auf Wirtschaft,Gesell-

    schaft und Umwelt. Das wiederum untersttzt regel-

    mige Beziehungen mit Stakeholdern, und es befr-

    dert genauere Messung und besseres Management

    der triple bottom line. Die operative Herausforde-

    rung besteht in der Integration der unterschiedlichen

    Ansatzpunkte und der Beitrge unterschiedlicher

    Abteilungen im Unternehmen, die zustndig sind fr

    Personalfragen, Kontakte zu Regierungen, Public

    Affairs, Arbeitsschutz, Umwelt- und Rechtsfragen; es

    gilt,dafr zu sorgen, dass in Sachen Corporate Citizen-

    ship alle an einem Strang ziehen.

    Ein neues Spiel

    Einige Unternehmen gehen einen Schritt weiter in Rich-

    tung auf die nchste Generation von Corporate Citizen-

    ship und knpfen dieses an den eigentlichen Zweck und

    die Strategie des Unternehmens. Die strategische Absicht

    dieser Firmen besteht nicht nur darin, ihre Geschfte auf

    verantwortliche und nachhaltige Weise zu betreiben; sie

    zielen vielmehr darauf, soziale und kologische Belange

    der Welt zu bearbeiten und daraus ein verantwortliches

    und nachhaltiges Geschft zu machen.

    Firmen wie Dow Chemical, IBM, Interface Carpets oder

    Wal-Mart, um nur einige wenige zu nennen, haben von

    ihren Strategien, Plnen und Lieferketten bis zu ihren Pro-

    dukten und Dienstleistungen gesellschaftliche und ko-logische Fragen mit ihrem Kerngeschft verknpft. Die

    operative Herausforderung fr diese Firmen besteht

    darin, Marketing, Fertigung, Finanzwesen, Forschung und

    Entwicklung sowie weitere betriebliche und kommerziel-

    le Funktionen in einer Strategie zu integrieren, die sie mit

    den Bedrfnissen und Anliegen der Gesellschaft ver-

    knpft. Dies schliet die gesamte Wertschpfungskette

    des Unternehmens ein, setzt Corporate Citizenship auf

    die Agenda der Fhrungskrfte und verbindet es mit dem

    Unternehmenszweck.

    Laut einer GlobeScan-Befragung jngeren Datums

    halten nur 30 Prozent der befragten 300 Corporate

    Citizenship-Experten die strategische Philanthropie fr

    ein wirksames Mittel,um die Millenniums-Entwicklungs-

    ziele (Millennium Development Goals, MDGs) der Ver-

    einten Nationen zu erreichen.Demgegenber bewer-

    ten fast 75 Prozent neue Geschftsmodelle und Inno-

    vationen als etwas oder sehr wirksam.19

    Wir erleben,wie eine Reihe von Corporate Citizens der

    nchsten Generation neue Geschftsmodelle ent-

    wickeln, die darauf zielen, Wertschpfung sowohl fr

    den Markt als auch fr die Gesellschaft zu erarbeiten.

    Was bedeutet das? Wirtschaftlich gesehen, erkunden

    diese Unternehmen unerschlossene Mrkte. Gesell-

    schaftlich betrachtet, bewegen sie sich auf unterver-

    sorgte Gemeinschaften zu. Neue Geschftsmodelle

    und Innovationen einer sozialen konomie nehmen

    vielerlei Formen an, und sie setzen auf unterschiedli-

    che Chancen und Bedrfnisse. Betrachten wir etwa

    die folgenden Ansatzpunkte:

    Das untere Ende der Pyramide

    Die niedrigste Einkommensgruppe umfasst nahezu

    vier Milliarden Menschen. Unternehmen brauchen

    neue Geschftsmodelle, damit auch die Armen zu

    Konsumenten werden knnen.Diese Modelle bein-

    20

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    18 John Elkington, Cannibals with Forks: The Triple-Bottom Line of21st Century Business (London: Capstone/John Wiley, 1997).

    19 Globescan 2007.

  • 7/31/2019 CCCDebatte01 Neue Rollen Und Aufgaben Fuer Unternehmen in Der Gesellschaft 2009

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    halten Mikrokredite, lokale Angebots- und Absatz-

    systeme sowie Schulungen fr Sozialunternehmer

    (social entrepreneurs);

    Entwicklung von Arbeitskrften

    Angesichts von Bevlkerungsexplosion und altern-den Belegschaften in Japan und im Westen ergrei-

    fen einige fhrende Unternehmen innovative Ma-

    nahmen bei der Anwerbung, Ausbildung und

    Beschftigung von benachteiligten Jugendlichen

    und Minderheiten und bei der Entwicklung neuer

    Einsatzmglichkeiten fr ltere Mitarbeiter;

