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Erst vor wenigen Wochen machte der Prozess gegen die Politikergattin Gu Kailai in China Schlagzeilen. Am Ende wurde sie wegen Mordes zum Tode verurteilt, wenn das Urteil auch in eine lebenslange Haftstrafe umge- wandelt werden dürfte. Das eigentlich Inter- essante an dem Fall: Ursprünglich ging es nicht nur darum, dass Gu einen britischen Geschäftsmann vergiftet hat, sondern auch um Geldwäsche und Korruption – Vorwürfe, die in dem Verfahren letztlich keine Rolle spielten. Und doch sehen viele Chinesen den Fall als gutes Zeichen für demokratischen Fortschritt, ist doch endlich auch einmal die Angehörige eines Funktionärs bestraft worden. Dabei hatte es sich Gus Ehemann Bo Xi- lai, ehemals Chef der Kommunisten in Chongqing, ordentlich mit den Kadern ver- scherzt. Dass seiner Frau nun ein derart kurzer Prozess gemacht wurde, ist vor dem Hintergrund wenig überraschend – und zeigt einmal mehr, wie eng Staat, Wirtschaft und Politik im Reich der Mitte miteinander ver- woben sind. In diesem engen Geflecht – zu- mal in einem Land, dessen Wirtschaft im Westen anfangs vor allem durch Produktpla- giate auf sich aufmerksam gemacht hat – bleibt auf den ersten Blick wenig Platz für Compliance. Monatliche Publikation aus der FINANCE-Redaktion Die Zeitschrift für Compliance-Verantwortliche September | 2012 Compliance www.compliance-plattform.de | www.finance-magazin.de Im Frühling letzten Jahres hat das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) den Prüfstandard IDW PS 980 verabschiedet, mit dem die Wirksamkeit des eigenen Compliance Mana- gement Systems (CMS) getestet werden kann. Schon damals war von Seiten einiger Unter- nehmen zu hören, dass sie gleich die höchste Hürde, die Stufe 3, schaffen wollen. Heute schaut man nüchterner auf das Thema Audi- tierung nach IDW PS 980. Als positiver Effekt gilt, dass der Standard das Bewusstsein für die Notwendigkeit geschärft hat, das CMS auf die Wirksamkeit zu überprüfen. „Es reicht eben nicht aus, dass man auf dem Papier ein wunderbares Compliance-Konzept stehen hat. Das Wichtige ist ja, dass man Compli- ance auch wirklich in die täglichen Ge- schäftsprozesse integriert“, so Dr. Philip Matthey, Chief Compliance Officer von MAN. Auch für die Deutsche Telekom ist die Wirk- samkeitsprüfung ein wichtiger Baustein des CMS. „Die Implementierung des CMS und die Überprüfung der Implementierung sind es- sentiell. Ziel muss es sein, dass Compliance von allen Mitarbeitern gelebt wird, quasi als Bestandteil der „Corporate-DNA“, sagt Ma- nuela Mackert, Leiterin des Konzernbereichs Compliance bei der Deutschen Telekom. Zentral ist hier aber die Frage: Kann eine Wirksamkeitsprüfung nach IDW PS 980 >> FORTSETZUNG AUF SEITE 2 Wirksam nach Vorschrift Die Wirksamkeit des eigenen CMS zu überprüfen ist sinnvoll. Doch es muss nicht unbedingt eine Prüfung nach IDW PS 980 sein. Guanxi: Die Beziehungskultur prägt das Zusammenleben in China seit über 2000 Jahren. Die Macht der Zwiebel China öffnet sich nach und nach dem Westen – für Compliance bleibt es aber ein äußert schwieriges Terrain. Inhalt Im Interview Der Begriff „Wirksamkeitsprüfung“ in der Definition des IDW ist irreführend, sagt Prof. Dr. Stephan Grüninger, Direktor des Konstanz Institut für Corporate Governance. S. 3 Die Bewährungshelferin Stefanie Held ist seit Anfang des Jahres neuer Chief Compliance Officer der Versicherungsgruppe Ergo. Die Juristin ist ge- rade dabei, dem Düssel- dorfer Konzern ein neues Compliance-Gesicht zu geben. S. 5 Kollegen & Karriere Otto Geiß, Christof von Dryander, Dr. Klaus-Peter Weber und Dr. Markus Hunger übernehmen neue Aufgaben S. 5 Im Interview Wenn Pharmaunternehmen Compliance ernst nehmen, dann müssen sie ihre Sponsoringaktivi- täten kritisch durchleuchten, sagt Jörg Bielefeld, Rechtsanwalt bei Beiten Burkhardt. S. 6 Compliance-Steckbrief Die Compliance-Struktur von Hagemeyer Deutschland im Überblick. Und Nicole Steuer, Bereichsleiterin von Recht, Compliance und Datenschutz, über ihre Pläne. S. 7 Zahlen & Fakten S. 8 Essay Amoralische Banker: Wie bekommt man endlich wieder Moral in die Banken? Überraschende Antworten aus der Psychologie. S. 10 Ergo Roundtable Compliance NÄCHSTER VERANSTALTUNGSTERMIN 24. OKTOBER 2012, FRANKFURT AM MAIN Die Plattform für Compliance-Verantwortliche www.compliance-plattform.de/events ANZEIGE >> FORTSETZUNG AUF SEITE 9

Compliance - ruw.de · Erst vor wenigen Wochen machte der Prozess gegen die Politikergattin Gu Kailai in China Schlagzeilen. Am Ende wurde sie wegen Mordes zum Tode verurteilt, wenn

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Page 1: Compliance - ruw.de · Erst vor wenigen Wochen machte der Prozess gegen die Politikergattin Gu Kailai in China Schlagzeilen. Am Ende wurde sie wegen Mordes zum Tode verurteilt, wenn

Erst vor wenigen Wochen machte der Prozessgegen die Politikergattin Gu Kailai in ChinaSchlagzeilen. Am Ende wurde sie wegenMordes zum Tode verurteilt, wenn das Urteilauch in eine lebenslange Haftstrafe umge-wandelt werden dürfte. Das eigentlich Inter -essante an dem Fall: Ursprünglich ging esnicht nur darum, dass Gu einen britischenGeschäftsmann vergiftet hat, sondern auchum Geldwäsche und Korruption – Vorwürfe,die in dem Verfahren letztlich keine Rollespielten. Und doch sehen viele Chinesen den

Fall als gutes Zeichenfür demokratischenFortschritt, ist dochendlich auch einmaldie Angehörige einesFunktionärs bestraftworden. Dabei hatte es sich

Gus Ehemann Bo Xi-lai, ehemals Chef derKommunisten inChongqing, ordentlichmit den Kadern ver-scherzt. Dass seinerFrau nun ein derart

kurzer Prozess gemacht wurde, ist vor demHintergrund wenig überraschend – und zeigteinmal mehr, wie eng Staat, Wirtschaft undPolitik im Reich der Mitte miteinander ver-woben sind. In diesem engen Geflecht – zu-mal in einem Land, dessen Wirtschaft imWesten anfangs vor allem durch Produktpla-giate auf sich aufmerksam gemacht hat –bleibt auf den ersten Blick wenig Platz fürCompliance.

Monatliche Publikation aus der FINANCE-Redaktion

Die Zeitschrift für Compliance-VerantwortlicheSeptember | 2012

Compliancewww.compliance-plattform.de | www.finance-magazin.de

Im Frühling letzten Jahres hat das Institut derWirtschaftsprüfer (IDW) den PrüfstandardIDW PS 980 verabschiedet, mit dem dieWirksamkeit des eigenen Compliance Mana-gement Systems (CMS) getestet werden kann.Schon damals war von Seiten einiger Unter-nehmen zu hören, dass sie gleich die höchsteHürde, die Stufe 3, schaffen wollen. Heuteschaut man nüchterner auf das Thema Audi-tierung nach IDW PS 980. Als positiver Effektgilt, dass der Standard das Bewusstsein fürdie Notwendigkeit geschärft hat, das CMS aufdie Wirksamkeit zu überprüfen. „Es reichteben nicht aus, dass man auf dem Papier einwunderbares Compliance-Konzept stehenhat. Das Wichtige ist ja, dass man Compli -

ance auch wirklich in die täglichen Ge-schäftsprozesse integriert“, so Dr. PhilipMatthey, Chief Compliance Officer von MAN.Auch für die Deutsche Telekom ist die Wirk-samkeitsprüfung ein wichtiger Baustein desCMS. „Die Implementierung des CMS und dieÜberprüfung der Implementierung sind es-sentiell. Ziel muss es sein, dass Compliancevon allen Mitarbeitern gelebt wird, quasi alsBestandteil der „Corporate-DNA“, sagt Ma-nuela Mackert, Leiterin des KonzernbereichsCompliance bei der Deutschen Telekom.

