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Universitätsstrasse 150, D-44780 Bochum SS 2010 SS 2010 1. Auflage MASTERPraktikum RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM

C:/Dokumente und Einstellungen/Hetmanczyk/Desktop ... · Allgemeine Hinweise Das Master-Praktikum Kommunikationstechnik gliedert sich in vier Versuche, welche die Inhalte der Vorlesungen

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Universitätsstrasse 150, D-44780 Bochum

SS2010

SS 2010

1. Auflage

MASTERPraktikum

RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM

Allgemeine Hinweise

Das Master-Praktikum Kommunikationstechnik gliedert sich in vier Versuche, welche die

Inhalte der Vorlesungen „Schaltungstheorie“ und „Nachrichtentechnik“ weiter vertiefen.

Die Praktikumsversuche sind jeweils drei Phasen untergliedert:

1. Vorbereitung auf den theoretischen Teil des Versuchs anhand der Unterlagen.

2. Praktische Durchführung des Versuchs und Erstellung eines Messprotokolls.

3. Schriftliche Auswertung der Versuchsergebnisse.

Vor dem Praktikum ist der theoretische Teil zu erlernen und die gestellten Vorbereitungs-

aufgaben sind vollständig zu bearbeiten. Werden zu Beginn der Versuchsdurchführung bei

einem Studierenden grobe inhaltliche oder formale Mängel in der schriftlichen Vorbereitung

festgestellt oder sind essentielle Verständnislücken vorhanden, so kann der Versuch nicht

durchgeführt werden. Es wird dann ein Ersatztermin gegen Ende des Semesters angeboten,

der beispielsweise auch im Falle einer Krankheit in Anspruch genommen werden kann. Für

das gesamte Praktikum wird nur ein Ersatztermin angeboten.

Bei der Vorbereitung, Protokollierung und Auswertung sind gewisse Grundregeln des

wissenschaftlichen und ingenieurgemäßen Arbeitens einzuhalten, wie ein sauberes Schriftbild

in geordneten Zeilen und mit einem Lineal gezogene Linien. Wer hierbei Schwierigkeiten hat,

kann die Unterlagen auch in Maschinenschrift anfertigen. Die Vorbereitungsaufgaben sind

von jedem Teilnehmer einzeln anzufertigen, bei Protokollierung und Auswertung genügt eine

Anfertigung je Gruppe. Die Schriftstücke sind geordnet und strukturiert mit Datum und

Namen des Schreibers bzw. der Gruppe abzugeben. Insbesondere ist die in den Praktikums-

unterlagen vorgegebene Nummerierung einzuhalten. Der Auswertung ist das Messprotokoll

beizufügen und alle gemessenen Verläufe sind zu beurteilen und zu kommentieren. Ein

schwer wiegender Verstoß gegen diese Regeln führt zur Nichterteilung des Testates. Liegt die

schriftliche Auswertung nicht spätestens drei Wochen nach der Durchführung des Versuchs

in einer bewertbaren Form vor, so wird das Testat ebenfalls nicht erteilt. Sind Korrekturen

in der Ausarbeitung erforderlich, so müssen diese innerhalb von zwei Wochen eingearbeitet

werden.

Sollten sich bei der Bearbeitung der Aufgaben Unklarheiten oder Probleme ergeben, die

der Studierende nicht selbstständig lösen kann, helfen die Betreuer des jeweiligen Prakti-

kums – innerhalb ihrer Sprechstunden – gerne weiter. Gleiches gilt natürlich auch für die

Auswertung der Versuchsergebnisse.

Versuchsverzeichnis

Fernmeldekabel NT-V1

Nichtlineare Verzerrungen NT-V2

Reaktanzeintore NT-V3

Reaktanzzweitore NT-V4

Versuch NT-V1: Fernmeldekabel

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 2

2 Die Leitungsgleichungen 2

2.1 Leitungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2.2 Ersatzschaltbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

3 Verhalten der Leitung bei sinusförmiger Anregung 5

3.1 Entkopplung des DGL-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

3.2 Die Lösung der gewöhnlichen Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . 7

3.3 Fortpflanzungskonstante und Wellenübertragungsmaß . . . . . . . . . . . . . 9

3.4 Reflexionsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3.5 Näherungslösungen für verschiedene Frequenzbereiche . . . . . . . . . . . . . 11

3.6 Kettenmatrix der Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3.7 Eingangsimpedanz einer Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.8 Messung von Leitungskenngrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

4 Verhalten der elektrischen Leitung bei impulsförmiger Anregung 19

4.1 Bestimmung des Typs und der Entfernung einer Störstelle . . . . . . . . . . 23

5 Nebensprechen 24

5.1 Kopplungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

5.2 Berechnung der kapazitiven Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

5.3 Berechnung der induktiven Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

6 Messaufgaben 28

6.1 Messungen bei pulsförmigem Signal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

6.2 Messungen im eingeschwungenen Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Literaturverzeichnis 33

NT-V1 - 1

1 Einleitung

Mit dem Praktikumsversuch Fernmeldekabel soll veranschaulicht werden, welchen Einflüssen

ein Signal bei der Übertragung auf einem Fernmeldekabel ausgesetzt ist. Die Studierenden

sollen mit den wichtigsten Kenngrößen einer Leitung vertraut gemacht werden und die-

se insbesondere im Hinblick auf ihre Frequenzabhängigkeit untersuchen. Im ersten Teil

dieses Umdrucks wird ein Ersatzschaltbild für ein kurzes Leitungsstück entwickelt, mit

dessen Hilfe die sogenannten Telegrafengleichungen hergeleitet werden können. Für den

wichtigen Spezialfall des eingeschwungenen Zustands bei sinusförmiger Anregung wird eine

Lösung dieser Leitungsgleichungen ermittelt. Zudem werden die wichtigsten Kenngrößen

einer Leitung vorgestellt. Im zweiten Teil wird das Verhalten der Leitung bei Anregung

mit einem impulsförmigen Signal betrachtet. Es handelt sich hierbei um die Grundlage der

Reflektometrie, mit deren Hilfe man sich einen schnellen Überblick über den Typ einer Stör-

stelle (z. B. Kabelbruch oder Kurzschluss) verschaffen kann. Weiterhin ist eine Abschätzung

der Entfernung einer Störstelle möglich. Im dritten Teil wird schließlich auf das bekannte

Phänomen des Nebensprechens, d. h. den Einfluss benachbarter Leitungen auf die betrachtete

Leitung, eingegangen. Im Text sind insgesamt 8 Vorbereitungsaufgaben enthalten, die von

allen Versuchsteilnehmern schriftlich zu bearbeiten sind.

2 Die Leitungsgleichungen

2.1 Leitungsarten

Die drahtgebundene Nachrichtentechnik arbeitete anfänglich nur mit Freileitungen. Diese

sind kostengünstig, haben jedoch den Nachteil, dass sie allen klimatischen Schwankungen

(Temperatur, Regen usw.) ausgesetzt sind. Im Laufe der Zeit haben sich daher die betriebs-

sicheren Kabel durchgesetzt. In einem Kabel befinden sich mehrere mit einer Kunststoff-

Isolation versehene Kupferdrähte, die so genannten Adern, von denen jeweils zwei zu einem

Sprechkreis gehören. Üblicherweise werden vier solcher Adern miteinander verseilt. Beim

Sternvierer haben die vier Adern an jeder Stelle des Viererseils die gleiche Lage zueinander

und sind so angeordnet, dass sich die zu einem Paar gehörenden Adern gegenüberliegen

(Bild 1a). Wegen der größeren Kapazitäten hat der Sternvierer vorwiegend im regionalen

Bereich Bedeutung. Für Fernleitungen wird dagegen fast ausschließlich der Dieselhorst-

Martin-Vierer verwendet, bei dem in getrennten Arbeitsgängen zunächst je zwei Adern zu

einem Paar verseilt und anschließend die beiden Paare zu einem Vierer verseilt werden. Die

zwei Paare haben somit an jeder Stelle des Viererseils eine andere Lage zueinander (Bild 1b).

Im Normalfall enthält ein Kabel nicht nur einen Vierer, sondern um den innersten Vierer, die

so genannte Kabelseele, herum werden in mehreren Lagen weitere Vierer angeordnet. In der

ersten Lage haben 6 Vierer Platz, in der zweiten 12 und in jeder weiteren Lage jeweils 6 Vierer

mehr (Bild 2). Außer den Paralleldrahtleitungen werden in zunehmendem Maße Kabel

mit koaxialen Leitungen verwendet. Ihr Vorteil ist, dass sie sich – insbesondere bei hohen

Frequenzen – selbst abschirmen. Die Paralleldrahtleitungen und die Koaxialleitungen haben

gemeinsam, dass sie einen Leiter für die eine Stromrichtung und isoliert davon einen Leiter

für die Gegenrichtung besitzen. Es ist daher möglich, ein gemeinsames Ersatzschaltbild für

die beiden Leitungstypen anzugeben.

NT-V1 - 2

a)

b)

Bild 1: Anordnung der Adern im Sternvierer (a) und im Dieselhorst-Martin-Vierer (b)

1

2

89

10

113

45

6

7Kabelseele

1. Lage

2. Lage

Bild 2: Anordnung der Vierer in einem Kabel

2.2 Ersatzschaltbild

Die elektromagnetische Energie breitet sich auf einer Leitung wellenförmig aus. Zur Be-

rechnung der Zeit- und Ortsabhängigkeit von Strom und Spannung entlang der Leitung

wird die Leitung nach Bild 3a als Kaskade von vielen kurzen Leitungselementen der Län-

ge ∆x betrachtet. Für ein solches Leitungselement kann dann mithilfe der Kirchhoff-

Gleichungen der Zusammenhang zwischen den Eingangs- und Ausgangsgrößen ermittelt

werden. Dabei muss allerdings vorausgesetzt werden, dass die Leitung homogen ist. Das

heißt, die Ausbreitungsbedingungen des elektromagnetischen Feldes müssen längs der Lei-

tung konstant sein. Dazu gehören unter anderem der Abstand der Leiter, die Leitfähigkeit

der Leiter, die Dielektrizität und die Permeabilität im Raum zwischen den Leitern. Infolge

der Ströme in den Leitungsdrähten wird in diesen und um sie herum ein magnetisches Feld

aufgebaut, das einen magnetischen Fluss zur Folge hat. Das Leitungsstück der Länge ∆x hat

daher eine Induktivität, die sich aus der Beziehung vom erzeugten Fluss zum erzeugenden

Strom berechnen lässt. Zwischen den einzelnen Leitern gibt es außerdem eine Kapazität. Das

Bild 3b zeigt eine Ersatzschaltung des kurzen Leitungsstücks, in dem neben der Induktivität

und der Kapazität auch die Verluste der Doppelleitung berücksichtigt sind. Die Werte R′,

L′, G′ und C ′ werden Leitungsbeläge genannt. Es handelt sich hierbei um längenbezogene

Größen. Bezieht man R′ z. B. auf einen Kilometer Kabellänge, so lautet die Einheit des

Widerstandsbelags Ω/km. Der Strom und die Spannung sind sowohl Funktionen der Zeit t

NT-V1 - 3

als auch des Ortes x:

u = u(x,t) und i = i(x,t) .

Durch Anwendung der Kirchhoff-Maschenregel erhält man aus dem Bild 3b die folgende

Gleichung:

u(x,t) +∆u = u(x,t) − L′∆x∂i(x,t)

∂t−R′∆x i(x,t)

⇔ ∆u

∆x= −L′

∂i(x,t)

∂t− R′i(x,t) . (1)

Führt man den Grenzübergang ∆x → 0 durch, so folgt daraus die partielle Differentialglei-

a)

b)

i1(t) = i(0,t) i2(t) = i(l,t)

u1(t) = u(0,t) u2(t) = u(l,t)

l

x

x

∆x

∆x

u(x,t)

u(x,t)

i(x,t)

i(x,t) i(x,t) +∆iR′∆x L′∆x

G′∆x C ′∆x u(x,t) +∆u

x+∆x

Bild 3: Man betrachtet die Leitung der Länge l als Kaskade von vielen kurzen Leitungselementender Länge ∆x. Für jedes dieser Leitungselemente lässt sich dann die darunter abgebildeteErsatzschaltung mit den Leitungsbelägen R′, L′, G′ und C ′ angeben.

chung:

−∂u∂x

= L′∂i

∂t+R′i . (2)

Mit der Kirchhoff-Knotenregel erhält man die entsprechende Beziehung für den Strom i:

i(x,t) +∆i = i(x,t) − C ′∆x∂ [u(x,t) +∆u]

∂t−G′∆x [u(x,t) +∆u] .

NT-V1 - 4

Wird diese Gleichung durch ∆x dividiert und Gleichung (1) eingesetzt, so ergibt sich:

∆i

∆x= −C ′

∂u(x,t)

∂t−G′u(x,t)

+∆x

C ′L′∂2i(x,t)

∂t2+ [C ′R′ +G′L′]

∂i(x,t)

∂t+G′R′i(x,t)

.

Hieraus folgt mit dem Übergang ∆x→ 0

− ∂i

∂x= C ′

∂u

∂t+G′u. (3)

Die Gleichungen (2) und (3) stellen zusammen ein System partieller Differentialgleichungen

1.Ordnung dar. Leitet man nun in (2) auf beiden Seiten nach x und in (3) nach t ab, so

ergeben sich die Beziehungen

−∂2u

∂x2= L′

∂2i

∂t∂x+R′

∂i

∂x(4)

und − ∂2i

∂t∂x= C ′

∂2u

∂t2+G′

∂u

∂t. (5)

Setzt man nun Gleichung (5) in (4) ein, so erhält man:

⇒ ∂2u

∂x2= L′C ′

∂2u

∂t2+ L′G′

∂u

∂t− R′

∂i

∂x

In diese Gleichung wird anschließend Gleichung (3) eingesetzt, so dass folgende partielle

Differentialgleichung 2.Ordnung entsteht:

∂2u

∂x2= L′C ′

∂2u

∂t2+ [L′G′ +R′C ′]

∂u

∂t+R′G′u . (6)

Diese Differentialgleichung stellt eine der beiden Telegrafengleichungen dar. Die andere Te-

legrafengleichung ist die entsprechende Differentialgleichung 2.Ordnung, welche man erhält,

wenn man die Beziehungen (2) und (3) in Abhängigkeit vom Strom i(x,t) zusammenfasst.

3 Verhalten der Leitung bei sinusförmiger Anregung

Im vergangenen Abschnitt konnte man sehen, dass das Verhalten der Spannung auf einer Lei-

tung durch eine lineare partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung beschrieben werden

kann. Wie man im vorherigen Abschnitt sehen konnte, lässt sich für die homogene Leitung

eine lineare Ersatzschaltung angeben. Da ferner die Leitung bei sinusförmiger Anregung

im eingeschwungenen Zustand betrachtet werden soll, kann die komplexe Wechselstrom-

rechnung verwendet werden. Die Gleichungen (2) und (3) lassen sich in komplexer Form

durch

−∂U∂x

= jωL′I +R′I (7)

und

−∂I∂x

= jωC ′U +G′U (8)

darstellen.

NT-V1 - 5

3.1 Entkopplung des DGL-Systems

Zur Lösung des Systems gekoppelter Differentialgleichungen (7) und (8) werden die Glei-

chungen entkoppelt. Hierzu werden zwei neue komplexwertige und ortsabhängige Variablen

A(x) und B(x) mit der Dimension einer Spannung eingeführt

A : = U + ZI (9)

B : = U − ZI . (10)

In Matrizenschreibweise lauten die Gleichungen (9) und (10)

[AB

]

=

[1 Z1 −Z

] [UI

]

. (11)

Die inverse Darstellung dieser Transformation ist

[UI

]

=1

2

[1 11Z

− 1Z

] [AB

]

. (12)

Das DGL-System in den Gleichungen (7) und (8) mit p = jω

− ∂

∂x

[UI

]

=

[0 R′ + pL′

G′ + pC ′ 0

] [UI

]

(13)

geht mit Gleichung (12) über in

− ∂

∂x

[UI

]

= −1

2

[1 11Z

− 1Z

]∂

∂x

[AB

]

=1

2

[0 R′ + pL′

G′ + pC ′ 0

] [1 11Z

− 1Z

] [AB

]

.

Hierbei haben wir die komplexe Größe Z, die auch als Wellenwiderstand bezeichnet wird,

als vom Ort x unabhängig angenommen. Die letzte Gleichung führt unmittelbar auf die

Beziehung

− ∂

∂x

[AB

]

=1

2

[1 Z1 −Z

] [0 R′ + pL′

G′ + pC ′ 0

] [1 11Z

− 1Z

] [AB

]

.

Die Auswertung des dreifachen Matrizenproduktes bringt zunächst

[R′+pL′

Z−R′+pL′

Z

G′ + pC ′ G′ + pC ′

]

und dann

1

2

R′+pL′

Z+ (G′ + pC ′)Z (G′ + pC ′)Z − R′+pL′

Z

R′+pL′

Z− (G′ + pC ′)Z −(R

′+pL′

Z+ (G′ + pC ′)Z)

. (14)

NT-V1 - 6

Die Bedingung für die gewünschte Entkopplung beider Gleichungen ist

(G′ + pC ′)Z − R′ + pL′

Z= 0 (15)

oder Z2 =R′ + pL′

G′ + pC ′. (16)

Wird für Z die positive Wurzel gewählt, so ergibt sich:

Z =

R′ + pL′

G′ + pC ′. (17)

Die Festlegung der Größe Z in dieser Weise leistet mit den Transformationsgleichungen die

erwünschte Entkopplung des DGL-Systems. Als Quotient von Impedanz- zu Admittanzbelag

ist Z2 bei einer homogenen Leitung eine örtlich konstante Größe, die freilich von der Frequenz

abhängig ist. Übrig bleibt dann der Ausdruck

γ :=1

2

(

(G′ + pC ′)Z +R′ + pL′

Z

)

= (G′ + pC ′)Z =√

(R′ + pL′)(G′ + pC ′) . (18)

Die Größe γ wird auch als Fortpflanzungskonstante bezeichnet. Als Produkt aus Admittanz-

und Impedanzbelag ist γ bei einer homogenen Leitung ebenfalls eine örtlich konstante,

jedoch frequenzabhängige Größe.

Damit lauten die entkoppelten Differentialgleichungen

− ∂

∂x

[AB

]

=

[γ 0

0 −γ

] [AB

]

. (19)

3.2 Die Lösung der gewöhnlichen Differentialgleichungen

Beide Differentialgleichungen (DGLn) sind gewöhnlich, linear, homogen und besitzen längs

der Leitung den konstanten Koeffizienten γ. Somit kann man die Lösung einer DGL auf die

andere übertragen.

Bei Trennung der Variablen ergibt sich aus der ersten Differentialgleichung

A(x)∫

A(0)

dA

A= − γ

∫ x

0

d ζ

lnA(x)

A(0)= − γ(x)

A(x) = A(0)e−γx . (20)

Entsprechend wird die zweite DGL durch Gleichung (21) gelöst

B(x) = B(0)e+γx . (21)

NT-V1 - 7

In der übersichtlichen Matrixschreibweise gewinnen wir

[A(x)B(x)

]

=

[e−γx 0

0 eγx

] [A(0)

B(0)

]

. (22)

Im stationären Zustand erhalten wir den Zeitverlauf a(x,t) aus der Gleichung

a(x,t) = Re A(x) ept . (23)

Für sinusförmige Schwingungen an jedem Ort x der Leitung setzen wir p = jω und benutzen

aus Gleichung (22)

A(x) = e−γxA(0) . (24)

Wir erhalten nun

a(x,t) = Re A(0) e−γx ejωt . (25)

Für die rücklaufende Welle b(x,t) gehen wir ähnlich vor, und erhalten zunächst

b(x,t) = Re B(x) ept . (26)

Setzen wir nun Gleichung (21) ein, so ergibt sich

b(x,t) = Re B(0) eγx ejωt . (27)

Die Spannung u(x,t) längs der Leitung ergibt sich zu

2u(x,t) = a(x,t) + b(x,t) . (28)

In diese Beziehung werden die Gleichungen (25) und (27) eingesetzt und man erhält

u(x,t) =1

2Re

A(0) e−γx ejωt +B(0) eγx ejωt

. (29)

Diese Spannung u(x,t) setzt sich aus dem Spannungsanteil der hinlaufenden Welle uh(x,t)und dem Spannungsanteil aus der rücklaufenden Welle ur(x,t) zusammen. Es ist also:

u(x,t) = uh(x,t) + ur(x,t) , (30)

wobei

uh(x,t) =1

2a(x,t) =

1

2Re A(0) e−γx ejωt = Re

Uhe−γx ejωt

(31)

und

ur(x,t) =1

2b(x,t) =

1

2Re B(0) eγx ejωt = Re

Ure

γx ejωt. (32)

NT-V1 - 8

Hierbei ist Uh die komplexe Amplitude des Spannungsanteils der hinlaufenden und Ur die

komplexe Amplitude des Spannungsanteils der rücklaufenden Welle. Zwischen den komple-

xen Amplituden der Spannungsanteile und den komplexen Amplituden der Wellengrößen

bestehen also folgende Zusammenhänge:

Uh =1

2A(0) , (33)

Ur =1

2B(0) . (34)

Die komplexe Amplitude der Spannung kann man auch als

U(x) = Uhe−γx + Ureγx (35)

schreiben. Bildet man die Differenz aus (9) und (10), so ergibt sich

2ZI(x) = A(x) − B(x) .

Eine Division durch 2Z führt auf

I(x) =1

2Z(A(x) − B(x)) .

In diese Gleichung wird nun (22) eingesetzt und man erhält

I(x) =1

2Z

(e−γxA(0) − eγxB(0)

). (36)

Unter Ausnutzung der Gleichungen (33) und (34) ergibt sich

I(x) =1

Z

(e−γxUh − eγxUr

). (37)

Dies kann durch

I(x) = e−γxIh − eγxIr (38)

mit

Ih =Uh

Z, Ir =

Ur

Z(39)

ausgedrückt werden.

3.3 Fortpflanzungskonstante und Wellenübertragungsmaß

Wie stark die Welle gedämpft wird, lässt sich anhand des Eigenwertes γ aus Gleichung (18)

ermitteln, welcher auch Fortpflanzungskonstante1 heißt:

γ =√

[jωL′ +R′][jωC ′ +G′] = α + jβ .

1Tatsächlich ist γ eine Funktion von jω, die aber bezüglich des Ortes x konstant ist. Zur Entlastung derSchreibweise wird im Folgenden auf die korrektere Schreibweise γ(jω) verzichtet und lediglich γ verwendet.Entsprechend wird auch beim Real- und Imaginärteil von γ verfahren.

NT-V1 - 9

Der Realteil von γ wird Dämpfungskonstante α und der Imaginärteil Phasenkonstante βgenannt. Wie man durch Einsetzen in die hinlaufende Welle uh(x,t) erkennt, entspricht

nämlich das Produkt aus α und der Länge x der Dämpfung a(x) und das Produkt aus βund x der Phasendrehung b(x):

uh(x,t) = ReUh e−γxejωt = ReUh e−[α+jβ]xejωt= ReUh e−[a(x)+jb(x)]ejωt = ReUh e−a(x)ej[ωt+b(x)] .

(40)

Das Produkt der Fortpflanzungskonstante γ mit der Länge x heißt Wellenübertragungsmaß

und wird mit g(x) bezeichnet. Es gilt

g(x) = γx = aNp(x) + jbph(x) . (41)

Da γ von ω abhängt, sind sowohl die Dämpfung als auch die Phasendrehung frequenz-

abhängig. Aus (40) folgt, dass die Dämpfung aNp(x) dem logarithmierten Verhältnis aus

der Amplitude der Spannung uh(0,t) am Leitungsanfang und der Amplitude der Spannung

uh(x,t) an der Stelle x entspricht:

aNp(x) = αx = lnmax |uh(0,t)|max |uh(x,t)|

in Np .

Die Einheit dieser Dämpfung heißt Neper. Heutzutage wird die Dämpfung häufiger in Dezibel

angegeben, welche man erhält, wenn anstelle des natürlichen Logarithmus der dekadische

Logarithmus lg verwendet wird:

adB(x) = 20 lgmax |uh(0,t)|max |uh(x,t)|

in dB .

Vorbereitungsaufgabe 3.1:

Laut CCI (Comité Consultatif International) ist für eine Fernsprechleitung eine Dämpfung

von aNp(x) = 4.6 Neper noch zulässig [Artu57].

a) Auf wie viel Prozent ihres Sendewertes max |uh(0,t)| ist die Spannung max |uh(x,t)|abgesunken, wenn sie um 4.6 Neper gedämpft worden ist?

b) Wie groß ist diese Dämpfung in dB?

3.4 Reflexionsfaktor

Der Reflexionsfaktor (l) gibt das Verhältnis der komplexen Amplitude des Strom- bzw.

Spannungsanteils der reflektierten Welle zur entsprechenden komplexen Amplitude der ein-

fallenden Welle am Leitungsende x = l an:

(l) =Ure

γl

Uhe−γl=

Ireγl

Ihe−γl.

Durch Einsetzen in die Gleichungen (35) bzw. (38) erhält man daraus die Beziehungen:

U(l) = Uhe−γl + Ureγl = Uhe−γl[1 + (l)]

bzw. I(l) = Ihe−γl − Ireγl = Ihe−γl [1 − (l)] .

NT-V1 - 10

Wenn die Leitung am Ende mit dem Widerstand ZA abgeschlossen ist, gilt

ZA =U(l)

I(l)=Uhe−γl[1 + (l)]

Ihe−γl[1 − (l)]= Z

1 + (l)

1 − (l),

wobei Z der Wellenwiderstand aus (17) ist. Diese Beziehung lässt sich in eine Bestimmungs-

gleichung für den Reflexionsfaktor (l) umformen:

(l) =ZA − Z

ZA + Z.

Vorbereitungsaufgabe 3.2:

Welchen Wert nimmt der Reflexionsfaktor (l) bei

a) Leerlauf (ZA → ∞),

b) Anpassung (ZA = Z) und

c) Kurzschluss (ZA → 0)

an?

3.5 Näherungslösungen für verschiedene Frequenzbereiche

Wenn die Frequenz ω nahezu null ist, gilt R′ ≫ ωL′ und G′ ≫ ωC ′, so dass sich die

Ersatzschaltung aus dem Bild 3b zu der Ersatzschaltung im Bild 4a vereinfachen lässt. Auf

diesen Fall wird hier allerdings nicht eingegangen, da schon bei Frequenzen von wenigen

Hertz der Leitungsbelag G′ gegenüber ωC ′ vernachlässigbar ist. Die zu diesem Fall gehörige

Ersatzschaltung zeigt Bild 4b. Bis zum mittleren Sprachfrequenzbereich2 gilt somit nähe-

a) ω ≈ 0 b) bis mittlere Sprachfrequenzen c) höhere Frequenzen

R′∆xR′∆x

G′∆x C ′∆xC ′∆x

L′∆x

Bild 4: Vereinfachte Ersatzschaltungen des Leitungselements für verschiedene Frequenzbereiche

rungsweise

γ ≈√

R′jωC ′ =√ωR′C ′ ejπ/4 = [1 + j]

1

2ωR′C ′ . (42)

2Kommerzielle Sprachübertragung, bei der es nur auf Verständlichkeit ankommt, erfordert gemäßCCITT-Empfehlung einen Frequenzbereich von 300 Hz bis 3.4 kHz [Flei73].

