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4 HMD 280 Matias Roskos Community – die Deppen, die für mich arbeiten? Mehrwerte mit einer Community. Wie geht das? Kennen Sie den Begriff Aal? Nein – nicht den Fisch! Aal steht für »Andere arbeiten lassen«. Zurück zum guten alten Manchester-Kapitalis- mus! Mit den Mechanismen des modernen In- ternets. YouTube als großes Vorbild, als Master- plan. Sozusagen die Community als Billigwerk- bank des 21. Jahrhunderts. Davon träumen derzeit viele Unternehmen und Marketingchefs. Wie war das denn noch bei YouTube? Die ha- ben doch da alles umsonst gemacht. Diese ko- mische Community. Gründung von YouTube war im Februar 2005. Verkauft im Oktober 2006 für umgerechnet 1,31 Milliarden Euro (in Aktien). An Google. Nachdem die Community YouTube groß gemacht hatte, indem sie Tonnen von Videos hochgeladen und diese dann verschlagwortet, angeschaut, weitergereicht hatte. Clicks, Views und Kommentare ohne Ende. Crowdsourcing nennt man das. Ein Gebiet, mit dem ich mich übrigens seit 2006 intensiv beschäftige. Siehe hierzu die Crowdsourcing-Definition im Glossar dieser HMD-Ausgabe. »Ausbeutung!«, rufen da immer wieder selbsternannte Anti-Internet-Experten. Die Nutzer bekamen ja nix ab vom 1,31-Milliarden- Kuchen. Oder doch? War es Aal? Wurden die Gründer von YouTube – Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim, übrigens ehemalige PayPal- Mitarbeiter – zu Milliardären, indem sie die Community, diese dämlichen Internetnutzer, ausbeuteten, ohne adäquate Gegenleistung? Schauen wir uns ein anderes extrem erfolg- reiches Web-2.0-Projekt an: Holidaycheck.de. Deren Fokus liegt stark auf dem deutschsprachi- gen Markt. Funktioniert das hierzulande auch so gut? Das mit der Community und dem Aal? Tausende von Hotelbewertungen, Fotos, Kommentaren, Videos finden sich auf der gut gemachten Plattform. Sie wurde 2010 zu einer der meistbesuchten Seiten bei der Reisepla- nung der reisefreudigen Deutschen. Holiday- check.de schreibt schwarze Zahlen aufgrund des beachtlichen monatlichen Traffics von etwa 315,5 Millionen Pageimpressions (IVW-Auswei- sung September 2010) und einer Community von knapp 775.000 Mitgliedern (Wachstum 2010: 235.300 neue Community-Mitglieder). 2010 wurden 469.000 Beiträge in deutscher Sprache geschrieben und 774.200 Fotos hoch- geladen. Insgesamt befinden sich auf Holiday- check.de 2,18 Millionen Fotos sowie 1,79 Millio- nen Bewertungen für 105.900 Hotels und Pensi- onen. Ich selbst nutze Holidaycheck.de übrigens auch immer häufiger. Weil man sich ein gutes Bild von dem Hotel machen kann, in dem man vielleicht nächtigen möchte. Und was bekommen die Leute dafür? Auf den ersten Blick nix. Wie bei YouTube. Und das ist bei Qype, Flickr, Twitter oder Facebook nicht anders. Die Community befüllt die Plattformen mit Con- tent. Sie verschlagwortet, kommentiert. Es wer- den Bilder, Videos hochgeladen, lange Beiträge geschrieben. Die Community gibt Informationen von sich preis. Jeder Einzelne von uns. Und wofür? Die Firmen jedenfalls wirtschaften (zumeist) sehr erfolgreich. Einige planen den Börsengang, bei anderen stehen die Investoren Schlange. Doch ohne Community wären all diese Plattfor- men nix wert. Es wäre leere Software, die im Netz auf Zulauf wartet. Und auch davon gibt es etliche. Software, die keiner nutzt. Plattformen, die vor sich hin dümpeln. Ohne Community. Und die somit kaum noch was wert sind. Wenn ich Unternehmen berate und Konzep- te für den Community-Aufbau ausarbeite, dann versuche ich meinen Kunden zu erklären, was die wichtigsten Aspekte für den Erfolg ei- nes Community-Projekts sind. Der wichtigste

Community — die Deppen, die für mich arbeiten?

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Page 1: Community — die Deppen, die für mich arbeiten?