Zentral ist hier aber die Frage: Kann eineWirksamkeitsprüfung nach IDW PS 980

>> FOR T S E T ZUNG AU F S E I T E 2

Wirksam nach VorschriftDie Wirksamkeit des eigenen CMS zu überprüfen ist sinnvoll. Doch es mussnicht unbedingt eine Prüfung nach IDW PS 980 sein.

Guanxi: Die Beziehungskultur prägt das Zusammenleben in China seit über 2000 Jahren.

Die Macht der ZwiebelChina öffnet sich nach und nach dem Westen – für Compliance bleibt es aberein äußert schwieriges Terrain.

InhaltIm InterviewDer Begriff „Wirksamkeitsprüfung“ in der Definition des IDW ist irreführend, sagt Prof. Dr. Stephan Grüninger, Direktor des Konstanz Institut für Corporate Governance. S. 3

Die BewährungshelferinStefanie Held ist seit Anfang des Jahres neuerChief Compliance Officerder VersicherungsgruppeErgo. Die Juristin ist ge -rade dabei, dem Düssel-dorfer Konzern ein neuesCom pliance-Gesicht zu geben. S. 5

Kollegen & KarriereOtto Geiß, Christof von Dryander, Dr. Klaus-Peter Weber und Dr. Markus Hungerübernehmen neue Aufgaben S. 5

Im InterviewWenn Pharmaunternehmen Compliance ernstnehmen, dann müssen sie ihre Sponsoringaktivi-täten kritisch durchleuchten, sagt Jörg Bielefeld,Rechtsanwalt bei Beiten Burkhardt. S. 6

Compliance-SteckbriefDie Compliance-Struktur von HagemeyerDeutschland im Überblick. Und Nicole Steuer,Bereichsleiterin von Recht, Compliance und Datenschutz, über ihre Pläne. S. 7

Zahlen & Fakten S. 8

EssayAmoralische Banker: Wie bekommt man endlichwieder Moral in die Banken? Überraschende Antworten aus der Psychologie. S. 10

Ergo

Roundtable Compliance

NÄCHSTER VERANSTALTUNGSTERMIN

24. OKTOBER 2012,FRANKFURT AM MAIN

Die Plattform für Compliance-Verantwortliche

www.compliance-plattform.de/events

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2 | Wirksamkeit von CMSSeptember | 2012

Compliance

Rat und TatVor kurzem wurde u. a. von der AWA Aus-senwirtschaftsakademie die ComplianceAcademy gegründet. Die Academy wird sichauf Seminare und Schulungen im Bereichder Compliance spezialisieren und voraus-sichtlich ab Oktober die ersten Fachsemina-re ausschreiben. Die Seminare werden mo-dular aufgebaut. Die Akademie kooperiert engmit der Europa-Universität Viadrina in Frankfurtan der Oder. Vorgesehen ist auch der Erwerb von Zertifikaten der Universität.www.ca-seminare.de

Der Berliner Compliance-Spezialist digital spirithat sein Portfolio erweitert und präsentiert diesmit einem neuen Webauftritt. Von der neuenstrategischen Ausrichtung sollen neben dengroßen Unternehmen nun auch mittelständischeUnternehmen, die sich erst seit kurzer Zeit mitCompliance beschäftigen, profitieren. Digital spi-rit möchte diesen einen schnellen Überblick überalle relevanten Compliance-Themen bieten, wiezum Beispiel Compliance-Kommunikation, Re-porting oder Risikomanagement. Es berät bei derAnalyse und Implementierung eines nachhaltigenCompliance Management Systems. www.digital-spirit.de

Am Zentrum für Weiterbildung und Wissens -transfer (ZWW) der Universität Augsburg startetam 12. Oktober 2012 erneut der ZertifikatskursCompliance Officer (Univ.). Während des Kurseswird neben den Grundlagen auch auf die Verbin-dung von Compliance zu Themen wie Riskmana-gement und IT eingegangen sowie in Bezug aufdie Unternehmensentwicklung vertieft. Der Lehr-gang wird insgesamt zehn Kurstage dauern und5.950 Euro kosten.www.zww.uni-augsburg.de/compliance

Die Europäische Kommission hat Ende August eine Liste häufig gestellter Fragen (FAQ) zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sek-tor veröffentlicht. Diese Leitlinien zeigen dieGrundsätze auf, die für die Beurteilung spezifi-scher Fragen im Zusammenhang mit vertikalenBeschränkungen in Vereinbarungen über denVerkauf und die Instandsetzung von Kraftfahr-zeugen und den Vertrieb von Ersatzteilen nachArtikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweiseder Europäischen Union maßgeblich sind.http://ec.europa.eu/competition/sectors/

Im Erich Schmitt Verlag ist das Buch „Compli -ance für KMU: Praxisleitfaden für den Mittel-stand“ von Stefan Behringer (Hrsg.) erschienen. Das Buch präsentiert Lösungsvorschläge, wie kleinere und mittlere Unternehmen ein systematisches und wirksames Compliance Management System aufbauen können.272 Seiten, 29,95 Eurohttp://www.esv.info/978-3-503-13896-8

durch die WPs die Aussage treffen, dass dasCMS eines Unternehmens wirksam ist? „Mankann als Auditor keinem Unternehmen be-scheinigen, dass es sich vollkommen compli-ant oder ethisch verhält. Das ist unmöglich“,sagt Anke Kettler, Geschäftsführerin des Be-ratungshauses Dr. Kleinfeld CEC. „Man kannaber die Aussage treffen, ob alle Vorkehrun-gen getroffen sind, dass ein CMS im Unter-nehmen implementiert wurde und es in derLage ist, präventiv zu wirken.“ Auch aus derWissenschaft sind Stimmen zu hören, zumBeispiel von Prof. Dr. Stephan Grüninger,dem Direktor des Konstanz Instituts für Cor-porate Governance, die diese Frage negativbeantworten (Interview auf S. 3). Die Wirt-schaftsprüfer selbst sehen diese Frage philo-sophisch: „Wer die Wirksamkeitsprüfungdurchführt, ob Wirtschaftsprüfer oder nicht,muss nicht im Mittelpunkt stehen. DieGrundsatzfrage ist doch, wie reguliert manwirksam Abläufe, die sich in der gelebten Un-ternehmenskultur beweisen müssen“, sagt Dr.Hans-Rudolf Röhm, Geschäftsführender Part-ner und Enterprise Risk Leader von Deloitte.

Unabhängig davon, ob sich ein Unter-nehmen für oder gegen eine Auditierungnach IDW PS 980 entscheidet: Für die Com-pliance-Verantwortlichen ist es eine sinnvol-le Übung, die Wirksamkeit der eigenen CMSzu überprüfen. „Man muss sich regelmäßigfragen, ob man überhaupt das Richtige machtoder gerade an der Unternehmenswirklichkeitvorbei arbeitet“, räumt Matthey ein. MAN hatsich bislang gegen eine Prüfung nach IDWPS 980 entschieden und für eine interneWirksamkeitsprüfung. „Wir waren der Mei-nung, dass wir intern mit der Revision einesehr gute Expertise haben“, meint Matthey.„Unternehmensinterne Prüfer kennen die Ge-schäftsprozesse oft besser und wissen, wo siehinschauen sollen.“ Dennoch diente der IDWPS 980 auch bei der MAN-internen Prüfungals Vorbild. Grenzen einer jeden Wirksam-keitsprüfung von CMS sieht Matthey dort, woes keine klar definierten Prozesse gibt. „Beider Integration des CMS von MAN ging esuns darum, das Leben der Mitarbeiter zu er-leichtern. Wenn klare Prozesse da sind, wis-sen die Mitarbeiter viel besser, was sie tunsollen. Und wenn das auch noch gut doku-mentiert werden kann, ist es leicht zu prüfen,ob es umgesetzt wird“, erklärt Matthey. Kon-kret befassen sich bei MAN drei Einheiten mitder Prüfung: Zum einen ist es die Complian-ce-Abteilung selbst, die es im Rahmen der ei-genen Beratungstätigkeit gleich prüft unddokumentiert. Sie führt aber auch gezielteCompliance-Audits durch. Zum anderen be-fassen sich die Revision und die IKS damit,die Wirksamkeit von CMS zu überprüfen. Re-vision und Compliance verfassen am Ende

ihre Prüfungsberichte, in denen immer aucheine Empfehlung ausgesprochen wird, wasverbessert werden könnte. „Wir nutzen dieinterne Wirksamkeitsprüfung dazu, Prozessezu verbessern und aus Fehlern zu lernen“,sagt Matthey.

