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Die Versorgung von psychisch kranken Kindern, Jugendlichen und ihren Familien Herausgegeben von: Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. Berufsverband der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e.V. Bundesarbeitsgemeinschaft der leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. Andreas Warnke Gerd Lehmkuhl Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Deutschland 4. Auflage

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Die Versorgungvon psychisch krankenKindern, Jugendlichen

und ihren Familien

Herausgegeben von:Deutsche Gesellschaft für Kinder- und

Jugendpsychiatrie, Psychosomatik undPsychotherapie e.V.

Berufsverband der Ärzte für Kinder- undJugendpsychiatrie, Psychosomatik und

Psychotherapie in Deutschland e.V.

Bundesarbeitsgemeinschaft derleitenden Klinikärzte für Kinder- und

Jugendpsychiatrie, Psychosomatik undPsychotherapie e.V.

Andreas Warnke Gerd Lehmkuhl

Kinder- und Jugendpsychiatrieund Psychotherapie in Deutschland

4. Auflage

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Andreas Warnke ■ Gerd Lehmkuhl

Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Deutschland

4. Auflage

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Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Deutschland

Die Versorgung von psychisch kranken Kindern, Jugendlichen und ihren Familien

Andreas Warnke ■ Gerd Lehmkuhl

Herausgegeben von

Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V.Berufsverband der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e. V.Bundesarbeitsgemeinschaft der leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V.

4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

Mit 26 Abbildungen und 13 Tabellen

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Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Andreas WarnkeDirektor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Julius-Maximilians-Universität WürzburgFüchsleinstraße 15, 97080 WürzburgE-Mail: [email protected]

Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Gerd LehmkuhlDirektor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Uniklinik KölnRobert-Koch-Straße 10, 50931 KölnE-Mail: [email protected]

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Besonderer Hinweis:In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kennt-lich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen wer-den, dass es sich um einen freien Warennamen han-delt.Das Werk mit allen seinen Teilen ist urheberrecht-lich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Be-stimmungen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig

und strafbar. Kein Teil des Werkes darf in irgend-einer Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert werden.

© 2003, 2011 by Schattauer GmbH, Hölderlinstraße 3, 70174 Stuttgart, GermanyE-Mail: [email protected]: www.schattauer.dePrinted in Germany

Umschlagabbildung: niña triste © nuryudijes – Fotolia.comSatz: Satzpunkt Ursula Ewert GmbH, BayreuthDruck und Einband: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten/Allgäu

ISBN 978-3-7945-2685-7

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V

Vorwort zur 4. Auflage

Die nun in der 4. Auflage vorliegende Denk-schrift soll Informationen zur gesundheitlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen in Deutsch-land vermitteln und dazu beitragen, auf die Situation der Betroffenen und ihrer Angehöri-gen hinzuweisen und ihr Wohl zu verbessern. In der Denkschrift finden sich Angaben über Strukturen und Vorgehensweisen in der Ver-sorgung, Lehre und Forschung. Sie enthält Stellungnahmen zu ethischen Fragen und neu-en Herausforderungen des Fachs. Sie gibt ge-sundheitspolitische Orientierung aus der Pers-pektive der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und begründet, warum Prävention und Frühbehandlung von psychi-schen Störungen im Kindes- und Jugendalter für die Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind.

Die wissenschaftlichen und strukturellen Grundlagen des Fachgebietes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und das nach geschichtlichen Maßstäben rasante Tempo der Fortschritte in Versorgung, Lehre und For-schung werden offensichtlich, wenn die 1. Auf-lage der Denkschrift von 1984 mit der nun vor-liegenden 4. Auflage von 2011 verglichen wird.

Das Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsy-chiatrie und -psychotherapie in Deutschland steht in der durch die ärztliche Weiterbil-dungsordnung festgelegten Verantwortung, eine qualifizierte Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen zu gewährleisten. Dieser Verantwortung stellt sich das Fachgebiet im Netzwerk mit anderen angrenzenden medizinischen Fachgebieten in enger Kooperation mit Jugend- und Sozialhilfe sowie den vielfältigen nichtmedizinischen the-rapeutischen Berufsgruppen und deren Insti-tutionen. Innerhalb von nicht ganz drei Jahr-zehnten seit der ersten Denkschrift von 1984

haben sich ambulante, teilstationäre und voll-stationäre Versorgung im Fachgebiet quantita-tiv und qualitativ entscheidend weiterentwi-ckelt und in beträchtlichem Maße erweitert. Zugleich hat das Fachgebiet hinsichtlich der Versorgungsleistung entscheidend an gesund-heitspolitischer Bedeutung und Stoßkraft in den bei steigender Prävalenz psychischer Stö-rungen zunehmend wichtigen Aufgaben von Prävention, Diagnostik, Behandlung und Re-habilitation von Säuglingen, Kindern und Ju-gendlichen mit psychischen Störungen gewon-nen. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass das Fachgebiet zunehmend an gesundheits-politischen Gesetzgebungsprozessen und auch europaweiten forschungspolitischen Leitlinien beteiligt ist. Kinder- und jugendpsychiatrische Forschung sowie klinische Aufgaben sind zu einem festen Bestandteil in der universitären Lehre der Humanmedizin, aber auch anderen Nachbargebieten geworden. Die Schwerpunk-te kinder- und jugendpsychiatrischer For-schung betreffen Häufigkeit, Diagnostik, Ursa-chen, Komorbidität, Verlauf, Versorgung, The-rapie und Prävention früh manifester psycho-somatischer bzw. psychischer Störungen und sehen das Fachgebiet national und internatio-nal im Aufwind.

Im Vorwort zur 3. Auflage 2003 sind die wesentlichen Anliegen der Denkschrift bereits angesprochen. Die vorliegende 4. Auflage setzt die Reihe fort, die mit der 1. Auflage 1984 von Helmut Remschmidt und Martin H. Schmidt begründet, von Joist Martinius und Fritz Poust-ka 1990 in der 2. Auflage fortgesetzt wurde.

Es ist zu hoffen, dass die grundlegend über-arbeitete Neuauflage ein breites Interesse fin-det und eine intensive Diskussion anstößt, mit dem Ziel einer verbesserten gesundheitlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen.

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Vorwort zur 4. Aufl ageVI

Ganter für das ausgezeichnete Lektorat und Herrn Dr. Wulf Bertram für die Verlagsunter-stützung zur Publikation der Denkschrift.

Wir danken Herrn Prof. Dr. Dr. Helmut Rem-schmidt und Frau Prof. Dr. Ulrike Lehmkuhl für wertvolle Hilfestellungen, Frau Claudia

RostockProf. Dr. Frank HäßlerPräsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V.

WeißenauProf. Dr. Renate SchepkerVorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V.

HattigenDr. Maik HerberholdVorsitzender des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e. V.

Redaktion:Prof. Dr. Andreas WarnkeProf. Dr. Gerd Lehmkuhl

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VII

Vorwort zur 3. Auflage

Aus einer Denkschrift in 1. und 2. Auflage im Umfang einer Broschüre ist nun in 3. Auflage ein Buch von übergreifender Bedeutung zur Versorgung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen und ihrer Familien gewor-den. Diese Entwicklung spiegelt den überragen-den Fortschritt des Fachgebietes Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in den letzten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland, aber auch auf internationaler Ebene wider. Über das Leistungsspektrum des Fachgebietes hinaus gibt das Buch einen Ein-blick in die aktuelle Situation der Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher und ihrer Familien in Deutschland und wird zum Dokument für die Notwendigkeit der in-terdisziplinären und interinstitutionellen Zu-sammenarbeit im Verbundsystem des Gesund-heitswesens, der Jugend- und Sozialhilfe.

