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TREFFPUNKT FORSCHUNG 166 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 162 – 168 weit. Wir können diese Daten nun einsetzen, um mögliche Abnormalitä- ten im Tryptophanstoffwechsel zu berechnen und mit anderen klini- schen Parametern zu vergleichen. Dies ist natürlich auch für Expressi- onsdaten von neurodegenerativen Er- krankungen möglich. Computersimulation statt Experimenten mit Mäusen Das Modell kann außerdem einge- setzt werden, um mögliche medika- mentöse Behandlungen zu simulieren und damit Tierexperimente zu limi- tieren. Es ist derzeit leider noch nicht möglich, Tierexperimente komplett durch Computersimulationen zu er- setzen. Auch unser Modell bedarf zu- nächst weiterer experimenteller Veri- fizierung, um die Vorhersagegenauig- keit weiter zu verbessern. Wir waren aber bereits in der Lage, Experimente in Mäusen zu simulieren, bei denen ein Enzym des Kynureninstoffwech- sels (KMO) nur in der Leber inhibiert werden konnte und dennoch eine Verringerung der neurotoxischen Kynureninmetabolite im Gehirn beobachtet wurde. In unseren weiteren Arbeiten werden wir Expressionsdatensätze verschie- dener Krankheiten in unser Modell integrieren und die darauf beruhen- den Vorhersagen in Zusammenarbeit mit experimentellen Gruppen verifi- zieren. Wir wollen das Modell außer- dem auf angrenzende Stoffwechsel- wege, wie den NAD-Stoffwechsel und den Stoffwechsel anderer aromati- scher Aminosäuren, ausweiten. Da mehr und mehr Verknüpfungen von Stoffwechselwegen mit Signaltrans- duktionsnetzwerken identifiziert werden, wollen wir außerdem die metabolischen Modelle mit Modellen relevanter Signaltransduktionsnetz- werke verbinden. Das langfristige Ziel dieser Arbei- ten ist es, die Interaktion und Dyna- mik von Stoffwechselwegen und Sig- naltransduktionsprozessen besser zu verstehen und so am Computer Vor- hersagen über Zielproteine für die medikamentöse Behandlung von Krankheiten zu ermöglichen. Durch die Berücksichtigung der z.T. komple- xen Interaktion von zellulären Pro- zessen ist es derzeit schwierig, effi- ziente Behandlungsstrategien zu ent- wickeln. Wir hoffen daher, mit Hilfe von Computermodellen die Entwick- lung neuer Behandlungsmethoden voranzutreiben sowie die Kosten da- für langfristig zu senken. Auch die Be- handlung und Prävention von Krank- heiten durch Ernährungsumstellung ist dabei ein wichtiger Aspekt. Literatur [1] Opitz, C. a., U. M. Litzenburger, F. Sahm, M. Ott, I. Tritschler, S. Trump, T. Schu- macher, L. Jestaedt, D. Schrenk, M. Weller, M. Jugold, G. J. Guillemin, C. L. Miller, C. Lutz, B. Radlwimmer, I. Lehmann, A. von Deimling, W. Wick und M. Platten “An endogenous tumour-promoting ligand of the human aryl hydrocarbon receptor.” Nature 2011, 478, 197–203. [2] Stavrum, A. K., I. Heiland, S. Schuster, P. Puntervoll und M. Ziegler. “Model of tryp- tophan metabolism, readily scalable using tissue-specific gene expression data.” J Biol Chem 2013, 288(48), 34555–34566. Ines Heiland, Department of Arctic and Marine Biology, Naturfagbygget, Dramsveien 201, UiT The Arctic University of Norway, 9037 Tromsø, E-Mail: [email protected] www.chiuz.de SELTENE ERDEN Chinas Monopolstellung bröckelt nur langsam Die Seltenen Erden (SE) haben längst ihr Exotenimage verloren und unseren Alltag erobert: Etwa 40 % der jähr- lich geförderten Menge wird für Zukunftstechnologien wie Windkraftanlagen, Hybridfahrzeuge, E-Bikes, Katalysa- toren und Energiesparlampen verwendet. Die SE gehören zu den von der Europäischen Union definierten 14 kriti- schen Rohstoffen; Basis für diese Bewertung sind ihre wirtschaftliche Bedeutung und das Versorgungrisiko. Derzeit werden etwa 90 Prozent der jährlich abgebau- ten rund 100.000 Tonnen Seltene Erden in China geför- dert, 2010 waren es noch 97,6 Prozent. Seine Monopol- stellung werde China im Laufe des nächsten Jahrzehnts durch den Markteintritt neuer Anbieter verlieren – das ist das Ergebnis einer Studie [1], die das Zentrum für Euro- päische Wirtschaftsforschung (ZEW) auf Basis eines neu entwickelten Metallmarktmodells (METRO) erstellt hat. Demnach werden in den kommenden Jahren mit den USA, Australien und Kanada neue Anbieter vor allem für die Leichten Seltenen Erden auf den Markt kommen. Für die Schweren Seltenen Erden werde die Vormacht- stellung Chinas daher noch länger bestehen bleiben. Zur gleichen Einschätzung ge- langten Frank Melcher und Hildegard Wilken von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) bereits Anfang 2013 in ihrem Artikel in der ChiuZ [2]. Der Beitrag befasst sich nicht nur mit Seltenen Erden, sondern beleuchtet die Ein- flussgrößen auf die Rohstoffnachfra- ge am Beispiel von Hochtechnologie- Metallen – und wie die Politik auf drohende Versorgungsengpässe rea- giert. In einer aktuellen Publikation be- zeichnet die BGR die Versorgungsla- ge für Leichte Seltene Erden als völlig unkritisch, bei den Schweren Selte- nen Erden sieht sie die Versorgung bis zur Eröffnung einer der 20 be- kannten Lagerstätten außerhalb Chi- nas allerdings noch als gefährdet an [3]. Zum Weiterlesen [1] Die vollständige Studie in englischer Spra- che gibt es unter: http://ftp.zew.de/pub/ zew-docs/dp/dp14005.pdf. [2] Melcher, F. und Wilken, H. „Die Verfügbar- keit von Hochtechnologie-Rohstoffen“ Chem. Unserer Zeit 2013, 47, 32–49. [3] http://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/ Oeffentlichkeitsarbeit/Pressemitteilungen/ BGR/bgr-140312_Seltene%20Erden.html (Zugriff 14.04.2014). dfh

