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TREFFPUNKT FORSCHUNG Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 6 –10 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 9 SIGNALTRANSDUKTION cGAMP-Synthase als Sensor für invasive DNA Zyklische Dinucleotide, bei denen zwei Riboseeinheiten durch Phospho- diesterbindungen ringförmig verbunden sind, galten lange Zeit als Besonderheit der Prokaryoten. Doch auch bei Eukaryoten sind sie Kom- ponenten der Signaltransduktion und leisten einen wichtigen Beitrag zur Pathogenabwehr. Jetzt zeigten gleich mehrere For- schergruppen, dass Eukaryoten bis hin zum Menschen ein gemischtes cy- clisches Dinucleotid selbst herstellen, bei dem Adenosin und Guanosin durch eine 3'5'- sowie eine 2'5'- Phosphodiesterbindung verknüpft sind (Abb.). Dieses c-GAMP wird bei viralen oder bakteriellen Infektionen als Reaktion auf intrazelluläre Fremd- DNA gebildet und stimuliert ebenfalls über STING die Immunabwehr [3–5]. Die enzymatische Synthese des c-GAMP aus ATP und GTP verläuft in zwei Schritten mit einem linearen Di- nucleotid als Zwischenprodukt und erfordert Mg 2+ oder Mn 2+ als Cofak- tor. Beide Teilschritte werden durch die Freisetzung und Hydrolyse von Pyrophosphat angetrieben und von ein und demselben Enzym kataly- siert, der c-GAMP-Synthase, kurz cGAS [4]. Diese gehört zu einer stark konservierten Proteinfamilie, den so genannten Nucleotidyl-Transferasen (NTasen). Enzymatisch aktiv ist die cGAS nur in Anwesenheit von dop- pelsträngiger DNA (dsDNA) und fun- giert so als DNA-Sensor. Andere Nu- cleinsäuren (doppelsträngige RNA, DNA/RNA-Hybride, einzelsträngige DNA oder RNA) können das Enzym nicht aktivieren. Kürzlich wurde der katalytisch aktive Teil der cGAS (ohne ihren unstrukturierten, in der Se- quenz variablen Aminoterminus) für die Röntgenstrukturanalyse kristalli- siert [4, 5]. Die Substratbindungsta- sche, identifiziert durch cokristalli- sierte Nucleotide, zeigt wie die ande- rer NTasen nur ein Zentrum für die Bildung der Phosphodiesterbindung. Deshalb wird angenommen, dass sich für den Ringschluss das zweite Nu- cleotid des Zwischenprodukts inner- halb der Tasche um 180° drehen muss, um mit den katalytisch aktiven Aminosäuren zu interagieren. Passend zur Funktion der cGAS als DNA-Sensor ist beim DNA-freien Enzym das aktive Zentrum ein enger Schlitz, den ATP und GTP nicht pas- sieren können. Erst nach Bindung von dsDNA öffnet sich durch eine dramatische Strukturänderung der Zugang zum aktiven Zentrum. Ver- gleichbares gilt für ein weiteres Mit- glied der NTase-Familie, die Oligoa- denylatsynthase OAS1, ein Sensor für virale RNA. Deren Domänenstruktur zeigt Ähnlichkeit zu der von cGAS, al- lerdings öffnet sich das katalytische Zentrum nach Bindung von doppel- strängiger RNA. Daraufhin bildet OAS1 lineare 2',5'-Adeninoligonucleo- tide und löst so eine Abwehrreaktion aus, in deren Verlauf das Enzym RNaseL die virale RNA abbaut [6]. Die Bindung der dsDNA an cGAS erfolgt hauptsächlich durch ionische Wechselwirkungen des Ribose-Phos- phat-Rückgrats der DNA mit positiv geladenen Aminosäuren des Enzyms, so dass vielfältige bakterielle und vi- rale DNA-Fragmente unabhängig von ihrer Basensequenz wirksam sind. Auch zelleigene DNA kann, wenn sie nach Schädigung des Zellkerns ins Cytosol gelangt, mit der cGAS intera- gieren und so – vermittelt durch cGAMP und STING – eine Autoim- munreaktionen auslösen. Konkret wurde dies bislang für die Schmetter- lingsflechte (Lupus erythematodes) gezeigt, bei der durch UV-Licht oxi- dierte DNA in der Haut eine Entzün- dungsreaktion auslöst [7]. Annette Hille-Rehfeld, Stuttgart www.chiuz.de Zyklisches 3',5',-Di-Guanosinmono- phosphat (kurz c-di-GMP), bei dem zwei Ribosebausteine durch 3'5'- Phosphodiesterbrücken verbunden sind, wurde 1987 als Aktivator einer bakteriellen Zellulosesynthase ent- deckt. Es ist bei Prokaryoten univer- sell verbreitet und dient als intrazel- lulärer Botenstoff (second messen- ger), wie das bekanntere zyklische Adenosin-3',5'-monophosphat (cAMP). Besonders wenn Bakterien mit anderen Lebewesen oder abioti- schen Oberflächen interagieren, greift c-di-GMP in intrazelluläre Sig- nalketten zur Steuerung von Zellzy- klus, Differenzierung, Motilität oder Virulenz ein [1]. Es entfaltet seine Wirkung durch Bindung an Rezeptor- proteine oder an Sekundärstrukturen von RNA, so genannte Riboschalter. Neuerdings mehren sich die Hin- weise, dass zyklische Dinucleotide auch bei Eukaryoten wichtige sekun- däre Botenstoffe sind. Beim Schleim- pilz Dictyostelium discoideum ist c-di-GMP an der Regulation von Dif- ferenzierungsprozessen beteiligt [2]. Auch mehrzellige Eukaryoten (Meta- zoen) erkennen zyklische Dinucleoti- de als Signale, z. B. nach Infektion mit intrazellulär lebenden bakteriellen Krankheitserregern wie Listeria mo- nocytogenes, die c-di-AMP (das Ade- nin-Analog von c-di-GMP) in das Cy- tosol der infizierten Zelle sezernie- ren. Dabei bindet ein Membranpro- tein namens STING (stimulator of in- terferon genes) das zyklische Dinu- cleotid und setzt eine Signalkaskade in Gang, die letztlich durch Produkti- on von Interferonen und Cytokinen die Immunabwehr des Wirts alar- miert. Abb. Struktur des cyclischen GAMP- AMP c[G(2',5')pA(3',5')p]. [1] U. Römling et al., Microbiol. Mol. Biol. Rev. 2013, 77, 1–52. [2] Z-h Chen, P. Shaap, Nature 2012, 488, 680–683. [3] J. Wu et al., Science 2013, 339, 826–830. [4] P. Gao et al., Cell 2013, 153, 1094–1107. [5] F. Civril et al., Nature 2013, 498, 332–337. [6] J. Donovan et al., Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 2013, 110, 1652–1657. [7] N. Gehrke et al., Immunity 2013, 39, 482–495.