Die interne Prüfung des CMS erfolgt inder Deutschen Telekom regelmäßig durch dieRevision. 2010 hat das Unternehmen erstmalseine externe Wirksamkeitsprüfung durchge-führt und veröffentlicht. Nun prüfen zumersten Mal die WPs nach IDW PS 980, wie esum die Wirksamkeit des CMS der DeutschenTelekom bestellt ist. „Wir sehen diese Prüfungu.a. als Input dafür zu schauen, gibt es in dengeprüften Bereichen noch signifikantes Ver-besserungspotential“, sagt Mackert. „Ein wei-terer Wert der Wirksamkeitsprüfung ist füruns, dass wir es standardisiert sowie nachgleichem Muster in allen relevanten Einhei-ten und Tochterunternehmen der DeutschenTelekom weltweit durchführen können. Esgeht uns somit einerseits um Vergleichbarkeitund andererseits um den Nachweis der Wirk-samkeit unseres konzernweiten CMS gegen-über Dritten.“

Keine ExkulpierungsillusionFür welche Variante auch immer sich ein Un-ternehmen entscheidet: Es muss vorher ehr-lich definieren, wofür es eine Wirksamkeits-prüfung braucht. Denn eines muss den Vor-ständen und Aufsichtsräten klar sein: EineWirksamkeitsprüfung durch die Wirtschafts-prüfer führt nicht zu ihrer Enthaftung.

Interessant ist es, die Prüfer nach ihrenErfahrungen zu fragen. Denn schließlich ha-ben sie dadurch die beste Übersicht, wie esum Corporate Compliance in Deutschland be-stellt ist. „Worin sich die Unternehmen starkvoneinander unterscheiden, sind der Reife-grad der CMS, die branchen- und rechtsform-abhängig unterschiedlich gelebten Complian-ce-Stile und die Frage, wie das Thema unter-nehmensintern platziert und geführt wird“,erzählt Uwe Probst, Partner bei Deloitte. „Da-gegen zeigen die Maßnahmen, wie die Ele-mente des CMS umgesetzt werden, hohe De-ckungsgrade.“ Es gibt aber auch psychologi-sche Beobachtungen, die einem zu denkengeben: „Was wir merken, wenn wir nach ei-nem Vorfall ein Unternehmen prüfen, ist,dass bei vielen Unternehmen die Unterneh-menskultur durch zu viel Compliance bedrohtsein kann. Denn wird im Unternehmen nichtoffen mit einem Vorfall umgegangen, son-dern gleich straff auf Compliance getrimmt,herrscht oft ein Klima der Angst“, erzähltKettler. „Und oft gehen die Unternehmen vielzu sehr Checklisten-mäßig mit dem Com -pliance-Thema um. Das ist nicht gut.“ ||

[email protected]

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Wirksam nach Vorschrift

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3 | Wirksamkeit von CMSSeptember | 2012

Compliance

>> Herr Prof. Dr. Grüninger, die Unternehmenin Deutschland stehen früher oder später vorder Frage, ob sie ihre CMS nach IDW PS 980durch die Wirtschaftsprüfer prüfen lassen. Vie-le davon wollen gleich die höchste Stufe errei-chen, nämlich eine positiv attestierte Wirk-samkeit ihres CMS. Sie äußern sich durchauskritisch diesbezüglich…>> Ich halte den Begriff „Wirksamkeitsprü-fung“ in der Definition des IDW für irrefüh-rend. Denn grundsätzlich kann es bei einerexternen Prüfung nur darum gehen festzu-stellen, ob ein CMS implementiert ist und die

CMS-Maßnahmen und -Verfahren tatsächlichangewendet, man könnte auch sagen „gelebt“werden.

Der IDW PS 980 ist in dieser Hinsicht in-sofern missverständlich, als erst im Kleinge-druckten ersichtlich wird, dass die sogenann-te „Wirksamkeitsprüfung“ natürlich nicht be-deuten kann, dass überprüft werden könne,ob Beschäftigte tatsächlich die aufgestelltenRegeln im Geschäftsalltag stets befolgen.Zum Beispiel kann ein positives Ergebnis derWirksamkeitsprüfung nicht heißen, dass esnicht doch zu Korruptions- oder Kartellab-sprachen gekommen sein könnte.

Der Begriff „Wirksamkeitsprüfung“ sug-geriert dies in der Definition des IDW aber,weil er vordergründig behauptet, prüfen zukönnen, ob die Beschäftigten die Grundsätze

und Maßnahmen in den laufenden Ge-schäftsprozessen beachten.

Experten, Unternehmen und Wirtschafts-prüfer mögen zwar wissen, dass mit „Wirk-samkeitsprüfung“ etwas anderes gemeint ist.Aber die Öffentlichkeit weiß es nicht.

>> Das heißt, dass bei der Wirksamkeitsprü-fung nach IDW PS 989 etwas versprochenwird, was in Wahrheit gar nicht erfüllt werdenkann?>> Im Grunde ja. Formaljuristisch wird dasVersprechen, dass in einem Unternehmenethisch und rechtlich „alles in Ordnung“ ist,mit dem IDW PS 980 zwar nicht gegeben,aber die Öffentlichkeit kann das so verstehen.Ich spreche mich also im Sinne der Transpa-renz und Good Corporate Governance dafüraus, klar Farbe zu bekennen, und zu sagen,was man prüfen kann und was nicht.

Was glauben Sie, wäre 2005 rausgekom-men, hätte Siemens sich so einer Wirksam-keitsprüfung nach dem IDW PS 980 unterzo-gen? Natürlich wäre die Prüfungsaussage po-sitiv ausgefallen. Unternehmen sollten alsogenau abwägen, welche Form der Prüfungihres CMS tatsächlich geeignet ist. Die inter-ne Revision kommt hierfür ebenfalls in Frage.Sie kennt die Prozesse und die Kultur der Or-ganisation besser. Um Unabhängigkeit si-cherzustellen können unabhängige Experten,Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer hinzu-gezogen werden.

Im Forum Compliance & Integrity, in demsich viele Unternehmen engagieren, habenwir eine Arbeitsgruppe „Monitoring & Review“ gegründet, in der es darum geht, darüber ins Gespräch zu kommen, was be-züglich Compliance-Prüfung eigentlich sinn-voll ist. ||

Das Interview führte Irina Jäkel.

Der Begriff Wirksamkeitsprüfung schafftfalsche ErwartungenDer Begriff „Wirksamkeitsprüfung“ in der Definition des IDW ist irreführend,sagt Prof. Dr. Stephan Grüninger, Direktor des Konstanz Institut für CorporateGovernance.

Veranstaltungskalender

Datum Titel Ort Kosten

20./21. September 2012 Praxisdialog Compliance Berlin 499 Euro

27./28. September 2012 Compliance Masters 2012 Berlin 2.200 Euro

8./9. Oktober 2012 Compliance Summit 2012 Frankfurt am Main 790 Euro

24. Oktober 2012 Roundtable Compliance Frankfurt am Main kostenfrei

26. Oktober 2. Deutscher Compliancetag Düsseldorf 545 Euro

20. November 2012 1. Viadrina Compliance Congress Frankfurt an der Oder 89 Euro

Prof. Dr. Stephan Grüninger ist Direktor des Konstanz Institut für CorporateGovernance und Direktor des ForumCompliance & Integrity(http://www.dnwe.de/fci.html).