NT-V1 - 11

Daraus folgt für die Dämpfungskonstante α und die Phasenkonstante β

α ≈ β ≈√

1

2ωR′C ′ . (43)

Der Wellenwiderstand Z vereinfacht sich mit den Annahmen R′ ≫ ωL′ und ωC ′ ≫ G′ zu

Z ≈√

R′

jωC ′=

R′

ωC ′e−jπ/4 . (44)

Wird ein Kabel bei höheren Frequenzen genutzt, so macht sich der induktive Widerstand

zunehmend bemerkbar, und es gilt das Ersatzschaltbild im Bild 4c. Die Bestimmung der

Näherungslösung für die Konstanten γ, α und β erfordert einige Zwischenschritte. Zunächst

stellt man das Quadrat der Fortpflanzungskonstante γ mit Betrag und Phase dar:

γ2 = [R′ + jωL′][G′ + jωC ′] =√

[R′2 + ω2L′2][G′2 + ω2C ′2] ej[ϕL+ϕC ]

mit ϕL = arctan

(ωL′

R′

)

und ϕC = arctan

(ωC ′

G′

)

.

Für die Fortpflanzungskonstante γ gilt somit

γ = 4

[R′2 + ω2L′2][G′2 + ω2C ′2] ej[ϕL+ϕC ]/2

= 4

[R′2 + ω2L′2][G′2 + ω2C ′2]

[

cos

(ϕL + ϕC

2

)

+ j sin

(ϕL + ϕC

2

)]

= α + jβ .

Wegen ωL′ ≫ R′ und ωC ′ ≫ G′ ist es sinnvoll, die Winkel ϕL und ϕC in der folgenden

Weise auszudrücken:

ϕL =π

2− arctan

(R′

ωL′

)

bzw. ϕC =π

2− arctan

(G′

ωC ′

)

.

Für kleine Argumente gelten die Näherungen

arctan

(R′

ωL′

)

≈ R′

ωL′und arctan

(G′

ωC ′

)

≈ G′

ωC ′.

Mit

cos

(ϕL + ϕC

2

)

≈ cos

2−

[R′

2ωL′+

G′

2ωC ′

])

= sin

(R′

2ωL′+

G′

2ωC ′

)

≈ R′

2ωL′+

G′

2ωC ′

erhält man somit für den Realteil von γ, d. h. für die Dämpfungskonstante α, die Approxi-

mation

α =4√ω2L′2ω2C ′2 cos

(ϕL + ϕC

2

)

≈ 2√ω2L′C ′

[R′

2ωL′+

G′

2ωC ′

]

=R′

2

C ′

L′+G′

2

L′

C ′,

die sich wegen der bei Kabeln gültigen Beziehung R′ ≫ G′ weiter zu

α ≈ R′

2

C ′

L′(45)

vereinfachen lässt.

NT-V1 - 12

Vorbereitungsaufgabe 3.3:

Erläutern Sie anhand der Beziehung (45), weshalb es durch den Einsatz konzentrierter

Induktivitäten möglich ist, die Reichweite von Kabelverbindungen zu erhöhen. Welchen

Nachteil hat dieses Verfahren, das auch als Pupinisierung bezeichnet wird?

Der Imaginärteil von γ, d. h. die Phasenkonstante β, ergibt sich bei hohen Frequenzen

wegen

sin

(ϕL + ϕC

2

)

≈ cos

(R′

2ωL′+

G′

2ωC ′

)

≈ 1 (46)

näherungsweise zu

β =4√ω2L′2ω2C ′2 sin

(ϕL + ϕC

2

)

≈ 2√ω2L′C ′ = ω

√L′C ′ . (47)

Die Näherungslösung der Fortpflanzungskonstante γ lautet somit für hohe Frequenzen

γ ≈ R′

2

C ′

L′+ jω

√L′C ′ . (48)

Der Wellenwiderstand Z nimmt mit ωL′ ≫ R′ und ωC ′ ≫ G′ den Wert

Z ≈√

jωL′

jωC ′=

L′

C ′. (49)

an. Bei hohen Frequenzen ist der Wellenwiderstand Z folglich näherungsweise reell und

konstant. Die angegebene Näherung ist im Fall R′ = 0 und G′ = 0 sogar exakt, der

Wellenwiderstand einer verlustfreien Leitung folglich stets reell.

Vorbereitungsaufgabe 3.4:

Im Bild 5 sind die Ortskurven des Wellenwiderstands Z und der Fortpflanzungskonstante γeiner Leitung mit den Leitungsbelägen

R′ = 74 Ω/km , L′ = 600µH/km , C ′ = 37 nF/km und G′ = 1µS/km

abgebildet. In den Bildern 6 und 7 sind die zugehörige Dämpfungskonstante α und die

Phasenkonstante β in Abhängigkeit von der Frequenz f doppelt logarithmisch dargestellt.

1. Zeichnen Sie in die obere Teilgrafik des Bildes 5 die Näherungslösung (44) für den

mittleren Frequenzbereich. Berechnen und markieren Sie außerdem den Wert√

L′/C ′,

gegen den die Ortskurve bei hohen Frequenzen strebt.

2. Zeichnen Sie die Näherungslösungen (42) und (48) der Ortskurve der Fortpflanzungs-

konstante γ in die untere Teilgrafik des Bildes 5 .

3. Zeichnen Sie die Näherungslösungen (43) und (45) bzw. (43) und (47) in die Bilder 6

und 7.

4. Stellen die berechneten Näherungslösungen gute Approximationen der Kurven dar?

NT-V1 - 13

Im(Z) in Ω

f bzw. ω

Re(Z) in Ω

−500

−1000

−1500

−2000

−2500

1000 2000 3000 4000

0 0,5 1 1,5 20

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4Im(γ) in km−1

Re(γ) in km−1

f bzw. ω

Bild 5: Ortskurven des Wellenwiderstands Z und der Fortpflanzungskonstante γ

NT-V1 - 14

α(f) in km−1

f in Hz

10−1

10−2

101 102 103 104 105

Bild 6: Doppelt logarithmische Darstellung der Dämpfungskonstanten α

β(f) in km−1

f in Hz

100

10−1

10−2

101 102 103 104 105

Bild 7: Doppelt logarithmische Darstellung der Phasenkonstanten β

NT-V1 - 15

3.6 Kettenmatrix der Leitung

Betrachtet man die Leitung der Länge l als Zweitor (Bild 8), so entspricht die Spannung u1

der Spannung u(0,t) am Leitungsanfang und der Strom i1 dem Strom i(0,t) bei x = 0. In

komplexer Darstellung ergibt sich für den eingeschwungenen Zustand:

U1 = [Uh + Ur] ,

I1 =1

Z[Uh − Ur] .

Die Größen U2 und I2 sind gleich der Spannung bzw. dem Strom bei x = l:

U2 = Uhe−γl + Ureγl ,

I2 =1

Z[Uhe−γl − Ure

γl] .

r

E

ZE 1 2

1′ 2′

U1 U2

I1 I2

ZAW1

Leitung

Bild 8: Interpretation einer Leitung als Zweitor

Man kann folgende Matrixbeziehungen aufstellen:[U1

Z I1

]

=

[1 1

1 −1

] [Uh

Ur

]

(50)

bzw.[U2

Z I2

]

=

[e−γl eγl

e−γl −eγl

] [Uh

Ur

]

. (51)

Löst man die letzte Beziehung nach Uh und Ur auf, so ergibt sich:[Uh

Ur

]

=1

2

[eγl eγl

e−γl −e−γl

] [U2

Z I2

]

.

Einsetzen in (51) führt zu der Darstellung[U1

Z I1

]

=1

2

[1 1

1 −1

] [eγl eγl

e−γl −e−γl

] [U2

Z I2

]

.

Daraus ergibt sich die Kettenmatrix des Zweitors zu[U1

I1

]

=

[cosh(γl) Z sinh(γl)sinh(γl)/Z cosh(γl)

] [U2

I2

]

. (52)

NT-V1 - 16

3.7 Eingangsimpedanz einer Leitung

Die Eingangsimpedanz der Leitung im Bild 8 ist

W1 =U1

I1. (53)

Aus (52) erhält man die Beziehungen

U1 = U2 cosh(γl) + I2Z sinh(γl)

I1 = I2 cosh(γl) +U2

Zsinh(γl) .

Daraus folgt mit ZA = U2/I2 die Eingangsimpedanz

W1 =U2 cosh(γl) + I2Z sinh(γl)

I2 cosh(γl) +U2

Zsinh(γl)

= Z

U2

I2+ Z

sinh(γl)

cosh(γl)

Z +U2

I2

sinh(γl)

cosh(γl)

= ZZA + Z tanh(γl)

Z + ZA tanh(γl). (54)

Wie bei der Reflexion sind auch bei der Eingangsimpedanz die folgenden Sonderfälle von

besonderem Interesse:

• Leerlauf: ZA → ∞ W1L = Z coth(γl)• Anpassung: ZA = Z W1 = Z• Kurzschluss: ZA → 0 W1K = Z tanh(γl)

.

Vorbereitungsaufgabe 3.5:

Der Wellenwiderstand Z und die Dämpfung a(l) = α l einer Leitung sind bekannt. Bestim-

men Sie die Kurzschluss-Eingangsimpedanz W1K in Abhängigkeit von Z und a(l), wenn die

Länge der Leitung

a) l = λ/2 bzw.

b) l = λ/4

beträgt.

Hinweis:

Nutzen Sie die Zusammenhänge

λ =2π

βund tanh(γl) =

tanh(αl) + j tan(βl)

1 + tanh(αl)j tan(βl).

3.8 Messung von Leitungskenngrößen

Der Betrag und die Phase der Leerlauf-Eingangsimpedanz und der Kurzschluss-Eingangs-

impedanz sind leicht messbar. Die Beziehungen

W1L = |W1L|ejϕL = Z coth(γl)

und W1K = |W1K|ejϕK = Z tanh(γl)

NT-V1 - 17

werden deswegen häufig zur Bestimmung des Wellenwiderstandes Z verwendet. Dieser ent-

spricht dem geometrischen Mittel aus W1L und W1K:

Z =√

|W1L||W1K| ej[ϕL+ϕK]/2 = |Z|ejϕz . (55)

Die Dämpfung a(l) und die Phase b(l) können ebenfalls aus den gemessenen Eingangsimpe-

danzen bei Leerlauf und Kurzschluss ermittelt werden. Dazu werden die Beziehungen

tanh(g(l)) = tanh(γl) =

|W1K||W1L|

ej[ϕK−ϕL]/2 = Mg ejψg (56)

und

g(l) = aNp(l) + jbph(l)

verwendet. Führt man die Leerlauf- und Kurzschlussmessungen für mehrere Frequenzen

durch, so kann man Z und g(l) bzw. aNp(l) und bph(l) in Abhängigkeit von den interessie-

renden Frequenzen bestimmen.

Bisher wurden die Leitungsbeläge wie konstante Größen behandelt. Tatsächlich hängen

R′, L′, G′ und C ′ jedoch von der Frequenz ab. R′ steigt – bedingt durch den Skineffekt –

mit zunehmender Frequenz an. Dasselbe gilt für G′, da bei höheren Frequenzen auch die

dielektrischen Verluste ansteigen. Der Induktivitätsbelag L′ nimmt bei steigender Frequenz

leicht ab. Der Grund hierfür ist die Stromverdrängung durch den Skin-Effekt, vgl. [ZB86].

In Bild 9 erkennt man, dass der Induktivitätsbelag und der Widerstandsbelag eines kurzen

Leitungsstücks der Länge ∆x aus der Kurzschluss-Eingangsimpedanz W1K ermittelt werden

können. Im Kurzschlussfall fällt nämlich an den Elementen G′ und C ′ keine Spannung ab.

Die daraus resultierende Beziehung

R′∆x L′∆x

G′∆x C ′∆xW1K

Bild 9: Liegt am Ende des kurzen Leitungsstücks ein Kurzschluss vor, so fällt an den Leitungsbe-lägen G′ und C ′ keine Spannung ab. In diesem Fall können die Leitungsbeläge R′ und L′

direkt aus der Kurzschluss-Eingangsimpedanz W1K bestimmt werden.

W1K = R′∆x+ jωL′∆x

kann näherungsweise auch für längere Leitungsstücke verwendet werden. Die Leitungslänge

darf allerdings nicht größer als λ/20 sein, da sonst der Einfluss der Wellenausbreitung die

Ergebnisse verfälscht [Flei73]. Für kurze Leitungen der Länge l gilt somit

[R′ + jωL′]l ≈W1K . (57)

NT-V1 - 18

Vorbereitungsaufgabe 3.6:

Eine 2-mm-Kabelleitung der Länge l = 5 km hat bei einer Frequenz von f = 1,4 kHz eine

Kurzschlussimpedanz von W1K = [58,5 + j26,4] Ω.

a) Wie groß ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit v der elektromagnetischen Welle auf der

Leitung, wenn εr = 1,95 und µr = 1 gilt?

b) Bestimmen Sie die Wellenlänge λ.

c) Bis zu welcher Leitungslänge lmax gilt die Näherung (57)?

d) Ermitteln Sie die Leitungsbeläge R′ und L′.

4 Verhalten der elektrischen Leitung bei impulsförmiger

Anregung

In den folgenden Abschnitten wird nicht mehr der eingeschwungene Zustand betrachtet,

sondern es wird untersucht, was geschieht, wenn die Leitung mit einem Spannungsimpuls

angeregt wird. Hierzu betrachten wir zunächst noch einmal die Gleichungen (2) und (3), die

sich umgestellt zu

∂u

∂x+ L′

∂i

∂t+R′i = 0 , (58)

∂i

∂x+ C ′

∂u

∂t+G′u = 0 (59)

ergeben. Stellt man die Spannung und den Strom durch

u(x,t) =1

2(a+ b)

und

i(x,t) =1

2Z(a− b)

dar, so ergibt sich für Gleichung (59):

∂a

∂x− ∂b

∂x+ C ′Z

(∂a

∂t+∂b

∂t

)

+ ZG′(a+ b) = 0 , (60)

Auf ähnliche Weise erhält man für Gleichung (58):

∂a

∂x+∂b

∂x+L′

Z

(∂a

∂t− ∂b

∂t

)

+R′

Z(a− b) = 0 . (61)

Die Addition der beiden Gleichungen (60) und (61) ergibt

2∂a

∂x+

(

C ′Z+L′

Z

)∂a

∂t+

(

ZG′+R′

Z

)

a+

(

C ′Z−L′

Z

)∂b

∂t+

(

ZG′−R′

Z

)

b = 0. (62)

NT-V1 - 19

Subtrahiert man hingegen diese beiden Gleichungen, so erhält man

2∂b

∂x−

(

C ′Z+L′

Z

)∂b

∂t−

(

ZG′+R′

Z

)

b−(

C ′Z−L′

Z

)∂a

∂t−

(

ZG′−R′

Z

)

a = 0. (63)

Eine Entkopplung der Gleichungen erhält man, wenn man den Fall einer verlustfreien

Leitung (R′ = 0 = G′) betrachtet. Die Gleichung (17) vereinfacht sich hierbei zu

Z =

L′

C ′. (64)

Ferner wird

v : =1√L′C ′

(65)

gewählt. Es ergibt sich somit:

C ′Z =√L′C ′ =

1

v=

√L′C ′ =

L′

Z.

Die Gleichungen (62) und (63) vereinfachen sich damit zu:

∂a

∂x+

1

v

∂a

∂t= 0 , (66)

∂b

∂x− 1

v

∂b

∂t= 0 . (67)

Diese partiellen Differentialgleichungen können wir in gewöhnliche Differentialgleichungen

umwandeln, indem wir zunächst die neuen Variablen

ξ = x+ vt und η = x− vt

sowie deren Ableitung nach x und t einführen.

∂ξ

∂x=∂η

∂x= 1 und

∂ξ

∂t= −∂η

∂t= v.

Für die Größe a ergibt sich hierbei zunächst

da

dx=∂a

∂ξ

dx︸︷︷︸

=1

+∂a

∂η

dx︸︷︷︸

=1

(68)

und

da

dt=∂a

∂ξ

dt︸︷︷︸

=v

+∂a

∂η

dt︸︷︷︸

=−v

. (69)

NT-V1 - 20

Dividiert man die Gleichung (69) durch v und addiert diese zu Gleichung (68), so ergibt

sich unter Verwendung von Gleichung (66) folgende gewöhnliche DGL:

2∂a

∂ξ=

da

dx+

1

v

da

dt= 0 . (70)

Auf ähnliche Weise verfährt man, um eine gewöhnliche DGL nach b zu erhalten. Hierbei gilt

wieder:

db

dx=∂b

∂ξ+∂b

∂η(71)

und

db

dt= v

(∂b

∂ξ− ∂b

∂η

)

. (72)

Nun dividiert man die Gleichung (72) durch v und subtrahiert diese von Gleichung (71).

Mit Hilfe der Gleichung (67) führt dies auf folgende gewöhnliche DGL:

2∂b

∂η=

db

dx− 1

v

db

dt= 0 . (73)

Integriert man die Gleichungen (70) und (73) so erhält man:

a(ξ,η) = 2f(η) = 2f(x− vt) ,

b(ξ,η) = 2h(η) = 2h(x+ vt) .

Die Spannung und dem Strom kann man nun sehr leicht durch

u(x,t) =1

2(a+ b) = f(x− vt) + h(x+ vt) = uh(x− vt) + ur(x+ vt) ,

i(x,t) =1

2Z(a− b) =

1

Z[f(x− vt) − h(x+ vt)] =

1

Z[uh(x− vt) − ur(x+ vt)]

bestimmen, wobei

uh(x− vt) = f(x− vt)

der Spannungsanteil der hinlaufenden und

ur(x+ vt) = h(x+ vt)

der Spannungsanteil der rücklaufenden Welle ist. Schließt man die verlustfreie Leitung mit

einem ohmschen Widerstand RA ab, so folgt aus den obigen Beziehungen

u(l,t) = RAi(l,t) ⇐⇒ RA [uh(l − vt) − ur(l + vt)] = Z [uh(l − vt) + ur(l + vt)]

NT-V1 - 21

bzw.

ur(l + vt) =RA − Z

RA + Zuh(l − vt) = (l) uh(l − vt) ,

wobei (l) der schon bekannte Reflexionsfaktor ist. Gibt man nun einen Spannungsimpuls

auf die Leitung, so läuft dieser zunächst zum Ende der Leitung und entspricht in dieser Zeit

der hinlaufenden Welle uh(x − vt). Am Leitungsende wird er – mit dem Reflexionsfaktor

gewichtet – reflektiert und läuft danach wieder zurück zum Anfang der Leitung. Ist der

Abschlusswiderstand RA kleiner als der Wellenwiderstand Z, so gilt für den Reflexionsfaktor

(l) =RA − Z

RA + Z= −|(l)| .

Da beide Widerstände RA und Z positiv sind, gilt hierbei

|(l)| < 1 .

In diesem Fall hat die reflektierte Welle ur(x+ vt) somit die entgegengesetzte Polarität von

uh(x−vt) und eine kleinere Amplitude. Ist der Spannungsimpuls wieder am Leitungsanfang

angekommen, wird er dort erneut reflektiert und läuft anschließend wieder in entgegenge-

setzter Richtung auf das Leitungsende zu.

u(x,t)

u(x,t)

u(x,t)

x = 0

x = 0

x = 0

uh(x− vt)

ur(x+ vt)l

l

l

x

x

x

RA < Z

Bild 10: Ist der Abschlusswiderstand RA kleiner als der Wellenwiderstand Z, so hat die reflektierteWelle ur(x + vt) eine kleinere Amplitude als die hinlaufende Welle uh(x − vt) sowie dieentgegengesetzte Polarität.

NT-V1 - 22

In den drei Sonderfällen Leerlauf, Anpassung und Kurzschluss gilt:

• Leerlauf: (l) → 1 ur(l + vt) = uh(l − vt) ⇒ gleiche Polarität,

gleiche Amplitude

• Anpassung: (l) = 0 ur(l + vt) = 0 ⇒ es wird kein Spannungs-

impuls reflektiert

• Kurzschluss: (l) → −1 ur(l + vt) = −uh(l − vt) ⇒ entgegengesetzte Polarität,

gleiche Amplitude.

Die theoretischen Betrachtungen im verlustlosen Fall sind Grundlage für die Reflek-

tometrie, die besonders bei der fast verlustfreien Koaxialleitung detaillierten Aufschluss

über den Typ des Abschlusswiderstands und eventuell vorhandener Störstellen gibt. Beim

verlustbehafteten Fernmeldekabel ist diese Methode eingeschränkt, weil der Impuls bei der

Übertragung sowohl in der Amplitude als auch in der Phase durch die Verluste beeinflusst

wird. Man beobachtet z. B. ein Abnehmen in der Höhe und ein Auseinanderfließen des

Impulses. Trotzdem bietet auch hier die Reflektometrie den Vorteil eines schnellen Über-

blicks über das Verhalten einer Kabelverbindung gegenüber der Methode der Messung mit

einzelnen Frequenzen.

u(x)

x = 0

u(0)

l x

Bild 11: Bei der Übertragung auf einem verlustbehafteten Fernmeldekabel wird der Impuls sowohlin der Amplitude als auch in der Phase durch die Verluste beeinflusst.

Vorbereitungsaufgabe 4.1:

Ein Spannungsimpuls wird auf eine verlustfreie Leitung gegeben, die

a) mit dem Widerstand RA = 2Z bzw.

b) mit dem Widerstand RA = Z/2

abgeschlossen ist, wobei Z der (reelle) Wellenwiderstand ist. Zeichnen Sie den Impuls ent-

sprechend zum Bild 10 jeweils vor und nach der Reflexion.

4.1 Bestimmung des Typs und der Entfernung einer Störstelle

Ob eine Störstelle einen Kabelbruch oder einen Kurzschluss darstellt, lässt sich direkt aus

der Polarität des reflektierten Impulses erkennen: Bei einem Leerlauf liegt gleiche Polarität

vor. Bei einem Kurzschluss erhält man dagegen entgegengesetzte Polarität.

NT-V1 - 23

Zur Bestimmung der Entfernung einer Störstelle misst man mit einem Oszilloskop die

Zeit t0 zwischen dem Eingangsimpuls und dem reflektierten Impuls. Wegen des Auseinander-

fließens des Impulses sollte man die Zeit an den Vorderflanken der beiden Impulse messen.

Die Entfernung s bis zum Reflexionspunkt ergibt sich aus den Beziehungen

s =vt02

und v =1√µε

,

wobei v die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Grundwelle des Impulses auf der Leitung

bezeichnet.

5 Nebensprechen

Nebensprechen ist eine ungewollte Energieübertragung von einem Adernpaar auf ein be-

nachbartes Adernpaar. Dabei leidet nicht nur die Übertragungsgüte im gestörten Adernpaar,

sondern auch die Güte im störenden Adernpaar, da das Nebensprechen für dieses Adernpaar

einen Energieverlust darstellt. Je nachdem, ob sich der störende Sender und der gestörte

Empfänger am gleichen oder am entgegengesetzten Ende des Übertragungssystems befinden,

spricht man von Nahnebensprechen oder Fernnebensprechen.

Die Nebensprechdämpfung entspricht dem logarithmierten Verhältnis aus der vom stö-

renden Adernpaar gesendeten Leistung P1 und der vom gestörten Adernpaar am Messpunkt

Un,Nah bzw. Un,Fern empfangenen Leistung Pn:

aNp =1

2ln

(P1

Pn

)

bzw. adB = 10 lg

(P1

Pn

)

. (74)

Um die Nebensprechdämpfung weiter umformen zu können, wird im Folgenden von der

Annahme ausgegangen, dass die Wellenwiderstände der Leitungen reell sind.3 Das heißt, es

werden verzerrungsfreie Leitungen vorausgesetzt, welche die Beziehung R′C ′ = G′L′ erfüllen.

Diese Annahme gilt für den gesamten Abschnitt 5.

Sind die Abschlusswiderstände, wie im Bild 12 dargestellt, gleich den Wellenwiderständen

der Leitungen4, so entspricht die gesendete Leistung P1 der Maximalleistung

Pmax =|E|24Z1

,

und die empfangene Leistung ergibt sich zu

Pn =|Un|2Zn

.

3Diese Vorgehensweise ist auch in der Literatur üblich, siehe z.B. [Schm76].4Wenn die Wellenwiderstände der Leitungen nicht reell sind, müssen die Innenwiderstände der Span-

nungsquellen gleich den Wellenwiderständen und die Abschlusswiderstände konjugiert komplex zu denWellenwiderständen sein, damit Leistungsanpassung vorliegt. Die Maximalleistung entspricht in diesemFall dem Ausdruck

Pmax =|E|2

4 Re Z1

.

NT-V1 - 24

a) b)

EE U1U1 Z1Z1 Z1Z1

Z1Z1

ZnZn ZnZn ZnZn UnUn

Leitung 1Leitung 1

Leitung nLeitung n

Nahnebensprechen Fernnebensprechen

Bild 12: Nebensprechen ist eine ungewollte Energieübertragung von einem Adernpaar (Leitung 1)auf ein benachbartes Adernpaar (Leitung n). Befinden sich der störende Sender undder gestörte Empfänger am gleichen Ende des Übertragungssystems, so spricht manvon Nahnebensprechen (links). Befinden sich der störende Sender und der gestörteEmpfänger an unterschiedlichen Enden des Übertragungssystems, so handelt es sich umFernnebensprechen (rechts).

Daraus resultieren die Darstellungen

aNp =1

2ln

( |E|24|Un|2

ZnZ1

)

= ln

( |E|2|Un|

)

+1

2ln

(ZnZ1

)

(75)

bzw.

adB = 10 lg

( |E|24|Un|2

ZnZ1

)

= 20 lg

( |E|2|Un|

)

+ 10 lg

(ZnZ1

)

. (76)

Diese Darstellungen sind für die Messung der Nebensprechdämpfung günstiger als die in

(74), weil sich Spannungen leichter messen lassen als Leistungen.

5.1 Kopplungsarten

Zur elektrischen Energieübertragung sind drei Kopplungsarten geeignet:

• die galvanische Kopplung,

• die kapazitive Kopplung und

• die induktive Kopplung.

Alle drei Kopplungsarten können allerdings auch zur ungewollten Energieübertragung, d. h.

zum Nebensprechen, beitragen. Während die galvanische Kopplung nur bei defekter Isolation

in der Leitung auftritt, ist eine kapazitive oder induktive Kopplung – je nach Leitungsaufbau

– immer mehr oder weniger stark vorhanden.