Chinas Monopolstellung bröckelt nur langsam

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Page 1: Chinas Monopolstellung bröckelt nur langsam

T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

166 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 162 – 168

weit. Wir können diese Daten nuneinsetzen, um mögliche Abnormalitä-ten im Tryptophanstoffwechsel zuberechnen und mit anderen klini-schen Parametern zu vergleichen.Dies ist natürlich auch für Expressi-onsdaten von neurodegenerativen Er-krankungen möglich.

Computersimulation statt Experimenten mit MäusenDas Modell kann außerdem einge-setzt werden, um mögliche medika-mentöse Behandlungen zu simulierenund damit Tierexperimente zu limi-tieren. Es ist derzeit leider noch nichtmöglich, Tierexperimente komplettdurch Computersimulationen zu er-setzen. Auch unser Modell bedarf zu-nächst weiterer experimenteller Veri-fizierung, um die Vorhersagegenauig-keit weiter zu verbessern. Wir warenaber bereits in der Lage, Experimentein Mäusen zu simulieren, bei denenein Enzym des Kynureninstoffwech-sels (KMO) nur in der Leber inhibiertwerden konnte und dennoch eineVerringerung der neurotoxischen Kynureninmetabolite im Gehirn beobachtet wurde.

In unseren weiteren Arbeiten werdenwir Expressionsdatensätze verschie-dener Krankheiten in unser Modellintegrieren und die darauf beruhen-den Vorhersagen in Zusammenarbeitmit experimentellen Gruppen verifi-zieren. Wir wollen das Modell außer-dem auf angrenzende Stoffwechsel-wege, wie den NAD-Stoffwechsel undden Stoffwechsel anderer aromati-scher Aminosäuren, ausweiten. Damehr und mehr Verknüpfungen vonStoffwechselwegen mit Signaltrans-duktionsnetzwerken identifiziertwerden, wollen wir außerdem diemetabolischen Modelle mit Modellenrelevanter Signaltransduktionsnetz-werke verbinden.