HTW

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Schuld und SühneDas Bundeskartellamt hat gegendie TTS Tooltechnic SystemsDeutschland eine Geldbuße in Höhe von 8,2Millionen Euro wegen der Durchsetzung einesvertikalen Preisbindungssystems verhängt. Auslö-ser des Verfahrens waren Beschwerden der Fach-händler, von denen TTS die strikte Einhaltung derUVP für ihre Produkte – Elektrowerkzeuge–, ge-fordert hatte. Bei Abweichungen von diesemPreis wurden ihnen Nachteile, wie beispielsweisedie Verschlechterung ihrer Konditionen oder dieKündigung ihres Vertrags, angedroht.Bundeskartellamt

Das Stuttgarter Automobilzulieferer Behr hat be-stätigt, dass die Europäische Kommission ein Er-mittlungsverfahren wegen des Verdachts wett-bewerbsbeschränkender Verhaltensweisen beithermischen Systemen für Automobile eingelei-tet hat, von dem auch Behr betroffen ist. Im Maifand eine Nachprüfung der Kommission bei Behrin Stuttgart statt. Ein ähnlicher Vorgang läuft inden USA mit den dortigen Justizbehörden.Behr

Die Europäische Kommission hat am 9. August2012 eine Untersuchung zu Kartellen von Zu-lieferern elektrischer Kabelbäume für Kraft-fahrzeuge im Europäischen Wirtschaftsraum(EWR) eingeleitet. Dieses Verfahren ist Teil wei-tergehender Untersuchungen zu möglichen Kar-tellen in der Automobilindustrie. Die Einleitungeines Verfahrens bedeutet, dass die Kommissiondiese Angelegenheit vorrangig behandelt.Europäische Kommission

Manager des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADSsollen jahrelang Hinweise auf Korruption imZusammenhang mit einem Großauftrag ausSaudi-Arabien ignoriert haben. Dies berichtetedie britische Zeitung „Financial Times“. Bereits2007 habe ein Mitarbeiter die Führungsspitze derEADS-Tochter GPT Special Project Managementauf verdächtige Zahlungen auf ein Bankkontoauf den Cayman Islands aufmerksam gemacht.Dieser Mitarbeiter wurde daraufhin auf einen an-deren Posten versetzt, nachdem er gedroht habe,seinen Verdacht den Behörden mitzuteilen.FAZ

Das Bundeskartellamt hat Geldbußen gegen denSüßwarenhersteller Haribo sowie deren verant-wortlichen Vertriebsmitarbeiter in Höhe von 2,4Millionen Euro wegen des unzulässigen Austau-sches über wettbewerbsrelevante Informationenverhängt. Gegen zwei weitere Markenherstellervon Süßwaren werden die Ermittlungen nochfortgeführt. Eingeleitet wurde das Verfahren auf-grund eines Kronzeugenantrags der Mars, gegendie in Anwendung der Bonusregelung des Bun-deskartellamtes keine Geldbuße verhängt wurde.Bundeskartellamt

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Kongress-Partner

Referenten

Dr. Klaus MoosmayerChief Counsel Compliance, Siemens AG

Klaus-Peter MüllerVorsitzender der Regierungskommission Corporate Governance

Dr. Michael BauerPartner, CMS Hasche Sigle

Bernhard BehmHead Legal, Compliance & Insurance, TÜV SÜD AG

Dr. Christian BühringDirector Legal, NUKEM Technologies GmbH

Dr. Werner GrebeChief Compliance Officer, Deutsche Bahn AG

Dr. Alexander JünglingChief Compliance Officer, Bilfinger Berger SE

Frank LiebichHead of Corporate Compliance, Henkel AG & Co. KGaA

Andreas MundtPräsident des Bundeskartellamts

Manfred Nötzel Leitender Oberstaats-anwalt, Staatsanwalt-schaft München I

Dr. Georg Seyfarth Partner, Hengeler Mueller

Dr. Olaf ChristiansenSenior Vice President Corporate Legal Department, Bertelsmann SE & Co. KGaA

Angelika PohlenzGeneralsekretär,ICC Deutschland e. V.

Dr. Harald W. Potinecke Partner, CMS Hasche Sigle

Dr. Carsten van de SandePartner, Hengeler Mueller

Ute VogelsangAntikorruptions-beauftragte des Bundesinnenministeriums

Lars RietherCorporate Audit & Security, Deutsche Post AG

Dr. Rainer RunteVorstand Recht,Fresenius Medical Care AG

Dr. Theo WaigelBundesfinanzminister a.D. und Compliance -Monitor, Siemens AG

Der Jahreskongress des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen zum Top-Thema Compliance Exklusiv für Unternehmensjuristen und Compliance-Offi cer

Nutzen Sie die Gelegenheit

und melden Sie sich für den

Compliance Summit 2012

am 8. und 9. Oktober im Steigenberger

Airport Hotel Frankfurt an.

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4 | Compliance | September 2012 ANZEIGE

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Kollegen

5 | Kollegen & KarriereSeptember | 2012

Compliance

So kurios es klingt, aber ein Compliance-Vor-fall kann der Arbeit der Compliance Officerenorm helfen. „Ich muss bei Ergo niemandemmehr erklären, was ein Reputationsschadenist und warum Compliance so wichtig ist“,sagt Stefanie Held, seit Anfang 2012 ChiefCompliance Officer des Versicherungskon-

zerns Ergo. Was bei Ergo passiert war, ist be-kannt. Hat sich doch halb Deutschland überdie Sexeskapaden während einer Incentive-Reise der Ergo-Vertreter nach Budapest amü-siert. Nun, seitdem hat sich einiges getan.Und eine der wichtigsten Maßnahmen inRichtung Pfad der Tugend war die Berufungvon Stefanie Held. Was für die Vierzigjährigesprach, war ihre Erfahrung im Bereich Com-pliance, weil sie zu diesem Zeitpunkt seit sie-ben Jahren die Compliance-Abteilung vonHSBC Trinkaus geleitet hatte.

Stefanie Held ist Juristin. Schon währendihres Referendariats jobbte sie bei HSBC undfing auch nach dem zweiten Staatsexamen1999 dort in der Rechtsabteilung an. Alsdann 2005 die Position des Leiters der Com-pliance-Abteilung frei wurde, übernahm siediese Aufgabe. „Bei meiner Arbeit habe ichdamals viel vom englischen Mutterunterneh-men der HSBC gelernt“, erinnert sich Held.„Denn in Sachen Compliance waren die Eng-länder viel weiter als die Deutschen und ha-ben auch viel früher angefangen, Themenwie Reputationsrisiken oder Schutz der Kun-deninteressen als Compliance-Themen zu se-

hen.“ Was sie dort auch gelernt hat, ist, wieman die Compliance-Struktur konzernweitaufsetzt. Dieses Wissen nützt ihr jetzt bei ih-rer neuen Aufgabe im Ergo-Konzern. „Ergohatte schon mehrere Schritte unternommen.Zum Beispiel wurde als erstes die Compli -ance-Organisation beim Vorstandsvorsitzen-den angesiedelt. Es wurden verschiedeneRichtlinien aufgesetzt, unter anderem, wiedie Incentives ausgestaltet werden dürfen“,berichtet Held. Dennoch war sie zusammenmit ihren fünf Mitarbeitern die ersten Mona-te vor allem damit beschäftigt, den Statusquo zu analysieren. „Erst jetzt sind wir in derLage, sauber zu definieren, welche Bereichewir als compliancerelevant sehen und wo wirhinmüssen“, stellt Held klar.

Mit den Leuten redenTrotzdem hat sie sich der Achillesferse desUnternehmens, des Vertriebs, schon ange-nommen. Eine besondere Herausforderungsind für sie vor allem die selbständigen Versi-cherungsvertreter, die Ergo-Produkte vertrei-ben. Da sie außerhalb des Konzerns stehen,kann man ihnen nicht vorschreiben, wie siezu arbeiten haben. „Wir haben in Zusammen-arbeit mit dem Vertrieb ein Verhaltenskodexentwickelt, dem die Außendienstmitarbeiterfreiwillig beigetreten sind“, erzählt Held.„Das haben wir bewusst so gemacht. Dennwenn man ihren Tagesablauf kennenlerntund gemeinsam darüber nachdenkt, warumman etwas regeln möchte, dann sind die Ver-triebsmitarbeiter viel mehr bereit, sich späteran die Regelungen im Verhaltenskodex zuhalten.“ Diesen Dauerdialog will Held auchweiterhin pflegen. „Ich möchte, dass die Er-go-Vermittler verstehen, was wir in Com -pliance machen. Ich will ihnen nichts rein-diktieren, was an ihrer Arbeitsrealität vorbeigeht. Dann ist auch die Bereitschaft größer,das zu verinnerlichen und zu leben“, ist Heldüberzeugt. ||

Irina Jäkel

Die BewährungshelferinStefanie Held, neuer Chief Compliance Officer von Ergo, ist gerade dabei, demKonzern ein neues Compliance-Gesicht zu geben.

Stefanie Held war von 1999 bis Ende2011 bei HSBC Trink -aus als Juristin tätig.Seit 2005 leitete sie dieCompliance-Abteilungder Bank. Seit dem 1. Januar 2012 ist sieChief Compliance Offi-

cer der Versicherungsgruppe Ergo.