cGAMP-Synthase als Sensor für invasive DNA

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Page 1: cGAMP-Synthase als Sensor für invasive DNA

T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 6 –10 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 9

S I G N A LT R A N S D U K T I O N

cGAMP-Synthase als Sensor für invasiveDNA

Zyklische Dinucleotide, bei denen zwei Riboseeinheiten durch Phospho-diesterbindungen ringförmig verbunden sind, galten lange Zeit als Besonderheit der Prokaryoten. Doch auch bei Eukaryoten sind sie Kom-ponenten der Signaltransduktion und leisten einen wichtigen Beitragzur Pathogenabwehr.

Jetzt zeigten gleich mehrere For-schergruppen, dass Eukaryoten bishin zum Menschen ein gemischtes cy-clisches Dinucleotid selbst herstellen,bei dem Adenosin und Guanosindurch eine 3'→5'- sowie eine 2'→5'-Phosphodiesterbindung verknüpftsind (Abb.). Dieses c-GAMP wird beiviralen oder bakteriellen Infektionenals Reaktion auf intrazelluläre Fremd-DNA gebildet und stimuliert ebenfallsüber STING die Immunabwehr [3–5].

Die enzymatische Synthese des c-GAMP aus ATP und GTP verläuft inzwei Schritten mit einem linearen Di-nucleotid als Zwischenprodukt underfordert Mg2+ oder Mn2+ als Cofak-tor. Beide Teilschritte werden durchdie Freisetzung und Hydrolyse vonPyrophosphat angetrieben und vonein und demselben Enzym kataly-siert, der c-GAMP-Synthase, kurzcGAS [4]. Diese gehört zu einer starkkonservierten Proteinfamilie, den sogenannten Nucleotidyl-Transferasen(NTasen). Enzymatisch aktiv ist diecGAS nur in Anwesenheit von dop-pelsträngiger DNA (dsDNA) und fun-giert so als DNA-Sensor. Andere Nu-cleinsäuren (doppelsträngige RNA,DNA/RNA-Hybride, einzelsträngigeDNA oder RNA) können das Enzymnicht aktivieren. Kürzlich wurde der

katalytisch aktive Teil der cGAS (ohneihren unstrukturierten, in der Se-quenz variablen Aminoterminus) fürdie Röntgenstrukturanalyse kristalli-siert [4, 5]. Die Substratbindungsta-sche, identifiziert durch cokristalli-sierte Nucleotide, zeigt wie die ande-rer NTasen nur ein Zentrum für dieBildung der Phosphodiesterbindung.Deshalb wird angenommen, dass sichfür den Ringschluss das zweite Nu-cleotid des Zwischenprodukts inner-halb der Tasche um 180° drehenmuss, um mit den katalytisch aktivenAminosäuren zu interagieren.