NT-V1 - 25

5.2 Berechnung der kapazitiven Kopplung

Zur Berechnung der Nebensprechdämpfung bei kapazitiver Kopplung stellt man die kapa-

zitive Kopplung vereinfacht durch zwei Kondensatoren dar, siehe Bild 13. Diese Schaltung

entspricht näherungsweise der im Bild 14 dargestellten Ersatzschaltung.

U1

U1

U2

Z1

Zn Zn

C1 C2

Leitung 1

Leitung n (gestört)

Bild 13: Vereinfachte Darstellung der kapazitiven Kopplung durch zwei Kondensatoren.

U1

CK =C1C2

C1 + C2 I2

U2Zn2

Leitung 1 Leitung n (gestört)

Bild 14: Ersatzschaltbild zur Berechnung der kapazitiven Kopplung

Da CK sehr klein ist, gilt im allgemeinen Zn ≪ 1/[ωCK], woraus

|U2| =

∣∣∣∣∣∣∣∣

Zn2

1

jωCK

+Zn2

∣∣∣∣∣∣∣∣

|U1| ≈ωCKZn

2|U1|

folgt. Sind die Wellenwiderstände der benachbarten Leitungen gleich, Z1 = Zn = Z, so

erhält man die folgende einfache Beziehung zur Berechnung der Nebensprechdämpfung bei

NT-V1 - 26

kapazitiver Kopplung:

aC,Np =1

2ln

(P1

Pn

)

=1

2ln

( |U1|2|U2|2

ZnZ1

)

= ln

( |U1||U2|

)

≈ ln

(2

ωCKZ

)

.

Sind die Wellenwiderstände Z1 und Zn dagegen nicht gleich, so wird als Näherung der

Wellenwiderstand Z =√Z1Zn verwendet.

5.3 Berechnung der induktiven Kopplung

Die induktive Kopplung wird im Bild 15 durch eine verteilte Koppelinduktivität LK darge-

stellt.

U1

I1

Z1

Zn ZnU2

LKΦ

Leitung 1

Leitung n (gestört)

Bild 15: Vereinfachte Darstellung der induktiven Kopplung

In diesem Praktikumsversuch betrachten wir diese verteilte Koppelinduktivität als ortsun-

abhängig, d. h. als ein konzentriertes Bauelement. Die in die gestörte Leitung induzierte

Spannung Uind lautet somit

Uind = jωLK I1 .

Mit

|U2| =

∣∣∣∣

ZnZn + Zn

∣∣∣∣|Uind| =

1

2ωLK |I1| und |I1| =

|U1|Z1

ergibt sich die Nebensprechdämpfung für Z1 = Zn = Z zu

aL,Np = ln

( |U1||U2|

)

≈ ln

(2Z

ωLK

)

.

Sind die Wellenwiderstände Z1 und Zn nicht gleich, so wird zur Berechnung der induktiven

Kopplung als Näherung – wie im vorangegangenen Fall – der Wellenwiderstand Z =√Z1Zn

verwendet.

NT-V1 - 27

Φ

ΦI

IIA

B

C

D

Z2 = 10 kΩ

Z2 = 10 kΩ

Z1 = 350 ΩZ1

Z2

E

U

Z2

350 Ω

Bild 16: Schaltung zur Vorbereitungsaufgabe 1: Die gestrichelten Linien auf der linken Seite deutendie nicht gekreuzten Leitungen an (Verbindungen A-B, C-D) und die durchgezogenenLinien die gekreuzten Leitungen (Verbindungen A-D, C-B). Die Übertrager I und IImit dem Übersetzungsverhältnis 1/1 sind notwendig, um eine galvanische Trennung derLeitungen vom Quellspannungsgenerator und von dem Messgerät herzustellen.

Vorbereitungsaufgabe 5.1:

Bei einer sinusförmigen Quellenspannung mit der Frequenz f = 1 kHz und der Amplitude

E = 10 V werden mit dem Messgerät in der Leitung 2 folgende Spannungen gemessen, siehe

Bild 16:

a) U = 126 mV bei nicht gekreuzten Leitungen und

b) U = 11 mV bei gekreuzten Leitungen.

Berechnen Sie in beiden Fällen die Dämpfung adB des Nebensprechens, und erläutern Sie

kurz das Ergebnis.

6 Messaufgaben

6.1 Messungen bei pulsförmigem Signal

Mithilfe der Reflektometrie kann man sich einen schnellen Überblick über den Typ und die

Entfernung von Störstellen machen. Im Folgenden werden Kabelbrüche und Kurzschlüsse

NT-V1 - 28

im Fernmeldekabel simuliert, indem das vorhandene Kabel gezielt an verschiedenen Stellen

mit einem Leerlauf oder Kurzschluss versehen wird. Verwenden Sie für die Messungen eine

Pulsfrequenz von 1 kHz, eine Pulsbreite von 2µs und eine Pulsamplitude von 1 V.

1. Zeichnen Sie schematisch den Messaufbau zur Messung des reflektierten Impulses.

2. Skizzieren Sie die Schirmbilder des Oszilloskops, wenn sich der Funktionsgenerator

und das Oszilloskop

a) am Leitungsanfang befinden und ein Leerlauf am Leitungsende ist,

b) am Leitungsanfang befinden und ein Kurzschluss am Leitungsende ist,

c) am Leitungsanfang befinden und ein Kurzschluss an der gelben Buchse ist,

d) an der gelben Buchse befinden, ein Leerlauf am Leitungsanfang und ein Kurz-

schluss am Leitungsende ist,

e) an der gelben Buchse befinden, ein Kurzschluss am Leitungsanfang und ein

Leerlauf am Leitungsende ist.

Erläutern Sie Ihre Beobachtungen. Welche Erscheinungen sind auf das Nebensprechen

benachbarter Leitungen zurückzuführen?

3. Bestimmen Sie die Gesamtlänge lges des Kabels, sowie die Kabellänge lgelb vom Lei-

tungsanfang bis zur gelben Buchse (εr = 1,95, µr = 1).

6.2 Messungen im eingeschwungenen Zustand

Im Folgenden sollen einige Kenngrößen des Fernmeldekabels im Hinblick auf ihre Frequenz-

abhängigkeit untersucht werden. Zunächst werden Messdaten aufgenommen, mit denen die

Ortskurven des Wellenwiderstands Z und des Wellenübertragungsmaßes g sowie die Dämp-

fung aNp und das Phasenmaß bph als Funktionen der Frequenz f skizziert werden können.

Anschließend wird die Frequenzabhängigkeit der Leitungsbeläge R′ und L′ untersucht.

Wellenwiderstand, Wellenübertragungsmaß, Dämpfung und Phasenmaß

1. Messen Sie den Betrag und die Phase der Leerlauf-Eingangsimpedanz WL und der

Kurzschluss-Eingangsimpedanz WK für die Frequenzen in Tabelle 1.

2. Berechnen Sie aus den gemessenen Werten alle noch fehlenden Werte in der Tabelle 1.

Hinweis:

Nutzen Sie dazu die Gleichungen (55) und (56).

3. Zeichnen Sie die Ortskurve des Wellenwiderstands Z(f) für den unter 1. gemessenen

Frequenzbereich, und tragen Sie in das Diagramm eine Gerade mit dem Winkel −45

ein. Vergleichen Sie die gemessene Kurve mit der Näherungslösung.

4. Zeichnen Sie die Ortskurve des Wellenübertragungsmaßes g(f) für den unter 1. ge-

messenen Frequenzbereich und tragen Sie in das Diagramm eine Gerade mit dem

Winkel +45 ein. In welchem Frequenzbereich stimmt die gemessene Kurve mit der

Näherungslösung überein?

NT-V1 - 29

f|W

L|i

ϕL

in

|WK|i

ϕK

in

|Z|i

ϕZ

in

Mg

ψgin

ψgin

rad

aN

pin

Np

b ph

inra

d

250

Hz

500

Hz

750

Hz

1kH

z

5kH

z

10

kH

z

15

kH

z

20

kH

z

25

kH

z

Tabelle 1: Wellenwiderstand Z, Dämpfung aNp und Phasenmaß bph

5. Zeichnen Sie die Dämpfung aNp(f) und das Phasenmaß bph(f) in doppelt logarithmi-

schem Maßstab. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit den Darstellungen in den Bildern

6 und 7.

NT-V1 - 30

Leitungsbeläge

1. Erzeugen Sie einen Kurzschluss an der gelben Buchse, und messen Sie die Kurzschluss-

Eingangsimpedanz WK dieser verkürzten Leitung für die Frequenzen in Tabelle 2.

2. Bestimmen Sie die Leitungsbeläge R′(f) und L′(f) und tragen Sie die Werte in die

Tabelle 2 ein.

Hinweis:

Wegen der relativ kurzen Leitungslänge kann die Näherung [R′ + jωL′]lgelb ≈ WK

verwendet werden.

3. Zeichnen Sie die Funktionen R′(f) und L′(f) in einfach logarithmischem Maßstab.

Erläutern Sie Ihr Ergebnis.

NT-V1 - 31

f |WK| in Ω ϕK in R′ in Ω/km L′ inµH/km

250 Hz

500 Hz

1 kHz

5 kHz

10 kHz

15 kHz

25 kHz

50 kHz

75 kHz

90 kHz

100 kHz

Tabelle 2: Leitungsbeläge

NT-V1 - 32

Literatur

[Artu57] W. Artus: Einführung in die elektrische Nachrichtentechnik. Oldenbourg, Mün-

chen, 1957.

[Flei73] H. Fleischer: Lehrbuch der Fernmeldetechnik. Schiele & Schön, Berlin, 1973.

[FLS71] H. Fricke, K. Lamberts, W. Schuchardt: Elektrische Nachrichtentechnik, Teil 1.

Teubner, Stuttgart, 1971.

[Küpf73] K. Küpfmüller: Einführung in die Theoretische Elektrotechnik. Springer, Berlin,

1973.

[MG86] M. Meinke, F. W. Gundlach: Taschenbuch der Hochfrequenztechnik. Springer,

Berlin, 1986.

[Schm76] H. Schmid: Theorie und Technik der Nachrichtenkabel. Hüthig, Heidelberg, 1976.

[ZB86] O. Zinke, H. Brunswick: Lehrbuch der Hochfrequenztechnik. Springer, 1986.

NT-V1 - 33

Versuch NT-V2: Nichtlineare Verzerrungen

Inhaltsverzeichnis

1 Übersicht 2

2 Arten nichtlinearer Verzerrungen 2

2.1 Reguläre nichtlineare Verzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2.2 Unregelmäßige nichtlineare Verzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2.3 Sonstige nichtlineare Verzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

3 Quasilineare Systeme mit aussteuerungsunabhängiger Kennlinie 5

3.1 Beschreibung durch Taylor-Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

3.2 Erregung durch eine sinusförmige Schwingung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

3.3 Erregung durch mehrere sinusförmige Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . 6

4 Definition von Klirrfaktoren und Intermodulationsfaktoren 9

5 Messung von nichtlinearen Verzerrungen 11

6 Nichtlineare Verzerrungen in Zweitoren und Verstärkern 12

6.1 Allgemeine Berechnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

6.2 Herabsetzung der nichtlinearen Verzerrungen durch Gegenkopplung . . . . . 12

7 Wirkungen nichtlinearer Verzerrungen 14

8 Vorbereitung 15

9 Aufgaben 16

10 Hinweise und Protokolle 18

10.1 Kennlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

10.2 Klirrdämpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

10.3 Intermodulationsdämpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Literaturverzeichnis 26

NT-V2 - 1

1 Übersicht

Neben den stets auftretenden linearen Verzerrungen beeinflussen die prinzipiell ebenso

unvermeidlichen nichtlinearen Verzerrungen die Übertragungsgüte eines Nachrichtensys-

tems. Nichtlineare Verzerrungen entstehen, wenn zwei Übertragungsgrößen einander nicht

proportional sind. Sie treten z. B. dadurch auf, dass einige Bauelemente, wie Spulen und

Übertrager, stets eine gewisse Nichtlinearität aufweisen. Auch Widerstände und Kondensa-

toren sind nie exakt linear. Besonders auffällig ist das Auftreten von Nichtlinearitäten in

aktiven Bauelementen, wie Röhren und Transistoren. Durch Einstellen eines geeigneten Ar-

beitspunktes ist jedoch bei Übertragungsschaltungen (z. B. Verstärkern) eine Linearisierung

möglich. Eine nach dieser statischen Linearisierung verbleibende Nichtlinearität lässt sich

z. B. durch Gegenkopplung noch weiter herabsetzen. Wird der Arbeitspunkt im Rhythmus

einer vorgegebenen Spannung gesteuert, so kann die Schaltung vom Standpunkt des Signals

aus als linear betrachtet werden, falls das Signal so klein ist, dass es praktisch keinen

Einfluss auf die Arbeitspunktverschiebung hat. Bei dieser dynamischen Linearisierung ist

die Schaltung nicht mehr zeitlich konstant, sondern sie verhält sich zeitvariabel. Zeitvariante

Systeme werden in diesem Versuch nicht behandelt.

Das besondere Kennzeichen der nichtlinearen Verzerrung ist das Auftreten von Fre-

quenzkomponenten am Ausgang des Systems, die im Eingangsspektrum nicht enthalten

sind und die sich nicht durch Zeitvarianz ergeben. Das Überlagerungsgesetz ist nicht mehr

anwendbar.

2 Arten nichtlinearer Verzerrungen

Falls ein Übertragungssystem sich durch eine eindeutige zeitunabhängige und nicht von der

Aussteuerung abhängige Kennlinie beschreiben lässt, kann man die Abhängigkeit zwischen

Eingangs- und Ausgangsgröße des Systems durch eine Taylor-Reihe darstellen.

2.1 Reguläre nichtlineare Verzerrungen

Enthält das Ausgangssignal nur Glieder niederer Ordnung, so spricht man von regulären

nichtlinearen Verzerrungen, wie z. B. quadratische oder kubische Verzerrungen. Vom Stand-

punkt der Übertragung interessieren häufig nur Systeme mit geringen regulären nichtlinearen

Verzerrungen, auch quasilineare Systeme genannt. Im Bild 1 sind Beispiele für Kennlinien bei

regulären nichtlinearen Verzerrungen angegeben. Reguläre nichtlineare Verzerrungen treten

z. B. auf bei Kohlemikrofonen, elektromagnetischen und elektrodynamischen Lautsprechern,

Übertragern, Verstärkern und Mischern.

2.2 Unregelmäßige nichtlineare Verzerrungen

Bildet die Kennlinie keine glatte Kurve, sondern weist sie innerhalb des Betriebsbereichs

Schwankungen oder Unregelmäßigkeiten auf, d. h. enthält das Ausgangssignal auch Glieder

höherer Ordnung von nennenswerter Größe, so spricht man von unregelmäßigen nichtli-

nearen Verzerrungen, siehe Bild 2. Sie treten weniger häufig auf als reguläre nichtlineare

Verzerrungen.

NT-V2 - 2

y

x

Bild 1: Beispiele für Kennlinien bei regulären nichtlinearen Verzerrungen

y

x

Bild 2: Beispiele für Kennlinien bei unregelmäßigen nichtlinearen Verzerrungen

NT-V2 - 3

Unregelmäßige nichtlineare Verzerrungen können neben regulären nichtlinearen Verzer-

rungen ebenfalls in Verstärkern entstehen, sie werden z. B. durch "Lose" oder "Sättigung"

der Kennlinie hervorgerufen. Bemerkenswert ist auch das Auftreten von unregelmäßigen

nichtlinearen Verzerrungen bei der linearen Überlagerung eines FM-Signals mit seinem

eigenen zeitverzögerten Signal (z. B. Mehrfachwegausbreitung bei UKW), dass in diesem

Fall durch die nichtlineare Modulationsart in Verbindung mit linearen Verzerrungen bei der

Übertragung hervorgerufen wird.

2.3 Sonstige nichtlineare Verzerrungen

Reguläre und unregelmäßige Verzerrungen sind die wichtigsten Arten der nichtlinearen

Verzerrungen. Daneben unterscheidet man noch die aussteuerungsabhängigen Verzerrungen

und die dazu gehörenden Hystereseverzerrungen, die eine Eigentümlichkeit der ferromagne-

tischen Stoffe sind. Ein Beispiel für Hystereseverzerrung ist im Bild 3 angegeben.

y

x

1

2

Bild 3: Hystereseverzerrungen

Der allgemeine Fall nichtlinearer Verzerrungen mit zeit- und aussteuerungsabhängiger

Kennlinie, die durch starke Nichtlinearitäten gekennzeichnet ist, soll nicht weiter untersucht

werden, da er für die Nachrichtenübertragung nur von sehr geringer Bedeutung ist.

NT-V2 - 4

3 Quasilineare Systeme mit aussteuerungsunabhängiger

Kennlinie

3.1 Beschreibung durch Taylor-Reihe

Ein zeitinvariantes System mit aussteuerungsunabhängiger Kennlinie lässt sich durch eine

Taylor-Reihe darstellen

y = a0 + a1x + a2x2 + a3x

3 + a4x4 + a5x

5 + · · · (1)

Hierbei entspricht x dem Eingangs- und y dem Ausgangssignal. Das konstante Glied a0 trägt

nicht zur Nichtlinearität bei und kann fortgelassen werden, weil man bereits im linearen Fall

mit einer einfachen Proportionalität zwischen x und y rechnet. Da das System als quasilinear

vorausgesetzt wurde, sind die Koeffizienten höherer Ordnung sehr klein, so dass man häufig

mit folgendem Ansatz auskommt

y = a1x + a2x2 + a3x

3 . (2)

3.2 Erregung durch eine sinusförmige Schwingung

Wir betrachten das Signal

x = A cos(ωt) , ω = konst.

Dann ergibt sich mit Gleichung (2) das Ausgangssignal zu

y = a1A cos(ωt) + a2A2 cos2(ωt) + a3A

3 cos3(ωt) . (3)

Mit

cos2(α) =1

2[1 + cos(2α)] (4a)

cos3(α) =1

4[3 cos(α) + cos(3α)] (4b)

folgt

y = a1A cos(ωt) + a2A2

2[1 + cos(2ωt)] + a3

A3

4[3 cos(ωt) + cos(3ωt)]

=1

2a2A

2 + [a1A +3

4a3A

3] cos(ωt) +1

2a2A

2 cos(2ωt) +1

4a3A

3 cos(3ωt) .

(5)

Durch die Nichtlinearität treten außer einem konstanten Anteil auch Komponenten im Aus-

gangssignal auf, deren Frequenzen ein Vielfaches der ursprünglichen Frequenz ω sind, die also

Oberschwingungen darstellen. Diese stören besonders, wenn sie in den Übertragungsbereich

fallen, da dann eine Elimination durch Filterung unmöglich ist. Es fällt auf, dass das Glied

a2x2 weder Einfluss auf die Stärke der Grundschwingung noch auf die der Oberschwingung

3.Ordnung hat. Andererseits hat das Glied a3x3 weder Einfluss auf den konstanten Anteil

NT-V2 - 5

y = x2

1

−1 1 x t

t

Bild 4: Entstehung der quadratischen Verzerrungen

noch auf die Oberschwingung 2.Ordnung. Die Einflüsse beider Glieder lassen sich daher

leicht mit Hilfe einer Sinusschwingung getrennt feststellen.

Die Amplitude der Oberschwingung 2.Ordnung hängt quadratisch und die der Ober-

schwingung 3.Ordnung kubisch von der Eingangssignalamplitude ab.

Bei rein quadratischen Verzerrungen ist die Amplitude der Grundschwingung nur von a1

abhängig. D. h., aus der Konstanz des Übertragungsfaktors für die Grundschwingung kann

nicht auf das Fehlen nichtlinearer Verzerrungen geschlossen werden.

3.3 Erregung durch mehrere sinusförmige Schwingungen unterschied-

licher Frequenz und Amplitude

Das Signal sei zunächst

x(t) = A1 cos(ω1t) + A2 cos(ω2t) .

Mit (2) folgt das Ausgangssignal

y(t) = a1 [A1 cos(ω1 t) + A2 cos(ω2t)] + a2[A21 cos2(ω1 t) + 2A1A2 cos(ω1 t) cos(ω2t)

+ A22 cos2(ω2 t)] + a3 [A3

1 cos3(ω1 t) + 3A21A2 cos2(ω1t) cos(ω2 t)

+ 3A1A22 cos(ω1t) cos2(ω2t) + A3

2 cos3(ω2t)] .

(6)

NT-V2 - 6

y = x3

−1

1

−1 1 x t

t

Bild 5: Entstehung der kubischen Verzerrungen

Es treten außer den Oberschwingungen mit den Frequenzen 2ω1, 2ω2, 3ω1 und 3ω2 noch

weitere Glieder auf, die aus den Produkten mit unterschiedlichen Frequenzen entstehen.

Mit

cos(α) cos(β) =1

2[cos(α + β) + cos(α − β)]

folgt

2a2A1A2 cos(ω1t) cos(ω2t) = a2A1A2cos[(ω1 + ω2)t] + cos[(ω1 − ω2)t] ,

3a3 A21 A2 cos2(ω1t) cos(ω2t) =

3

2a3A

21A2

cos(ω2t) +cos[(2ω1 + ω2)t]

2+

cos[(2ω1 − ω2)t]

2

und analog

3a3A1A22 cos(2ω1t) cos2(ω2t) =

3

2a3A1A

22

cos(ω1t) +cos[(2ω2 + ω1)t]

2+

cos[(2ω2 − ω1)t]

2

.

Aufgrund des Gliedes a2x2 treten Kombinationsschwingungen mit den Frequenzen ω1 ± ω2

auf und zwar mit einer für A1 = A2 doppelt so großen Amplitude wie bei den einfachen

NT-V2 - 7

Oberschwingungen 2.Ordnung. Ebenso treten aufgrund des Gliedes a3x3 Kombinations-

schwingungen mit den Frequenzen 2ω1±ω2 und 2ω2 ± ω1 auf und zwar mit einer für A1 = A2

dreimal so großen Amplitude wie die einfachen Oberschwingungen 3.Ordnung. Die Schäd-

lichkeit dieser Kombinationsschwingungen liegt aber nicht nur an der erhöhten Amplitude,

sondern vor allem an der Tatsache, dass Differenzfrequenzen wie z. B. 2ω1 − ω2 von der

gleichen Größenordnung wie ω1 und ω2 sein können und nicht durch Filterung eliminierbar

sind. Das Auftreten solcher Kombinationsschwingungen kennzeichnet man auch durch den

Begriff Intermodulation. Nimmt man an, dass in A1 und A2 auch die Information einer

eventuellen Amplitudenmodulation der Signale enthalten sein kann, so erkennt man, dass,

durch das Glied a3x3 verursacht, eine gegenseitige Modulationsübernahme erfolgt. Diese

Tatsache wird als Kreuzmodulation bezeichnet.

• Intermodulationsanteile:

3

4a3A

21A2 cos[(2ω1 ± ω2)t], (7)

3

4a3A1A

22 cos[(2ω2 ± ω1)t] (8)

• Kreuzmodulationsanteile:

3

2a3A

21A2 cos(ω2t), (9)

3

2a3A1A

22 cos(ω1t) . (10)

Intermodulation und Kreuzmodulation sind proportional zu a3, d. h., falls die Taylor-

Reihe nur aus einem linearen Glied und aus einem quadratischen Glied besteht, treten

beide Effekte nicht auf. Man erkennt, dass für A1 = A2 = A die Intermodulation kubisch

mit der Eingangssignalamplitude steigt und dass die Kreuzmodulation quadratisch mit der

Amplitude des zweiten Eingangssignal wächst.

Bei Erregung mit mehr als zwei Sinusschwingungen entstehen noch weitere Kombinati-

onsschwingungen mit den Frequenzen

ωk = n1ω1 ± n2ω2 ± n3ω3 ± · · · . (11)

Hierbei sind die ni ganze positive Zahlen. Das Spektrum wird umso komplizierter, je höher

die Ordnungszahl der Verzerrung und je mehr Sinusschwingungen im Eingangsspektrum

enthalten sind.

Bei einem allgemeinen, d. h. durch ein Fourier-Integral darstellbaren Eingangssignal,

lässt sich der Einfluss der Nichtlinearitäten ebenfalls berechnen, da sich beispielsweise die

zu x2 und x3 gehörigen Spektralfunktionen durch Faltung im Frequenzbereich ausdrücken

lassen.

Liegt das Eingangsspektrum im Bereich zwischen f1 und f2, so gibt Bild 6 einen Überblick

über die von den Spektren 2. und 3.Ordnung belegten Frequenzbänder.

Das erste Frequenzband des Spektrums 3.Ordnung fällt zum Teil immer mit dem Ein-

gangsspektrum zusammen, unabhängig von der Größe von f1 bzw. f2. Im Bild 6 wird

NT-V2 - 8

∆f

∆f

2∆f

3∆f3∆f

f

f

f

f1 f2

2f1 2f2

3f1 3f2

f2 − f1

2f1 − f2 2f2 − f1

Eingangsspektrum

Spektr. 2. Ordnung

Spektr. 3. Ordnung

Bild 6: Die von den Spektren 2. und 3.Ordnung belegten Frequenzbänder

keine Angabe über den Amplitudenverlauf der Spektren gemacht, es wird lediglich die

Frequenzlage angegeben. Bei quadratischen Verzerrungen verdichten sich die Amplituden

in der Umgebung von ω = 0 und ω = ω1 +ω2, bei kubischen Verzerrungen in der Umgebung

von1

2(ω1 + ω2) und

3

2(ω1 + ω2).

4 Definition von Klirrfaktoren und

Intermodulationsfaktoren

Das Ausgangssignal eines Systems mit regulären oder unregelmäßigen nichtlinearen Verzer-

rungen lässt sich bei sinusförmiger Erregung durch eine endliche Fourier-Reihe in folgender

Form darstellen (wenn man von einem eventuellen Gleichanteil absieht)

y =

I∑

i=1

√2Yi cos(iωt + ϕi) , ω = konst. (12)

Als Klirrfaktor oder Oberschwingungsgehalt wird das Verhältnis des Effektivwertes der

Oberschwingungen zum Effektivwert der gesamten Schwingung y definiert.

k =

Y 22 + Y 2

3 + · · ·Y 2

1 + Y 22 + Y 2

3 + · · · . (13)

Der Klirrfaktor liegt nach (4.2) immer zwischen Null und Eins bzw. 0% und 100%. Der

Klirrfaktor ν-ter Ordnung wird definiert als

kν =Yν

Y 21 + Y 2

2 + Y 23 + · · ·

. (14)

NT-V2 - 9

Da man bei geringen Verzerrungen den Ausdruck im Nenner näherungsweise durch Y1

ersetzen kann, erhält man unter dieser Voraussetzung mit Gleichung (1)

kν ≈ Yν

Y1

≈ 1

2ν−1

a1

Aν−1 . (15)

Setzt man bei geringen regulären nichtlinearen Verzerrungen die Eingangssignalamplitude

auf die Hälfte herab, dann nimmt der Klirrfaktor mindestens um die Hälfte ab. Die Klirr-

dämpfung wird definiert durch

Akν= 20 lg

(1

)

in dB (16)

bzw.