Ergo

Otto Geißwurde zum1.10.2012 zum Leiter Zen-tralbereich Compliance,Werte- und Risikomanage-ment der Fraport AG er-nannt. Er verantwortet so-mit die AufgabenbereicheCompliance und Wertema-

nagement, Risikomanagement, Internes Kontroll-system, Integrierte Managementsysteme undRichtlinienwesen von Fraport. Seit 1.7.1999 leitetder 54-jährige Diplom-Betriebswirt den Zentral-bereich Revision des Konzerns und war gleichzei-tig verantwortlich für das WerteManagementsys-tem sowie die Aktivitäten zur Antikorruption. Zu-vor war Geiß in leitenden Positionen innerhalbder Revision bei den Unternehmen Peek & Clop-penburg, FRIATEC sowie MVV tätig.

Christof von Dryanderwechselt als Chefjurist zurDeutschen Bank. Er folgtauf diese Position Dr. ArneWittig, der seinerseits imSommer als General Coun-sel zu ThyssenKruppwechselte. Der 58-Jährigevon Dryander kommt von

der Sozietät Cleary Gottlieb Steen & Hamilton,wo er als Bank- und Kapitalmarktrechtler diedeutsche Niederlassung der Kanzlei mit aufbaute.Von Dryander war seit den achtziger Jahren beiCleary beschäftigt, 1990 wurde er Partner.

Dr. Klaus-Peter Weber istseit September der neueDirector Legal & Compli-ance bei Goodyear DunlopTires in Hanau. Der 45-Jährige kommt von derDeutschen Post DHL, woer zuletzt Head of GroupCorporate & Finance war.

Seine Laufbahn begann Weber bei der SozietätShearman & Stearling. Im Herbst 2004 wechsel-te er zur Deutschen Post, wo er zuletzt als Headof Group Corporate & Finance tätig war.

Dr. Markus Hunger istneuer Leiter Recht undChief Compliance Officerdes Maschinen- und Anla-genbauers KraussMaffei.In diese Position folgt erDr. Jan Eckert, der Anfangdieses Jahres zum Auto-mobilzulieferer ZF Fried-

richshafen wechselte. Der 49-Jährige war zuletztseit 13 Jahren beim Technologiekonzern Heraeustätig und war dort vor allem für gesellschafts-rechtliche Themen verantwortlich.

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6 | Im InterviewSeptember | 2012

Compliance

>> Herr Bielefeld, kürzlich hat der BGH ent-schieden, dass Kassenärzte, die von einemPharmaunternehmen Vorteile als Gegenleis-tung für die Verordnung bestimmter Arznei-mittel annehmen, sich nicht wegen Bestech-lichkeit strafbar machen. Stellt dieses Verhal-ten nicht eine Wettbewerbsverzerrung dar?<< Obwohl der Große Senat klarstellt, dassdieses Verhalten nicht strafbar ist, macht erdeutlich, dass er es unmoralisch findet: Erspricht weiterhin von korruptiven Verhal-tensweisen. Zugleich sei es Aufgabe des Ge-setzgebers, das Strafrecht diesbezüglich zuändern. Das wird der Gesetzgeber in Zukunftwohl auch tun. Pharmaunternehmen solltenden Beschluss also nicht zum Anlass nehmen,weiterzumachen wie bisher. Vielmehr solltensie ihn als Schonfrist verstehen, innerhalbderer sie ihre Vertriebsstrukturen unterAspekten auch wettbewerbsrechtlicher Com-pliance überprüfen und anpassen sollten. An-sonsten droht ein massiver Verlust an Glaub-würdigkeit.

>> Was läuft dann falsch bei den Pharmaun-ternehmen?

<< Offenbar betrachten Pharmaunternehmenverschiedene Maßnahmen, etwa nicht regu-lierte Studien zu finanzieren und so genann-te Verordnungsforschung zu betreiben, aberauch Datensammlungen zu sponsern, alsMittel des Marketings. Wenn hier Complianceernst genommen wird, dann müssten sämtli-che Marketingaktivitäten von Pharmaunter-nehmen kritisch durchleuchtet werden: Vie-len Außendienstmitarbeitern mag gar nichtbewusst sein, dass sie zwar nicht gegen dasStrafrecht verstoßen, aber möglicherweisegegen Wettbewerbsrecht oder das Heilmittel-werbegesetz, ganz abgesehen von Pflichten,die sich Pharmaunternehmen in dazu ge-gründeten Verbänden selbst auferlegt haben.

>> Dann würde jeder in der Marketingabtei-lung schreien, er dürfe gar nichts mehr ….<< Zu Unrecht! Marketingaktivitäten warenschon immer und sind auch weiter möglich,wenn sie zuvor sauber geprüft, definiert undkommuniziert wurden. Das gelingt dann,wenn nicht so getan wird, als verfolge einUnternehmen ein bestimmtes Ziel, der wahreZweck aber ein ganz anderer ist. Hängt etwa

die Sponsoringentscheidung von Pharmaun-ternehmen zur Einrichtung eines Gesund-heitsregisters damit zusammen, dass einzelneÄrzte deren Produkte in Studien verwenden,wenn auch die bloße Wirkstoffbezeichnungausgereicht hätte? Das gehört entkoppelt.Dann gäbe es keine Schwierigkeiten, wennein Pharmaunternehmen sich per Sponsoringengagiert und für seinen guten Namen undseine wissenschaftliche Reputation wirbt. Da-zu müssten Pharmaunternehmen aber sicher-stellen, dass ihr Engagement ernst gemeint istund nicht bloß ein Kick-back-System mit denVerordnern verschleiern soll. ||

Das Interview führte Irina Jäkel.

„Den BGH-Beschluss als Schonfrist verstehen.“Wenn Pharmaunternehmen Compliance ernst nehmen, dann müssen sie ihre Sponsoringaktivitäten kritisch durch -leuchten, sagt Jörg Bielefeld, Rechtsanwalt von Beiten Burkhardt.

Jörg Bielefeldist Partner der KanzleiBeiten Burkhardt.

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Kommentar

7 | Compliance-SteckbriefSeptember | 2012

Compliance

Steht dazu!Der Alp-traum jedesUnterneh-mens: Inter-ne sensible Dokumentegelangen an die Öffent-lichkeit. Das ist jetztErgo mit Revisionsbe-richten über Lustreisen

passiert. Natürlich ist es fragwürdig, wenndie eigenen Mitarbeiter interne Berichte andie Öffentlichkeit leiten. Aber der Fall zeigtauch, dass falsche Kommunikation die La-ge verschlimmert. Und Ergo ist kein Ein-zelfall. Um aus unserer redaktionellen Er-fahrung zu berichten: Auch uns wird beiunseren Artikeln häufig untersagt, Hinter-grundinformationen über Vorfälle in Un-ternehmen, die tatsächlich passierten, zuerwähnen. Wem macht man etwas vor? DieKollegen in der Compliance-Zunft wissenBescheid. Die breitere Öffentlichkeit auch.Oft ist es besser, zu einem Vorfall zu ste-hen. Drohgebärden und kunstvolle Kom-munikationsverrenkungen verschlimmerndie Situation und schaden dem Image desUnternehmens noch mehr. Irina Jäkel

IMPRESSUM

Haben Sie Anregungen, Fragen oder Kritik? Über Ihr Feedback freuen wir uns.

Irina Jäkel (irj), Verantwortliche RedakteurinTelefon: (069) 75 91-28 62E-Mail: [email protected]

Dr. Sarah Nitsche (san), RedakteurinTelefon: (069) 75 91-26 31E-Mail: [email protected]

VerlagHerausgeber: FINANCIAL GATES GmbHGeschäftsführung: Dr. André Hülsbömer, Volker Sach60326 Frankfurt am Main, Mainzer Landstraße 199HRB Nr. 53454, Amtsgericht Frankfurt am MainTelefon: (069) 75 91-24 94Telefax: (069) 75 91-32 24Internet: www.finance-magazin.de

Bezugspreis Jahresabonnement: kostenlos

Erscheinungsweisemonatlich (10 Ausgaben im Jahr)

Objektleitung MarketingDorothee GrooveTelefon: (069) 75 91-32 17E-Mail: [email protected]

Verantwortlich für Anzeigen: Dorothee Groove

Layout: Daniela Seidel, FINANCIAL GATES

Illustrationen: iStock

Mitherausgeber: BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesell-schaft mbH, D&B Deutschland, digital spirit GmbH, InteractiveDialogues NV/SA, SAI Global

Haftungsausschluss: Alle Angaben wurden sorgfältig recher-chiert und zusammengestellt. Für die Richtigkeit und Voll -ständigkeit des Inhalts von Compliance übernehmen Verlag und Redaktion keine Gewähr. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und unverlangt zugestellte Fotografien oder Grafiken wird keine Haftung übernommen.

