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Christoph Kleinhubbert · alles auf einmal
Christoph Kleinhubbert
alles auf einmalgedichte
N o r d P a r k
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
N o r d P a r kV e r l a g
Alfred MierschKlingelholl 53 42281 Wuppertal
Gesetzt in der Palatino© Christoph Kleinhubbert
Alle Rechte vorbehaltenISBN: 978-3-943940-03-9www.nordpark-verlag.de
Die Besonderen Hefte werden eigenhändig in der Werkstatt des NordPark Verlages gesetzt,
nach Bedarf in kleinen Auflagen gedruckt, dann handgefalzt und handgeheftet und in den
Schutzumschlag aus dem Passat-Vorsatzpapier des Hamburger Papierherstellers Geese eingeschlagen.
Für Sammler: dieses Heft wurde gedruckt imOktober 2014
Gedruckt auf dem Geese Werkdruckpapier Alster chlor- und säurefrei und alterungsbeständig
entsprechend ANSI 3948 und ISO 9706.www.geese-papier.de
FSC zertifiziertSGS – COC –004030
www.fsc.org
5
Inhalt – alles auf einmal.
stadt.
12 dornfeld13 ein tag im leben15 schlagseite16 ostersonntag17 brüssel februar 198318 jagdausflug19 zu spät20 wildnis21 wintertag im zoo22 wartehaus23 mein mond
land.
26 schneekönig27 laubenland # 228 frühlingserwachen29 landleben – I.30 landleben – II.31 landleben – III.32 landleben – IV.33 landleben – V.34 landleben – VI.35 blütenmeer36 unwetter37 bis in den süden38 mehr dann zuhause39 andere landschaften40 geschlossene ortschaft41 radtour 2011
6
42 hofwoche43 grünkohl 196744 winter – I.
müll.
46 anfänge48 milchstraßen blues # 749 drama50 telefongespräch51 unter diesem alterslosen wind52 äquator53 blindgänger54 frühlingsboten55 kopfdurchsuchung56 hella bernstein57 was denn jetzt58 das erste deutsche59 reise nach rom60 leeres versprechen61 eine karte aus den bergen63 eurocamp marina di venezia 199764 lac d‘annecy65 abendgebet66 jesus von 200767 eingeborener sohn68 karfreitagsplan69 die wunder bleiben aus
tod.
72 oh schwester73 vergessene vögel75 in der nachbarschaft76 ‘int greet77 zaungäste
7
78 allerseelen79 stein80 nachtflug81 schatten im mondlicht82 heim83 wind und tränen85 auflösung – I.86 auflösung – II.87 eine frage der zeit88 moderne zeiten89 sichtbares verschwinden90 hellheim
9
Als ich zur Welt musste, war alles schon für mich da.
Von Willie Dixon und Howlin‘ Wolf hab ich den Blues genommen.Die Flamme kam von Keith Richards. Die Explosion des frühen Lichts fand ich bei Otto Dix.Worte und Sätze schrieb Ludwig Fels.
Seitdem bin ich erfüllt mit Erstaunen. Steh in fragender Hal-tung mit offenem Mund an Straßenecken. Lieg im Fenster. Die Angel im Kanal. Bratwurstbrötchen am Spielfeldrand. Flaschenbier an der Bude. Folge der Routine des Alltags, dem Lauf der Dinge.
Ich bin hier und ich will verstehen.
Emscherdelta, Oktober 2014
stadt.