Ak = 20 lg

(1

k

)

in dB . (17)

Wird ein System mit regulären oder unregelmäßigen nichtlinearen Verzerrungen durch zwei

sinusförmige Schwingungen mit gleichen Amplituden A und unterschiedlichen Frequenzen

ω1, ω2 erregt, so enthält das Ausgangssignal neben Oberschwingungen und einfachen Diffe-

renzschwingungen unter anderem auch spezielle Kombinationsschwingungen der Form√

2Yn,n−1 cos [nω1 − (n − 1)ω2]t und√

2Yn,n−1 cos [nω2 − (n − 1)ω1]t (18)

mit n = 2, 3, . . ., deren Frequenzen in der Nähe der Eingangsfrequenzen ω1, ω2 liegen. Diese

werden durch die ungeraden Koeffizienten a3, a5, a7,· · · der Taylor-Reihe hervorgerufen.

Der Intermodulationsfaktor ν-terOrdnung wird definiert als

iν=2n−1 =Yn,n−1

Y1

mit n = 2, 3, . . . (19)

AA

ω1ω1

ω2ω2 ωω

y(t) =∞∑

k=1

akx(t)k

x(t) y(t)

1−

2

1−

2

1−

ω2

2−

1

2−

1

2−

ω1

Y1Y1

Y21Y21

Y32Y32

Y43Y43

Bild 7: Beispiel eines Intermodulationsspektrums

Als Intermodulationsdämpfung bezeichnet man das logarithmische Maß

Aiν = 20 log

(1

)

in dB . (20)

NT-V2 - 10

In der Literatur findet man stellenweise geringfügig von (19), (20) abweichende Definitionen.

Die Intermodulationschwingungen werden dabei auf 2Y1 bezogen. Bei quasilinearen Syste-

men entspricht dies der Erregung des Systems mit nur einer sinusförmigen Schwingung auf

den gleichen Spitzenwert wie bei der Erregung durch zwei sinusförmige Signale gleicher

Amplitude. Die Intermodulationsfaktoren sind dann nur halb so groß; die Intermodulati-

onsabstände vergrößern sich um 6 dB.

5 Messung von nichtlinearen Verzerrungen

Zur Bestimmung des Klirrfaktors nach Gleichung (13) kann man direktanzeigende Klirr-

faktormeßbrücken benutzen. In ihnen wird die Grundschwingung des Ausgangssignals eines

nichtlinearen Systems unterdrückt und nach zweimaliger Effektivwertbildung der Klirrfaktor

ermittelt und angezeigt. Zur genaueren Analyse der Klirr- und Intermodulationsspektren

verwendet man Spektralanalysatoren, d. h. geeignete selektive Spannungsmesser mit geringer

Bandbreite. Sie arbeiten ähnlich wie ein Überlagerungsempfänger, nur dass sie kein NF-

Signal am Ausgang liefern, sondern eine Gleichspannung in Abhängigkeit von der Amplitude

der Spektrallinien des Spektrums an einem Spannungsmesser anzeigen, siehe Bild 8.

TP

0−70 kHz

Mischer

ZF 100 kHz

Quarzfilter

∆f = 30 Hz

Demodulator

Oszillator

100−160 kHz

y Yi

Bild 8: Blockschaltbild eines Spektralanalysators

Die Berechnung von Klirrfaktoren, Klirrdämpfungen sowie Intermodulationsfaktoren,

Intermodulationsdämpfungen erfolgt dann nach (13)-(20).

Durch Anwendung der Wobbeltechnik lässt sich ein Spektralanalysator zur Darstellung

des Spektrums auf einem Bildschirm benutzen. Ebenso lassen sich Verfahren mit Hilfe

der Wobbeltechnik entwickeln, die die Intermodulationsfaktoren in Abhängigkeit von der

Frequenz bei konstanter Aussteuerung auf einem Bildschirm abbilden.

NT-V2 - 11

6 Nichtlineare Verzerrungen in Zweitoren und

Verstärkern

6.1 Allgemeine Berechnungsverfahren

Die nichtlinearen Erscheinungen in Zweitoren sind infolge der Anwesenheit von Impedanzen

stark frequenzabhängig. Man kann also im Allgemeinen keine einfachen Kennlinien zur

Beschreibung der Nichtlinearitäten benutzen. Bei geringen Nichtlinearitäten, wie sie in der

Nachrichtentechnik häufig auftreten, kann man die Betrachtungen dadurch vereinfachen,

dass man die nichtlinearen Wirkungen durch von der Grundschwingung gesteuerte Quellen

ersetzt, so dass das Netzwerk selbst als linear angesehen werden kann [Küpf68, Phil71].

Im Bild 9 wird die Anwendung dieses Prinzips bei Röhren- bzw. Feldeffekttransistoren-

Ersatzschaltbildern gezeigt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind nur die quadratischen

Glieder eingetragen.

u1

i10 i11 i12 i22

Zi u2 Za

S10 S11 S12 S22

Bild 9: Ersatzschaltung für nichtlineare Verzerrungen mit den Strömen i10 = −S10u1,i11 = −S11u

21, i12 = −S12u1u2 und i22 = −S22u

22.

Die Steilheiten S10 bis S22 gelten für einen festen Arbeitspunkt und geringe Aussteuerung

als konstant. Es ist dann z.B. möglich, die Abhängigkeit des Klirrfaktors von der Anpassung

am Ausgang zu bestimmen.

6.2 Herabsetzung der nichtlinearen Verzerrungen durch Gegen-

kopplung

Nichtlineare Verzerrungen lassen sich z. B. durch Kompensation, Verringerung der Aussteue-

rung oder Gegenkopplung herabsetzen. Die Kompensation kann z.B. durch die Kettenschal-

tung eines zweiten nichtlinearen Systems mit genau entgegengesetzter Kennlinie erfolgen,

siehe Bild 10.

x y1 y2

Bild 10: Kompensation von Nichtlinearitäten

Dieses Verfahren hat kein große Bedeutung, da es nur bei Freiheit von Dämpfungs- und

Phasenverzerrung (linearen Verzerrungen) zwischen beiden Systemen anwendbar ist. Außer-

NT-V2 - 12

dem ist es schwierig, Systeme mit vorgegebener nichtlinearer Kennlinie herzustellen. Eine

Herabsetzung der Aussteuerung führt zu einer starken Verringerung der Ausgangsleistung

und ist deshalb nicht immer anwendbar. Daneben führt eine Verringerung der Aussteue-

rung bei unregelmäßigen nichtlinearen Verzerrungen nicht unbedingt zur Herabsetzung der

Verzerrungen.

Das wichtigste Verfahren, mit dem sich sehr hohe Anforderung an die Linearität erfüllen

lassen, ist das Verfahren der Gegenkopplung, welches im Bild 11 dargestellt ist.

N

x

y

y

w

w

z

NichtlinearerVerstärker

Bild 11: Gegenkopplungsschaltung

Über das Gegenkopplungsnetzwerk N wird ein Teil der Ausgangsspannung auf den

Eingang zurückgeführt. Es sei

z = ky, (21)

dann gilt

w = x − z = x − ky (22)

und es folgt für kleine Amplituden von w

y = f(w) ≈ A0w , y ≈ A0x

1 + kA0

. (23)

Der neue Übertragungsfaktor für kleine Amplituden ist daher

A =A0

1 + kA0. (24)

Den Ausdruck 1 + kA0 bezeichnet man als Gegenkopplungsfaktor, da durch ihn die Ver-

stärkung herabgesetzt wird. Die volle Ausgangsspannung kann daher nur durch eine ent-

sprechend vergrößerte Eingangsspannung wieder erreicht werden. Entscheidend ist jedoch,

NT-V2 - 13

dass dabei trotzdem die nichtlinearen Verzerrungen erheblich herabgesetzt werden können,

da durch die Gegenkopplung die Kennlinie linearisiert wird, siehe Bild 12.

Durch die Linearisierung der Kennline verringert sich der Klirrfaktor näherungsweise im

gleichen Maße, wie der Übertragungsfaktor herabgesetzt wird. Der Verstärkungsverlust kann

durch Kettenschaltung mehrerer gegengekoppelter Verstärker wieder ausgeglichen werden,

ohne dass dadurch die nichtlinearen Verzerrungen nennenswert ansteigen.

x

y

w

x,w

K

Bild 12: Linearisierung durch Gegenkopplung

Die im Bild 11 gezeigte Gegenkopplungsschaltung stellt ein Übertragungssystem mit

Rückkopplung dar. Bei realen Systemen mit linearen Verzerrungen im Verstärker und im

Gegenkopplungsnetzwerk muss daher die Stabilität des geschlossenen Systems sichergestellt

werden [Küpf68, Phil71]. Die Gegenkopplung über eine Kettenschaltung mehrerer einstufiger

Verstärker führt, z. B. infolge der starken Phasendrehungen an den Grenzfrequenzen, sehr

leicht zur Instabilität.

7 Wirkungen nichtlinearer Verzerrungen

Die Beeinträchtigung von Sprachübertragungen durch nichtlineare Verzerrungen ist sehr

gering, so dass man in diesem Fall eine für den Rauschabstand und die Senderaussteuerung

günstige Amplitudeneinschränkung durchführen kann (Begrenzung, Dynamikkompression).

Unangenehme Erscheinungen bei Musikübertragungen werden nicht so sehr durch einen

gewissen Klirrfaktor sondern durch Intermodulation hervorgerufen. Die hierbei auftretenden

Kombinationsschwingungen zwischen Harmonischen nahe beieinander liegender Frequenzen

führen zu Schwebungen der Klangkomponenten, so dass raue und schrille Töne entstehen.

Außerdem können weit unterhalb der Grundfrequenz Schwingungen mit völlig unharmo-

nischen Frequenzverhältnissen auftreten. In einem gewissen Ausmaß sind Kombinations-

schwingungen schon in den natürlichen Klängen enthalten. Die Wirkung der nichtlinearen

Verzerrungen bei der Übertragung besteht darin, dass diese Kombinationsschwingungen mit

unnatürlich hohen Amplituden auftreten.

Die Intermodulation ist von besonderer Wichtigkeit bei der Trägerfrequenztechnik und

bei der drahtlosen Nachrichtenübertragung. Sie führt bei Trägerfrequenztechnik zu mehr

NT-V2 - 14

oder weniger verständlichem Nebensprechen. Bedenkt man die große Zahl der in Kette

geschalteten Verstärker und Modulatoren, so wird deutlich, dass sehr hohe Linearitätsan-

forderungen an diese Geräte gestellt werden müssen.

Bei der drahtlosen Nachrichtenübertragung unterscheidet man zweckmäßigerweise zwi-

schen Sende- und Empfangsseite. Auf der Sendeseite sollte zur Vermeidung von Störungen in

den benachbarten Kanälen die Intermodulationdämpfung mindestens 35 dB betragen. Diese

Dämpfung kann bei hohem Aufwand in den Endstufen gerade noch erreicht werden. Da die

Stärken der Empfangsignale in einem Frequenzband Unterschiede bis zu ca. 80 dB aufweisen,

sind besonders hohe Anforderungen an die Intermodulationsdämpfung der Eingangs- und

Mischstufen vor der eigentlichen Filterung zu stellen, siehe Bild 13. Es sollte eine Intermo-

dulationdämpfung von mindestens 80 dB angestrebt werden. Diese Forderung lässt sich nur