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie als ärztliche Disziplin verfügt über spezifische diagnostische und therapeuti-sche Methoden und einen eigenständigen Facharzt-Weiterbildungsgang. Ihr Aufgaben-spektrum erstreckt sich auf die Erkennung, Behandlung, Prävention und Rehabilitation bei psychischen, psychosomatischen und neu-rologischen Erkrankungen vom Säuglingsalter an bis zum Heranwachsenden bzw. jungen Erwachsenen. Die Kinder- und Jugendpsychi-atrie und Psychotherapie ist aufgrund dieses Auftrages dazu prädestiniert, auch präventiv für das gesamte Spektrum der Psychiatrie zu arbeiten. An diesen inhaltlichen Aussagen des Geleitwortes der 1. Auflage von 1984 hat sich nichts Entscheidendes geändert.

Nach wie vor besteht Informationsbedarf über Aufgaben, Ziele, Probleme und Zukunfts-perspektiven der Kinder- und Jugendpsychiat-rie und Psychotherapie und des gesamten Verbundsystems der gesundheitlichen Versor-

gung psychisch kranker Kinder und Jugendli-cher. Seit der 1. Auflage 1984 hat sich in der Bundesrepublik ein rasanter Aufbau ambulan-ter, teilstationärer und stationärer Versorgung im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie vollzogen.

Die Zahl der im Beruf tätigen Fachärzte ist auf über 1 000 gestiegen. Es bestehen 140 Klini-ken und Tageskliniken mit rund 4 400 vollstati-onären Behandlungsplätzen. Mit 25 Lehrstüh-len (C 4) und Abteilungen (C 3) ist das Fachge-biet an den Medizinischen Fakultäten vertreten. Die Psychotherapieweiterbildung nach den Psy-chotherapie-Richtlinien ist in das Curriculum der Facharztausbildung aufgenommen. Die Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) hat zu einer Verbesserung der personellen Strukturen in den Kliniken geführt. Mit der Sozialpsychiatrie-Vereinbarung ist dem Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psy-chotherapie auch in freier Praxis der Aufbau einer interdisziplinären Versorgungsstruktur möglich. Dennoch: Die Versorgung ist noch nicht ausreichend. Nach wie vor bedürfen die ambulante Versorgung der Absicherung und Verbesserung und die teilstationäre und statio-näre Versorgung eines regionalisierten Aus-baus. Auch müssen weiterhin die Voraussetzun-gen für präventive Arbeit dringend verbessert werden.

Dieses Buch ist gemeinschaftlich herausge-geben von den Vorständen der Deutschen Ge-sellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, des Berufsverbandes der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Deutschland und der Bun-desarbeitsgemeinschaft der leitenden Klinikärz-te für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psy-chotherapie e. V. Die redaktionelle Verantwor-tung und die Ausarbeitung des Buches lag in den Händen von Herrn Prof. Dr. Andreas

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Vorwort zur 3. Aufl ageVIII

mit psychischen Störungen und ihrer Familien auswirken. Es möge nicht nur innerhalb des Fachgebietes und der beruflich für die Versor-gung verantwortlichen Disziplinen, sondern auch auf gesundheitspolitischer Ebene ein Nachschlagewerk sein, das der Weiterentwick-lung kinder- und jugendpsychiatrischer Ver-sorgungsziele dient.

Für die ausgezeichnete Unterstützung in der Herstellung danken wir den Sekretärinnen der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Würzburg, Frau Ruth Prölß und Frau Tanja Rauh.

Warnke und Herrn Prof. Dr. Gerd Lehmkuhl. Unterstützend haben insbesondere mitgewirkt Herr Prof. Dr. Bernhard Blanz, Frau Prof. Dr. Beate Herpertz-Dahlmann, Herr Dr. Joachim Jungmann, Frau Prof. Dr. Ulrike Lehmkuhl, Herr Prof. Dr. Fritz Mattejat, Herr Prof. Dr. Fritz Poustka, Herr Prof. Dr. Dr. Helmut Rem-schmidt, Herr Prof. Dr. Franz Resch, Frau Dr. Christa Schaff und Herr Prof. Dr. Dr. Martin H. Schmidt.

Das Buch möge wie seine beiden ersten Auflagen eine rasche Verbreitung finden und sich zum Wohle der Kinder und Jugendlichen

HeidelbergProf. Dr. Franz ReschDeutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und PsychotherapieVorsitzender in der Amtsperiode 2002/2003

Weil der StadtFrau Dr. Christa SchaffVorsitzende des Berufsverbandes der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Deutschland

WeinsbergHerr Dr. Joachim JungmannVorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

Redaktion:Prof. Dr. Andreas WarnkeProf. Dr. Gerd Lehmkuhl

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IX

Inhalt

1 Definition des Fachgebietes . . . . . . . . . . . . 1

2 Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . 1

3 Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie . . . . . . . . . 2

4 Klinische Wurzeln und Forschungstraditionen . . . . . . . 2

5 Begriffsgeschichte . . . . . . . . . . . 3

6 Publikationsorgane . . . . . . . . . . 5

7 Die Entwicklung zum eigenständigen Fachgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

8 Internationale Mitglied-schaften und Verbände . . . . . . 10

9 Gesundheitspolitische Impulse und aktuelle Entwicklungen im Fachgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

10 Patienten und ihre psychischen Störungen . . . . . . 14

10.1 Internationale Klassifikation von Krankheiten (ICD-10) . . . . . . . . . 14

10.2 Wichtige Störungsbilder . . . . . . . . . . 15

11 Erklärungsansätze für die Erkrankungen . . . . . . . . 22

11.1 Entwicklungspsychiatrische Erklärungsmodelle. . . . . . . . . . . . . . . 22

11.2 Genetische und nicht genetische organische Faktoren und Umwelteinflüsse. . . . . . . . . . . . . 22

12 Klassifikation, Leitlinie, Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . 28

12.1 Multiaxiales Klassifikations-schema (MAS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

12.2 Operationalisierte Psycho-dynamische Diagnostik . . . . . . . . . . . 28

12.3 Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) . . . . . . . . . . . . . 28

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InhaltX

17 Struktur und Organisation der Versorgung . . . . . . . . . . . . . . 50

17.1 Versorgungsformen . . . . . . . . . . . . . . 50

17.2 Statistik der voll- und teil-stationären Versorgung. . . . . . . . . . . 64

17.3 Vor- und Nachsorge . . . . . . . . . . . . . . 68

17.4 Personelle Strukturen . . . . . . . . . . . . 68

17.5 Finanzierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

18 Die Beziehung des Fachgebietes zu Nachbargebieten . . . . . . . . . 70

18.1 Erwachsenenpsychiatrie . . . . . . . . . . 70

18.2 Pädiatrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

18.3 Andere Fachrichtungen in freier Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

18.4 Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

18.5 Frühförderstellen . . . . . . . . . . . . . . . 74

18.6 Jugendhilfe und Erziehungsberatungsstellen . . . . . . . 75

18.7 Schulische Einrichtungen, (Sonder-)Pädagogik . . . . . . . . . . . . . . 76

18.8 Jugendämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

18.9 Gesundheitsämter . . . . . . . . . . . . . . . 77

18.10 Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

12.4 Klassifikation Zero to Three . . . . . . . 29

12.5 Leitlinien zu Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

12.6 Basisdokumentation (BADO) . . . . . . 30

13 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

13.1 Zweck und Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . 37

13.2 Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

13.3 Bedeutung und Entwicklungs-tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

14 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

14.1 Mehrdimensionales integriertes Behandlungsprogramm als Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

14.2 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

14.3 Medikamentöse Therapie und andere somatische Behandlungsansätze . . . . . . . . . . . . . 46

14.4 Weitere therapeutische und pädagogische Verfahren und Psychoedukation . . . . . . . . . . . . 47

14.5 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

15 Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

16 Begutachtung . . . . . . . . . . . . . . . 49

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Inhalt XI

19 Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung . . . . . . . . . . . . . 78

19.1 Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

19.2 Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

19.3 Akademie für Weiter- und Fortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

19.4 Fortbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

20 Forschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

20.1 Bedeutung und Zunahme . . . . . . . . . 83

20.2 Inhalte und Methoden nach entwicklungspsychiatrischer Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

20.3 Entwicklungstendenzen . . . . . . . . . . 88

20.4 Ehrungen und Forschungspreise . . . 89

21 Internationale Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

21.1 Organisation als Fachgebiet und wissenschaftlicher Austausch . . . . . . 91

21.2 Weiterbildung in Europa . . . . . . . . . . 92

21.3 Internationale Zeitschriften-organe der Fachgesellschaften. . . . . 92

22 Zukunftsperspektiven und Empfehlungen . . . . . . . . . . 92

22.1 Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

22.2 Fort- und Weiterbildung sowie Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . 95

22.3 Forschung und Lehre . . . . . . . . . . . . . 96

22.4 Stiftung „Achtung! Kinderseele“ . . . . . . . . . . 97

23 Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

24 Texte zu spezifischen kinder- und jugend-psychiatrischen Frage-stellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

24.1 Zur Situation und Geschichte des Fachgebietes . . . . . . . . . . . . . . . 102

24.1.1 30 Jahre Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie . . . . . . . . . . . . 102

24.1.2 50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugend-psychiatrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

24.1.3 30 Jahre Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. . . . . . . . . . . . . 105

24.1.4 Kinder- und Jugendpsychiatrie im Nationalsozialismus . . . . . . . . . 108

24.1.5 Auf dem Weg zu einer „Euro-päischen Kinder- und Jugend-psychiatrie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

24.2 Zur Qualitätssicherung und zu den Leitlinien kinder- und jugendpsychiatrischer Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

24.2.1 Perspektiven kinder- und jugendpsychiatrischer Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

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InhaltXII

24.3.3 „Therapeutisches Drugmonitoring“, eine Strategie zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie . . . . . . . . . . . . 151

24.3.4 „Leitlinien zur Kooperation zwischen dem Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psycho-therapie und der Pharma-zeutischen Industrie“ . . . . . . . . . . . 152

24.3.5 Psychotherapie-Weiterbildung in der Kinder- und Jugend-psychiatrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

24.4 Stellungnahme zur Gewalt . . . . . . . 157

24.4.1 Ursachen und Prävention von Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

24.4.2 Jugendliche Gewalttäter und Amoklauf . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

24.5 Forensik und Begutachtung . . . . . . 162

24.5.1 Glaubwürdigkeitsbegutachtung. . . 162

24.6 Forschung und Habilitation. . . . . . . 167

24.6.1 Memorandum zur Verbesserung der Forschungsleistung und zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Fachgebiet Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie. . . . . . . . . . . . . . . . 167

24.6.2 Forschungsleistung der deutschen Kinder- und Jugend-psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie 2003–2008 . . . 177

24.6.3 Lehre und Weiterbildung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie . . . 182

24.6.4 Wissenschaftliche Redlichkeit psychiatrisch-psycho-therapeutischer Forschung in der Kinder- und Jugend-psychiatrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

24.2.2 Das Psychotherapeutengesetz . . . . 115

24.2.3 Psychotherapeutengesetz: Herausforderungen für die Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. . . . . . . . . . . . . 117

24.2.4 10 Jahre „Psycho-therapeutengesetz“ . . . . . . . . . . . . . 120

24.2.5 Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 125

24.2.6 Versorgung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen mit und ohne zusätzliche psychische Störungen in Deutschland . . . . . . . 132

24.2.7 Präventive Kinder- und Jugendpsychiatrie . . . . . . . . . . . . . . 135

24.2.8 Sind Patienten Kunden? oder Wohin treibt unser Gesundheitswesen? . . . . . . . . . . . . . 137

24.2.9 Qualitätssicherung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie . . . . . . . . . . . . 138

24.2.10 Benötigen wir Leitlinien in der testpsychologischen Diagnostik in der Kinder- und Jugend-psychiatrie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

24.2.11 Die ICF und ihre Relevanz für die Kinder- und Jugend-psychiatrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

24.3 Psychotherapie und Pharmakotherapie psychischer Störungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

24.3.1 Psychotherapie für Kinder und Jugendliche. . . . . . . . . . . . . . . . 145

24.3.2 Die Massenmedien und unsere Kinder . . . . . . . . . . . . . 149

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Inhalt XIII

24.6.5 Memorandum zur Antragstellung und zum Gutachterverfahren der DFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

24.6.6 Kinder- und jugendpsychiatrische Forschung, Förderung des wissen-schaftlichen Nachwuchses und Veröffentlichungspraxis . . . . . . . . . 188

24.6.7 Die Bedeutung der Lehre im Spannungsfeld zwischen „Evidence-based Medicine“ und „Experience-based Medicine“ . . . . . . . . . . . . . . . 192

24.7 Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie . . . . . . . . . . 202

24.7.1 Hilfen zur Teilhabe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche müssen erhalten bleiben. . . . . . . . . 202

24.7.2 Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII . . . . . . . . . . . . 204

24.8 Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

24.8.1 Ethik in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. . . . . . . . . . . . . 215

24.8.2 Gemeinsame Ethik-Kommissionder Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, der Bundesarbeitsgemeinschaft der leitenden Ärzte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . 217

24.8.3 Redlichkeit in der Wissenschaft . . . 218

24.8.4 Regeln/Empfehlungen für das Abgeben von Stellungnahmen durch Kinder- und Jugend-psychiater in der Öffentlichkeit, speziell in den Medien . . . . . . . . . . 220

24.8.5 10 Jahre Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes. . . . . . . 221

24.8.6 Ethische Richtlinien zur Veröffentlichung von Kasuistiken . . . . . . . . . . . . . . . . 222

24.8.7 Forschung auf dem Gebiet der seelischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen . . . . . . . 224

24.8.8 Resolution zur Sicherung der seelischen Gesundheit von Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

24.8.9 Autismus und andere tief greifende Entwicklungs-störungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

25 Kliniken und Tages-kliniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

26 Geschäftsstellen der Verbände . . . . . . . . . . . . . . . 246

27 Fachgesellschaften und Berufsverbände . . . . . . . . 247

28 Kompetenznetze, Elternverbände und Selbsthilfegruppen . . . . 248

29 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

30 Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 254

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1

1 Definition des Fachgebietes

Seit dem Jahr 1968 hat die Kinder- und Ju-gendpsychiatrie und -psychotherapie den Sta-tus eines eigenen ärztlichen Fachgebietes er-langt. In den Richtlinien der Bundesärztekam-mer (1992) wurde ihr Aufgabengebiet wie folgt definiert:

„Die Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psycho-therapie umfasst die Erkennung, nicht operative Behandlung, Prävention und Rehabilitation bei psychischen, psychosomatischen, entwicklungs-bedingten und neurologischen Erkrankungen

oder Störungen sowie bei psychischen und so-zialen Verhaltensauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter.“

Die Definition, die sich auf die Altersgruppe vom Säuglingsalter bis zum 18. Lebensjahr be-zieht, ist Inhalt der Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer. Über eine eigene Weiter-bildung zum Kinder- und Jugendpsychiater verfügen nahezu alle europäischen und ent-wickelten außereuropäischen Länder.

2 Aufgabenstellung

Allgemeine Aufgabe der Kinder- und Jugend-psychiatrie und -psychotherapie ist die vor-beugende Gesundheitspflege, die Erkennung und Diagnostik psychischer, psychosomati-scher, entwicklungsbedingter und neurologi-scher Erkrankungen und Störungen bei Säug-lingen, Kleinkindern, Kindern, Jugendlichen und Familienangehörigen, die Beratung und Begutachtung und insbesondere die Behand-lung, soziale Integration und Rehabilitation.