12
dornfeld
angekommen im dornfeld jahrgang zwanzigzehnder morgen beginnt unaufhaltsam wieder ohne unsunschlagbar wie toll wir doch sind im erklärn so lächerlich geradezu nichtsunsere kotbäuche schleifen auf dem boden wenn wir uns zum himmel recken undwir werfen keinen schatten
13
ein tag im leben
es ist schon ein glück zu leben auchwenn im leben noch so viel fehltdie sitzbänke in der stadtstehen in der sonne und sind zu braun lackiert
bin im rausch mein herz trinkt immer noch blutich bin das was ich immer warzwing mich gerade zu gehenin der sonne zerplatzen alle farben zu schmerzweiss undlange zeit kann ich gar nichts mehr sehen
die stadt hat wieder wie gewohnt stadtleben
der wolf im schafspelzhundesdreckschnäpchenjagdein sterbender im schlafsackdrehfleischhandytarifeein kind schreitleerstandausverkauf
14
rampensau einezerdrückte coladosemcdonalds papiergirokonto werbung
ein tag im leben
15
schlagseite
hab einen blick auf die wörterdie wahrheit ist die lüge in ihnen starrt auf mich zurück
da war ein satz wie:ich bin ein berliner
ich höre den worten hinterher die fielenaus der luft gegriffen schwere wellewiederholt wurd freiheit versprochen undein ort weiter ist der himmel ein ganz andererdie mauersegler sind schon in südafrika
da war ein satz wie:die mauer wie ich sie sahist nicht mehr da
bin mir selbst der nächstemir gegenüber am wenigsten fremdund: verteidige meine distanz
da war ein satz wie: wir zahlen und zahlen undwir haben die löcher in den straßen
der himmel über berlinsieht rosig aus
16
ostersonntag
die stadt ist immer auch ein labyrinth für zwerge jederzeit in allerweltlicher ordnung in sauber aufgestellten reihen die autos der sonntagsfahrer vorm gemeindepark
sauber gekämmt gegeelt infadenscheinige anzüge gestelltam hals gebunden fürs feierliche kirchgehenihren angstschweiß ersticktmit schwerem parfüm
sie kommen und gehen undfallen um
stehen nie wieder auf
17
brüssel februar 1983
leuchtreklamen vogelscheisse auf den dächernder fahle mond meine schritte auf dem klammen kopfsteinpflasterdie sirenen der rettungswagendie traurigen huren in den bunten fenstern
all dases ist einfach zu viel
der eisige februarwind jüdisches schawarma um mitternachtin einer ranzigen imbissbudedie angst hinter den türender nächste morgen weisswein warme croissants mit erdbeermarmeladeglänzende atomkugeln im mittagslicht
zu vielall dases ist einfach zu viel
abends donnern die motten an meine scheibendie stadt schreit ihre sehnsüchte rausin den zeitungen findest du nichts davon
die zeitungen stehen still
18
jagdausflug
das ist die welt abends am dreißigsten märzschau schläfrig auf die holzhollywoodschaukelam gartenrand bereit für rückschläge fallen mir die augen zu
ein fiepen aus dem unterholz in den schwarzen schattenjagt die katze
hör: der beute schrei
all beauty must die
19
zu spät zu spät zu spät
das herantasten der rettungswagenan einem sonnigen nachmittagrasendurch die träge sonntagsstadtretten
der gerettet werden musserbebt blau angeflackertim signal der hörner
ausatmen undvergessenzusammenfallen undverblühenhochschrecken undverglühen
vorzeitig stadt’n’landverlassen
20
wildnis
die eleganz von katzenwie sie nachts von den dächern tropfen unddie unbekümmerte beute die döstim dunkelblauen mantel der nacht
die gesammelten seelen flackerndass der bock durchscheint und wir kriechen tiefer in die schatten unserer häusernoch kinder in schon zu alter haut
warten dass
der morgen graut
21
wintertag im zoo
schau mal die vögel wie die frieren die armen schweinerecken die köpfe die hälse zum himmel fallen über die beineflöckchen fangen tröpfchen leckenleg mich ein wenig lesenträumen am kamin
vögel ziehen vorbei kurze tage undlange rührstücke werden aufgeführtden nachrichten sind die lügen ausgegangender glaube ist endgültig verlorendie zimmerdecken spannen sich unter den sprüngen der kinderdie wände wackeln am dach gleiten bomben eis sturm und der spott der nachbarn ab
morgen ist montag und
wir fangen wieder von vorne an
22
wartehaus
in zugluft auf der beschmierten geschnittenen angebrannten bankhalten hände sich veflochten die finger ineinander verschränkthände die sich fremd fühlen in entfernung zu sich selbst wartendder schweif einer schnuppe die für einen wunsch fälltdas zischen der hydraulik aufspringende flügel als der bus hältzurückbleiben in der dunkelheit in leichtigkeit allein wartend
23
mein mond
der große gelbe mond steht über der stadtein teigiges altes chinesengesichtein mond mit leberzirrhose der volle mondder schon so viel gesehen hat der fiebrigdie fische aus den kalten nassen betten ziehter fixiert mich dieses listige bengalische tigerauge
über den wäldern wüsten landschaftenmeeren steppen eismeeren und ozeanenimmer ist es ein anderer mond
der heute über der stadt der mit der wärmdecke um die schmalen schultern
das ist meiner
land.
26
schneekönig
einen gestrickten schal im nackenlange nase starr in die luft dieplastikeimerkrone auf dem kopfdrei kohlen im mantel undein paar scherben im gesicht der könig steht fest im schnee
schwingt behäbig sein besenzepter singtträumte heute nacht vom taudas frühjahr kommt ich geh
27
laubenland # 2
eine dünne decke schneelängst gelb zerpisstalle feiern sind gefeiertbis zum nächsten frühjahrwird kein finger mehr gerührt
dann werden hier wieder die kronen knallenvon den ersten flaschen bier