mit großem Aufwand erfüllen (Gegentaktmischstufen, keine HF-Vorstufen, JFETs). Geringe

~~~

ue

HF-Verstärker

Mischer Filter

ZF-Verstärker

hohe Intermodulationsdämpfung

Oszillator

Bild 13: Linearitätsanforderungen an Eingangs- und Mischstufen

Intermodulationsdämpfung an diesen Stellen führt bei geringem Nutzsignal und starken

Nachbarsignalen zu vollständigem Verlust der Information, siehe Bild 14.

8 Vorbereitung

Vorbereitungsaufgabe 8.1:

Gegeben ist ein System mit quadratischen Verzerrungen. Die Kennlinie dieses Systems wird

durch y = x + 0.01 x2 beschrieben.

1. Berechnen Sie die Fourier-Reihe des Ausgangssignals einer Kettenschaltung zweier

solcher Systeme, wenn das Eingangssignal sin(ω1t) ist. Berechnen Sie näherungsweise

den Gesamtklirrfaktor der Kettenschaltung und vergleichen Sie ihn mit dem Gesamt-

klirrfaktor eines Systems.

NT-V2 - 15

ue/dB

Nutzsignal ω

10

80

Bild 14: Verlust der Information des Nutzsignals durch starke Intermodulation benachbartermodulierter Signale mit hohen Amplituden sowie Rauschen

2. Berechnen Sie nun die Frequenzen des Spektrums am Ausgang einer Kettenschaltung

nach 1., wenn das Eingangssignal sin(ω1t) + cos(ω2t) ist. Skizzieren Sie die Lage der

Spektrallinien (ω > 0) für ω2 = 1.3 ω1.

Vorbereitungsaufgabe 8.2:

Gegeben ist ein System mit quadratischen und kubischen Verzerrungen, gekennzeichnet

durch die Taylor-Reihe

y = x +1

2x2 +

1

4x3.

Das Eingangssignal wird durch folgendes Spektrum beschrieben:

X(jω)

ω/Ω

1

−5 −3 3 5

Zeichnen Sie die Spektren X(jω) ∗ X(jω) und X(jω) ∗ X(jω) ∗ X(jω).

Zeichnen Sie das Spektrum X(jω).

9 Aufgaben

Verstärker 1: Verstärker mit annähernd quadratischer Kennlinie

Verstärker 2: Verstärker mit stark nichtlinearer Kennlinie. Benutzen Sie den kompensierten

seitlichen Eingang.

Max. Aussteuerung der Verstärker am Ausgang: ±12 V.

Max. Aussteuerung der Verstärker am Eingang: ±4 V.

NT-V2 - 16

Kennlinien

1. Bestimmen Sie die Kennlinien y = f(x) von Verstärker 1 und Verstärker 2 bei den

Gegenkopplungseinstellungen "0" und "4". Tragen Sie Ihre Messergebnisse in Tabelle

1 und 2 ein.

2. Tragen Sie die Kennlinien in ein Diagramm ein. Kennzeichnen Sie die Kennlinien des

Verstärkers 2 durch die Gegenkopplungseinstellungen.

3. Stellen Sie die Kennlinien auf dem Oszillographen dar. Entwerfen Sie hierzu zunächst

eine zweckmäßige Schaltung.

Wie verändert sich die Kennlinie des Verstärkers 2 bei einer Veränderung der Gegen-

kopplung?

Klirrdämpfungen

1. Bestimmen Sie bei dem Verstärker 1 die Klirrdämpfungen ν-terOrdnung bei einer

Grundfrequenz von 1 kHz. Die Aussteuerung soll dabei so gewählt werden, dass die

Spitzenspannung Us am Ausgang 10 V beträgt. Tragen Sie Ihre Messergebnisse in

Tabelle 3 ein.

Hinweis:

Der Klirranalysator ist hierbei nicht genau auf die Frequenzen 1 kHz, 2 kHz usw.

einzustellen, sondern es ist der maximale Zeigerausschlag des Messgerätes in der

Nähe der betrachteten Frequenz zu suchen. Dies wird dadurch gerechtfertigt, dass das

Spektrum nur bei Harmonischen überhaupt Energieanteile besitzen kann. Eventuelle

Skalenungenauigkeiten bei der Frequenzeinstellung werden somit ausgeglichen.

Intermodulationsdämpfungen

1. Der Verstärker 2 (Gegenkopplungseinstellungen "0" und "4") soll jetzt durch zwei

sinusförmige Spannungen mit den Frequenzen 3 kHz und 7 kHz von gleicher Ampli-

tude so angesteuert werden, dass die Spitzenspannung Us am Ausgang 10 V beträgt.

Die Zusammenschaltung der zwei Generatoren soll dabei über ein aus zwei auf die

Frequenzen 3 kHz und 7 kHz abgestimmten Serienschwingkreisen bestehendes Ankopp-

lungsnetzwerk erfolgen. (Weshalb?)

Messen Sie das Ausgangsspektrum im Frequenzbereich 1 . . . 20 kHz. Tragen Sie Ihre

Messergebnisse in Tabelle 4 und 5 ein.

2. Tragen Sie das Spektrum in logarithmischem Maßstab in ein Diagramm ein. Normieren

Sie, damit die stärksten Anteile 0 dB entsprechen.

Diskussion der Messergebnisse

NT-V2 - 17

10 Hinweise und Protokolle

10.1 Kennlinien

1. Aufnahme der Kennlinie des Verstärkers 1

Verwendete Geräte:

• 1 Vielfachmessinstrument HM8012

• 1 Konstanter HM8040-3

• 1 Verstärker mit quadratischer Kennlinie

• 1 Stromversorgung für Verstärker

V V

Ua in V Ue in V

12

11

10

9

8

7

6

5

4

3

2

1

0.50

0.25

0.10

Ua in V Ue in V

12 -

11 -

10 -

9 -

8 -

7 -

6 -

5 -

4 -

3 -

2 -

1 -

0.50 -

0.25 -

0.10 -

Tabelle 1: Aufnahme der Messwerte des Verstärkers 1

NT-V2 - 18

2. Aufnahme der Kennlinien des Verstärkers 2

Verwendete Geräte:

• 1 Vielfachmessinstrument HM8012

• 1 Konstanter HM8040-3

• 1 Verstärker mit stark nichtlinearer Kennlinie

• 1 Stromversorgung für Verstärker

V V

ohne ("0") mit ("4")

Gegenkopplung

Ua in V Ue in V Ue in V

12

11

10 2 2

9

8

7

6

5

4

3

2

1

0.50

0.25

0.10

ohne ("0") mit ("4")

Gegenkopplung

Ua in V Ue in V Ue in V

-12

-11

-10 -2 -2

-9

-8

-7

-6

-5

-4

-3

-2

-1

-0.50

-0.25

-0.10

Tabelle 2: Aufnahme der Messwerte des Verstärkers 2

NT-V2 - 19

3. Darstellung der Kennlinien

Ua/V

Ue/V

2

2

4

4

6

8

10

12

−2−4

NT-V2 - 20

Ua/V

Ue/V

Einstellung "0"

Einstellung "4"

2

2

4

6

8

10

12

−2

−2

−4

−6

−8

−10

−12

1−1

4. Darstellung der Kennlinien auf dem Oszillographen

Verwendete Geräte:

• 1 Signalgenerator HM8030-6

• 1 Oszillograph HM504-2

• 2 Verstärker

• 1 Stromversorgung für Verstärker

Generator Oszillograph

x y

NT-V2 - 21

10.2 Klirrdämpfungen

1. Messung des Ausgangsspektrums

Verwendete Geräte:

• 1 Signalgenerator HM8030-6

• 1 Klirranalysator KLA-48

• 1 Verstärker mit quadratischer Kennlinie

• 1 Stromversorgung für Verstärker

• 1 Oszillograph HM504-2

Generator Analysator

fe = 1kHz , Ua = 10Vs = 10Vss

f in kHz Ua in mV Ua in dB Ak in dB

1

2 0

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

Tabelle 3: Klirrdämpfungen Verstärker 1

NT-V2 - 22

10.3 Intermodulationsdämpfungen

1. Messung der Ausgangsspektren

Verwendete Geräte:

• 2 Signalgeneratoren HM8030-6

• 1 Klirranalysator KLA48

• 1 Ankopplungsnetzwerk

• 1 Verstärker mit stark nichtlinearer Kennlinie

• 1 Stromversorgung für Verstärker

• 1 Oszillograph HM504-2

Ankopplungs-

netzwerkAnalysator

Gener.

Gener.

fe1 = 3kHz , fe2 = 7kHz , Ua = 10Vs = 20Vss

f in kHz Ua in mV Ua in dB Ai in dB

1

2

3 ≈ 0

4

5

6

7 ≈ 0

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

Tabelle 4: Intermodulationsdämpfung mit Gegenkopplung ("4")

NT-V2 - 23

f in kHz Ua in mV Ua in dB Ai in dB

1

2

3 ≈ 0

4

5

6

7 ≈ 0

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

Tabelle 5: Intermodulationsdämpfung ohne Gegenkopplung ("0")

2. Darstellung der Intermodulationsdämpfungen

Verstärker mit stark nichtlinearer Kennlinie und einstellbarer Gegenkopplung, aufge-

tragen: Dämpfung der Harmonischen und der Intermodulationsprodukte Ai in dB.

NT-V2 - 24

100

50

0

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

Ai/dB

f/kHz

NT

-V2

-25

Literatur

[Küpf68] K. Küpfmüller: Die Systemtheorie der elektrischen Nachrichtenübertragung. Hir-

zel, Stuttgart, 1968.

[Phil71] E. Philippow: Nichtlineare Elektrotechnik. Geest & Portig, Leipzig, 1971.

NT-V2 - 26

Versuch NT-V3: Reaktanzeintore

Inhaltsverzeichnis

1 Passive Eintore 2

1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.2 Rationale positive Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2 Verlustfreie Eintore 4

2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.2 Foster-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.3 Synthese verlustfreier Eintore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

3 Beispiele 10

3.1 Widerstandspartialbruchschaltung erster Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3.2 Berechnung der Kettenbruchschaltung zweiter Art . . . . . . . . . . . . . . . 12

4 Vorbereitung 14

4.1 Versuchseinarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

4.2 Versuchsvorbereitungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

5 Versuchsdurchführung 19

Literaturverzeichnis 21

NT-V3 - 1

1 Passive Eintore

1.1 Einführung

Vor der Erörterung von Reaktanz-(LC-)Eintoren sollen zunächst passive (RLC)-Eintore

betrachtet werden. Um deren Eigenschaften kennen zu lernen, wird von einem einfachen

Beispiel ausgegangen. Die Impedanz Z(jω) des im Bild 1 gezeigten Eintores ist

1

jωCjωL

RI

UZ(jω)

Bild 1: Passives Eintor

Z(jω) = R +1

jωC +1

jωL

=[jω]2RLC + [jω]L + R

[jω]2LC + 1. (1)

In der Netzwerktheorie empfiehlt sich die Verallgemeinerung auf komplexe Frequenzen

p = σ + jω. (2)

Hierdurch entstehen Spannungen und Ströme der Form

u(t) = Re√

2U ept

= Re√

2 |U |ejϕU e[σ+jω]t

=√

2 |U |eσt cos(ωt + ϕU) (3a)

bzw.

i(t) = Re√

2 I ept

= Re√

2 |I|ejϕI e[σ+jω]t

=√

2 |I|eσt cos(ωt + ϕI) , (3b)

sodass also auch aufklingende (σ > 0) oder abklingende (σ < 0) Schwingungen zugelassen

sind, wie sie im Bild 2 links bzw. rechts am Beispiel der Spannung u(t) dargestellt werden.

u(t)

t

u(t)

t

Bild 2: Exponentiell aufklingende und abklingende Schwingung (links bzw. rechts).

NT-V3 - 2

Zwischen den komplexen Amplituden der Spannung und des Stromes besteht der Zusam-

menhang U = Z(p)I, wobei die Impedanz Z(p) des in Bild 1 dargestellten Eintores konkret

durch

Z(p) =p2RLC + pL + R

p2LC + 1

gegeben ist, die man aus (1) erhält, wenn man jω durch p ersetzt. Man stellt fest, dass Z(p)

eine rationale Funktion in der Variablen p ist, die aufgrund der reellen Bauelementwerte R,

L und C ausschließlich reelle Koeffizienten besitzt. Betrachtet man den Realteil

ReZ(p) = Re

R [p2LC + 1] + pL

p2LC + 1

= R + Re

pL [p∗2LC + 1]

|p2LC + 1|2

= R +|p|2L2C + L

|p2LC + 1|2 σ ,

so findet man, dass

Re Z(p) > 0 für alle σ = Rep > 0 (4)

gilt, wenn R, C und L sämtlich positiv sind. Z(p) wird dann als positive Funktion bezeichnet.

Wie man zeigen kann [Wuns61] , muss die Impedanz Z(p) und die Admittanz Y (p) eines

jeden Netzwerkes, bestehend aus positiven Widerständen, Induktivitäten und Kapazitäten,

eine reell rationale1 und positive Funktion sein. Umgekehrt kann man aber auch für jede reell

rationale positive Funktion Eintorschaltungen aus positiven Widerständen, Induktivitäten

und Kapazitäten angeben, deren Impedanz oder Admittanz gerade diese Funktion ergibt.

1.2 Rationale positive Funktionen

Betrachtet wird die Funktion

F (p) =ampm + am−1p

m−1 + · · ·+ a0

bnpn + bn−1pn−1 + · · ·+ b0

, (5)

von der angenommen wird, dass sie reell rational und positiv ist. Nach dem Fundamentalsatz

der Algebra kann die rationale Funktion alternativ als

F (p) = K[p − p01][p − p02] · · · [p − p0m]

[p − p∞1][p − p∞2] · · · [p − p∞n]mit K =

am

bn(6)

geschrieben werden, wobei p0ν und p∞ν die Nullstellen bzw. Pole der rationalen Funktion

F (p) in der komplexen p−Ebene, siehe Bild 3, sind.

1Eine rationale Funktion in einer komplexen Variablen bezeichnet man als reell rational, wenn sämtlicheKoeffizienten reell sind. Setzt man insbesondere einen reellen Wert für die komplexe Variable ein, so ist derWert der reell rationalen Funktion immer reell.

NT-V3 - 3

σ

p

Bild 3: p-Ebene

Reell rationale positive Funktionen haben unter anderem folgende wichtige Eigenschaften

[Wuns61]:

1. Sie sind durch die Lage ihrer Pole und Nullstellen bis auf eine Konstante eindeutig

bestimmt.

2. Pole und Nullstellen sind entweder reell oder sie treten in konjugiert komplexen Paaren

auf.

3. Nullstellen und Pole liegen in der abgeschlossenen linken p-Halbebene, d. h., sie liegen

entweder im Innern der linken p-Halbebene oder auf ihrem Rand, welcher die imaginäre

Achse ist.

4. Nullstellen und Pole, die auf der imaginären Achse liegen, sind einfach, d. h. mehr-

fache Nullstellen oder Pole können also höchstens im Innern der linken p-Halbebene

auftreten.

5. Zählergrad m und Nennergrad n unterscheiden sich höchstens um 1.

6. Alle Koeffizienten aν des Zählerpolynoms und alle Koeffizienten bν des Nennerpoly-

noms sind positiv.

2 Verlustfreie Eintore

2.1 Einführung

Reaktanzeintore sind verlustfreie Eintore, die nur aus energieneutralen und reaktiven Ele-

menten aufgebaut sind. Setzt man voraus, dass die Impedanz bzw. Admittanz eines Eintores

existiert, so ist die von einem Eintor aufgenommene mittlere Leistung bei rein sinusförmiger

Spannung durch

P = ReZ(jω)|I|2 bzw. P = ReY (jω)|U |2 (7)

gegeben. Im Fall der Reaktanzeintore, die aufgrund ihrer Verlustfreiheit keine mittlere Leis-

tung aufnehmen, muss infolgedessen der Realteil von Z(jω) bzw. von Y (jω) verschwinden:

ReF (jω) = 0 , (8)

NT-V3 - 4

wobei F (jω) stellvertretend für die betrachtete Impedanz bzw. Admittanz steht. Damit eine

Funktion F (p) Impedanz oder Admittanz eines Reaktanzeintores ist, ist es notwendig und

hinreichend, dass die Funktion reell rational und positiv ist und dass ihr Realteil bei rein

imaginärem p verschwindet [Wuns61] . Man bezeichnet eine derartige Funktion als reelle

Reaktanzfunktion oder auch Foster-Funktion.

2.2 Foster-Funktionen

Reelle Reaktanzfunktionen besitzen außer den in Abschnitt 1.2 aufgeführten Eigenschaften

noch zusätzliche Eigenschaften [Wuns61]:

1. F (p) ist eine ungerade Funktion in p:

F (p) = −F (−p). (9)

2. Die Graddifferenz m − n zwischen Zähler und Nenner beträgt 1 oder −1. Der Fall

m = n ist hier also ausgeschlossen.

3. Alle Pole und Nullstellen liegen auf der jω-Achse.

4. Bei p = 0 und p = ∞ liegt entweder ein Pol oder eine Nullstelle.

5. F (p) lässt sich in Partialbrüche der Form

F (p) =N(p)

D(p)= A∞p +

A0

p+∑

λ

Aλp

p2 + ω2λ

(10)

entwickeln mit

A∞ = limp→∞

1

p

N(p)

D(p)=

am/bn für m > n

0 für m ≤ n, (11)

A0 = limp→0

pN(p)

D(p)mit A0 = lim

p→0

pN ′(p) + N(p)

D′(p)=

N(0)

D′(0)für D(0) = 0 , (12)

Aλ = 2N(jωλ)

D′(jωλ). (13)

Dabei ist N(p) der Zähler und D(p) der Nenner von F (p) der Gleichung (5), wobei

A∞, A0 sowie alle Aλ nicht negativ sind. Die einzelnen Summanden in Gleichung (10)

sind ebenfalls Reaktanzfunktionen.

6. Wegen Gleichung (8) ist F (jω) rein imaginär, sodass die durch

X(ω) = −jF (jω) (14)

definierte Funktion für alle ω reell ist. X(ω) ist eine streng monoton steigende Funk-

tion, denn ihre Ableitung ist bezüglich ω stets positiv:

dX(ω)

dω> 0 . (15)

NT-V3 - 5

7. Die Nullstellen und Pole von X(ω) alternieren entlang der ω-Achse.

8. Es gilt die Ungleichung

dX(ω)

dω≥ X(ω)

ω, (16)

wobei das Gleichheitszeichen nur dann gilt, wenn das Netzwerk ausschließlich aus

Induktivitäten oder aus Kapazitäten aufgebaut ist. Die Steigung einer beliebigen

Reaktanzfunktion in einem Punkt ω ist also größer als die einer einfachen Induktivität

oder Kapazität mit derselben Reaktanz in diesem Punkt.

2.3 Synthese verlustfreier Eintore

Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass F (p) in der konkreten Form

F (p) = A∞p +A0

p+

ℓ∑

λ=1

Aλp

p2 + ω2λ

(17)

gegeben ist. Subtrahiert man den Ausdruck A∞p von F (p), so erhält man wiederum eine

Reaktanzfunktion,

F1(p) =A0

p+

ℓ∑

λ=1

Aλp

p2 + ω2λ

, (18)

weil die Summe aus reell rationalen positiven Funktionen wieder eine reell rationale positive

Funktion ergibt und ReF1(jω) = 0 gilt. F1(p) hat keinen Pol mehr bei p = ∞ und ist

offensichtlich von niedrigerem Grad als F (p). Man sagt, dass der Pol bei p = ∞ abgespalten

worden ist. Ebenso kann man den Pol bei p = 0 oder ein konjugiert komplexes Polpaar bei

p = ±jων oder auch mehrere Pole bzw. Polpaare abspalten.

Wegen der in Abschnitt 1.2 genannten Eigenschaft 2 müssen die Pole und Nullstellen

auf der imaginären Achse spiegelbildlich zu p = 0 liegen. Es genügt also, nur die Pole

und Nullstellen für ω ≥ 0 zu betrachten. Nach Gleichung (17) sind für einen Pol bei

endlichen Frequenzen ωλ > 0 je zwei Elemente und für einen Pol bei p = ∞ oder p = 0 je ein

Element notwendig. In Bild 4 sind die vier prinzipiell möglichen Pol-Nullstellen-Verteilungen

angegeben, wobei die Pole und Nullstellen gemäß der Eigenschaft 7 aus dem Abschnitt 2.2

alternieren.

Man überzeugt sich schnell davon, dass die Zahl der notwendigen Elemente gleich der

um eins verminderten Zahl der Pole und Nullstellen im Intervall 0 ≤ ω ≤ ∞ ist. Die Zahl

der notwendigen Elemente ist übrigens auch gleich dem Grad2 der Funktion F (p), wie man

mithilfe von Gleichung (19) beweisen kann.

2Der Grad von F (p) = N(p)/D(p) ist gleich dem Maximum vom Grad des Zählerpolynoms N(p) unddem Grad des Nennerpolynoms D(p).

NT-V3 - 6

1

1

1

1

2

2

2

2

2

2

2

2 2

2

2

2

2

Nullstelle bei p = 0

Pol bei p = ∞Nullstelle bei p = 0

Nullstelle bei p = ∞Pol bei p = 0

Pol bei p = ∞Pol bei p = 0

Nullstelle bei p = ∞p = 0 p = ∞

Bild 4: Pol-/Nullstellenverteilung bei Reaktanzeintoren

Die kanonischen Grundschaltungen nach Foster

Die Gleichung (17) wird in der Form

F (p) = A∞p +1p

A0

+

ℓ∑

λ=1

1

1

p +1

ω2λ

p

(19)

geschrieben. F (p) ist dann offensichtlich die Impedanz der Widerstandspartialbruchschaltung

nach Bild 5 oder die Admittanz der Leitwertpartialbruchschaltung nach Bild 6, welche als

kanonische Grundschaltung 1. bzw. 2. Art nach Foster bezeichnet werden.

A1

p

A2

p

An

p

A0

ppA∞

pA1

ω21

pA2

ω22

pAn

ω2n

Z(p)

Bild 5: Kanonische Grundschaltung 1.Art nach Foster

Die beiden Schaltungen heißen kanonisch, weil sie mit einem Minimum an Elementen

auskommen. Sie haben nämlich genau so viel Elemente, wie die Gleichung (17) an Parame-

tern enthält.

NT-V3 - 7

ω21

pA1

ω22

pA2

ω2n

pAn

1

pA∞

p

A1

p

A2

p

Anp

A0Y (p)

Bild 6: Kanonische Grundschaltung 2.Art nach Foster

Die erste kanonische Grundschaltung nach Cauer

Spaltet man von F (p) den Pol bei p = ∞ ab,

F (p) = F1(p) + A∞p (20)

mit

F1(p) = F (p) − A∞p , (21)

so hat F1(p) keinen Pol mehr bei p = ∞. Andererseits muss F1(p) dort aber als Reak-

tanzfunktion, wegen der in Abschnitt 2.2 erwähnten Eigenschaft 4, eine Nullstelle haben.

Folglich hat 1/F1(p) dort wieder einen Pol, der nun abgespalten wird. Bezeichnet man die

entstehende Funktion mit

F2(p) =1

F1(p)− A∞1p , (22)

so lässt sich F (p) in der Form

F (p) = A∞p +1

A∞1p + F2(p)(23)

darstellen. Fährt man in dieser Weise fort mit

F (p) = A∞p +1

A∞1p +1

1

F2(p)

= A∞p +1

A∞1p +1

A∞2p + F3(p)

= · · · ,

(24)

so erhält man eine Funktion, welche die Impedanz oder Admittanz der Kettenbruchschaltung

nach Bild 7 bzw. nach Bild 8 ist, die auch kanonische Grundschaltungen 1. Art nach Cauer

genannt werden und deren Bauelementwerte der Gleichung (24) zu entnehmen sind.

NT-V3 - 8

1

pA∞1

1

pA∞3

1

pA∞5

pA∞

p

A∞2

p

A∞4

Z(p)

Bild 7: Kanonische Grundschaltung 1.Art einer Impedanz nach Cauer

1

pA∞

A∞2

p

A∞4

p

pA∞1 pA∞3

Y (p)

Bild 8: Kanonische Grundschaltung 1.Art einer Admittanz nach Cauer

Die zweite kanonische Grundschaltung nach Cauer

Spaltet man von F (p) den Pol bei p = 0 ab,

F (p) =A0

p+ F1(p) , (25)

so hat F1(p) keinen Pol mehr bei p = 0. Andererseits muss F1(p) aber wegen der Eigen-

schaft 4 aus Abschnitt 2.2 dort eine Nullstelle haben. Dann hat 1/F1(p) dort wieder einen

Pol welcher abgespalten wird:

F (p) =A0

p+

1

1

F1(p)

. (26)

Diese Vorgehensweise ist entsprechend wie bei der ersten kanonischen Grundschaltung nach

Cauer. Sind sämtliche Pole abgespalten, gelangt man schließlich zur Darstellung:

F (p) =A0

p+

1

A01

p+

1

A02

p+

1

· · ·

. (27)

Die zugehörigen Kettenbruchschaltungen für die Fälle, dass F (p) eine Impedanz oder eine

Admittanz ist, sind in den Bildern 9 und 10 angegeben und werden als kanonische Grund-

schaltungen 2. Art nach Cauer bezeichnet.

NT-V3 - 9

A0

p

A02

p

A04

p

p

A01

p

A03

p

A05Z(p)

Bild 9: Kanonische Grundschaltung 2.Art einer Impedanz nach Cauer

A01

p

A03

p

p

A0

p

A02Y (p)

Bild 10: Kanonische Grundschaltung 2.Art einer Admittanz nach Cauer

3 Beispiele

3.1 Widerstandspartialbruchschaltung erster Art

Im folgenden Beispiel wird von einer gegebenen Reaktanzfunktion ausgegangen:

Z(p) = K[p − jω1][p + jω1][p − jω3][p + jω3]

p [p − jω2][p + jω2][p − jω4][p + jω4]= K

[p2 + ω21][p

2 + ω23]

p [p2 + ω22][p

2 + ω24]

.

mit

K = 1000 Ωω1 ω2 = 2ω1 , ω3 =√

6ω1 und ω4 = 3ω1 .

Diese Funktion wird zweckmäßigerweise normiert:

Z(p) =

K

ω1

[p2

ω21

+ω2

1

ω21

] [p2

ω21

+ω2

3

ω21

]

p

ω1

[p2

ω21

+ω2

2

ω21

] [p2

ω21

+ω2

4

ω21

] .

Mit den normierten Größen

R =K

ω1= 1000 Ω und q =

p

ω1

ergibt sich die normierte Reaktanzfunktion:

F (q) :=Z(p)

R=

[q2 + 1][q2 + 6]

q [q2 + 4][q2 + 9]=

q4 + 7q2 + 6

q5 + 13q3 + 36q= A∞ q +

A0

q+

A1 q

q2 + 4+

A2 q

q2 + 9.

NT-V3 - 10

Mit den Gleichungen (11), (12) und (13) gilt:

A∞ = limq→∞

1

qF (q) = 0,

N(q) = q4 + 7q2 + 6,

D′(q) = 5q4 + 39q2 + 36,

A0 =N(0)

D′(0)=

6

36=

1

6,

A1 = 2N(2j)

D′(2j)= 2

16 − 28 + 6

80 − 156 + 36=

−6 · 2−40

=3

10und

A2 = 2N(3j)

D′(3j)= 2

81 − 63 + 6

405 − 351 + 36=

24 · 290

=8

15.

Die Koeffizienten werden in F (q) eingesetzt, und man erhält

F (q) =1

6 q+

3

10q

q2 + 4+

8

15q

q2 + 9

=1

6 q+

1

10

3q +

1

3

40q

+1

15

8q +

1

8

135q

,

wobei die zugehörige Schaltung im Bild 11 dargestellt ist.

1

6 q

3

10 q

8

15 q

q3

40q

8

135

F (q)

Bild 11: Normiertes Reaktanzeintor

Entnormiert man die Reaktanzfunktion mit

ZC(p) =R

qc=

Rp

ω1c

=1

pC, C =

c

ω1R=

c

2π 4 kHz 1 kΩ= 39,79 c nF ,

ZL(p) = Rql =Rp

ω1l = pL , L =

R

ω1l =

1 kΩ

2π4 kHzl = 39,79 l mH ,

ergibt sich hieraus für Z(p) die Schaltung nach Bild 12 .

NT-V3 - 11

1

p 238,73 nF

1

p 132,63 nF

1

p 74,6 nF

p 2,98 mH p 2,36 mH

Z(p)

Bild 12: Entnormiertes Reaktanzeintor

3.2 Berechnung der Kettenbruchschaltung zweiter Art

Mit denselben Werten wie im Kapitel 3.1 ist

F (q) :=Z(p)

R=

q4 + 7 q2 + 6

q5 + 13 q3 + 36 q,

A0 =N(0)

D′(0)=

6

36=

1

6.

Abspalten des 1. Pols bei q = 0:

F (q) =1

6 q+

q4 + 7 q2 + 6 − 1

6 qq5 − 1

6 q13 q3 − 1

6 q36 q

q5 + 13 q3 + 36 q︸ ︷︷ ︸

F1(q)

.

Wir erhalten mit F1(q) eine neue Reaktanzfunktion. Diese hat bei q = 0 eine Nullstelle.

Also besitzt 1/F1(q) dort einen Pol, welcher sich abspalten lässt:

F (q) =1

6 q+

5

6q4 +

29

6q2

q5 + 13 q3 + 36 q

=1

6 q+

5 q3 + 29 q

6 q4 + 78 q2 + 216

=1

6 q+

1

6 q4 + 78 q2 + 216

5 q3 + 29 q

=1

6 q+

1

216

29 q+

6 q4 + 78 q2 + 216 − 216

29 q5 q3 − 216

29 q29 q

5 q3 + 29 q︸ ︷︷ ︸

F2(q)

.

NT-V3 - 12

Es verbleibt eine Reaktanzfunktion F2(q), von welcher der nächste Pol abgespalten werden

kann:

F (q) =1

6 q+

1

216

29 q+

6 q4 +1182

29q2

5 q3 + 29 q

=1

6 q+

1

216

29 q+

174 q3 + 1182 q

145 q2 + 841

=1

6 q+

1

1

29

216q

+1

145 q2 + 841

174 q3 + 1182 q

.

Der Kehrwert 1/F2(q) besitzt wieder eine Polstelle bei q = 0:

F (q) =1

6 q+

1

1

29

216q

+1

841

1182 q+

145 q2 + 841 − 841

1182 q174 q3 − 841

1182 q1182 q

174 q3 + 1182 q

.

Die verbleibenden Pole bzw. Nullstellen werden nach der gleichen Vorgehensweise wie zuvor

abgespalten:

F (q) =1

6 q+

1

1

29

216q

+1

841

1182 q+

4176

197q2

174 q3 + 1182 q

=1

6 q+

1

1

29

216q

+1

841

1182 q+

4176 q

34278q2 + 232854

=1

6 q+

1

1

29

216q

+1

1

1182

841q

+1

34278 q2 + 232854

4176 q

.

Es entsteht schließlich ein Kettenbruch, von dem alle Bauelementwerte in normierter Form

abzulesen sind:

F (q) =1

6 q+

1

1

29

216q

+1

1

1182

841q

+1

1

696