4 HMD 280

Matias Roskos

Community – die Deppen, die für mich arbeiten? Mehrwerte mit einer Community. Wie geht das?

Kennen Sie den Begriff Aal? Nein – nicht denFisch! Aal steht für »Andere arbeiten lassen«.Zurück zum guten alten Manchester-Kapitalis-mus! Mit den Mechanismen des modernen In-ternets. YouTube als großes Vorbild, als Master-plan. Sozusagen die Community als Billigwerk-bank des 21. Jahrhunderts. Davon träumenderzeit viele Unternehmen und Marketingchefs.

Wie war das denn noch bei YouTube? Die ha-ben doch da alles umsonst gemacht. Diese ko-mische Community. Gründung von YouTube warim Februar 2005. Verkauft im Oktober 2006 fürumgerechnet 1,31 Milliarden Euro (in Aktien). AnGoogle. Nachdem die Community YouTube großgemacht hatte, indem sie Tonnen von Videoshochgeladen und diese dann verschlagwortet,angeschaut, weitergereicht hatte. Clicks, Viewsund Kommentare ohne Ende. Crowdsourcingnennt man das. Ein Gebiet, mit dem ich michübrigens seit 2006 intensiv beschäftige. Siehehierzu die Crowdsourcing-Definition im Glossardieser HMD-Ausgabe.

»Ausbeutung!«, rufen da immer wiederselbsternannte Anti-Internet-Experten. DieNutzer bekamen ja nix ab vom 1,31-Milliarden-Kuchen. Oder doch? War es Aal? Wurden dieGründer von YouTube – Chad Hurley, Steve Chenund Jawed Karim, übrigens ehemalige PayPal-Mitarbeiter – zu Milliardären, indem sie dieCommunity, diese dämlichen Internetnutzer,ausbeuteten, ohne adäquate Gegenleistung?

Schauen wir uns ein anderes extrem erfolg-reiches Web-2.0-Projekt an: Holidaycheck.de.Deren Fokus liegt stark auf dem deutschsprachi-gen Markt. Funktioniert das hierzulande auchso gut? Das mit der Community und dem Aal?

Tausende von Hotelbewertungen, Fotos,Kommentaren, Videos finden sich auf der gutgemachten Plattform. Sie wurde 2010 zu einer

der meistbesuchten Seiten bei der Reisepla-nung der reisefreudigen Deutschen. Holiday-check.de schreibt schwarze Zahlen aufgrunddes beachtlichen monatlichen Traffics von etwa315,5 Millionen Pageimpressions (IVW-Auswei-sung September 2010) und einer Communityvon knapp 775.000 Mitgliedern (Wachstum2010: 235.300 neue Community-Mitglieder).2010 wurden 469.000 Beiträge in deutscherSprache geschrieben und 774.200 Fotos hoch-geladen. Insgesamt befinden sich auf Holiday-check.de 2,18 Millionen Fotos sowie 1,79 Millio-nen Bewertungen für 105.900 Hotels und Pensi-onen. Ich selbst nutze Holidaycheck.de übrigensauch immer häufiger. Weil man sich ein gutesBild von dem Hotel machen kann, in dem manvielleicht nächtigen möchte.

Und was bekommen die Leute dafür? Auf denersten Blick nix. Wie bei YouTube. Und das ist beiQype, Flickr, Twitter oder Facebook nicht anders.Die Community befüllt die Plattformen mit Con-tent. Sie verschlagwortet, kommentiert. Es wer-den Bilder, Videos hochgeladen, lange Beiträgegeschrieben. Die Community gibt Informationenvon sich preis. Jeder Einzelne von uns. Und wofür?

Die Firmen jedenfalls wirtschaften (zumeist)sehr erfolgreich. Einige planen den Börsengang,bei anderen stehen die Investoren Schlange.Doch ohne Community wären all diese Plattfor-men nix wert. Es wäre leere Software, die imNetz auf Zulauf wartet. Und auch davon gibt esetliche. Software, die keiner nutzt. Plattformen,die vor sich hin dümpeln. Ohne Community. Unddie somit kaum noch was wert sind.