Passend zur Funktion der cGASals DNA-Sensor ist beim DNA-freienEnzym das aktive Zentrum ein engerSchlitz, den ATP und GTP nicht pas-sieren können. Erst nach Bindungvon dsDNA öffnet sich durch einedramatische Strukturänderung derZugang zum aktiven Zentrum. Ver-gleichbares gilt für ein weiteres Mit-glied der NTase-Familie, die Oligoa-denylatsynthase OAS1, ein Sensor fürvirale RNA. Deren Domänenstrukturzeigt Ähnlichkeit zu der von cGAS, al-lerdings öffnet sich das katalytischeZentrum nach Bindung von doppel-strängiger RNA. Daraufhin bildetOAS1 lineare 2',5'-Adeninoligonucleo-tide und löst so eine Abwehrreaktionaus, in deren Verlauf das Enzym RNaseL die virale RNA abbaut [6].

Die Bindung der dsDNA an cGASerfolgt hauptsächlich durch ionischeWechselwirkungen des Ribose-Phos-phat-Rückgrats der DNA mit positivgeladenen Aminosäuren des Enzyms,so dass vielfältige bakterielle und vi-rale DNA-Fragmente unabhängig vonihrer Basensequenz wirksam sind.Auch zelleigene DNA kann, wenn sienach Schädigung des Zellkerns insCytosol gelangt, mit der cGAS intera-gieren und so – vermittelt durchcGAMP und STING – eine Autoim-munreaktionen auslösen. Konkretwurde dies bislang für die Schmetter-lingsflechte (Lupus erythematodes)gezeigt, bei der durch UV-Licht oxi-dierte DNA in der Haut eine Entzün-dungsreaktion auslöst [7].

Annette Hille-Rehfeld, Stuttgart

www.chiuz.de

Zyklisches 3',5',-Di-Guanosinmono-phosphat (kurz c-di-GMP), bei demzwei Ribosebausteine durch 3'→5'-Phosphodiesterbrücken verbundensind, wurde 1987 als Aktivator einerbakteriellen Zellulosesynthase ent-deckt. Es ist bei Prokaryoten univer-sell verbreitet und dient als intrazel-lulärer Botenstoff (second messen-ger), wie das bekanntere zyklischeAdenosin-3',5'-monophosphat(cAMP). Besonders wenn Bakterienmit anderen Lebewesen oder abioti-schen Oberflächen interagieren,greift c-di-GMP in intrazelluläre Sig-nalketten zur Steuerung von Zellzy-klus, Differenzierung, Motilität oderVirulenz ein [1]. Es entfaltet seineWirkung durch Bindung an Rezeptor-proteine oder an Sekundärstrukturenvon RNA, so genannte Riboschalter.

Neuerdings mehren sich die Hin-weise, dass zyklische Dinucleotideauch bei Eukaryoten wichtige sekun-däre Botenstoffe sind. Beim Schleim-pilz Dictyostelium discoideum ist c-di-GMP an der Regulation von Dif-ferenzierungsprozessen beteiligt [2].Auch mehrzellige Eukaryoten (Meta-zoen) erkennen zyklische Dinucleoti-de als Signale, z. B. nach Infektion mitintrazellulär lebenden bakteriellenKrankheitserregern wie Listeria mo-nocytogenes, die c-di-AMP (das Ade-nin-Analog von c-di-GMP) in das Cy-tosol der infizierten Zelle sezernie-ren. Dabei bindet ein Membranpro-tein namens STING (stimulator of in-terferon genes) das zyklische Dinu-cleotid und setzt eine Signalkaskadein Gang, die letztlich durch Produkti-on von Interferonen und Cytokinendie Immunabwehr des Wirts alar-miert.

Abb. Struktur des cyclischen GAMP-AMP c[G(2',5')pA(3',5')p].

[1] U. Römling et al.,Microbiol. Mol.Biol. Rev. 2013,77, 1–52.

[2] Z-h Chen, P. Shaap, Nature2012, 488,680–683.

[3] J. Wu et al., Science 2013,339, 826–830.

[4] P. Gao et al., Cell 2013, 153,1094–1107.

[5] F. Civril et al., Nature 2013,498, 332–337.

[6] J. Donovan et al.,Proc. Natl. Acad.Sci. U.S.A. 2013,110, 1652–1657.

[7] N. Gehrke et al.,Immunity 2013,39, 482–495.