38809q

+1

1

197

24q

.

NT-V3 - 13

ω1

p 6

ω1 841

p 1182

ω1 24

p 197

p29

ω1 216p

696

ω1 38809Z(p)/R

Bild 13: Normiertes Reaktanzeintor mit Kettenbruchentwicklung

4 Vorbereitung

4.1 Versuchseinarbeitung

Betrachtet wird Filterschaltung aus Bild 14 mit einem sägezahnförmigen Signal e(t) der

Grundfrequenz f1 = 4 kHz, das im Bild 15 dargestellt ist. Die Fourier-Reihe des periodi-

schen Signals e(t) lautet:

e(t) = −2A

π

[

sin(ω1t) +1

2sin(2ω1t) +

1

3sin(3ω1t) + · · · + 1

νsin(νω1t) + · · ·

]

. (28)

Die Amplituden der Fourier-Koeffizienten nehmen also mit 1/ν ab.

+

Ri Rv

Ze(t) u1(t) u2(t)

Bild 14: Filterschaltung Ri ≪ Rv

−2π −π π 2π ω1t

A

−A

e(t)

Bild 15: Zeitlicher Verlauf des sägezahnförmigen Signals

Die Impedanz Z(p) ist nun so zu wählen, dass die Spannung u2(t) möglichst nur die

zweite und dritte Harmonische von e(t) enthält, alle anderen Frequenzanteile also möglichst

gut ausgefiltert werden.

NT-V3 - 14

Die einzelnen Schwingungen der Frequenzen νω1 überlagern sich, wobei für Z(p) jeweils

der Wert Z(jνω1) einzusetzen ist. Sind die Beträge |Z(±j2ω1)| und |Z(±j3ω1)| sehr groß

gegenüber |Z(jνω1)| mit |ν| 6= 2,3, so treten in der Spannung an diesem Eintor praktisch

nur die zweite und die dritte Harmonische auf.

4

4

ω3

ω3

8

12 ω

2π/kHz

−jZ(jω) = X(ω)

Bild 16: Verlauf von −jZ(jω), Pole, Nullstellen

Im Bild 16 ist der prinzipielle Verlauf von −jZ(jω) angegeben. Die erste Harmonische

wird ganz eliminiert und die vierte sowie alle höheren Harmonischen erfahren eine große

Dämpfung. Die Dämpfung beträgt zum Beispiel für die vierte Harmonische:

a

dB= 20 lg

(∣∣∣∣

E16 kHz

U16 kHz

∣∣∣∣

)

= 20 lg

(√

R2v

|X216 kHz|

+ 1

)

. (29)

Man hat Interesse an einer hohen Dämpfung und wählt daher

Rv

|X16 kHz|≫ 1 , (30)

womit sich näherungsweise für die Dämpfung

a

dB≈ 20 lg

(Rv

|X16 kHz|

)

(31)

ergibt.

Für die Reaktanzfunktion wird der Ansatz

Z(p) = K[p − jω1][p + jω1][p − jω3][p + jω3]

p [p − jω2][p + jω2][p − jω4][p + jω4]= K

[p2 + ω21][p

2 + ω23]

p [p2 + ω22][p

2 + ω24]

(32)

NT-V3 - 15

gewählt, wobei K festgelegt ist, die Nullstelle ω1 sowie die Polstellen ω2 und ω4 direkt dem

Reaktanzverlauf des Bildes 16 entnommen werden können und der verbleibende Parameter

ω3 noch zu bestimmen ist. Zweckmäßigerweise normiert man die Funktion F (p) wieder:

Z(p) =

K

ω1

[p2

ω21

+ω2

1

ω21

] [p2

ω21

+ω2

3

ω21

]

p

ω1

[p2

ω21

+ω2

2

ω21

] [p2

ω21

+ω2

4

ω21

] . (33)

Mit den normierten Größen

K

ω1= R,

p

ω1= q, ω2 = 2ω1, ω3 = Ω3ω1, ω4 = 3ω1 (34)

ergibt sich die normierte Reaktanzfunktion

Z(p)

R=

[q2 + 1][q2 + Ω23 ]

q [q2 + 4][q2 + 9], (35)

in der nun Ω3 als freier Parameter auftritt. Für rein imaginäre q = jΩ mit Ω = ω/ω1 gilt

Z(jω)

R= −j

[Ω2 − 1][Ω2 − Ω23 ]

Ω[Ω2 − 4][Ω2 − 9]= j

X(Ωω1)

R. (36)

Um die normierte Frequenz Ω3 zu bestimmen, wird nun die Reaktanzfunktion an der Stelle

f = 16 kHz betrachtet:

|X16 kHz| = R[16 − 1][16 − Ω2

3 ]

4[16 − 4][16 − 9]=

5

112R[16 − Ω2

3 ]

⇐⇒ Ω23 = 16 − 112

5

|X16 kHz|R

.

Mit der Gleichung (31) erhält man Ω3 in Abhängigkeit der Dämpfung

Ω23 = 16 − 112

5

Rv

R10

1

20

a

dB (37)

oder umgekehrt

a

dB= 20 lg

(112

5

Rv

R

1

16 − Ω23

)

. (38)

Sind also R und Rv vorgegeben, so lässt sich durch die Lage von Ω3 die Dämpfung abeeinflussen, da mit größer werdendem Ω2

3 auch a größer wird. Für ω3 gibt es natürlich die

Schranken

8 kHz <ω3

2π< 12 kHz,

2 < Ω3 < 3 ,

4 < Ω23 < 9 ,

NT-V3 - 16

Rv/R 1 2 5 10 20 50 100 200 500 1000

amax/dB 10 16 24 30 36 44 50 56 64 70

Tabelle 1: Maximal erreichbare Dämpfung für die vierte Harmonische in Abhängigkeit von Rv/R.

d. h.

4 < 16 − 112

5

Rv

R10

1

20

a

dB < 9 ,

112

5

Rv

R10

1

20

a

dB < 12

und

112

5

Rv

R10

1

20

a

dB > 7 ,

20 lg

(112

60

Rv

R

)

<a

dB< 20 lg

(112

35

Rv

R

)

. (39)

Der Variationsbereich ∆a/dB beträgt nur

∆a

dB= 20 lg

(112

35

Rv

R

)

− 20 lg

(112

60

Rv

R

)

= 20 lg

(60

35

)

= 4,68 . (40)

Die erreichbare Dämpfung ist vom Verhältnis Rv/R abhängig. Die Tabelle 1 gibt einen

Überblick hierüber. Dabei ist amax die obere – nicht mehr erreichbare – Schranke.

4.2 Versuchsvorbereitungsaufgaben

In der im Bild 17 dargestellten Schaltung ist die Spannung e(t) sägezahnförmig. Die Span-

+

Ri Rv

Ze(t) u1(t) u2(t)

Bild 17: Filterschaltung

nung u2(t) soll vorwiegend die zweite und die dritte Harmonische der Sägezahnspannung

enthalten. Alle anderen Harmonischen sollen zumindest theoretisch eine Dämpfung von

wenigstens 58,29 dB erfahren.

NT-V3 - 17

Zahlenwerte3: Grundfrequenz der Sägezahnspannung e(t): f1 = 4 kHz, Rv = 330 kΩ,

K

2πf1= R = 1 kΩ.

Das Reaktanzeintor soll vom Grade 5 sein.

Vorbereitungsaufgabe 4.1:

Geben Sie eine geeignete Pol-Nullstellen-Verteilung an, und berechnen Sie die Lage der Pole

und Nullstellen.

Vorbereitungsaufgabe 4.2:

Skizzieren Sie für diese Pol-Nullstellen-Verteilung vier kanonische Schaltungen.

Vorbereitungsaufgabe 4.3:

Berechnen Sie die Leitwertpartialbruchschaltung 2.Art nach Foster, und geben Sie die

entnormierten Bauelelementwerte an.

Vorbereitungsaufgabe 4.4:

Berechnen Sie die Kettenbruchschaltung 1. Art nach Cauer, und geben Sie die entnormier-

ten Bauelementwerte an.

Vorbereitungsaufgabe 4.5:

Bereiten Sie zu den Aufgabenpunkten der Versuchsdurchführung 3 , 4 und 5 Messprotokolle

vor. Die Messprotokolle sollten alle relevanten Versuchsdaten beinhalten, insbesondere auch

das Datum, die Namen der durchführenden Personen und den Namen des Protokollführers.

Die Messprotokolle sind mit dokumentenechten Stiften auszufüllen und am Ende vom Be-

treuer unterschreiben zu lassen. Erfolgt dies nicht, sind später Zweifel an der Authentizität

der Messwerte möglich. Eventuell müsste dann der Versuch wiederholt werden. Zweifelhafte

Messwerte sollten bei der Auswertung gekennzeichnet und diskutiert werden, damit eine

Wiederholung des Versuchs vermieden werden kann.

Vorbereitungsaufgabe 4.6:

Bereiten Sie sich auf die folgenden Themenbereiche vor (nicht schriftlich), die Sie zu Beginn

der Durchführung des Versuchs ihren Kommilitonen in Form eines Kurzreferates (2 Minuten)

näherbringen sollen (Hilfsmittel Tafel). Die Themenvergabe erfolgt durch Auslosung.

• Schaltung nach Bild 17 im Hinblick auf das Ziel erläutern und begründen.

• Herleitung der Gleichung (29) aus der Schaltung.

• Mathematische Form einer Reaktanzfunktion, aus der die Pole und Nullstellen direkt

ablesbar sind; drei Eigenschaften einer Reaktanzfunktion.

3Die Zahlenwerte sind so gewählt, dass man mit gebrochen rationalen Zahlen rechnen kann.

NT-V3 - 18

• Weitere vier Eigenschaften einer Reaktanzfunktion.

• Idee des Syntheseverfahrens nach Foster.

• Idee des Syntheseverfahrens nach Cauer.

• Fosterschaltung 1. und 2.Art, Cauerschaltung 1. und 2.Art, mathematische Form und

Anordnung der Bauelemente.

5 Versuchsdurchführung

1. Kurzvorträge

2. Verschaffen Sie sich einen Überblick über den Messaufbau. Notieren Sie sich insbeson-

dere die technischen Daten der Messgeräte wie z. B. Ein- und Ausgangwiderstände,

relative Fehler, Messbereiche usw.

Zunächst wird die Schaltung nicht mit der Sägezahnspannung, sondern mit einer sinusförmi-

gen Spannung betrieben, um das Verhalten der frequenzabhängigen Impedanz Z(jω) gezielt

bei einer Frequenz zu erfassen. Hierzu ist der Effektivwert der Spannung e(t) bei 20 Hz auf

4 V einzustellen und fortan nicht mehr zu verändern.

3. Messen Sie die Spannungen u1(t) und u2(t) im Leerlauf ohne Z(p) bei 20 Hz und

20 kHz. Diskutieren Sie die Messergebnisse.

4. Messen Sie den Verlauf von |U2(jω)| im Bereich von 20–20000 Hz für die Foster- und

für die Cauer-Schaltung. Ermitteln Sie dabei insbesondere die Minima und Maxima

von |U(jω)|. Es sind 30–35 Messpunkte zu wählen, die sinnvollerweise nicht äquidistant

sein sollten. Zeichnen Sie den Verlauf der Spannung in Abhängigkeit von der Frequenz

in das vorbereitete Diagramm ein.

Nun wird eine sägezahnförmige Spannung angelegt. Gemessen wird mit einem frequenz-

selektiven Messgerät, dessen Frequenzbereich einstellbar ist. Stellen Sie die Frequenz des

Sägezahngenerators so ein, dass sich das Maximum der Spannung E am Messgerät bei

4 kHz ergibt. Diese Einstellung ist fortan nicht mehr zu ändern.

5. Messen Sie die Amplituden der ersten 6 Harmonischen der Sägezahnspannung e(t).Messen Sie bei den gleichen Frequenzen die Amplituden des Spektrums von u2(t) der

beiden Schaltungen.

Hinweis:

Das Messgerät ist hierbei nicht genau auf 8 kHz, 12 kHz usw. einzustellen, sondern auf

die Frequenzen, bei denen sich das Maximum ergibt. Dies wird dadurch gerechtfertigt,

dass das Spektrum nur bei den Harmonischen überhaupt Energieanteile besitzen kann.

Eventuelle Skalenungenauigkeiten bei der Frequenzeinstellung werden somit ausgegli-

chen.

NT-V3 - 19

Validation:

6. Vergewissern Sie sich, dass alle Messergebnisse plausible Werte ergaben. Berechnen Sie

auch die Dämpfungen der ersten sechs Harmonischen bei zumindest einer Schaltung.

Vermeiden Sie so, dass Sie bei fehlerhaften Werten einen weiteren Termin zu Kon-

trollmessungen wahrnehmen müssen. Lassen Sie sich alle Seiten des Protokolls vom

Betreuer unterschreiben.

Ausarbeitung:

7. Berechnen sie aus den gemessenen Werten |U2(jω)| die Impedanz Z(jω).

8. Stellen Sie die ermittelten Werte für Z(p) mit linearer Abszissen- und logarithmischer

Ordinatenskalierung, die Spannungen |U |, |E| aus 5 , sowie die ermittelten Dämpfun-

gen der ersten 6 Harmonischen in einer geeigneten Form grafisch dar. In welchem

Verhältnis stehen die Amplituden der Harmonischen von e(t) zueinander?

9. Prüfen Sie, ob der Messaufbau bezüglich der eingesetzten Messgeräte, Signalgene-

ratoren usw. geeignet war, um die relevanten Größen des Eintores zu bestimmen.

Skizzieren Sie dazu den Messaufbau, und stellen Sie entsprechende Überlegungen und

Berechnungen an. Beachten Sie dabei im Besonderen die Messungen aus 3. Hätte man

ideale Messgeräte zur Verfügung, würde sich dann der berechnete Verlauf von |Z(p)|von dem in 7. nennenswert unterscheiden? Nennen Sie weitere Fehlerquellen.

NT-V3 - 20

Literatur

[Bode55] H. W. Bode: Network analysis and Feedback Amplifier Design. van Norstrand,

New York, 1955.

[Caue54] W. Cauer: Theorie der linearen Wechselstromschaltungen. Akademieverlag, Ber-

lin, 1954.

[Chen64] W. H. Chen: Linear Network Design and Synthesis. Mc Graw-Hill, New York,

1964.

[Wuns61] G. Wunsch: Theorie und Anwendung linearer Netzwerke. Geest & Portig, Leipzig,

1961.

NT-V3 - 21

Versuch NT-V4: Reaktanzzweitore

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 2

2 Herleitung 2

2.1 Verhalten von Zweitoren in Betriebsschaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2.2 Reaktanzzweitore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.3 Streumatrix mit kanonischen Polynomen, Realisierbarkeit . . . . . . . . . . . 4

2.4 Betriebsdämpfung und -phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.5 Verzerrungsfreie Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.6 Reaktanzfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.7 Digitalfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.8 Wellendigitalfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

3 Vorbereitung 35

4 Versuchsdurchführung 36

4.1 Syntheseaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

4.2 Durchführung und Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Literaturverzeichnis 39

NT-V4 - 1

1 Einleitung

In der Nachrichtentechnik tritt oftmals das Problem auf, aus einem Signal bestimmte Fre-

quenzanteile entfernen zu müssen. Dies kann zum Beispiel bei der Modulation/Demodulation

von Signalen, vor der Abtastung von Signalen zwecks digitaler Weiterverarbeitung oder zur

Entfernung von Störungen nötig sein.

Es existiert dann häufig ein Frequenzbereich, in dem die erwünschten Signalkomponenten

liegen, der Durchlassbereich, und ein Frequenzbereich, der unterdrückt werden soll, der

Sperrbereich. Zwischen diesen beiden Bereichen befindet sich ein Übergangsbereich. Für

den Durchlassbereich wird gefordert, dass das Signal höchstens mit der Durchlassdämpfung

Amax gedämpft werden soll, im Sperrbereich hingegen soll das Signal mindestens um die

Sperrdämpfung Amin gedämpft werden. Ziel der Filtersynthese ist es nun, ein System zu

entwerfen, das diesen Anforderungen gerecht wird.

Zur Lösung dieser Aufgabe bieten sich speziell Reaktanzzweitore in der so genannten Be-

triebsschaltung an, d.h. verlustlose Zweitore, die zwischen resistiven Abschlüssen betrieben

werden. Dies liegt darin begründet, dass so ein analytischer Entwurf von Reaktanzzweito-

ren mithilfe der charakteristischen Funktion Ψ möglich ist. Diese Filtersynthese ist eines

der wenigen Gebiete der Ingenieurwissenschaften, in denen eine komplett mathematische

Problemlösung ausgehend von Spezifikationen bis hin zum fertigen System möglich ist!

Der Versuch hat die Synthese von Reaktanzzweitoren und die Untersuchung der synthe-

tisierten Strukturen zum Inhalt. Die Reaktanzzweitore werden jedoch nicht als Schaltungen

realisiert, sondern mithilfe von digitalen Systemen simuliert. Hierdurch kann die Untersu-

chung des Verhaltens der Reaktanzzweitore flexibler gestaltet und an Rechnern durchgeführt

werden.

Zur Simulation von Reaktanzzweitoren bieten sich Wellendigitalfilter an, die eine diskrete

Approximation passiver Analogfilter darstellen. Die theoretischen Grundlagen der Wellen-

digitalfilter sind ebenfalls Teil des Versuchs.

Dieser Umdruck ist wie folgt gegliedert: Zunächst werden einige Eigenschaften der Reak-

tanzzweitore wiederholt, die aus der Vorlesung „Schaltungstheorie und Signalverarbeitung“

bekannt sein sollten. Danach folgt die Behandlung der charakteristischen Funktion und ihr

Einsatz beim Entwurf von Tiefpässen. Es werden Butterworth-, Tschebyscheff- und

Cauer-Tiefpässe behandelt. Danach wird kurz auf die Tiefpass-Hochpass-Transformation

eingegangen. Im Anschluss werden die Grundlagen der Wellendigitalfilter behandelt, soweit

sie für den Versuch relevant sind. Es werden digitale Elemente für die reaktiven Elemente

hergeleitet und angegeben, wie die analoge Schaltungsstruktur auf einem Rechner umgesetzt

werden kann. Den Abschluss des Umdrucks bilden die Vorbereitungsaufgaben.

2 Herleitung

2.1 Verhalten von Zweitoren in Betriebsschaltung

Wie bereits in der Vorlesung „Schaltungstheorie und Signalverarbeitung“ behandelt [FH92],

können Zweitore durch die Impedanzmatrix Z, die Admittanzmatrix Y , die Kettenmatrix

K oder die Hybridmatrizen G und H beschrieben werden, falls die jeweiligen Matrizen exis-

tieren. Diese Beschreibungen benutzen die Torspannungen bzw. die Torströme, beziehen aber

NT-V4 - 2

Z

A1

B1

E

R1 I1 I2 R2

U2

RT1 RT2

A2

B2

U1

Pmax P1 P2

Bild 1: Zweitor in Betriebsschaltung

nicht die widerstandsbehaftete Quelle und den Abschlusswiderstand der Betriebsschaltung

ein. Dies leistet die Beschreibung über die Transmittanzen und Reflektanzen der Schaltung.

Wir wiederholen einige bekannte Definitionen und Ergebnisse:

Transmittanz:

S21(p) = 2

R1

R2

U2

E(1)

Reflektanz:

S11(p) =2U1 − E

E=W1 −R1

W1 +R1mit W1 =

U1

I1(2)

Maximale der Quelle entnehmbare Leistung:

Pmax =|E|24R1

(3)

Im Zweitor verbrauchte Leistung

Pv = P1 − P2 . (4)

Am Tor 1 reflektierte Leistung

Pr = Pmax − P1 . (5)

So ergibt sich durch Pv ≥ 0

|S21|2 = 4R1

R2

|U2|2|E|2 =

|U2|2R2

|E|24R1

=P2

Pmax

≤ 1 für p = jω (6)

|S11|2 =Pr

Pmax

≤ 1 für p = jω . (7)

Hieraus folgt dann

|S11|2 + |S21|2 =Pr + P2

Pmax

=Pmax − P1 + P2

Pmax

= 1 − Pv

Pmax

für p = jω . (8)

Dabei ist S11 die Reflektanz am Tor 1 und S21 die Transmittanz von Tor 1 nach Tor 2.

Die für die vollständige Beschreibung noch notwendigen Parameter S22 und S12 werden

entsprechend vom Tor 2 aus gesehen definiert, in (3) - (8) müssen lediglich die Indizes

vertauscht werden.

NT-V4 - 3

Streumatrix

Das Betriebsverhalten eines Zweitors lässt sich besonders gut mithilfe der Streumatrix

S =

[S11 S12

S21 S22

]

(9)

beschreiben. Diese beschreibt die Verknüpfung der einfallenden Wellen A =[A1,A2

]Tund

der ausfallenden - gestreuten - Wellen B =[B1,B2

]Tdurch B = SA. Dieser Zusammen-

hang wird im Bild 1 dargestellt, wobei

Aν =Uν +RTνIν

2√RTν

und Bν =Uν − RTνIν

2√RTν

(10)

gilt. Die Torwiderstände RTν sind zunächst frei wählbare Bezugswiderstände, allerdings

stimmen die Streuparameter aus Gleichung (9) nur mit den in 2.1 definierten Transmittanzen

und Reflektanzen überein, wenn man RT1 = R1 und RT2 = R2 wählt, vgl. [FH92].

2.2 Reaktanzzweitore

Nachrichtentechnische Übertragungssysteme bestehen oft aus der Kettenschaltung von Zwei-

toren wie zum Beispiel von Filtern, Übertragern, Modulatoren und Verstärkern. Reak-

tanzzweitore eignen sich hervorragend für die Synthese von Filtern, da bei vorgegebenem

Dämpfungsverlauf die Bauelementwerte analytisch berechenbar sind. Die in der Praxis in

den Bauelementen auftretenden Verluste können nach dem Entwurf des idealen Zweitores

durch eine Störungsrechnung berücksichtigt werden.

Ein Reaktanzzweitor ist ein Zweitor, das verlustfrei und reziprok ist (d.h. Pv = 0 bzw.

S12 = S21). Hieraus folgen die sog. Feldtkeller-Gleichungen:

|S11|2 + |S21|2 = 1 , |S22|2 + |S12|2 = 1 für p = jω . (11)

Wegen S12 = S21 gilt weiterhin

|S11| = |S22| für p = jω . (12)

2.3 Streumatrix mit kanonischen Polynomen, Realisierbarkeit

Bei verlustfreien Zweitoren kann die oben eingeführte Streumatrix auch mithilfe der so

genannten kanonischen Polynome dargestellt werden [Bele68]:

S =1

g

[h σf∗f −σh∗

]

(13)

Dabei bezeichnet man die Funktion h∗(p) als die Parakonjugierte von h(p), die durch

h∗(p) = h∗(−p∗) definiert ist. Im Falle eines reellen Polynoms, d. h. h(p) = h∗(p∗), geht

die Parakonjugation in h∗(p) = h(−p) über.

Die Polynome f , g und h heißen kanonische Polynome. Die Bedingungen dafür, dass S

die Streumatrix eines reellen Reaktanzzweitores ist, lauten

NT-V4 - 4

• f , g und h sind reelle Polynome in p, d.h. alle Koeffizienten sind reell.

• g ist ein so genanntes Hurwitz-Polynom, d.h., alle Nullstellen des Polynoms haben

einen negativen Realteil. Dies lässt sich wie folgt begründen: Die Parameter Sij sind

Wirkungsfunktionen einer passiven Schaltung, so dass sie nur in der linken Halbebene

oder auf der jω-Achse Pole haben können. Auf der jω-Achse gilt jedoch |Sij| ≤ 1,

so dass hier keine Pole möglich sind. Daher kann das Nennerpolynom, hier g, nur

Nullstellen mit negativem Realteil haben und ist somit ein Hurwitz-Polynom.

• Das Polynom f ist entweder gerade oder ungerade und es gilt (Reziprozität und (13)):

σf∗ = f mit σ =

+1 für f gerade

−1 für f ungerade(14)

• Die Polynome f , g und h sind durch

gg∗ = hh∗ + ff∗ = hh∗ + σf 2 ∀p (15)

miteinander verknüpft: Für p = jω gilt f∗ = f ∗, g∗ = g∗ und h∗ = h∗, da die Polynome

nach Voraussetzung reell in p sind. Damit erhält man aus (11):

|g|2 = |h|2 + |f |2 für p = jω . (16)

Der Grund für den obigen Ansatz (15) ist, dass man für allgemeine p analytische (holomor-

phe) Funktionen haben möchte, eine Forderung, die eine konjugiert komplexe Funktion

nicht erfüllt, wohl aber f∗ = f(−p). Für p = jω erhält man dennoch die gewünschte

Beziehung (16).

2.4 Betriebsdämpfung und -phase

Definition

Die Transmittanz kann für p = jω auch mithilfe des Betriebsübertragungsmaßes Γ (ω) bzw.

der Betriebsdämpfung A(ω) und der Betriebsphase B(ω) ausgedrückt werden:

S21(jω) = e−Γ (ω) = e−(A(ω)+jB(ω)) (17a)

A(ω) = ln

(1

|S21(jω)|

)

=1

2ln

(Pmax

P2

)

in Neper bzw. (17b)

AdB(ω) = 20 lg

(1

|S21(jω)|

)

= 10 lg

(Pmax

P2

)

in dB (17c)

B(ω) = arg

1

S21(jω)

= − arg S21(jω) . (17d)

Da für Reaktanzzweitore S21(jω) und S12(jω) gleich sind, sind deren Betriebsübertragungs-

maße ebenfalls gleich.

NT-V4 - 5

Symmetrie

Da S21 reell in p ist, besitzen A(ω) und B(ω) die Symmetrieeigenschaften:

A(−ω) = A(ω) bzw. B(−ω) = −B(ω) .

Die Betriebsdämpfung ist also eine gerade, die Betriebsphase eine (per Definition) ungerade

Funktion in ω, vgl. [Fett90].

2.5 Verzerrungsfreie Übertragung

Die Signale am Ausgang des Zweitores sollen im Durchlassbereich möglichst unverzerrt

sein. Ideal für den Durchlassbereich eines Filters wäre beispielsweise U2 = E, d.h., Dämp-

fung und Phase sind im interessierenden Bereich identisch null. Natürlich kann man diese

Forderung nicht erfüllen. Unverzerrt bleibt das Signal aber auch, wenn alle Spektralanteile

gleich gedämpft und um die gleiche Zeit verzögert werden. Setzen wir als Ziel also ein

Übertragungsverhalten

u2(t) = Ke(t− t0) .

Diese Beziehung lautet im Frequenzbereich

U2(jω) = K e−jωt0E(jω) .

Unter Verwendung der Definition der Transmittanz (1) erhält man

U2(jω) =1

2

√R2

R1S21(jω)E(jω) =

1

2

√R2

R1e−A(ω)−jB(ω)E(jω) .

Das Zweitor erfüllt die Bedingung, wenn

|S21(jω)| = e−A(ω) = konst. und B(ω) = ωt0

gilt. Für eine verzerrungsfreie Übertragung muss das Zweitor im Durchlassbereich also eine

konstante Dämpfung und eine lineare Phase haben.

2.6 Reaktanzfilter

Filter werden in großer Zahl in fast allen Übertragungssystemen eingesetzt, um Frequenzan-

teile aus einem Frequenzgemisch auszufiltern. Die Übertragung mehrerer Signale über einen

Übertragungskanal wird sowohl per Zeitmultiplex als auch per Frequenzmultiplex realisiert,

letzteres erfordert eine anschließende Trennung der Signale durch Filterung. Filter bleiben

für unzählige Anwendungen z.B. in der HF-Technik unersetzlich.

Ideale Filter

Um den gewünschten Frequenzbereich verzerrungsfrei zu übertragen, muss, wie wir im

Abschnitt 2.5 gesehen haben, die Betriebsdämpfung des Filters konstant und die Phase

linear sein. Im Interesse einer möglichst verlustfreien Übertragung fordert man also für

NT-V4 - 6

ein ideales Filter eine lineare Phase und A(ω) = 0 im Durchlassbereich sowie A(ω) = ∞im Sperrbereich, um eine vollständige Unterdrückung der unerwünschten Frequenzen zu

gewährleisten. Die idealen Übertragungskennlinien von Tiefpass, Hochpass, Bandpass und

Bandsperre werden als bekannt vorausgesetzt. Solche idealen Filter sind aber zum einen

nicht mit endlichem Aufwand realisierbar, zum anderen wäre eine derartige Realisierung

auch nicht sinnvoll, da man unendliche Laufzeiten erhalten würde, vgl. [Fett90]. Letzteres

macht auch die Grenzen der Digitaltechnik deutlich, ganz zu Schweigen von Begrenzungen

durch Umsetzer und der Rechengenauigkeit.

Filterentwurf, charakteristische Funktion

Zur Vereinfachung schreiben wir nur den Dämpfungsverlauf, nicht aber Phasenbedingungen

vor. Dabei wird ein Toleranzschema (s. Bild 2), d.h. die maximale Dämpfung Amax im

Durchlassbereich |ω| ∈ [0,ωg] und die minimale Dämpfung Amin im Sperrbereich |ω| ∈[ωs,∞) vorgegeben. Der Dämpfungsverlauf zwischen ωg und ωs kann nicht abrupt, sondern

nur gleitend sein.

A(ω)

ωωg ωs

Amin

Amax

DB

SB

Bild 2: Toleranzschema für den Dämpfungsverlauf eines Tiefpass

Um einen Verlauf wie im Bild 7 zu realisieren, könnte man nun S21 geeignet vorschreiben.

Es ist jedoch sehr schwierig, durch Einstellen der Koeffizienten von S21 die Stabilitätseigen-