>> Frau Steuer, Sie haben sich vorgenommen,die Aufmerksamkeit für Compliance-Themenin Ihrem Unternehmen zu schärfen. Wie wollenSie das angehen?<< Die meisten Compliance-Verstöße resul-tieren aus Unachtsamkeit oder Unwissenheitder Mitarbeiter, nicht aus böser Absicht. Des-halb weiten wir unsere internen Schulungenaus. Für die flächendeckende Ansprache un-serer Mitarbeiter setzen wir erstmals auch E-Learning-Tools ein. Daneben wende ich michindividuell an ausgewählte Mitarbeitergrup-pen und informiere diese gezielt über rele-vante Themen. Wir kommunizieren auf ver-schiedenen Wegen. Die Botschaften sollen dierichtigen Adressaten erreichen und damit dieAufmerksamkeit für das Thema Complianceaufrechterhalten, ohne dass es zu einer Über-flutung und damit zu einem Abstumpfungs-effekt kommt.

>> Sie haben Ihren Compliance-Workshop er-wähnt. Wie haben Sie die letzte Veranstaltungfür Ihre Führungskräfte gestaltet?<< Zusammen mit dem Leiter Controlling/Revision habe ich erstmals einen Com - pliance-Workshop zum Thema Antikorrupti-on durchgeführt. Wir haben praktische Bei-spiele diskutiert; Dilemmasituationen, die wirdurch interaktiv vorgeführte Rollenspieledargestellt haben: „Wie würden Sie entschei-den?“ Keine hypothetischen Beispiele, son-dern ganz konkrete Situationen aus unserem

Unternehmensalltag, in denen sich jeder wie-derfinden konnte. Die Schulung hat die Teil-nehmer sehr zur Reflektion des Themas ani-miert. So kamen im Nachgang noch zahlrei-che Fragen. Die wichtigsten davon haben wirmit den entsprechenden Antworten zusam-mengefasst und werden diese als „Follow-up“an die Teilnehmer versenden. Diese Art derVeranstaltung hat sich aus meiner Sicht be-währt, weshalb ich diese fortführen möchte,auch zu anderen Compliance-Themen.

>> Wo gab es am meisten Nachfragen?<< Bei Themen wie Incentive-Veranstaltun-gen für Kunden und Geschäftsessen. Auchmussten wir darüber aufklären, dass eineVersteuerung keinen Einfluss auf die straf-rechtliche Beurteilung des Vorgangs hat.

>> Kamen auch ablehnende Reaktionen?<< Nein, im Gegenteil, wir waren überraschtvon der pragmatischen Einstellung unsererKollegen. Aber viele kennen das Thema Com-pliance eben auch schon als Forderung vonKundenseite, vor allem diejenigen, die Indus-triekunden und öffentliche Auftraggeber be-treuen. Viele Kollegen sehen selbst die Not-wendigkeit, Gewohntes unter Compliance-Gesichtspunkten kritisch zu hinterfragen,zum einen als Selbstschutz vor Gesetzesver-stößen, zum anderen, um keine Kunden zuverlieren. ||

Das Interview führte Irina Jäkel.

„Unachtsamkeit ist meistens der Grund“Nicole Steuer, Bereichsleiterin Recht, Compliance und Datenschutz bei Hagemeyer Deutschland erzählt über ihre Pläne.

Unternehmensname: Hagemeyer Deutschland GmbH & Co. KG (Rexel Gruppe)

Mitarbeiterzahl: 1.800

Name Chief Compliance Officer: Rechtsanwältin Nicole Steuer, LL.M.

Start Compliance: Juni 2010

Mitarbeiterzahl Compliance: 3 (jeweils zusätzlich zu anderen Aufgaben)

Compliance-Organisation: Integriert in die Rechtsabteilung

Compliance-Aufgabenspektrum: Prävention durch Schulungen

Compliance-Instrumente: „Tone from the top“, Code of Conduct, Compliance-Richtlinien und Arbeitsanweisungen, Schulungen (Präsenzschulungen, Broschüren, E-Learning, regelmäßige „Reminder“), Selbstauskünfte, Revisionsprüfungen, regelmäßige Aufmerksamkeit für das Thema durch interne Kommunikation (z.B. Artikel in der Mitarbeiterzeitschrift)

Missstände werden gemeldet durch: Mitarbeiter, Revision, Fachabteilungen

Compliance-Themen sind Teil des Neinjährlichen Mitarbeitergesprächs:

Compliance-Audits: Regelmäßige Audits (jährliche Routineaudits, anlassunabhängige Stichproben, gezielte anlassbezogene Audits)

Compliance-Due-Diligence Ja(z.B. bei M&A):

Geschäftspartner Compliance: Verpflichtung zur Einhaltung der 10 Prinzipien des United Nations Global Compacts in der Lieferkette.

Zertifizierungen: DIN EN ISO 9001:2008

Arbeitsschwerpunkte/Ziele 2012/2013: Einführung eines E-Learning-Programms für alle Mitarbeiter zum Thema Datenschutz; flächendeckende Präsenzschulungen für alle Führungskräfte zum Thema Kartellrecht; weitere Stichproben durch die Revision („trust and control“); Aufmerksamkeit für das ThemaCompliance schaffen (Problembewusstsein wecken).

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8 | Zahlen & FaktenSeptember | 2012

Compliance

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Je komplexer das regulatorische Umfeld, des-to mehr wird ein Unternehmen bestrebt sein,den Risiken durch ein ausgefeiltes Complian-ce Management System Rechnung zu tragen.So zumindest die Theorie. Die Studie „Agen-da 2015: Compliance Management als stetigwachsende Herausforderung für Versicherun-gen“ des Beratungshauses BearingPointbringt da eine Ernüchterung. Obwohl die Ver-sicherungen durch Solvency II, Geldwäsche-präventions- und Datenschutzanforderungenin einem stark regulierten Umfeld tätig sind,sind ihre Compliance Management Systemeschwach aufgestellt. Zwar ist das ThemaCompliance bei den meisten Versicherernhoch im Unternehmen aufgehängt, eine sys-tematische Umsetzung erfolgt aber zögerlich:Rund 70 Prozent der Versicherer verlassensich auf die manuelle Kontrolle betrieblicherVorgänge, und rund ein Viertel der Versiche-rer kontrolliert diese überhaupt nicht. Ledig-lich 25 Prozent bieten Compliance-Schulun-

gen für Mitarbeiter an. 68 Prozent der be-fragten Unternehmen verfügen über keine ei-genständige Compliance-Abteilung. Sovielzu der immer wieder aufkommenden Be-hauptung, die CMS von Finanzdienstleisternseien im Vergleich zu Industrieunternehmendie reifereren Systeme. ||

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Kein Grund zur Sorge?Oft wird behauptet, Finanzdienstleister hätten aufgrund des streng reguliertenUmfelds die ausgefeilteren CMS. Eine Studie zeigt, dass das nicht stimmt.

Die gesamte Studie kann hier herunter -geladen werden.

RankingsTI-Transparenz-RanglisteDie Antikorruptionsorganisation Transparency In-ternational hat im Juli eine Transparenz-Ranglis-te der 105 größten börsennotierten multinatio-nalen Unternehmen veröffentlicht. Transparenzwurde dabei als wichtige Voraussetzung einer er-folgreichen Antikorruptionspolitik von Unterneh-men angesehen. Gering ist im Durchschnitt vorallem die Transparenz über Gewinne und Steuer-zahlungen in den Ländern, in denen sie Geschäf-te betreiben. Unbefriedigend ist bei den meistenmultinationalen Unternehmen die Berichterstat-tung über ihre Antikorruptionsprogramme. Diesieben deutschen Unternehmen befinden sich al-le im ersten Drittel der Rangliste. Die Punktzah-len der 105 Unternehmen rangieren von 0 bis 10,wobei 0 am intransparentesten und 10 am transparentesten ist.

Index Unternehmen6,7 BASF6,6 Allianz6,3 Siemens6,1 Bayer Group60 Deutsche Telekom6,0 E.ON5,8 SAP

Die vollständige Transparenz-Rangliste könnenSie hier herunterladen.