Das langfristige Ziel dieser Arbei-ten ist es, die Interaktion und Dyna-mik von Stoffwechselwegen und Sig-naltransduktionsprozessen besser zuverstehen und so am Computer Vor-hersagen über Zielproteine für diemedikamentöse Behandlung vonKrankheiten zu ermöglichen. Durchdie Berücksichtigung der z.T. komple-xen Interaktion von zellulären Pro-zessen ist es derzeit schwierig, effi-ziente Behandlungsstrategien zu ent-

wickeln. Wir hoffen daher, mit Hilfevon Computermodellen die Entwick-lung neuer Behandlungsmethodenvoranzutreiben sowie die Kosten da-für langfristig zu senken. Auch die Be-handlung und Prävention von Krank-heiten durch Ernährungsumstellungist dabei ein wichtiger Aspekt.

Literatur[1] Opitz, C. a., U. M. Litzenburger, F. Sahm,

M. Ott, I. Tritschler, S. Trump, T. Schu -macher, L. Jestaedt, D. Schrenk, M. Weller,M. Jugold, G. J. Guillemin, C. L. Miller, C. Lutz, B. Radlwimmer, I. Lehmann, A. von Deimling, W. Wick und M. Platten“An endogenous tumour-promoting ligandof the human aryl hydrocarbon receptor.”Nature 2011, 478, 197–203.

[2] Stavrum, A. K., I. Heiland, S. Schuster, P. Puntervoll und M. Ziegler. “Model of tryp-tophan metabolism, readily scalable usingtissue-specific gene expression data.” J BiolChem 2013, 288(48), 34555–34566.

Ines Heiland,Department of Arctic and

Marine Biology, Naturfagbygget,Dramsveien 201, UiT The Arctic

University of Norway, 9037 Tromsø,E-Mail: [email protected]

www.chiuz.de

S E LT E N E E R D E N

Chinas Monopolstellung bröckelt nur langsam

Die Seltenen Erden (SE) haben längst ihr Exotenimageverloren und unseren Alltag erobert: Etwa 40 % der jähr-lich geförderten Menge wird für Zukunftstechnologienwie Windkraftanlagen, Hybridfahrzeuge, E-Bikes, Katalysa-toren und Energiesparlampen verwendet. Die SE gehörenzu den von der Europäischen Union definierten 14 kriti-schen Rohstoffen; Basis für diese Bewertung sind ihrewirtschaftliche Bedeutung und das Versorgungrisiko.

Derzeit werden etwa 90 Prozent der jährlich abgebau-ten rund 100.000 Tonnen Seltene Erden in China geför-dert, 2010 waren es noch 97,6 Prozent. Seine Monopol-stellung werde China im Laufe des nächsten Jahrzehntsdurch den Markteintritt neuer Anbieter verlieren – das istdas Ergebnis einer Studie [1], die das Zentrum für Euro-päische Wirtschaftsforschung (ZEW) auf Basis eines neuentwickelten Metallmarktmodells (METRO) erstellt hat.Demnach werden in den kommenden Jahren mit denUSA, Australien und Kanada neue Anbieter vor allem für

die Leichten Seltenen Erden auf denMarkt kommen. Für die SchwerenSeltenen Erden werde die Vormacht-stellung Chinas daher noch längerbestehen bleiben.

Zur gleichen Einschätzung ge-langten Frank Melcher und HildegardWilken von der Bundesanstalt fürGeowissenschaften und Rohstoffe(BGR) bereits Anfang 2013 in ihremArtikel in der ChiuZ [2]. Der Beitragbefasst sich nicht nur mit SeltenenErden, sondern beleuchtet die Ein-flussgrößen auf die Rohstoffnachfra-ge am Beispiel von Hochtechnologie-Metallen – und wie die Politik aufdrohende Versorgungsengpässe rea-giert.

In einer aktuellen Publikation be-zeichnet die BGR die Versorgungsla-ge für Leichte Seltene Erden als völligunkritisch, bei den Schweren Selte-nen Erden sieht sie die Versorgungbis zur Eröffnung einer der 20 be-kannten Lagerstätten außerhalb Chi-nas allerdings noch als gefährdet an[3].

Zum Weiterlesen[1] Die vollständige Studie in englischer Spra-

che gibt es unter: http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp14005.pdf.

[2] Melcher, F. und Wilken, H. „Die Verfügbar-keit von Hochtechnologie-Rohstoffen“Chem. Unserer Zeit 2013, 47, 32–49.

[3] http://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Oeffentlichkeitsarbeit/Pressemitteilungen/BGR/bgr-140312_Seltene%20Erden.html(Zugriff 14.04.2014).

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