schaft zu erhalten (g Hurwitz-Polynom) und zugleich |S21| ≤ 1 zu erfüllen. Also stellt

sich die Frage nach einer anderen Problemlösung: Gesucht wird eine Funktion, die wie S21

monoton mit A(ω) zusammenhängt, aber weniger strengen Bedingungen unterliegt. Aus

dieser einfacher bestimmbaren Funktion soll dann S21 berechenbar sein. Dies leistet die

charakteristische Funktion

Ψ =S11

S21=h

f. (18)

Den Zusammenhang zwischen Dämpfung und charakteristischer Funktion erhalten wir mit

der Gleichung (11):

A(ω) =1

2ln

(1

|S21(jω)|2)

=1

2ln

( |S11(jω)|2 + |S21(jω)|2|S21(jω)|2

)

=1

2ln(1 + |Ψ |2) . (19)

NT-V4 - 7

Offensichtlich fallen die Nullstellen und Pole von Ψ mit denen von A zusammen

A(ω) = 0 ⇔ Ψ = 0

A(ω) → ∞ ⇔ Ψ → ∞

und A und Ψ weisen gleiches Steigungsverhalten auf. Die charakteristische Funktion unter-

liegt nach Abschnitt 2.3 geringeren Anforderungen als die Transmittanz:

• Ψ muss reell und rational in p sein.

• Das Nennerpolynom f muss entweder eine gerade oder ungerade Funktion sein.

Man konstruiert Ψ nach den gewünschten Dämpfungspolen und -nullstellen und kennt

damit auch h und f . Für die Streumatrix fehlt noch g, welches man über Gleichung (16)

bestimmen kann. Man setzt

hh∗ + ff∗ = 0 (20)

und erhält g aus den Nullstellen mit negativem Realteil. Bild 3 zeigt ein solches Nullstel-

lenschema in der komplexen Ebene.

Imp

Rep

Nullstellen von g(p) Nullstellen von g∗(p)

Bild 3: Nullstellenschema in der komplexen Ebene

Nun kennt man die Streumatrix und kann den Dämpfungs- und Phasenverlauf aus

der Transmittanz bestimmen. Zur Erfüllung einer zusätzlichen Phasenbedingung kann dem

Tiefpass noch ein Allpass nachgeschaltet werden.

Normierung

Zur Vereinfachung der folgenden Rechnungen werden die Frequenzen auf die Grenzfrequenz

ωg und die Impedanzen auf den Widerstand R1 normiert,

Ω =ω

ωg, Ωs =

ωs

ωg, pN =

p

ωg, lν = Lν

ωg

R1und cν = CνR1ωg . (21)

NT-V4 - 8

Tiefpässe

Man unterscheidet Tiefpässe nach den Ansätzen für die charakteristische Funktion, d.h.

nach den Ansätzen, die man für die Polynome h und f macht.

Polynomtiefpässe

Bei Polynomtiefpässen ist die charakteristische Funktion ein Polynom n-ten Grades:

Ψ =h

f= h, f = 1. (22)

Der prinzipielle Dämpfungsverlauf eines Polynomtiefpasses ist im Bild 4 dargestellt. Die

Nullstellen liegen im Durchlassbereich verteilt, alle Polstellen liegen beiΩ = ∞. Auch hier ist

eine bessere Ausnutzung des Durchlassbereichs durch gleich hohe Maxima und A(ωg) = Amax

wünschenswert.

A(ω)

ω

Bild 4: Prinzipieller Dämpfungsverlauf eines Polynomtiefpasses

Da die Nullstellen und Pole von A und Ψ übereinstimmen, können die Dämpfungsnull-

stellen beliebig in den Durchlassbereich gelegt werden, während die Dämpfungspole fest bei

unendlicher Frequenz liegen. Man kann zeigen [Mild92], dass sich Polynomtiefpässe vom

Grad n immer durch Abzweigschaltungen mit n Energiespeichern realisieren lassen. Man

nennt solche Schaltungen auch kanonische Schaltungen. Die Bilder 5 und 6 zeigen jeweils

zwei mögliche Realisierungsschaltungen für ungerade bzw. gerade Polynomgrade n.

NT-V4 - 9

a1

a2

a3

a4 an−1

an

a1

a2

a3

a4

an

an−1

Bild 5: Abzweigschaltungen für ein Polynomfilter ungerader Ordnung

a1

a2

a3

a4

an−1

an

a1

a2

a3

a4

an−1

an

Bild 6: Abzweigschaltungen für ein Polynomfilter gerader Ordnung

Potenz- oder Butterworth-Tiefpässe

Die einfachste charakteristische Funktion, mit der ein Dämpfungstoleranzschema gemäß

Bild 2 erfüllt werden kann, lautet

Ψ (pN) = εpnN = h(pN) , (23)

woraus

S21 =f

g=

1

g(24)

NT-V4 - 10

folgt. Damit ergibt sich |Ψ (jΩ)|2 = ε2Ω2n und mit (19) für die Dämpfung

A(Ω) =1

2ln(1 + ε2Ω2n) in Neper bzw. (25a)

A(Ω) = 10 lg(1 + ε2Ω2n) in dB . (25b)

Alle Dämpfungsnullstellen des Butterworth-Filters liegen bei Ω = 0, der Dämpfungsver-

lauf ist monoton und bei Ω = 0 maximal flach ansteigend, d.h., die ersten 2n−1 Ableitungen

der Dämpfung verschwinden dort. Der Dämpfungsverlauf eines Butterworth-Tiefpasses

3.Ordnung ist im Bild 7 dargestellt.

A(ω)

ωωg ωs

Amin

Amax

Bild 7: Dämpfungsverlauf eines Butterworth-Tiefpasses

Wählt man ε = 1 , so ist Ω = 1 gerade die 3 dB-Grenzfrequenz, die maximale Durch-

lassdämpfung Amax beträgt dann 3 dB. Allgemein legt man die Toleranzkontur durch Amax,

Amin und Ωs fest. Es gilt

A(Ω = 1) = Amax = 10 lg(1 + ε2)

A(Ωs) = Amin = 10 lg(1 + ε2Ω2ns ) ,

so dass man ε und n bestimmen kann zu

ε =√

10Amax/10 − 1, (27a)

10Amin/10 = 1 + ε2Ω2ns , Ω2n

s =10Amin/10 − 1

ε2, 2n lgΩs = lg

(10Amin/10 − 1

ε2

)

, (27b)

n ≥ 1

2 lgΩslg

(10Amin/10 − 1

10Amax/10 − 1

)

. (27c)

Die Berechnung der Bauelementwerte sowie Aussagen über die Phase erhält man allgemein

aus der Transmittanz S21 = 1/g. Da wir h und f kennen, können wir über (15) das Produkt

gg∗ bestimmen:

gg∗ = ff∗ + hh∗ = 1 + ε2[pN[−pN]]n .

NT-V4 - 11

Entwickelt man gg∗ nach seinen Nullstellen, so ergibt sich g als das Produkt der Nullstellen

pNk mit Re pNk < 0, da g ein Hurwitz-Polynom sein soll. Für ungerade n erhält man die

komplexen Nullstellen aus

gg∗ = 1 − ε2p2nN = 0 , pNν =

1n√ε

ejνπ/n mit 0 ≤ ν ≤ 2n− 1 ,

d.h., die Nullstellen liegen regelmäßig auf einem Kreis in der komplexen Ebene mit dem

Radius

r =1

n√ε.

Für ν = 0 und ν = n liegen die Nullstellen bei ±1/ n√ε auf der reellen Achse, auf der

imaginären Achse liegen keine Nullstellen. Gerade n werden im Folgenden aus Gründen der

Einfachheit nicht betrachtet.

Das Polynom g ergibt sich nun durch Multiplikation der Nullstellenterme mit negativem

Realteil und des Zusammenhanges S21(0) = ±1 zu

g(pN) = ±n∏

ν=1

[1 − pN/pNν ] ,

womit man die Transmittanz

S21(pN) =1

g(pN)=

±1n∏

ν=1

[1 − pN/pNν ]

=

±n∏

ν=1

[−pNν ]

n∏

ν=1

[pN − pNν ]

(28)

erhält und pNν die Polstellen mit negativem Realteil sind. Die Nullstellen von gg∗ eines

Butterworth-Filters ungerader Ordnung sind im Bild 8 dargestellt.

Im p

Re p

Bild 8: Nullstellen von gg∗ für ein Butterworth-Filter der Ordnung n = 3

Für die Phase betrachten wir nur den Fall S21(0) = 1. Dabei berücksichtigt man, dass∏n

ν=1[−pNν ] positiv ist, da genau ein pNν negativ ist und alle weiteren pNν konjugiert komplex

NT-V4 - 12

zu einem anderen pNν sind, folglich ihr Produkt positiv ist, vgl. Bild 8. Die Phase ergibt

sich dann zu

B(Ω) = − arg S21(jΩ) =

n∑

ν=1

arg jΩ − pNν =

n∑

ν=1

arctan

(ImpNν −Ω

RepNν

)

. (29)

Bei Ω = 0 heben sich die Argumente der konjugiert komplex auf dem Kreis liegenden

Polstellen auf, und das Argument des verbleibenden positiven Anteils verschwindet, so dass

man

B(0) = 0

erhält. Für Ω → ∞ werden, wegen limξ→∞ arctan(ξ) = π/2, alle Argumente gleich π/2, so

dass

B(∞) = nπ

2

gilt. Die allgemeine Berechnung zur Realisierung eines bekannten S21 durch Reaktanzzweito-

re ist recht aufwändig [Mild92]. Für den Spezialfall der Butterworth-Tiefpässe kann man

aber eine Formel, die hier nicht bewiesen wird, für die Bauelementwerte angeben [Boss63]:

aν = 2 sin

([2ν − 1]π

2n

)

2n√

10Amax/10 − 1 mit 1 ≤ ν ≤ n . (30)

Dabei ist aν je nach Lage in der Schaltung eine normierte ideale Spule oder ein idealer

Kondensator gemäß Bild 5. Es ergibt sich eine Symmetrie a1 = an, a2 = an−1, . . .

Tschebyscheff-Tiefpässe

Da bei den Butterworth-Tiefpässen alle Dämpfungsnullstellen bei Ω = 0 liegen, hat man

eine schlechte Ausnutzung des Toleranzbandes im Durchlassbereich: Die Dämpfung erreicht

nur am Punkt Ω = 1 den Maximalwert Amax. Da Amax normalerweise recht klein ist und

die Steigung der Dämpfung nur langsam zunimmt, erreicht man im Übergangsbereich auch

nur kleine Steigungen, d.h., für steile Butterworth-Filter benötigt man hohe Ordnungen,

was gleichbedeutend mit einer aufwändigen Realisierung ist.

Einen stärkeren Anstieg der Dämpfung oberhalb der Grenzfrequenz kann man dadurch

erzielen, dass man die Nullstellen auseinander zieht. Eine optimale Ausnutzung der Toleranz

im Durchlassbereich liegt vor, wenn alle Maxima im Bild 4 genau Amax erreichen und die

Dämpfung bei Ω = 1 ebenfalls Amax beträgt.

Für die charakteristische Funktion wird also ein Polynom gesucht, bei dem alle Nullstel-

len im Bereich |Ω| < 1 liegen und die Extrema dazwischen gleich hoch sind. Für |Ω| > 1 soll

der Betragsverlauf stark ansteigen. Diese Aufgabe lösen die Tschebyscheff-Polynome.

Ein Tschebyscheff-Polynom Tn(Ω) wird durch die Parameterdarstellung

Tn(Ω) =

cos(nγ) mit Ω = cos(γ) für |Ω| ≤ 1

cosh(nγ) mit Ω = cosh(γ) für |Ω| ≥ 1(31)

beschrieben. Man kann auch folgende Rekursionsformel angeben:

T0 = 1, T1 = Ω und Tn+1(Ω) = 2ΩTn(Ω) − Tn−1(Ω) .

NT-V4 - 13

Durch Auswerten der Rekursion oder Auflösen der Gleichung (31) erhält man sukzessive die

explizite Form der Tschebyscheff-Polynome

T2(Ω) = 2Ω2 − 1 , T3(Ω) = 4Ω3 − 3Ω und T4(Ω) = 8Ω4 − 8Ω2 + 1 ,

deren Verläufe in Bild 9 dargestellt sind.

Tn(Ω)

Ω

n = 1

n = 2

n = 3

n = 4

1

1-1

-1

Bild 9: Die ersten 4 Tschebyscheff-Polynome

Man kann zeigen, dass die Tschebyscheff-Polynome folgende Eigenschaften besitzen

[Mild92]:

• Tn(Ω) ist ein Polynom vom Grad n.

• Tn(Ω) mit geradem n sind gerade, Tn(Ω) mit ungeradem n sind ungerade Funktionen:

Tn(Ω) =

Tn(−Ω) für n gerade

−Tn(−Ω) für n ungerade.

• Alle n Nullstellen sind reell und liegen im Bereich |Ω| ≤ 1, außerhalb dieses Bereiches

steigt |Tn(Ω)| monoton an.

• Im Bereich |Ω| < 1 gilt |Tn(Ω)| ≤ 1.

Tschebyscheff-Tiefpässe haben abgesehen von einer reellen Konstanten ein Tscheby-

scheff-Polynom als charakteristische Funktion. Der allgemeine Ansatz für die charakteris-

tische Funktion lautet:

Ψ (jΩ) = kTn(Ω). (32)

Für ungerade n sieht man direkt, dass Tn(0) = 0 und damit A(0) = 0 gilt, und damit im

Frequenznullpunkt die Dämpfung Null ist, d.h., dass S11(0) = 0 ist. Da die Schaltungen aus

Bild 6 für den Gleichanteil einer Durchverbindung entsprechen, folgt aus Gleichung (2), dass

NT-V4 - 14

R1 = R2 gelten muss (Anpassung). Für gerade n gilt Tn(0) = ±1 und damit A(0) = Amax,

d.h., die Widerstände der Betriebsschaltung müssen unterschiedlich sein. Wir wollen uns

daher auf ungerade Ordnungen n beschränken. Möchte man im Ausdruck für die Dämp-

fung nicht das Quadrat eines Tschebyscheff-Polynoms haben, kann man sich zunutze

machen, dass die T 2n bis auf eine additive und eine multiplikative Konstante genau den T2n

entsprechen. Mit cos2(x) = [1 + cos(2x)]/2 folgt:

|kTn(Ω)|2 = k2 cos2(n arccos(Ω)) =k2

2[1 + cos(2n arccos(Ω))] = ε+ εT2n(Ω)

mit ε =k2

2.

Die obige Gleichung für den Durchlassbereich kann mit cosh2(x) = [1+cosh(2x)]/2 genauso

für den Sperrbereich aufgestellt werden:

|Ψ (jΩ)|2 = ε+ εT2n(Ω) ,

1 + |Ψ (jΩ)|2 = e2A(Ω) =1

|S21(jΩ)|2 = 1 + ε+ εT2n(Ω) .

Wie bei den Butterworth-Filtern gibt man wieder Amax, Amin und Ωs vor. Damit lässt

sich die Durchlassdämpfung wie folgt angeben:

A(Ω) =1

2ln (1 + ε+ εT2n(Ω)) in Neper bzw. (33a)

A(Ω) = 10 lg (1 + ε+ εT2n(Ω)) in dB . (33b)

Die Konstante ε lässt sich aus der vorgegebenen Durchlassdämpfung Amax bestimmen. Da

im Durchlassbereich T2n(Ω) ≤ 1 gilt, ist dort die maximale Dämpfung

Amax = 10 lg(1 + 2ε) bzw. ε =1

2

[10Amax/10 − 1

]mit k =

10Amax/10 − 1 . (34)

Nun lässt sich auch die für die Anforderungen benötigte Filterordnung bestimmen. Weil

die Dämpfung außerhalb des Durchlassbereichs monoton steigt, gilt für die minimale Sperr-

dämpfung:

Amin = 10 lg(1 + ε+ εT2n(Ωs)) . (35)

Aus der Parameterdarstellung der Tschebyscheff-Polynome (31) entnimmt man für den

Sperrbereich T2n(Ωs) = cosh(2n arcosh(Ωs)) und setzt in (35) ein:

10Amin/10 − 1 − ε

ε= T2n(Ωs) = cosh(2n arcosh(Ωs)).

Man erhält für die Filterordnung

n ≥arcosh

(1

ε

[10Amin/10 − 1 − ε

])

2 arcosh(Ωs)=

arcosh

(√

10Amin/10 − 1

10Amax/10 − 1

)

arcosh(Ωs). (36)

NT-V4 - 15

Für die zugelassenen Grade n = 1, 3, 5, 7, . . . gilt stets T2n(0) = ±1 . Mit (33a) sieht

man sofort, dass dann gilt A(0) = 0 und |S21(0)| = 1. Auch für Tschebyscheff-Tiefpässe

können direkt Formeln zur Bauteilberechnung angegeben werden. Im Folgenden sind Dämp-

fungen in dB einzusetzen.

Zunächst bestimmt man einige Hilfsgrößen:

φ =π

2n,

d2n = tanh

(Amax

17.3718 dB

)

,

ω0 =ωg

2

[

d+1

d

]

,

a1 = 1 − d2,

aν = 1 − 2d2 cos(4[ν − 1]φ) + d4 mit 2 ≤ ν ≤ n,

bν = 2[1 + d2] sin([2ν − 1]φ) mit 1 ≤ ν ≤ n .

Für die Schaltung für ungerade n im Bild 5 erhält man

a) b)

C1 =1

Rω0

b1a1

L1 =R

ω0

b1a1

L2 =R

ω0

a1

a2b2 C2 =

1

Rω0

a1

a2b2

C3 =1

Rω0

a2

a1a3b3 L3 =

R

ω0

a2

a1a3b3

L4 =R

ω0

a1a3

a2a4

b4 C4 =1

Rω0

a1a3

a2a4

b4

......

(37)

Dabei ist – aufgrund der ungeraden Ordnung – die Gleichheit der Widerstände R1 und R2

vorausgesetzt. Der Dämpfungsverlauf eines Tschebyscheff-Tiefpasses 5.Ordnung ist im

Bild 10 dargestellt.

Um Aussagen über die Phase machen zu können, muss S21 bestimmt werden. Man

entwickelt wie bei den Butterworth-Filtern die Transmittanz nach den Nullstellen von

gg∗ = 1 + ε+ εT2n mit negativem Realteil. Die Gleichung 1 + ε+ εT2n = 0 ist geschlossen

lösbar und man erhält – ohne Beweis – die 2n Nullstellen

pNν = sin(νπ

2n

)

sinh(b) + j cos(νπ

2n

)

cosh(b) mit ν = 1, 3, · · · , 4n− 1 ,

wobei

b =1

2nln(

c+√c2 − 1

)

mit c =1 + ε

ε

gilt. Die Polstellen von S21 liegen auf einer Ellipse in der komplexen p-Ebene, siehe Bild 11.

NT-V4 - 16

A(ω)

ω

Amin

Amax

ωg ωs

Bild 10: Dämpfungsverlauf eines Tschebyscheff-Tiefpasses 5.Ordnung

Imp

Repsinh b

cosh b

Bild 11: Nullstellen von gg∗ für einen Tschebyscheff-Tiefpass der Ordnung n = 3

Wie bei den Butterworth-Filtern entwickelt man wieder

S21(pN) =1

g(pN)=

±1n∏

ν=1

[1 − pN/pNν ]

=

±n∏

ν=1

[−pNν ]

n∏

ν=1

[pN − pNν ]

. (38)

Analog erhält man im Fall S21(0) = 1 für die Phase

B(Ω) = − argS21(jΩ) =

n∑

ν=1

argjΩ − pNν =

n∑

ν=1

arctan

(ImpNν −Ω

RepNν

)

, (39)

wobei wieder B(0) = 0 und B(∞) = nπ/2 gilt. Der prinzipielle Verlauf von der Phase eines

Tschebyscheff-Tiefpasses ist im Bild 12 dargestellt.

NT-V4 - 17

B(ω)/π

ω

1

2

20

0

Bild 12: Phasenverlauf eines Tschebyscheff-Tiefpasses 5.Ordnung

Weitere Polynom-Tiefpässe

Bessel- oder Thomson-Tiefpässe sind Tiefpässe mit Anforderungen an die Phase, so

garantieren Thomson-Filter einen maximal flachen Anstieg der Gruppenlaufzeit.

Cauer-Tiefpässe

Polynomtiefpässe haben keine Dämpfungspole bei endlichen Frequenzen, weshalb das An-

stiegsverhalten nur vom Grad des Filters abhängt. Aus diesem Grund kann ein steiler Anstieg

nur durch einen hohen Aufwand erzielt werden. Jenseits von Ωs wird Amin bei solchen Filtern

nur noch überschritten, d.h., man hat eine schlechte Ausnutzung des Toleranzschemas im

Sperrbereich, ähnlich wie bei den Butterworth-Filtern im Durchlassbereich. Der Ansatz

der Cauer-Tiefpässe liegt darin, durch Dämpfungspole bei endlichen Frequenzen auch den

Sperrbereich im Tschebyscheff’schen Sinn optimal auszunutzen. Cauer-Filter erreichen

bei gleicher Ordnung wesentlich steilere Anstiege als die bisher besprochenen Filter und

stellen bezüglich des Einhaltens eines Dämpfungstoleranzschemas die optimale Lösung dar.

Schaltungstechnisch werden die Pole zum Beispiel durch zu den längs geschalteten idealen

Spulen der Schaltungen aus Bild 6 parallel geschaltete ideale Kondensatoren erzeugt. Dies ist

im Bild 13 dargestellt. Man kann natürlich genauso gut ideale Spulen in Reihe zu den parallel

geschalteten idealen Kondensatoren schalten und so die Pole durch Saugkreise erzeugen.

Der Dämpfungsverlauf eines Cauer-Tiefpasses 5.Ordnung kann Bild 14 entnommen

werden.

Dadurch, dass sich Pole im endlichen Frequenzbereich befinden, steigt die Dämpfung hin-

ter der Grenzfrequenz sehr stark an. Die charakteristische Funktion eines Cauer-Tiefpasses

sieht wie folgt aus:

Ψ (jω) =

M jω(n−1)/2∏

ν=1

[jω]2 + ω20ν

[jω]2 + ω2∞ν

für n ungerade

Mn/2∏

ν=1

[jω]2 + ω20ν

[jω]2 + ω2∞ν

für n gerade

. (40)

NT-V4 - 18

ts

C1 C2

L2

C3

L4

C4

Ln−1

Cn−1Cn

Bild 13: Cauer-Tiefpass n-ter Ordnung

A(ω)

ω

Amin

Amax

ωg ωs

Bild 14: Dämpfungsverlauf eines Cauer-Tiefpasses 5.Ordnung

Die Parameterdarstellung der charakteristischen Funktion lautet

Ψ (jω) = ±jncd(nuG,g)√

10Amax/10 − 1 mit ω = Ωs cd(uK,k) , (41)

wobei cd eine elliptische Funktion ist. Die Größen g und k bezeichnen die so genannten

Moduln der elliptischen Funktion und sind Abkürzungen für

g =

√10Amax/10 − 1√10Amin/10 − 1

und k =ωg

ωs

.

Die Größen G und K sind die so genannten vollständigen elliptischen Integrale zu den Mo-

duln g und k. Ohne Beweis sei bemerkt, dass die Null- und Polstellen der charakteristischen

Funktion nicht unabhängig voneinander sind.

Das Verhältnis zwischen ωg und ωs ist offensichtlich bestimmend für die Länge des

Übergangsbereichs des Filters. So ist der Modulwinkel

Θ = arcsin(k)

eine entscheidende Größe beim Entwurf eines Cauer-Filters. Steigt bei konstanter Filter-

ordnung der Modulwinkel, so wird der Übergangsbereich des Filters kleiner, dafür sinkt die

erreichbare Sperrdämpfung ab.

NT-V4 - 19

Für ein vollständiges Verständnis der hier dargestellten Zusammenhänge sind Kenntnisse

über elliptische Funktionen notwendig, die aber den Rahmen dieses Praktikums sprengen

würden. Die Berechnung der Filterparameter ist dementsprechend wesentlich aufwändiger,

als die der behandelten Polynom-Tiefpässe. Ein effizientes Rechenverfahren findet sich in

[OV00]. Um die Berechnung zu umgehen, verwendet man meist Filterkataloge, aus denen

man unmittelbar die Werte der Schaltungselemente entnimmt [Saal79].

Zu bemerken ist noch, dass die Realisierung eines Cauer-Filters gerader Ordnung

mit einer Abzweigstruktur nicht ohne Weiteres möglich ist, da die Reflektanz einer Ab-

zweigstruktur immer eine Polstelle im Unendlichen besitzt. Bei einer Realisierung gemäß

Bild 13 stellt der querliegende ideale Kondensator für ω → ∞ einen Kurzschluss dar. Im

Falle der dualen Schaltung sperren die längs geschalteten idealen Spulen.

Hochpässe

Der Entwurf eines Hochpasses kann durch Transformation der Hochpassvorschrift auf eine

Tiefpassvorschrift, Tiefpassentwurf und anschließende Rücktransformation der Bauelemente

realisiert werden. Ist S21(jΩ) eine Tiefpassübertragungsfunktion, so hat S21(1/jΩ) eine

Hochpasscharakteristik. Dabei wird der Durchlassbereich |Ω| ∈ [0,1] des Tiefpasses in den

Bereich |Ω| ∈ [1,∞) des Hochpasses und der Sperrbereich Ω ∈ [Ωs,∞) des Tiefpasses in

den Bereich |Ω| ∈ [0,1/Ωs] des Hochpasses transformiert. Bild 15 zeigt den Verlauf der

Dämpfung des so transformierten Tschebyscheff-Tiefpasses aus Bild 10.

A(ω)

ω

Amin

Amax

ωgωs

Bild 15: Dämpfungsverlauf eines Tschebyscheff-Hochpasses

Die Transformation der Schaltelemente erhält man, indem man auch hier jΩ durch 1/jΩersetzt: Die Impedanz einer idealen Spule ZL = jωL = jΩωgL geht über in

Z ′ =ωgL

jΩ=

1

jΩωgC ′=

1

jωC ′mit C ′ =

1

ω2gL

. (42)

Die Admittanz eines idealen Kondensators YC = jωC = jΩωgC geht über in

Y ′ =ωgC

jΩ=

1

jΩωgL′=

1

jωL′mit L′ =

1

ω2gC

. (43)

NT-V4 - 20

Zur Rücktransformation des entworfenen Tiefpasses in einen Hochpass ersetzt man also alle

idealen Spulen durch ideale Kondensatoren C ′ und alle idealen Kondensatoren durch ideale

Spulen L′.

Bandpässe / Bandsperren

Frequenzsymmetrische Bandpässe und Bandsperren lassen sich ähnlich wie Hochpässe durch

Transformation auf Tiefpässe zurückführen. Näheres dazu findet man z.B. in [Mild92].

2.7 Digitalfilter

Im Bild 16 ist das Prinzip einer zeitdiskreten Signalverarbeitung mithilfe eines Digitalfilters

gezeigt.

x(t)Tiefpass A/D Digitalfilter D/A

y(t)

Bild 16: Diskrete Signalverarbeitung mit Digitalfilter

Das Eingangssignal x(t) wird zunächst tiefpassgefiltert, um sicherzustellen, dass nur

Spektralanteile mit weniger als der halben Abtastfrequenz (Abtasttheorem) zum A/D-Wand-

ler gelangen. Die abgetasteten Werte werden im Digitalfilter verarbeitet. Das Digitalfilter ist

ein Digitalrechner, der die Eingangszahlenfolge nach bestimmten Kriterien in eine Ausgangs-

zahlenfolge umrechnet. Anschließend wird die Ausgangszahlenfolge in ein analoges Signal

umgewandelt.

Die behandelten analogen Netzwerke enthalten reaktive Bauelemente, die durch die

bekannten Bauelementgleichungen beschrieben werden können. Unter Berücksichtigung der

Kirchhoff-Regeln erhält man eine Beschreibung des Netzwerkes durch ein System von line-

ar unabhängigen Differentialgleichungen mit Strömen in den idealen Spulen und Spannungen

an den idealen Kondensatoren als Zustandsgrößen. Bei bekannten Eingangsgrößen und be-

kanntem Anfangszustand ist der zeitliche Verlauf dieser Zustandsgrößen eindeutig festgelegt.

Wie sieht nun eine digitale Beschreibung aus? Das Netzwerk muss durch eine Rechenvor-

schrift nachgebildet werden. Die Zustandsgrößen sind die Speicherinhalte im Rechner. Da

die Zeit nicht mehr kontinuierlich sondern diskret ist, muss man die Differentialgleichungen

durch Differenzengleichungen approximieren. Wir wollen T als Diskretisierungszeit, d.h.

kleinste Zeitstufe, im digitalen System bezeichnen. Die Speicherinhalte zum Zeitpunkt t0+Tsind Linearkombinationen der Eingangsgrößen und der Speicherinhalte zum Zeitpunkt t0.Daher besteht ein Digitalfilter allgemein aus Addierern, Multiplizierern und Verzögerern

(Speichern), die im Bild 17 dargestellt sind.

Beim Entwurf von Digitalfiltern ist eine besondere Realisierbarkeitsbedingung zu beach-

ten: Der Signalflussgraph darf keine verzögerungsfreie gerichtete Schleife enthalten. Bild 18

zeigt links einen nicht (ohne Weiteres) realisierbaren Signalflussgraphen. Der Addierer kann

das Ergebnis nicht gleichzeitig als Summand verarbeiten. Die rechte Schaltung dagegen ist

realisierbar, sie enthält keine verzögerungsfreie gerichtete Schleife.

Üblicherweise unterscheidet man rekursive und nichtrekursive, d.h. rückgekoppelte bzw.

nicht rückgekoppelte Digitalfilter. Nichtrekursive Filter haben stets eine endliche Impulsant-

NT-V4 - 21

Addierer Multiplizierer Inverter Verzögerer

γ −1

T

Bild 17: Elemente eines Digitalfilters

γT

γ

Bild 18: Signalflussgraph mit und ohne verzögerungsfreier gerichteter Schleife

wort. Filter mit unendlicher Impulsantwort sind hingegen stets rekursive Digitalfilter. In der

angelsächsischen Literatur werden diese Filtertypen im Hinblick auf die Eigenschaft ihrer

Impulsantworten als FIR-Filter (Finite Impulse Response) bzw. IIR-Filter (Infinite Impulse

Response) bezeichnet. Allerdings ist zu beachten, dass in Lehrbüchern oft fälschlicherweise

die Begriffe IIR-Filter und rekursives Filter synonym verwandt werden. Richtig ist, dass

auch rekursive Digitalfilter eine endliche Impulsantwort besitzen können.

Rekursive Filter werden oft über Z-Transformation direkt von Analogfiltern abgeleitet,

was bei nichtrekursiven Filtern nicht möglich ist. Bei rekursiven Filtern ist der zur Einhal-

tung eines vorgegebenen Dämpfungstoleranzschemas erforderliche Filtergrad niedriger als

bei den FIR-Filtern. Digitalfilter mit endlicher Impulsantwort können so entworfen werden,

dass sie eine exakt lineare Phase besitzen, siehe Abschnitt 2.5.

2.8 Wellendigitalfilter

Da wir Reaktanzfilter simulieren wollen, die als Analogschaltung unanfällig gegenüber Bau-

teiltoleranzen und wegen ihrer Passivität zudem stabil sind, ist es sinnvoll zu versuchen,