Diagnostische und therapeutische Ansätze gehen vom Verständnis einer multifaktoriellen Entstehung psychischer Störungen aus und dementsprechend von einer multifaktoriellen Behandlung, die im Zusammenwirken mit dem Individuum, seiner Familienangehörigen und seinem zeitgeschichtlichen Lebensumfeld geleistet wird.

Ambulante (auch mobile), teilstationäre und stationäre Einrichtungen sind die organi-satorischen Strukturen der Kinder- und Ju-gendpsychiatrie und -psychotherapie. Zu den Aufgaben der Einrichtungen gehören die Krankenversorgung, die Vertretung des Fach-gebietes in Lehre und Forschung, gesundheits-politische Verpflichtungen, gutachterliche Funk-tionen, Öffentlichkeitsarbeit und die Interessen-vertretung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher und ihrer Angehörigen. Als ärzt-liches Fachgebiet sind die Aufgaben der Kin-der- und Jugendpsychiatrie und -psychothera-pie Teil des Gesundheitssystems und eng verflochten mit Psychiatrie, Kinderheilkunde, Neurologie, Sonderpädagogik, der klinischen Psychologie und dem Versorgungssystem der Jugend- und Sozialhilfe.

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dungszertifikate sind eingeführt, um die Facharztqualifikation berufsbegleitend auf dem Stand des aktuellen Wissens zu gewähr-leisten.

Inhalt und Ziel der Weiterbildung sind „Vermittlung, Erwerb und Nachweis eingehen-der Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in den theoretischen Grundlagen, der Dia-gnostik und Differenzialdiagnostik psychi-scher Erkrankungen des Säuglings-, Kindes-, Jugend- und Heranwachsendenalters, ein-schließlich neurologischer Untersuchungen sowie in der Differenzialdiagnostik psychiatri-scher Krankheitsbilder und Störungen, in der Pharmakotherapie, der Psychotherapie und der Soziotherapie von Kindern und Jugendli-chen, auch unter Einbeziehung der erwachse-nen Bezugspersonen“ (vollständige Weiterbil-dungsordnung s. Kap. 19, S. 80 ff.).

Die Zahl der Ärzte für Kinder- und Ju-gendpsychiatrie und -psychotherapie nimmt zu. Der Versorgungsbedarf ist jedoch noch längst nicht gedeckt (zur Zahlenentwicklung s. Kap. 17.2, S. 64 ff.).

3 Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie

Der Titel „Facharzt für Kinder- und Jugend-psychiatrie und -psychotherapie“ wurde 1992 mit der neuen Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer eingeführt. Die Bezeich-nung löste den 1968 eingeführten Titel „Fach-arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie“ ab.

Die Weiterbildungszeit beträgt gemäß Be-rufs- und Weiterbildungsordnung fünf Jahre. Davon muss ein Jahr auf dem Gebiet der Kin-derheilkunde oder auf dem Gebiet der Psychi-atrie und Psychotherapie abgeleistet werden. Angerechnet werden kann ein halbes Jahr Weiterbildung in der Neurologie. Von den vier Jahren der Weiterbildung im Gebiet der Kin-der- und Jugendpsychiatrie und -psychothera-pie müssen mindestens zwei Jahre im Stations-dienst erfolgt sein. Zwei Jahre der Weiterbil-dung können in niedergelassener Praxis oder auch in einer Tagesklinik abgeleistet werden.

Nachdem die Weiterbildungszeit und -in-halte erfüllt sind (dazu ist ein Weiterbildungs-buch zur Dokumentation verfügbar) erfolgt die Facharztanerkennung nach bestandener mündlicher Prüfung an der Landesärztekam-mer, in der die Weiterbildung erfolgte. Fortbil-

4 Klinische Wurzeln und Forschungstraditionen

Die geschichtliche Entwicklung der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Deutschland ist eng verknüpft mit internationa-len Entwicklungen. Das Fachgebiet hat sich aus

verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen herausgebildet. Es ist historisch verwurzelt in der Erwachsenenpsychiatrie, Neurologie, Kin-derheilkunde, Sonderpädagogik und klinischen

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5 Begriffsgeschichte 3

Psychologie. Wichtige Impulse erhielt sie auch aus verschiedenen Zweigen der Sozialwissen-schaften, der Rechtswissenschaft sowie aus der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe und Sozial-hilfe. Analog der Spezialisierung in nahezu al-len medizinischen Fachgebieten hat sich die Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psycho-therapie in einer mehr als 100-jährigen Ent-wicklungsgeschichte zu einem nun eigenständi-gen medizinischen Fachgebiet entwickelt.

Klinische Versorgung, Lehre und Forschung des Fachgebietes sind historisch wesentlich geprägt worden von :1. neuropsychiatrischer Tradition (Österreich,

Italien, Deutschland, Osteuropa)

2. heilpädagogischer Tradition (Deutschland: Heinrich Koch; Österreich: Hans Asperger; Schweiz: Paul Moor)

3. psychodynamisch-psychoanalytischer Tra-dition (Anna Freud, Melanie Klein, Alfred Adler, August Aichhorn, René A. Spitz, An-nemarie Dührssen)

4. lerntheoretisch-verhaltenstherapeutischer Tradition (Burrhus F. Skinner, Albert Ban-dura, Joseph Wolpe, Hans J. Eysenck, Fre-derick H. Kanfer, Arnold A. Lazarus, Edwin R. Guthrie)

5. empirisch-epidemiologisch-statistischer Tradition (stark unter angelsächsischem Einfluss)

5 Begriffsgeschichte

Als „Geburtsstunde“ der Kinder- und Jugend-psychiatrie und -psychotherapie gilt die He-rausgabe der ersten Abhandlung zum Fachge-biet von Hermann Emminghaus (1887) mit dem Titel „Die psychischen Störungen des Kindesalters“, erschienen im „Handbuch für Kinderkrankheiten“ (Tab.  5-1). Der Begriff „Kinderpsychiatrie“ wurde 1899 von dem französischen Psychiater Marcel Manheimer-Gommès eingeführt. Als nächstes klassisches kinderpsychiatrisches Lehrbuch im deutschen Sprachraum lässt sich die „Psychopathologie des Kindesalters“ (1926) des damaligen Leiters der kinderpsychiatrischen Poliklinik in Hei-delberg, August Homburger (1873–1930), werten.

Bereits Hermann Emminghaus sprach von „psychischen Störungen“, dem heutigen Ter-minus der Klassifikationen ICD und DSM. Die Verwendung der Bezeichnung „Heilpädago-

gik“ durch Heller und Asperger lässt die Ver-wurzelung der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Pädagogik erkennen. Das Lehrbuch „Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugend-alters“ (Göllnitz 1981) weist die Verbindung zur Neuropädiatrie aus. In den Lehrbüchern nach 1952 gewannen die Begriffe „Entwick-lung“, „Psychotherapie“ und „mehrdimensio-nale Grundlagenwissenschaft“ an Bedeutung, z. B.