    Entwicklung der Zulieferer

    Immer mehr Unternehmen verschreiben sich dem

    Wert der Vielfalt (diversity); gleichzeitig wchstdas gesellschaftliche Bedrfnis nach einer inklusi-

    ven konomie, die alle Menschen einbindet. Fh-

    rende Unternehmen arbeiten deshalb mit Zuliefe-

    rern, die Minderheiten angehren, benachteiligt

    und unerfahren sind, um dieses zugleich konomi-

    sche und gesellschaftliche Bedrfnis nach Vielfalt

    und Inklusion zu stillen;

    Entwicklung und Forschung zum Nutzen der Gesell-

    schaft

    Das Engagement in unerschlossenen Mrkten

    ganz gleich, ob fr neue Kundengruppen, fr neue

    Arbeitsmrkte oder fr neue Zulieferer - erfordert

    das berdenken hergebrachter Praktiken und das

    Experimentieren mit neuen. Einige dieser neuen

    Ideen gewinnen Modellcharakter oder finden

    Anwendung auf andere Produkte und Prozesse;

    Ko-Produktion von Werten

    Unternehmen arbeiten zusammen mit Kunden,

    Geschftspartnern und Stakeholdern wie Regie-

    rungen und NGOs zusammen,um gemeinsam wirt-

    schaftlichen und gesellschaftlichen Wert zu schaf-

    fen. Nutzen erwchst nicht allein aus Produkten

    und Prozessen, sondern auch aus engeren,vertrau-

    ensvolleren Beziehungen ber Sektorengrenzen

    hinweg.20

    Strategische Absicht:

    Corporate Citizenship als Strategie

    Seien wir ehrlich: Nur wenige Unternehmen whlen

    einen wirklich strategischen Ansatz fr Corporate Citi-

    zenship. Die vom Boston College Center for Corpora-te Citizenship im Jahr 2007 in den USA durchgefhrte

    Unternehmensbefragung stellte fest, dass sechs von

    zehn Unternehmen ihr Corporate Citizenship auf die

    Strategie abstimmten, weniger als vierzig Prozent

    machen es zu einem Teil ihrer Business-Plne. Beson-

    ders traditionelle Firmen beschrnken sich oft auf die

    enge Perspektive der Einhaltung von Gesetzen und Bran-

    chenstandards. Es gibt eine Reihe von Anzeichen, die

    den bergang eines Unternehmens zur Stufe des enga-

    gierten Corporate Citizenship markieren. Simon Zadekmacht darauf aufmerksam, dass sich Unternehmen

    auf dieser Stufe oft einen regelgeleiteten Ansatz zu

    eigen machen, um das Risiko eventueller Rechtsstrei-

    tigkeiten und Reputationsverluste zu minimieren.

    Wenn Unternehmen sich in diesem Bereich weiterentwi-

    ckeln, setzen sie sich typischerweise auch mit der Frage

    des business case fr ihre Corporate Citizenship-Pro-

    gramme auseinander. Unsere Forschung legt allerdings

    die Vermutung nahe, dass in diesem Stadium Kriterienund Indikatoren funktionalisiert werden. Diejenigen,

    die fr das gesellschaftliche Engagement des Unter-

    nehmens zustndig sind, sttzen sich auf besondere

    Vorteile fr Mitarbeiterfindung und bindung und frs

    Firmenimage; die Umweltbeauftragten beschftigen

    sich mit Einflssen auf Risiko- und Lebenszykluskosten;

    und die Finanzverantwortlichen betonen Offenlegung

    und Zugang zu Kapital. Topmanager, die das ganze

    Unternehmen im Blick haben, verweisen unterdessen

    auf die Strkung und den Wert der Marke.

    Corporate Citizenship: das Wert-Versprechen

    Interessanterweise knnen wir feststellen, dass viele der

    Unternehmen, die die integrative Stufe betreten, ihr

    gesellschaftliches Engagement weniger auf einem spezi-

    fischen business case als vielmehr auf ihre Unterneh-

    21

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

    20 Siehe John Weiser,Michele Kahane, Steve Rochlin, und Jessi-ca Landis, Untapped: Creating Value in Underserved Markets(San Francisco: Berrett-Koehler, 2006).

  • 7/31/2019 CCCDebatte01 Neue Rollen Und Aufgaben Fuer Unternehmen in Der Gesellschaft 2009

    22/28

    menswerte aufbauen.Ein typisches Beispiel dieser innen

    nach auen Logik ist die Danone Gruppe, das fran-

    zsische multinationale Unternehmen; es hat seinen

    Verhaltenskodex in ein Werte-Versprechen eingebet-

    tet, das als der Danone Weg bekannt geworden ist.