diese günstigen Eigenschaften bei der Approximation für das Digitalfilter zu erhalten. Zuerst

stellt sich die Frage, wie man die Bauelemente transformiert. Da wir das Verhalten im

kontinuierlichen Zeitbereich auf diskrete Zeitpunkte umsetzen müssen, ist eine Mittelung

über ein Diskretisierungsintervall sinnvoll. Dazu bedienen wir uns der aus der numerischen

Mathematik bekannten Trapezregel

∫ b

a

y(x)dx ≈ b− a

2[y(b) + y(a)] .

Wir werden nun eine ideale Spule mit u = Ldı

dtdiskretisieren. Für beliebige t0 und T > 0

gilt:

∫ t0+T

t0

u dt =

∫ t0+T

t0

Ldı

dtdt = L [ı(t0 + T ) − ı(t0)] .

NT-V4 - 22

Mithilfe der Trapezregel erhält man

∫ t0+T

t0

u dt ≈ T

2[u(t0 + T ) + u(t0)] .

Wir ersetzen die exakten Größen u, ı durch approximierte Größen u, i. Gleichsetzen der

letzten beiden Beziehungen, multiplizieren mit 2/T und sortieren nach den Zeitpunkten t0und t0 + T , liefert

T

2[u(t0 + T ) + u(t0)] = L [i(t0 + T ) − i(t0)]

⇐⇒ u(t0 + T ) − 2L

Ti(t0 + T ) = −

[

u(t0) +2L

Ti(t0)

]

.

Bezeichnen wir noch die Größe 2L/T , welche offensichtlich die Dimension eines Widerstands

hat, als

R =2L

T, (44)

so ergibt dies

u(t0 + T ) −Ri(t0 + T ) = − [u(t0) +Ri(t0)] . (45)

Die Ausdrücke auf beiden Seiten der Gleichung sehen den Wellengrößen a und b aus (10) sehr

ähnlich, es wird lediglich nicht durch 2√R geteilt. Während die Wellen aus Abschnitt 2.1 die

Dimension der Wurzel aus einer Leistung hatten, haben unsere Größen die einer Spannung.

Anstelle der Beschreibung durch Ströme und Spannungen oder Leistungswellen in unseren

Speichern erscheint eine Beschreibung durch Spannungswellen einfacher [Fett86]:

a = u+Ri und b = u−Ri . (46)

N

i

u

R

a

b

Bild 19: Eintorbeschreibung

Setzen wir diese Definition in den obigen Ausdruck ein und ersetzen t0 durch t, so erhalten

wir für die ideale Spule

b(t+ T ) = −a(t) . (47)

Eine ideale Spule lässt sich danach also als eine Kaskadenschaltung von Inverter und Verzö-

gerer darstellen, wenn wir als Speicherinhalte Spannungswellen benutzen. Den Widerstand

NT-V4 - 23

R bezeichnet man als Tor(bezugs-)widerstand. Umgekehrt kann man eindeutig Strom und

Spannung aus den Wellengrößen bestimmen:

u =a+ b

2und i =

a− b

2R. (48)

Wie sieht die Approximation der Bauelemente nun im Frequenzbereich aus? Transformiert

man Gleichung (47), die das diskrete System beschreibt, in den Frequenzbereich, so erhält

man

B(p)epT = −A(p)

[U(p) − RI(p)] epT = −U(p) − RI(p)

bzw.

U(p) = RepT − 1

epT + 1I(p) =

2L

T

epT/2 − e−pT/2

epT/2 + e−pT/2I(p) = L

2

Ttanh

(

pT

2

)

I(p) . (49)

Üblicherweise verwendet man die Bezeichnungen

z = epT und ψ =z − 1

z + 1. (50)

Wegen des Zusammenhanges zwischen den approximierten Größen U(p) = RψI(p) und den

exakten Größen U(p) = pLI(p) wird offensichtlich eine Approximation der Frequenz p durch

p ≈ 2

Ttanh(pT/2) =

2

Tψ (51)

vorgenommen. Mit tanh(jx) = j tan(x) ergibt sich die Näherung, bei Betrachtung rein

imaginärer Frequenzen, wie folgt

jω ≈ j2

Ttan(ωT/2) = j

2

Tϕ . (52)

Dabei stellt ϕ den Imaginärteil von ψ dar. Die Auswirkungen der Frequenztransformation

auf den Dämpfungsverlauf eines Cauer-Filters ist im Bild 20 dargestellt. Wie gut ist nun

diese Approximation? Entwickelt man den Tangens in eine Taylor-Reihe, sieht man, dass

gilt

U(jω) = jL2

Ttan

(

ωT

2

)

I(jω) = jL2

T

[

ωT

2+

1

24ω3T 3 + · · ·

]

I(jω),

also

U(jω) = jωL

[

1 +1

12ω2T 2 + · · ·

]

I(jω) ≈ jωLI(jω) .

Ein Vergleich mit U(jω) = jωLı(jω) zeigt, dass der auftretende Fehler von 2.Ordnung in ωist, d.h., das diskrete System approximiert das kontinuierliche System im Frequenzbereich

mit 2.Ordnung.

NT-V4 - 24

2Tϕ ω

A( 2Tϕ) = A

(2T

tan(

ωT2

))

2Tϕ = 2

Ttan(

ωT2

)

2T

2T

π2T

πT

Bild 20: Dämpfungsverlauf des Referenz- und Digitalfilters eines Cauer-Filters 5.Ordnung

C L

a

bR

a

bR

a = 2u

b = 0

R

a = e

b

R

R

−1

T T

e uuuu

iiii R

Bild 21: Digitale Nachbildung verschiedener Bauelemente

Entsprechend der Approximation einer idealen Spule erhält man die Approximation und

den Torwiderstand eines idealen Kondensators. Die Umsetzung der für unsere Filter nötigen

Bauelemente zeigt Bild 21.

NT-V4 - 25

Da die Digitalfilter mit Wellengrößen arbeiten, nennt man sie Wellendigitalfilter. Es

handelt sich um eine Möglichkeit, ein analoges System durch ein digitales System zu appro-

ximieren. Das analoge System wird Referenzfilter genannt und ergibt sich, indem p durch

2ψ/T ersetzt wird.

Es verbleibt die Frage, wie die einzelnen Elemente zusammengeschaltet werden. Während

eine Zusammenschaltung analoger Bauelemente automatisch die Kirchhoff-Gleichungen

erfüllt, kann man das bei einer digitalen Realisierung keineswegs erwarten, sondern muss

vielmehr selbst dafür Sorge tragen. Wie wir am Beispiel der idealen Spule gesehen haben,

geht der Wert des analogen Bauelementes nicht in die eigentliche digitale Realisierung ein,

sondern ist im Torwiderstand versteckt. Das legt nahe, dass die Zusammenschaltung die

unterschiedlichen Torwiderstände berücksichtigen muss.

Paralleladaptoren

Wir suchen eine Möglichkeit, zwei Tore wie im Bild 22 zusammenzuschalten.

u1

i1

u2

i2

a1 a2

b1 b2

R1 R2

Bild 22: Parallelschaltung von zwei Toren

Schaltet man zwei Tore parallel, so muss

u1 = u2 und i1 + i2 = 0,

gelten. In Wellengrößen (46) ausgedrückt

a1 + b1 = a2 + b2,

a1 − b1R1

= −a2 − b2R2

.

Drückt man nun die reflektierten Wellen b1 und b2 als Funktion der einfallenden Wellen a1

und a2 aus, so erhält man

b1 = a2 + γ[a2 − a1], (53a)

b2 = a1 + γ[a2 − a1], (53b)

γ =R1 −R2

R1 +R2. (53c)

Man kann also zwei Bausteine im Digitalen über ein Zweitor parallelschalten, welches die

folgende Streumatrix besitzt

S =

[−γ 1 + γ

1 − γ γ

]

. (54)

NT-V4 - 26

a1 a2

b1 b2

R1 R2

γ

a1 a2

b1 b2

γ

−1

Bild 23: Zweitor-Paralleladaptor

a1 a2

b1 b2

a3 b3

R1 R2

R3

−γ1 −γ2

−1−1a1 a2

b1 b2

a3

b3

Bild 24: Dreitor-Paralleladaptor

Ein solches Zweitor nennt man Zweitor-Paralleladaptor, weil man mit ihm zwei Tore paral-

lelschalten kann. Bild 23 zeigt das Schaltzeichen sowie eine mögliche Realisierung.

Für unsere Filterschaltungen benötigen wir allerdings auch Dreitor-Paralleladaptoren, da

in den Abzweigschaltungen ja immer drei Tore parallelgeschaltet werden. Allgemein erhält

NT-V4 - 27

man für einen n-Tor Paralleladaptor

bn = an −n−1∑

ν=1

γν [an − aν ] , (55a)

bν = bn + an − aν mit 1 ≤ ν ≤ n− 1 , (55b)

γν =2Gνn∑

µ=1

mit Gν =1

. (55c)

Für n = 3 bedeutet dies

b3 = a3 − [γ1[a3 − a1] + γ2[a3 − a2]] , (56a)

b2 = b3 + a3 − a2 , (56b)

b1 = b3 + a3 − a1 , (56c)

γ1 =2G1

G1 +G2 +G3, γ2 =

2G2

G1 +G2 +G3. (56d)

Serienadaptoren

Gesucht wird eine Einheit, mit der man eine Serienschaltung, wie im Bild 25 gezeigt,

realisieren kann. Da hier drei Tore in Serie geschaltet werden, nennt man eine solche Ein-

heit Dreitor-Serienadaptor. Zur Realisierung fehlt zunächst noch die Streumatrix, d.h. die

Zusammenhänge zwischen einfallenden und reflektierten Wellen. Für eine Reihenschaltung

von n Toren gelten folgende Kirchhoff-Gleichungen:

n∑

ν=1

uν = 0 und i1 = i2 = · · · = in .

a1

a2

b1

b2

a3

b3

R1

R2

R3

i1

i1

i3

u1

u2

u3

Bild 25: Serienschaltung von drei Toren

Setzt man, wie bei den Paralleladaptoren, die Wellengrößen in diese Bedingungen ein,

erhält man die Signalbeziehungen an einem n-Tor Serienadaptor:

NT-V4 - 28

a0 =

n∑

ν=1

aν , (57a)

bν = aν − γia0 mit 1 ≤ ν ≤ n− 1 , (57b)

bn = −a0 −n−1∑

ν=1

bν , (57c)

γν =2Rν

∑nµ=1Rµ

. (57d)

Speziell für den gesuchten Dreitor-Serienadaptor ergibt das

a0 = a1 + a2 + a3 , (58a)

b1 = a1 − γ1a0 , (58b)

b2 = a2 − γ2a0 , (58c)

b3 = −a0 − b1 − b2 , (58d)

γ1 =2R1

R1 +R2 +R3, γ2 =

2R2

R1 +R2 +R3. (58e)

Ein Zweitor-Serienadaptor ist für uns nicht von Interesse, weil die Serienschaltung von

zwei Toren der Parallelschaltung entspricht.

Zusammenschaltung / Reflexionsfreie Tore

Nachdem wir nun die Bauelemente und Verbindungen im Digitalen kennen, wollen wir ein

Analogfilter nachbilden.

Leider ist die Struktur aus Bild 27 nicht ohne Weiteres realisierbar: Denken wir zu-

rück an unsere Bedingung, dass die Struktur keine verzögerungsfreien Schleifen enthalten

darf. Da die reflektierten Wellen an den Toren der Adaptoren direkt von den einfallenden

Wellen abhängen (Adaptoren enthalten keine Verzögerungen), erhält man durch direktes

Aneinanderschalten zweier Adaptoren im Allgemeinen eine verzögerungsfreie Schleife, siehe

Bild 27.

Wir können die Struktur aber beibehalten, wenn es uns gelingt, die Schleife zu unter-

brechen, d.h., bei einem Tor darf die ausfallende b-Welle nicht von der einfallenden a-Welle

abhängig sein. Es handelt sich in diesem Fall um Anpassung, und man nennt ein solches

Tor reflexionsfrei. Da es sich hier um Tore handelt, die nicht mit einem nachgebildeten

Bauelement, sondern mit dem Tor eines anderen Adaptors verbunden sind, können wir den

Torwiderstand passend wählen. Hingegen ist bei Bauelementen der Wert im Torwiderstand

enthalten und dieser somit festgelegt.

Beim Dreitor-Paralleladaptor muss für Reflexionsfreiheit am Tor 3 gelten:

R3 =R1R2

R1 +R2

. (59)

Das reflexionsfreie Tor wird im Schaltbild durch ein T-förmiges Symbol gekennzeichnet. Un-

ter Berücksichtigung dieser Abhängigkeit kann man auch direkt einen n-Tor Paralleladaptor

NT-V4 - 29

a1 a2

b1 b2

a3 b3

R1 R2

R3

γ1 γ2

−γ1 −γ2

−1

a1 a2

b1 b2

a3

b3

Bild 26: Dreitor-Serienadaptor

C1 C2

L

−1 T TT

R1 R2

R3 R4 R5

R6 R7

Bild 27: Beispiel einer nicht realisierbaren Struktur

NT-V4 - 30

entwerfen, der ein reflexionsfreies Tor besitzt. Dabei kann man noch einen Multiplizierer

sparen, kommt also mit n− 2 Multiplizierern aus.

Die Gleichungen für einen Dreitor-Paralleladaptor mit einem reflexionsfreien Tor 3 sehen

nach dem Ersetzen von γ2 durch [γ1 − 1] wie folgt aus [Fett86]:

b1 = b2 + a2 − a1 , (60a)

b2 = γ1[a1 − a2] + a3 , (60b)

b3 = γ1[a1 − a2] + a2 , (60c)

γ1 =2G1

G1 +G2 +G3

. (60d)

Wie man sieht, hängt b3 als einzige gestreute Welle nicht von a3 ab. Die Wahl des re-

flexionsfreien Tores bedeutet keine Einschränkung der Allgemeinheit, da man die Tore

eines Adaptors in einer Schaltung beliebig nummerieren kann. Bild 28 zeigt Schaltbild und

Realisierung.

a1

a2

b1

b2

b3 6= f(a3)

a3

R1

R2

R3γ1

−γ1

−1a1

a2

b1

b2

a3

b3

Bild 28: Dreitor-Paralleladaptor mit reflexionsfreiem Tor

Die Rechnung verläuft für Serienadaptoren ähnlich. Die Forderung für Anpassung an

Tor 3 lautet auch hier wie im Analogen

R3 = R1 +R2 . (61)

NT-V4 - 31

Für den Dreitor-Serienadaptor mit einem reflexionsfreien Tor 3 erhält man mit γ2 = 1 − γ1:

b1 = a1 − γ1[a3 − b3] , (62a)

b2 = −[b1 + a3] , (62b)

b3 = −[a1 + a2] , (62c)

γ1 =2R1

R1 +R2 +R3

. (62d)

Auch hier ist b3 der Forderung entsprechend unabhängig von a3.

a1

a2

b1

b2

a3

b3 6= f(a3)

R1

R2

R3γ1

γ1

−1

−1a1

a2

b1

b2

a3

b3

Bild 29: Dreitor-Serienadaptor mit reflexionsfreiem Tor

Simulation von Analogfiltern

Nachdem wir nun die Grundlagen für den Aufbau von Wellendigitalfiltern inklusive der wich-

tigen Realisierbarkeitsbedingung vorgestellt haben, können wir daran gehen, die Analogfilter

aus Abschnitt 2.2 umzusetzen. Die Polynomfilter (Butterworth, Tschebyscheff) kön-

nen leicht umgesetzt werden:

Für die Simulation des Polynomfilters 3.Ordnung aus Bild 30 benötigen wir einen norma-

len Dreitor-Serienadaptor und zwei an einem Tor reflexionsfreie Dreitor-Paralleladaptoren.

NT-V4 - 32

+

E

R1

R3

R4

R5 R2 u2

Bild 30: Polynomfilter 3.Ordnung

R1 R2

R3 R4 R5

R6 R7

−1

a1 = e

b1

−b2 =−2u2

a2 = 0

T TT

Bild 31: WD-Realisierung eines Polynomfilters 3.Ordnung

Wir geben die Reaktanzen sowie Quell- und Abschlusswiderstand der analogen Schaltung

vor. Die Torwiderstände R3, R4 und R5 ergeben sich aus den vorgegebenen Reaktanzen.

Dagegen müssen wir R6 und R7 nach den Regeln des letzten Abschnitts berechnen. In

unserem Beispiel gilt

R6 =R1R3

R1 +R3

und R7 =R2R5

R2 +R5

. (63)

Mit der Kenntnis der Torwiderstände können wir jetzt die Koeffizienten nach (60d) bzw.

(58e) ausrechnen. Wichtig ist, dass wir bei den beiden Paralleladaptoren jeweils das reflexi-

onsfreie Tor zum Tor 3 erklären, da die Gleichungen des letzten Abschnitts für diesen Fall

gelten. Etwas aufwändiger wird die Schaltung für die digitale Realisierung eines Cauer-

Filters, siehe Bild 33.

+

e

R1

R3

R′

4

R′′

4R5 R2

Bild 32: Cauer-Tiefpass 3.Ordnung

NT-V4 - 33

R1 R2

R3

R′

4

R5

R6 R7

R8

R′′

4

−1

T T

TT

a1 = e

b1

−b2 =−2u2

a2 = 0

Bild 33: WD-Realisierung eines Cauer-Tiefpasses 3.Ordnung

Die Torwiderstände R1, R2, R3, R′

4, R′′

4 und R5 sind durch die Werte der analogen

Bauelemente festgelegt. Die Widerstände R6, R7 und R8 berechnen sich dann nach den

Vorschriften für Reflexionsfreiheit.

Die Ein- und Ausgangsspannungen e(t) und u2(t) treten direkt im Wellenflussdiagramm

in Erscheinung und brauchen nicht durch (48) bestimmt werden. Für die Realisierung der

realen Spannungsquelle mit der Leerlaufspannung e(t) und dem Innenwiderstand R1 ergibt

sich als Wellendigitaläquivalent gerade eine Wellenquelle mit a1 = e. Des Weiteren erhält

man für den Abschlusswiderstand R2 gerade eine Wellensenke mit b2 = 2u2.

Es folgt für den Zusammenhang (1) mit R1 = R2

S21(p) = 2U2

E=B2

A1, (64)

die synthetisierte Transmittanz S21(p) kann also direkt im Wellenbereich überprüft werden.

NT-V4 - 34

3 Vorbereitung

Vorbereitungsaufgabe 3.1:

Geben Sie die Struktur der Betriebsschaltung für Reaktanzzweitore an! Mithilfe welcher

Übertragungsfunktion beschreibt man sinnvoll die Signalübertragung von Tor 1 zu Tor 2?

Vorbereitungsaufgabe 3.2:

Skizzieren Sie die Übertragungsfunktion und den Dämpfungsverlauf eines idealen Tiefpasses!

Warum ist ein idealer Tiefpass nicht realisierbar?

Vorbereitungsaufgabe 3.3:

Skizzieren Sie den Dämpfungsverlauf eines realen Tiefpasses, der mithilfe der Schaltung

aus Aufgabe 3.1 realisiert werden kann. Welche Bedeutung hat das Toleranzschema für den

Filterentwurf? Durch welche Größen wird es definiert? Zeichnen Sie ein Toleranzschema in

die Skizze.

Vorbereitungsaufgabe 3.4:

Warum verwendet man für den Filterentwurf nicht direkt die Transmittanz? Welche Vorteile

bietet der Entwurf über die charakteristische Funktion?

Vorbereitungsaufgabe 3.5:

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Dämpfung und charakteristischer Funktion (Pole,

Nullstellen, ...)? Wo in der komplexen Ebene liegen Pole und Nullstellen der charakteristi-

schen Funktion?

Vorbereitungsaufgabe 3.6:

Bestimmen Sie die Streumatrix eines verlustlosen Zweitors zu der charakterischen Funktion

Ψ = p/ωg (zwei verschiedene Lösungen)! Im Weiteren sollen gleiche Torwiderstände ange-

nommen werden. Bestimmen Sie unter Verwendung der Reflektanz an Tor 1 zu jeder Lösung

für die Streumatrix ein mögliches Reaktanzzweitor (Zeichnung der zwei Schaltungen)! Be-

rechnen Sie die Bauelementwerte. Verwenden Sie bei der Bearbeitung dieser Aufgabe nicht

die Gleichungen für den Butterworth-, Tschebyscheff- oder Cauer-Tiefpass!

Vorbereitungsaufgabe 3.7:

Skizzieren Sie den Dämpfungsverlauf eines Tiefpasses 5.Ordnung nach Butterworth,

Tschebyscheff und Cauer. Geben Sie das prinzipielle Aussehen der charakteristischen

Funktion mithilfe der Pole und Nullstellen an. Worin unterscheiden sich die drei Ansätze?

Vorbereitungsaufgabe 3.8:

Leiten Sie die Wellendigital-Realisierung eines idealen Kondensators her. Welchen Torwi-

derstand hat dieses Element?

NT-V4 - 35

Vorbereitungsaufgabe 3.9:

Skizzieren Sie den Verlauf der Reaktanz einer idealen Spule und deren diskreter Nachbil-

dung über der Frequenz ω. Erläutern Sie die Unterschiede. In welchem Bereich sollten die

Frequenzen der Signale liegen, mit denen man das System erregt, wenn man eine möglichst

gute Nachbildung des kontinuierlichen Systems anstrebt? Wie sollte die Abtastfrequenz

zweckmäßigerweise gewählt werden?

Vorbereitungsaufgabe 3.10:

Skizzieren Sie die folgenden Dämpfungsverläufe eines Cauer-Filters 5.Ordnung

1.) Ordinate A(ω) , Abszisse ω

2.) Ordinate A(ϕ2/T ) , Abszisse ϕ2/T

3.) Ordinate A(ϕ2/T ) , Abszisse ω

und zeichnen Sie für die ersten beiden Punkte eine entsprechende Schaltung. Zum Punkt 3.)

fertigen Sie ein Signalflussdiagramm an. Achten Sie in allen Fällen auf die korrekte Beschrif-

tung der Signale.

4 Versuchsdurchführung

Beim ersten Termin des Versuchs Reaktanzzweitore erhalten die Gruppen die Spezifikation

der zu synthetisierenden Filter. Die Filtersynthese ist von den Gruppen jeweils gemeinsam

bis zum zweiten Termin durchzuführen. Hat eine Gruppe die Syntheseaufgaben nicht zum

zweiten Termin vollständig und größtenteils richtig durchgeführt, kann sie nicht zur Ver-

suchsdurchführung zugelassen werden. Eine Woche nach dem zweiten Termin muss jede

Gruppe eine Ausarbeitung abgeben, die die Lösung der Syntheseaufgaben, sowie die Ergeb-

nisse der Versuchsdurchführung enthält. Die Rücksprache zu der Ausarbeitung ist spätestens

zwei Wochen nach dem zweiten Termin oder nach Vereinbarung vorzunehmen.

4.1 Syntheseaufgaben

Bei Digitalfiltern pflanzen sich die Rundungsfehler sehr stark fort. Sie sollten daher bei allen

numerischen Rechnungen mindestens mit 6 Nachkommastellen rechnen.

1. Vorgegeben sind die Dämpfungsanforderungen für den Butterworth-Tiefpass.

a) Berechnen Sie die notwendige Filterordnung für den Butterworth-Tiefpass.

Wählen Sie die nächsthöhere ungerade Ordnung für das Filter.

b) Zeichnen Sie das dazugehörige Schaltbild (spulenarme Realisierung!)

c) Berechnen Sie alle auftretenden entnormierten Bauelemente.

d) Zeichnen Sie die zur Simulation des Filters notwendige Wellendigital-Struktur.

Der nicht reflexionsfreie Dreitoradaptor sollte in die Mitte der Struktur gesetzt

werden. Die Koeffizienten und Torwiderstände müssen wie im Umdruck numme-

riert werden.

NT-V4 - 36

e) Berechnen Sie alle Torwiderstände.

f) Berechnen Sie die im diskreten System einzustellenden Frequenzen, wenn Sie das

Butterworth-Filter bei seiner Grenzfrequenz bzw. Sperrfrequenz betrachten

wollen.

2. Vorgegeben sind die Dämpfungsanforderungen für den Tschebyscheff-Tiefpass.

a) Berechnen Sie die notwendige Filterordnung für den Tschebyscheff-Tiefpass.

Wählen Sie die nächsthöhere ungerade Ordnung für das Filter.

b) Zeichnen Sie das dazugehörige Schaltbild (spulenarme Realisierung!)

c) Berechnen Sie alle auftretenden entnormierten Bauelemente.

d) Zeichnen Sie die zur Simulation des Filters notwendige Wellendigital-Struktur.

Der nicht reflexionsfreie Dreitoradaptor sollte in die Mitte der Stuktur gesetzt

werden. Die Koeffizienten und Torwiderstände müssen wie im Umdruck numme-

riert werden.

e) Berechnen Sie alle Torwiderstände.

f) Berechnen Sie die im diskreten System einzustellenden Frequenzen, wenn Sie das

Tschebyscheff-Filter bei seiner Grenzfrequenz bzw. Sperrfrequenz betrachten

wollen.

3. Vorgegeben sind die Dämpfungsanforderungen für den Cauer-Tiefpass.

a) Bestimmen Sie die notwendigen Hilfsgrößen zur Berechnung der Bauelemete eines

Cauer-Filters 3.Ordnung aus dem Filterkatalog.

b) Zeichnen Sie das dazugehörige Schaltbild (spulenarme Realisierung!)

c) Berechnen Sie alle auftretenden entnormierten Bauelemente.

d) Zeichnen Sie die zur Simulation des Filters notwendige Wellendigital-Struktur.

Der nicht reflexionsfreie Dreitoradaptor sollte in die Mitte der Struktur gesetzt

werden. Die Koeffizienten und Torwiderstände müssen wie im Umdruck numme-

riert werden.

e) Berechnen Sie alle Torwiderstände.

f) Berechnen Sie die im diskreten System einzustellenden Frequenzen, wenn Sie das

Cauer-Filter bei seiner Grenzfrequenz bzw. Sperrfrequenz betrachten wollen.

4. Berechnen Sie die Filterordungen, die für einen Butterworth- bzw. einen Tsche-

byscheff-Tiefpass notwendig wären, um die Dämpfungsspezifikation des Cauer-

Tiefpasses zu erfüllen.

5. Skizzieren Sie die erwarteten Dämpfungsverläufe für den Butterworth-, Tsche-

byscheff- und Cauer-Tiefpass.

6. Bei welchen Filterordnungen müssen Sie einen Inverter hinter die dem Umdruck ent-

sprechende WD-Struktur schalten, damit Ein- und Ausgangssignal gleiches Vorzeichen

haben? (Betrachten Sie den Spannungsumlauf am Dreitor-Serienadaptor).

NT-V4 - 37

4.2 Durchführung und Auswertung

I. Butterworth-Tiefpass

1. Bauen Sie die WD-Realisierung des Butterworth-Filters auf.

2. Geben Sie einen Einheits-Impuls (Feldlänge 128) auf den Eingang und stellen Sie die

Impulsantwort dar.

3. Mit dem Modul „Dämpfung und Phase“ können Sie den Dämpfungs- und Phasen-

verlauf über eine Fourier-Transformation aus der Impulsantwort bestimmen. Die

Dämpfung wird in Dezibel und die Phase in Radiant ausgegeben. Die Verläufe sollen

skizziert und die Frequenzachse grob skaliert werden.

4. Verwenden Sie jetzt das gleiche Filter. Legen Sie ein Sinussignal (Feldlänge 2048) der

Grenzfrequenz Ω = 1 bzw. der Sperrfrequenz Ω = ΩS an und überprüfen Sie durch

Messung der Ausgangsamplitude die Werte von Amax und Amin.

II. Tschebyscheff-Tiefpass

1. Bauen Sie die WD-Realisierung des Tschebyscheff-Tiefpasses auf.

2. Messen und skizzieren Sie Dämpfung und Phase für einen Einheits-Impuls mit der

Feldlänge 128.

3. Geben Sie ein Rechteck mit sinnvoller Breite (Feldlänge 128, Delay 10) auf den Eingang

des Filters und skizzieren Sie das Ausgangssignal. (Erklärung?)

III. Cauer-Tiefpass

1. Bauen Sie die Struktur zur WD-Realisierung des Cauer-Tiefpasses auf.

2. Messen und skizzieren Sie wieder Dämpfung und Phase (Einheits-Impuls: Feldlänge

256).

3. Bestimmen Sie die markanten Punkte der Dämpfung. Messen Sie mithilfe eines Sinus-

signals (Feldlänge 2048) die Frequenz dieser Punkte, um den oben gemessenen Verlauf

zu skalieren (Umrechnung der Frequenz !). Orientieren Sie sich dabei an der Sperr-

und Grenzfreqeunz.

4. Testen Sie, ob das Filter gegen Bauteilschwankungen empfindlich ist. Verwenden Sie als

Eingangssignal einen Delta-Impuls (Feldlänge 2048) und betrachten Sie die Dämpfung

und Phase. Mit welchen Größen im Wellendigitalfilter können Bauteilschwankungen

simuliert werden?

NT-V4 - 38

Literatur

[Bahe84] H. Baher: Synthesis of Electrical Networks. John Wiley & Sons, 1984.

[Bele68] V. Belevitch: Classical Network Theory. CA: Holden-Day, 1968.

[Boss63] G. Bosse: Synthese elektrischer Siebschaltungen. Hirzel, 1963.

[Fett86] A. Fettweis: “Wave digital filters: Theory and practice”. The Institute of Electrical

and Electronics Engineers 74(2), February 1986, S. 270–326.

[Fett90] A. Fettweis: Elemente nachrichtentechnischer Systeme. Geest & Portig, 1990.

[FH92] A. Fettweis, G. Hemetsberger: Grundlagen der Theorie elektrischer Schaltungen.

Universitätsverlag Dr. N. Brockmeyer, 1992.

[Mild92] O. Mildenberger: Entwurf analoger und digitaler Filter. Vieweg, 1992.

[OV00] K. Ochs, M. Vollmer: “An extension of Darlington’s algorithm for the design of

elliptic filters”. IEEE Transactions on Signal Processing 48(9), September 2000,

S. 2709–2712.

[Saal79] R. Saal: Handbuch zum Filterentwurf. AEG-Telefunken, 1979.

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