Wenn ich Unternehmen berate und Konzep-te für den Community-Aufbau ausarbeite, dannversuche ich meinen Kunden zu erklären, wasdie wichtigsten Aspekte für den Erfolg ei-nes Community-Projekts sind. Der wichtigste

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Aspekt ist die Beantwortung der Frage: »War-um soll ich da mitmachen?« Genau diese Fragestellt sich jedes potenzielle Mitglied einer Com-munity! »Warum? Was bringt mir das? Was habeich davon?« Eigentlich ganz einfach, oder? Unddiese Frage können die wenigsten Unterneh-men, die davon träumen, eine Community fürsich arbeiten zu lassen, wirklich beantworten.

Wobei in der Formulierung »für sich arbeitenlassen« bereits der erste Kardinalfehler liegt. Dennes sollte nicht darum gehen, eine Community fürsich arbeiten zu lassen, sondern vielmehr darum,gemeinsam mit einer Community etwas zuerreichen. Wie die konkrete Zielsetzung einerCommunity-Plattform dann ausschaut, muss inder Strategieplanung vorab ausgearbeitet wer-den. Auch das machen die wenigsten zurzeit.

Kehren wir zurück zu YouTube und Holiday-check.de und den anderen Internetplattformendes Social Web. Um das mal klarzustellen: Ich lie-be YouTube! Ich liebe Facebook. Twitter nicht ganzso doll. Aber auch das nutze ich. Des Berufes we-gen. Nicht, dass wir uns hier missverstehen.

YouTube wurde groß mit seiner starken Com-munity. War das nun Aal? Wie wurde die Frage derCommunity-Mitglieder »Warum soll ich da mit-machen?« beantwortet? Ganz einfach: YouTubestellte kostenlos einen Service zum Hochladenund Hosten von Videos zur Verfügung!

Wo gab es das vorher schon? Dass man sei-ne Videos irgendwo kostenlos im Netz ablegenkonnte? Und dann bauten sie um diesen an sichganz simplen Service auch noch eine Software,die gut funktionierte. Und die es den Community-Mitgliedern erlaubte, ihre Videos mit anderenzu teilen, sie zu kommentieren und sie dannauch noch auf anderen Webseiten einzubinden.Alles kostenlos! YouTube stellte die Server zurVerfügung, die Infrastruktur, die Software.

Aal? Nein! Denn YouTube investierte Geld,viel Geld, in seinen Service und bot der Commu-nity einen echten Mehrwert. Und Gleiches fin-det man bei Facebook, Twitter, Qype oder demvon mir beschriebenen Holidaycheck.de. Holiday-check baute eine erstklassige Software und

stellte den suchenden Menschen eine Plattformzur Verfügung, auf der sie Fotos, Videos und Be-wertungen finden, die ihnen helfen, ihren Ur-laub oder ihre Geschäftsreise zu planen. Ein Ser-vice, den viele Menschen gern in Anspruch neh-men. Kostenlos wohlgemerkt.

Dann ist man als Community-Mitglied auchgern bereit, etwas zurückzugeben. Oft sogar un-bewusst. Ja, man arbeitet für die Plattform. Manhilft mit seiner Bewertung oder dem hochgela-denen Foto, die Plattform ein Stück weit wertvol-ler und interessanter für andere zu machen. Aberdas ist keine Ausbeutung im Sinne des Man-chester-Kapitalismus. Denn man bekommt et-was zurück. Einen gut funktionierenden Service,den man kostenlos nutzen kann. Eine Softwareund Inhalte, die einem helfen. Die Frage »Warumsoll ich da mitmachen?« wurde beantwortet, weiles für das potenzielle Community-Mitglied echteMehrwerte durch die Nutzung gibt.

Und dann wird aus Aal (Andere arbeiten las-sen) »Gemeinsam etwas schaffen«. Zum Vorteilaller. Für den Macher einer Community-Plattformgenauso wie für jedes Community-Mitglied.»Gemeinsam« ist hier für mich das Zauberwort.Die Plattformbetreiber als wichtiger Bestandteilder Community. Zuhören, lernen, gemeinsamvorwärts gehen und Werte schaffen.

Wem dies jedoch als Unternehmen nichtgelingt, der wird keinen Erfolg haben mit sei-nem Community-Projekt. Die entscheidendeFrage – »Warum soll ich da mitmachen?« –muss beantwortet werden. Um dann gemein-sam eine echte Wertschöpfung in Gang setzenzu können. Mehrwerte mit einer Communitystatt Aal.

Matias RoskosCrowdsourcing-ExperteVOdA – die Community und Crowdsourcing AgenturKopernikusstr. 2110245 Berlinroskos@vo-agentur.dewww.vo-agentur.dewww.socialnetworkstrategien.de