    Sein Ursprung geht auf die Protestbewegungen derspten 1960er Jahre zurck, als Antoine Riboud, der

    damalige Vorstandsvorsitzende des Vorgngerunter-

    nehmens, versprach, die neuen Erwartungen von Mit-

    arbeitern und Gesellschaft zu erfllen. Dieses Verspre-

    chen fand 1974 seinen formellen Ausdruck in einer

    Erklrung,die eine duale Verpflichtung zu wirtschaft-

    lichem Erfolg und gesellschaftlicher Verantwortung

    formulierte. Heute schlgt sich diese duale Verpflich-

    tung in einer Vielzahl von Kriterien nieder, die die

    Unternehmen der Gruppe fr Selbstbewertungenihres Corporate Citizenship nutzen, die wiederum von

    einem konzernweiten Lenkungsausschuss berprft

    werden.Eine andere Version kommt von Levi Strauss &

    Co., das bereits seit der Zeit, als Firmengrnder Levi-

    Strauss 1853 in San Francisco sein Textilgeschft erff-

    nete, ein wertgeleitetes Unternehmen ist. Obwohl das

    Unternehmen ein Corporate Citizenship-Pionier ist,hat

    ein Geschftsrckgang,der 1997 anhob, seinen sozia-

    len Schwung gedmpft.Um die Kraft dieser Werte neu

    zu beleben, hat das Unternehmen ein Pilotprogrammaufgelegt,das sein Werte-Versprechen in das operati-

    ve Geschft in Nordamerika - in Bereiche wie Perso-

    nalwesen, gesellschaftlichem Engagement oder

    Beschaffung ebenso wie in Marketing und Vertrieb

    integrieren sollte. Der Nordamerika-Chef Robert Han-

    son sagt ber die wertebasierte Wende: Wir schaffen

    es. Genau wie im Markt, mssen wir auch bei Corpo-

    rate Citizenship innovativ sein,wenn wir fr unsere Sta-

    keholder bedeutsam bleiben wollen. Deshalb arbei-

    ten wir daran, die Integration von Corporate Citizen-

    ship in unser Geschft auf jeder Ebene unserer Orga-

    nisation weiter voranzutreiben.

    Die Werte zum Leben erwecken

    Das Wert-Versprechen von Corporate Citizenship findet

    seinen deutlichsten Ausdruck, wenn es vollstndig mit

    der Vision und den Werten eines Unternehmens vermittelt

    ist. Vor einigen Jahren hat das Boston College Center

    for Corporate Citizenship mit Unilever zusammengear-

    beitet, um das Umfeld des Unternehmens zu analysie-

    ren und seine gesellschaftliche Rolle zu berdenken.

    Mehr als zweihundert Manager des globalen Unter-

    nehmens, das bekannt ist fr Haushalts- und Krper-

    pflegemarken wie Dove, Lifebuoy und Vaseline sowie

    fr Nahrungsmittel- und Getrnkemarken wie Lipton

    Tee, Knorr und Ben & Jerrys Eiskrem, diskutierten und

    analysierten den Fair Trade-Trend, das Problem vonFettleibigkeit und Fehlernhrung, den Umgang des

    Unternehmens mit Luft und Wasser und dergleichen

    mehr. Daraus entspann sich eine hitzige Debatte ber

    die ethischen Pflichten von Unternehmen einerseits,

    die moralische Gefahr, Gelder von Aktionren fr die

    Probleme der Welt auszugeben, andererseits. Dann

    machte ein Manager die Bemerkung ber Pflichten

    und Verantwortung von Unilever, die den Durchbruch

    bedeutete: Es geht darum, wer wir sind. Und wie wir

    Geschfte machen. Es ist in unseren Genen.

    Unilevers historisches Bekenntnis zu seiner Verantwor-

    tung fr die Gesellschaft lsst sich bis auf den Firmen-

    grnder,William Hesketh Lever, zurckverfolgen,der im

    ausgehenden 19. Jahrhundert eine Firmensiedlung

    gegrndet hatte, in der die Arbeiter zu gnstigen Mie-

    ten wohnen konnten, und der den seinerzeit unvor-

    stellbaren Acht-Stunden-Tag eingefhrt hatte, ebenso

    wie Krankengeld, Urlaubsgeld und Renten fr mnnli-

    che und auch weibliche Angestellte.Die Herausforde-rung von heute lautet, in den Worten eines Managers,

    das Erbe von Lever anzunehmen und es in die Welt

    von heute zu bertragen.