� Reinhard Lempp: Eine Pathologie der psy-chischen Entwicklung, 1967;

� Helmut Remschmidt, Martin H. Schmidt, 1985, 1988, Bernhard Blanz, Helmut Rem-schmidt, Martin H. Schmidt, Andreas Warnke, 2008, mit einer „alterskorrelier-ten“ Gliederung der Störungsbilder;

� Franz Resch: Entwicklungspsychopatholo-gie des Kindes- und Jugendalters, 1999, Beate Herpertz-Dahlmann, Franz Resch,

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4 5 Begriffsgeschichte

Michael Schulte-Markwort, Andreas Warn-ke, 2003, 2008, Jörg Fegert et al., 2010;

� Ulrich Knölker, Fritz Mattejat, Michael Schulte-Markwort: Kinder- und Jugend-psychiatrie und Psychotherapie systema-tisch, 2000;

� die Buchreihe von Gerhardt Nissen (Hrsg.) zu „Würzburger Therapeutische Gesprä-che“, in denen die Altersspezifität der Psy-chopathologie, interdisziplinäre Sichtweise,

Mehrdimensionalität und die Vereinbarkeit von Psychotherapie und Pharmakotherapie in Einzelbänden Ausdruck fand.

Historisch bemerkenswert ist auch, dass es Christian Eggers, Joist Martinius und Gerhardt Nissen waren, die in Europa das erste Lehr-buch zur Psychopharmakotherapie psychi-scher Störungen im Kindes- und Jugendalter (1984) verfassten.

Tab. 5-1 Begriffsgeschichte der Kinder- und Jugendpsychiatrie anhand von Lehrbüchern (Remschmidt; Warnke)

1867 Henry Maudsley „Insanity of early life“

1887 Hermann Emminghaus „Psychische Störungen im Kindesalter“

1888 Paul Moreau de Tours „La folie chez les enfant“

1898 William W. Ireland „The mental affections of children“

1899 Marcel Manheimer-Gommès „Les troubles mentaux de l‘enfance“„Prècis de psychiatrie infantile“

1904 Theodor Heller „Grundriss der Heilpädagogik“

1910 Wilhelm Strohmayer „Psychopathologie des Kindesalters“

1911 Ludwig Scholz „Anomale Kinder“

1915 Theodor Ziehen „Die Geisteskrankheiten des Kindesalters“

1925 Sante De Sanctis „Neuropsichiatria infantile“

1926 August Homburger „Vorlesungen über die Psychopathologie des Kindesalters“

1935 Leo Kanner „Child psychiatry“

1939 Franz G. von Stockert „Einführung in die Psychopathologie des Kindesalters“

1942 Moritz Tramer „Lehrbuch der allgemeinen Kinder- und Jugendpsychiatrie“

1952 Hans Asperger „Heilpädagogik“

Neuere Trends: Entwicklungspsychiatrie, Entwicklungspsychopathologie, Kinder- und Jugendpsychiatrie

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deutscher Herausgeberschaft (z. B. European Journal Child and Adolescent Psychiatry; Adi-positas; Attention-deficit Hyperactivity Disor-der [ADHD]; Child and Adolescent Psychiatry and Mental Health) und verantwortlichen Edi-torenschaft für das Fachgebiet biologische Kinder- und Jugendpsychiatrie im Journal Neural Transmission (s. S. 254 f.).

Heute verfügt das Fachgebiet im deutschen Sprachraum über eine Reihe qualifizierter Lehrbücher (s. S. 251 f.).

Das Anforderungsprofil des Fachgebietes ist in den „Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kin-des- und Jugendalter “, das von den Fachgesell-schaften für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie herausge-geben wurde, zusammengefasst (3. Aufl. 2007). Diese Leitlinien sind über die Homepage der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Ju-gendpsychiatrie, Psychosomatik und Psycho-therapie (DGKJP) abrufbar (www.dgkjp.de).

Die traditionellen wissenschaftlichen Zeit-schriften des Fachgebietes (s.  S. 254  f.) im deutschen Sprachraum sind die „Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psy-chotherapie “, die gleichzeitig das offizielle Or-gan der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie ist, und die Zeitschrift „Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiat-rie “. Das „Forum der Kinder- und Jugendpsy-chiatrie und Psychotherapie “ ist das offizielle Mitteilungsorgan des „Berufsverbandes der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psy-chosomatik und Psychotherapie in Deutsch-land“ und der Sektion „Kinder- und Jugend-psychiatrie und Psychotherapie“ der U. E. M. S. („Union Européen des Médicines Spécialistes“ – Europäische Vereinigung der Fachärzte).

Die deutsche Kinder- und Jugendpsychiat-rie setzt wichtige Impulse in der internationa-len wissenschaftlichen Entwicklung (s.  Kap. 20, S. 83 ff.). Dies zeigt sich auch in der Grün-dung englischsprachiger Zeitschriften unter

6 Publikationsorgane

7 Die Entwicklung zum eigenständigen Fachgebiet

Vor dem Zweiten Weltkrieg

Die organisatorischen Strukturen des Fachge-bietes haben sich historisch entwickelt. Im Jahr 1939 wurde in Leipzig die „kinderpsychiatri-

sche Arbeitsgemeinschaft“ initiiert und auf dem Kongress in Wien am 5. September 1940 die „Deutsche Gesellschaft für Kinderpsychia-trie und Heilpädagogik“ gegründet.

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6 7 Die Entwicklung zum eigenständigen Fachgebiet

1. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Ju-gendpsychiatrie, Psychosomatik und Psycho-therapie e. V. (die wissenschaftliche Gesell-schaft: www.dgkjp.de)

2. Berufsverband der Ärzte für Kinder- und Ju-gendpsychiatrie, Psychosomatik und Psycho-therapie in Deutschland e. V. (www.bkjpp.de)

3. Bundesarbeitsgemeinschaft leitender Klinik-ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psy-chosomatik und Psychotherapie (BAG) (www.bkjpp.de)

Die drei Organisationen sind eng verflochten. Sie haben paritätisch besetzte Arbeitsgruppen zu Qualitätssicherung, Fort- und Weiterbil-dung, Begutachtung, Leitlinien, Sucht, Psycho-therapie, Entwicklungspharmakologie, Ethik und Forschung. Die Vorsitzenden der drei Fachverbände sind jeweils assoziierte Mitglie-der der beiden anderen Vorstände.

Die „Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V.“ ist die wissenschaftliche Gesellschaft und vertritt vorrangig die Anlie-gen des Fachgebietes in den Bereichen (univer-sitärer) Versorgung, Lehre und Forschung.

In den alten Bundesländern fand im Jahr 1949 das erste Nachkriegssymposion der Kin-derpsychiater in Marburg statt. Im Jahr 1950 folgte die Neugründung der Gesellschaft als „Deutsche Vereinigung für Jugendpsychiatrie“. Im Jahr 1973 wurde der Name der Gesellschaft geändert in „Deutsche Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychiatrie“ und im Jahr 1976 in „Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Ju-gendpsychiatrie“. Ab dem 15.09.1994 lautete der Name der wissenschaftlichen Fachgesell-schaft „Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie“, seit 2008 „Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psycho-therapie. Der erste Lehrstuhl wurde (zunächst Extraordinariat) im Jahr 1954 in Marburg mit der Berufung von Hermann Stutte begründet.

Die Zeit des Nationalsozialismus

Durch die Herrschaft des Nationalsozialismus wurden die berufspolitischen Aktivitäten sehr behindert und z. T. in ihren Zielen verfälscht und belastet. Während des Naziregimes war auch die Kinder- und Jugendpsychiatrie in das Euthanasieprogramm involviert und einbezo-gen in die Ermordung von Tausenden von Kindern mit geistiger Behinderung und psy-chischer Erkrankung.

Wichtige Gesetze des Nationalsozialismus in Deutschland mit Auswirkungen auf Men-schen mit psychischer Erkrankung oder Be-hinderung waren:

� 1933 das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, das die Zwangssterilisierung von Personen mit folgenden Diagnosen zur Folge hatte: angeborener Schwachsinn, Schi-zophrenie, zirkuläres Irresein, erbliche Fall-sucht, erblicher Veitstanz (Huntigton-Cho-rea), erbliche Blindheit, erbliche Taubheit

� 1935 Gesetz zum Schutze der Erbgesund-heit des Deutschen Volkes

� 1939 der Führerbefehl zum „Gnadentod“ � die Kinderaktion (18.08.1939) in den „Kin-

derfachabteilungen“, der etwa 5 000 Kinder zum Opfer fielen

� die T4-Aktion: etwa 80 000 Opfer (bis Au-gust 1941)

Auch musste das Verbandsorgan, die „Zeit-schrift für Kinderforschung“, die seit dem Jahr 1895 veröffentlicht wurde, nach Erscheinen ihres 50. Bandes eingestellt werden (s. Tab. 7-1).