Umsetzung von Compliance Aktivitäten inVersicherungsunternehmen (in Prozent)

Quelle: BearingPoint

� Gar nicht � Teilweise � Überwiegend � Vollständig

Systemunter-stützung

3360

70

Schulungen

3144

257

Prozesse

2047

2613

Arbeits -anweisungen

1943

250

Policies

2733

400

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9 | Compliance in ChinaSeptember | 2012

Compliance

Aber: „In China ist das Thema Complianceangekommen, wenn auch zeitversetzt im Ver-gleich zu Europa. Allerdings sind es vor allemUnternehmen, die über die Landesgrenzenhin aus tätig sind, die durch den Einfluss in-ternationaler Gesetze für das Thema schonsehr sensibilisiert sind“, sagt RechtsanwältinSusanne Rademacher, die den PekingerStandort der Kanzlei Beiten Burkhardt leitet.„Aber auch in China selbst gibt es einen um-fassenden Strauß an straf-, verwaltungs- undwettbewerbsrechtlichen Bestimmungen, diewirtschaftskriminelle Handlungen sanktio-nieren.“

Der Grundstein des ZusammenlebensDabei steht die Vielzahl der staatlichen Unternehmen sogar besonders im Fokus: „Siesind gesetzlich dazu verpflichtet, eine Compliance-Organisation zu schaffen, undwerden durch regelmäßige Spotchecks vonder eigenen State Audit Commission über-prüft“, erklärt Dr. Jenna Wang-Metzner,ebenfalls Partnerin von Beiten Burkhardt inPeking.

Trotz dieses dichten Rahmenwerksschwebt über allem ein Schlagwort, das tieferim chinesischen Selbstverständnis verwurzeltist als jeder andere ethische Grundsatz: „Gu-anxi“, die Beziehungskultur. Als elementarerGrundstein des menschlichen Zusammenle-bens hat sie eine Tradition, die sich bis zumBeginn des Kaiserreichs vor mehr als 2000Jahren zurückverfolgen lässt. „Traditionellschwach ausgeprägte Institutionen, wie zumBeispiel die Rechtsdurchsetzung, haben an-dere Mittel in den Vordergrund treten lassen,um gesellschaftliche und wirtschaftliche Pro-zesse zu steuern. DieEinhaltung von ge-setzlichen Regeln istdemgegenüber tradi-tionell weniger wich-tig“, bilanziert Dr.Sven-Michael Wer-ner, der als Partnervon Taylor Wessingin Shanghai arbeitet.

Und nicht nur das – Gesetze, die der Gu-anxi-Kultur im Weg stehen, sind in der Rea-lität oft das Papier nicht wert, auf dem sie ge-schrieben sind. Denn kleine Aufmerksamkei-ten, Gefälligkeiten und Geschenke, sei esdurch offene Einladungen zu traditionellenFeiertagen oder versteckte Geldzuwendun-gen, beispielsweise in Ziga rettenschachteln,öffnen auch heute noch viele Türen, die sonstverschlossen bleiben würden. Rademacher:„Wenn Aufmerksamkeiten über viele JahreTeil der Geschäftsbeziehungen waren, mussman schon einen enormen Aufwand betrei-ben, um das Bewusstsein zu schärfen.“ Mit ih-

ren strikten Geschenkerichtlinien kommeneuropäische Unternehmen da nicht weit.„Guanxi funktioniert wie eine Zwiebel: ImKern steht die Familie, und im Laufe des Le-bens kommen immer weitere Schalen hinzu.Beziehungen werden für immer gepflegt, undman verliert auch Bekannte aus den frühenLebensjahren wie Schulkameraden nicht ausden Augen“, weiß Rechtsanwältin BarbaraScharrer, die als Of Counsel für Eiger Law ar-beitet und selbst langjährige Erfahrungen alsGeschäftsführerin deutscher Niederlassungenin China gesammelt hat.

Unternehmen haben dabei in der Regelkeine andere Möglichkeit, als die Spielregelnzu beachten, zu groß ist die Macht der staat-lichen Einrichtungen. „Compliance lässt sichin China meist 1:1 mit Korruptionsbekämp-fung übersetzen“, sagt Scharrer. Ob es um dieVergabe von Aufträgen, Steuerzahlungen,Zölle oder elementare Infrastruktureinrich-tungen wie den Telefonanschluss der Firmageht, es führt kein Weg am Staat vorbei. Diemageren Gehälter der meisten Staatsbediens-teten tun ihr Übriges.

Konfuzius verträgt sich nicht mit ComplianceObwohl auch in China der Vorstand offizielldafür sorgen muss, dass das eigene Un -ternehmen keine Compliance-Verstöße be-geht, fehlt deshalb vor allem in rein chinesi-schen Unternehmen oft jegliche Compliance-Struktur. Dabei geht es nicht nur um Guanxi,auch die Lehren des Konfuzius leben in denKöpfen momentan verstärkt wieder auf: DerChef gilt als großer Mentor, dem man nichtwiderspricht: „Sein Wort ist in vielen Unter-nehmen heute noch Gesetz“, erklärt die Chi-

na-Expertin Scharrer.„Ein unabhängigesKontrollgremium wieeine Compliance-Ab-teilung passt da meistnicht zu.“ Anders ist die Lage

in internationalenUnternehmen, in die-

sem Punkt sind sich die Experten einig.Wang-Metzner: „Organisatorisch sind insbe-sondere ausländisch investierte Unternehmengenauso aufgestellt wie anderswo auch, dieCompliance Officer führen Trainings ein undschulen die Mitarbeiter an den verschiedenenNiederlassungen.“ Im Gegensatz zu rein chi-nesischen Firmen hängen sie allerdings auchweniger am Staatsapparat – die Risiken lau-ern in ganz anderen Bereichen wie beispiels-weise bei Verstößen gegen internationale Ge-setze wie den UK Bribery Act.

Aber auch abgesehen von solch rationa-len Motiven setzt sich in den Ballungszentrenwie Shanghai oder Peking zunehmend eine

westlichere Sicht durch – die sogenannte Ge-neration Y löst sich von tradierten Denkwei-sen und kommt nach und nach in den Chef-etagen an.

Ob der Compliance-Gedanke in China ir-gendwann flächendeckend mit der Guanxi-Kultur zumindest konkurrieren kann, dürftevor allem davon abhängen, wie nachhaltigdie nachwachsende Generation neue Werteauch in entlegenere Teile des Riesenreichstransportieren kann. Denn echte Impulse vomStaat sind unwahrscheinlich, er beschränktseine Aktivitäten meist auf wenige Bereiche.Werner: „Der Fokus liegt darauf, konkrete ne-gative Folgen für die Bevölkerung zu vermei-den, zum Beispiel durch die Überwachungder Nahrungsmittelhygiene.“ Auf Verstößeauf diesem Gebiet steht übrigens auch die To-desstrafe.

Ansonsten haben Unternehmen geradeim ländlichen Bereich bislang noch wenig zubefürchten – missachten sie zum Beispiel dasKorruptionsverbot, hängt der Staat ohnehinmeist unmittelbar mit drin. Damit wirklichetwas passiere, müsse man es sich mit vielenverderben, meint Scharrer: „Die Frage ist amEnde immer, wer der Richter ist – und ob eraus irgendwelchen Gründen ein Exempel sta-tuieren möchte.“ ||

[email protected]

<< FOR T S E T ZUNG VON S E I T E 1

Die Macht der Zwiebel In aller KürzeNachdem im letzten Jahr dasLandgericht Hamburg entschie-den hat, dass unternehmensin-terne Unterlagen bei der Aufklärung von Strafta-ten vor dem Zugriff der Staatsanwaltschaftnicht sicher sind, hat nun das LandgerichtMannheim in seinem Beschluss vom 3.7.2012diese Sicht bekräftigt (24 Qs 1/12 und 2/12).Das Gericht kam zu der Auffassung, dass es nichtin völligem Belieben von Unternehmen stehenkann, den Strafverfolgern „unliebsame oder garbrisante Dokumente“ zu entziehen. Es dürfe kei-ne „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ von Zeugen ge-ben, so das Gericht.http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender

Das IT-Unternehmen NTT DATA hat kürzlich dieStudie „Internes Kontrollsystem 2.0 – Heraus-forderungen Effizienz und Wirksamkeit“ veröf-fentlicht, an der 29 deutsche Unternehmen un-terschiedlicher Branchen teilgenommen haben.Eine der Feststellungen der Studie ist, dass Un-ternehmen zwar IKS nach wie vor als einen ei-genständigen Bereich, der dem Finanzressort zu-geordnet ist, verstehen. Dennoch tendieren dieUnternehmen zu einer zunehmenden Verzah-nung der GRC-Bereiche. Mehr als die Hälfte derbefragten Unternehmen verfolgt bereits einen in-tegrierten Ansatz, um die Kosten zu sparen.http://emea.nttdata.com/de

>>Guanxi funktioniert wie eineZwiebel: Im Laufe des Lebensbilden sich immer neue Schalen.