    Unilever war einer der Ersten der Branche,der mit fh-

    renden NGOs und ausgewhlten Firmen zusammen-

    arbeitete, um sich Themen wie Wasser, Fischfang und

    nachhaltiger Landwirtschaft anzunehmen.Nach dem

    Projekt mit dem Boston Colllege Center for Corporate

    Citizenship gab das Unternehmen sich eine Vitalitts-

    mission, die darauf zielt, alle Austauschprozesse mit

    der Gesellschaft mit Leben zu erfllen. In der Folge

    reduzierte das Unternehmen seine Umwelteintrge

    drastisch, wandte sich nachhaltiger Beschaffung und

    fair gehandeltem Tee zu, eliminierte Transfette und

    setzte seinen Produkten gesndere Inhaltstoffe zu.

    Damit hat das Unternehmen nicht nur bei geschftli-

    chen Entscheidungen gesellschaftliche Anliegen

    bercksichtigt, sondern vielmehr seine Geschftsstra-

    tegien darauf ausgerichtet, sich der schwierigen und

    oft auch besorgniserregenden Probleme anzunehmen,

    vor denen das Unternehmen und die Welt stehen.

    22

    Mirvis/Googins: Neue Rollen und Aufgaben fr Unternehmen in der Gesellschaft

  • 7/31/2019 CCCDebatte01 Neue Rollen Und Aufgaben Fuer Unternehmen in Der Gesellschaft 2009

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    Erschlieung neuer Mrkte und sozialer Wandel

    Nehmen wir beispielsweise das Problem der Fettleibig-

    keit, das in den USA und Europa weit verbreitet ist und

    inzwischen auch Indien, China und andere Teilen der

    Welt erreicht hat. Hochrechnungen zufolge wird Typ IIDiabetes pandemische Ausmae erreichen von

    heute etwa 180 Millionen zu 370 Millionen Fllen im

    Jahre 2030. Gleichzeitig haben sich auch die Ansich-

    ten ber die Ursachen von Fettleibigkeit deutlich

    gendert. Eine Analyse von Artikeln ber Fettleibigkeit

    in der New York Times zeigte, dass 1990 etwa 84 Pro-

    zent der Artikel Fettleibigkeit auf individuelle Gewohn-

    heiten zurckfhrten, nur 14 Prozent nannten uere

    Faktoren als Ursache.Dreizehn Jahre spter hingegen

    hoben nur noch 54 Prozent der Artikel die Bedeutungdes individuellen Verhaltens hervor, whrend nun 46

    Prozent externe Ursachen anfhren ein Anstieg auf

    das Dreifache.21 Natrlich ist dies eine Bedrohung fr

    Fastfood-Franchisegeber und Getrn-kehersteller.

    Gleichzeitig lsst es den Markt fr gesndere Lebens-

    mittel expandieren. Unilever hat, ebenso wie etwa

    Nestl, Pepsico und Kraft, eifrig daran gearbeitet,

    ungesunde Inhaltsstoffe zu ersetzen und in ihren Sorti-

    menten gesndere Alternativen anzubieten.

    Unilever hat auch sein bottom of the pyramid-Geschftsmodell in den Entwicklungslndern ausge-

    weitet und die Dove-Initiative fr wahre Schnheit

    ins Leben gerufen.22 CEO Patrick Cescau hat die

    Handlungslogik fr Unilever pointiert zusammenge-

    fasst: Erfolgreiche Firmen werden die gesamte Pyra-

    mide abdecken fr Verbraucher auf jedem Einkom-

    mensniveau ... Bei gesellschaftlicher Verantwortung

    von Unternehmen geht es nicht nur um nachhaltige

    Entwicklung und Reputationsgewinn. Es geht auch

    darum,Mrkte zu entwickeln und Innovationen voran-

    zutreiben.

    Leadership: von oben nach unten

    In der Entwicklung von Corporate Citizenship gibt es

    noch immer Topmanager, die im Anfangsstadium stehen

    und berwiegend Lippenbekenntnisse abgeben, aber

    eine wachsende Anzahl wandelt sich vom wohlmeinen-

    den Untersttzer zu einem Sachwalter fr Corporate Citi-

    zenship im gesamten Unternehmen. Dieser Vernde-

    rungsprozess hat verschiedene Grnde. Zum einen

    steht ein CEO heutzutage ungleich mehr im Licht der

    ffentlichkeit als vor 25 Jahren.Auerdem ist mit dem

    ber Jahrzehnte gewachsenen Misstrauen gegen-

    ber der Wirtschaft zugleich der Ruf nach Verantwor-

    tung von Wirtschaftsfhrern fr das gesellschaftliche

    und kologische Handeln ihrer Unternehmen lauter

    geworden. Das zwingt die CEOs, selbst die Aufsichtber Corporate Citizenship