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist heute in folgende drei Fachgesellschaften organi-siert:

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7 Die Entwicklung zum eigenständigen Fachgebiet 7

Tab. 7-1 Geschichte zur Kinder- und Jugendpsychiatrie und mit Relevanz für die Kinder- und Jugendpsychi-atrie. Zeittafel (Remschmidt; Rothenberger, Dahl; Warnke)

1867 Henry Maudsley: Insanity of early life

1887 Der Psychiater Hermann Emminghaus (1845–1904) verfasst die erste Monografie über Psychische Störungen im Kindesalter.

1888 Paul Moreau de Tours: La folie chez les enfants

1890 Johannes Trüper (1855–1921), Begründer der Heilpädagogik, richtet in Jena ein Heim für entwicklungsgestörte Kinder ein. Ab 1898 gibt Trüper die Zeitschrift Die Kinderfehler heraus.William W. Ireland: The mental affections of children.

1899 Der französische Psychiater Marcel Manheimer-Gommès führt den Begriff „Kinderpsychi-atrie“ ein (Précis de psychiatrie infantile).

1902–1910 Als wichtige Lehrbücher erscheinen von Theodor Ziehen (1862–1950) Die Geisteskrank-heiten des Kindesalters (1902), von Theodor Heller (1869–1938) Grundriss der Heilpäd-agogik (1903) und von Wilhelm Strohmayer (1874–1936) Vorlesungen über die Psycho-pathologie des Kindesalters für Mediziner und Pädagogen (1910).

ca. 1903 Walter Fürstenheim (1879–1967) gründet in Berlin eine medico-pädagogische Poliklinik – die erste Erziehungsberatungsstelle in Deutschland.

1909 Sigmund Freud (1856–1939) veröffentlicht die Analyse der Phobie eines fünfjährigen Jungen (Der kleine Hans).

1911 An der Wiener Universitätsklinik entsteht durch Erwin Lazar (1877–1932) eine heilpäda-gogische Abteilung zur Behandlung hirnorganisch- und verhaltensgestörter Kinder.

1914–1918 Während des 1. Weltkrieges sterben ca. 70 000 Menschen in psychiatrischen Einrichtun-gen infolge Hunger und Mangelernährung.

01.04.1924 Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz tritt in Kraft, das jedem Kind ein Recht auf Erziehung gewährt.

1926 Otto Löwenstein (1889–1965) gründet in Bonn eine Provinzialkinderanstalt für seelisch Abnorme als erste selbstständige kinder- und jugendpsychiatrische Klinik Deutschlands.

1926 August Homburger (1873–1930), damals Leiter der Kinderpsychiatrischen Poliklinik in Heidelberg: Monografie Vorlesungen über die Psychopathologie des Kindesalters

1933–1938 Zahlreiche jüdischstämmige Ärzte, darunter auch namhafte Kinder- und Jugendpsychiater, müssen Deutschland verlassen.

01.01.1934 Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses tritt in Kraft. In der Folge werden mindestens 375 000 Menschen zwangsweise sterilisiert.

1937 Gründung der „International Association of Child and Adolescent Psychiatry and Allied Professions“ (IACAPAP)

05.09.1940 Gründung der Deutschen Gesellschaft für Kinderpsychiatrie und Heilpädagogik in Wien

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7 Die Entwicklung zum eigenständigen Fachgebiet8

1939–1945 Bei den zahlreichen Vernichtungsaktionen gegen psychisch Kranke und Behinderte kom-men schätzungsweise 165 000 bis 300 000 Menschen ums Leben. Im Rahmen der vom „Reichsausschuss“ organisierten Kinder-„Euthanasie“ werden ca. 5 000 Minderjährige in „Kinderfachabteilungen“ getötet. Das Verbandsorgan „Zeitschrift für Kinderforschung“ musste ihr Erscheinen mit dem 50. Band einstellen.

1946–1949 In psychiatrischen Anstalten sterben mindestens 20 000 Menschen an den Folgen von Unterernährung. In vielen Fällen wurde Patienten Nahrung vorenthalten.

Oktober 1950

Gründung der Gesellschaft für Jugendpsychiatrie, Heilpädagogik und Jugendpsychologie in Marburg

1954 Erster westdeutscher Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marburg (Herrmann Stutte). Gründung der „European Society für Child and Adolescent Psychiatry“ (ESCAP).

1956 Gründung des Jahrbuches für Jugendpsychiatrie und ihre Grenzgebiete, heute Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

1958 Erster Lehrstuhl für Kinderneuropsychiatrie der DDR in Rostock (Gerhard Göllnitz)

30.11.1962 Begründung der Sektion für Kinderneuropsychiatrie unter dem Dach der Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie der DDR

1969 Einführung des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Bundesrepublik

1975 Die Psychiatrie-Enquête-Kommission legt ihre Ergebnisse vor.

1977 Einführung des „Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter“ nach ICD

1978 Gründung des „Berufsverbandes der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie“, heute „Berufsverband der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psycho-therapie in Deutschland e. V.“

1980–1985 Modellprogramm Psychiatrie der Bundesregierung

03.10.1990 Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes zur besseren Versorgung psychisch kranker und behinderter Kinder und Jugendlicher

1990 Gründung der „Bundesarbeitsgemeinschaft der leitenden Ärzte kinder- und jugend-psychiatrischer Kliniken und Abteilungen“ (BAG); heute: „Bundesarbeitsgemeinschaft der leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychothera-pie“ (BAG)

1991–1995 Stufenweise Einführung der Psychiatrie-Personalverordnung

1992 Resolution von Venedig zur Sicherung der seelischen Gesundheit von Kindern der „Interna-tional Association of Child and Adolescent Psychiatry and Allied Professions (IACAPAP)“

1993 Gründung der „Sektion für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie der Europä-ischen Vereinigung der Fachärzte“ im Rahmen der „Union Européen des Médicines Spé-cialistes“ (U.E.M.S.)

1994 Umbenennung der wissenschaftlichen Fachgesellschaft in Deutsche Gesellschaft für Kin-der- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

Tab. 7-1 Fortsetzung

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7 Die Entwicklung zum eigenständigen Fachgebiet 9

1995 Einführung der Basisdokumentation (BADO)

1996 Resolution von Madrid (WPA): Ethische Leitlinien für die Psychiatrie

1997 PsychotherapeutengesetzDeklaration von Venedig (IACAPAP): Ethische Leitsätze zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen

1998 Erklärung von Venedig: Autismus und andere tief greifende Entwicklungsstörungen

1999 Hamburger Erklärung der „Europäischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie“ (ESCAP) zur Forschung auf dem Gebiet der seelischen Gesundheit von Kindern und Ju-gendlichen

2000 Veröffentlichung der „Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter“

2001 Gründung der „Akademie der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psycho-therapie“

2008 Umbenennung der wissenschaftlichen Fachgesellschaft in „Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie“

2010 Gründung der Stiftung „Achtung Kinderseele“

In den neuen Bundesländern umfasste bis zur Wiedervereinigung die Kinder- und Ju-gendpsychiatrie auch die Neurologie, was sich in der Bezeichnung des Faches „Kinderneuro-psychiatrie“ ausdrückte. Der erste Lehrstuhl für Kinderneuropsychiatrie wurde im Jahr 1958 mit der Berufung von Gerhard Göllnitz in Rostock begründet. Am 30.11.1962 ent-stand unter dem Dach der Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie der DDR die „Sek-tion für Kinderneuropsychiatrie “. Im Jahr 1969 wurde die Ausbildung in Kinderneuropsychia-trie eingeführt. Im Jahr 1974 wurde die Sub-spezialisierung für Kinderneuropsychiatrie gesetzlich festgelegt, die von Fachärzten für Pädiatrie und Neurologie/Psychiatrie erwor-ben werden konnte. Als wissenschaftliches Organ diente die Zeitschrift „Psychiatrie, Neu-rologie und medizinische Psychologie“.