<<Barbara Scharrer, Eiger Law

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Moderation und Tagungsleitung

Dr. Rainer Markfort, Rechtsanwalt, Mayer Brown LLP, Düsseldorf Dr. Dirk Christoph Schautes, Leiter Group Compliance METRO AG, Düsseldorf

Vorträge

„People do what you review“ – Überwachung und Verbesserung von Compliancesystemen

Geschäftsmittler und Compliance – was geht und was nicht?

Workshop 1: Sozialrecht und Compliance – Kontrolle der Nachunternehmer

Workshop 2: Häuser, Schiffe, Filme – Interessenkonflikte am Beispiel von Investment-Fonds

Workshop 3: Der gute (Un)Bekannte – Geschäftspartner Due Diligence

Business-Partner-Compliance als Herausforderung für die (interne)Kommunikation: Plädoyer für einen Stakeholder-Ansatz

Tax Compliance – ein Überblick

Compliance-Monitoring – Benchmarking mit wissenschaftlicher Unterstützung

Compliance in ausländischen RechtsordnungenExperiences with the UK Bribery Act Überblick über weitere ausgewählte Jurisdiktionen

Dinner am 26. Oktober 2012

Dinner mit Key-Note-Speach: „Compliance und Insolvenz“

Termin und Tagungsort

Termin: Freitag, 26. Oktober 2012, 13.00 Uhr bis Samstag, 27. Oktober 2012, 17.00 Uhr (9 Vortragsstunden)

Tagungsort: Nikko Hotel DüsseldorfImmermannstraße 41, 40210 DüsseldorfFon 0211 / 8340

Gebühr

495,- EUR Mitglieder Anwaltverein545,- EUR Nichtmitglieder zzgl. gesetzl. USt.

Ihre Ansprechpartnerin

Petra Schrinner, Fon 030 / 726153-134, Fax -111, [email protected]

2. Deutscher Compliancetag am 26. und 27. Oktober 2012 in Düsseldorf

Information und Anmeldung:DeutscheAnwaltAkademie GmbH • Littenstraße 11 • 10179 Berlin • Fon 030 / 726153-134 • Fax 030 / 726153-111 • [email protected] • www.anwaltakademie.de

120903 DAA AZ Compliancetag Newsletter.qxd 03.09.2012 11:16 Uhr Seite 1

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10 | EssaySeptember | 2012

Compliance

Sie haben Milliarden-Steuerhilfen bekom-men, sie wurden verurteilt, ihr Ansehen istmassiv gesunken, die Regulierungsbehördenwetzen die Schwerter. Aber die Banken schei-nen aus all dem nicht viel gelernt zu haben.Außenstehenden ist klar: Die blinde Gier re-giert amoralische Banker.

Doch: Sind Banker amoralischer als Mit-arbeiter anderer Branchen? Schließlich wirdauch außerhalb der Bankenbranche gelogenund betrogen. Der empirische Beleg, dass sichin Banken wirklich häufiger amoralisches

Verhalten findet, wird schwer zu erbringensein.

Doch selbst, wenn es nicht so wäre. DasSchadenspotential ist – von Energie- undPharmaunternehmen einmal abgesehen – imBankensektor deutlich größer als in der typi-schen Industrie.

Allein deshalb ist es notwendig, dassBanken besonders ethisch handeln. Nur wiebekommt man das hin? Denn die Betrugsfor-schung lehrt uns: Mehr Gesetze und mehrEthik-Klauseln erreichen das Gegenteil.

Nicht (immer) aus Gier.Millionenabfindungen trotz Pleiten undStaatshilfen – ganz klar: Banker werden al-lein von Gier regiert. Deshalb erscheint nie-mandem innerhalb der Bank das eigene Han-deln amoralisch, deshalb machen alle mit.

Tatsächlich ist aber Loyalität eine vielstärkere Triebfeder, Grenzen der Ethik zuüberschreiten. Eine Studie unter amerikani-schen ASU-Testern ergab, dass ein erhebli-cher Teil von Autos, die eigentlich durchge-fallen wären, durchgewunken worden ist. Da-bei waren keine Bestechungen geflossen, eswar häufig schlicht Empathie mit dem Auto-fahrer.

Auch bei größeren Verstößen finden sich– zum großen Erstaunen der Betrüger – vielebereitwillige Unterstützer. Der Appell desChefs „Wir haben da ein echtes Problem. Ichwüsste, wie wir das gelöst bekommen; aberich kann gut verstehen, wenn da jemandnicht mitmachen will“ reicht häufig schonaus. Denn man möchte vertraute Menschenin schwerer Stunde nicht alleinlassen.

Amoralische BankerDie Banken lassen das Betrügen nicht, siehe Barclays. Wie bekommt man endlich wieder Moral in die Banken? Einige überraschende Antworten aus der Psychologie.

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11 | EssaySeptember | 2012

Compliance

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So entsteht oft aus sympathischen Motivenschlechtes Handeln.

Allerdings spielen ethische Erwägungenoffenbar bei Bankern schon grundsätzlicheher eine untergeordnete Rolle. Eine weitereVerhaltensstudie hat ergeben: Probanden, dieangewiesen worden sind, ein bestimmtesProblem „aus Geschäftssicht“ zu lösen, habenin einem späteren Test deutlich häufiger ge-schummelt als Probanden, die das gleicheProblem vorher unter „ethischen Gesichts-punkten“ lösen sollten.

Unser Verhalten verschiebt sich durchunsere Tätigkeit, egal wie moralisch Erzie-hung und Vita vorher waren. Denn derMensch blendet zur Zielerreichung andereAspekte schnell aus. Helfen würde da, wennethische Ziele Teil der Arbeitsaufgabe wer-den.

Doch wie soll so eine Zielvorgabe ausse-hen: Wer nicht betrügt oder lügt, erhält einenBonus? Es gibt ja bereits Gesetze, die klar de-finieren, was erlaubt ist und was nicht. Undder Gesetzgeber/Arbeitgeber versucht stän-dig, die Lücken mit Vorgaben zu schließen.Dies hat aber häufig die Folge, dass wiederumjede noch bestehende Lücke konsequent aus-genutzt wird.

Daraus entsteht ein Dilemma: Je stärker Ethikper Gesetz und Kodex vorgegeben wird, des-to weniger Urteilsvermögen hat der Handeln-de. Er ist es nicht mehr gewohnt, den eigenenWertekompass anzuschauen, sich Gedankenüber mögliche Folgen zu machen – sondernhangelt sich nur am Vorgabentext entlang.

Dieser Effekt ist umso stärker, je dezidier-ter die ethischen Vorgaben sind. Amerikani-

sche MBA-Studenten sind gefragt worden, obdie Begrenzung von giftigen Abgasen eineethische oder eine geschäftliche Entschei-dung ist. Wenn die Begrenzung nur freiwilligwäre, empfanden das 55 Prozent der MBA-Studenten als ethische Entscheidung. Wennaber Verstöße gegen eine Begrenzung auchnur minimal sanktioniert würden, empfandendas nur noch 20 Prozent als ethische Ent-

scheidung. Mehr ethische Vorgaben erreichennur das Gegenteil.

Ernüchterndes ErgebnisDas klingt erst einmal ziemlich ernüchternd:Bankern wird durch ihren Beruf unbewusstunethisches Verhalten antrainiert, aber wederfinanzielle Anreize noch moralische Appellenoch Strafen helfen dagegen wirklich. SelbstGood-Governance-Selbstverpflichtungenwerden wenig bringen, solange sich nichtGrundsätzliches verändert wird.

Betrugsforscher raten beispielsweise, aufjedem Vertrag als Erstes eigentlich Banalesniederzuschreiben: „Lügen ist unethisch undillegal“; damit klar wird, dass auch ethischeAspekte eine Rolle spielen. Oder die Ausbil-dung zu verändern, um nicht nur rationaleLösungsansätze, sondern auch moralischePerspektiven zu diskutieren. Oder Teams re-gelmäßig zu verändern, damit keine zu star-ken Loyalitäten entstehen können. Oder denregelmäßigen interdisziplinären Diskurs mitPhilosophen oder Geistlichen zu suchen.Vielleicht hilft das ein wenig, die Moral wie-der stärker in die Bankenwelt einziehen zulassen. ||

[email protected]

<< FOR T S E T ZUNG VON S E I T E 10

Amoralische Banker

>>Bankern wird durch ihren Berufauf unbewusste Weise un ethisches Verhalten an -trainiert.

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