Nach der Wiedervereinigung wurde in den neuen Bundesländern im Jahr 1990 die „Ge-sellschaft für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters“ gegründet, bevor sie in die

„Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Ju-gendpsychiatrie und Psychotherapie“ einge-gliedert wurde.

Der „Berufsverband für Kinder- und Ju-gendpsychiatrie, Psychosomatik und Psy-chotherapie in Deutschland e. V.“ (BKJPP) wurde im Jahr 1978 unter der damaligen Be-zeichnung „Berufsverband der Ärzte für Kin-der- und Jugendpsychiatrie“ gegründet. Er vertritt schwerpunktmäßig die berufsständi-schen Anliegen der niedergelassenen Fachärz-te für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (www.bkjpp.de). Seine sat-zungsgemäßen Ziele sind:

� die Grundlagen der Berufsausübung der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie zu erforschen und ihre praktische Durchführung zu fördern

� die Grundlagen für die bestmögliche kin-der- und jugendpsychiatrische und psycho-therapeutische Versorgung der Bevölke-rung zu erarbeiten

Tab. 7-1 Fortsetzung

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10 8 Internationale Mitgliedschaften und Verbände

� die Weiterbildung der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie mitzugestalten und deren Fortbildung zu fördern

� die Zusammenarbeit der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu fördern

� die internationale Kooperation auf dem Ge-biet der praktischen Ausübung der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu pflegen und zu fördern

� die Belange der Kinder- und Jugendpsychi-atrie und -psychotherapie bei den Ärzte-kammern, den Kassenärztlichen Vereini-gungen, sonstigen ärztlichen und nicht ärzt-lichen Organisationen und Institutionen im In- und Ausland, der Öffentlichkeit, den Be-hörden, der Presse, dem Rundfunk und Fernsehen wahrzunehmen

Die „Bundesarbeitsgemeinschaft leitender Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiat-

rie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V.“ (BAG) wurde unter der damaligen Bezeich-nung „Bundesarbeitsgemeinschaft der leiten-den Ärzte kinder- und jugendpsychiatrischer Kliniken und Abteilungen“ (BAG) 1990 ge-gründet. Die BAG hat ihr Aufgabenfeld in der Interessenvertretung für eine qualifizierte Krankenhausversorgung im Fachgebiet (www.bkjpp.de). Die BAG fördert die Zusammenar-beit der leitenden Ärzte und Ärztinnen auf dem Gebiet der klinischen und ambulanten Diagnostik und Behandlung von Kindern, Ju-gendlichen und Heranwachsenden in kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken und Ab-teilungen. Sie unterstützt präventive und nach-sorgende Maßnahmen. Sie nimmt Aufgaben der Beratung, Planung, Forschung und Öffent-lichkeitsarbeit im Hinblick auf die stationäre, teilstationäre und ambulante Behandlung psy-chisch kranker Kinder, Jugendlicher und Her-anwachsender wahr.

8 Internationale Mitgliedschaften und Verbände

Die wichtigsten internationalen Mitgliedschaf-ten sind:

� Die „European Society of Child and Ado-lescent Psychiatry “ (ESCAP) wurde im Jahr 1954 gegründet. Sie dient der Koordi-nation und Verständigung europäischer wissenschaftlicher Initiativen und veran-staltet in zweijährigen Abständen Kongres-se. Deutsche Präsidentschaft: 1995 bis 1999 Helmut Remschmidt. Seit 2009 ist Beate Herpertz-Dahlmann Mitglied des Vorstan-des.

� Die „International Association of Child and Adolescent Psychiatry and Allied Pro-

fessions “ (IACAPAP) wurde im Jahr 1937 gegründet. Die Gesellschaft richtet alle zwei Jahre den Weltkongress aus und initiiert und koordiniert internationale wissen-schaftliche Initiativen und Austauschpro-gramme. Ein Mitglied der Deutschen Ge-sellschaft für Kinder- und Jugendpsychiat-rie, Psychosomatik und Psychotherapie war in den letzten Jahren immer auch im Vor-stand der Internationalen Gesellschaft. Deutsche Präsidentschaft: 1998 bis 2004 Helmut Remschmidt, seit 2010 Ehrenpräsi-dent; Vizepräsidenten: Martin H. Schmidt bis 2006, seit 2010 Andreas Warnke.

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119 Gesundheitspolitische Impulse und aktuelle Entwicklungen im Fachgebiet

� „Sektion für Kinder- und Jugendpsychiat-rie des Weltverbandes der Psychiatrie “ („World Child and Adolescent Psychiatry Section“ innerhalb der „World Psychiatric Association“ [WPA]). Diese Vereinigung ver-anstaltet im Rahmen des Weltkongresses der WPA in vierjährigem Abstand internationa-le wissenschaftliche Symposien. Deutscher Vorsitz: 1989 bis 1999 Helmut Remschmidt.

� Die „Sektion für Kinder- und Jugendpsy-chiatrie und Psychotherapie der Europä-ischen Vereinigung der Fachärzte im Rah-men der „Union Européen des Médicines Spécialistes “ (U. E. M. S.) (www.uems.cap.eu) besteht seit 1994. Die Sektion („Section on Child and Adolescent Psychiatry/Psy-chotherapy [CAPP]) hat ein europäisches Facharzt-Curriculum ausgearbeitet (Trai-ning Logbook). Ihr sind aus jedem Mit-gliedsland jeweils ein Vertreter der wissen-schaftlichen Fachgesellschaft und ein Ver-treter des Berufsverbandes zugehörig. Reinhard Schydlo war der erste Vorsitzende des Gründungsvorstandes der Sektion in-

nerhalb der U. E. M. S. Aribert Rothenber-ger war Präsident der „Working Group for Harmonization of Training in Child and Adolescent Psychiatry/Psychotherapie“ und Vizepräsident des „European Board of Child and Adolescent Psychiatry/Psycho-therapy“ (EBCAPP). Deutsche Delegierte sind Christa Schaff und Renate Schepker.

Weitere internationale Gesellschaften sind u. a.:

� International Society for Adolescent Psychi-atry (ISAP)

� World Association for Infant Mental Health (WAIMH)

� Eastern Mediterranian Association for Child and Adolescent Psychiatry and Allied Professions (EMACAPAP)

� Federacin Latinoamericana de Psiquiatria de la Infancia Adolescencia y Familia y Pro-fesiones Afines (FLAPIA)

� Asian Society for Child and Adolescent Psy-chiatry and Allied Professions (ASCAPAP)

9 Gesundheitspolitische Impulse und aktuelle Entwicklungen im Fachgebiet

Die Entwicklung des Fachgebietes in den letz-ten 35 Jahren ist durch folgende Ereignisse wesentlich bestimmt worden (vgl. auch Tab. 7-1, S. 7 ff.):

� die Psychiatrie-Enquête der Bundesrepub-lik Deutschland (Bericht 1975)

� das Modellprogramm Psychiatrie der Bun-desregierung (1980–1985)

� die Psychiatrie-Personalverordnung (stu-fenweise Einführung zwischen 1991 und 1995)

� die Sozialpsychiatrie-Vereinbarung (einge-führt seit 1994)

� die Implementierung der Psychotherapie-weiterbildung in das Curriculum der Fach-arztausbildung seit 1992 mit Einführung der Bezeichnung „Facharzt für Kinder- und

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12 9 Gesundheitspolitische Impulse und aktuelle Entwicklungen im Fachgebiet

� die Gründung der „Stiftung Achtung! Kin-derseele “ 2010 (s.  Kap. 22.4, S. 97 f.)

� die Gründung englischsprachiger wissen-schaftlicher Zeitschriften unter deutscher Herausgeberschaft (s. S. 254)

Die Psychiatrie-Enquête ermöglichte eine breit gefächerte Erforschung der Versorgungssitua-tion im Bereich der Kinder- und Jugendpsychi-atrie in den alten Bundesländern. Das Modell-programm Psychiatrie führte zu Versor-gungsevaluationen und zum Aufbau neuer Versorgungsdienste (z. B. mobiler Dienst, Ta-geskliniken) in 14 Regionen der Bundesrepub-lik, von denen nur eine (Marburger) der Kin-der- und Jugendpsychiatrie gewidmet war. Die gewonnenen epidemiologischen Daten sind bis zur Gegenwart eine Grundlage zur Begründung des weiteren Versorgungsbedarfs in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Mit der Psychiatrie-Personalverordnung kam es zu einer entscheidenden Verbesserung der personellen Ausstattung der psychiatrischen Krankenhäuser und somit der klinischen Ver-sorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen. Im gleichen Sinne wirkte sich die Sozialpsychiatrie-Vereinba-rung aus. Mit ihr ist es niedergelassenen Fach-ärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie möglich, Vertreter nicht ärzt-licher Disziplinen (Psychologen, Sozialpädago-gen, Heilpädagogen, Ergotherapeuten usw.) in die ärztliche Praxis zu integrieren, sodass eine interdisziplinäre und auch mobile ambulante Versorgung, die über Krankenkassen finanziert wird, möglich geworden ist. Die Einbeziehung der Psychotherapie in die Facharztweiterbil-dung hat zu einer Qualifizierung der psycho-therapeutischen Kompetenzen der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psy-chotherapie geführt.

Mit dem „Multiaxiales Klassifikationssche-ma für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 der WHO (MAS)“ (Remschmidt, Schmidt, Poustka, 5. Aufl. 2006)

Jugendpsychiatrie und -psychotherapie“ (s. S. 2)

� die Einführung des „Multiaxiales Klassifi-kationsschema für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter “ auf der Grundla-ge von ICD-9 durch Helmut Remschmidt und Martin H. Schmidt (Erstauflage: 1977; Anpassung an ICD-10: 1994; 5. Aufl.: 2006) (s. S. 28)

� die Einführung der Basisdokumentation BADO (seit 1995) (s. S. 30 ff.)

� die Veröffentlichung von Leitlinien zur Dia-gnostik und Therapie von psychischen Stö-rungen im Säuglings-, Kindes- und Jugend-alter , herausgegeben von der Deutschen Ge-sellschaft für Kinder- und Jugendpsychia-trie, Psychosomatik und Psychotherapie, der Bundesarbeitsgemeinschaft leitender Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychia-trie, Psychosomatik und Psychotherapie und dem Berufsverband der Ärzte für Kin-der- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie im Jahr 2000 unter Fe-derführung von Martin Schmidt und Fritz Poustka (3. Aufl. 2007)

� das Psychotherapeutengesetz , das am 01.01.1999 in Kraft trat; seitdem Mitwir-kung von Mitgliedern der kinder- und ju-gendpsychiatrischen Fachgesellschaften im „Beirat Psychotherapie“ der Bundesärzte-kammer (s. S. 115 ff.)

� die Gründung der „Akademie der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psy-chotherapie “ 2001, Sprecher: Gerd Lehm-kuhl (Sicherung qualifizierter Fort- und Weiterbildung) (s. Kap. 19.3, S. 82 f.)

� die weitere Gründung und aktive Unterstüt-zung von Elternorganisationen und Selbst-hilfegruppen für Kinder und Jugendliche mit psychischen Störungen (s. Kap. 28, S. 248 ff.)

� die Gründung „zentrales adhs-netz “ 2005 (s. Kap. 18.3, S. 73; Kap. 24.2.5, S. 125)

� die zertifizierte Weiterbildung in Forensik 2009 (s. Kap. 18.10, S. 78; Kap. 19.3, S. 82 ff.)

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9 Gesundheitspolitische Impulse und aktuelle Entwicklungen im Fachgebiet 13

Die psychotherapeutische Weiterbildung zur Facharztqualifikation findet in psychothe-rapeutischen Weiterbildungsstätten, die u. a. von Kinder- und Jugendpsychiatern begründet wurden, statt. Im Wesentlichen jedoch ist auch die psychotherapeutische fachärztliche Ausbil-dung in die klinische Weiterbildung integriert.

Die Leitlinien für die Diagnose und Be-handlung psychischer Störungen von Kindern und Jugendlichen dienen der Optimierung kinder- und jugendpsychiatrischer Therapie nach Kriterien der „evidence-based medicine“, sie sind also ausgerichtet nach international anerkannten wissenschaftlichen Standards. Sie sind auch eine Hilfe für die Vermittlung empi-rischen Wissens zur Qualitätssicherung.

Für die Enttabuisierung und wirksame Inte-ressenvertretung von Kindern und Jugendli-chen mit psychischen Störungen und ihren Familienangehörigen ist die Bildung und Un-terstützung von Selbsthilfeorganisationen mit ausschlaggebend (s.  Kap. 28, S. 248  ff.). Vertreter des Fachgebietes sind in Selbsthilfe-organisationen und Verbänden, die sich für die Interessenvertretung von Menschen mit psy-chischen Erkrankungen einsetzen, aktiv. Dies geschieht durch Mitgliedschaft, Vorstandstä-tigkeit, Vorsitz von bzw. Mitgliedschaft in Wissenschaftlichen Beiräten, Mitwirkung in der Organisation und Durchführung von Ta-gungen sowie Referententätigkeit.

wurde eine international gültige Definition und Klassifikation psychischer Störungen bei Kin-dern und Jugendlichen in das Fachgebiet einge-führt. Die Multiaxiale Klassifikation wurde zur Grundlage epidemiologischer Studien und kli-nischer Forschung mit internationalen Ver-gleichsmöglichkeiten.

Die multiaxiale Diagnostik (s. Kap.  12.1, S. 28) ist heute zu einer einheitlichen qualita-tiven Richtlinie zur Definition und Klassifika-tion psychischer Störungen und zur Grundla-ge der Qualitätssicherung im Gutachterwesen (z. B. zur Begutachtung hinsichtlich der Kri-terien seelischer Behinderung nach § 35a SGB VIII) geworden.

Die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter (OPD-KJ) wurde vom Arbeitskreis OPD-KJ (Sprecher: Franz Resch) 2003 erstmals publi-ziert, 2007 ist die 2. Auflage erschienen. Die OPD wurde bereits 1996 eingeführt.

Die Basisdokumentation (BADO) bezeich-net eine routinemäßige, standardisierte Erfas-sung patientenbezogener Daten mit dem Zweck der statistischen Auswertung zur Qualitätssi-cherung. Im Jahr 1995 hat eine gemeinsame Arbeitsgruppe der drei Fachgesellschaften für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie eine Basisdokumentation entwickelt, die inzwischen bundesweit im sta-tionären, teilstationären und ambulanten Be-reich eingesetzt wird und zentral oder einrich-tungsintern ausgewertet werden kann (s. Kap. 12.6, S. 30 ff.).